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und ein Kommentar aus dem Ausland zur Lage:

Schröder muss mehr tun

Die EU-Kommission spricht gegenüber Deutschland eine klare und für Bundeskanzler Schröder wenig schmeichelhafte Sprache. Zum einen ist im Urteil Brüssels das «übermässige» Haushaltsdefizit 2002 - mehr als 3% des Bruttoinlandprodukts (BIP) - weder auf ungewöhnliche Ereignisse noch auf eine ernste Rezession zurückzuführen, sondern auf strukturelle Verwerfungen. Zum andern gibt sich die Kommission recht skeptisch, ob im laufenden Jahr der Fehlbetrag tatsächlich unter den Referenzwert von 3% des BIP gedrückt werden kann, wie die Bundesregierung in Berlin versichert. Die Kommission schlägt deshalb im Rahmen des gegen Deutschland laufenden Defizitverfahrens vor, die Regierung Schröder aufzufordern, innert vier Monaten weitere Sparmassnahmen einzuleiten, um das exzessive Defizit zu beseitigen.

Auch mit Blick auf die mittelfristige Finanzpolitik Deutschlands äussert Brüssel Bedenken. Nach Ansicht der Kommission reichen die bisher an der Spree beschlossenen Reformen nicht aus, um, wie im Stabilitätsprogramm von Finanzminister Eichel projiziert, bis 2006 den Haushaltausgleich zu erreichen. Damit soll wohl zum Ausdruck gebracht werden, dass mit der Arbeitsmarktreform nach dem Hartz-Konzept allein die Wirtschaft nicht revitalisiert werden kann. So wird - unter anderem - ganz direkt für «weitreichende» Reformen bei den sozialen Sicherungssystemen sowie für eine Senkung der regulatorischen Lasten in der Wirtschaft plädiert. Alle diese Empfehlungen müssten dem Bundeskanzler eigentlich gelegen kommen. Der Druck aus Brüssel könnte nämlich dazu beitragen, dass Schröder nach seinen eklatanten wirtschaftspolitischen Versäumnissen in der ersten Amtszeit das Ruder nun tatsächlich herumzureissen wagt und all die notwendigen, aber innenpolitisch schwierig zu «verkaufenden» Reformen endlich in Angriff nimmt - Reformen, welche die Grundlage für ein kräftigeres Wirtschaftswachstum schaffen.

Auf einem anderen Blatt steht freilich, ob Schröder die Brüsseler «Einmischungen» als Chance nutzt. Der Stabilitätspakt ist längst als angeblich zu rigides Instrument ins Gerede gekommen. Auch Schröder selbst hat zusammen mit Frankreichs Staatspräsident Chirac vor wenigen Monaten mit zweideutigen Formulierungen dazu beigetragen, den Pakt zu diskreditieren. Aber Schröder müsste wissen, dass Deutschland als grösste Volkswirtschaft Europas eine besondere Verantwortung trägt. Geordnete Staatsfinanzen sind eine wichtige Voraussetzung für dauerhaftes Wachstum. Solches wird mit dem Stabilitätspakt angestrebt. Nicht von ungefähr haben jene Euro-Länder die robusteste Wirtschaftsentwicklung, die von Anfang an die finanzpolitischen Vorgaben des Paktes erfüllt haben.
 
aus der Diskussion: Eichel schließt für 2006 ein Defizit nicht mehr aus
Autor (Datum des Eintrages): konns  (09.01.03 11:59:52)
Beitrag: 23 von 25 (ID:8264243)
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