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#153 von for4zim 09.01.03 08:23:47 Beitrag Nr.: 8.261.665 8261665
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Mir hat ein Beitrag von Sittin Bull Inv sehr gefallen, #137, und die Diskussion drum herum. Dabei ist auch der verlinkte Zeitartikel (#144) sehr interessant, in dem auch der Satz steht: "Keiner Partei, keinem Institut und keinem Autor ist es bisher gelungen, ein Bild der Gesellschaft von morgen zu entwerfen."

Würden wir dies mehr tun, dann würden uns auch die Folgen unseres Handelns und Unterlassens bewußter. Das Bild der vergreisenden Gesellschaft, deren Aussehen wir heute schon in Mecklenburg-Vorpommern sehen können, ist erschreckend. Ich fordere hier ein Wiedererwachen deutscher Innovationskraft, aber der ansteigende Anteil alter Menschen hat eigentlich den gegenteiligen Effekt - Umsätze gehen zurück, Infrastruktur muß rückgebaut werden, weil sie sich nicht mehr rentiert, für neue Produkte und Ideen ist kein Markt.

Vielleicht ist in diesen Jahren unsere letzte Chance, nochmal Deutschland voran zu bringen, bevor wir aus demographischen Gründen diese nicht mehr können.

MinMacker hatte sich an einer Äußerung Xylophons gestoßen, die besagte, daß nur ein Wertewandel wieder zu mehr Kindern führen würde. Wir alle bemerken, daß zwar mehr Kidnergeld und soziale Infrastruktur für Kinder wünschenswert sein können, aber nicht dazu führen werden, daß sich die Geburtenrate wesentlich ändert. Vielleicht steigt sie von 1,4 auf 1,7, wie in Frankreich. Aber durchgreifende Änderungen sind nur möglich, wenn die Erwachsenen Kinder haben wollen. Und wer nach individueller Erfüllung sucht, kann das selten nur mit Kidnerreichtum vereinbaren. Religiosität und Unterdrückung der Frau sind die bekannten Mittel, Individualismus zu vermeiden. Das soll nicht heißen, wie MinMacker befürchtet, daß dies gutgeheißen würde, sondern ist lediglich eine Zustandsbeschreibung über eine untaugliche Alternative.

Was wir heute sehen, ist die Brüchigkeit eines Erfolges. Der Individualismus war eigentlich eine Befreiung von früherer Unmündigkeit. Was aber dem einzelnen nützt, schadet uns als Gesellschaft auf Dauer und wird im Ergebnis genauso inhuman. Warum also gelingt es nicht, ein neues Gleichgewicht zu erreichen zwischen individueller Erfüllung (Egoismus ist, wie Rainer6767 feststellt, ein schlechter Name dafür, denn damit bezeichnet man das Extrem) und gesellschaftlicher Verpflichtung? Wir müssen für uns feststellen, daß auch die Freiheit Grenzen haben muß zu unserem eigenen Vorteil und uns stärker unseren gesellschaftlichen Pflichten stellen. Zu denen könnte auch zählen, daß man Ansehen nur erreicht, wenn man Kinder hat. Denn in früheren Zeiten mögen Kinder der Alterssicherung gedient haben und Arbeitskräfte in der Landwirtschaft gestellt haben, aber letztlich war man auch einfach stolz auf seine Kinderschar, wie auf Haus und Vermögen. Wenn wir diesen Stolz nicht wiederherstellen können, dann vielleicht die gesellschaftliche Achtung des Kinderreichen bzw. die Randstellung des Kinderlosen (das wird Rainer6767 nicht gefallen und mir wohl zur Zeit auch nicht, aber es geht auch nicht darum, daß es jedem gefällt). Leider weiß ich noch keinen Weg, so etwas gesellschaftlich durchzusetzen.

Im übrigen werden wir darauf angewiesen sein, "Alter" neu zu definieren. In unseren heutigen Statistiken wird die Alterproblematik an dem Verhältnis der Berufsfähigen (Alter 20 - 60) zu den über 60jährigen abgelesen. Wir müssen dahin kommen, daß in 3 oder 5-Jahresschritten diese Grenze ansteigt auf 61, 62, 63 ...Jahre. Die Menschen müssen so gesund werden, daß 2030 ein 65jähriger so gesund ist wie heute ein 60jähriger, daß im Jahr 2050 das reguläre Rentenalter 70 ist und das durchschnittliche Renteneintrittsalter bei 67 liegt. Auch dies löst das demographische Problem nicht, aber es mildert es, wie verstärkte Einwanderung und Erhöhung der Geburtenrate. Es kann ja wohl nicht angehen, daß wir bereits demographische Probleme haben, wenn lediglich die Bevölkerungszahl stagniert. Zur Zeit nämlich lebt unser Sozialversicherungssystem immer noch davon, daß durch die geburtenstarken Jahrgänge alte Menschen gegenüber einer stagnierenden Bevölkerungszahl unterrepräsentiert sind!

 
aus der Diskussion: Denkmodelle, Teil 2
Autor (Datum des Eintrages): sittin bull inv  (09.01.03 18:17:27)
Beitrag: 45 von 53 (ID:8268427)
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