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Multex Magazin: Das Who`s who im Schnapsladen
von Michael Heimrich

31. Januar 2003



Allied Domecq
Das Unternehmen spielt mit einem Börsenwert von knapp 11 Milliarden Euro nach Diageo eindeutig die zweite Geige im Konzert der europäischen Spirituosen- und Weinhersteller. Die Produktpalette reicht von Beefeater Gin, Courvoisier Cognac und Kahlua über Cuvée Napa, Perrier-Jouet und Malibu bis hin zu Kümmerling und einem breiten Angebot an Whisky-Marken wie Ballentines.

Mit 3,3 Milliarden Pfund Umsatz schaffte Allied Domecq im Geschäftsjahr 2001/02 (31. August) weniger als ein Drittel des vom größten Konkurrenten erzielten Volumens. Bei der Ertragsstärke konnte die Nummer zwei angesichts eines Vorsteuergewinns von 480 Millionen Pfund mit dem mächtigen Wettbewerber noch schlechter mithalten. Zwar erzielt Allied Domecq im Vergleich zu Diageo eine geringere Umsatzrendite. Der Konzern ist aber auf dem besten Wege, die Rentabilität weiter auszubauen. Zahlreiche Übernahmen hatten den Konzern in den vergangenen Jahren in einen Gemischtwarenladen verwandelt, dessen Ertragslage sich trotz guter Marken seit rund sechs Jahren beständig verschlechterte.

In Zukunft will Allied Domecq zwar seine Weinsparte noch durch kleinere Zukäufe - vielleicht in Australien - verstärken, sich aber ansonsten auf das Kerngeschäft mit Spirituosen konzentrieren. Das durch Preiserhöhungen verursachte Umsatzdebakel in Nordamerika im vergangenen Jahr, das dem dortigen Management den Job kostete, könnte der traurige Tiefpunkt gewesen sein. Der Wechsel an der US-Führungsspitze, gepaart mit der Einführung neuer Marken, beflügelt die Hoffnung auf eine Wende. Außerdem sollten konzernweit die bislang nur unzureichend integrierten Akquisitionen Synergiepotenzial bieten.

Lehman Brothers geht davon aus, dass Allied Domecq bis 2007 die selbst gesteckten Ziele - wie zum Beispiel eine Rohertragsmarge (RoCE) von 15 Prozent - erreichen wird. Die Investmentbanker sehen für die Aktie unter der Voraussetzung, dass der operative Gewinn in den nächsten fünf Jahren um durchschnittlich fünf Prozent wachsen wird, ein Kursziel von 461 Pence ("Overweight"). Die Allied Domecq-Aktie bekommen Anleger aktuell zu sehr günstigen Konditionen. Während die europäische Konkurrenz mit dem 12- bis 13-fachen 2003er-Gewinn bezahlt wird, liegt das Allied Domecq-KGV bei etwa neun.

Pernod Ricard
Auch das Produktionsprogramm von Pernod Ricard, des drittgrößten Spirituosenherstellers der Welt, liest sich wie ein Who?s who im Schnapsladen: Pastis 51, Ramazotti, Ricard, Pernod, Havanna Club, Bushmills, Wild Turkey, Chivas Regal, Martell oder Wyborowa. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres schafften die Franzosen (Börsenwert zehn Milliarden Euro) ein Umsatzplus von zehn Prozent auf 3,7 Milliarden Euro. 2002 soll sich der operative Gewinn in der Kernsparte Spirituosen und Weine (2001: 344 Millionen Euro Millionen Euro) verdoppelt haben. Der Gewinn pro Aktie soll im Jahresvergleich von 4,57 auf 6,40 Euro steigen. Nach dem Verkauf des Softdrinkbereichs konzentriert sich Pernod Ricard inzwischen ganz auf Wein und Spirituosen. Die strategischen Ziele: Die Nummer eins unter den französischen Schnapsherstellern will sich als Markenartikler im Premiumsegment etablieren und die Schulden senken.

Die Analysten von Credit Suisse First Boston (CSFB) haben die Aktie von Pernod Ricard von "Neutral" auf "Outperform" heraufgestuft. Sie meinen, es sei auf Grund positiver Vergleichsfaktoren mit einem sehr guten Start in das erste und zweite Quartal 2003 zu rechnen. Das Kerngeschäft dürfte im vierten Quartal 2002 solide gelaufen sein. Die Margen würden voraussichtlich die Erwartungen des Marktes übertreffen, so die Experten weiter.

Die Analysten von Morgan Stanley haben die Aktie nach Bekanntgabe der Neunmonatszahlen dagegen nur mit ?Equal Weight? eingestuft. Das Umsatzwachstum im Bereich Spirituosen und Weine von knapp drei Prozent im dritten Quartal sei enttäuschend ausgefallen. Das schwache Kerngeschäft, Währungsschwankungen und geringere Wachstumsraten bei den von Seagram übernommenen Marken werde die Umsatz- und Gewinnziele für 2002 in weite Ferne rücken lassen. Die Analysten von Lehman Brothers weisen allerdings darauf hin, dass für die unter den Erwartungen liegenden Umsätze in der Weinsparte saisonale Gründe verantwortlich seien. Sie sehen das Kursziel für die Aktie bei 83 Euro - rund fünf Prozent unter dem aktuellen Kurs ("Underweight").

Rémy Cointreau
Neben Pernod Ricard zählt auch der französische Spirituosenkonzern Rémy Cointreau (Galliano, Metaxa, Bols, Asbach, Piper-Heidsieck, Rémy Martin, Cointreau) zu den Unternehmen, die sich in einem schwierigen Umfeld behaupten können. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 musste der in Cognac ansässige Hersteller alkoholischer Getränke auf dem wichtigen nordamerikanischen Markt sowie im Duty-Free-Geschäft herbe Umsatzeinbrüche verdauen. Doch das gelang besser, als viele Experten erwartet hatten.

Im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2002/03 (31. März) stieg der Gewinn im Vergleich zum Vorjahr um 6,7 Prozent auf 43,1 Millionen Euro. Der Umsatz ging dagegen leicht um 0,5 Prozent auf 477,5 Millionen Euro zurück. Schwierigkeiten bei der Organisation des Vertriebs in China und vorübergehende Probleme beim Wodka-Verkauf in Polen hatten in den ersten sechs Monaten die Ertragsentwicklung belastet. Im zweiten Halbjahr erwartet Rémy Cointreau (Börsenwert: 1,2 Milliarden Euro) eine Verbesserung der Ergebnisse. Allerdings bereitet den Franzosen der Anstieg des Euro Kopfschmerzen, da sie rund ein Drittel ihrer Erzeugnisse nach Nordamerika verkaufen.

Die langfristigen Wachstumsaussichten sind dennoch gut. So will Rémy Cointreau innerhalb von drei Jahren den Nettogewinn um 50 Prozent ausweiten. Julius Bär gießt allerdings etwas Wasser in den Wein und meint, das anziehende Champagner- und Weingeschäft könne in diesem Geschäftsjahr die Schwäche im dominierenden Cognac- und Wodka-Segment nur teilweise ausgleichen. Die Eidgenossen erwarten dennoch ein starkes zweites Halbjahr, da Rémy Cointreau massiv in seine Marken investiere. Charttechnisch gesehen, könnte der Aktienkurs allerdings kurzfristig bis in die solide Unterstützungszone zwischen 25 und 27 Euro abrutschen. Mit Blick auf die guten Fundamentaldaten stehen dann aber die Chancen gut, dass sich der schon seit vier Jahren andauernde Aufwärtstrend fortsetzen wird.

Davide Campari
Das Quintett der europäischen Spirituosenhersteller wird vom weltweit neuntgrößten Getränkehersteller Davide Campari komplettiert. Für 2003 halten es Analysten für realistisch, dass die von der Börse mit knapp 850 Millionen Euro bewerteten Mailänder einen Gewinn von gut 68 Millionen Euro - nach erwarteten 62,3 Millionen Euro für 2002 - einfahren werden. Einen kräftigen Wachstumsschub versprechen sich die bisher vor allem für den Bitterklassiker Campari bekannten Italiener künftig von harten Drinks.

Die Beteiligung am stark wachsenden US-Wodkahersteller Skyy Spirits hatte Firmenchef Marco Perelli Cippo vor gut einem Jahr auf knapp 59 Prozent aufgestockt. Bis 2006 ist die vollständige Übernahme geplant. Der Clou: Der von den Amerikanern hergestellte Wodka soll angeblich keine Nachwirkungen haben. Campari plant zudem weitere Zukäufe im hochprozentigen Bereich. Im Aufkauf von Konkurrenten kennt sich der Spirituosenhersteller aus: Er vertreibt 30 Marken, darunter Cinzano, Ouzo 12 und Cynar.

Die Analysten von Deutsche Bank Securities sehen Davide Campari "wieder auf der Spur": Zweistellige Steigerungsraten beim Gewinn pro Aktie - angetrieben durch Akquisitionen und moderates organisches Wachstum - sowie ein hoher Cashflow, der zum Kauf von Nischenanbietern genutzt werden könne, seien Argumente für einen Aktienkauf. Die Experten von Auerbach Grayson erwarten, dass das Spirituosensegment auf Grund der erfolgreichen Wodka-Marke Skyy in Nordamerika und weltweit noch ein Wachstumspotenzial von 15 bis zu 50 Prozent aufweist. Das Kursziel für die Campari-Aktie sehen sie auf Sicht von 18 bis 24 Monaten bei 39 Euro ("Outperform").

Angesichts der engen Verbindung zwischen konservativen und dynamischen Papieren dürfte in Zukunft die Entwicklung etwa bei Technologiewerten darüber entscheiden, ob die europäischen Spirituosenaktien auch weiterhin besser abschneiden als der breite Marktdurchschnitt. Vor allem große Hersteller wie Diageo oder Allied Domecq dürften sichere Kandidaten für ein Investment bleiben. Unternehmen wie Rémy Cointreau oder Davide Campari könnten dagegen wegen ihrer vergleichsweise geringen Marktkapitalisierung bei den Großen der Branche Begehrlichkeiten wecken und zu Übernahmekandidaten werden.
 
aus der Diskussion: Allied domecq - hochprozentiges konservatives Investment?
Autor (Datum des Eintrages): mr.lukoil  (31.01.03 13:45:05)
Beitrag: 8 von 11 (ID:8475922)
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