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roterDrachen,

ich würde auch nie behaupten, die Mentalität der Araber vollständig zu verstehen oder zu begreifen. Ein arabischer Freund hat für mich mal zusammengefaßt: "Araber trauen niemandem, weil sie sich untereinander nicht trauen." Das ist sicherlich sehr vereinfachend und provokant, aber meine Erlebnisse stützen immer wieder diese natürlich sehr grobe These.

Ich kenne Araber aus Nordafrika praktisch nicht, meine Kontakte sind auf die arabische Halbinsel und den Iran ausgerichtet. Dort ist aber grundsätzlich zu bemerken, dass es sich um extrem stolze Menschen handelt, denen es - wie uns ja mehr und mehr auch - auf den Wecker geht, daß Amerika sich als moralisches Richtertum aufspielt. Ich habe hier Amerika lange Zeit (auch bei W:O ) verteidigt, aber langsam kann ich das nicht mehr. Zum einen, weil die USA mittlerweile eine rechthaberische Arroganz an den Tag legen, die ja selbst die lethargischen Europäer erschreckt, zum anderen, da ich teilweise lerne, die Handlungen der Amis mit arabischen Augen zu sehen.

Zum Irak-Konflikt haben meine Gesprächspartner fast unisono die Meinung, dass es unglaublich wäre, wenn die USA den Irak, ihren Bruder angreifen würden. Es folgt kaum wiederzugebenes Geschimpfe, und es folgt fast immer der Schlußsatz: Saddam kann gerne über die Klinge springen, wenn die Amis angreifen.

Für Europäer ist das wie folgt zu interpretieren: Räumt ihr mal auf, wir tun das nicht. Und seid gewiß, wir werden auf euch schimpfen, aber wir werden euch nichts tun. Und im Prinzip ist es gut, wenn der Despot wegkommt, nur versucht, der Zivilbevölkerung nichts zu tun. Aber wir werden alles aufs Schärfste verurteilen, was ihr tut! :D

Die Araber haben aber Angst, dass der Weltpolizist auch in anderen Staaten der arabischen Welt subversive Elemente entdeckt, und heute kam ja frisch die Meldung, dass auch Syrien und der Iran im Radar der Amis seien. Das kann zu einem gewaltigen Knall führen.

Wenn der Krieg kommt und nur auf den Irak beschränkt bleibt (wir denken jetzt mal nicht über Horrorszenarien von weiteren Selbstmordanschlägen etc. nach), wird das den Amis in der Region nicht abträglich sein, soviel ist sicher. Die Franzosen haben dort unten seit der Suez-Krise einen schweren Stand, die Engländer ebenfalls. Das derzeitige Verhalten ihrer Regierungen nützt oder schadet den wirtschaftlichen Interessen vermutlich nur marginal. Rußland ist ein echter Brocken, der durch sein Verhalten möglicherweise am meisten gewinnen könnte - wenn er denn was zu liefern hätte außer Waffen. Auf jeden Fall taucht das Wort "Rußland" vermehrt mit politischer Bedeutung in meinen Gesprächen auf.

Deutschland wird mittlerweile - wie gesagt - als politische Randerscheinung gewertet. Und sollte es zu einer friedlichen Lösung kommen, hat Deutschland halt am Anfang gesagt, dass es gegen den Krieg ist. Die Araber werden die Schultern zucken und sagen "Na und?" Vermittlerrolle? Die lachen sich tot im Orient. Wie soll jemand vermitteln, der keine oder nur sehr drollige Lösungen im Gepäck hat?

So, das sind meine Beobachtungen, die mir so eingefallen sind. Das muß natürlich bei weitem nicht alles stimmen, und ich bin nur eine einzelne Stimme.

roterDrachen: Vielleicht ist es auch besser für uns und unser Gewissen, Machtpolitik nicht in Gänze zu verstehen... ;)
 
aus der Diskussion: Die amerikanischen Intellektuellen wachen endlich auf
Autor (Datum des Eintrages): mausschubser  (12.02.03 15:28:51)
Beitrag: 17 von 32 (ID:8587782)
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