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Schröder benutzt das Hitler-Trauma
Gastkommentar
von Rafael Seligmann

Wir wissen, warum Deutschland, zumindest seine Regierung, gegenwärtig an der Spitze der durch Europa wandelnden pazifistischen Gespenster geistert. Die Menschen unserer alten Länder haben ihre historische Lektion gelernt: Nie wieder Krieg! Was viele hier zu Lande allerdings von ihren europäischen Nachbarn unterscheidet, ist Deutschlands Hitler-Trauma. Historische Lernbereitschaft ist notwendig. Doch wenn die sie begleitende Angst sich zur Panik steigert, tritt an Stelle der Fähigkeit, aus vergangenen Fehlern zu lernen, eine kopflose Verweigerungshaltung. Sie gleicht jener eines um sich schlagenden Kindes, das versucht, die heilende Injektion zu verhindern.


Die Bevölkerung in fast allen Ländern Europas lehnt mehrheitlich einen Krieg gegen das Regime Saddam Husseins ab. Doch die Menschen in Madrid, London und Rom nehmen es ihrer Regierung nicht übel, wenn sie aus Gründen der Staatsräson dennoch die Haltung der Vereinigten Staaten unterstützt, Bagdad mit militärischer Gewalt zu drohen und diese notfalls auch einzusetzen. In Deutschland dagegen ist die Abscheu vor Krieg so hoch, dass viele rationalen Argumenten nicht mehr zugänglich sind. Sie verachten Saddam. Doch sie weigern sich der Konsequenz zuzustimmen, dass ein Diktator bekämpft werden muss, der Massenvernichtungswaffen gegen Unschuldige einsetzte, seine Nachbarländer mit Krieg überzog, der unbeirrt versucht, Kernwaffen zu erwerben und sich weigert, seine illegalen Kriegsinstrumente unter Kontrolle zu vernichten.


Panik lässt sich nicht mit Logik niederringen. Dazu braucht es psychologisches Einfühlungsvermögen und Geduld. Dies ist in der Politik die Aufgabe des Staatsmannes. Das Grundgesetz verlangt vom Kanzler und der Regierung den Eid, den Nutzen des deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm zu wenden. Doch Gerhard Schröder ist kein Staatsmann, sondern ein versierter Taktiker der Macht. Er bedient sich der Panik der Deutschen vor dem Krieg, statt sie abzubauen.


Dem Kanzler bescherte das Surfen auf der pazifistischen Welle den Wahlsieg in letzter Minute. Schröders Aussage, Deutschland werde sich an einem Krieg gegen den Irak selbst dann nicht beteiligen, wenn der Sicherheitsrat Gewaltmaßnahmen beschließen sollte, traf die Kriegsfurcht der Deutschen. Die im gleichen Zuge vorgebrachte Äußerung des Kanzlers, Deutschland wolle sich nicht in einen Krieg hineinziehen lassen, entsprach nicht den Tatsachen. Unser Land ist längst an friedenserhaltenden Maßnahmen und kriegerischen Konflikten rund um den Erdball beteiligt, unter anderem in Jugoslawien und in Afghanistan. Darüber hinaus wurden Deutsche Opfer der Terroranschläge auf das Welthandelszentrum in New York und die Synagoge auf Djerba. Wir werden, ob wir wollen oder nicht, in den Krieg des internationalen Terrors gegen die westlichen Demokratien hineingezogen.


Auch nach den Wahlen verharrt die Bundesregierung in pazifistischer Denkblockade. Schröder versucht von der desperaten Lage seiner Partei abzulenken, indem er sich noch vor der Sitzung des UN-Sicherheitsrates auf ein deutsches Nein festlegt. Damit hat der Kanzler erneut gegen die Interessen unseres Landes verstoßen. Denn sollte es zum Krieg kommen, ist Deutschland im westlichen Bündnis isoliert.


Ursache der pazifistischen deutschen Haltung ist unsere Geschichte. Die Bereitschaft Hitlers Krieg mitzutragen, ermöglichte den Holocaust und hatte die Zerstörung von Deutschlands Städten zur Folge. Die Prophezeiung des US-Luftwaffengenerals Anderson sollte sich bewahrheiten, „dass die Tatsache, dass Deutschland einfach überall getroffen wurde, noch vom Vater an den Sohn und dann an den Enkel weitergegeben wird, und dass dies auf jeden Fall der Abschreckung für das Anzetteln künftiger Kriege dienen wird“.


Friedensliebe und die Bereitschaft, aus der Geschichte zu lernen, dürfen nicht zum Dogma gerinnen, das mit traumatischen Schuldgefühlen zementiert wird. Dadurch gerät man in Gefahr, das Gegenteil der guten Absicht zu erreichen, und macht sich zum potenziellen Opfer politischer Erpresser vom Schlage Saddams oder Koreas Kim Yong Il. Wer ohne Scheuklappen die Geschichte studiert, lernt, dass Hitlers Herrschaft am Ende nur mit Hilfe eines Krieges beseitigt werden konnte. Sie gedieh zunächst, weil Briten und Franzosen sie zu beschwichtigen suchten.


Die Deutschen sollten sich bei ihrer Friedenspolitik auf ihren Clausewitz besinnen. Der Preuße definierte den Krieg als ein „politisches Instrument . . ., eine Fortsetzung des politischen Verkehrs, ein Durchführen desselben mit andern Mitteln.“ Dies ist keine Carte blanche für Kriegslüsternheit, sondern eine Mahnung, den Primat der Politik stets, selbst im Krieg, zu berücksichtigen. Deutschland muss sich aus dem paralysierenden Schatten Adolf Hitlers lösen und Politik nicht länger als Dogma, sondern wie Bismarck als Kunst des Möglichen begreifen. Saddam Hussein lässt sich nicht durch Friedensaktivisten beeindrucken. Der Diktator und seine Paladine werden nur weichen, wenn sie befürchten müssen, gewaltsam aus ihren Pfründen verjagt zu werden.


Artikel erschienen am 14. Feb 2003
 
aus der Diskussion: SCHRÖDER u. Regierung - immenser Schaden für die BRD
Autor (Datum des Eintrages): 1121  (14.02.03 08:39:34)
Beitrag: 17 von 17 (ID:8607912)
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