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Moderner Feudalismus in Deutschland
von Dr. Harald Wozniewski

Reinhard Mohn, früherer Chef des Bertelsmann-Konzerns, heute Vorsitzender des Präsidiums der Bertelsmann Stiftung, in einem Interview des STERN (in: "Ein Segen, daß uns das Geld ausgeht", 1998, S. 16) auf die Frage:
Sie selbst haben die Sozialpflichtigkeit des Eigentums betont und schon sehr frühzeitig Ihre Mitarbeiter am Unternehmen und dessen Ertrag beteiligt. Wären wir heute weiter, wenn mehr Unternehmen das gemacht hätten?
"Volkswirtschaftlich gesehen wäre es sicher viel leichter, auch mal auf Lohnerhöhungen zu verzichten oder sie zu reduzieren, wenn die Mitarbeiter flächendeckend am Produktivkapital beteiligt wären. Dann hätten sie neben dem Lohn und später neben der Rente noch eine andere Einkommensquelle. Wir stünden bei den Arbeits- und Sozialkosten besser da und wären konkurrenzfähiger auf der Welt. Das können Sie aber nicht per Gesetz verordnen. Das muss auf betrieblicher Ebene geregelt werden."
Und wollen Sie wissen, wer das hier gleich zu Beginn seines großen Werkes geschrieben hat?

Rätsellösung1a

Unsere deutsche Wirtschaftsverfassung ist nicht gerade gesund. Niemand würde das angesichts der vielen Arbeitslosen, der Schwierigkeiten bei den Renten- und Krankenkassen und angesichts der stets wachsenden Staatsverschuldung ernsthaft bestreiten. Doch die "Ärzte" streiten endlos, um welche "Krankheit" es sich handelt und wie sie zu behandeln ist.
Die Krankheit unserer Wirtschaftsverfassung
Sie ist eine schleichende Krankheit. Sie vollzieht sich langsam - über Jahrzehnte. Daher fällt es schwer, Ursachen und Wirkungen und überhaupt die Ursachen zu erkennen. Die Krankheit, an der unsere Wirtschaftsverfassung leidet, ist der "moderne Feudalismus" .
Unsere Rechtsordnung lässt es zu, dass ein in Deutschland "als Deutscher" geborener Mensch sein Leben dazu verdammt sein kann, für den Fleck Erde, auf dem er lebt, an einen anderen "bezahlen" zu müssen. Miete oder Pacht nennt man das, und man findet nichts Ungewöhnliches dabei. Unsere Rechtsordnung lässt weiter zu, dass man in unserem Land schrankenlos Vermögen ("Kapital") erwerben und ansammeln darf. Auch das erscheint uns nicht weiter problematisch. Wer strebt nicht danach, sich ein "kleines Vermögen" anzusparen?!!
Problematisch wird es aber dann, wenn das Vermögen eines Einzelnen einen Umfang annimmt, das einerseits die Entwicklungsmöglichkeiten anderer unverhältnismäßig einschränkt und das andererseits dem Inhaber ein Einkommen beschert, bei dem ein anderer ohne solches Vermögen mit noch so gut bezahlter Arbeit nicht mehr mithalten kann und folglich fairer "Wettbewerb" nicht mehr stattfindet. . Was ist damit gemeint?
Wenn jemand ein Vermögen von beispielsweise 102 Millionen DM wert besitzt, dann nutzt er davon vielleicht einen Anteil von 2 Millionen DM völlig für sich selbst (das Haus oder die Villa, in der er wohnt). Die übrigen 100 Millionen DM sind möglichst gewinnbringend angelegt in Aktien, Anleihen, Mietshäuser usw. Die Renditen hierfür liegen normalerweise bei 5% bis 10% jährlich, manchmal mehr, manchmal weniger. Das sind also rund 5 Millionen bis 10 Millionen DM Einkünfte jährlich allein aufgrund des Vermögens. Ob derjenige noch einem Beruf als Würstchenverkäufer oder als Industriemanager oder gar keiner Arbeit nachgeht, fällt dabei nicht mehr ins Gewicht.
An sich ist es auch nicht schädlich, dass jemand gut verdient. Für die Volkswirtschaft ist es völlig unproblematisch, wenn beispielsweise Spitzensportler für ihre Arbeit hoch bezahlt werden. Das Geld muss schließlich rollen, damit es der Volkswirtschaft, und damit allen, gut geht. Problematisch wird "die Sache mit den hohen Kapitaleinkünften" durch zweierlei Dinge: (1.) Durch die Begrenztheit der Ressourcen und (2.) durch die ungleichen Chancen beim Erwerb gewinnbringenden Kapitals.
Begrenztheit der Ressourcen
Kapitaleinkünfte setzen Eigentum an bestimmten Ressourcen voraus, die gar nicht oder nur sehr begrenzt vermehrt werden können. Bei diesen Ressourcen handelt es sich vor allem um Grund und Boden und um Industrie- und Gewerbevermögen. Jedem ist klar, dass der Grund und Boden der Bundesrepublik Deutschland nicht vermehrt werden kann (sieht man einmal von den Methoden eines A. H. einmal ab). Legt man die Bevölkerungszahl von 1996 zugrunde, kommen auf jeden Deutschen rund 4.790 m² Bodenfläche in Deutschland (= 356.970.000.000 m² / 74.520.500 Deutsche).
Durch den wirtschaftlichen Wettbewerb ist freilich auch das Industrie- und Gewerbevermögen begrenzt. Ein Unternehmen wie beispielsweise BASF könnte in Deutschland wohl kaum noch ein zweites Mal neben dem bereits bestehenden existieren. Außerdem braucht jede Industrie und jeder Betrieb Grund und Boden. Und dieser ist, wie gesagt, begrenzt. Rechnet man Betriebs-, Gebäude- und Freiflächen (nicht aber Landwirtschafts- und Waldflächen, Wasserflächen, Verkehrsflächen, Erholungsflächen und nicht Flächen anderer Nutzung) auf die Deutschen von 1996 um, so kommen auf jeden Deutschen rund 300 m² Betriebs?, Gebäude- und Freifläche (Achtung: Bei einem zehnstöckigen Haus können das 3.000 m² Büro- oder Wohnfläche sein).
Wer also beispielsweise wie oben 102 Millionen DM Kapitalvermögen hat, ist rechnerisch unmittelbar oder mittelbar (durch Aktien usw.) Eigentümer eines hundert- bis tausendfachen dieses Durchschnittswerts von 300 m² Betriebs?, Gebäude- und Freiflächen. Das bedeutet aber zugleich: Wenn einer 1001 Mal die durchschnittliche Betriebs?, Gebäude- und Freifläche sein Eigen nennt, sind zwangsläufig 1000 andere in diesem Punkte besitzlos. Es ist also nur logisch, dass, wenn beispielsweise der Grund und Boden einer mit 100 Einwohnern belebten einsamen Insel allein dreien dieser Einwohner gehört, die anderen 97 Einwohner in Miete leben müssen. Sie müssen auch in abhängiger Arbeit ihr Brot verdienen, weil der einzige Betrieb der Insel (nach der Rechtsordnung) Bestandteil von Grund und Boden ist und damit den drei Wohlhabenden gehört. Die 97 anderen haben keine Möglichkeit zur "Selbständigkeit", es sei denn, sie zahlen Miete oder Pacht für den Boden, auf dem sie ihr "eigenes" Unternehmen betreiben würden.
Vermögenskumulationen und Feudalismus heute
Dass es sich hier sowohl hinsichtlich der Zahl der Reichen wie auch hinsichtlich der Größe ihres Vermögens um ernst zu nehmende Fakten handelt, zeigen die Zahlen des Statistischen Bundesamts (leider nicht direkt , aber indirekt ). Im Jahr 1992 hatten von den insgesamt rund 30 Millionen Steuerpflichtigen 25.265 Steuerpflichtige ein Einkommen von über 1 Million DM (über 750 davon hatten eines von über 10 Millionen DM). Zusammen betrugen deren Einkünfte allein im Jahr 1992 rund 70 Milliarden DM, im Schnitt also über 2,7 Millionen DM pro Steuerpflichtigen. (Statistik oben lfd. Nrn. 15 - 18)
Diese Gruppe von 25.265 Steuerpflichtigen erzielte 1992 zusammen ebenso viele positive Einkünfte (im steuerrechtlichen Sinn) aus
· Gewerbebetrieb wie ca. 1,8 Millionen Steuerpflichtige der Einkommensgruppe bis 100.000 DM
· Kapitalvermögen wie ca. 12,4 Millionen Steuerpflichtige der Einkommensgruppe bis 75.000 DM
· Vermietung und Verpachtung wie rund vierhunderttausend Steuerpflichtige der Einkommensgruppe bis 25.000 DM (wobei in dieser Steuerklasse bekanntlich mit den größten Verlustzuschreibungen und Sonderabschreibungen operiert wird, um Steuern zu sparen).
Bei alledem sind noch nicht die steuerfreien Vermögenszuwächse berücksichtigt. Grundstücke steigen im Wert, weil sie knapp sind und weil natürlich auch steuerbegünstigte Investitionen (Bebauung) sich niederschlagen. Aktien steigen regelmäßig erheblich im Wert (in manchen Jahren 10% - 30% jährlich), zumal Großaktionäre die Unternehmensgewinne lieber im Unternehmen belassen (= steuerfreie Wertsteigerung der Aktien) als sie sich als (zu versteuernde) Dividende auszahlen zu lassen.
Die 751 Steuerpflichtigen mit 10 Millionen DM oder mehr Einkünfte im Jahr 1992 hatten im Durchschnitt 19.968.850 DM Einkünfte und mussten im Durchschnitt 8.587.888 DM Einkommensteuer zahlen. Damit verblieben nach Steuern im Schnitt über 31.000 DM täglich!
Die Kumulation von Vermögen (insbesondere von gewinnbringendem Vermögen) in den Händen weniger ist unverkennbar und beschneidet zwangsläufig die Möglichkeiten der anderen.
Damit ist der Feudalismus in Deutschland bereits wiedergekehrt. Die Kapitaleinkünfte eines einzigen (!) derart superreichen Steuerpflichtigen entsprechen leicht dem ausgeschütteten Gewinn eines Unternehmens, den dort mehrere Hundert oder Tausend "Beschäftigte" erwirtschaftet haben.
Chancengleichheit?
Das Verhältnis der Einkünfte eines Wohlhabenden aus Kapital und des Einkommens eines Durchschnittsbürgers (erst recht eines Habenichts) ist schon so krass, dass es letzterem schlicht unmöglich ist, hinsichtlich des Kapitalzuwachses mit den Reichen mitzuhalten. Zum Vergleich: Die Besoldung unserer höchsten deutschen Richter liegt bei rund 200.000 DM jährlich. Dafür müssen die aber arbeiten. Die Einkünfte der Wohlhabenden (nicht aus Arbeit, sondern aus Kapital) liegen, wie dargelegt, bei über 1 Million DM oder auch bei über 10 Millionen DM jährlich. Zieht man bei beiden 100.000 DM für die private Lebensführung ab, so könnte der höchstbesoldete Richter alle zehn Jahre ein neues Mietshaus im Wert von 1 Million DM erwerben. In derselben Zeit kauft der Wohlhabende allein mit seinen "Zinsen" zehn bis hundert solcher Häuser.
Da, wie gezeigt, Grund und Boden begrenzt sind, kann nicht jeder, der will, Mietshäuser kaufen. Statt dessen passen die Preise sich der Nachfrage an. Und, wie wohl offensichtlich: Der Reiche kann allein aufgrund seines Einkommens ein hundertfaches von dem bezahlen, was jeder andere kann. Auch wenn jemand, der nicht Nachkomme reicher Vorfahren ist und der kein Vermögen besitzt, noch so hart arbeitet: Er hat gegen die Kapitalansammlung eines Reichen keine Chance (den wenigen Spitzenverdienern aus Sport und Wirtschaft, die allein für ihre Arbeit oder Tätigkeit bezahlt werden, sei es aufrichtig gegönnt).

Was bedeutet das für die Volkswirtschaft?
Man kann die Wirtschaft gut und durchaus treffend mit dem Blutkreislauf des Menschen vergleichen. Das Geld ist das Blut, das die Zellen bzw. die Menschen versorgt, die irgendwo in dem Organismus an einem der unzähligen Blutgefäße angesiedelt sind. Je größer das Blutgefäß ist, an dem ein Mensch sein Lager aufgeschlagen hat, desto mehr Geld fließt ihm ständig zu. Die Reichen umlagern also die Aorta und die Armen irgend welche weit entfernten kleinen Äderchen, in denen womöglich schon kein Blut mehr fließt. In einem gesunden Organismus werden alle Zellen (Menschen) gut versorgt. Ist der Blutkreislauf krank und konzentriert der Blutkreislauf (Geldkreislauf) sich immer mehr auf die großen und immer größer werdenden Blutgefäße, dann kommt in weiten Teilen des Organismus der Blutfluss, d. h. das Wirtschaftsleben zum erliegen. Ostdeutschland hat uns das bis in die Gegenwart sehr deutlich gemacht.
Die Wirtschaft floriert nur dann, wenn alle hinreichend am Geldfluss partizipieren. Es ist ein Irrglaube, dass die wenigen Wohlhabenden das Geld, das sie erhalten, wieder so in die Wirtschaft streuen, dass alle in diesem Sinne partizipieren (dazu gleich mehr). Eine Wirtschaft ist nur so lange gesund, wie der Unterschied zwischen großen und kleinen Blutgefäßen nur so groß ist, dass noch genügend Blut in den kleinen Gefäßen fließt. Fließt Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld bzw. -hilfe, dann ist diese Grenze bereits überschritten.
Heilung in Sicht?
In den USA ist 1999 die Abschaffung der Erbschaftssteuer diskutiert worden. Nach dem Gesagten kann man sich leicht vorstellen, wo das hinführen würde. Die Erbschaftssteuer ist eine (wenn auch kleine) Korrektur des immensen Vermögenszuwachses am Schluss eines Menschenlebens. Sie verhindert in der Regel nicht, dass die Erben besser starten als der Erblasser gestartet war (was man aber einmal überdenken sollte).
Hier wurde die Vermögenssteuer abgeschafft. Die Vermögenssteuer ist eine Möglichkeit zur Korrektur während eines Menschenlebens. Sie sollte nicht das kleine Vermögen treffen. Sie sollte besser so gestaltet sein, dass der Vermögenszuwachs ab einer Grenze, über die man diskutieren müsste, spürbar beschränkt wird. Es gibt aber sicher noch mehr Möglichkeiten, dem hier aufgezeigten Problem abzuhelfen.
Auch die Diskussion um "Investitionsanreize" löst das Problem nicht. Im Gegenteil. Jeder, der Vermögen hat, wird es (soweit er es nicht privat nutzt oder verbraucht) so anzulegen versuchen, dass es möglichst hohen Ertrag bringt. Niemand, der schon ein Vermögen von vielleicht 50 Millionen DM besitzt, ist nach unserer Wirtschaftsverfassung heute gezwungen, auf weiteren Vermögenszuwachs zu verzichten. Auch der darf nach wie vor 10%, 20% oder mehr Rendite erzielen. Die Entwicklung unserer Arbeitswelt geht immer mehr weg von menschlicher Arbeit und hin zu maschineller Arbeit. Roboter und Computer ersetzen Menschen, - weil die Maschinen billiger sind und damit höhere Rendite versprechen. deshalb wird nicht in solche Betriebe und Arbeitsplätze wie vor dreißig Jahren investiert, sondern in solche mit neuester Technik, d. h. mit Computern und Robotern. Wer zu Investitionen "anreizt", fördert diese Entwicklung; er schafft aber insgesamt gesehen nicht mehr Arbeitsplätze.
Die Technisierung der Wirtschaft und der Verlust von "Arbeitsplätzen" ist ja an sich gar nicht schlecht: Es ist schon ein alter der Traum der Menschen, Maschinen für sich arbeiten zu lassen, um selbst irgend welchen Vergnügen oder Interessen nachgehen zu können. Warum denn nicht?!! Niemand kommt hierzulande noch auf die Idee, anstelle eines Autos eine Sänfte zu benutzen, obwohl er dadurch immerhin zwei, vier oder gar mehr Arbeitsplätze schaffen könnte. Wenn aber in einem Gemeinwesen die Güterproduktion durch Maschinen und nicht mehr durch Menschen erfolgt, dann sollte jedoch gewährleistet sein, dass nicht jeder Arbeitslose in Armut landet und nur noch von Sozialhilfe lebt. Die Chance zur Beteiligung an Kapital (insbesondere Industriekapital) muss allen eröffnet werden, und zwar in einer Weise, wo die Besitzenden hinten anstehen müssen.
Die Diskussion um die Höhe der Einkommensteuer löst das Problem nicht. Dass jemand mit 5 Millionen DM Kapitaleinkünften jährlich 40%, 50% oder 60% Steuern zahlen muss, wird ihm freilich mehr oder weniger lästig sein. Aber selbst bei 60% Steuer bleiben ihm noch 2 Millionen DM übrig und damit zehnmal so viel wie unseren höchsten deutschen Richtern (Und das ohne noch dafür arbeiten zu müssen). Diese Diskussion um die Höhe der Einkommensteuer verschleiert das Problem: Denn nicht die Höhe der Einkommen ist an sich schädlich, sondern die Verdrängung des weniger Begüterten durch den besser Begüterten bei der Vermögensansammlung.
Nicht die Begrenzung von Einkommen schafft Abhilfe, sondern nur die Beschränkung von großen Vermögen. Artikel 14 Absatz 1 Grundgesetz lautet: "Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt." Nur die Beschränkung des Vermögens der Wohlhabenden, das sie in Deutschland haben, gibt den weniger Begüterten hierzulande die Möglichkeit, sich ebenfalls Vermögen anzusparen.
Würde der Gesetzgeber z. B. (gewinnbringendes) inländisches Vermögen von über 50 Mio. DM Wert so besteuern, dass der Eigentümer es lieber verkauft als dass er es weiter behält, dann würde sich dieses Vermögen wieder stärker unter der Bevölkerung verteilen. Es wäre so, als ob man mit einer Platte die Spitze eines Sandhaufens herunter drückt, so dass sich der Sand der Spitze an den Seiten des Haufens verteilt.

Es ist nach der Rechtsordnung unbegrenzte Vermögensanhäufung möglich, so dass der Haufen immer höher und der leere Rand immer breiter werden kann.

Man kann davon ausgehen, dass die Verteilung des (gewinnbringenden) Vermögens in Deutschland etwa auch der Verteilung des Einkommens aus Kapital entspricht Diese Gelder fehlen der Wirtschaft weitgehend, weil sie fast nur noch in exklusiven Kreisen fließen

Sicher, Vermögen dient auch der persönlichen Selbstentfaltung - auch der der Reichen (Art. 2 GG). Sollte deshalb aber deren Vermögen schrankenlos immer größer werden können? Einmal ehrlich: Dient ein Vermögen von meinetwegen 100 Millionen DM noch ernsthaft mehr der persönlichen Selbstentfaltung des Eigentümers als etwa eines von 50 Millionen DM? Und muss Vermögensansammlung der Reichen nicht da eine Grenze finden, wo sie die von anderen unmöglich macht?!! Über diese Zusammenhänge ist sich offenbar nicht einmal das Bundesverfassungsgericht im Klaren, wie etwa aus dem allbekannten Beschluss vom 22. Juni 1995 zur Vermögenssteuer (2 BvL 37/91, NJW 1995, 2615, 2617) deutlich wird. Dort wird jedenfalls allein die Sicht des (vermögenden) Steuerschuldners betrachtet, nicht aber das hier aufgezeigte Problem (vgl. auch das abweichende Votum dort des Richters Böckenförde).
Insgesamt ist es heute jedoch so, dass wegen der Vermögenskonzentration (insbesondere hinsichtlich Grund und Boden) es dem Gros der deutschen Bevölkerung ein Leben lang unmöglich sein wird, sich aus Miete und abhängiger Arbeit bzw. Arbeitslosigkeit zu befreien. Erkennen Sie den modernen Feudalismus? Wenn unsere Wirtschaftsverfassung (d. h. wenn unsere Gesetzeslandschaft) sich nicht entscheidend ändert, wird sich dieser Feudalismus weiter verschärfen -
Zusammenfassung in Thesen
These 1: Unsere Wirtschaftsverfassung lässt bei Privatpersonen unbegrenzt Vermögensanhäufungen zu.
These 2: Die Vermögensanhäufungen der einen führen immer schneller zu einer Verdrängung der anderen in die Besitzlosigkeit oder Armut. Im zerstörten Deutschland nach dem II. Weltkrieg war dieser Zustand naturgemäß nicht vorhanden; Feudalismus war daher kein Problem. Die wirtschaftlichen Zusammenhänge von Vermögen, Armut und von "Arbeitslosigkeit" waren im Altertum, im Mittelalter die gleichen wie heute: Starke Vermögenskumulationen bei den einen bedeutet immer Verdrängung (wenn nicht sogar Versklavung) bei den anderen. Für heute sieht das nur (noch) keiner!
These 3: Besitzlosigkeit und Armut (ver)hindern die Gründung von eigenen Unternehmen; sie zwingen den einzelnen in abhängige Arbeit oder in die Arbeitslosigkeit. Dies fördert wiederum die Kapitalanhäufung der Besitzenden.
These 4: Besitzlosigkeit und Armut bremsen die Konjunktur (Der "Blutkreislauf" des Organismus Deutschland ist in weiten Bereichen versiegt.). Sie mindern das Steueraufkommen des Staats einerseits und belasten die Sozialkassen andererseits.
These 5: Nur eine rechtliche Begrenzung des Inlandsvermögens (der "Ressourcen"), gibt den weniger besitzenden die reale Chance, ebenfalls Vermögen anzusammeln.
These 6: Dadurch wird auch die Gründung von Unternehmen bzw. die Beteiligung an Unternehmen gefördert, wenn nicht sogar erst ermöglicht. (Beispiel: Der Weg eines "Arbeitslosen" in die Selbständigkeit ist sehr viel leichter oder überhaupt erst möglich, wenn er ein Grundstück für sein Unternehmen besitzt und nicht mit Miete oder Pacht belastet wird.)
These 7: Vermögen im Ausland spielen bei alledem keine Rolle. Das führt allenfalls zum Feudalismus im Ausland, um den sich aber die anderen Staaten selbst kümmern sollten.
These 8: Nicht die Besteuerung von Vermögen oder die Umverteilung von oben nach unten ("Robin-Hood-Philosophie") ist das Ziel, sondern lediglich die Begrenzung von Ansammlungen inländischer Vermögen nach oben hin.
Zur Ergänzung:
Geld ist Papier oder Blech
Man sollte sich frei machen davon, in volkswirtschaftlichen Diskussionen immer das Geld (die Finanzen und die Kosten) zu betrachten. Geld ist für sich genommen völlig unwichtig. Es kommt aus der Druckerpresse und muss dann zirkulieren - überall, damit es allen (einigermaßen) gut geht.
Volkswirtschaftlich entscheidend sind die Güter (Vermögenswerte, Dienstleistungen usw., die man mit Geld bezahlen kann). Betrachten Sie die Güter, fragen Sie wer sie hat und wer davon wie viel und wie schnell dazu erwirbt.
Arbeitsplätze im Ausland
Fragen Sie auch nicht, ob in Deutschland oder im Ausland produziert wird und wo damit "Arbeitsplätze" geschaffen werden! Fragen Sie, wer die Produkte erhält!

 
aus der Diskussion: Gehört Krieg zum System?
Autor (Datum des Eintrages): sittin bull inv  (14.02.03 18:54:18)
Beitrag: 33 von 42 (ID:8616376)
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