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Das Imperium americanum schlägt zurück (2)

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"Too much Europe", klagen die US-Strategen

"Die USA möchten am liebsten die Systeme, die sie selbst mit hohem Aufwand entwickelt haben, selbst verkaufen", sagt der Bonner Politologie-Professor Christian Hacke. Folglich werde, so Hacke, die tückische Lücke "immer größer" ... "vor allem in den Bereichen Aufklärung, Kommunikation, Hightech-Waffen und Mobilität".

Derart steil ist das Technologie-Gefälle zwischen der Supermacht, die bis an die Zähne gerüstet ist, und den "zahnlosen Papiertigern" (Ex-Generalinspekteur Klaus Naumann) auf dem alten Kontinent, dass hohe Militärs bereits daran zweifeln, ob die ungleichen Streitkräfte in Teilbereichen überhaupt noch kooperationsfähig sind.

Kein Wunder, dass US-Militärplaner (typisches Wehklagen: "too much Europe") von den Mitsprachewünschen der Nato-Kümmerlinge zunehmend genervt sind. Einflussreiche US-Leitartikler, etwa im "Wall Street Journal", spekulieren sogar bereits darüber, ob die Nato nicht längst ebenso überflüssig sei wie die Seato, der zu Grabe getragene südostasiatische Schwesterpakt.

"Out of area or out of business"

Die US-Strategen indessen haben dem Relikt aus den Zeiten des Kalten Krieges zwei wichtige Zukunftsaufgaben zugedacht:

Im kommenden Jahr soll die Nato sieben Länder, die einst von der Roten Armee beherrscht wurden, aufnehmen und sie damit ins westliche Sicherheitssystem einbinden. Die angepeilte Einbeziehung von Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowenien und der Slowakei sowie eine verstärkte Kooperation mit Russland würde den Einfluss des Pentagon und die Absatzmärkte der US-Rüstungsindustrie weit in Richtung Asien verschieben.

Ebenfalls 2004 wird die laut Bush "wichtigste Reform" seit der Gründung der Allianz wirksam: Mit einer speziellen Eingreiftruppe, der "Response Force", soll die Nato endgültig ihre traditionelle Selbstbeschränkung auf den Großraum Europa aufgeben, indem sie weltweit bei innerstaatlichen Krisen einmischt und sich dem räumlich wie zeitlich unbegrenzten "Krieg gegen den internationalen Terrorismus" widmet.
Zu dieser "Revolution im Bündnis" ("Berliner Zeitung") war die Nato von den Amerikanern mit einem Angst einflößenden Schlagwort geprügelt worden: "Out of area or out of business" - wenn der Pakt sich weigere, außerhalb seines 1949 abgezirkelten Areals anzutreten, fliege er aus dem Geschäft.
Mit jeder der beiden neuen Reformen wächst das Konfliktpotenzial im Bündnis. Die Osterweiterung beispielsweise macht eine gemeinsame Politik des europäischen Nato-Kerns noch schwieriger als bislang.

Die Erweiterungsstaaten werden es den USA leicht machen, mit Geld und guten Worten eine gemeinsame Position der sich allmählich emanzipierenden Europäer zu hintertreiben. Denn Washington kommt zugute, dass es die Neumitglieder im Osten auf Grund ihrer schlechten historischen Erfahrungen mit den Russen und mit den Deutschen die Nähe der transatlantischen Schutzmacht suchen. "Durch die Osterweiterung," analysiert ein Militärexperte, "wird Europa nicht europäischer, sondern amerikanischer werden."

Auch die weltweiten Feuerwehreinsätze werden für Zoff sorgen. "Die Neigung der USA, das Bündnis als Instrument amerikanischer Weltmachtpolitik und Globalstrategie zu betrachten, überfordert und schwächt den Bündniszusammenhalt," glaubt Klaus-Dieter Schwarz von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Mit Diktatoren und Despoten für Democracy

Während das Spannungspotenzial innerhalb der Nato wächst, taugen die viel beschworenen "gemeinsamen westlichen Werte" immer weniger als Kitt zwischen den auseinander strebenden Partnern.

Schon in den Flegeljahren der Nato hatte die Mitgliedschaft damaliger Militärdiktaturen wie Portugal, Griechenland und Türkei die Berufung auf Freiheit und Demokratie hohl und heuchlerisch erscheinen lassen. Unter Bush scheint die Bereitschaft der USA erneut gestiegen, im Namen von Freedom and Democracy auch mit Diktatoren und Despoten zu paktieren - sei es mit arabischen Scheichs, sei es mit asiatischen Warlords.

Der Trend, mal mit Freunden, mal mit Finsterlingen gemeinsame Sache zu machen, stößt vor allem in Deutschland, bei den demokratischen Musterschülern der Angloamerikaner, auf Unverständnis.

Eine "Werte-lose" Bündnispolitik sei "wertlos", kritisiert Karl-Heinz Kamps, der Planungschef der Konrad-Adenauer-Stiftung, den american way of war. Wenn Bush statt mit seinen Nato-Partnern wechselweise mit Demokraten und Antidemokraten paktiere, "wäre die über Jahrzehnte beschworene transatlantische Wertegemeinschaft eine bloße Worthülse gewesen".

Die USA würden "die Werte, für die einzutreten sie sich stets vollmundig rühmen", heutzutage "je nach Opportunität berücksichtigen oder eben auch nicht", rügte Horst Harnischfeger, Ex-Präsident der deutschen Goethe-Institute, bereits voriges Jahr auf einer militärpolitischen Tagung die anwesenden US-Vertreter.

Zudem, so Harnischfeger, führe die "vielfach verfolgte Strategie, dass der Feind deines Feindes dein Freund sei", "immer wieder in Probleme" - "letztes Beispiel: die Taliban".

Der Deutsche gab Abgesandten des US-Präsidenten einen "weisen Ratschlag des Freiherrn von Knigge aus dem Jahre 1788" mit auf den Weg: "Mache nie gemeinschaftliche Sache mit Bösewichten gegen Bösewichte."
 
aus der Diskussion: US-Wahl: Die Dumpfbacken haben gewonnen
Autor (Datum des Eintrages): Stormy  (18.02.03 22:36:07)
Beitrag: 110 von 176 (ID:8651838)
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