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Von "faschistischer Propaganda" zu demokratischer "Operativer Information"

Die Bedeutung der Herrschaft über Informationen - insbesondere in Vorbereitung und Einstimmung auf kriegerische Aktionen - erklärte Adolf Hitler am 10. November 1938, als die Synagogen noch brannten, vor der deutschen Presse:

"Dazu war es aber notwendig, nicht etwa nun die Gewalt als solche zu propagieren, sondern es war notwendig, dem deutschen Volk bestimmte außenpolitische Vorgänge so zu beleuchten, dass im Gehirn der breiten Masse des Volkes ganz automatisch allmählich die Überzeugung ausgelöst wurde: Wenn man das eben nicht im Guten abstellen kann, dann muss es mit Gewalt abgestellt werden; so kann es aber auf keinen Fall weitergehen."

Nun verfügen weder die USA noch die BRD über ein institutionalisiertes Propagandaministerium. Diese Tatsache ändert jedoch nichts daran, dass der Informationspolitik weiterhin und in zunehmendem Maße Beachtung geschenkt wird. So ist nach Meinung der Medienwissenschaftlerin Elvi Claßen die militärischpolitische Informations-Intervention nie zuvor so vielschichtig und umfassend, so aggressiv und effektiv wie während dieses Krieges gewesen. (3)

Eine der Lehren des Vietnamkriegs war für die US-Administration und Militärs, dass der freien journalistischen Interpretation von Bildern aus Kriegsgebieten entgegengewirkt werden muss, da die Kriegsbereitschaft der heimischen Bevölkerung dadurch unterwandert werden könne. Neben umfassenden Kontroll- und Zensurmaßnahmen schlug der Public Relations-Spezialist der US-Marine, Arthur A. Humphries, 1983 vor, die Medien gezielter in der Kriegsführung einzuplanen:

"Die Nachrichtenmedien können in der psychologischen Kriegsführung ein nützliches Werkzeug, ja sogar eine Waffe sein, die den Soldaten den Einsatz ihrer schweren Waffen erspart."

Sah Humphries die Medien noch als nützliches Werkzeug, so erklärte NATO-Sprecher Jamie Shea Journalisten bereits zu Soldaten:

"Kosovo war der erste Medienkrieg. (...) Die Journalisten waren gleichsam Soldaten in dem Sinne, dass sie der Öffentlichkeit erklären mussten, warum dieser Krieg wichtig war. Es gehörte zu meinen Aufgaben, sie zu munitionieren, die Lauterkeit unserer Kriegsmotive und unserer Aktionen zu zeigen."(4)

Kriegsminister Scharping behandelte JournalistInnen ganz im Sinne Sheas wie Soldaten und forderte sie auf Pressekonferenzen auf, zu gezeigten Fotos "genau das zu beschreiben, was auch er daraus erkenne. Zwischenfragen wurden nicht geduldet. In dieser Situation erreicht der Propaganda-Apparat der Regierung eine neue Qualität", erläutert Albrecht Reinhardt, Chef der Programmgruppe Ausland des WDR. Diese neue Qualität der Propaganda ist integraler Bestandteil psychologischer Kriegsführung. In der US-Armee heißt die zuständige Einheit Psychological Operations (PSYOPS), in der Bundeswehr "Truppe für Operative Information" (OpInfo). Scharping als Kriegsminister und damit oberster Chef der Truppe handelte ganz nach deren Maxime, die in der Konzeption über die Aufgaben der OpInfo dargestellt ist:

"Massenkommunikationsmittel können Verlauf und Ausgang von Konflikten entscheidend beeinflussen. Wer über solche Mittel verfügt, wird sie zu seinem Nutzen und zum Schaden des Gegners einsetzen. Propaganda, Desinformation und Manipulation von Meinungen sind Teil des Kampfes um und mit Information. In einem Klima einseitiger Information und eingeschränkter Informationsmöglichkeit kann politische, ethnische, religiöse und anders geartete Ideologisierung bis hin zur Gewaltbereitschaft gedeihen." (5)

Wie journalistischer Opportunismus an der "Heimatfront" geschaffen wurde und funktionierte, wurde z.B. auf der Pressekonferenz des Bundesministers Scharping am 16. April 1999 vorgeführt:

"Welche Konsequenzen sind denn aus der Panne von vorgestern gezogen worden?", fragte dort ein Journalist. Mit der "Panne" war die NATO-Bombardierung eines Flüchtlingstrecks gemeint - die Toten fanden in derlei Fallen keinerlei Erwähnung, vielmehr vermutete einer der anwesenden Journalisten hinter den Fernsehbildern ein serbisches Machwerk, als er fragte:

"Heißt das dann nicht, daß hier von Seiten der Serben Propaganda gemacht wird, Herr Minister?"

Doch so einfach konnte die Wahrheit in diesem Fall nicht verdreht werden, und auf die Frage, ob die Kriegszustimmung in der Öffentlichkeit durch Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung nicht in Gefahr gerate, antwortete Scharping:

"Ich würde sie bitten, in einer Frage nicht eine Feststellung zu verstecken, die z.Zt. niemand wirklich genau verifizieren kann. (...) Ich finde, wir sollten da alle etwas vorsichtiger sein und deshalb auch, weil wir es hier mit einer Propagandamaschinerie zu tun haben, die ihre Funktionstüchtigkeit und ihre absolute Unwahrhaftigkeit gleichermaßen schon einige Male unter Beweis gestellt hat. (...) Ich weiß um die Wirksamkeit von solchen Bildern, und vor diesem Hintergrund, so tragisch das Ganze ist, solange es nicht vollständig aufgeklärt ist, denke ich, sollten wir vorsichtig damit umgehen."

Ein sehr guter Rat des Ministers, den er selbst wenige Minuten zuvor Punkt für Punkt mit wilden Gerüchten über angebliche Greueltaten der Jugoslawischen Armee ad absurdum geführt hatte. Im Zusammenhang mit Aufklärungsfotos schilderte Scharping den versammelten Journalisten und Journalistinnen Vorgänge, "die für einen normalen menschlichen Kopf extrem schwierig auszuhalten sind. Wenn beispielsweise erzählt wird, dass man einer getöteten Schwangeren den Fötus aus dem Leib schneidet, um ihn zu grillen und dann wieder in den aufgeschnittenen Bauch zu legen; wenn man hört, dass systematisch Gliedmaßen und Köpfe abgeschnitten werden; wenn man hört, dass manchmal mit den Köpfen Fußball gespielt wird, dann können sie sich vorstellen, dass sich da einem der Magen umdreht." (6)

Diese an die Brutkastenlüge erinnernde Geschichte beruhte, wie Scharping selbst betonte, auf ungeprüften Erzählungen. Ebenso ungeprüft wurde insbesondere von Außenminister Fischer das vermeintliche Massaker von Racak am 15. Januar 1999 als Greueltat der Serben in die Öffentlichkeit getragen. Er habe sich schon in vielen Kriegsgebieten aufgehalten und viel gesehen, aber Racak sei "das Schrecklichste, was er in seinem Leben gesehen habe", erklärte vor laufenden Kameras William Graham Walker, ehemaliger Chef der OSZE-Mission im Kosovo. Auf einen schlüssigen Bericht der Untersuchungskommission zu Racak wartet die kritische Öffentlichkeit bis heute. Die Tagesthemen vom 23. März 2000 fragten dementsprechend kritisch nach Beweisen für die Ermordung von 45 albanischen Zivilisten. Nach den Informationen der Tagesthemen ließen die Autopsieberichte des finnischen Pathologenteams die Version eines Massakers nicht zu. Währenddessen empfing William Walker Ende letzten Jahres vom UCK-Chef Hashim Thaqi eine goldene Schüssel und unter begeisterten "Walker, Walker"-Rufen die kosovarische Ehrenbürgerschaft. (7)

Der oben bereits zitierter PR-Profi James Harff erklärt den Sinn von Greuel- und Horrormeldungen:

"Es ist nicht unsere Aufgabe, Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. (...) Unsere Aufgabe besteht darin, Informationen, die unserer Sache dienlich sind, schneller unter die Leute zu bringen und zu diesem Zweck sorgfältig ausgewählte Zielpersonen anzusprechen. (...) Wir werden nicht dafür bezahlt, Morallehren zu erteilen. Und selbst wenn es darum ginge, hätten wir ein ruhiges Gewissen. Denn sollten sie beweisen wollen, dass die Serben arme Opfer sind, dann versuchen sie es mal, sie werden damit ziemlich allein stehen."

Womit Harff vollständig Recht behielt. Nur wenige JournalistInnen hielten es während der regelmäßigen Pressekonferenzen für nötig, nach präziseren Informationen zu fragen. Der antiserbische Mainstream bestimmte das Verhalten, und zuzutrauen ist den Serben ja alles.

Albrecht Reinhardt vom WDR resümiert: "In diesem Klima wurden kritische Fragen nach Quellen und Belegen für Massengräber, Massaker, Massenvergewaltigungen, Deportationen und Konzentrationslagern mit der Rechtfertigung des Kriegsgegners gleichgesetzt (...) die vielleicht gefährlichste Entwicklung für den Journalismus, die aus diesem Krieg auf dem Balkan resultiert." (8)

Die Wirkung dieser Informationspolitik wurde noch bekräftigt durch die scheinbare publizistische Vielfalt der täglichen Desinformation.

Die JournalistInnen fungierten in der Propagandamaschinerie primär nicht als die "Fälscher" von Nachrichten, sondern vielmehr als die Verbreiter derselben. Die Prüfung auf den Wahrheitsgehalt von Meldungen, ein im deutschen Pressekodex von 1996 verankerter Grundsatz, wurde regelmäßig unterlassen zu Gunsten eines diskursiven Opportunismus. Protestaktionen, Demonstrationen und Stellungnahmen von KriegsgegnerInnen fanden keinerlei Niederschlag in den Medien, es wurde vielmehr der Abgesang der Friedensbewegung attestiert.

Über die größte Erfahrung im Bereich psychologischer Kriegsführung verfügen sicherlich die USA. Aber auch in der BRD wird wissenschaftlich an diesem Thema gearbeitet. Die Industrie- und Anlagenberatungsgesellschaft (IABG) in Ottobrunn versteht sich als Think Tank und TÜV für Informations- sowie Waffensysteme. 50% der Aufträge erhält der Betrieb mit seinen 13.000 MitarbeiterInnen von militärischer Seite. In einem Interview im November 1998 beschreibt Wolfgang Haas, Programm-Manager des Bereichs Führung, Information und Kommunikation der IABG, den Zielbereich von Informationspolitik:

"Das Ziel ist, dass man überlegene Informationen in Konflikten in allen Bereichen hat, und da spielt natürlich nicht nur die Information, die mit Hilfe der Technik gewonnen wird, eine Rolle, sondern auch die Kenntnis der psychologischen Lage des Kontrahenten und die Einflussnahme auf die Einschätzung der Situation durch die interessierte Öffentlichkeit. Das heißt, Information Warfare ist sehr stark ein Phänomen, das auch auf die psychologische Ebene zielt. Neben den technischen Einwirkungen sind also die Einwirkungen direkt auf die Psyche des Menschen, also das, was man früher als psychologische Kriegsführung und Propaganda bezeichnet hat, bedeutend." (9)

Dass wir es auch zukünftig mit einer vermutlich noch subtileren Propaganda zu tun haben werden, kündigte General a.D. Klaus Naumann in einem Beitrag in der Ausgabe 11/1999 der "Truppenpraxis" an: "Aber es ist ja wohl richtig, daß wir nach einem solchen Konflikt feststellen: Das machen wir beim nächsten Mal besser. Denn der nächste Konflikt wird kommen."

Es bleibt festzuhalten:
Desinformationspolitik und psychologische Kriegsführung, beim Kriegsgegner Propaganda genannt, ist integraler Bestandteil von Kriegsführung.
Sie diente im Krieg gegen Jugoslawien der Kaschierung der tatsächlichen Kriegsinteressen.
Das Spektrum der (Des)Informationen reicht von frei erfundenen Lügen bis zu partiellen, d.h. völlig einseitigen Wahrheiten.
Diese zielen direkt auf die Bevölkerung. Die Bevölkerung der BRD mußte den Krieg zunächst als unumgänglich akzeptieren oder sogar nachdrücklich fordern, um für den dritten deutschen Waffengang gegen Jugoslawien ein ruhiges Hinterland zu gewährleisten.
Ihre Wirkung erzielt Information Warfare insbesondere durch das Wecken von Emotionen.
Im Zentrum der deutschen Propaganda standen die infamen Analogien der jugoslawischen Politik mit dem deutschen Faschismus.
(1) vgl.: Covert Action Quarterly; 26. 2. 1998
(2) Merlino, Jacques: Da haben wir voll ins Schwarze getroffen. In: Bittermann, Klaus: Serbien muß sterbien, Edition Tiamat 1994, S. 153 ff
(3) vgl.: Claßen, Elvi: In ami Nr. 10, 1998
(4) "Der Krieg und ein fauler Frieden"; ARD-Dokumentation 29.10.99 und "Spiegel" Nr.: 2/2000
(5) Europäische Sicherheit; Juli `99
(6) zit. nach: www.bundeswehr.de/kosovo/pk_t_990416.htm
(7) vgl. Jungle World Nr. 46, 10. November 1999
(8) Menschen machen Medien, Zeitschrift der IG Medien; Nr. 7 Juli `99
(9) zit. nach: http://gib.squat.net/infowar/bundeswehr.html

Quelle: http://gib.squat.net/reader/propaganda-und-krieg.html

 
aus der Diskussion: Demokratie ist eine schöne Sache, und dass die Menschen ihre Meinung sagen dürfen
Autor (Datum des Eintrages): sittin bull inv  (19.02.03 08:54:35)
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