Fenster schließen  |  Fenster drucken

Diesen Artikel noch, dann ist erstmal Pause zum verdauen!

Das Ende der Gerechtigkeit

Die Frage, ob Chancengleichheit, Sozialpartnerschaft und Gerechtigkeit einen alten Hut darstellen, lässt sich nach der Analyse unseres Systems leicht beantworten: Diese, für den Einzelnen so entscheidend wichtigen Umstände, werden in unserer Welt weiter an Bedeutung verlieren, genauso, wie im gleichen Zug die Kapitalrendite zum alles beherrschenden Faktor werden wird. Doch damit nicht genug: Wir stehen in diesem Prozess vor gewaltigen Veränderungen, welche leicht im Zerfall unserer gewohnten Lebensumstände enden könnten. Ein deutliches Symptom für die Entwicklung ist der steigende Produktivitätsdruck.

"Bei der nur zu oft maßlosen Inanspruchnahme des Kredits vollzieht sich hier mit Hilfe des Bank- und Börsenkapitals in einer anscheinend planvollen Weise eine nationale wie internationale Verkettung der Privatunternehmungen, die in unserem Kriegszeitalter uns eines Tages einer Krise entgegen zu führen droht, wie sie kaum in der Geschichte der Völker schon erlebt wurde."

Prof. Ruhland, System der politischen Ökonomie, 1908

Der wachsende Produktivitätsdruck - Expansion bis zum Zerfall

Wer heute aufmerksam die Entwicklungen in der Welt beobachtet, muss feststellen, dass alle Abläufe immer schneller vor sich gehen. In diesem Prozess nimmt der Druck auf den Einzelnen ständig zu, weil die Produktivität immer schneller gesteigert werden muss, ohne dass man Rücksicht auf die Lebensbedingungen oder die Umwelt nimmt. Durch den zunehmenden Expansionszwang auf Unternehmen und Beschäftigte kommt es in der Gesellschaft zu einem gnadenlosen Ausleseprozess: Wer nicht den neuen Kriterien der selbsterklärten Leistungsgesellschaft entspricht, wird in das Heer der Arbeitslosen ausgestoßen. Weil die Entwicklung mit steigender Geschwindigkeit abläuft, enden letztlich immer größere Teile der Bevölkerung in einem wenig lebenswerten Zustand. Es verwundert deshalb wenig, dass eine Studie des Sozialwissenschaftlers Prof. Dr. Erler zu dem Schluss kam, dass die Armut "nach oben hin in die Mittelschicht hinein ausfranst". Es müsse davon ausgegangen werden, dass sich etwa zwei Drittel der Bevölkerung mindestens einmal im Leben in einer sozialen Lage wiederfinden, die als arm bezeichnet werden könne. Weil Unruhen die Rendite gefährden würden und das System möglichst lange Laufen soll, muss der Sozialetat ausgeweitet werden, um die Ausgestoßenen vorerst vor dem ansonsten sicheren Ende zu bewahren. Mit richtiger Sozialpartnerschaft, also Hilfen für unschuldig in Not Geratene, hat dies allerdings wenig zu tun, sondern letztlich wird durch solche Maßnahmen, wie wir noch sehen werden, nur an Symptomen herumgedoktert, nicht jedoch die Ursache davon beseitigt.

Die Sozialausgaben im Staatshaushalt steigerten sich dabei seit 1960 um mehr als 1800%. Jede dritte Mark muss inzwischen für die Sozialleistungen ausgegeben werden. Diese Lasten werden wiederum von denen eingefordert, welche noch im System integriert sind, womit deren Kaufkraft deutlich gesenkt wird.



Neben finanziellen Zuwendungen für die Ausgegliederten gewährt unser System der Bevölkerung parallel zum steigenden Erwerbsdruck in der Wirtschaft immer mehr Unterhaltung. Durch diese Ablenkung können Ablehnungserscheinungen gegen das System wenigstens eine Zeit lang wirksam unterbunden werden. Die Zahl der Fernsehübertragungen etwa von Sportveranstaltungen nehmen dabei seit Jahren in drastischem Umfang zu. Daneben kommt es zu einer Verrohung der Sitten, was sich in der Erwartung des Publikums an die Fernsehanstalten zeigt, mehr Sex- und Gewaltfilme zu senden.

Dabei ähnelt unsere Gesellschaftsentwicklung in gewisser Weise der des antiken Roms vor dem Zerfall: Als die Eroberungen nicht mehr ausreichten, um den Kapitalhunger des Zentrums zu stillen und damit in einem ähnlichen Prozess wie heute immer größere Teile der Bevölkerung aus dem System ausgestoßen wurden, versuchten die Machthaber, Unruhen durch Brot und Spiele, also Verteilen von Getreide und Gladiatorenspiele, zu verhindern.

Der Professor für politische Ökonomie, Ruhland wies bereits …


Auch unserem System prophezeite er, dass nach einer langen Zeit der Krisen und Kriege der Zusammenbruch erfolgen werde. Damit decken sich seine Erkenntnisse mit denen des Begründers der Massenpsychologie, Le Bon, der vor über 100 Jahren die Entwicklung der Kulturen erforschte. Er stellte dabei fest, dass schnell steigende Abgaben des Staates das frei verfügbare Einkommen der Bevölkerung reduzieren.

Damit sinke die Eigeninitiative des Einzelnen, was der Staat durch vermehrten gesetzlichen Zwang und weitere Abgaben auszugleichen versuche. In diesem Prozess verlieren die Menschen die Fähigkeit eigenständig zu handeln. Die Grundlage jeder Gemeinschaft, das Individuum, wird damit zerstört und der Staat muss früher oder später zerfallen.


Deutlich wird, dass eine unbegrenzte Steigerung der Produktivität durchaus als Indiz für eine ungesunde Entwicklung gesehen werden kann. Doch bestätigt diese Annahme auch der Vergleich mit natürlichen Ordnungen: Nachdenklich macht vor allem der Vergleich eines Wachstumsprozesses in der Natur mit der scheinbar grenzenlosen Entwicklung unseres Wirtschaftssystems:



Ein Lebewesen beispielsweise wächst am Anfang sehr schnell, wobei die Geschwindigkeit des Zuwachses mit zunehmender Zeit kleiner wird und das Wachstum beim Erreichen einer optimalen Größe ganz aufhört. Alle Systeme, welche in der Natur zu beschleunigtem Wachstum neigen, zerstören sich am Ende selbst: So vermehren sich etwa Tumorzellen mit zunehmender Zeit immer schneller im Körper des Menschen und verdrängen gesundes Gewebe, bis der Mensch mit dem Tumor zugrunde geht. Ordnungen, die nicht zu einem stabilen Zustand tendieren, sind damit im realen Raum zum Zusammenbruch verurteilt, da es in einer endlichen Welt kein unendliches Wachstum geben kann. Mathematisch lässt sich auch zeigen, daß ein exponentielles, also beschleunigtes Zinswachstum am Ende alle anderen Entwicklungsarten überholt. Auch kleine Zuwachsraten wirken sich letzlich massiv aus. Da unsere Ökonomie auf Wachstum basiert, muss es einen Fehler-Faktor geben, der zu einer beschleunigten Entwicklung zwingt.

"Exponentielles Wachstum ist trügerisch, weil schon bei relativ geringen Wachstumsraten in kurzer Zeit astronomische Zahlen erreicht werden."

Dennis Meadows, Die Grenzen des Wachstums

Die Ursache der Entwicklung - das explodierende Kapitalsystem

Die Grundlage unseres Wirtschaftssystems stellt das Geld als Tauschmittel dar. Es ist deshalb sinnvoll, den Störfaktor in diesem Bereich zu suchen. Geld wird heute jedoch nur dann weiterverliehen oder investiert, wenn ein ausreichend hoher Zins bezahlt wird.

Anhand einer einfachen Rechnung läßt sich jedoch zeigen, daß dieses Zinssystem mit zunehmender Zeit immer schneller ablaufen und damit instabiler werden und letztlich zerbrechen muss: Hätte jemand beispielsweise im Jahre 1 nur 1 Pfennig zu 5% Zins angelegt (bzw. 1 Pf. Schulden gemacht), würde diese Anlage im Jahre 1466 den Wert einer Erdkugel aus Gold und im Jahr 1990 bereits den Gegenwert von 134 Mrd. Erdkugeln aus Gold erlangt haben (Abb. 2). Heute wären daraus schon unvorstellbare 200 Milliarden Erdkugeln aus Gold entstanden. An dieser Entwicklung ändert auch die Inflation wenig, da eine erhöhte Preissteigerungsrate nur den Zins erhöht und damit die Entwicklung beschleunigt.




Abb. 3: Entwicklung einer Geldanlage von 1Pf durch 5% Zinseszins

Eine ähnliche Rechnung brachte der Investmentexperte Marc Faber, als er betonte, dass noch keine einzige wachsende Geldanlage je langfristig funktioniert hätte. Er nahm an, dass ein Dollar im Jahre 1000 zu 5% Zins angelegt worden wäre und kam zum Ergebnis, dass allein die Zinsgewinne dieses Vermögens heute das gesamte Bruttosozialprodukt der Welt um das vier Millionen fache übertreffen würde!

An diesen Beispielen wird deutlich, dass ein auf Zins aufgebautes System immer nur wenige Jahrzehnte funktionieren kann, bis es von neuem zusammenbricht. Da das Zinssystem nur begrenzte Zeit funktioniert, stellt es ein System mit Verfallsdatum dar.

Um diesen Ruin so weit wie möglich hinauszuschieben gibt es nur eine Möglichkeit, nämlich die gesamte Wirtschaft zu ständigem Wachstum anzutreiben, um die zur Verzinsung des Kapitals nötigen, anwachsenden Mittel erwirtschaften zu können. Den Zinsgewinnen auf der einen, stehen aber auch Zinslasten auf der anderen Seite gegenüber.
Aus diesem Grund explodieren in jeder Zinswirtschaft sowohl die Geldvermögen als auch die Schulden. Was jemand als Zinsgewinn für sein Vermögen verbuchen kann, muss automatisch ein anderer als Kredit nachfragen.
(Abb. 4).

Dabei sind die gesamten Geldvermögen und die gesamten Verbindlichkeiten des finanziellen Sektors (Staat, Unternehmen, private Haushalte und Banken) von 1995 bis 1999 inzwischen von über 15 Bio. DM auf etwa 22 000 Mrd. DM explodiert. Es verwundert deshalb wenig, daß bei diesem Wachstumszwang jede soziale Verantwortung zum Scheitern verurteilt ist, wenn nur noch die Erwirtschaftung einer immer größeren Rendite zum Zielobjekt wird.





Abb. 4: Entwicklung der gesamten Geldvermögen/gesamte Schulden finanzieller Sektor

Ein großer Irrtum ist es in diesem Zusammenhang, nur die Staatsverschuldung zu betrachten und nicht die Gesamtverschuldung (Schulden von Staat, Unternehmen und Privathaushalten). Dabei wird meist der Fehler gemacht, den geplanten Staats-Schuldenabbau von einzelnen Ländern, wie den USA, oder "Sparpakete" in der Politik mit einer Problemlösung gleichzusetzen. Es wird vernachlässigt, das ein Sektor, wie der Staat, seine Verpflichtungen nur dann abbauen kann, wenn ein anderer Bereich, wie die Unternehmen oder die Privathaushalte, entsprechend mehr Kredite nachfragen. Dies liegt daran, dass die Geldvermögen und damit die Gesamtschulden jedes Jahr um den Zinssatz wachsen müssen und jeder Mark Vermögen eine Mark Kredit entgegenstehen muss. Deshalb explodiert die Gesamtverschuldung der USA wie in jedem Land in gefährlich erscheinender Weise. Ein Abbau der Verschuldung wäre nur dann möglich, wenn auch die entsprechenden Geldvermögen in der gleichen Höhe reduziert würden, was jedoch in einem Zinssystem, in welchem die Vermögen um den Zinssatz jedes Jahr wachsen unmöglich ist.

Ein Schuldenabbau wäre also nur bei einer Änderung unseres Kapitalsystems möglich.

"Alle Menschen zerfallen, wie zu allen Zeiten so auch jetzt noch, in Sklaven und Freie; denn wer von seinem Tage nicht zwei Drittel für sich hat, ist ein Sklave, er sei übrigens wer er wolle: Staatsmann, Kaufmann, Beamter, Gelehrter."

Friedrich Nietzsche

Die Chancengleichheit verschwindet

Was in diesem Zusammenhang häufig vergessen wird, ist der Effekt der Vermögensanreicherung im Zinssystem, die alleine schon jede Chancengleichheit im Keim erstickt: Mit der Ausweitung der Geldvermögen werden diese automatisch in immer weniger Händen konzentriert. Wer viel Geld besitzt, kann dieses verzinst anlegen und am Jahresende noch mehr Zinsen verbuchen und wieder renditeträchtig anlegen. So wächst sein Vermögen nach der Zinseszinsrechnung immer schneller an, ohne dass damit ein größerer Leistungsaufwand für ihn verbunden wäre. mehr und mehr Kapital kommt aus diesem Grund immer dort zusammen, wo schon viel vorhanden ist. Auf der anderen Seite fehlt das Geld genau da, wo es gebraucht würde: Es fehlt Geld für Arbeitsplätze, Kultur oder für den Umweltschutz. Da dieser Umverteilungsmechanismus unabhängig von der Leistung des Einzelnen abläuft und die Verteilung von Möglichkeiten mit dem Geldbesitz in enger Verbindung steht, gewinnt eine Minderheit an Chancen, während die Mehrheit diese einbüßt. Da Geld heute wie eh und je Macht bedeutet, entsteht mit der Vermögenskonzentration zunehmend auch ein Gewaltenmonopol.

( welches wir gerade deutlich sehen! :mad: )

In einer UNO-Studie wurde 1996 bekannt gegeben, dass weltweit die 358 reichsten Milliardäre fast die Hälfte des Welteinkommens besitzen.

Würde man statt des Einkommens das Vermögen berücksichtigen, wäre der Gegensatz noch viel größer. Nicht nur weltweit, sondern auch innerhalb der reichen Nationen vollzieht sich eine große Verschiebung von Kapital in immer weniger Hände. Das Ergebnis dieser Umverteilung zeigt sich in der Vermögensverteilung der Bevölkerung: Im Jahr 1996 veröffentlichte die CDA (Christlich Demokratische Arbeitnehmerschaft - eine CDU Organisation), dass sich 80% des Produktivvermögens in Deutschland in den Händen von nur 3% der Bevölkerung befinde. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) berichtete 1997, dass sich ein Drittel des Nettogeldvermögens auf nur 6% der Haushalte konzentriert. Allerdings wurden bei der statistischen Erhebung gerade die reichen Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 35.000 DM und mehr nicht erfaßt. Jedoch soll sich nach einer überschlägigen Rechnung 40% des Geldvermögens gerade in der oberen Bevölkerungsschicht befinden, weshalb diese Analyse der Vermögensverteilung noch als sehr optimistisch gelten kann.

Auch in den USA geht es den meisten Amerikanern heute schlechter als vor 25 Jahren, weil der gesamte Vermögenszuwachs nur denjenigen zugute kam, welche schon vorher im Überfluß lebten. Es kommt damit zu einer Aufspaltung der Gesellschaft in wenige Reiche, denen alle Chancen offenstehen, und viele Arme, denen zunehmend die Möglichkeiten einer eigenständigen Entwicklung genommen werden. Als langfristig arm kann in diesem Zusammenhang jeder gelten, der weniger Zinserträge bekommt, als er jährlich indirekt bezahlen muss.

"In seiner majestätischen Gleichheit verbietet das Gesetz den Reichen wie den Armen, unter Brücken zu schlafen, in den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen."

Anatole France, franz. Schriftsteller und Nobelpreisträger

Umverteilung von unten nach oben

Kaum bekannt ist in diesem Zusammenhang, dass die meisten Bürger wesentlich mehr Zins zahlen, als sie bekommen. Da ist einmal die Staatsverschuldung, für die jeder in Form von Steuern Zins erwirtschaften muss. Dabei müssen sich die öffentlichen Haushalte immer weiter verschulden, allein weil die Schulden nicht mehr getilgt, sondern nur die Zinsen durch Neuverschuldung bezahlt werden können. Auch muß der Staat um eine Rezession zu vermeiden in regelmäßigen Zeitabschnitten wieder Konjunkturimpulse durch Verschuldung setzen. Doch macht die Staatsverschuldung nur etwa ein Viertel der volkswirtschaftlich bedeutsamen Gesamtverschuldung aus, womit ein Abbau der Verbindlichkeiten in diesem Sektor keine Besserung der Lage bringt, wenn sich dann wie in den USA die Unternehmen umso höher verschulden müssen.

Die Verschuldung der Wirtschaft belastet ebenfalls die ganze Bevölkerung, weil die Zinslasten in Form erhöhter Preise an den Verbraucher weitergegeben werden, der die entsprechenden Kapitalkosten zu tragen hat. Auch die Wirtschaft ist im Zinssystem zur weiteren Kreditaufnahme gezwungen, weil ein zunehmender Wettbewerb im gesättigten Markt zu teuren Modernisierungen zwingt, um überhaupt noch in der Wirtschaft bestehen zu können. Eine indirekte Zinslast auf unverschuldetes Sachkapital kommt diesen Faktoren noch hinzu. Das bedeutet, daß ein Investor, der beispielsweise in eine Wohnanlage investiert, mindestens so hohe Mieterträge erwartet, wie die Verzinsung des Kapitals auf dem Geldmarkt einbringen würde. Durch diesen Effekt bestehen heute beispielsweise die Wohungsmieten zu 70 - 80% nur aus Zinskosten. Jetzt stellt sich die Frage, welche Zinslast jeder Bürger pro Jahr zu tragen hat. Die meisten Menschen denken, dass nur derjenige Zinsen zu zahlen hätte, welcher persönlich verschuldet ist. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit: Indirekt müssen wir auch für die Schulden der Gemeinschaft und der Unternehmen aufkommen.

Bei einer Gesamtverschuldung der nichtfinanziellen Sektoren (ohne Bankenbereich) von 11000 Mrd. DM kommt man pro Jahr auf Zinslasten von über 1200 Mrd. DM. Pro Privat-Haushalt sind das für das Jahr 20000 fast 35.000 DM. Jeder Haushalt muss also im Jahr auf 35.000 DM Einkommen verzichten, um die Zinsansprüche des Kapitals sicherzustellen. Dabei wird schnell klar, dass derjenige, welcher mehr als 35.000 DM im Jahr Zinsgewinn hat, mit dem jetzigen System Erträge erwirtschaftet. Alle anderen müssen für diese Gewinne arbeiten und selbst auf Einkommen verzichten. Je mehr Zeit vergeht, umso schneller wächst dieser Kapitalstrom von arm zu reich. Im Jahr 2010 wird die Zinslast pro Haushalt, bei fortgesetzter Entwicklung, bereits über 77.000 DM betragen. Es wird deutlich, daß der zu zahlende Schuldendienst schnell nicht mehr tragbare Ausmaße annehmen muss. Deshalb verwundert es wenig, wenn das Kapital zunehmend die Vorherrschaft über alle anderen Produktionsfaktoren gewinnt.

"Der Wucherer ist mit vollstem Recht verhaßt, weil das Geld hier selbst die Quelle des Erwerbs und nicht dazu gebraucht wird, wozu es erfunden ward. Denn für den Warenaustausch entstand es, der Zins aber macht aus Geld mehr Geld. ... Der Zins aber ist Geld von Geld, so daß er von allen Erwerbszweigen der naturwidrigste ist."

Aristoteles, griech. Philosoph

Das Kapital verdrängt den Wert der Arbeit

Dies zeigt sich insbesondere in der Entwicklung der Löhne und Gehälter im Vergleich zu den privaten Geldvermögen (Abb. 5).






Abb. 5: Entwicklung der Löhne im Vergleich zur privaten Geldvermögenszunahme




Während das Geldvermögen exponentiell anwächst, sinken die Nettolöhne seit einigen Jahren. Auch die Differenz zwischen Brutto- und Nettolohn wird immer größer, da Steuer- und Abgabenbelastungen des überschuldeten Staates für die Arbeitnehmer drückender werden.
Die privaten Geldvermögen haben sich dabei seit 1995 bis 1999 von 4600 Mrd. DM auf über 6000 Mrd. DM erhöht, während die Nettolöhne kaum eine Steigerung erfahren haben. Wie sehr sich bereits die Entwicklung verselbständigt hat, zeigt die Tatsache, dass der Zuwachs an neuem Geldvermögen zum größten Teil nur aus wiederangelegten Zinsen stammt.


Während der normale Erwerbstätige nur dann Vermögen bilden kann, wenn er einen Teil seines Arbeitslohnes spart, hat sich der Großteil des Geldvermögens in so wenigen Händen konzentriert, dass der jährliche Zinsgewinn nicht mehr verkonsumiert werden kann und automatisch wieder angelegt wird. Zunehmend erlangt man so mehr Reichtum nicht mehr durch Arbeit, sondern durch leistungslose Geldanlageformen vergrößert. Während 1970 noch zwei Drittel des Geldvermögenszuwachses wirklich aus Arbeitseinkommen angespart wurde, war es 1993 nicht einmal mehr ein Sechstel. Nach Angaben der Bundesbank stammten schon 1998 mehr als 80% des Geldvermögenszuwachses nur aus Zinsgewinnen. Die Verschiebung des Geldes von der Arbeit zum Besitz zeigt sich auch am verfügbaren Einkommen der Haushalte (Abb. 6). Seit 1970 ist ein stetig abnehmender Anteil der Nettolöhne am verfügbaren Einkommen der Haushalte erkennbar. Gleichzeitig steigt fast in gleichem Ausmaß der Anteil der Gewinne aus Geldvermögen und Unternehmen an.



Abb. 6: Anteil der Nettolöhne am verfügbaren Einkommen der Haushalte

In gleichem Maße wie die Arbeit an Bedeutung und Ansehen ver…

"Die Ängste der Menschen vor einer unüberschaubaren Welt, vor Mächtigen, die weder wählbar, noch abwählbar sind, vor anonymen Strukturen, müssen wir ernst nehmen. ... Es sollte nie vergessen werden, daß Freiheit sich nicht von selbst versteht, daß sie ersehnt, erkämpft und verteidigt werden muß".

Bundespräsident Rau zur Globalisierung

Globalisierung

Globalisierung heißt, dass sich das Geldkapital in kurzer Zeit von einem Ort zum anderen bewegen kann, um dort mehr Zinserträge zu erwirtschaften. Da jedoch Produktion und Arbeitnehmer nicht so mobil sind, wird sich zwangsläufig die Vorherrschaft der Kapitalbesitzer über Arbeit und Produktion verschärfen. Die Unternehmen sind dann immer mehr dazu gezwungen, mit dem Kapitalmarkt zu konkurrieren. Erbringt ein Betrieb nicht mehr die Mindestrendite auf dem Geldmarkt, wird er wegen "Unrentabilität" geschlossen - Arbeitslosigkeit für die Betroffenen ist die Folge. So wurde etwa beim Daimler-Benz Konzern bereits 1996 die Anweisung erlassen, dass alle Sparten des Konzerns eine Mindestrendite von 12% erwirtschaften müssen, anderenfalls würden sie abgestoßen. 12% Rendite bedeuten eine Verdopplung der Produktivität alle sechs Jahre - der Druck auf Angestellte und Arbeiter steigt damit ständig. Wie die globalen Großanleger den Vorrang vor der Sicherung von Arbeitsplätzen bekommen, zeigt folgendes Beispiel: Der Nahrungs- und Waschmittelkonzern Unilever kündigte wegen der Globalisierung an, in den nächsten Jahren weltweit 100 Fabriken und 25.000 Arbeitsplätze abzubauen. Die Maßnahme wurde indirekt damit begründet, dass der Nettogewinn zurückgegangen wäre, wegen der Ausschüttung einer Superdividende im Sommer vergangenen Jahres. Mit der Globalisierung müssen nun weltweit die Unternehmen in erster Linie mit dem mächtiger werdenden Kapitalmarkt konkurrieren - ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb entsteht, die Anforderungen werden in immer größere Höhen geschraubt, Löhne nach unten gedrückt, und immer mehr Menschen müssen infolgedessen auf der Strecke bleiben. Gleichzeitig kommt es zu einer beschleunigten Konzentrationswelle in der Wirtschaft. Das Transaktionsvolumen der weltweiten Unternehmensfusionen stieg 1997 im Vergleich zum Vorjahr, um 48% auf 1630 Mrd. US-Dollar. 1999 waren es bereits annähernd 3000 Mrd. Dollar. Durch die größere Kapitalbasis können Großkonzerne kleine Betriebe in einem ruinösen Wettbewerb in die Enge treiben. Mittelständische Unternehmen, welche den Großteil der Arbeitsplätze stellen, müssen bei steigenden Zinslasten aufgeben und ihren Marktanteil an einen Großkonzern abgeben, der damit seine Monopolstellung ausweitet. Bei der Übernahme wird der Betrieb zuerst durch Entlassungen "saniert" - Arbeitslosigkeit ist die Folge. Der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, wies darauf hin, dass Fusionen oftmals nur deshalb stattfinden, damit sich der Konzern von bestimmten Sparten trennen kann. Ein oberstes Ziel der Firmenübernahmen stellt also schon von vornherein die Reduzierung des Personalbestandes dar. Zusätzlich kommt es zu einem Preisdruck auf andere Kleinunternehmer, die mit dem entstandenen Giganten konkurrieren müssen.

So schrumpfen beispielsweise die Gewinnspannen im Einzelhandel immer weiter. Große Ketten, welche vorher die kleinen Tante-Emma Läden ruinierten, werden nun selbst von Großkonzernen unter Druck gesetzt. Dies wirkt sich wieder auf die Hersteller, vor allem die Landwirte aus, die den Preisdruck auffangen müssen und dabei oft zugrunde gehen. Die Großkonzerne befinden sich wiederum in der Hand von Banken, bei denen sich die Kapitalkonzentration weiter fortsetzt. Es beginnt ein Verdrängungswettlauf um die weltweite Monopolstellung. Damit erhöht sich die Abhängigkeit der Unternehmen von wenigen Großbanken weiter. Wie gewaltig die Macht der Banken ist, wird beispielsweise an der Versechsfachung der Gewinne im Jahr 1998 deutlich. Auch die freie Meinungsbildung kommt bei diesem Prozess in ernste Gefahr, wie die Fusion des US-Konzerns Time Warner mit dem Internetanbieter AOL zum größten Medienkonzern der Welt am Anfang des Jahres 2000 zeigte. [ Und nun straucheln selbst schon die ersten Banken unter diesem Druck! ]
Durch steigende Arbeitslosigkeit kann dann der Druck auf die Angestellten und Arbeiter fast beliebig ausgeweitet werden, muss doch jeder ständig befürchten, bald selbst zu den Erwerbslosen zu gehören. Dabei gehen auch die Grundrechte, beispielsweise der Meinungsfreiheit, verloren: Nach einer Studie aus dem Jahr 1997 rechneten 85% der Mitarbeiter mit Nachteilen, falls sie im Betrieb offen ihre Meinung äußern würden. Jeder muss froh sein, überhaupt noch einen Arbeitsplatz zu besitzen, auch wenn er noch so schlecht bezahlt wird. So will beispielsweise die Siemens AG einen Teil der Beschäftigten tariflich ausgliedern, wobei man vorhat, den Lohn um 20% zu senken und gleichzeitig die Wochenarbeitszeit um 2 Stunden zu erhöhen. Durch diesen Prozess sollen sich die Lebensumstände der arbeitenden Bevölkerung in Zukunft drastisch ändern. Es wird kaum noch Jobs geben, die jemand auf Dauer ausüben kann. Durch zunehmenden Druck, Kürzung von Sozialhilfe und Entlassungen werden die Menschen dazu gezwungen sein, Zweit- und Drittberufe zu ergreifen. Ein erheblicher Anteil der Bevölkerung wird dabei ganz an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Aus diesem Grund mahnte der Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation ILO an, klarzumachen, dass die Globalisierung nicht unumkehrbar sei, wie dies behauptet werde und die Entwicklung durch finanzpolitische Maßnahmen durchaus beeinflusst werden könne. Doch fordert die Vorherrschaft des Kapitals nicht nur von den Menschen immer größere Opfer, sondern auch die Umwelt wird zerstört und letztlich gerät das System durch diesen Prozess selbst in Gefahr.

"Der riesige Schuldenberg hat eine fatale Konsequenz: Rasant wachsende Zinsverpflichtungen des Staates müssen aus ständig steigenden Steuereinnahmen bedient werden. Dies ist ein Hauptgrund für den ökologisch schädlichen Wachstumszwang!"

Der Spiegel, 2.11.1998


Wirtschaftswachstumszwang

Viele stellen sich die Frage, warum die Wirtschaft überhaupt immerzu wachsen müsse, wo doch in der realen Welt nichts unbegrenzt größer werden kann, ohne letztlich zugrunde zu gehen. Nicht umsonst heißt es im Sprichwort: Kein Baum wächst in den Himmel! Weil jedoch die Kaufkraft der Bevölkerung begrenzt ist, muss durch immer aggressivere Werbung, schnell wechselnde Modeerscheinungen und Wegwerfprodukte ständig neues, künstliches Verlangen nach dem immer größer werdenden Produktionsberg geschaffen werden. So verzehnfachte sich die Anzahl der Werbespots im Fernsehen von 1986 bin 1997. Reichte vor 15 Jahren noch ein Auto pro Familie, kommt heute bereits das Dritt- oder Viertauto ins Gespräch. Wie fatal sich ein exponentielles Wachstum auf die Umwelt auswirkt, zeigt folgende Überlegung: Grob geschätzt reichen die vermuteten fossilen Energieträger beim heutigen Verbrauch noch 1000 Jahre. Bei nur 5% Steigerung des Verbrauchs jährlich, wären die Vorräte bereits nach 81 Jahren aufgebraucht. Unsere Wirtschaft muss deswegen wachsen, weil der Anteil des Vermögens, den die breite Bevölkerung an der Wertschöpfung hat, immer mehr zugunsten der Kapitalverzinsung zurückgedrängt wird. Die Unternehmen sind durch die explodierende Verschuldung dazu gezwungen, neben den Einsparungen auf dem Personal- und Umweltsektor die Produktionskapazität weiter zu steigern, um die Zinslast zahlen zu können. Bei einer Verzinsung von beispielsweise zehn Prozent, verdoppelt sich das zu bedienende Kapital alle sieben Jahre, bei sieben Prozent alle zehn Jahre. Am Anfang einer Volkswirtschaft, meist nach einem Krieg, ist der zu verzinsende Kapitalanteil noch klein und kann von den Unternehmen leicht durch ein kräftiges Wirtschaftswachstum bezahlt werden. Weil die Zinskosten exponentiell, also mit zunehmender Geschwindigkeit wachsen, kommen die Firmen mit laufender Zeit in Zahlungsprobleme, da im Gegenzug der Markt gesättigt und damit der Wettbewerb der Marktteilnehmer untereinander zunimmt. Das Einzelunternehmen kann deshalb den Gewinn nicht über höhere Preise steigern. Die einzige Möglichkeit, die ausufernden Kapitalkosten bedienen zu können, besteht darin, den Produktausstoß jährlich zu erhöhen. Diese Produktionserhöhung führt selbstverständlich zu einem wachsenden Energie- und Rohstoffverbrauch und einer Steigerung der Müllmenge.Volkswirtschaftlich lässt sich dieser Zusammenhang anhand einer Modellrechnung erklären: Der Zinsanteil an der Volkswirtschaft steigert sich durch den exponentiellen Zinseszinsprozess ständig, womit der Anteil, der den Produktivkräften (Arbeiter und Unternehmer) zufällt, immer kleiner werden muss.

Die arbeitende Bevölkerung würde ohne Wirtschaftswachstum innerhalb kurzer Zeit verarmen. Deshalb sind die Entscheidungsträger in Politik und Ökonomie bemüht, die Wirtschaftsleistung weitestnöglich zu steigern, um ein schnelles Absacken des Lebensstandards der breiten Bevölkerung zu verhindern und um den steigenden Anteil der Kapitalverzinsung in der Volkswirtschaft bezahlen zu können.

Es ist das gleiche, wie wenn ein Krebskranker sein Körperwachstum immer mehr steigern würde, damit der Anteil des wachsenden Tumors am Gesamtgewicht des Körpers konstant bliebe. Sobald sein Wachstum auch nur etwas langsamer oder aufhören würde, hätte das zur Folge, dass der Anteil der Tumorzellen letztlich die Überhand bekäme und das Ende nur noch eine Frage der Zeit wäre. Ohne Wirtschaftswachstum (Abb. 7) würde der Arbeitsertrag ständig kleiner werden und die Kapitalertragskurve (Wachstum Zinslast real sieben Prozent) bereits nach 34 Jahren sich mit der 0% Wachstumskurve schneiden, d.h. die gesamte Wertschöpfung müßte als Kapitalverzinsung aufgewandt werden. Das Wirtschaftssystem bräche spätestens dann zusammen.

Lineares Wachstum bedeutet, dass die Volkswirtschaft jährlich um den gleichen Betrag zunimmt, während beim Zinseszinswachstum (exponentielles Wachstum) die dazukommenden Beträge jedes Jahr um den Zins größer werden.


Abb. 7: Entwicklung der Kapitalverzinsung

Mit einem linearen Wachstum des Bruttoinlandsproduktes um real das 2,5 fache in 30 Jahren (wie in Deutschland seit 1960) steigt der Arbeitsertrag sogar 35 Jahre lang, erst dann holt die Zinskurve immer mehr auf, und nach 50 Jahren beansprucht die Kapitalverzinsung den größten Teil der Wirtschaftsleistung. Das trügerische am Zinssystem mit Wirtschaftswachstum ist, dass anfangs die lineare Steigerung des Bruttosozialproduktes größer ist als das exponentielle Kapitalwachstum (Wirtschaftswunder) - vorübergehend steigende Arbeitserträge sind die Folge, und die meisten denken, das Wirtschaftssystem sei in Ordnung. Jedoch steigert sich der Kapitalverzinsungsanteil immer schneller, und die Arbeitserträge sinken entsprechend. Trotzdem durchschauen die meisten Menschen bis zuletzt nicht den Wirkungsmechanismus und schwärmen von "den goldenen Sechzigern". Am Ende steht der (durch Wachstum verzögerte) Wirtschaftszusammenbruch begleitet von ökologischen Problemen. Bei einem reinen Zinssystem ohne Wirtschaftswachstum würde der Arbeitsertrag permanent kleiner werden - jeder könnte schnell erkennen, daß das System fehlerhaft ist. Dass sich inzwischen die Situation der Wirtschaft trotz kräftigem Wirtschaftswachstum kaum verbessert, wird daran deutlich, daß die 500 größten Unternehmen in Deutschland ihren Umsatz im Jahr 1999 um 9,5 Prozent, die größten 100 Betriebe sogar um 13,8 Prozent steigern konnten. Trotz dieses deutlichen Umsatzzuwachses ging der Gewinn pro Unternehmen um fast 18 Mio. DM zurück. Die Kapitalkosten sind inzwischen so hoch, daß auch ein starkes Wachstum die explodierenden Kosten nicht auszugleichen vermag.

"Blinde Gewinnmaximierung und kurzfristige Gewinnmitnahmen um jeden Preis haben in einigen Bereichen ein Feuer entfacht, dessen Größenordnungen noch gar nicht absehbar erscheinen. Wird das Geld nicht mehr verstanden als Mittel zur Erreichung gesellschaftlicher Ziele, sondern selbst zum eigentlichen Ziel, wird eine Ökonomisierung der Welt losgetreten, der Gesellschaft und Politik kaum mehr etwas entgegenzusetzen hat".

Weihbischof Reinhard Marx

Der drohende Zusammenbruch: Börsencrash

Mit der Modellrechnung aus Abb. 7 läßt sich auch sehr gut zeigen, warum und wie unser Zinswachstumssystem zusammenbrechen wird: Weil die Kapitalkosten für die Wirtschaft trotz Produktionszuwachs verglichen mit der Wertschöpfung immer größer werden, müssen die erzielbaren Erträge aus den Unternehmen allein wegen der Marktsättigung und zunehmenden Konkurrenzdruck kleiner werden. Die Rendite aus den Unternehmen sinkt deshalb seit 1990 um jährlich 1,3%. Bei sinkenden Zinsgewinnen lohnt es sich für das Kapital immer weniger, sich in der realen Wirtschaft investieren. Im Gegensatz zur realen Wirtschaft bietet allerdings der spekulative Sektor an den Börsen noch Gewinnpotential, weshalb es zu einem Börsenboom kommt (Abb. 8)



Abb. 8 Dow Jones Aktienindex

Weil durch weiter zufließendes Kapital die Kurse in ungeahnte Höhen getrieben werden und damit die reale Bewertung solcher Entwicklungen kleiner werden muss, kommt es früher oder später zum Börsencrash, wie die Beispiele der letzten Krisen von 1873 und 1929 eindrucksvoll zeigten. Durch einen zwangsläufigen Crash kommt entsteht zwangsläufig eine fatale deflationäre Abwärtsspirale.

"Wir waren ganz, ganz dicht an einer Kernschmelze des internationalen Bankensystems. Es war wirklich furchterregend. Die Russen wurden zahlungsunfähig, und der Hedge Fonds Long-Term Capital Management ging fast unter. Wenn die New Yorker Zentralbank nicht eingegriffen hätte, wären Kreditrisiken entstanden, auf die niemand vorbereitet war."

George Soros, Multispekulant zur Krise 1998

Die deflationäre Abwärtsspirale - verlorene Gerechtigkeit

Im Börsencrash entsteht eine große Unsicherheit auf dem Markt, weshalb niemand mehr bereit ist, Geld irgendwo zu investieren. Das Geld zieht sich deshalb aus der Wirtschaft zurück und wartet auf bessere Anlagemöglichkeiten. Durch einen Rückzug von Geld aus der Wirtschaft verfallen die Preise, weil das Gleichgewicht zwischen umlaufender Geldmenge und Warenangebot gestört ist. Sinkende Preise wiederum führen zu einer zurückhaltenden Kaufhaltung der Verbraucher, weil jeder geplante Käufe in Erwartung weiter sinkender Preise auf die Zukunft verschiebt. Dadurch kommen die Unternehmen in Schwierigkeiten, da der Umsatz einbricht. Diese sind deshalb dazu gezwungen, entweder Bankrott anzumelden oder Arbeitskräfte zu entlassen. Weil der Absatz stockt, müssen die Betriebe die Preise senken, was der Entwicklung weiteren Schub verleiht. Die entstehende Massenarbeitslosigkeit reduziert die Kaufkraft der Bevölkerung, weshalb der Unternehmensabsatz weiter einbricht. Gleichzeitig werden in einer Deflation die Schulden aufgewertet, weil der reale Kaufwert des Geldes durch sinkende Preise steigt. Viele Schuldner sind in dieser Lage nicht mehr dazu imstande, die Kredite zu bedienen. Die Banken greifen deshalb zum Mittel der Zwangsversteigerung, was die Realgüterpreise weiter stark unter Druck setzt. Dem verschuldeten Häuslebauer kann es dann leicht passieren, dass sein Haus zwangsversteigert wird, die Verkaufsumme jedoch nicht den Kredit abdeckt, weshalb er ohne Haus aber weiterhin mit Schulden auf der Straße steht. Auf der anderen Seiten haben diejenigen, welche schon vor dem Crash über viel Kapital verfügten nun die besten Bedingungen, da sie mit zunehmender Zeit immer mehr mit ihrem Geld kaufen können. Während der Faktor Arbeit nun vollkommen unattraktiv geworden ist, hat das Kapital die Vorherrschaft über alle anderen Werte erreicht. In einer solchen Situation entstehen leicht radikale Strömungen, welche in einem Krieg oder Bürgerkrieg enden können. Daß es dazu nicht kommen muss, zeigt eine lange zinsfreie Periode in unserer Geschichte: das Hochmittelalter.

"Im Mittelalter hatten die Menschen mehr Freizeit als heute. Im Schnitt hatte jedes Jahr 115 arbeitsfreie Feiertage"

Süddeutsche Zeitung, 6.4.1999


....


Schlußbetrachtung

Die Werte von Chancengleichheit, Gerechtigkeit und Sozialpartnerschaft werden, wenn die derzeitigen Entwicklungen anhalten, langfristig völlig verschwinden und nur noch in den Erinnerungen der Menschen vorhanden sein. Ursache dafür ist ein wegen des Zinseszinsmechanismus auf ständige Expansion angewiesenes System, in welchem sich die Rendite langfristig nur dann aufrechterhalten lässt, wenn scheinbar überholte Werte verschwinden. Diese Entwicklung führt sowohl zu einer ungerechten, weil nicht mehr an die Leistung gebundenen, Vermögensumverteilung von unten nach oben, wie auch zur Globalisierung, in welcher der Druck auf die Erdenbewohner unvorstellbare Ausmaße annehmen wird. Am Ende wird sogar dieser steigende Arbeitszwang - bei sinkenden Löhnen - nicht mehr ausreichen, um die explodierenden Schulden zu bedienen. Wie schon immer in der Geschichte, zerfällt dann das System durch Kapitalmangel in einer deflationären Abwärtsspirale. Parallelen beispielsweise zum Untergang des antiken Roms lassen sich heute schon finden: Grenzenloser Reichtum weniger bei zunehmender Armut vieler wie auch Brot und Spiele, um Unruhen durch die Ungerechtigkeiten im System zu unterbinden. Es gibt heute keinen Grund, anzunehmen, dass unsere Gesellschaft ein anderes Schicksal zu erwarten hätte, wenn die momentanen explodierenden Entwicklungen im Kapitalsystem andauern. Im Gegenteil: Die entstandenen technischen Möglichkeiten erhöhen sogar das Risiko von Verzweiflungstaten, welche schnell in einer Katastrophe enden könnten.


Dass es nicht immer so war, zeigte die kulturelle Blütezeit im Hochmittelalter, in der 300 Jahre lang ein zinsfreies Geld umlief, welches sowohl die Armut beseitigte als auch zu einer Gesellschaft führte, in der Chancengleichheit und Gerechtigkeit nicht bloße Worte, sondern lebendige Tatsache waren. Unsere Verpflichtung ist es, aus der Geschichte zu lernen und eine Ordnung, wenn auch in moderner Form, zu schaffen, welche jedem die freie Entfaltung der Persönlichkeit ohne Druck und Zwang von außen ermöglicht, wie dies auch die Begründer des deutschen Grundgesetzes im Auge hatten.




Quelle:
http://www.geldcrash.de/Aktuelles/Artikel/Buchergilde/bucher…

 
aus der Diskussion: Sittin Bulls elitärer Diskussionsthread für Biospohisten
Autor (Datum des Eintrages): sittin bull inv  (16.03.03 20:19:46)
Beitrag: 50 von 103 (ID:8901870)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE