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Ich mußte noch mal über das Glücklich-sein nachdenken. Die Rezepte dazu haben eine gewisse Ähnlichkeiten mit religiösen Glaubenssätzen. Das verwundert nicht weiter, denn das richtige Leben, und dazu gehört das Glücklich-sein, ist eines der Anliegen der Religion. Interessant ist dabei, daß in immer mehr Bereiche der Religion die Wissenschaften eindringen können. Nicht mehr nur die Frage des Ursprungs des Kosmos und des Menschen kann so beantwortet werden, auch zunehmend Fragen der Ethik und unseres Verhaltens und eben des Glücklich-seins.

Eine der Grundrezepte ist es, sich aus der Abhängigkeit seiner Begierden zu lösen. Begierden erwachsen aus unerfülltem Wollen oder aus Wollen, daß sich stetig steigert, bis es unerfüllbar wird. Und wenn man die verschiedenen Arten der Begierden betrachtet, ist man unwillkürlich an eine Aufzählung der sieben Todsünden erinnert.

Zu nennen wären da der Neid, der Haß (oder Zorn), der Hochmut, die sexuelle Gier, die materielle Gier, die Trägheit und die Völlerei (oder Übersättigung). Nun gut, es mußten sieben Todsünden sein, weil halt 6+1 als magische (böse) Zahl gilt – die perfekte 6=1+2+3=1x2x3 verdorben durch die Addition der 1.

Neid ist ein ganz wichtiger Faktor des Unglücklich-seins. Wenn man einen Menschen wirklich sicher unglücklich machen will, dann umgibt man ihn mit lauter Menschen, die ein bißchen mehr haben als er. Sie haben nur 100 Euro mehr Gehalt, nur um 10 qm mehr Wohnraum, immer ein um 2 Jahre neueres oder eine Klasse besseres Auto, bei Frauen: alle anderen Frauen sind zwei Jahre jünger, haben etwas perfektere Brüste, sind einen Tick schlanker, haben etwas weniger Falten. Das irgendwo in einem anderen Stadtteil jemand Millionen besitzt, stört uns nicht. Daß der Chef reicher ist, egal. Daß irgendein Filmstar die perfekte Figur hat – na und? Aber die Leute, mit denen wir uns vergleichen, die uns damit unterbewußt mitteilen, ob wir das beste aus unserem Leben machen, wenn die immer etwas besser dastehen, das verstört uns, das macht neidisch. Wer glücklich sein will, der muß sich mit Menschen umgeben, denen es einen Tick schlechter geht als ihm. Die Religionen empfehlen auch, dem Neid ganz zu entsagen, was ungleich schwieriger ist. ;)

Beim Haß oder Zorn kommen wir schon fast vom Glücklich-sein zum Glück-haben zurück, weil nämlich ein Mensch, der im Zorn handelt, unbedacht handelt und sich dadurch unnötig Risiken und Nachteilen aussetzt. Hier helfen eine philosophische Lebenshaltung und fernöstliche Weisheiten, Meditation und geübte Gelassenheit, sich zu unbedachtem Zorn hinreißen zu lassen.

Unglücklich ist man aus Frustrationen heraus. Frustration entsteht, wenn sich das eigene Wollen und Können nicht zur Deckung bringen lassen. Da man am Können selten, insbesondere nicht schnell, etwas ändern kann, sollte man sich vor allem Gedanken über das Wollen machen. Hat man ein realistisches Bild von sich und was man für sich erwarten kann? Zuviel zu wollen kann aus Hochmut erwachsen, daß man von sich selbst eine zu hohe Meinung hat. Zudem hat der hochmütige Mensch zu wenige Freunde, was nicht nur unglücklich macht, sondern auch Pech (man betrachte die Eingangspostings) anzieht. Auch sexuelle und materielle Gier können daraus erwachsen. Man weiß nicht mehr, wie viel für einen gut ist. Oder auch: man wird eindimensional, sieht sein Glück nur noch in Sex oder Geld und vergißt, daß es noch mehr im Leben gibt. Hier wird es aber schnell vage: was ist zu viel, was zu wenig? Es ist für jeden Menschen anders und eine Frage des eigenen gesunden Urteils, ob man das abschätzen kann oder daran scheitert. Im Grunde also Glück oder Pech, wenn man es kann oder nicht kann. Zumindest aber kann man seine Lebensführung darauf abstellen, keinen vermeidbaren Mangel an Sex oder Geld zu leiden. Durch Heirat, durch Vorsorge usw.

Der Gegensatz zu dem Zuviel ist das Zuwenig. Die Antriebslosigkeit, Reizarmut der Trägheit. Das ist der Mensch, der nicht etwas macht, sondern dem etwas geschieht, dem mitgespielt wird (meist übel). Der klassische Donald, der Leiden und Pech beklagt, aber nicht seinen Arsch hochkriegt, um es zu ändern. Der seine Zeit damit vertrödelt, etwas zu wollen, aber sich nie daran macht, es auch zu bekommen. „Lieber Gott“, bettet der Träge jeden Abend, „laß mich endlich mal im Lotto gewinnen.“ Bis irgendwann Gottes Stimme ertönt: „Junge, gib mir doch mal eine Chance. Gib endlich mal einen Lottoschein ab.“

Völlerei schien mir immer als Todsünde nur als ein Zusatz, um zu vermeiden, daß es sechs Todsünden sind. Aber immerhin gibt auch das etwas her. Übersättigung heißt, man hat vom Guten zu viel, daß es keine Freude mehr bereitet. Man muß manchmal ganz bewußt verzichten, um sich die Freude am Guten zu erhalten. Dies ist wohl eine der Aufgaben des Urlaubs. Zeltwandern in Norwegen, damit man hinterher es wieder zu schätzen weiß, wie angenehm und bequem das eigene Leben ist.

Ich wollte noch mehr schreiben und auch wieder auf Glück und Pech zurückkommen, aber später, damit der Text nicht zu lang wird.
 
aus der Diskussion: Warum gibt es Pechvögel
Autor (Datum des Eintrages): for4zim  (19.03.03 08:28:16)
Beitrag: 58 von 62 (ID:8924352)
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