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Wer sich für Edel interessiert sollte diesen Artikel aus der Welt (September 2002)mal lesen, welcher mich sehr beeindruckt hat. Ich halte Edel kurzfristig für keinen großen Zock, da gibt es bessere Werte, wer aber an einen absoluten Vollblutunternehmer wie Herrn Haentjes glaubt, der sollte sich unter einem Euro mal ein paar Stücke hinlegen und etwas Geduld haben. Ich bin mir sicher, der Mann wird es packen!!!

Himmelfahrt und Höllensturz

Er wollte in die Weltliga des Musikgeschäfts und wurde ein Getriebener des Marktes. Wie Michael Haentjes und seine edel music AG den Börsencrash überlebten
Von Franz Wauschkuhn
Wir hatten 1999 den Ehrgeiz, mit den Majors unserer Branche gleich zu ziehen. Vorher hatten wir alles rational durchgeprüft und trauten uns damals wirklich zu, in der Weltliga des Musikgeschäfts unsere Position zu finden." Michael Haentjes, 46, spricht offen und ohne Selbstmitleid über den Raketenstart seiner edel music AG an den Himmel des Neuen Markts und den höllischen Absturz in den geregelten Markt. "Am meisten Geld hab` ich dabei verloren. Ein paar Millionen werden es schon gewesen sein."

Haentjes, der Gründer und Großaktionär des einstigen Börsenlieblings edel, schaut von seinem Neumühlener Büro über die Elbe: "Ich hab` das alles zu verantworten und daraus dauerhaft gelernt. Ohne diese Zeit würde ich mir heute unvollständig vorkommen." Das einzige, was ihn heute ärgert, ist die Tatsache, dass er sich von der Aktien- und Wachstumshysterie der späten neunziger Jahre hat blenden lassen. "Wir waren 1992 schon ein ganz solider Mittelständler mit einem Wachstum von 15 bis 20 Prozent pro Jahr. Meine Basis war der Verkauf von Musik auf physischen Tonträgern. Ich hatte den Riecher für neue Entwicklungen und habe die Nischen genutzt, die die großen Wettbewerber offen gelassen hatten. Außerdem haben der Tonträgerindustrie und uns sowohl die Einführung der CD als auch die Öffnung nach Osten sehr geholfen."

Haentjes hat in seiner Geburtsstadt Köln Musik studiert und war nach einjähriger Laufbahn als Gymnasiallehrer in die Musikszene eingetaucht: Redakteur bei einem Musikmagazin, Assistent der Geschäftsführung in einem Musikkonzern, 1981 General Manager von Warner Home Video. "Den Job hab` ich vier Jahre durchgehalten." Ganz freiwillig sei er nicht Unternehmer geworden, gibt er heute gern zu. "Aber ich hatte den Ehrgeiz, 1986 ein eigenes Unternehmen zu gründen." Die Kassetten mit der Filmmusik tüteten seine Frau und er selbst ein und brachten sie zur Post. "In frühen Jahren war die edel music eine One-Man-Show."

Aber Haentjes` 1991 gegründete edel music AG wuchs atemberaubend. Damals erzielte er bereits Umsätze von 37 Millionen Mark und eröffnete ein eigenes CD-Werk in Röbel in Mecklenburg-Vorpommern. Ein Jahr später war der Umsatz verdoppelt, 1993 waren es 91 Millionen Mark, 1994 schon 144 Millionen und 1997 gut 207 Millionen Mark.

"1995 waren wir schon eine richtige Firma mit den üblichen Geschäftsführungsstrukturen. Damals hab` ich zum ersten Mal den Satz gesagt: Ich halt` mich aus der Entscheidung raus." 1998 folgte der Börsengang an den damals allseits hoch gelobten Neuen Markt, um das internationale Standing zu verbessern. "Damals ging bei uns der Übermut los", erinnert sich Haentjes. Mit den Geldern aus dem Börsengang begann ein wahrer Rausch an Zukäufen rund um die Erde. 1998 hielt edel 29 Beteiligungen an internationalen Musikfirmen, 1999 waren es 69 und Ende 2000 exakt 90 Beteiligungen von Hamburg bis New York und Argentinien. "Ich war jede zweite Woche in New York. Wir hatten jedoch damals zwei Fehlannahmen: Dass der Kapitalmarkt stark bleibt - alle Banker und Volkswirte erklärten mir glasklar, dass das Geld langfristig in die Aktie geht - und dass Unternehmen schnell zusammenzuzimmern seien. Auf dem Papier gibt es von vornherein schnell Synergieeffekte. Aber in der Realität ist das ein langer Prozess, weil man es mit Menschen zu tun hat."

Obwohl zur Jahreswende 1999/2000 noch alles positiv erschien, war Haentjes mit edel music schon ein Getriebener des Markts. Ein halbes Jahr nach dem Börsengang hatte sich der Kurs verdoppelt, und je höher er anstieg, desto mehr Fonds kauften die Aktie. "Hin und wieder haben wir andere Aktien wie zum Beispiel EM.TV kritisch beäugt und gesagt: Das ist `ne Blase."

Waren die Analysten, die Fondsmanager die Treiber? Haentjes will keinem die Schuld zuschieben. "Wir brauchten wegen der Zukäufe frisches Geld. Wenn wir gesagt hätten: Erst 2003 gibt es Riesengewinne, hätten wir das Geld nicht bekommen. Wir hatten die gleiche Droge genommen wie Banker, Analysten, Fondsmanager und Anwälte. Das war ein geschlossenes System, das sich gegenseitig befruchtete."

Als andere Unternehmen des Neuen Marktes im Frühjahr 2000 stolperten, glaubten Haentjes und sein Vorstand noch: Uns kann das nicht passieren. "Wir hatten über eine Milliarde Umsatz und 65 Millionen Cash flow." Doch die Talfahrt des Neuen Marktes hatte voll eingesetzt, und die Banken forderten die Rückführung eines dreistelligen Millionenkredits. "Ich war damals noch selbstbewusst und glaubte, ich finde einen risikobewussten Gesellschafter." Es folgte ein halbes Jahr vergeblicher Suche und Gespräche von Frankfurt bis Los Angeles. "Der Kurs fiel weiter, und wir standen mit dem Rücken zur Wand."

Stückchenweise wurde das edel-Imperium wieder verkauft. "Dann kam der 11. September. Danach bekamen wir für unsere US-Unternehmen nichts mehr. Alle merkten: Der ist in höchster Not - und ich konnte in den Abgrund gucken." Ohne einen klugen Forderungsverzicht des Bankenpools unter Führung der Commerzbank wäre edel music im Herbst 2001 am Ende gewesen. Der Konzern, der vor zwei Jahren noch 1700 Mitarbeiter beschäftigte, ist auf unter 800 Mitarbeiter geschrumpft. "Ich bin ein Bauchmensch, und mit kleineren Strukturen geht es mir besser."

Inzwischen macht edel wieder Gewinne. Angesehene Künstler wie Chris Rea, Marshall Alexander und Kim Wilde haben hier in den vergangenen Monaten Verträge unterschrieben.

"Zur Zeit der größten Ausdehnung der Börsenblase haben mich meine Frau und unser früherer Finanzvorstand gewarnt und zum Konsolidieren geraten. Das hab` ich damals nicht ernst genommen."

1999 war Haentjes auf der internationalen Musikmesse Midem zur "Person of the year" ernannt worden. Das ist für ihn selbst Jahrzehnte her. "Ich habe angefangen, Unternehmerbiografien zu lesen", sagt er und blickt auf die Elbe.




edel music AG

* Gegründet 1986 in Hamburg vom Musikwissenschaftler Michael Haentjes.

* Geschäftsbereiche: Produktion, Marketing und Vertrieb von Ton- und Bildträgern.

* Anteil am deutschen Musikmarkt: 5 Prozent; Verkauf über den Einzelhandel in Europa. Mitarbeiter: 796; Tochtergesellschaft (100 Prozent): optimal media production GmbH, Röbel Mecklenburg-Vorpommern, gegründet 1991, als Presswerk und Distributionszentrum für Tonträger.

* Repertoire: Pop, Rock, Klassik. Der Klassikkatalog wurde 1991 von der "Deutsche Schallplatte" der ehemaligen DDR erworben. Hinzu kommen Aufnahmen zeitgenössischer, junger Klassikkünstler sowie Kindermusik und -hörspiele.
 
aus der Diskussion: Zahlen bei EDEL MUSIC AG für 2001/2002 !
Autor (Datum des Eintrages): Lockeres Luder  (02.04.03 17:21:31)
Beitrag: 124 von 205 (ID:9062663)
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