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    Deutschland im Jahr 2005 - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 22.08.05 14:03:57 von
    neuester Beitrag 25.08.05 14:18:53 von
    Beiträge: 9
    ID: 1.001.691
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      schrieb am 22.08.05 14:03:57
      Beitrag Nr. 1 ()
      Blendgranaten und Schüsse

      Der Union-BFC-Ticker – live in jW. Im Kessel: Frank Willmann

      Samstag, 20.8.

      In Höhenschönhausen findet zum dritten Mal ein internationales Fanturnier statt, mit Fanmannschaften von St. Pauli und Lok Leipzig, es endet friedlich. – Ein Organisator bekommt einen Tip: Bei der Abschiedsparty gibt’s Ärger mit der Polizei. – In der Berliner Diskothek »Jeton« wird friedlich gefeiert. – Gegen 1.30 Uhr stürmt ein SEK-Kommando die Discothek. – Der BFC Fan-Fanbeauftragte: »Ich bin völlig geschockt. Ich habe so etwas noch nicht erlebt. Soviel Brutalität gegenüber unseren Fans, vor allem Frauen. Wir saßen beieinander, lachten, tranken und plauderten. Blendgranaten und Schüsse. Gebrüll und Aufruhr. Kaum Widerstand, alle mußten sich zu Boden schmeißen, auch die Frauen. Wer nicht schnell genug unten war, wurde zusammengemöbelt. Ich sah viel Blut und Verletzte. Es traf jeden. Alle wurden gefesselt, die Presse durfte herein und machte Fotos. Leute, die zur Toilette mußten, durften nicht. Die Frauen wurden isoliert und konnten wenig später gehen. Ich kann schwer abschätzen, wie viele es von uns waren, um die 150 sollten es sein. Um halb fünf begannen sie dann mit den Zuführungen. Jeder einzeln. – BFC-Fanforum Dynamo Friedrichshain: »Das ist wohl das Ende der Demokratie, Ich komme mir vor wie in einer Polizeidiktatur in Südamerika. Wehret den Anfängen!!!« – Aus dem Fanforum UFC: »Auch wir Unioner wollen nur einen gesunden Derbyhaß und keinen Staatsmacht-Test. Wir können alle froh sein, daß wir solche Spiele wie heute haben.«


      Sonntag, 21.8.

      10.32 Uhr: Die Vereinsführung des BFC Dynamo versucht, nähere Auskünfte über einen Polizeieinsatz in der vergangenen Nacht zu bekommen. – Präsidium und Wirtschaftsrat bemühen sich, eine seriöse Stellungnahme zu erhalten. – Unter Berücksichtigung des Sicherheitsaspektes wird Kontakt zum NOFV aufgenommen. – 11 Uhr: BFC-Fans fordern im Internet die Spielabsage und eine Demonstration gegen Polizeiwillkür – 11.23 Uhr: sid meldet »einen Testlauf für die Fußball-Weltmeisterschaft« der Berliner Polizei – 11.30 Uhr: BFC-Präsident Weinkauf diskutiert mit der Mannschaft eine Spielabsage. – 12 Uhr: Keine Entscheidung. – 12.30 Uhr: Der Besitzer von »Jeton« erklärt gegenüber jW, daß eine richterliche Entscheidung zur Räumung nachgereicht wurde, wegen »Gefahr im Verzug«, es wurden »Hooligans der Kategorie B und C« festgestellt. Sicherheitsabsprachen mit der Polizei wurden von dieser ignoriert. – 13 Uhr: Die Mannschaft entscheidet: Das Spiel findet statt. – 13.30 Uhr: die Stimmung im und vorm Stadion ist extrem aufgeheizt. – 14 Uhr: Treibhausstimmung, in der Alten Försterei sind 14 200 Zuschauer, Polizeihubschrauber kreisen. 14.28 Uhr: Anstoß, im Stadion große Derbystimmung. – 14.40 Uhr: Union führt 1:0, herrliche Fangesänge – 15.01 Uhr: 2:0 – 15.55 Uhr: 4:0. 16.16 Uhr: 8:0 – BFC-Fans sammeln sich vor dem Stadion.




      Und so sieht es die Springer Presse:

      http://bz.berlin1.de/pdfviewer/pdfviewer.php3/z/pdf/bz_1




      Die Welt zu Gast bei Freunden.
      Avatar
      schrieb am 22.08.05 14:22:18
      Beitrag Nr. 2 ()
      An wem hätte die Polizei denn sonst üben sollen
      Avatar
      schrieb am 22.08.05 15:09:34
      Beitrag Nr. 3 ()
      Dazu gibt es auch einen Erfahrungsbericht

      hallo leute

      nachdem ich mich in den letzten stunden halbwegs gesammelt habe (soweit das möglich ist), hier meine anmerkungen zum thema „polizeieinsatz am 21.08.04“:

      vorausgeschickt einige angaben zu meiner person:
      ich bin 40 jahre alt und in dieser zeit nie straffällig geworden oder sonstwie auffällig gewesen. meine „akte“ vermerkt ein 4-wöchiges fahrverbot und einen punkt in flensburg. ich arbeite seit jahren als freier journalist/dolmetscher/übersetzer. Ich habe keine glatzte, bin nicht tätowiert und stehe politisch links (falls das hier überhaupt von bedeutung ist). am wochenende bestand meine aufgabe darin, unsere gäste aus schweden und schottland zu betreuen und für sie zu dolmetschen. das vor allem war auch der grund meines aufenthaltes im jeton.

      bereits am freitag nachmittag, als wir die schotten vom flughafen tegel abholten, erschienen dort zivile kräfte der egh. die aberdeener wurden befragt, mussten ihre pässe vorlegen, die mit listen abgeglichen wurden. auch meine personalien wurde (erstmalig) erfasst. mir wurde gesagt, dass der einsatz mit dem derby am sonntag zusammenhängen würde und ich wurde darauf hingewiesen, dass wir beobachtet würden und dass jeder verstoß gegen gesetzliche bestimmungen geahndet werden würde. mal abgesehen davon, dass es dieser belehrung in meinem fall nicht bedurft hätte, habe ich unsere gäste über die lage informiert. für alle, sowohl für unsere „hools“, unsere gäste, und für „normale fans“, hieß die parole: keinen stress, unter keinen umständen!!! und wenn am sonntag doch wider erwarten etwas passieren sollte, raushalten, versuchen, so schnell wie möglich von evtl. gefahrenherden wegzukommen!

      der samstag verging, das wetter war toll, das turnier ein voller erfolg, unsere gäste hatten, trotz bescheidener sportlicher ergebnisse und einiger „ausfälle“, einen heidenspaß. es gab keinerlei zwischenfälle.

      gegen 00.00 erreichte ich mit einem in berlin wohnenden englischen freund das jeton. wir verbrachten noch ca. eine halbe stunde vor besagtem etablissement, um auf die schotten/ schweden zu warten. ca. gegen 00.30 zahlten wir dann unseren eintritt, erhielten dafür die gelben armbänder, die zum zutritt der 3. etage und zum kostenlosen verzehr von getränken berechtigten.

      wir machten uns also auf den weg zur bar, begrüßten bekannte, sagten hier und da hallo, und bestellten uns an der bar die ersten drinks. irgendwann kamen unsere ausländischen gäste, ich dolmetschte, beantwortete fragen, stellte leute einander vor etc..

      gegen 01.30 dann der einsatz, der aus meiner sicht folgendermaßen ablief (bemerkung, ich hielt mich zu diesem zeitpunkt in der 2. etage im bereich vor de toiletten auf): mit dem ruf: „alles auf den boden, ihr votzen!“ stürmten vermummte einsatzkräfte die 2. etage. keiner wusste was los war, blankes entsetzen. wer die lage nicht erkannte und sich sofort hinschmiss, wurde sofort mit dem knüppel bearbeitet. es wurden keinerlei unterschiede gemacht zwischen männern und frauen, schmächtigen jugendlichen und kräftiger gebauten älteren semestern, kurz- und langhaarigen, tätowierten oder „unbefleckten“ bürgern, es war egal. alles lag auf dem boden - der teilweise übersät war mit scherben - in den lachen der verschütteten getränke. es gab auch nicht den geringsten versuch des widerstandes, nach maximal 30 sekunden lag alles und die ersten bekamen auch schon kabelbinder verpasst.

      so lag man dann ca. eine stunde. auf anfragen, was das alles zu bedeuten hätte, bekam man entweder keine auskunft oder antworten wie: „fresse halten, sonst kriegste richtig“, „werdet ihr schon früh genug erfahren“, „stell dich doch nicht dümmer, als du bist“ etc. anfragen zu dienstnummern oder verantwortlichen wurden, unter höhnischem grinsen, mit „110“ oder „polizeipräsident berlin“ beantwortet. leuten, die auf dem bauch lagen, die hände auf dem rücken gefesselt, wurden als „antwort“ auf ihre fragen mit dem gesicht auf den boden geschlagen. nach ca. einer stunde durften dann einige leute, darunter auch ich aufstehen, man konnte sich umsetzen. mein hinweis an die beamten, dass wir ausländische gäste hätten, die keinerlei deutsch sprechen bzw. verstehen würden, das ich deren dolmetscher wäre und sie gerne informieren bzw. für sie übersetzen würde, wurden erst ignoriert, dann abgelehnt. ebenfalls ignoriert wurde mein hinweis, dass ich journalist sei und und mich auch als solcher ausweisen könne. nachdem ich irgendwann die ansage „halt jetzt endlich das maul, sonst legen wir dich zusammen!“, gab ich auf. hin und wieder wurden leute von beamten zur toilette geführt, darunter auch eine, mir persönlich als union-fan (!) bekannte person, dessen eine gesichtshälfte eine einzige blutige masse war. überhaupt sah ich mehrere personen, die deutlich gezeichnet waren.

      nach ca. 3 stunden (alle zeiten sind geschätzt) durften dann die frauen gehen. etwa zur gleichen zeit erschien die presse und begann, fotos zu machen (soviel mal zur in der „bz“ aufgestellten behauptung von „ 5 ½ stunden schlacht mit der polizei“, schon zeitlich völlig absurd). gegen 6 uhr wurden alle leute, die noch gelbe armbänder hatten, einzeln nach unten geführt. mir wurden im eingangsbereich des jeton alle persönlichen gegenstände (brieftasche, papiere, handy, wohnungs- und kfz-schlüssel etc.) abgenommen, ich wurde fotografiert, irgendwann in eine gefangenentransporter gesteckt. dann ging es zur keibelstraße, dort musste man in einen anderen transporter umsteigen, der dann nach tempelhof fuhr. insgesamt dauerte die prozedur ca. 2 stunden. nochmalige anfragen zum grund der verhaftung wurden lapidar mit „gefahrenabwehr“ und „befehl des polizeipräsidenten“ beantwortet, nachfragen zur art der „gefahr“ und was ich damit zu tun hätte, wurden ignoriert.

      ca. gegen 08.00 (d.h. nach 2 stunden im gefangenentransporter, immer noch gefesselt!) waren wir dann in tempelhof. die leute wurden einzeln aus den knastwagen geholt, es gab die üblichen fragen zur person, man wurde (zum wiederholten mal) durchsucht, musste schnürsenkel und gürtel abgeben, kam dann, nach einem aufenthalt in einer einzelzelle, in eine große zelle, bei uns belegt mit ca. 15 leuten. in unserer zelle saß u.a. ein junger mann, offensichtlich nicht aus berlin, der im jeton mit freunden einen polterabend gefeiert hatte. da auch diese leute gelbe armbänder hatten, wurden sie wie wir bfcer kurzerhand einkassiert. die betreffenden person wusste nichts von einem ostberliner derby und hatte noch nie etwas von „bfc“ oder „union“ gehört!!!

      die einsatzkräfte in tempelhof verhielten sich korrekt. wir durften rauchen, austreten gehen, es gab getränke und irgendwann auch essen. allerdings erhitzte sich die zelle im laufe des tages auf geschätzte 40 grad, die luft war wie in einer sauna, heiß, feucht, stickig. nach einigen stunden verlangte ich dann einen verantwortlichen zu sprechen, der mir auskunft über den grund meiner verhaftung geben könnte. erst hieß es: „das erfahren sie von unserem vorgesetzten“, später dann. „das erklärt ihnen der haftrichter“. weder den einen noch den anderen bekam ich je zu gesicht. nachfragen, wie lange wir in gewahrsam bleiben würden, wurden mit „wissen wir nicht“ beantwortet, bzw. es gab ansagen, die von „2 stunden nach derbyende“ bis „ca. 21.00“ reichten. der tenor der beamten vor ort war unisono: „so was wie euch haben wir hier noch nie gesehen, kommt ihr aus dem krieg?!“ mehrere beamte meinten mir gegenüber: „lasst euch das auf keinen fall gefallen, erstattet anzeige!“ ca. gegen 20.00 wurde wir dann entlassen, ohne je einem richter oder beamten vorgeführt worden zu sein. man bekam keine namen, kein schriftstück, dass den knapp 19-stündigen aufenthalt im polizeigewahrsam bestätigt oder begründet hätte. man bekam auch seine persönlichen gegenstände ausgehändigt, in meinem fall war allerdings der kfz-schlüssel verschwunden (das war zudem der zweitschlüssel, was bedeutet, dass der heutige tag für mich arbeitstechnisch fast ad acta gelegt werden kann, außerdem werde ich neue schlüssel anfertigen lassen müssen, und es besteht die gefahr, dass mein kfz umgesetzt wird/ wurde).

      mein fazit: was ich gestern erlebt habe, hätte ich nie auch nur im entferntesten für möglich gehalten. dabei sind die schilderungen anderer betroffener noch deutlich dramatischer. so war zu hören, dass sich leute in die glasscherben legen mussten, und man ihnen die ärztliche behandlung verweigerte. einem bekannten mit tourette-syndrom (!) soll der gang zur toilette verwehrt worden sein, so dass er sich in die hosen machte. weiter wurde berichtet, dass eine schwangere frau (!!!) die treppe runtergeprügelt wurde, sie soll sich dabei den arm gebrochen haben, es gibt zig weitere augenzeugenberichte von leuten, die, obwohl schon gefesselt am boden liegend, massivst misshandelt wurden.

      der einsatz war unglaublich brutal. das, was die beamten da ablieferten, stelle ich mir unter „faschistischer soldateska“ vor. mich erinnerte das an szenen, wie ich sie aus fernsehberichten über den putsch in chile in erinnerung habe, oder aus den schilderungen in walter jankas autobiographie (seine erlebnisse mit der stasi in den frühen 50ern) bzw. berichten aus der nazizeit kenne. mein englischer freund war früher als soldat in nordirland (!) stationiert - sein kommentar: „so etwas habe ich noch nie gesehen, nicht mal annähernd!“

      innerhalb eines tages habe ich jegliches vertrauen in unseren „rechtstaat“ und seine organe verloren. und wenn ich heute die presse lese (bz, tagesspiegel, berliner zeitung) wird mir kotzübel und ich schäme mich bis aufs blut für diese „kollegen“. da wird gelogen, dass sich die balken biegen, werden leute, die völlig unschuldig opfer von extremster polizeiwillkür wurden, aufs übelste diffamiert und (bz) verhöhnt.

      mein aufruf an alle betroffenen: lasst euch das nicht gefallen! wehrt euch, nehmt euch anwälte, klagt!!! diese nummer dürfen wir knape und seinen „beamten“ auf keinen fall durchgehen lassen.

      ich selbst werde alle rechtsmittel nutzen, die ich habe, um die betreffenden personen zur verantwortung zu ziehen. hier geht es nicht um gewaltbereite fußballfans, sondern um grundlegende bürger- und menschenrechte, die vom staat mit füßen getreten wurden, und das kann und darf einfach nicht sein!

      mit dynamischen grüßen


      aus http://www.nordostfussball.de/forum/thread.php?threadid=1195…
      Avatar
      schrieb am 22.08.05 15:36:27
      Beitrag Nr. 4 ()
      Da hat man bald keine Chance mehr wenn alles Presseorgane dem Springer Konzern gehören.
      Dann zählt nur noch die Warheit des großen Bruders :(
      Avatar
      schrieb am 22.08.05 16:11:07
      Beitrag Nr. 5 ()
      ach was... fussballfans haben doch alle ein rad ab....


      ...es gibt schon kaum mehr ein spiel bei dem es zu keinen
      gewalttätigen auseinandersetzungen kommt.

      ich kriegs schon immer mit der angst wenn die spinner besoffen durch die innenstadt ziehen, rumgrölen und rumpöbeln.:mad::mad::mad::mad:

      ist voll ok wenn die polizei mal ein zeichen setzt!

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      Avatar
      schrieb am 22.08.05 16:23:06
      Beitrag Nr. 6 ()
      "nach maximal 30 sekunden lag alles und die ersten bekamen auch schon kabelbinder verpasst."

      Tolle Leistung unserer Sicherheitsorgane. Danke, Genossen!
      Etwas ähnliches durfte ich 1989 in Leipzig erleben, als ich
      zufällig :D in eine Demo von Ausreisewilligen geriet.
      Da gab es morgens aber nichts zu essen. :laugh:
      Avatar
      schrieb am 22.08.05 16:39:37
      Beitrag Nr. 7 ()
      Avatar
      schrieb am 22.08.05 18:55:07
      Beitrag Nr. 8 ()
      #5
      Wie würdest du nur darüber denken wenn du zufällig vor Ort gewesen wärst.
      Ist ist nicht nur einmal passiert, dass Leute einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort waren und verhaftet wurden.


      Eigentlich hätte ich auf so einen Schwachsinn gar nicht antworten sollen:rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 25.08.05 14:18:53
      Beitrag Nr. 9 ()
      Kommentar

      Die Blutgrätsche der Polizei
      Jens Weinreich

      Sie nennen sich "Freunde der 3. Halbzeit" oder die "Erlebnisorientierten". Sie wählen putzig anmutende Umschreibungen für einen perfiden Zeitvertreib, der darin besteht, am Rande von Fußballspielen andere Menschen brutalstmöglich zu verletzen. Gegen derartig veranlagte Hooligans der höchsten Gefahrenkategorien C und B, die im Ausrichterland der Fußball-WM 2006 längst zu Staatsfeinden erklärt wurden, soll sich der Polizeieinsatz in der Nacht zum Sonntag in der Berliner Diskothek Jeton gerichtet haben. Dumm nur, dass sich unter den 158 zwischenzeitlich festgenommenen Personen und ein paar Dutzend Verletzten vergleichsweise wenige bekannte "Erlebnisorientierte" befanden. Die Mehrzahl der vom Sondereinsatzkommando Festgesetzten war in jener Nacht auf andere Erlebnisse aus. Es handelt sich um durchaus unbescholtene Bürger, die keiner der Hooligan-Kategorien zuzuordnen sind, und deren Vergehen darin bestand, sich zur falschen Zeit - vor dem brisanten Oberligaspiel zwischen dem 1. FC Union Berlin und dem BFC Dynamo - am falschen Ort - im einschlägig bekannten Jeton - aufgehalten zu haben. Allerdings, selbst im deutschen Strafgesetzbuch gilt derlei Fehlverhalten noch nicht als kapitales Verbrechen.

      Es geht gar nicht darum, einen Einsatz gegen Hooligans zu verurteilen, sondern um die alte, immer wieder aktuelle Frage, ob der Zweck die Mittel heiligt. Rechtfertigt die (unbewiesene) Behauptung, durch diesen gewaltsamen Einsatz der Polizei seien angeblich geplante Gewalttaten beim Oberligaspiel verhindert worden, den so genannten Kollateralschaden, also Verletzungen an Leib und Seele bei einigen Dutzenden Menschen? Rechtfertigt dies zahlreiche "vorbeugende" Blutgrätschen der Sicherheitskräfte? Wobei selbst Laien wissen, dass Blutgrätschen - im Fußball wie im richtigen Leben - mit Platzverweisen geahndet werden sollten.

      Die Hoffnung der Polizei, den harten Kern der Branche, der sich erst vor drei Wochen beim Punktspiel zwischen dem BFC und dem SV Yesilyurt auch gegen Beamte ausgetobt hat, nun mächtig eingeschüchtert zu haben, könnte trügerisch sein. Bei der Weltmeisterschaft 1990 hatte die italienische Polizei auch geglaubt, mit gewaltiger Präsenz und enormer Schlagfertigkeit einschüchtern zu können. Man musste indes erkennen, dass die Hooligans dadurch nur gereizt worden sind. Wer sich in diesen Tagen in diversen Internet-Foren umschaut, erkennt ähnliche Tendenzen.

      Es wäre allerdings verfehlt, sich nach diesem nächtlichen Einsatz an wohlfeilen Lage- und Taktikeinschätzungen zur WM 2006 zu versuchen. Das wäre allein im Interesse derjenigen, die diese Aktion verantworten müssen. Sie verlangen jetzt nur das, was sie immer verlangen: Mehr Geld, mehr Sicherheitskräfte, mehr Handlungsspielraum - ohne ein überzeugendes Konzept präsentieren zu können. Das Vorgehen im Jeton, das sich einreiht in zahlreiche umstrittene Aktionen der vergangenen Monate, kann kaum als beispielhaft gelten. Oder muss man sich während der WM darauf einstellen, dass täglich an allen zwölf Spielorten vorbeugend Dutzende Diskotheken und Kneipen gestürmt werden? Dass also im Sommer 2006 täglich tausende unschuldiger Personen niedergeknüppelt, gefesselt, verletzt, entwürdigt und verhaftet werden sollen?

      Es mag ja sein, dass dies eine verlockende Aussicht ist für manche Hardliner im Bundesinnenministerium und in Polizeibehörden, die glauben, dass Gewalt noch immer das beste Mittel gegen Gewaltbereitschaft sei. Wenn das so wäre, sollte man gegen derartige Wild-West-Methoden einschreiten, bevor die Cowboys noch größeren Schaden anrichten. Auf den Vorfall in Berlin bezogen, heißt das: Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss muss tätig werden. Das schreibt sich so leicht, obwohl man doch weiß, dass ein Untersuchungsausschuss eher selten zur Aufklärung beiträgt. Egal, Behördenvertreter haben sich schon nach wenigen Tagen und nur zaghaft kritischer Medienberichterstattung in veritable Widersprüche verstrickt. Man darf es auch deutlicher ausdrücken: Sie haben gelogen. Ja, es war eine deftige Lüge, zu behaupten, es sei im Jeton zu "massiven Widerstandshandlungen" gekommen.

      Die Staatsmacht soll ihre Bürger vor den Gewalttätern im Fan-Trikot schützen. Sie tut das aber nicht, indem sie die Bürger niederknüppelt. So wie die Polizei in der Diskothek Jeton aufgetreten ist, unterscheidet sie sich kaum von den Erlebnisorientierten. Das kann nicht das Modell für die WM 2006 sein.

      BZ


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