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    18.09.2005 - Wiedergeburt der Weimarer Republik - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 19.09.05 17:44:14 von
    neuester Beitrag 19.09.05 18:28:10 von
    Beiträge: 3
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      schrieb am 19.09.05 17:44:14
      Beitrag Nr. 1 ()
      Weimarer Republik:

      Bei den Reichstagswahlen vom 6. Juni 1920, die als "Abmachung" zur Beendigung des Lüttwitz-Kapp-Putsches anberaumt wurden, verlor die Weimarer Koalition aus Sozialdemokratischer Partei Deutschlands (SPD), Zentrum und linksliberaler Deutscher Demokratischer Partei (DDP) ihre bisherige Mehrheit. Dies war ein deutliches Zeichen für die Unzufriedenheit weiter Kreise der Bevölkerung mit der jungen parlamentarischen Demokratie.

      Geradezu als Inkarnation aller Fehler und Schwächen von Republik und Demokratie galt Matthias Erzberger. Als er am 26. August 1921 von ehemaligen Freikorpsangehörigen ermordet wurde, fand diese Tat im rechtsextremen Lager ein erschreckend positives Echo. Knapp ein Jahr später fiel Reichsaußenminister Walther Rathenau, nicht zuletzt wegen seiner jüdischen Abstammung und wegen des Rapallo-Vertrags mit Sowjetrußland, einem Anschlag desselben Täterkreises zum Opfer. Hunderttausende demonstrierten nach der Ermordung Rathenaus zwar für Republik und Demokratie, doch gegen den manifesten Antisemitismus des völkischen Lagers sowie gegen die republik- und demokratiefeindlichen Strömungen vermochten Demonstrationen allein nur wenig auszurichten.


      In eine nahezu ausweglose Krise geriet die Weimarer Republik, als nach einer geringfügigen Verzögerung der deutschen Reparationsleistungen französische und belgische Truppen am 11. Januar 1923 das Ruhrgebiet besetzten. Daraufhin proklamierte die Reichsregierung unter Wilhelm Cuno den "passiven Widerstand" und pumpte immense Geldmengen als Kompensation für die Einstellung der Arbeit ins besetzte Gebiet. Die seit 1914 spürbare Inflation geriet nun völlig außer Kontrolle, Sparguthaben verloren ebenso ihren Wert wie die bis kurz vor Kriegsende gezeichneten Kriegsanleihen. Vor diesem Hintergrund wuchs die Putsch- und Aufstandsbereitschaft bei den Rechten wie bei den Linken. Während ein linker Aufstandsversuch "nach russischem Vorbild" jedoch im Oktober 1923 relativ sang- und klanglos in sich zusammenbrach und nur in Hamburg zu bewaffneten Auseinandersetzungen führte, waren Staatsstreichpläne der von Gustav Ritter von Kahr geführten bayerischen Rechten bedrohlicher. Sie sahen in einer "legalen" Diktatur den einzigen Ausweg aus der - nach ihrer Meinung - vom "parlamentarischen System" verursachten Krise und wollten die politischen Verhältnisse der "Ordnungszelle" Bayern auf das Reich übertragen. An den Planungen zum "Marsch nach Berlin" wirkte auch Adolf Hitler mit, Vorsitzender der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und Führer des Deutschen Kampfbundes, eines Bündnisses von bayerischen Einwohnerwehren und Sturmabteilung (SA). Als Hitler erkannte, daß der Kampf um die Diktatur ohne ihn und seine SA stattfinden sollte, nutzte er am 8. November 1923 eine "nationale Veranstaltung" des bayerischen Generalstaatskommissars Kahr im Münchener Bürgerbräukeller als Forum für seinen Putschversuch, der jedoch bereits am folgenden Tag niedergeschlagen wurde. Damit war die schwerste Gefahr für die Republik abgewendet. Die Stabilisierung der Währung durch die Einführung der Rentenmark trug das ihre zur innenpolitischen Beruhigung bei.

      Oberflächlich betrachtet waren die ersten Jahre, die auf das katastrophale Jahr 1923 folgten, für die Weimarer Republik eine Zeit der relativen innenpolitischen Windstille mit wirtschaftlichem Aufschwung und kultureller Blüte; unter den bürgerlichen Reichskanzlern Wilhelm Marx und Hans Luther amtierten bürgerliche Kabinette, die zwar gelegentlich auseinanderbrachen, sich aber alsbald wieder zusammenfanden. Eine Zeitlang konnte es sogar scheinen, als habe sich selbst der monarchische Konservatismus mit der neuen Realität abgefunden. Ironischerweise zeigte sich das, als nach dem Tod des ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert mit knapper Mehrheit der einstige königlich-preußische Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg 1925 zum Reichspräsidenten gewählt wurde. Zur großen Überraschung seiner Umgebung dachte aber Hindenburg nicht daran, die monarchistische Wende zu vollziehen, die seine Hintermänner erhofften; statt dessen war er entschlossen, dieser Republik ein guter Präsident zu sein.


      Mit der Unterzeichnung des Vertrages von Locarno Mitte Oktober 1925 hatte Deutschland seine internationale Isolation überwunden und erhielt einen Sitz im Völkerbund. Trotz der bewußt offengehaltenen Frage der deutsch-polnischen Grenze stellten das Dawes-Abkommen und der Locarno-Vertrag die Weichen für den 1929 ausgearbeiteten Young-Plan, der die deutschen Reparationslasten endgültig festlegen sollte: Die jährlichen Zahlungen sollten sich nun zwar bis 1988 erstrecken, aber gleichzeitig verpflichtete sich Frankreich, das Rheinland fünf Jahre vor dem ursprünglich vorgesehenen Termin zu räumen. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise mit ihren katastrophalen sozialen und industriellen Auswirkungen wurden die deutschen Reparationsverpflichtungen auf der Konferenz von Lausanne im Sommer 1932 gegen eine Abfindungssumme von drei Milliarden Reichsmark endgültig gestrichen. Obwohl die auf den Einsatz wirtschaftlicher Mittel bauende Revisionspolitik von Außenminister Gustav Stresemann durchaus erfolgreich war, rief die seit Oktober 1928 von Alfred Hugenberg geführte Deutschnationale Volkspartei (DNVP) mit dem Stahlhelm und NSDAP ein Volksbegehren gegen die Unterzeichnung des Young-Plans ins Leben und forderte im anschließenden Volksentscheid gegen den Young-Plan die auf Landesverrat stehende Zuchthausstrafe für jeden Unterzeichner derartiger Verträge. Zwar stimmten im Dezember 1929 nur knapp 14 Prozent der Wahlberechtigten diesem "Freiheitsgesetz" zu, aber die Teilnahme der Nationalsozialisten am Volksbegehren hatte der NSDAP enorme Publizität und Reputation im "nationalen Lager" verschafft. Bei der "Septemberwahl" 1930 steigerte die NSDAP ihr Ergebnis um fast 800 Prozent gegenüber der letzten Reichstagswahl und zog mit 107 Abgeordneten als zweitstärkste Fraktion in den Reichstag ein. Wähler aus allen sozialen Schichten hatten für die Nationalsozialisten gestimmt. Trotz einer auffallenden Verankerung im Mittelstand hatte die NSDAP sich in der zerstrittenen Parteienlandschaft zur ersten "Volkspartei" Deutschlands entwickelt. Der für den Nationalsozialismus charakteristische Antisemitismus trat in der Propaganda nun nicht mehr so massiv in Erscheinung. Der Partei ging es jetzt vor allem um den Nachweis ihrer "Gesellschaftsfähigkeit". Gemeinsam mit dem Stahlhelm und der DNVP bildete die NSDAP im Oktober 1931 die "Harzburger Front", um der nationalistischen Opposition mehr Stoßkraft zu verleihen.


      Von entscheidender Bedeutung für den starken Zulauf der Nationalsozialisten und der Kommunisten war die Weltwirtschaftskrise, die Deutschland weit härter traf als andere europäische Staaten. Nach dem dramatischen Kurseinbruch vom 25. Oktober 1929 an der New Yorker Wall Street wurden die kurzfristigen Auslandskredite aus Deutschland abgerufen. Der vor allem mit ausländischen Krediten finanzierte Wirtschaftsaufbau brach in sich zusammen, die ohnehin hohe Arbeitslosenzahl stieg bis auf über sechs Millionen, Armut und Verzweiflung griffen um sich. Über den Umfang der notwendigen Beitragserhöhung für die Arbeitslosenversicherung gerieten SPD und Deutsche Volkspartei (DVP) in der Großen Koalition in heftigen Streit. Am 27. März 1930 trat das Kabinett unter Hermann Müller, die letzte von einem Sozialdemokraten geführte Reichsregierung, zurück. Der Übergang zu den verfassungsrechtlich problematischen "Präsidialkabinetten" begann. Da es keine parlamentarische Mehrheit für eine arbeitsfähige Regierung gab, beauftragte Hindenburg den Zentrumspolitiker Heinrich Brüning mit der Bildung einer Minderheitsregierung, deren eigentliche Machtbasis das Recht des Reichspräsidenten zum Erlaß von Notverordnungen und zur Auflösung des Reichstags war. Mehr als zwei Jahre betrieb Brüning eine energische Sparpolitik, bevor die "ostelbische" Kamarilla es schaffte, den Reichspräsidenten auf den Rücktritt Brünings festzulegen. Am 1. Juni 1932 ernannte Hindenburg das "Kabinett der nationalen Konzentration" mit Franz von Papen als Reichskanzler. Durch eine staatsstreichartige "Reichsexekution" setzte die Regierung Papen die von dem Sozialdemokraten Otto Braun geführte Preußische Regierung am 20. Juli 1932 ab. Mit dem "roten" Preußen war die letzte demokratische Bastion des Reichs gefallen. Ein Generalstreik gegen den "Preußenschlag" schien angesichts der sechs Millionen Arbeitslosen wenig erfolgversprechend.

      Wie sehr sich die innenpolitischen Gewichte verschoben hatten, war schon bei der Wiederwahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten deutlich geworden. Im Frühjahr 1932 wurde er vor allem von den demokratisch-republikanischen Parteien unterstützt. Sein schärfster Konkurrent war Adolf Hitler, für den im zweiten Wahlgang über 13 Millionen Wähler stimmten. Bei den Reichstagswahlen vom 31. Juli 1932 erhielt die NSDAP dann über 37 Prozent aller Stimmen, die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) kam auf über 14 Prozent. Die Wähler hatten den "bürgerlichen" Parteien und der parlamentarischen Demokratie auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise eine klare Absage erteilt. Den "böhmischen Gefreiten" zum Reichskanzler zu ernennen, scheute Hindenburg sich zwar, doch Hitler stellte nicht nur die mit Abstand größte Reichstagsfraktion, sondern seine SA hatte in blutigen Kämpfen inzwischen auch "die Straße" erobert. Die während der Revolution 1918/19 noch unüberhörbaren Stimmen der Vernunft aus dem demokratisch-pazifistischen Lager waren 1932/33 im Getöse der "Sieg-Heil"- und "Rot-Front"-Rufe untergegangen. Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler war das Ende der Weimarer Republik am 30. Januar 1933 besiegelt.

      (ba)
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      schrieb am 19.09.05 17:46:46
      Beitrag Nr. 2 ()
      Die gestrige Bundestagswahl und das Auftreten der Parteiführer gestern erinnert mich einfach an den Beginn der Weimarer Republik nach dem Ersten Weltkrieg.

      Dem Land geht es finanziell ebenfalls sehr schlecht. Zwar kann man das nicht gleichstellen aber eine gewisse Parallelität ist meiner Meinung nach nicht von der Hand zu weisen.
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      schrieb am 19.09.05 18:28:10
      Beitrag Nr. 3 ()
      Bei Patt hat Präsident Ermessen für Kanzlervorschlag

      Karlsruhe (dpa) - Wegen der unklaren Mehrheitsverhältnisse nach der Bundestagswahl könnte der Bundespräsident als Krisenmanager gefragt sein. Nach Artikel 63 Grundgesetz wählt der Bundestag den Bundeskanzler «auf Vorschlag des Bundespräsidenten».

      Schält sich bei Koalitionsverhandlungen eine klare Kanzlermehrheit heraus, dann ist dies eine bloße Formalität. Bleibt dagegen unklar, wer sich in der Abstimmung im Parlament durchsetzen wird, so liegt es nach Ansicht der meisten Grundgesetzkommentatoren im politischen Ermessen des Staatsoberhaupts, welchen Kandidaten er vorschlägt.

      Im ersten Wahlgang würde nur über den Vorschlag des Bundespräsidenten abgestimmt. Bei weiteren Wahlgängen wären Gegenkandidaten möglich.

      Der Präsident ist verpflichtet, dem Bundestag irgendeinen Vorschlag zu machen - der aber nicht zwingend aus den Reihen der stärksten Partei kommen muss. Ex-Bundespräsident Roman Herzog baut im Grundgesetzkommentar Maunz-Dürig auf «die politische Klugheit und den politischen Takt» des Staatsoberhaupts und will ihn in dieser Frage keinen rechtlichen Bindungen unterwerfen. Der Mannheimer Rechtsprofessor Wolf-Rüdiger Schenke plädiert dafür, dass der Präsident bei unklaren Verhältnissen den Kandidaten mit den besten Aussichten auf die Bildung einer stabilen Regierung benennen «sollte». Wobei er bei der Einschätzung der politischen Kräfteverhältnisse frei sei, schreibt ein anderer Kommentator.

      Im Bonner Grundgesetzkommentar weist Schenke darauf hin, dass der Bundespräsident schon während der Koalitionsverhandlungen seinen «vermittelnden Einfluss» geltend machen und so eine «integrierende Wirkung» erzielen könne - wobei er erst bei einer sich anbahnenden Krise aus der Reserve treten werde. Andererseits könnte - so schreibt Herzog - der Präsident unnötig lange Koalitionsverhandlungen mit der Drohung abkürzen, «er werde zu einem bestimmten Zeitpunkt von sich aus eine ihm genehme Persönlichkeit vorschlagen».

      Verfehlt der vorgeschlagene Kandidat zwei Mal die Kanzlermehrheit, reicht in einem dritten Wahlgang die einfache Mehrheit. Dann muss das Staatsoberhaupt innerhalb von sieben Tagen erneut eine politische Entscheidung treffen: Er kann entweder einen Minderheitskanzler ernennen oder den Bundestag auflösen.


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