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    Euro, Arbeitslosigkeit und Sozialabbau - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 06.12.05 23:43:03 von
    neuester Beitrag 09.12.05 20:05:36 von
    Beiträge: 15
    ID: 1.024.857
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      schrieb am 06.12.05 23:43:03
      Beitrag Nr. 1 ()
      Hier ein (vorsichtig gekürzter) Auszug aus dem immer mal wieder lesenswerten Buch "Die Euro-Klage" von Hankel, Nölling, Starbatty und Schachtschneider (S. 126 bis S. 129). Acht Jahre ist der Text nun schon alt, über die Aktualität kann man selbst urteilen:

      2. Fehlender Marktausgleich - die Anpassung über den Arbeitsmarkt im nicht optimalen Währungsraum

      Im einheitlichen Währungsraum gibt es keine Möglichkeit eines «sanften» Strukturausgleichs über den Wechselkurs. Es bleibt für die jeweiligen Volkswirtschaften mit ihren unterschiedlichen Kapitalausstattungen und Produktivitätsvoraussetzungen nur die direkte Anpassung über den Kosten- und Preiswettbewerb.

      Dasselbe gilt im Prinzip auch für das Angebot menschlicher Arbeits- und Dienstleistungen. Mit Einführung des Euro wird es an den nationalen Arbeitsmärkten der Gemeinschaft zu verstärkter Konkurrenz kommen. Das wird sich besonders in den EU-Mitgliedstaaten bemerkbar machen, in denen die Arbeitsmärkte - wie in Deutschland - aufgrund einer langen Gewerkschafts- und Sozialstaatstradition ein jenseits marktwirtschaftlicher Lohnbildung angesiedeltes Eigenleben führen. Es muß mit verstärktem Zuzug aus den Billiglohnländern des gemeinsamen Binnenmarktes und demzufolge auch mit verstärktem Druck auf das nationale Tarif- und Sozialsystem gerechnet werden. Die bereits durch die hohe Arbeitslosigkeit geschwächte Verhandlungsposition der Gewerkschaften gegenüber den Arbeitgebern wird sich weiter verschlechtern. Die Finanzlage der sozialen Ausgleichssyssteme wird sich noch prekärer gestalten, denn mit dem wachsenden Überangebot von Arbeitskräften aus dem Euro-«Inland» am deutschen Arbeitsmarkt werden Arbeitslosigkeit und frühes Ausscheiden aus dem Arbeitsleben nochmals kräftig zunehmen.
      Es ist angesichts dieser leicht vorauszusehenden Perspektiven durchaus verständlich, warum sich Großunternehmen und Arbeitgeberverbände so stark für den Euro und seinen frühestmöglichen Start engagieren. Er stärkt ihre Position im Tarifpoker und entlastet sie bei den Lohnkosten. Die Euro-Begeisterung von Gewerkschaften und linken Oppositionsparteien - bei SPD wie den Grünen - für das monetäre Europa ist schwer verständlich. Gerade der von ihnen vertretene Teil der Gesellschaft - das Arbeitnehmerlager -, dazu noch der von ihnen zum Programm erhobene Sozialstaatsgedanke geraten unter Druck (Anmerkung meinerseits: Auch bei zweifellos intelligenten Leuten ist das Märchen von der "Arbeiterpartei" immer noch weit verbreitet...).

      Mit der Währungsunion und der von ihr ausgehenden neuen und verstärkten Mobilität der Arbeitskräfte verändern sich auch die Grundmuster der Arbeitswelt. In hochproduktiven Hochlohnländern wie vor allem Deutschland kommt es aufgrund der Lohnkonkurrenz aus den arbeitskostenbilligeren Ländern der Europäischen Union zu Lohndruck und Entlassungen. Der Effekt auf das etablierte Sozialsystem kann nur der sein, daß es vollends unfinanzierbar wird - denn es muß ja die verdrängten und anspruchsberechtigten inländischen Arbeitnehmer auffangen. Für Deutschland geht damit eine über 120jährige Ära und Tradition zu Ende, die darin bestand, im Arbeitsmarkt etwas anderes zu sehen als einen Markt für «menschliche Ware» [/B]- nämlich ein Barometer der sozialen Zustände und zugleich ein Instrument, diese wenn nötig zu verändern. Für diese Sicht der Dinge und die mit ihr verbundene Herausnahme des Faktors Arbeit aus den reinen Funktionsgesetzen der Marktwirtschaft haben Generationen von Sozialphilosophen, Ökonomen, Gewerkschaftern und Politikern gekämpft. Ihr Erbe ist in akuter Gefahr (...). Wahrscheinlich wollen Regierungen, Gewerkschaften und Verbände in den Hochlohnländern eine solche Entwicklung frühzeitig verhindern, indem sie mit flächendeckenden Entsendegesetzen den Zustrom blockieren oder zumindest abzubremsen versuchen und auch auf möglichst einheitliche Lohn- und Sozialstandards in der Währungsunion drängen (Anmerkung: Kleiner Irrtum. Die Politik verstärkt diesen Prozess: "DEUTSCHLAND BRAUCHT ZUWANDERER!"). (...)

      Daß der Arbeitsmarkt die volle Last des fehlenden Wechselkursausgleichs in Binnenmärkten übernehmen muß, ist nicht etwa das Ergebnis einer inseitigen «Klassenökonomik». Es ist gesicherter Bestandteil der Analyse von Integrationsprozessen. Bereits Anfang der sechziger Jahre zeigten Robert A. Mundell (1961) und Ronald I. McKinnon (1963) anhand ihrer Modelle vom «optimalen Währungsraum», wie der Strukturausgleich im monetären Binnenmarkt funktioniert. Entweder werden die Arbeitskräfte mobiler (...) oder die Lohnstrukturen werden flexibler nach unten - weil die bedrohten Arbeitskräfte freiwillig oder notgedrungen in die Absenkung ihrer Reallöhne einwilligen. Verweigern dagegen die hochbezahlten, aber unter Lohndruck stehenden Arbeitskräfte in den produktivitätsstarken Regionen die Lohnanpassung nach unten - dann setzt sich die verweigerte Reallohnsenkung über den Beschäftigungseffekt durch: Die Leute werden arbeitslos.

      Wie Mundell und McKinnon zeigen, gibt es nur eine Möglichkeit, den lästigen Druck auf den Arbeitsmarkt - sei es über die Löhne, sei es über die Beschäftigung - abzufangen: Die produktivitätsstarken Regionen stellen genügend Kapital für die Entwicklung der produktivitätsschwachen Regionen zur Verfügung. Einen anderen Weg des Strukturausgleichs zwischen nur monetär, aber eben nicht auch real konvergenten Regionen ein und desselben Währungsraumes gibt es nicht (Anmerkung: Trotz reichlicher Nettozahlungen an die EU reicht es aber scheinbar nicht).

      Irgendwo zwischen diesen beiden Anpassungsstrategien läge dann der Versuch, im Wege einer «beschäftigungsfreundlichen» - also inflatorischen - Geldpolitik den Wettbewerbsdruck für alle Beteiligten zu lindern - freilich um den Preis der Ausplünderung von Sparern , Rentnern und Beziehern fester Einkommen sowie des Abstiegs des Euros zu einer ausschließlichen (und provinziellen) Binnenwährung.
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      schrieb am 07.12.05 00:21:16
      Beitrag Nr. 2 ()
      Da hilft nur eins: Enteignung des Großkapitals, notfalls durch Bürgerkrieg.
      Und der wird zwangsläufig kommen!
      Russische Waffenhändler und Mafiosi warten nur auf große Geschäfte!:cry:
      Die Zeiten werden kommen, wo sog. Kreuzberger Chaoten an roten Ampeln den Mercedesfahren nicht mehr nur eimerweise Hundekacke ins Auto schütten, wie bereits geschehen, sondern auch mal eine Handgranate der Scheiße untermischen! :mad:
      Ihr werdet es noch sehen, denke ich und dann sind alle finanztheoretischen Gewinnbestrebungen nur noch ein Furz auf den Kontoauszug. Die Pariser Unruhen waren nur ein Vorgeschmack!:mad:
      Avatar
      schrieb am 07.12.05 05:00:00
      Beitrag Nr. 3 ()
      #1,

      (Anmerkung meinerseits: Auch bei zweifellos intelligenten Leuten ist das Märchen von der " Arbeiterpartei" immer noch weit verbreitet...).


      cajadeahorros, Deine Anmerkung ist nicht ganz zutreffend.
      Die SPD war nie Arbeiterpartei, sondern Partei der Arbeiterbewegung.;)
      Avatar
      schrieb am 07.12.05 09:33:09
      Beitrag Nr. 4 ()
      [posting]19.180.559 von 887766 am 07.12.05 05:00:00[/posting]Ursprünglich. Spätestens seit 1914 und der Zustimmung zu den Kriegskrediten ist sie aber weder das eine noch das andere.
      Avatar
      schrieb am 09.12.05 10:52:04
      Beitrag Nr. 5 ()
      #1 , Gutes Buch, habe ich auch gelesen.

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      schrieb am 09.12.05 11:00:27
      Beitrag Nr. 6 ()
      [posting]19.181.949 von cajadeahorros am 07.12.05 09:33:09[/posting]>Spätestens seit 1914 und der Zustimmung zu den Kriegskrediten ist sie aber weder das eine noch das andere.

      Sehr originelle Sicht der Geschichte. Wahrscheinlich der innere Kampf zwischen Durchblick und Tunnelblick...
      Avatar
      schrieb am 09.12.05 15:28:33
      Beitrag Nr. 7 ()
      Na ja, man muß es aus der Zeit heraus sehen. Wir befanden uns ja damals auf dem Höhepunkt der ursprünglichen Arbeiterbewegung, man hatte eine gewisse soziale Sicherung erstritten und die berühmten "vaterlandslosen Gesellen" waren kurz davor, den Arbeitern aller Länder klarzumachen, daß es weder süß noch ehrenvoll ist, fürs jeweilige Vaterland zu sterben, das eigene Glück für den Kaiser und Herrn Krupp zu opfern.

      Mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten 1914 hat die SPD die Rolle Rückwärts zur staatstragenden Partei vollzogen, den eigenen Vorteil als Partei über das Wohl der Arbeiter gestellt, sie wurde zur Unterstützerin genau dieses Systems, das den Menschen einreden wollte, sie hätten einen feinen Vorteil, wenn sie möglichst viele Franzosen oder Russen umlegen würden.
      Avatar
      schrieb am 09.12.05 16:30:42
      Beitrag Nr. 8 ()
      [posting]19.217.214 von cajadeahorros am 09.12.05 15:28:33[/posting]Du wirfst der SPD also vor, daß sie eine staatstragende Partei geworden ist. Soso...
      Avatar
      schrieb am 09.12.05 18:54:43
      Beitrag Nr. 9 ()
      Nein, das werfe ich ihr nicht vor, ich werfe ihr nur vor, ihre ureigenste Klientel, ihre einzige Existenzberechtigung 1914 schlicht und ergreifend verraten zu haben. Staatstragend meinte ich im Sinne des Staates von 1914, die SPD stützte eine fast absolutistische Erbmonarchie, die gerade dabei war, ein paar Millionen junge Menschen auf dem "Feld der Ehre" zu verheizen.

      Der einzige "legale" Weg (im staatsrechtlichen Sinn), den Raubzug der deutschen Armeen aufzuhalten oder ganz zu verhindern wäre eben die Verweigerung der Zustimmung zu den Kriegskrediten gewesen. Aber die SPD hat auf sn. Majestät den Kaiser ("Ich kenne keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche") gehört und brav genickt.

      Der Krieg wäre trotzdem gekommen, aber vielleicht hätte die irrationale Begeisterung eines Teils der deutschen Männer doch einen Dämpfer bekommen, wenn man statt einiger weniger "Abweichler" der SPD wie R. Luxemburg ALLE SPD-Abgeordneten nach Kriegsausbruch verhaftet hätte.
      Avatar
      schrieb am 09.12.05 19:02:20
      Beitrag Nr. 10 ()
      #9 Und dann hätte Deutschland schon 1915 so viel Gebiet verloren wie 1945. Klasse Idee dem Gegner kampflos das feld zu überlassen. :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 09.12.05 19:12:41
      Beitrag Nr. 11 ()
      [posting]19.221.400 von Newnoise am 09.12.05 19:02:20[/posting]Deutschland ist, soweit ich mich erinnere, nicht angegriffen worden. Anderenfalls, also im Fall der Selbstverteidigung, wäre die Frage Kredit oder nicht eine völlig andere gewesen.

      Außerdem: Hätten "wir" 1915 verloren, hätten vor allem erst einmal ein paar Millionen Menschen weitergelebt.
      Avatar
      schrieb am 09.12.05 19:31:04
      !
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      Avatar
      schrieb am 09.12.05 19:35:55
      Beitrag Nr. 13 ()
      uups, falscher Thread!

      @cajadeahorros

      Die SPD war auch damals schon eine Volkspartei, der Krieg zum Zeitpunkt der Kreditvergabe schon ausgebrochen, ich weiß nicht, ob es möglich gewesen wäre, dem Vaterland in den Rücken zu fallen.
      Avatar
      schrieb am 09.12.05 19:46:22
      Beitrag Nr. 14 ()
      ich weiß nicht, ob es möglich gewesen wäre, dem Vaterland in den Rücken zu fallen.

      nein, denn die kriegseuphorie zog sich durch alle grösseren parteien
      Avatar
      schrieb am 09.12.05 20:05:36
      Beitrag Nr. 15 ()
      Wie gesagt, selbst eine Niederlage 1915 hätte erstens und vor allem Millionen gerettet und wäre zweitens (vielleicht) "anders" ausgefallen, ohne ebenfalls völlig ruinierte Gegner, ohne einen Versailler Vertrag.

      Aber lassen wir die SPD lieber den anderen Threads. HÄtte mir die Anmerkung oben besser gespart weil sie vom Thema ablenkt. Schönes WE!


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