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    Der Einfluss der Globalisierung auf die Inflationsrate - 500 Beiträge pro Seite | Diskussion im Forum

    eröffnet am 21.08.06 07:44:44 von
    neuester Beitrag 12.09.06 15:00:39 von
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      schrieb am 21.08.06 07:44:44
      Beitrag Nr. 1 ()

      Die Aussage „Globalisierung dämpft die Inflationsrate“, ist eine weit verbreitete Ansicht. Harte Fakten dafür sind jedoch selten zu bekommen. Der Ende Mai ausgeschiedene EZB-Direktor Otmar Issing wird in einem Bericht der „Zeit“ vom 1. Juni dafür kritisiert, dass er dem Einfluss der Globalisierung auf die Inflation zu wenig Bedeutung beigemessen hat.

      Und auch FED Governeur Kohn hat in einer am 16. Juni gehaltenen Rede zugeben müssen, dass die Einflüsse der Globalisierung noch zu wenig erforscht sind. Kohn macht in seiner Rede wenigstens den Versuch, diese Auswirkungen zu erfassen. Er geht davon aus, dass die US-Importpreise durch den Effekt der Globalisierung seit Mitte der 90er Jahre um 1 bis 1,5 Prozent geringer gewachsen sind als die US-Kerninflationsrate. Damit sei die US-Kerninflationsrate um ein halbes bis ein Prozent geringer gestiegen, als das ohne Globalisierung der Fall gewesen wäre. Kohn bezieht sich deshalb auf die Kerninflationsrate (Normale Inflationsrate ohne Lebensmittel und Energie), weil sie nach Meinung der FED den realen Einfluss der Inflation auf die US-Wirtschaft besser widerspiegelt als die normale Inflationsrate.

      Die Kerninflationsrate beträgt in den USA derzeit 2,6 Prozent. Rechnet man den Einfluss der Globalisierung heraus, käme man auf 3,1 bis 3,6 Prozent. Rechnet man dann noch den vom US-Büro für Arbeitsmarktstatistiken seit Ende der 90er Jahre verwendeten so genannten „hedonistischen“ Faktor heraus (Inflationsverringerung aufgrund von angeblichen Qualitätssteigerungen), so sollte sich die Kerninflationsrate aktuell zwischen 3,6 und 4,1 Prozent bewegen. Der hedonistische Faktor reduziert die offizielle US-Inflationsrate schätzungsweise um etwa 1 Prozent (siehe u.a. Schätzungen von Bill Gross von Pimco). Unter Herausrechnung beider Effekte würde sich die Kerninflationsrate auf einem Niveau befinden, das den Level von Ende der 80er/ Anfang der 90er Jahre widerspiegelt (blauer Kreis nächster Chart).

      Doch ist diese Schlussfolgerung nicht rein hypothetisch? Schließlich ist die Globalisierung nicht wegzudiskutieren. Und doch lässt sich daraus eine wichtige Erkenntnis ableiten: Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Inflationsspitzen, die sich an den Märkten zur Mitte und zum Ende der 70er Jahre gebildet hatten, sich in diesem Jahrzehnt in gleichem Maße in den Charts reflektieren.

      Dieser Effekt erklärt auch, warum der Goldpreis um so viel stärker gestiegen ist als die offizielle US-Inflationsrate.

      Im Umkehrschluss ergibt sich das folgende Szenario: Die Inflationsrate scheint (bereinigt durch den dämpfenden Einfluss der Globalisierung und des hedonistischen Effekts) durchaus einen Punkt erreicht zu haben, der einen Inflationspeak zum jetzigen Zeitpunkt rechtfertigt. Eine Abschwächung der Inflationsrate von jetzt an dürfte angesichts der negativen US-Zinsstrukturkurve mit der Erwartung einer Rezession in den USA spätestens im Jahr 2007 verbunden sein.

      Insgesamt hat sich die „Inflationsspanne“ durch diese Einflüsse deutlich nach unten verlagert. Damit steigt die Gefahr, dass es in einer Rezession zu einer deutlicheren Deflation kommt, als das bei früheren Rezessionen der Fall war.

      Robert Rethfeld
      Wellenreiter-Invest
      www.wellenreiter-invest.de


      Autor: Robert Rethfeld (© wallstreet:online AG),07:44 21.08.2006

      Avatar
      schrieb am 12.09.06 15:00:39
      Beitrag Nr. 2 ()
      Globalisierung
      Warum die seelenlosen Terracotta-Chinesen nicht gewinnen werden
      Der neue „Spiegel“ fixiert den Feind: Eine mit High-Tech-Gerät bewaffnete Terracotta-Armee grimmiger Chinesen. Gabor Steingart, Politikchef des Blattes, ist sich sicher: Asiatische „Angreiferstaaten“, die Kinderarbeit tolerieren, Frauen und Ökosysteme plündern, rauben den Wohlstand des Westens mit einer Dumping-Offensive, gegen die wir nicht mehr konkurrieren können. Das ist Ausdruck einer unheilvollen, weit verbreiteten Globalisierungsskepsis.
      Von Roger Köppel


      Der Zusammenbruch unserer Sozialsysteme, die Steingart als Indikator höherer Zivilisiertheit wertet, sei nur durch Protektionismus abzuwehren. Er fordert den Zusammenschluss von Europa und Amerika zu einer westlichen Freihandelsfestung, die groß und stark genug ist, um den Chinesen unsere Standards aufzuzwingen. Möge der Mächtigere gewinnen.

      Lange Zeit galt der Satz der komparativen Wettbewerbsvorteile der Standorte. Der Freihandel, so die These, führe zu einer Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Die alten Industrienationen würden zu deindustrialisierten Wissens- und Dienstleistungsgesellschaften. Die aufstrebenden Entwicklungsländer könnten sich als Verfertigungszentren von Massenprodukten eine ökonomische Nische sichern. Steingart widerspricht diesem Glaubenssatz des Liberalismus: Er behauptet, dem Westen werde die Arbeit ausgehen, der Westen werde ausgehebelt. Win-Win für die seelenlosen Terracotta-Chinesen.

      Es gibt gute Gründe, an diesem Niedergangsszenario zu zweifeln. Erstens wird der Westen, wird Europa alle 800 Jahre von größeren Krisen heimgesucht. Bisher wurden alle überstanden (Untergang des Hellenismus, Untergang Roms, Einfall der Türken, mehrere Weltkriege etc.) Zweitens erinnert Steingarts Depressivdiagnose an die in den achtziger Jahren in den USA keimende Angst vor den Japanern. Damals kauften die Asiaten Assets in Los Angeles. Die amerikanischen Top-Konzerne hatten ihre Restrukturierungen noch vor sich. Panik machte sich breit. Allerdings nur vorübergehend. Die US-Unternehmen machten ihre Hausaufgaben, die Japaner wurden zurückgedrängt. Japanokritische Hollywood-Thriller wie „Rising Sun“ wirken heute wie das Symptom einer längst überwundenen Paranoia.

      Die Furcht vor dem “Ende der Arbeitsgesellschaft“ ist eine modisch umgetopfte Variante der paläomarxistischen Verelendungstheorie, deren Problem darin besteht, dass sie nicht stimmt. Die von Marx befürchtete Massenarmut als Folge eines ungebremsten Kapitalismus ist nicht eingetreten, sondern das Gegenteil.

      Die Marktwirtschaft löst zentrale sozialistische Anliegen ein: Sie hat zu gewaltigen Wohlstands- und Arbeitsmehrungen beigetragen. Sie führt zu einer globalen Umverteilung von Reichtum, indem sie allen offenen Volkswirtschaften Teilnahmechancen bietet. Sie vertieft die Kontrolle und Bändigung politischer Macht, weil sie freiheitliche, demokratische Rechtsstaaten belohnt und despotische Regime bestraft durch den Entzug von Investitionen, Menschen und Wohlstand.

      Die Marktwirtschaft, vulgo Kapitalismus, hat in den von ihr befallen Ländern eine umfassende Steigerung der Löhne und des Lebensstandards verursacht, als deren Folge, übrigens auch in den einst gefürchteten Tigerstaaten, Gewerkschaften und Sozialsysteme entstanden. Die Dumping-Länder von heute sind die Wohlfahrtsstaaten von morgen.

      Steingarts Bild der Billiglohnmacht China, die den europäischen Arbeitsmarkt verschlingt, ist irreführend, das Plädoyer für eine westliche Abschottungspolitik gegenüber Asien eine unabsichtliche Pointe. Einst glaubte der chinesische Kaiser, er könne die Zumutungen des Welthandels abwenden, wenn er die Grenzen verriegelte und den Gebrauch von Hochseeschiffen an den Küsten seines Riesenreichs verbot. Der Rückzug ins Reduit katapultierte die Chinesen ins Elend. Was Steingart heute für den Westen fordert, haben die Asiaten mit leidensvoller Erfahrung hinter sich.

      Die europäische Zukunftsangst sollte nicht die Asiaten treffen. Das wahre Problem ist die Herrschaft des öffentlichen Sektors in Europa. Was staatliche Einrichtungen, Behörden, Bürokratien (national, transnational) an wirtschaftsfeindlicher, freiheitszerstörender Regulierungsenergie im Namen des Sozialen entfalten, grenzt an Selbstverstümmelung.

      Steingart liegt mit seiner These falsch. Nicht die Bewahrung unserer scheinvorbildlichen Sozialstandards muss das Ziel sein, sondern die Entfesselung unternehmerischer Kräfte, auf denen der Wohlstand dieses Kontinents beruht. Der politische Mainstream setzt die Prioritäten falsch, wenn er die behördlich administrierte Zwangssolidarität im Umverteilungsstaat zum Kern unserer Zivilisation erklärt. Sie ist es nicht. Freie Unternehmer haben Europa groß gemacht, nicht Politiker und Bürokraten.

      Artikel erschienen am 12.09.2006

      welt.de


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