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    Moral kommt nicht ohne Gefühl aus - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 22.03.07 16:33:05 von
    neuester Beitrag 11.04.07 07:38:30 von
    Beiträge: 4
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      schrieb am 22.03.07 16:33:05
      Beitrag Nr. 1 ()
      Moral kommt nicht ohne Gefühl aus
      http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,473085,00.h…

      Steuert der Verstand die Moral, oder hängt die Entscheidung über Richtig oder Falsch eher von den Gefühlen ab? Forscher haben jetzt Menschen mit Hirnschäden vor moralische Zwangslagen gestellt. Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig Emotionen in diesen Momenten sind.

      Es ist eine Situation, wie sie in Kriegen und bei ethnischen Säuberungen durchaus vorkommen könnte. Der Aufseher eines Gefangenenlagers drückt einem der Insassen eine Waffe in die Hand und stellt ihn vor eine perverse Wahl: Erschießt er ein Kind aus seinem Dorf, werden alle anderen Dorfbewohner freigelassen. Weigert er sich, werden alle erschossen.

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      Also bei mir spielt Verpflichtung und Sympathie schon eine Rolle, so dass ich abwegen würde, wie bekannt und sympathisch mir das Kind ist. Bei einem weitgehend unbekannten und wenigstens nicht besonders sympathischen Kind hätten die Dörfler gute Chancen, insbesondere weil dort vermutlich ebenfalls Kinder dabei wären. Bei einem Kind, dem man stärker verpflichtet ist (z.B. dem eigenen) käme dergleichen vermutlich nicht in Frage. Es wäre bei mir also keine rein objektive Kosten-Nutzen-Analyse. Eine Voraussetzung ist natürlich, dass ich glaube, dass die Dörfler wirklich in Gefahr stehen erschossen zu werden. Natürlich kann ich nicht sicher voraussehen, wie ich in einer solchen Situation wirklich reagieren würde.

      Übrigens ist ein Dorf auch nicht der höchste zu zahlende Preis, der größte Konflikt wäre vermutliche die eigene Familie (inklusive man selbst + Kinder) gegen die ganze Menschheit aufwägen zu müssen (die auch noch erst nach dem natürlichen Tod draufgehen würde). Klar, dass man sich hier idealerweise für die Menschheit entscheiden muss (bei dir vielleicht z.B. für alle Tiere).

      Logisch, dass Gefühle bei der Entscheidung eine Rolle spielen, denn sie sind ein Parameter, der direkt in die Bewertungsfunktion eingeht. Man könnte sogar sagen, dass selbst objektives "richtig" und "falsch" eine subjektive Relevanz haben muss, z.B. indem man sich besser fühlt, wenn man etwas tut, das man objektiv für richtig hält.

      Ein objektives Analyseergebnis wird mit einem Gefühl versehen und NUR dieses Gefühl dient dann im Vergleich mit anderen Gefühlen zur Bewertung und Entscheidungsfindung. Somit ist die Fähigkeit abstrakte Ereignisse mit den passenden Gefühlen für einen Vergleich verbinden zu können besonders wünschenswert. Interessanterweise entmystifiziert dies die Gefühle, die dann eigentlich nur teilweise angeborene und als evolutionär nützlich erwiesene Abbildungen von komplexeren realen Situationen auf einfache Zustände sind, mit dem Ziel, völlig verschiedenen Situationen miteinander vergleichen zu können. Bleibt die Frage, wie gelungen diese Abbildung beim Menschen ist und welche Verbesserungen denkbar wären.

      Im Beispiel des Artikels muss man sich also die Situation, dass alle Dorfbewohner erschossen werden vorstellen, ein Gefühl dazu erzeugen und dieses Gefühl mit dem Gefühl das Kind erschießen zu müssen (bzw. erschossen zu haben) vergleichen.

      Gefühle könnten also ein ziemlich universelles Phänomen sein, denn ohne Bewertungen für Entscheidungen kann kein Lebewesen auskommen. Anzahl, Komplexität, Darstellung (Körpersprache), Flexibilität und rationale Manipulierbarkeit von Gefühlen könnten variieren, nicht aber das Grundprinzip. Man könnte sich natürlich fragen, ob der Prioritätsvektor, den ein Roboter jeder Situation geben könnte und mit dessen Hilfe er bevorzugte Handlungen ableiten kann, etwas mit Gefühlen zu tun hat (genau wie ein Roboter sich vielleicht eines Tages fragt, ob die primitiven und unpräzisen Gefühle der Menschen wohl eine einfache, robuste, biologische Repräsentation seines aus seiner Sicht überlegenen Prioritätsvektors ist).
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      schrieb am 09.04.07 08:39:44
      Beitrag Nr. 2 ()
      a) Gutes ist die Abwesenheit von bösem (1).

      Umgekehrt (böses ist die Abwesenheit von gutem (2)) wäre es falsch, weil das eine Handlungsanweisung nur gutes zu tun implizieren würde, die widerum zu Einseitigkeit führen würde und somit falsch wäre. Wer böses vermeiden will, kann nach 1) alles "nicht böse" tun, was viel mehr als "offensichtlich gutes" ist, was einem dagegen 2) auferlegen würde. Außerdem wäre bei 2) nachfolgendem b) das neutrale Unbelebte eher böse, was wenig einleuchtend erscheint.

      b) Unbelebtes ist gut oder besser: weder gut noch böse.

      c) Erst mit dem Leben ist das Böse auf die Welt gekommen. Eine Definition von böse könnte daher sein "alles was dem Leben absichtlich mehr schadet als nutzt". Eine ziemlich gute Definition, weil es dann beliebig viele Abstufungen zwischen "neutral" und "einer Handlung durch die absichtlich überall alles Leben für alle Zeiten unmöglich wird" gibt.

      Soweit so gut, bloß wie ist Leben definiert? "Alles ist mindestens potentiell belebt" wäre sinnlos, auch wenn alles irgendwie ein Teil vom Leben ist, wenn es ein Lebewesen beeinflußt, was dann so ziemlich das ganze Universum sein dürfte.

      d) Etwas lebt, wenn es sich selbst prinzipiell reproduzieren (etwas seiner selbst ähnliches erzeugen) kann. Weiterhin hat das Leben das Bestreben möglichst lange fortzubestehen und versucht daher zwangsläufig im Rahmen seiner Möglichkeiten sich und seine Umwelt für dieses Ziel zu optimieren.

      e) Bleibt die Frage, warum es böses überhaupt gibt, denn für echte Bosheit ist zielgerichtetes Handeln erforderlich, einfache Fahrlässigkeit reicht da nicht. Weil Bosheit prinzipiell eher bestraft als belohnt wird und auch keinen praktischen Nutzen hat, kann es sich eigentlich nur um einen Webfehler (genetische Disposition und Umstände) im Gehirn handeln, so dass die falschen Handlungen eine Belohnung erzeugen - so die Theorie, praktisch ist die Grenze zu durchaus nützlichem Egoismus, Selbstbehauptung und Rücksichtslosigkeit allerdings fließend und ein bösartiger Krieger war vielleicht (zumindes früher im direkten Kampf) erfolgreicher und hat somit seinem Land gut gedient. Ist halt alles nicht so einfach (mal abgesehen davon, dass auch die beste Absicht ganz schön viel Leid erzeugen kann).

      f) Selbst (in eher seltenen Einzelfällen) nützliche Bosheit ist bestenfalls tolerierbar aber kann per Definition nie das Ideal sein. Apropos Definition, eine ganz unspektakuläre Definition (eigentlich eine Variation von c) könnte folgende sein:
      gut = für die Gesellschaft (das Leben) vorteilhafte, nützliche und anerkannte Verhaltensmuster.
      böse = für die Gesellschaft (das Leben) unvorteilhafte, schädliche und abgelehnte Verhaltensmuster.

      Interessant ist, dass Bosheit auch instinktiv auf Ablehnung stößt (und deswegen dieses Posting u.a. auch in diesen Thread passt) - vielleicht ggf. mal von einer gewissen Faszination aus sicherer Entfernung abgesehen. So gesehen könnte das Konzept von gut und böse universell sein, d.h. jedes höhere Leben kennt dieses beiden Verhaltensmuster. Nur gut oder böse erscheint unwahrscheinlich:

      Nur "gut": Ziemlich unvorstellbar, weil böse (besonders eigennützige) Verhaltensmuster sich leicht durchsetzen würden und dann bekämpft werden müssen.

      Nur "böse": strikter Individualismus, keine mehrgeschlechtliche Fortpflanzung (alternativ könnte es eine hohe Mutationsrate und zwangsläufig einen starken Selektionsdruck geben). Eine technische Entwicklung wäre dann allerdings ausgeschlossen. Kooperierende Individuen hätten allerdings einen großen Vorteil, so dass eine rein böse Lebensform ziemlich unwahrscheinlich erscheint.

      Das Gute daran ist, dass das Gute universell wünschenswert und vorteilhaft ist. Damit es nicht langweilig wird, reicht allerdings ein korrektes Verhalten innerhalb der eigenen Art völlig aus, so dass schwächere Arten wenig zu lachen haben. Zum Glück dürfte der weit Überlegene im Normalfall kein Interesse an Ausrottung haben. Was allerdings passiert, wenn sich mal zwei Arten im Weltraum treffen sollten (und sonst vorwiegend nur im eigenen Sonnensystem leben), kann man sich leicht ausrechnen: bestenfalls ein (angesichts der Entfernung und des vermutlich gnadenlosen Wettrüstens wohl kaum dauerhaftes) Gleichgewicht des Schreckens.
      Avatar
      schrieb am 09.04.07 12:31:25
      Beitrag Nr. 3 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 28.434.992 von HeWhoEnjoysGravity am 22.03.07 16:33:05Verfügst Du über einen höheren IQ als Robert James Fischer?
      Avatar
      schrieb am 11.04.07 07:38:30
      Beitrag Nr. 4 ()
      #3 Danke, Schach kann ich zwar spielen aber echt nicht gut. Interessieren würde mich nur mal die perfekte Schachpartie (Remis?) und ob es mehr als nur eine gibt.

      Die Grenze zwischen Bosheit (Leiden anderer macht Spass) und wünschenswerten oder zumindest als normal angesehenen oder akzeptablen Fähigkeiten wie z.B.
      - Zum Wohl des Landes Tausende in den sicheren Tod schicken (General).
      - Untergebene fordern und an die Grenzen treiben (ohne ihnen zu schaden, z.B. als Ausbilder).
      - Den Gegner besiegen (Sportler aber auch Soldaten).
      - Angemessene eigene Interessen gegen die anderer durchsetzen.
      - Streben nach Macht und Überlegenheit.
      - Die Meisten würden eher einen Angreifer umbringen als sich töten zu lassen.
      - Selbstwertgefühl erhalten - wenn man besser ist, sind andere schlechter und somit kann eine Verschlechterung der Situation anderer leicht positiv empfunden werden.
      - Gerechtfertigte Bestrafung und Rache.
      scheint recht schmal zu sein.

      Der Unterschied zwischen richtig und falsch ist ziemlich abstrakt und der Mensch ist ja keine emotionslose Maschine, d.h. das was er tut muss auch mit positiven Gefühlen verbunden sein und somit mindestens positiver empfunden werden als die Alternativen.

      So gesehen sollte die Fähigkeit zur Bosheit in (fast) jedem Menschen genetisch (mehr oder weniger stark) vorhanden sein. Es dürfte allerdings ebenfalls eine deutliche natürlich Tendenz zum Guten bestehen, weil eben auch Fähigkeiten wie Mitleid, Mitfreude und eine positive Einstellung zu Menschen angeboren sind. Eine frühzeitig sehr ungünstige Umgebung kann einen Menschen unvermeidlich böse werden lassen ... und das wird vermutlich aufgrund der eingangs erwähnten wünschenswerten (und Bosheit begünstigenden) Fähigkeiten für immer der Fall sein, weil der Mensch naturgemäß nur in seinen Grundfähigkeiten, nicht aber in seinen Zielen und Handlungen genetisch geprägt sein kann. Ein Mensch wird vermutlich gut, wenn er als Kind genug Möglichkeiten hat positive Rückmeldung von Menschen zu erfahren und negative (nicht tolerierbare) Verhaltensweisen konsequent bestraft (zumindest nicht belohnt) werden. Alleine Vernachlässigung und mangelnde Beschäftigung mit dem Kind ist also schon ziemlich problematisch.

      Roboter könnten diesbezüglich gar nicht mal so verschieden sein. Zwar kann man absichtlich Bosheit programmieren, aber diese wäre dann unnatürlich und kein Selbstläufer, weil Bosheit per Definition unlogisch ist (wie beim Menschen). Roboter müssen eine den Gefühlen vergleichbare Bewertungsfunktion haben, welche für Bosheit wie beim Menschen falsch "verdrahtet" sein müsste und dann zu erheblichen Konflikten führen würde (eigentlich auch wie beim Menschen). Der große Unterschied zwischen Menschen und Robotern ist, dass letztere schon mit einem fertigen Betriebssystem und vollständigem Wissen "geboren" werden, d.h. Roboter würden viel mehr Informationen und Verhaltensmuster direkt vererben.

      Eine kleine Robotergruppe könnte Jahrtausende deaktiviert sein und danach quasi ohne Informations- und Wertverluste weiterleben. Der Mensch ist maßgeblich auf Erziehung, Ausbildung und Rückkoppelung durch die soziale Gemeinschaft angewiesen (zumindest, bis man Menschen verlustfrei einfrieren kann, was noch ein bisschen dauern dürfte und selbst dann ist das sehr viel aufwendiger und unsicherer als beim Roboter). Erziehung ist also sehr wichtig und trotzdem ist eine Art Kinderberechtigungsschein unnötig, denn
      - eine Ehe und das Kind selbst sind meist Nachweis genug,
      - es gibt Kindergärten und Schulpflicht,
      - der Staat kann in schweren Fällen eingreifen,
      - die Mehrheit ist fit genug,
      - fehlentwickelte Menschen können nicht in wirklich wichtige Positionen aufsteigen,
      - last but not least ging es ja auch Jahrmillionen ohne oder besser gesagt: Erziehung ist selbst ein Selektionskriterium.


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