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    Jährlich grüßt der Pisa-Müll - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 04.12.07 19:23:25 von
    neuester Beitrag 01.01.08 19:01:35 von
    Beiträge: 24
    ID: 1.135.975
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      schrieb am 04.12.07 19:23:25
      Beitrag Nr. 1 ()
      Quelle: Orf.at

      Differenzen unter heimischen Schülern
      Das österreichische Schulsystem "benachteiligt Jugendliche mit Migrationshintergrund sehr stark".
      Inwiefern, wird dieser Artikel zeigen

      Zu diesem Schluss kommt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem am Dienstag in allen Details präsentierten PISA-Länderbericht zu Österreich.

      Migranten kämen nicht nur häufiger aus einem Elternhaus mit einem geringeren sozioökonomischen Status - der Leistungsabstand zu einheimischen Schülern ist über diesen Effekt hinaus "zudem deutlich höher als in anderen Ländern mit vergleichbarem Migrantenanteil".


      Erste Generation schneidet besser ab
      Besonders bedenklich: Die Leseleistung von Migrantenkindern, die bereits in Österreich geboren sind und ihre gesamte Schullaufbahn hier verbracht haben, also der "zweiten Generation" angehören, ist unerwartet wesentlich schlechter als jene von Migrantenkindern, die noch im Ausland geboren wurden (erste Generation).


      Gesamtergebnis nur leicht gedrückt
      Im Bereich Lesen erreichen die österreichischen Schüler insgesamt einen Mittelwert von 490 Punkten. "Einheimische" Kinder kommen auf einen Mittelwert von 499, Migranten der ersten Generation auf 451, Migranten der zweiten Generation auf 420.


      Damit wird zwar der Mittelwert insgesamt von den Migrantenkindern etwas nach unten gedrückt - selbst einheimische Schüler allein würden damit aber keinen signifikant besseren Platz bei PISA erreichen.


      Es geht auch anders
      Dass es auch anders geht, zeigen Staaten wie Kanada, Neuseeland, Irland und Australien: Dort bestehen zwischen einheimischen und Migrantenkindern keine bzw. nur kleine Unterschiede in der Lesekompetenz.

      Vielleicht wirft der geneigte Leser einen Blick auf die Einwanderungsgesetze dieser Länder.:laugh: Punktesystem: intelligente Hochqualifizierte dürfen rein, analphabetische Ziegenhirten: LEIDER NEIN, besser gehen Österreich. Dass die Nachkommen der typischen Unterschicht Migranten nicht mithalten können, liegt vielleicht nicht am Schulsystem.

      Auch spielt der Kulturkreis eine bedeutende Rolle. Unter der Kategorie Migranten werden Äpfel mit Birnen verglichen. Ein Einwanderer aus dem ostasiatischen Kulturkreis, wo Anpassungsfähigkeit und systemspezifisch geforderte Leistung einen hohen Stellenwert haben, wird vielleicht besser abschneiden als jemand, der aus einer Kultur kommt, die sich selbst für die beste hält und anderes Wissen für minderwertig. Wieso soll das Schulsystem oder Gesellschaft Schuld daran sein?



      Die nationalen PISA-Experten vermuten, dass das auf die "teils strengen Einwanderungsbestimmungen zurückzuführen ist und darauf, dass die Einwanderer im Allgemeinen bereits Kenntnisse der Landessprache aufweisen".

      Wie bitte? Was soll das heissen?
      Die Leute sind oft Analphabeten und dementsprechend lernen sie weder ihre Muttersprache lesen und schreiben, geschweige denn Deutsch.



      Ähnliches Ergebnis nur in Deutschland
      In Ländern wie Schweden, Estland und der Schweiz hat die zweite Migrantengeneration ein weitaus höheres Leseverständnis als die erste und schließt zu den Einheimischen auf.


      Die dritte (und größte) Gruppe an Ländern, in der sich auch Österreich befindet, ist durch weit geringere Leseleistungen der Migranten gegenüber Einheimischen gekennzeichnet. Das paradoxe Ergebnis aber, dass Einwanderer der zweiten Generation schlechter lesen als jene der ersten, ist außer in Österreich nur in Deutschland zu beobachten.

      Der Begriff "schlechter" sollte in solchen Zusammenhängen nicht fallen. Es geht um die Lesekompetenz in der deutschen Sprache und das ist etwas, das man sich aneignen kann, wenn man will oder auch nicht, wenn man nicht will. Konzepte wie "Leitkultur" sind ja verworfen worden. Zwar werden die Leute, die kein Wort Deutsch lesen oder schreiben können, im deutschsprachigen Umfeld maximal die Latrinen putzen, aber vielleicht gibts ja in den anderssprachigen Parallelgesellschaften bessere Entwicklungsmöglichkeiten.
      Jedenfalls legt das Bildungssystem und die Gesellschaft großen Wert darauf, keinen Zwang auszuüben. Die erte Generation hat es also durchwegs noch als Notwendigkeit empfunden, Deutsch zu lernen, die zweite kommt auch ohne aus, sei es in Parallelwelten oder im Sozialsystem.



      Keine Änderung fürs Ranking
      Das könne "ein Hinweis auf mangelnde Erfolge bei der sprachlichen Integration dieser Gruppe sein", so der nationale PISA-Bericht.


      Betrachtet man die Ergebnisse jener 21 OECD- oder EU-Länder mit einem Migrantenanteil von mehr als vier Prozent, zeigt sich, dass Österreich sowohl mit als auch ohne Migranten den 14. Platz unter diesen erreicht hätte.


      Innerhalb dieser Staaten ist der Migrantenanteil Österreichs mit rund 13 Prozent etwa durchschnittlich - deutlich mehr weisen Luxemburg (37 Prozent), die Schweiz (23), Australien (22) sowie Neuseeland und Kanada (je 21) auf.


      Mädchen lesen, Burschen rechnen
      Im Spitzenfeld der Auswertungen liegt Österreich außerdem bei zwei weiteren Gesichtspunkten: Die Unterschiede zwischen Mädchen und Burschen in den Kompetenzbereichen Lesen und Mathematik sind hier besonders deutlich.


      Während Mädchen ein deutlich besseres Leseverständnis haben, sind die Burschen in Mathematik deutlich besser. Wenige Unterschiede gibt es hingegen bei den Leistungen in Naturwissenschaften.


      Bei der aktuellen Untersuchung beträgt die Differenz beim Lesen im OECD-Schnitt 38 Punkte, in Österreich sind die Mädchen dabei sogar um 45 Punkte besser als die Burschen.


      Größte Differenz in Österreich
      Umgekehrt ist die Situation in Mathematik: Hier schnitten die Burschen im OECD-Schnitt um elf Punkte besser ab als die Mädchen. In Österreich liegen sie sogar um 23 Punkte vorne und haben damit den weltweit größten Vorsprung in der Mathematik.


      Bei den Naturwissenschaften gibt es hingegen in praktisch allen Ländern - auch in Österreich - keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Geht man allerdings ins Detail, verändert sich das Bild: So schnitten im Bereich "Physikalische Systeme" die österreichischen Burschen um 45 Punkte besser ab als die Mädchen - der deutlich größte Unterschied unter allen Ländern.


      Starker Einfluss des Elternhauses
      Die Lernerfolge der Schüler in Österreich werden laut den nationalen PISA-Koordinatoren "zu einem erheblichen Teil durch den Bildungshintergrund der Eltern bestimmt".


      So ist die Leistung von Schülern, deren Eltern maximal über einen Pflichtschulabschluss verfügen, je nach Kompetenzbereich (Lesen, Mathematik, Naturwissenschaften) zwischen 90 und 102 Punkten geringer als von Kindern aus Akademikerhaushalten (Absolventen von Uni, FH, Pädak oder Sozialakademie).

      Es wäre in dem Zusammenhang eigentlich interessanter zu wissen, welchen Schultyp die Kinder , die getestet wurden, besuchen. Der Schultyp der Eltern ist ....naja.


      Zwar besteht in allen Ländern ein Zusammenhang zwischen familiären Faktoren und der Leistung der Schüler. In manchen Staaten gleicht das Bildungssystem familiäre Einflüsse aber weit besser aus als in Österreich, das im Mittelfeld liegt.


      Die kompensatorische Leistung der Schule ist demnach in Japan, Finnland, Kanada, Südkorea, Australien, Italien, Irland, Dänemark und Schweden am besten.

      Was soll dennn bitteschön "kompensiert" werden? In Wirklichkeit ist doch der ungebildete Arbeiter das Idealbild, das in Ö und D, auch in der Schule herangezüchtet werden soll. Die Manager und andere Spitzenverdiener sind doch ohnehin keine Vorbilder, die haben was zu kompensieren, und zwar in sozialer Hinsicht. Genauso wie die Streber in der Schule.:laugh:

      Gesamtschulsysteme sind gerechter
      In ihrem Österreich-Länderbericht weist die OECD darauf hin, dass es zwar in der Gesamtleistung der Jugendlichen im Schnitt keine Rolle spielt, ob sie in ein gegliedertes Schulsystem gehen oder in ein Schulsystem mit Gesamtschule.


      Gesamtschulsysteme sind aber offenbar gerechter: "Allerdings spielt das Elternhaus beim Schulerfolg eine größere Rolle, je früher die Kinder auf verschiedene Schultypen verteilt werden."

      Darum gehts eigentlich in der ganzen Debatte - um die leidige Gesamtschule.:laugh: Dabei ist allerdings der springende Punkt, ob die Gesamtschule nach längst veralteten harten Prinzipien, mit Noten, Wiederholen von Lernbereichen, klarer Leistungsbestimmung
      oder nach modernen Prinzipien, ohne Noten, Aufstieg in jedem Fall, keine Leistungsbestimmung im herkömmlichen Sinn, sondern individuell und unter Berücksichtigung sozialer Komponenten, erfolgen soll.
      "Sehr gut" ist eigentlich genauso, wenn ein 13jähriger endlich seinen Namen schreiben lernst, wie wenn ein 13jähriger einen Beitrag über sein Projekt für die Schulhomepage schreibt.


      Hälfte der Österreicher skeptisch
      Die Österreicher stehen der PISA-Studie unterdessen skeptisch gegenüber. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts OGM für den ORF-"Report" Dienstagabend befanden 51 Prozent der Befragten die jährliche Erfassung der Schülerleistungen für wenig aussagekräftig.

      Dem kann ich mich nur anschließen. Daher sollen die ganzen Kritiker des Schulsystems wegen Pisa nicht dauernd rumeiern. Ist doch nur ne Prüfung und Prüfungen sollte es in unserer idealen Schule ja nicht geben, oder?

      Wo sind eigentlich die Benachteiligungen der Migranten im Artikel zu sehen? Dass sie ne zweite Lehrkraft in ihrer Muttersprache auf Kosten der Steuerzahler bekommen?

      Klarerweise habe ich persönlich eine einfache Erklärung für all das. Kompetenzen, die beim Pisa-Test gefordert sind, nämlich das Erbringen von Leistungen unter Prüfungsstress, werden durchaus in vielen Schulen trainiert, und Migrantenkinder schaffen mit viel Fleiss es durchaus auch in solchen Schulen mitzuhalten.
      In anderen Schulen mit anderen pädagogischen Ansätzen werden solche Lernprozesse allerdings weniger trainiert, bzw. ist es aufgrund der disziplinären Situation gar nicht möglich, irgendetwas zu lernen. Macht ja nix. So lange eben die glaichen Leute, die diese Schulen gutheissen, nicht die Pisa Studie hervorkramen und nach "Gerechtigkeit" schreien.
      Avatar
      schrieb am 04.12.07 19:35:28
      Beitrag Nr. 2 ()
      quelle orf.at

      Mehr "Risikoschüler" im Lesen
      Zehn Prozent der Schüler zeigten in allen drei Bereichen besonders geringe Leistungen, weitere acht Prozent in zwei der drei Domänen und zwölf Prozent in einem Kompetenzbereich.


      Im Lesen ist gegenüber der letzten PISA-Studie der Anteil der "Risikoschüler" gewachsen: 2006 erreichten 21,5 Prozent der Schüler nur die unterste PISA-Leistungsstufe bzw. nicht einmal diese ("Level 1" oder "Level Unter 1").


      Jeder Fünfte liest schlecht
      Das heißt, dass "gut jeder fünfte österreichische Schüler gegen Ende der Pflichtschulzeit nur unzureichend sinnerfassend lesen kann, so dass dadurch das private und gesellschaftliche Leben beeinträchtigt werden kann", heißt es im nationalen PISA-Bericht.


      Auch der Eintritt in den Arbeitsmarkt könne für diese Schüler schwierig sein. Bei der letzten PISA-Studie betrug dieser Anteil noch genau 20 Prozent.

      Die sollen endlich mal mit dem chauvinistischen neoliberalen Leistungsmüll aufhören.
      Eh, Mann! Was soll die Kacke! Schieb dir das gef**** Lesen in deinen gef***** A****.
      Fernsehkucken mit Bier geht auch so.

      Es gilt, diesen soziokulturellen Rezeptionsunterschieden mit adaequater sozialer Kompetenz zu begegnen. Hier den Überlegenen raushängen zu lassen und die anderen als "Beeinträchtigt" :eek: hinzustellen, ist unterste Schublade. In einem sozialen Staat sollte es eigentlich gar keine Beeinträchtigten und Benachteiligten geben, das sind Paradigmen der herrschenden Klasse, die ihre eigene Position zur allein wahren erhebt.
      Avatar
      schrieb am 04.12.07 20:39:58
      Beitrag Nr. 3 ()
      Paragraph 1 des deutschen Bildungsgrundgesetzes.

      "Hat ein Kind mit Migrationshintergrund schlechte Schulleistungen, so hat daran immer die deutsche Gesellschaft daran schuld, weil sie ihre Kinder mit Migrationshintergrund "benachteiligt".

      Paragraph 2 des deutschen Bildungsgrundgesetzes.

      "Ist ein Kind mit Migrationshintergrund an seinem schlechten Schulleistungen nachweislich selber schuld, so tritt automatisch Paragraph 1 in Kraft."


      ---
      Avatar
      schrieb am 04.12.07 23:03:16
      Beitrag Nr. 4 ()
      Nun sind wir auch noch Schuld, das nicht aus jedem anatolischen Hirtenjungen automatisch ein Nobelpreisträger wird, sobald er eine deutsche Schule betritt.

      Kann man das Abutur den nicht endlich verordnen? :keks:
      Avatar
      schrieb am 04.12.07 23:04:16
      Beitrag Nr. 5 ()
      Jetzt hab ich doch glatt ABITUR falsch geschrieben. :D

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      schrieb am 04.12.07 23:52:05
      Beitrag Nr. 6 ()
      PISA-REAKTIONEN

      "Weltspitze bei Benachteiligung von Migranten"

      Freude, aber nur ein bisschen -das ist der Grundtenor bei den deutschen Reaktionen auf die Pisa-Studie. Gleichzeitig hadern Politik und Gewerkschaften mit dem schlechten Abschneiden von Migrantenkindern.

      Bereits letzte Woche hatte Bundespräsident Horst Köhler die fehlende Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem als "unentschuldbare Ungerechtigkeit" bezeichnet. Die Vernachlässigung von Talenten aus Zuwandererfamilien werde die Gesellschaft "in Zukunft empfindlich spüren"; bei der Bildung dürfe niemand zurückgelassen werden. Die Pisa-Studie untermauert Köhlers Vorwürfe jetzt: "Weltspitze bei der doppelten Benachteiligung der jungen Migrantinnen und Migranten zu sein - das sollte den Kultusministern eigentlich die Schamesröte ins Gesicht treiben", wetterte Marianne Demmer von der Bildungsgewerkschaft GEW. Es müsse endlich "mehr Anstrengung und Ehrgeiz zur Verbesserung der Chancengleichheit" geben.

      Demmer kritisierte, die Verantwortlichen hätten seit der ersten Pisa-Studie sechs Jahre verstreichen lassen, ohne dass sich für Migrantenkinder irgendetwas zum Besseren gewendet habe. Gleichzeitig lobte Demmer, dass die Schüler in Deutschland mittlerweile wenigstens in den Naturwissenschaften über dem OECD-Durchschnitt liegen (mehr...). Es wirke jedoch befremdlich, wie selbstzufrieden und selbstgenügsam die Kultusministerkonferenz (KMK) und Bundesbildungsministerin Annette Schavan diese Verbesserung feierten.

      Der KMK-Chef und Schulsenator von Berlin, Jürgen Zöllner (SPD), sagte, er sehe in den deutschen Pisa-Ergebnissen "keinen Grund zum Jubeln - aber zur Zuversicht". Pisa wie auch die in der Vorwoche vorgelegte weltweite Iglu-Grundschulstudie zeigten, dass die deutschen Schulen . "Trotz der Erfolge dürfen wir aber die Augen nicht vor den nach wie vor bestehenden Herausforderungen beim Abbau der sozialen Unterschiede verschließen", so Zöllner.

      Auch der Jubel der ebenfalls von der GEW gescholtenen Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) fiel eher leise aus. Sie nannte die heute vorgestellten Ergebnisse "erfreulich". Ein Schwachpunkt sei aber nach wie vor der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungsniveau. "Da stecken wir noch mitten in den Reformen", sagte Schavan.

      Dafür hat der Deutsche Gewerkschaftsbund gleich Vorschläge parat: Die frühe Bildung in Kindertagesstätten und Ganztagsschulen müssten stärker gefördert werden, sagte DGB-Vizechefin Ingrid Sehrbrock, denn "nach wie vor sind Arbeiterkinder und Kinder aus Migrantenfamilien benachteiligt." Das müsse sich ändern.

      Sachsens Kultusminister Steffen Flath (CDU) zeigte sich vorsichtig optimistisch. "Die erste Pisa-Studie hat den Bildungsstandort Deutschland auf das Krankenbett geworfen. Der Patient ist nun auf dem Weg der Besserung, aber noch nicht kerngesund", sagte Flath.

      Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) sprach von "messbaren Erfolgen" der umfangreichen Schulreformen in den vergangenen Jahren. Deutschland habe sich seit Pisa 2000 bei allen Testleistungen kontinuierlich verbessert, "und zwar sowohl die leistungsschwächeren als auch die leistungsstärkeren Schülerinnen und Schüler".

      Weitere Diskussionen gibt es allerdings um Andreas Schleicher (mehr...). Den internationalen Pisa-Koordinator der OECD hatten einige Kultusminister in den letzten Tagen heftig angefeindet. Hessens Kultusministerin Karin Wolff (CDU) forderte erneut den Rücktritt des Bildungsforschers. "Ich sehe keinen Grund, täglich meine Meinung zu ändern", sagte die Wolff, die auch Sprecherin der unionsgeführten Bundesländer in der KMK ist. Schleichers erneute Kritik am deutschen Schulsystem reihe sich ein in eine Kette früherer Äußerungen. Sie empfinde diese als "relativ unerträglich".

      Auch Bundesbildungsministerin Schavan äußerte sich kritisch über Schleicher: "Er schadet der OECD, weil er den Eindruck erweckt, dass er zu den Daten immer wieder als Supervisor auftritt." Schleicher nehme damit eine "eigentümliche Rolle" vor allem den Wissenschaftlern gegenüber ein. Rücktrittsforderungen wollte sich Schavan aber nicht anschließen.

      Zuvor hatte die SPD-Ländersprecherin in der KMK, die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD), Forderungen einzelner Unionsminister nach einem deutschen Komplettrückzug aus dem weltweiten Pisa- Schultest zurückgewiesen. Sie sagte, für die Reform der deutschen Schule brauche man weiter internationale Vergleiche. Ähnlich äußerte sich auch der Bundesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Ludwig Eckinger: "Der internationale Vergleich ist für Deutschland unverzichtbar." Die erste Pisa-Veröffentlichung 2001 sei ein "heilsamer Schock" gewesen.

      chs/dpa/ddp/AP/www.spiegel.de


      ----


      Mir soll mal einer erklären, wie diese ominöse "Benachteiligung" denn eigentlich aussieht. Wieso haben Migrantenkinder keine gleichen Chancen? Gehen sie auf andere Schulen und sind sie dadurch gezwungen an einem qualitativ schlechteren Unterricht teilzunehmen? So ist es doch minichten. Migrantenkinder gehen auf die gleichen Schulen und nehmen an dem gleichen Unterricht wie ihre deutschen Mitschüler teil. Inwieweit kann man sie dann dadurch in ihren Chancen, sowohl staatlichseits als auch gesellschaftlicherseits "benachteiligen"? Und warum dulden die gutmenschlichen, multikulturellen Sozialdemokraten und Die Grünen solch' eine Diskriminierung in denen von ihnen selbst regierten Bundesländern? Denn Schul- und Kulturpolitik ist ja vorallem eine Sache der Bundesländer. Das mir ein totales Rätzel?????????:confused:


      Zudem, die Gesamtheit der bundesrepublikanischen Schüler schneidet im internationalen Vergleich nur mittelmäßig ab. Warum sind dann aber ob dieses Tatbestandes nur auschließlich Migrantekinder "benachteiligt"? Sind denn nicht auch Kinder ohne Migrationshintergund benachteiligt, wenn sie, im weltweiten Maßstab und Vergleich gesehen, von ihrem Land, von unserem Staat nur eine mittelmäßige Schulbildung als Gepäck mit auf ihrem Lebensweg bekommen???


      ----
      Avatar
      schrieb am 04.12.07 23:53:37
      Beitrag Nr. 7 ()
      Mich wundert in dem Zusammenhang nur, dass aus dem linksgrünen Lager nicht schon längst die Forderung nach einem "Migrantenrabatt" bei der Benotung der Klassenarbeiten gekommen ist.
      Avatar
      schrieb am 04.12.07 23:55:24
      Beitrag Nr. 8 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 32.667.124 von alfredogonzales am 04.12.07 23:53:37:laugh:
      Avatar
      schrieb am 05.12.07 00:31:53
      Beitrag Nr. 9 ()
      Interessant ist folgendes Ergebnis.

      In europäischen Ländern sind die Leistungen von Kindern ohne Migrationshintergrund deutlich besser gegenüber Migrantenkindern:

      z.B. Deutschland +48
      oder Frankreich +35

      Offensichtlich gibt es aber Länder, in denen Migrantenkinder besser sind, als die einheimischen Kinder.

      z.B. Iran -9
      oder Kuweit -33


      http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,521201-6,00…
      Avatar
      schrieb am 05.12.07 02:48:38
      Beitrag Nr. 10 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 32.667.138 von Sondra am 04.12.07 23:55:24Lach nicht Sondra. So wie es der Alfredo sagt, so wird es kommen. Nicht morgen, aber übermorgen. Wart's ab.
      Avatar
      schrieb am 05.12.07 04:13:14
      Beitrag Nr. 11 ()
      in ländern in denen dass beherrschen der landessprache und ein grösseres finanzielles schutzpolster verlangt wird, schauts anscheinend besser aus????????:confused::confused::confused:
      Avatar
      schrieb am 06.12.07 11:30:22
      Beitrag Nr. 12 ()
      In Deutschland liegen Migrantenkinder zwischen 77 und 93 Punkten hinter den Einheimischen. D. h., dass die einheimischen Kinder alleine betrachtet zumindest in den Naturwissenschaften sich auf einem Niveau mit Honkong oder Kanada befinden, also im Bereich des zweiten oder dritten Platzes. Das finde ich zwar auch wiederum etwas überraschend, aber geht aus der Berechnung hervor.

      http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,521334,00.h…
      Avatar
      schrieb am 06.12.07 11:59:57
      Beitrag Nr. 13 ()
      #1

      Wieviele Migrantenkinder gibt es eigentlich an den Schulen in Finnland ?

      :confused:
      Avatar
      schrieb am 06.12.07 17:31:28
      Beitrag Nr. 14 ()
      #7 gibt´s (zumindest in Ö) und ist eigentlich für die Phase der Anpassung ok.

      #9 LH: supeeeer LOLOLOLOLOL:laugh::laugh::laugh: brüll
      genau das ist der Punkt

      allerdings ist Pisa auch westlich chauvinistisch, wenn die das Aufsagen des Korans testen würden, sähe es anders aus.
      Avatar
      schrieb am 06.12.07 17:50:35
      Beitrag Nr. 15 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 32.681.773 von Blue Max am 06.12.07 11:59:57@Blue

      Wieviel Migrantenkinder es auf Finnlands Schulen gibt? Wenn man mal von ein paar schwedische und norwegegische Kids absieht, so gut wie gar keine. Finnland das DAS Land in Europa mit der geringsten Migrantendichte. Nur Island, Grönland und die Farrör-Inseln haben noch weniger Migranten.


      ---
      Avatar
      schrieb am 06.12.07 17:53:50
      Beitrag Nr. 16 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 32.686.590 von Harry_Schotter am 06.12.07 17:50:35#15

      Dürfte in Hongkong (siehe #12) vermutlich ähnlich aussehen...

      :eek:
      Avatar
      schrieb am 07.12.07 02:03:26
      Beitrag Nr. 17 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 32.686.650 von Blue Max am 06.12.07 17:53:50@Blue

      Ja, in Honkong, Korea und Japan sieht das definitiv so wie in Finnland aus. In Japan kann man Nicht-Japaner bestenfalls im Zoo oder auf dem Rummel als Attraktion gleich neben der der Frau ohne Unterleib und dem Elefantenmensch bestaunen. Dementsprechend (gut)sind dann auch die Pisa-Ergebnisse in diesen Ländern.


      ---
      Avatar
      schrieb am 13.12.07 23:16:38
      Beitrag Nr. 18 ()
      Schmied für mehr muttersprachlichen Unterricht

      Für verstärkten muttersprachlichen Unterricht zur besseren Integration von Migranten hat sich Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) heute nach dem von ihr einberufenen Schulgipfel ausgesprochen.

      Es habe bei dem Treffen von mehr als 100 Experten, Verantwortlichen und Beteiligten aus dem Schulsystem deutliche Hinweise gegeben, wie wichtig frühe Förderung und die besondere Beachtung der Zweisprachigkeit seien.

      Unterricht auf Türkisch und Serbokroatisch
      Sie wolle dem Thema Integration, von deren "Gelingen Bildung abhängig ist", einen "noch höheren Stellenwert" geben, sagte Schmied bei einer Pressekonferenz nach dem Gipfel.

      Damit es auch genügend zweisprachige Lehrer gebe, müsse man "fast ein Werbeprogramm starten", sagte Schmied. Wann genau mehr Fächer auf Türkisch, Serbokroatisch und in anderen Migrantensprachen angeboten werden können, werde nicht zuletzt von den Budgetverhandlungen im kommenden Jahr abhängen.

      Schwerpunkt Qualität
      Einen Schwerpunkt will Schmied auch in der Qualität des Unterrichts legen. Ein Instrument dafür sind die geplanten Bildungsstandards, also bestimmte Qualifikationen, die Kinder einer bestimmten Schulstufe erreichen sollten.

      Die Entwicklungsarbeiten dafür seien voll im Gange. Schmieds Ziel ist es, 2008 die gesetzliche Basis dafür zu schaffen. Von da an werde es voraussichtlich vier Jahre dauern, bis die Bildungsstandards flächendeckend zum Einsatz kommen können, sagte Schmied.
      (Quelle: orf.at)
      Wieso das die Integration fördern soll, ist mir schleierhaft. Prinzipiell ok, hoffentlich sind dann die nächsten Pisa Tests auf Türkisch. Geld hamma ja genug, hehe
      Avatar
      schrieb am 14.12.07 00:53:26
      Beitrag Nr. 19 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 32.686.319 von minister.grasser am 06.12.07 17:31:28
      Die Leseleistung wird sicher in der Landessprache getestet.

      Dass religiöser Fundamentalismus Volksverdummung ist, wissen wir aus dem Mittelalter. Dürfte der Menschheit gut
      1000 Jahre Fortschritt gekostet haben.
      Avatar
      schrieb am 14.12.07 01:13:15
      Beitrag Nr. 20 ()
      kennt man doch aus dem leistungssport
      trainieren-
      Avatar
      schrieb am 18.12.07 21:13:33
      Beitrag Nr. 21 ()
      Erfahrungsbericht Hauptschule
      Ein Idealist packt aus

      35 Jahre lang war Wolfgang Schenk Hauptschullehrer in Berlin. In dieser Zeit ist aus dem linken Idealisten ein erbitterter Kritiker der Schulpolitik geworden.

      35 Jahre habe ich in Berlin als Hauptschullehrer gearbeitet. Das war eine bewusste Entscheidung: Ich war links, hatte bei Adorno studiert, ich wollte den Kindern etwas beibringen, die am ärmsten dran sind. Ich war ein dogmatischer Maoist und ein unrettbarer Idealist.
      Das ist Schenk

      Wolfgang Schenk, 59 Jahre alt, unterrichtete seit 1972 an drei Berliner Hauptschulen. Am 1. Dezember ging er vorzeitig in den Ruhestand. Die Diagnose: Burn-out-Syndrom. Er ist verheiratet und hat eine Tochter.

      Schenk hat Soziologie studiert, aber nach dem Vordiplom auf Lehramt umgesattelt. Seine Fächer sind Geschichte und Arbeitslehre, er hat aber auch Erdkunde, Kunst, Biologie und Englisch unterrichtet. Das ist üblich für Hauptschul-Klassenlehrer, sie sollen als Ansprechpartner möglichst viel Zeit mit der Klasse verbringen.

      Von 1986 bis 1988 war Schenk schulpolitischer Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Außerdem engagierte er sich in der Lehrergewerkschaft GEW. Heute gehört er weder einer Partei an, noch ist er GEW-Mitglied.

      Seit dem 1. Dezember 2007 bin ich offiziell aus dem Schuldienst ausgeschieden: Burn-out.

      Als im Jahr 2000 die erste Pisa-Studie herauskam, haben meine Kollegen und ich den Kopf geschüttelt und gelacht. 25 Prozent der Schüler können nicht richtig lesen und schreiben? Für uns war das seit Jahrzehnten keine Neuigkeit mehr. Erschüttert hat mich nur, dass Politik und Verwaltung erst durch Pisa gemerkt haben, was an deutschen Schulen eigentlich los ist. Die Lösungen, mit denen die Bürokratie inzwischen reagiert hat, erinnern mich an die DDR-Planwirtschaft: Zentralabitur und Prüfungen wie der mittlere Schulabschluss sollen Schüler vergleichbar machen und zugleich das Niveau aller heben. Welch absurde Vorstellung!

      Die Verwaltung bürdet den Kollegien damit Lasten auf, die wenig pädagogischen Nutzen haben. Für den mittleren Schulabschluss bereiten wir die Kinder vor, stellen Prüfungskommissionen zusammen und bewerten tagelang. Diese Zeit fehlt dann für pädagogische Arbeit. Oder: Wir legen detaillierte Förderpläne für die Eltern auffälliger Schüler an, obwohl wir genau wissen, dass der Alkoholikervater den Zettel ungelesen in die Tonne wirft. Alles nur, damit Politik und Verwaltung sagen können: Seht her, wir handeln! Ein trauriges und verantwortungsloses Spiel.

      Ein Hauptschüler hat in der Regel wenig Selbstbewusstsein, er geht davon aus, nichts zu können. Er wehrt Schule und Lernen ab, ist abgelenkt durch exzessiven Konsum von Fernsehen, DVDs und Computerspielen. Wir haben das immer an den Montagvormittagen gemerkt. Dann bricht das Gesehene aus den Schülern förmlich heraus, zahllose Horror- und Pornofilme, alle nur flüchtig durchgezappt, nicht besprochen, kaum verstanden.

      Fast alle Kinder kommen aus zerrissenen Familien. Mal gibt es einen Stiefvater oder einen Freund der Mutter, mal sind die Verhältnisse nebulös. Viele sind verhaltensgestört, sie gehen im Wortsinn über Tische und Bänke. Und die Migrantenkinder sprechen kaum einen vernünftigen Satz Deutsch.

      (Anm.: Das wäre doch was für den Eva Herman Thread)

      Dennoch ist gelegentlich Unterricht möglich - wenn es gelingt, von den Schülern als Mensch wahrgenommen zu werden, der sie vorwärtsbringen will und sich durchsetzen kann. Ich muss als Autorität handeln, verbal und mit Körpersprache. Die Unterrichtsinhalte müssen so konkret und anschaulich wie möglich vermittelt werden. Es läuft besser, wenn die verhaltensgestörtesten Schüler noch irgendwie diszipliniert werden können und so die Minderheit eine Chance bekommt, sich am Unterricht zu beteiligen. Auf kurze Phasen der Ruhe folgen aber immer wieder lange Phasen, in denen Geschrei, Grimassieren, Geschubse, Beleidigungen und Chaos dominieren. Mein Kraft- und Nervenaufwand ist in den 45 Minuten Unterricht so groß, dass mir ständig der Schweiß den Nacken hinunterläuft.

      Normale Klassen beruhigen sich, wenn der Lehrer an der Tafel steht - auch weil sich die Schüler gegenseitig kontrollieren, im Sinne von: Ey, Ahmet, du nervst jetzt echt langsam! In der Hauptschule aber ist jeder Stundenanfang ein Kampf, es gilt das Recht des Stärkeren. Ich ermahne im Sekundentakt: Geh du mal zwei Minuten raus. Lauf du mal drei Treppen hoch. Renn vier Runden um den Schulhof, damit du Dampf ablässt. Alles nicht erlaubt, aber anders geht es nicht.

      Es gibt allerdings auch lichte Momente, die haben mich durch mein Berufsleben getragen: Wenn Schüler mit einer Null-Bock-Haltung irgendwann sagen: Mensch, so ist das! Endlich kapiere ich mal, was der Unterschied zwischen einem Verb und einem Adjektiv ist. Aber selbst dann gibt es immer andere Rabauken in der Klasse, die solche Momente gezielt zerstören, weil sie es nicht ertragen, wenn Mitschüler mit dem Lehrer kooperieren. Dann geht der Machtkampf aufs Neue los.

      Ohne den Lehrer haben die Schwachen keine Chance. Erpressungen und Bedrohungen sind Alltag, die Betroffenen gestehen höchst selten unter vier Augen: Der quält mich. Manche Jungen sind so verroht, dass alle Lehrer kapitulieren. In diesem Fall tritt das Rotationssystem in Kraft, über das sich keiner zu sprechen traut: Ganz harte Fälle werden an eine andere Schule abgeschoben, dafür bekommen wir von dort die schwierigen Fälle. So geht es munter im Kreis herum.

      Natürlich hat der Beruf auch schöne Seiten. Wir haben an meiner Hauptschule zwischen den 70er- und 90er-Jahren viele neue Ideen entwickelt: historische Stadtspaziergänge, Besuche in Firmen, Exkursionen im Unterricht, häufige Betriebspraktika, Projekte mit Künstlern zeitweise wurde das auch übertrieben. Mein Lieblingsthema war Berufsvorbereitung, das zehnte Schuljahr stand unter diesem Motto. Was offiziell im Lehrplan steht - zwei Stunden, in denen ich irgendwelche Mappen vom Arbeitsamt durchkaue -, ist sinnloses Zeug. Die Kinder brauchen jemanden, der sie an die Hand nimmt. Ich entwerfe mit Schülern Bewerbungen, frage nach Vorstellungsgesprächen, gehe mit ihnen zu Handwerksmeistern. Über die Hälfte der Kinder meiner letzten Klassen bekamen einen Ausbildungsplatz, häufig sind es in Berliner Hauptschulklassen weniger.

      Viele Hauptschüler haben keine positiven Vorbilder und gefestigten Wertvorstellungen. Sie sind süchtig nach Lob und Anerkennung. Sie suchen die Auseinandersetzung mit glaubwürdigen Autoritäten, die es in ihrer Umgebung kaum noch gibt. Alle zusammen und jeder für sich sind sie auf der Suche danach von der ersten bis zur letzten Unterrichtsstunde. Wer an der Hauptschule als Lehrer tätig ist, vollbringt eine große Leistung, wenn es ihm gelingt, ein Minimum an Sachwissen zu vermitteln. Aber zuallererst trifft er auf Jugendliche, die von ihm all das erwarten, was sie zu Hause nicht haben. Als Hauptschullehrer sind wir Vater- oder Mutterersatz.

      Die Kollegen der Rütli-Schule haben 2006 in ihrem offenen Brief geschrieben: "Die Mehrzahl unserer Schüler sind die Einzigen, die morgens um sieben Uhr bei sich zu Hause aufstehen." Ein sehr wahrer Satz. Den Kindern fehlen erwachsene Vorbilder, sie leben ohne jede Struktur, sie wissen nicht, zu wem sie gehören. Ob ein Kind aus einer intakten Familie kommt oder nicht, ist für seine Bildungskarriere wichtig. Kinder brauchen den Schutzraum Familie, um sich entfalten zu können.

      (Anm.: Hier ein Gruß von Eva)

      Kinder allein erziehender Eltern sind besonders benachteiligt, sosehr sich diese auch bemühen. Wenn es gelänge, den Wert der Familie in der öffentlichen Diskussion neu zu definieren, wäre viel gewonnen - und das hat nichts mit den kruden Theorien einer Eva Herman oder eines Bischof Mixta zu tun. Auch Unternehmen müssen umdenken und Eltern mehr Zeit zu Hause ermöglichen. Kinder, die konsequent und liebevoll erzogen wurden, sind später die Bürger, die unsere demokratische Gesellschaft stützen, und die zuverlässigsten Arbeitskräfte.

      Auch die ethnische Herkunft spielt eine entscheidende Rolle. Türkischstämmige Einwanderer stellen einen großen Teil der Unterschicht. Die erste Generation der türkischen Kinder war lernwillig, sie wollte gut sein. Die Eltern kamen noch zu jedem Elternabend, auch wenn sie kaum Deutsch sprachen, ihr Kind sollte etwas werden in Deutschland.

      Dann machten sich an den Hauptschulen schnell die Fehler der deutschen Einwanderungspolitik bemerkbar. Nach Berlin kamen viele bildungsferne, anatolische Bauern, wenig türkischer Mittelstand. Der Staat duldet noch immer aus falsch verstandener Toleranz, dass junge türkische Frauen für arrangierte Ehen nachgeholt werden. Was das bedeutet, merken wir in den Schulklassen: Die Jungs spielen ihre Mackerrolle, fassen jede Kritik als Frontalangriff auf und reagieren schnell mit Gewalt. Die Mädchen sind eifrig, aber mit zwölf, dreizehn Jahren sitzen sie plötzlich mit Kopftuch in der Klasse und werden vom Sport- oder Biologieunterricht abgemeldet. Ihre Eltern sind nicht daran interessiert, in der Gesellschaft anzukommen, ihre Kinder sollen es auch nicht. Gegen diese Integrationshürden ist von der Schule aus kaum anzukommen.

      Auch in der Sozialpolitik gibt es schwere Verwerfungen. Es wurde nicht genug zwischen denen unterschieden, die sich um Arbeit und Weiterbildung bemühten, und denen, die es sich bequem machten im sozialen Netz. Der deutsche Staat hat einen Teil der Unterschicht jahrzehntelang mit einer falschen Alimentation zu Verantwortungslosigkeit erzogen. Manche Kinder sagen mir heute: Herr Schenk, ich soll arbeiten gehen? Ich weiß, wo ich Geld kriege - im Sozialamt, Zimmer 117.

      Die Folgen all dieser politischen Fehlentwicklungen können Schulen und Lehrer nicht ersatzweise lösen. Die Politik hat blumig dahergeredet, wohlmeinende Bildungsbürger haben sich schützend vor Fehlentwicklungen gestellt. Sie leben ja so unheimlich gerne in den ach so bunten Multikultikiezen, ziehen aber ganz schnell weg, wenn ihr Kind ins schulpflichtige Alter kommt - nach der Devise: Links reden, rechts handeln.


      Der ideologische Streit um die Gesamtschule setzt einen völlig falschen Fokus. Die Kinder aus problematischen Familien hinken doch schon zwei bis drei Jahre hinterher, wenn sie an der Grundschule angemeldet werden. Die Gesamtschule, dieser sozialdemokratische Weg zum Paradies, löst unsere Probleme nicht. Die Pisa-Ergebnisse zeigen es ja. Es ist doch naiv zu glauben, die besseren Schüler übten sich in Zurückhaltung und langweilten sich so lange, bis die schwächeren und verhaltensgestörten Kinder leistungsmäßig zu ihnen aufgeschlossen haben.

      Ich glaube an ein vielfältiges, durchlässiges Schulsystem mit Dutzenden Schultypen ohne Sackgassen, so, wie es im Prinzip in Deutschland existiert. Man kann der Krise nur mit einem Paket vieler Maßnahmen Herr werden, angefangen bei einer ganz anders gelagerten Debatte über Familie und Einwanderung. Natürlich sind wesentlich verbesserte Kindergärten und frühkindliche Spracherziehung sinnvoll. An Hauptschulen würde eine Klassengröße von maximal zehn Kindern den Lehrern helfen, jetzt unterrichten sie 16 bis 25. Ein ganz neues Berufsbild müsste her - eine Mischung aus Lehrer und Familienhelfer.

      Vor allem aber frage ich mich: Warum vertraut die Schulbürokratie eher Bildungsforschern und Statistikern als den Lehrern, die ihre jahrzehntelangen Erfahrungen zur Verfügung stellen können? Das wird von keiner Studie abgefragt.

      (Anm: Weil die genannten gerne gut versorgt werden wollen und nicht Spargel stechen möchten)

      Und nun der Hammer. Dieser Text ist aus der TAZ

      http://www.taz.de/1/leben/alltag/artikel/1/ein-idealist-pack…
      Avatar
      schrieb am 18.12.07 21:53:17
      Beitrag Nr. 22 ()
      AEK

      so ist es und das weiß eigentlich auch jeder halbwegs Vernünftige :rolleyes:

      Möglichkeiten gibts viele: vor 100 Jahren sah die Schule noch anders aus...

      Immigranten sind keine Idioten, klarerweise haben manche Probleme mit dem Lesen und Schreibtn, weil sie es aus ihrer Kultur kaum kennen. Aber Kinder sind sehr lernfähig und die Schulen gut ausgestattet. Es besteht eine relativ gute Möglichkeit, dass sie es lernen. Es muss aber auch eine Motivation dafür geben. Wenn der Staat sagt: Brauchst du nicht, die Eltern sagen: Brauchst du nicht, die Freunde sagen: Brauchst du nicht, dann ist der Lehrer ein wenig unglaubwürdig, wenn er als Einziger sagt: Bitte Lesen und Schreiben lernen.
      Der Staat könnte sagen: Keine Hauptschulabschluss geschafft, ab in die Heimat...
      Oder: Ehrenrunden, so lange, bis diese Kenntnisse da sind.

      Zum Disziplinären: Die Lehrer sind grundsätzlich völlig überfordert, mit diesen Leuten überhaupt zu kommunizieren. Die verwenden andere Wörter und sind an einen ganz anderen Umgangston gewohnt. Da braucht es in der Schule ne Person, der im Stile eines Bushido den Herren klar macht, wo es lang geht...auch mit der nötigen Härte.
      Die Schüler finden eine gewisse Härte selbst gar nicht schlimm, wenn sie zum Lehrer sagen: "Ey Macker, geh mir nicht am Sack", dann kann die Antwort ruhig lauten: "Pass auf, Mensch, wenn du deinen Arsch nicht bewegst, dann tret ich dir noch viel gewaltiger auf den Sack und reiss dir die Eier ab.":D

      Wäre auf menschlicher Ebene kein Problem, klarerweise sind die Lehrer dazu nicht in der Lage und darf das auch nicht sein. Aber irgendeine Möglichkeit muss es geben, "den Leuten auf den Sack zu treten", Nachsitzen bis am Abend wäre da ganz nett, oder Meldung nächsten morgen um 7.30, zwei Sicherheitskräfte an jeder Shule, die auch pädagogische Maßnahmen übernehmen.....naja
      Für solche Schüler ist die die Schule, wie sie momentan ist, der reinste Zirkus und sie selbst sind auch noch die Stärkeren.
      Avatar
      schrieb am 27.12.07 15:51:52
      Beitrag Nr. 23 ()
      Der Weg von Mojtaba Sadinam

      Vom Asylbewerberheim an die Elite-Uni

      Vallendar. Als Mojtaba Sadinam 1996 nach Deutschland kam, konnte er kein Wort Deutsch. Von der Haupt- und Realschule schaffte Mojtaba den Sprung aufs Gymnasium, das er 2006 mit einem Abiturdurchschnitt von 1,3 verließ.

      Die erste Zeit in Deutschland in der Schule sei «wie ein Schock» für ihn gewesen, erinnert sich der Iraner. Heute studiert der 23-Jährige mit einem Vollstipendium Betriebswirtschaftslehre an der renommierten privaten Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) - Otto Beisheim School auf Management in Vallendar bei Koblenz. Er gehört damit zu den wenigen Ausländerkindern, die im deutschen Bildungswesen den Aufstieg von ganz unten nach ganz oben geschafft haben.

      Dabei gab es viele Momente, an denen sein Leben auch anders hätte verlaufen können: Zwei Jahre waren Mojtaba und seine Familie von der Abschiebung bedroht. Während dieses «Alptraums» habe er ständig Angst gehabt, einen Teil seiner Familie zu verlieren, sagt der 23-Jährige. Lange lebten er, seine zwei Brüder und seine Mutter auf engstem Raum in einem Asylbewerberheim in Lengerich bei Münster. Heute hat Mojtaba zwar eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung - auf den deutschen Pass wartet er jedoch immer noch. Sein Einbürgerungsantrag sei zweimal abgelehnt worden, weil sein Aufenthalt in Deutschland noch nicht lang genug andauere. «Mir wurde gesagt, ich soll im Jahr 2013 wiederkommen.»

      Alle drei Brüder konnten sich gegenseitig beim Lernen helfen

      Im vergangenen Herbst hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisiert, noch immer sei der Bildungserfolg in Deutschland von der sozialen Herkunft abhängig - Ausländerkinder müssten mehr Bildungschancen bekommen. «Wir können auf kein einziges Talent, auf keinen Menschen in unserer Gesellschaft verzichten», waren die Worte der Kanzlerin. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sprach von einer «skandalösen Benachteiligung im Bildungswesen» und nannte zu wenig Deutschkenntnisse und die frühe Unterscheidung in Sonder-, Haupt-, Realschulen und Gymnasien als größte Schwachpunkte. Dabei sind Ausländerkinder nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hochmotiviert.:confused:

      Hochmotiviert ist auch Mojtaba. Der «eigene Wille» habe bei ihm eine große Rolle gespielt, erklärt er. Zudem hätten ihm viele Menschen geholfen: seine Familie, Freunde, Lehrer - und auch der Hausmeister im Asylbewerberheim, der ihm bei den Hausaufgaben geholfen habe. Da Mojtaba und sein Zwillingsbruder in Deutschland zwei Klassen zurückgestuft wurden, ging das Geschwisterpaar mit seinem jüngeren Bruder in eine Jahrgangsstufe: Alle drei Brüder konnten sich gegenseitig beim Lernen helfen. «Englisch und Mathe waren kein Problem», erinnert sich Mojtaba. Erst mit der Zeit habe er aber die Angst verloren, Deutsch zu sprechen. Im Abitur wählte Mojtaba Deutsch und Geschichte als Leistungskurs.

      «Die rechtliche Lage, die ich erlebt habe, kann sehr destruktiv und motivationshemmend sein.»

      Dass viele Ausländerkinder in Deutschland «auf der Strecke» bleiben, kann er gut verstehen. «Die rechtliche Lage, die ich erlebt habe, kann sehr destruktiv und motivationshemmend sein.» Er habe sich zum Beispiel nicht getraut, Mitschüler nach Hause ins Asylbewerberheim einzuladen, weil es ihm «einfach peinlich» gewesen sei. Das Gefühl, in Deutschland nicht willkommen zu sein und vielleicht abgeschoben zu werden, könne für Ausländerkinder ein Grund sein, sich in der Schule nicht anzustrengen. Seine Zukunft wolle er sich noch freihalten, erklärt der 23-Jährige. Er könne sich aber gut vorstellen, sich eine Existenz zusammen mit seinen Brüdern aufzubauen, die auch in Deutschland studiert haben. (dpa)


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      Tja, er hat's jedenfalls geschafft, und das trotz der vorgeblichen "skandalösen Benachteiligung im Bildungswesen". Komisch nicht?! Wie kann das bloß sein sein, wo doch unsere Gesellschaft aber auch wirklich alles an Diskriminierungsmöglichkeiten auschöpft, um gerade auch im Besonderen die ultraergeizigen Kinder mit türkischen Migrationshintergrund und ihre noch bildungsbesesseneren Eltern in Deutschland dumm zu halten, damit sie sie dann später mit allergrößter Verzückung als Harz4-Empfänger verköstigen darf?!(Grübel, grübel, grübel)

      Vielleicht liegt es aber dann doch mehr am Menschen selbst, was er aus sich macht und was aus ihm wird, als an der ach so bösen, bösen (schweinekapitalistischen)Ellebogengesellschaft. Könnte ja möglicherweise auch sein........:rolleyes:


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      Avatar
      schrieb am 01.01.08 19:01:35
      Beitrag Nr. 24 ()
      Vom Vorbild zum Verlierer

      Von Jan-Martin Wiarda

      Die Länder Skandinaviens wurden lange als Pisa-Stars gefeiert. In der neuen Studie schneiden sie nur noch mittelmäßig ab. Was ist passiert?

      Jahrelang saß Mats Ekholm auf Podien von Berlin bis München und sollte die immer gleichen Fragen beantworten: Warum schneiden Schwedens Schüler bei internationalen Leistungsvergleichen so gut ab? Was kann Deutschland von Skandinavien lernen? Doch seit ein paar Tagen gibt Ekholm auf Bildungskonferenzen nicht mehr den weisen Ratgeber aus dem Norden. Plötzlich wollen alle vom ehemaligen Chef der zentralen schwedischen Schulbehörde wissen, warum Schwedens Neuntklässler bei Pisa 2006 einen Einbruch erlebt haben. In den Naturwissenschaften sind sie im Länder-Ranking auf Platz 22 geradezu abgeschmiert, das ehemalige Sorgenkind Deutschland hat sich gleichzeitig auf Platz 13 gesteigert. Auch beim Lesen und im Matheteil haben die Schweden zum zweiten Mal nach 2003 Punkte abgegeben. Und Mats Ekholm ringt um eine Antwort. »Das muss an der Wirtschaftskrise der Neunziger liegen«, sagt er schließlich. »Damals wurde das schwedische Bildungsbudget massiv gekürzt, dafür bekommen wir jetzt die Quittung.«

      Der Erklärungsversuch des Pädagogikprofessors aus Karlstad hat einen Vorteil für die erfolgsverwöhnten Schweden: Er scheint die Lösung des Problems bereits in sich zu tragen. Mittlerweile hat die Stockholmer Regierung die Ausgaben für die Schulen wieder erhöht, sodass Ekholm prophezeit: »In ein paar Jahren wird Schweden zur alten Stärke zurückfinden, darauf wette ich ein paar Hundert Kronen.« Doch so tröstend die Theorie vom Zwischentief auch sein mag, sie ist möglicherweise zu einfach. Gefährlich einfach. Denn, wie Kritiker warnen, sie erspart den Schweden eine wirkliche Auseinandersetzung mit ihren Schwächen.

      Aus der Sicht der Menschen war das Bildungssystem nie besonders gut

      Dass ein grundsätzliches Problem vorliegen könnte, darauf deuten auch die aktuellen Ergebnisse der internationalen Grundschul-Lesestudie Iglu hin, die den ehemaligen Spitzenreiter Schweden nur noch auf Platz 10, fast gleichauf mit Deutschland, sehen. In den Nachbarländern gab es ähnlich schlechte Nachrichten: Während Pisa-Sieger Finnland seinen Abstand noch hat ausbauen können, stagnieren die Leistungen dänischer Schüler seit der ersten Pisa-Studie 2000, Norwegen hat sogar deutlich an Boden verloren und liegt mittlerweile in allen Bereichen hinter Deutschland. Insgesamt gehört keines der skandinavischen Länder mehr zur internationalen Spitzengruppe. Das Pisa-Vorbild Nordeuropa – das war einmal. »Viele Skandinavier sind darüber noch nicht einmal verwundert«, sagt Bernd Henningsen, Leiter des Nordeuropa-Instituts der Berliner Humboldt-Universität. »Die normalen Leute hatten ohnehin nie die Empfindung, dass ihr Schulsystem internationale Spitze ist. Das war mehr eine Sichtweise der ausländischen Beobachter.«

      Nachdem lange die Vorteile der skandinavischen Pädagogik von der Gesamtschule über die späte Notengebung bis hin zur hervorragenden Individualförderung gepriesen wurden, rücken jetzt mit einem Mal die Unzulänglichkeiten in den Vordergrund, die von skandinavischen Experten zum Teil schon seit Jahren angeprangert werden, in Deutschland aber angesichts der Skandinavien-Hysterie lange übersehen wurden. Beispiel Schweden: Ähnlich wie Deutschland schafft es das Land nicht, Kindern aus Migrantenfamilien die gleichen Bildungschancen zu ermöglichen, zudem öffnet sich die Leistungsschwere zwischen Jungen und Mädchen, und all das, obwohl besondere Hilfsangebote für leistungsschwache Schüler zum schwedischen Selbstverständnis gehören und die Sprachförderung international als vorbildlich gilt.

      In Norwegen wiederum will die Regierung den naturwissenschaftlichen Unterricht wieder stärker in die traditionellen Einzelfächer Physik, Chemie und Biologie aufspalten, nachdem an vielen Schulen lange nur noch Kombinationsfächer wie »Natur und »Technik « unterrichtet worden sind – ein Modell, das auch in Schweden verbreitet ist und dort angesichts der mauen Schülerleistung in den Naturwissenschaften ebenfalls in der Kritik steht. Schließlich fehlt es in allen skandinavischen Ländern an Konzepten zur Spitzenförderung. »Der Elite-Begriff ist in Nordeuropa immer noch verpönt. Man soll nicht besser als andere sein wollen«, sagt Tobias Werler von der norwegischen Agder-Universität. »Das ist eine gesellschaftliche Norm mit enormen Auswirkungen auf die Politik.«

      Hier könnte das Kernproblem der skandinavischen Schulen liegen: Während ihre soziale Infrastruktur von den Schulschwestern über die Sozialpädagogen bis hin zu gesetzlich vorgeschriebenen Antimobbingprogrammen noch immer international ihresgleichen sucht, existieren kaum Anreizsysteme, um Schüler zu Leistungssteigerungen zu motivieren. Vielen Lehrern fällt es daher schwer zu vermitteln, wie sich in den egalitären Gesellschaften Skandinaviens besondere Leistungsanstrengungen in der Schule später auszahlen können. In besonderem Maße gilt das in Norwegen, das durch seinen Energiereichtum eines der reichsten Länder der Welt geworden ist. »Im Grunde spielt es hier keine Rolle, ob man studiert oder nicht, mit einem Aushilfsjob in der Dienstleistungsbranche kann man inzwischen oft genauso gut verdienen wie als voll ausgebildeter Akademiker«, sagt Christhard Hoffmann von der Universität Bergen.

      In Schweden stellt sich das dreijährige Gymnasium, das sich in 17 Einzelprogramme auffächert, als Leistungsbremse heraus. Einige der Programme sind eher berufsorientiert, andere bereiten stärker auf ein Studium vor. Einen Hochschulzugang ermöglichen sie jedoch alle – und das, obwohl vor allem in den praktisch orientierten Zweigen die Kernfächer wie Schwedisch, Mathe oder die Naturwissenschaften reichlich kurz kommen. Solange Skandinavien sich mit guten Gesamtwerten bei Pisa und anderen internationalen Studien brüsten konnte, war das Ideal vom gesunden Mittelmaß dennoch unumstritten. Jetzt aber mehren sich die Stimmen, die eine stärkere Betonung des Leistungsprinzips fordern. Schwedens neuer konservativer Bildungsminister Jan Björklund hat sich an die Spitze der Bewegung gesetzt und einen grundlegenden Kurswechsel in der Bildungspolitik verkündet. »Die Sozialdemokraten haben sich in der Schule um alles gekümmert, nur nicht um das Vermitteln von Wissen und Fähigkeiten«, sagt Björklund. Er will Zensuren von Klasse sechs anstatt von Klasse acht an zur Pflicht machen, das Gymnasium auf nur noch drei Zweige mit klarem Kerncurriculum zusammenstutzen und schon in der dritten Klasse das Wissen der Kinder zentral prüfen.

      Die Pläne Björklunds, der sich unter Lehrern bereits den Spitznamen »Prügelstock-Janne« verdient hat, kommen für viele Schweden einer Art Konterrevolution gleich; der Bruch mit der sozialdemokratischen Vorgängerregierung könnte kaum deutlicher sein. »Wer einmal Probleme hat in der Schule, bekommt keine zweite Chance mehr, das ist Björklunds Politik«, sagt Marie Granlund von den schwedischen Sozialdemokraten und verweist auf die zunehmende soziale Spaltung in der Schule, die sich in den Leistungen widerspiegle. Der neue Bildungsminister lässt sich indes nicht beirren. Statt weiter mit zensurfreiem Lernen zu experimentieren, so Björklund, würden die Lehrer in Zukunft ihre Anstrengungen wieder auf die Vermittlung nachprüfbarer Basiskompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen konzentrieren. Für 2008 hat er zudem einen Aktionsplan für Mathematik und die Naturwissenschaften angekündigt.

      Viele Lehrer haben keine pädagogische Ausbildung

      Für den zunehmenden Lehrermangel vor allem in den Naturwissenschaften hat jedoch auch der neue Minister bislang keine Lösung gefunden. Ähnlich wie in Deutschland studieren zu wenige junge Menschen Chemie, Physik oder Biologie, was nicht nur am geringen Stellenwert dieser Fächer im Schulalltag liegt, sondern auch an den in Schweden vergleichsweise niedrigen Lehrergehältern. Die Folge: Hoch qualifizierte Studienanfänger meiden die Lehramtsfächer, in der boomenden Hightechindustrie finden sie besser bezahlte Jobs. Viele Kommunen müssen daher in großem Umfang Bewerber einstellen, die keine pädagogische Ausbildung haben. In den öffentlichen Grundschulen ist der Anteil studierter Lehrer in den vergangenen Jahren auf 83 Prozent gesunken, in den Privatschulen gar auf unter zwei Drittel. »Die Pisa-Ergebnisse sollten uns ein deutliches Warnsignal sein, mehr in unsere Lehrer zu investieren«, sagt Mats Ekholm. Im Auftrag der Regierung arbeitet derzeit eine Expertengruppe Vorschläge für eine bessere Lehrerbildung aus, Björklund will zudem 3,7 Milliarden Kronen in die Fortbildung von Lehrern investieren, da es ihnen oft an fachrelevantem Wissen fehle. Gleichzeitig, fordert Ekholm, müsse jedoch auch der Druck besonders auf die Privatschulen erhöht werden, nur noch qualifizierte Pädagogen einzusetzen.

      So, wie sich der Pädagoge Ekholm derzeit in der ungewohnten Rolle des ratlosen Erklärers wiederfindet, müssen die Schweden mit dem unerwarteten Pisa-Schreck fertig werden. Einmal mehr sind die Skandinavier so – unfreiwillig – für die Deutschen zum Vorbild geworden. Die Lehre diesmal: Wer meint, sich auf den Lorbeeren besserer Pisa-Ergebnisse ausruhen zu können, den könnte die Realität wieder einholen und das, wie das Beispiel Skandinavien zeigt, überraschend schnell.

      Queller: www.zeit.de


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