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    "Unser Kampf" – Götz Aly und die 68er - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 23.02.08 13:07:06 von
    neuester Beitrag 29.11.08 13:41:03 von
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      schrieb am 23.02.08 13:07:06
      Beitrag Nr. 1 ()
      Größenwahn, Lust an Veränderung, Gewalt – das trieb die Achtundsechziger an. Sie bekämpften den Staat und das Kapital. Doch war die Studentenrevolte nötig? Anders als die gängige Veteranen-Literatur zum Thema '68 untersucht Götz Aly, wie die Gegenseite dachte - und findet Erstaunliches heraus.

      Es gibt nicht viele Bücher, die man im Jubiläumsjahr der Achtundsechziger lesen muss. Die meisten von ihnen ähneln Landsererinnerungen: So aufregend schön war's beim Sit-in am Kurfürstendamm damals im Kampf gegen „den staatlichen Misthaufen“ (Rainer Langhans). Ihre Autoren zeichnen sich häufig durch eine Selbstzufriedenheit aus, die im großartigen Gegensatz zum Urteil der jüngeren Generationen steht. Das, was sie zu sagen haben, käuen sie alle fünf Jahre wieder. Erstaunlich daran ist, dass sie dafür noch Verleger finden. Den anderen, den blutigen Teil von Achtundsechzig lassen sie außer Acht. Schlimmer noch: Der Prager Frühling interessiert sie nicht. Kaum eine neue These findet man in ihren Werken, dafür den ungebrochenen Stolz über „das Jahr, das alles verändert hat“. Merkwürdig nur, dass selbst viele derjenigen Achtundsechziger, die sich heute für liberal halten, von ihren gegenwärtigen Vorbildern immer dann nichts wissen wollen, wenn sie sich mit deren damaligen Ansichten befassen sollen. Täten sie es, müssten sie sich fragen, ob 1968 wirklich „alles“ verändert hat, und wenn es so wäre, ob tatsächlich zum Guten.

      Marcuse und die "Scheißliberalen“

      Die freisinnigen Denker der bundesdeutschen Nachkriegszeit traten allesamt für Reformen ein. Doch sie hielten die Bundesrepublik keinesfalls für „eine sozialtechnisch vollzogene Formierung der Bevölkerung durch ein bürokratisches, plebiszitär ausgestattetes Regime“, in dem der Bundestag lediglich die Aufgabe besitze, den „Status quo zu stabilisieren“, wie es in dem Buch „Der CDU-Staat“ hieß, das die Studenten damals gern und häufig zitierten. Keiner der Ralf Dahrendorfs, Dolf Sternbergers, Theodor Eschenburgs, der Alexander Schwans, Ernst Fraenkels, Kurt Sontheimers, der Raymond Arons, Isaiah Berlins und Fritz Sterns glaubten an die These vom „eindimensionalen Menschen“, der keinerlei Möglichkeit mehr besitze, sich als Individuum zu behaupten und dass daher die parlamentarische Formen der Opposition sinnlos seien, wie es Herbert Marcuse den jugendlichen Demonstranten erfolgreich weismachte.

      Dagegen kritisierten die „Scheißliberalen“ von 1968 die „Explosion der revolutionären Hysterie“ (Norberto Bobbio), beklagten die fehlende Bereitschaft der Demonstranten, die eigene These in freier Diskussion zu überprüfen und fürchteten den allgemeinen „Palavermarathon“ (Dahrendorf). Richard Löwenthal warnte sogar vor dem „romantischen Rückfall“ und dem naiven Glauben, in Fidel Castro und Mao Tse-tung, „in diesen harten Fronvögten ihrer Völker, die edlen Wilden unserer Zeit zu sehen“. Nicht die Große Koalition, die Studentenbewegung schien den freiheitlichen Denkern der damaligen Zeit gefährlich. Bis heute hat sich kaum ein Achtundsechziger mit diesem Umstand auseinandergesetzt.

      Der Selbstbetrug der Achtundsechziger

      Doch zum Glück gibt es Ausnahmen. Götz Alys Buch „Unser Kampf“ ist ein solcher Sonderfall. Bewusst hat der Berliner Historiker, der 1947 geboren wurde, folglich im besten Revoluzzer-Alter stand, als die Revolte begann, das Possessivpronomen vor den „Kampf“ gestellt. Aly will sich und die Stimmung der Achtundsechziger-Generation erklären. Er schaut „irritiert“ zurück und wundert sich über die eigene Kälte, die Unerbittlichkeit, den Selbstbetrug, den Hass auf die repräsentative Demokratie und die Täuschung über den wahren Zustand der Bundesrepublik in den Sechzigern. Wer bei der Lektüre des Titels nicht an „unseren“, sondern an „Meinen Kampf“ denkt, geht nicht ganz fehl. Bewusst befasst sich Aly mit dem schon damals herrschenden Vorwurf des „linken Faschismus“. Er zieht Parallelen zu der ersten „Bewegung“ und deren Krieg gegen das Weimarer „System“. Doch davon später. Zunächst fällt auf, dass sich Aly, anders als viele der übrigen ergrauten Heißsporne, nicht am Klang des eigenen Echos erfreut. Aly schmort nicht im fauligen Saft der Erinnerungen. Er betreibt ein seriöses Quellenstudium, das weit über die Durchsicht der SDS-Flugblätter reicht. Ausführlich zitiert er aus den Akten des Verfassungsschutzes, pflügt sich durch die Notizen des damaligen Bundeskanzlers Kurt Georg Kiesinger und schöpft aus den Nachlässen Richard Löwenthals und Ernst Fraenkels. Beide Berliner Professoren waren 1933 aus Deutschland vertrieben worden, kamen in den Fünfzigerjahren nach Berlin zurück und verzweifelten zunehmend am neuen Radikalismus. Fraenkel dachte sogar an eine zweite Emigration.

      Die Nazizeit interessierte die Studenten nicht

      Besonders von Kiesinger ist Aly überrascht. Anders als die sozialdemokratischen Bürgermeister Berlins, Heinrich Albertz und Klaus Schütz, die vom studentischen „Gesindel“ sprachen, zeigte sich ausgerechnet derjenige den Protesten gegenüber verständnisvoll, welchen die Studenten als unverbesserlicher Nazi verleumdeten. Kiesinger verweigerte sich den Pauschalurteilen seiner Umgebung, suchte den Rat Max Horkheimers und bemühte sich um ein Gespräch mit der anderen Seite. Die Milde bezog der Kanzler aus dem eigenen Lebensweg. Damals seien er und seine Generation gegenüber den Politikern der Weimarer Republik genauso arrogant gewesen, zitiert ihn Aly. „Zugespitzt gesagt, verhielt sich Kiesinger nachsichtig, weil er in jugendlicher Radikalität nicht deutlich zwischen national und nationalistisch' unterschieden hatte und der NSDAP beigetreten war.“ Das Urteil der Studenten über Kiesinger hält Aly im Nachhinein für so verlogen wie die Behauptung, erst mit Achtundsechzig habe sich die Gesellschaft mit den Verbrechen der Nazizeit befasst. Die jugendlichen Demonstranten in Berlin und München, Kiel und Konstanz hätten sich kaum für die jüngste deutsche Geschichte interessiert. Zahlreiche Zitate wichtiger Mitspieler der Studentenbewegung belegen Alys Ansicht. Sie fügen sich zu einem trüben Bild jener, die sich moralisch höher wähnten als ihre Eltern. Aly erinnert daran, dass es die Studenten nur gut zwanzig Jahre nach der Befreiung von Auschwitz wagten, die USA mit SA und SS zu vergleichen und somit die eigene Vergangenheit verharmlosten. Ausführlich erwähnt er die Flugblätter des Hamburger Allgemeinen Studentenausschusses (AStA), dem die Vernichtung der Juden durch die Deutschen offenbar so fern lag, dass er vor dem „Herrenmenschen Asher Ben-Natan“ warnte und drohte, eine Rede des israelischen Botschafters an der Hamburger Universität zu sprengen.

      Die Achtundsechziger behinderten Aufarbeitung der NS-Verbrechen

      Im Bombenanschlag auf das jüdische Gemeindezentrum in Berlin am 9.November 1969, der im letzten Moment verhindert werden konnte, sieht Aly den traurigen Höhepunkt dieser feindselig ignoranten Stimmung. Obgleich der versuchte Terrorschlag von den Vordenkern der Studentenbewegung als zu radikal abgelehnt wurde, stieß die Grundüberzeugung des Täters aus der Gruppe um Dieter Kunzelmann durchaus auf ihr Verständnis. Auch für sie war Israel eine aggressive Missgeburt „jüdischer Kapitalisten“ und „amerikanischer Imperialisten“ und die deutsche Vergangenheit vor dem Hintergrund des nötigen Kampfes belanglos. Aly berichtet von einem Vortrag Wolfgang Lefèvres an der Berliner FU zur „Bedeutung der Faschismusdiskussion in den 60er Jahren“, den Lefèvre 1988 dazu nutzte, kein einziges Mal zum Thema, dafür aber über Vietnam, die Spiegel-Affäre und die Notstandsgesetze zu sprechen. Rudi Dutschke hätte es ähnlich wie sein Kommilitone gehalten. Noch 1978 erklärte er, seine „christlicher Scham“ sei zu groß gewesen, um sich mit den Verbrechen des Dritten Reiches zu befassen. Für Aly steht fest: Nicht die Achtundsechziger haben die Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Gang gesetzt. „Richtig ist vielmehr, dass sie bzw. wir den Prozess der deutschen Selbstaufklärung empfindlich behindert haben, und zwar genau in dem Moment, als sich viele der überlebenden Verfolgten und die Intellektuellen der um 1927 geborenen Zwischengeneration sagten: Wann, wenn nicht jetzt; wer, wenn nicht wir.“

      Protest als Ausdruck der Überforderung

      Die Verlängerung der Verjährungsfrist, die Aufnahme von über 2000 Ermittlungsverfahren gegen Verbrecher des Dritten Reiches allein im Jahr 1968 beeindruckte die Studenten genauso wenig wie der Kniefall Willy Brandts vor dem Denkmal des Warschauer Ghettos am 7.Dezember 1970. Dazu erneut Aly: „Nicht selten wird behauptet, die Revolte sei deshalb so heftig verlaufen, weil die Nazivergangenheit in der westdeutschen Öffentlichkeit einvernehmlich beschwiegen worden sei. Das Gegenteil ist richtig.“ Die Turbulenzen von 1968 müssten als Flucht vor der zunehmend thematisierten, in immer deutlicheren Konturen sichtbaren deutschen Verbrechen gedeutet werden. Parlament, Regierung und Justiz hätten nicht zu wenig getan, sondern mehr, als die Gesellschaft verkraften konnte. Der Protest sei ein Ausdruck dieser Überforderung. Das Jahr 1968 steht bei Aly für einen „doppelten Bruch“ zwischen den Generationen: zum einen zwischen den „(Nazi-)Eltern und deren Kindern“, zum anderen zwischen den in den Zwanziger- und frühen Dreißigerjahren Geborenen und den Achtundsechzigern. Vor allem den ersteren – Aly nennt sie die Generation Helmut Kohl – gilt seine Sympathie. Die Schrecken des Krieges noch im Gedächtnis, hätte sie unter schwierigen Bedingungen den Aufstieg geschafft und das Land gleichzeitig modernisiert. Nicht die Studenten von 1968, die Kohl-Generation habe den Reformstau der Adenauer Ära überwunden.

      Die Brandt-Regierung brachte die Reformpolitik

      Die Achtundsechziger hingegen vergleicht Aly mit den Dreiunddreißigern. Wie diese seien sie „von einem ähnlich wirren, aber ehrlichen Gemisch von Verzweiflung und idealistischer Hoffnung beseelt gewesen“, zitiert Aly Richard Löwenthal. Ihre Sprache, die Form des Protestes und ihr ideologischen Eifer waren der nationalsozialistischen Bewegung verwandt, so der Verfasser. „Die wirklichen Reformer arbeiteten nicht selten deprimiert und mit hohen Risiken, um die außer Kontrolle geratene Situation zu steuern.“

      War 1968 nicht dennoch nötig? Lebte die Jugend nicht in einem Land, in dem Homosexuelle bis 1970 als Verbrecher galten, unverheiratete Paare der Sittenlosigkeit bezichtigt wurden und Ludwig Erhards Vize-Kanzler Erich Mende noch immer öffentlich mit dem Ritterkreuz prahlte, das ihm Hitler verliehen hatte? Endlich gibt ein Achtundsechziger darauf eine eindeutige Antwort, auch wenn sie längst noch nicht befriedigt. „Nicht die Studentenbewegung leitete die Wende zur Reformpolitik ein, sondern die 1969 gebildete sozial-liberale Regierung unter Brandt/Scheel. Aufbauend auf den Vorarbeiten der Großen Koalition von 1966 führte sie zu einer zweiten Konstituierung der Bundesrepublik. Die dritte folgte auf das Ende der DDR im Jahr 1989.“

      Unser Kampf. 1968 – ein irritierter Blick zurück. Von Götz Aly. Fischer, Frankfurt/M. 256 S., 19,90 Euro.

      http://www.welt.de/kultur/article1678847/Gtz_Aly_ist_irritie…
      Avatar
      schrieb am 23.02.08 13:53:05
      Beitrag Nr. 2 ()
      Wer sich jedoch den Einzelheiten, den angeblichen Randerscheinungen des Vergangenen aussetzt, gerät in einen menschlichen Irrgarten, der die eigenen Gewissheiten ständig gefährdet. Geschichte erfordert Demut und hält nur die eine Lehre bereit: Niemand steht auf der sicheren Seite.
      Avatar
      schrieb am 23.02.08 16:35:05
      Beitrag Nr. 3 ()
      ... lesen ...
      Avatar
      schrieb am 24.02.08 00:03:30
      Beitrag Nr. 4 ()
      Wenn schon, dann sollte man sich das Original ansehen.
      Am 30.1.08 brachte die FR eine längere Zusammenfassung der Thesen von Götz Ali und in den nächsten Tagen eine kontroverse Diskussion darüber.

      Hier zunächst der Beitrag von Götz Ali:

      ---------------------------------

      [urlMachtübernahme
      Die Väter der 68er

      Von Götz Aly
      ]http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/reportage/?em…[/url]

      Am heutigen Tag kreuzen sich die Erinnerungen an die 75. Wiederkehr der Machtergreifung Hitlers und die ausgedehnten Feierlichkeiten für die deutschen 68er. Zwischen beiden Daten liegt der Abstand einer Generation. Das heißt grosso modo: Die jungen und besonders tatendurstigen Gefolgsleute der NSDAP, die 33er, wurden - oft infolge von Krieg und Gefangenschaft etwas verzögert - die Eltern der späteren 68er. Deshalb liegt es nahe, an diesem 30. Januar die Parallelen in den Blick zu nehmen, die zwischen den politischen Sturm- und Drangjahren der unmittelbar aufeinander folgenden Generationskohorten bestehen.

      Diese wie jene sahen sich als "Bewegung", betrachteten das "System" der Republik als historisch überholt, wenn auch mit unterschiedlichen Argumentationen. Sie verachteten den Pluralismus und den Kompromiss, sie liebten den Kampf und die Aktion. Mehr noch: Am 27. Juni 1967 notierte Rudi Dutschke in seinem Tagebuch: "In der Kneipe ‚Machtergreifungsplan ausgepackt'. Riesige Überraschung." Zwei Tage vorher hatte er während einer nicht öffentlichen Diskussion über die Perspektiven für ein rätedemokratisch regiertes Westberlin protokolliert: "Es ist nicht mehr übermütiger Irrsinn, in dieser Stadt die Machtfrage zu stellen." An den kalifornischen Blumenkindern kritisierte er, sie hätten "die Machtfrage vergessen".

      Im Oktober 1967 veranstaltete Hans Magnus Enzensberger mit Rudi Dutschke, Bernd Rabehl und Christian Semler ein Gespräch über die Zukunft. Auszüge daraus erschienen ein Jahr später im "Kursbuch", das für einige Jahre zum weltanschaulichen Leitheft der Revoltierenden wurde. Mit dem volkseigenen Hang zur Gründlichkeit malten die Diskutanten aus, wie es in absehbarer Zeit im befreiten Gebiet Westber-lin zugehen werde. "Ein Großteil der Bürokraten wird nach Westdeutschland emigrieren müssen", meinte Rabehl und ergänzte für den Fall, dass die "antiautoritäre" Umerziehung nach der Machtübernahme teilweise fehlschlagen sollte: "Wo es ganz klar ist, dass Umerziehung unmöglich ist, etwa bei älteren Leuten, da sollte man den Betreffenden die Mög-lichkeit geben auszuwandern." Im Übrigen machte er die Rentner verächtlich. Man bekomme "ein Grausen", wenn man sie nur sähe: "Sie sitzen schon als Leichen dort auf der Bank."

      Die totalitäre Sprache und der Hang zum gewalttätigen Aktionismus, die sich in den Sätzen von Rabehl und Dutschke äußern, fielen nicht wenigen kritischen Geistern 1967/68 sofort auf. Als Berliner Studenten unmittelbar nach dem Tod von Benno Ohnesorg zum Zeichen ihres Entsetzens Springer-Zeitungen verbrannten, kommentierte Joachim Fest: "Fatale Erinnerungen beunruhigen die extremen Gruppen nicht - ihr politisches Bewusstsein wähnt sich im Stande der Unschuld. Sie plädieren für die Beseitigung dessen, was sie (wiederum ganz unschul-dig) das ‚System' nennen." Max Horkheimer, der 1933 aus Deutschland hatte flüchten müssen, befürchtete schon 1967 einen immer stärkeren "Pro-Totalitarismus" der protestierenden Studenten.

      Aus ganz anderen Erfahrungen heraus gelangte der damalige Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger zu ähnlichen Einsichten: "Wir, die junge Generation der 20er-Jahre, verhielten uns gegenüber den damaligen Politikern genauso arrogant, wie es unsere Studenten heute gegenüber uns sind." Deshalb riet er immer wieder zum behutsamen Vorgehen. Richard Löwenthal, der 1933 als Linkssozialist in den Untergrund und zwei Jahre später ins Exil gegangen war, fühlte sich schnell vom revolutionären Veränderungswillen der 68er abgestoßen. "Es ist immer misslich, wenn sich Studenten kollektiv als Elite der Nation zu fühlen beginnen", hielt er den Vertretern der Neuen Linken vor: Deutschland sei nicht deshalb "dem studentischen Elitedenken von rechts entronnen, um ein studentisches Elitedenken von links großzuziehen".

      Bei allen Unterschieden und Gegensätzen in ihren Lebenswegen wussten Fest, Horkheimer, Kiesinger und Löwenthal aus eigener Erfahrung eines: Die nationalsozialistische Machtergreifung vom 30. Januar 1933 muss als Generationenprojekt verstanden werden, als der Beginn einer schrecklichen Jugenddiktatur. Joseph Goebbels war an diesem Tag 35 Jahre alt, Reinhard Heydrich 28, Albert Speer 27, Adolf Eichmann 26, Josef Mengele 21, Heinrich Himmler und Hans Frank waren 32. Hermann Göring - einer der Älteren - hatte soeben seinen 40. Geburtstag gefeiert, Hitler steuerte auf den 44. zu.

      Je mehr Staats- und Parteistellen neu besetzt werden konnten, sei es infolge der Entlassung Unliebsamer oder ständiger Expansion, desto mehr Junge rückten in den folgenden Jahren nach. Sie betrachteten den NS-Staat als Chance zu rascher Selbstverwirklichung. 1943 stellte Goebbels nach der Lektüre einer parteistatistischen Erhebung beglückt fest: "Das Durchschnittsalter der führenden Persönlichkeiten beträgt auch in der mittleren Schicht der Partei 34 und innerhalb des Staates 44 Jahre. Man kann also in der Tat davon sprechen, dass Deutschland heute von seiner Jugend geführt wird."

      Zugleich verlangte der Propagandaminister nach "personeller Auffrischung". Er wird an junge Leute wie beispielsweise den späteren Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer gedacht haben. Dieser mokierte sich 1942 - als 27-jähriger Besatzungsfunktionär in Prag - über die zögerlichen älteren Beamten, die den Aufbruch in den "wirklichen Nationalsozialismus" störten, mit jugendbewegter Verve: "Die uns in jungen Jahren in der Kampfzeit anerzogene Bereitschaft, Aufgaben zu suchen und nicht auf sie zu warten, der ständige Einsatz für die Bewegung haben uns früher als üblich in die Verantwortung gestellt." Schleyer repräsentierte den jungen Nationalsozialisten, der nach dem allenfalls alt-neuen späteren Motto der 68er verfuhr "Trau keinem über Dreißig".

      Die Möglichkeit zur Machtübernahme war der NSDAP im Frühjahr 1933 aufgrund der extremen Not der Weltwirtschaftskrise zugefallen, die gesellschaftliche Mehrheit konnte sie erst nach zwei Regierungsjahren gewinnen. Außenpolitisch verhalf ihr die weithin populäre Revision des Versailler Vertrags zu diesem Erfolg, innenpolitisch die sorgfältig ausgewogene Mischung aus Staatsterrorismus und sozialpolitischer Konsolidierung. Letztere beruhte allein auf hemmungsloser, von der Bevölkerung nur zu gern ignorierter Staatsverschuldung. Im signifikanten Unterschied zu allgemeinen Wahlen hatte der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund seit 1929 die Herrschaft über die Allgemeinen Studentenausschüsse erobert, vielfach mit Mehrheiten von deutlich über 60 Prozent.

      Die NSDAP profitierte vom bildungspolitischen Willen des Weimarer Staates: In demokratischer und demokratisierender Absicht hatten dessen Politiker viel darangesetzt, die Zahl der Abiturienten und der Hochschüler zu verdoppeln. Um das Bildungsmonopol einer kleinen aus dem Kaiserreich stammenden Kaste zu brechen, um die Intelligenzreserven in den sozial benachteiligten Schichten des Volkes zu erschließen, förderte die Republik in bester Absicht junge Leute, die vielfach als erste in ihren Familien den Sprung an die Universitäten schafften. Bald gehörten die derart sozial aufwärts Mobilisierten zur radikalen Trägerschicht des nazistischen Deutschland. Sie wurden zu Totengräbern der Verfassungsordnung, der sie den Aufstieg verdankten.

      Video-Nachrichten: 30. Januar 1933: Der Anfang vom Untergang
      Die Mehrheit der 33er-Studenten litt an tiefer Unsicherheit. Wenn überhaupt, waren ihre Väter geschlagen, demoralisiert oder verkrüppelt aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt. Der schwache materielle und ideelle Familienhintergrund ließ sie empfänglich werden für die falschen Verlockungen des Kollektivs. Sie feierten den Abschied vom bürgerlichen Individualismus und sahen sich im "Übergang von der Ich-Zeit zur Wir-Zeit". Eben deshalb sei "die letzte Lebensfrist des Liberalismus abgelaufen"; nun komme es darauf an, diesem unklaren, antiutopischen Denken "endgültig den Garaus zu machen" (Die 68er hatten es ebenfalls auf die "Scheiß-Liberalen" abgesehen).

      Die 33er denunzierten die vorsichtigen, differenziert argumentierenden Pragmatiker als "zerstreute Kompromissmenschen", die sich stets auf die relativierende Formel herausredeten "Bis zu einem gewissen Grade", die dazu neigten, die "Welt in Millionen kleinster Teile" aufzulösen, und folglich jedes bedeutsame Ziel aus den Augen verlören. Ununterbrochen redeten sie sich in der NS-Studentenzeitung "Die Bewegung" gegenseitig ein, "das neue Deutschland" brauche "Kämpfer, keine Bierphilister". Für die NS-Studenten wurden nicht so sehr die Kommunisten zu Erzfeinden, sondern die Spießbürger: "Diese schwammigen, fettgepolsterten und kahlköpfigen Rundbäuche, die nichts verlangen als ihre Ruhe und ein Gläschen Wein, die es nichts angeht, wenn zwei Straßenecken weiter eine Witwe den Gashahn öffnet, weil sie nicht mehr weiß, womit sie ihre Kinder ernähren soll."


      Die antibürgerlichen Momente, das Bewegungsselige, die kalkulierte Regelverletzung, das Gefühl der NS-Studenten, einer klassenübergreifenden, dem Wohl des eigenen Volkes verpflichteten Avantgarde anzugehören, all das machte den nationalrevolutionären Protest attraktiv. "Der Student darf sich nicht ziehen lassen, er muss ziehen", forderte Joseph Goebbels 1929 und fügte hinzu: "Studenten und Arbeiter werden das Deutschland der Zukunft aus der Taufe heben."

      Den Ton hatte der spätere Propagandaminister seinem Führer abgelauscht, der schon früh den Kampf der Jungen gegen die Alten ausgerufen hatte. Statt der verweichlichten Bürgersöhnchen wünschte sich Hitler Studenten, "die in die Masse hineinzugehen verstehen und lebendigen Anteil nehmen am Massenkampf". Er geißelte die "Entpolitisierung der Studentenschaft" und bezeichnete den Angriff als "Freiheitskampf der jungen Generation".

      Wie die späteren 68er drängten ihre Vorgänger auf die gesellschaftliche Relevanz der Studiengegenstände. Beide Studentenbewegungen protestierten gegen den Muff von tausend Jahren. Die Forderungen der universitären Nazis für "eine durchgreifende Hochschulreform" zum Abbau der professoralen Alleinherrschaft lauteten 1932: "Errichtung rassekundlicher Lehrstühle, Berechtigung der Studentenschaft, zu Berufungen Stellung zu nehmen, Änderung der Prüfungs- und Studienordnung, Staffelung der Hörgelder nach dem Einkommen der Eltern. Wir fordern Ausbau der Selbstverwaltung der Studentenschaft und stärkere Einflussnahme auf die Studentenhilfe."

      In antiautoritärem Tonfall zog Goebbels die wissenschaftliche Arbeit der Professoren als Produktion von "Buch- und Afterweisheit" ins Lächerliche, warf ihnen vor, sie würden ihre der Zukunft zugewandten Studenten am Ende als "streng thronende Prüfer gelassen und hochmütig" am "aufgehäuften Paragraphenstaub messen". Der spätere Propagandaminister giftete gegen das Versinken in "Wissenschaft, Statistik, Beruf, Strebertum, Fachsimpelei" und die "flegelhafte Arroganz des ‚Gebildeten' dem ‚Volk' gegenüber". "Erst der Werkstudent", der in die Bergwerke hinuntersteige und neben dem Kumpel in harter Handarbeit um die Rohstoffgrundlagen der Nation kämpfe, weise "neue Wege", nur er könne "die Fäden zwischen Hörsaal und Grube" knüpfen.

      Es entsprach purer ahistorischer Einbildung, als Dutschke im Februar 1968 in der Evangelischen Akademie Bad Boll verkündete: "Dass Bürgersöhnchen und elitäre Gruppen der Gesellschaft anfangen, ihr Elitedasein und die verinnerlichten Mechanismen der elitären Haltung zu beseitigen, ist etwas historisch Neues in Deutschland, und das sollte gesehen werden." Ähnlich wie später Dutschke forderte Goebbels sein akademisches Publikum zur Bildung revolutionärer Bewusstseinsgruppen auf, zur Agitation in der Aktion: "Einer muss anfangen! Stürzen Sie die alten Altäre um! Rotten Sie den alten Menschen in Ihrem Hirn und Herzen aus! Nehmen Sie die Axt in die Hand und zertrümmern Sie die Lüge einer alten falschen Welt! Machen Sie Revolution in sich! Das Ende wird der neue Mensch sein!"

      Wer den neuen Menschen schaffen will, legt sich mit der Staatsgewalt an. Auch die NS-Studenten erinnerten ihre Kampfzeit später als Lebensabschnitt, in dem sie "Polizisten mit gezücktem Gummiknüppel" trotzten, es beispielsweise ertrugen, wie sie der Polizeipräsident wegen antisemitischer Umtriebe im November 1930 aus der Berliner Universität jagte. Er "wütete mit seiner Prügelgarde unter Studenten und Studentinnen schlimmer als Iwan der Schreckli-che". Schließlich schritt der Rektor der Berliner Universität ein, vermittelte und erreichte den Rückzug der Polizei vom Campus. Die braunen Studenten johlten den abziehenden, der Republik verpflichteten Polizisten hinterher: "Muss i' denn, muss i' denn zum Städtele hinaus."

      Schon bald wurden im Zeichen des staatlichen Appeasements "drei der verhafteten Nationalsozialisten freigelassen". Kaum war das erreicht, verkündete die NS-Studentenzeitung "Die Bewegung", wie der Kampf gegen "das heutige System" weiterzuführen sei: "Die maßgebenden Männer des korrupten Systems können sich aber nach derartigen Vorfällen mit Bombensicherheit darauf gefasst machen, dass noch kräftigere und lauter schallende Maulschellen folgen werden."

      Bei allen Ähnlichkeiten in den politischen Ausdrucksformen und zum Teil in den hochschulreformerischen Zielen liegt der wesentliche Unterschied zwischen den 33ern und den 68ern auf der Hand: Die Revolte der einen führte rasch zur Macht, zu furchterregenden Karrieren und Konsequenzen; die der anderen endete ebenso rasch in der Niederlage, zumindest in der Zersplitterung.

      Die 68er verzichteten auf einen Teil ihrer beruflichen Chancen. Später passten sie sich nach individuell verschieden langen Umwegen wieder an die durchaus reformfähige Mehrheitsgesellschaft an. Verglichen mit der NS-Zeit sind die Folgen der 68er-(Un-)Taten belanglos. Albern ist das Gerede davon, dass die vielleicht 200 000 jungen Leute, die vor 40 Jahren einen kleinen Aufstand probten und verloren, irgendein Problem verschuldet hätten, das die Bürger der Bundesrepublik heute beschäftigt.

      Umgekehrt findet sich kein Grund zum Stolz auf 68. Die Kinder der 33er waren Getriebene, konfrontiert mit einer Last, die sie nicht zu verantworten hatten, der sie jedoch nicht ausweichen konnten. Chinesisch, kubanisch, sowjetisch oder trotzkistisch verfremdet veranstalteten sie nach den in Deutschland gebräuchlichen Regievorlagen eine Farce, die der Tragödie von 1933 folgte.
      Sie inszenierten eine Variante des politisch eindimensionalen Utopismus, auf dessen Trümmern sie groß geworden waren.

      An die Stelle des extrem schuldbehafteten Nationalismus der Eltern setzten sie den Internationalismus. Bundeskanzler Kiesinger durchschaute das Spiel sofort. Ohne Abitur, als kleiner Leute Kind hatte er es dank der Begabtenförderung der Weimarer Republik zum Volljuristen gebracht und war 1933 der NSDAP beigetreten, weil er, wie er sagte, "national und nationalistisch nicht genügend klar unterschieden" hatte. Ihm erschien die moralisch verbrämte Überheblichkeit verdächtig, mit der sich die 68er-Studenten hauptsächlich für Konflikte engagierten, "die ihre Wurzel im Ausland haben", gerade so als gäbe es in Deutschland nicht genug zu besprechen. Seiner Ansicht nach folgten sie der "merkwürdigen Illusion", sie könnten so "aus der deutschen Geschichte fliehen".

      Dann konfrontierte er seine Berater mit der Frage: "Schwingt da nicht - gewissermaßen als Kehrseite - die Einstellung mit, ‚Am deutschen Wesen muss die Welt genesen'?" Da es still in der Runde blieb, antwortete er selbst: "Ich sehe darin eine schulmeisterliche, missionarische Umkehrung unseres früheren extremen Nationalismus." Die Kraft, so auch öffentlich zu reden, fand Kurt Georg Kiesinger nie.

      Der Autor

      Götz Aly, Jahrgang 1947, hat sich als Historiker und Journalist vor allem mit der NS-Diktatur beschäftigt, etwa als Gastprofessor für interdisziplinäre Holocaustforschung am Fritz Bauer Institut in Frankfurt am Main. Für seine Arbeit wurde er unter anderem mit dem Heinrich-Mann-Preis (2002) und dem Bundesverdienstkreuz (2007) ausgezeichnet.

      Zahlreiche Bücher hat Götz Aly bereits veröffentlicht. Anfang März erscheint im S. Fischer Verlag: "Unser Kampf. 1968 – ein irritierter Blick zurück".


      ----

      [url1968: Wie es wirklich war
      Studentenproteste, Notstandsgesetze, die Bewegung gegen den Vietnamkrieg, Prager Frühling, Musik, Drogen, freie Liebe und Miniröcke.

      Lesen Sie täglich kostenlos online die Ausgaben der FR von 1968!]http://fr-online.de/1968[/url]
      Avatar
      schrieb am 24.02.08 00:11:34
      Beitrag Nr. 5 ()
      [urlErwiderung auf Götz Aly

      Keinerlei Ähnlichkeit

      "Die Parallelisierung von 1933 und 1968 - Ein Binsenirrtum!"

      Eine Erwiderung auf Götz Alys Essay "Die Väter der 68er".

      Von Peter Grottian, Wolf-Dieter Narr und Roland Roth
      ]http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/reportage/?em…[/url]

      In einem Artikel am 30. Januar 2008 versuchte der Historiker Götz Aly die Parallelen zwischen den "33ern" und den "68ern" herauszuarbeiten, "die zwischen den politischen Sturm- und Drang-Jahren der unmittelbar aufeinander folgenden Generationskohorten bestehen".

      "Bei allen Ähnlichkeiten politischer Ausdruckformen und zum Teil hochschulpolitischen Zielen", so resümiert Aly gegen Ende seines Pamphlets "Die Väter der 68er", "liegt der wesentliche Unterschied zwischen den 33ern und den 68ern auf der Hand: Die Revolte der einen führte rasch zur Macht, zu furchterregenden Karrieren und Konsequenzen; die der anderen endete ebenso rasch in der Niederlage, zumindest in der Zersplitterung." "Der Tragödie von 1933" sei die "Farce" der 68er gefolgt; "eine Variante des politisch eindimensionalen Utopismus, auf dessen Trümmern sie groß geworden" seien.

      Welch ein grotesker Mangel an historischer Wahrnehmung! Und das von einem Politikwissenschaftler und Historiker, dessen wichtige Werke wir stets mit kritischer Sympathie begleitet haben. Diese Werke galten vor allem der Rolle junger Intellektueller in den 30er Jahren, die die nazibewegte Herrschaft als Doppelchance ergriffen: für den ungewöhnlich raschen eigenen Karriereschub. Und dafür, planvoll den riesigen Osten in massenmörderisch "befreiten" Räumen für arisch-deutsche Menschen zu kolonisieren und zu beherrschen.

      Götz Aly also, der den Blick für das Menschen kollektiv ausrottende Herrschaftskalkül der Nazis und ihre Praxis der "Endlösung der Judenfrage" ebenso schärfte wie für den Legitimationskitt nationalsozialistischer Sozialpolitik, setzt nun den Anfang der Naziherrschaft und ihren Verlauf mit der Studentenbewegung seit 1967 gleich. Verbales, gedankenblitzfreies Donnergrollen dieser Art war schon zuvor zu vernehmen.

      Welch ein von dieser Seite aber nicht erwarteter Mangel an politisch-humanem Augenmaß, dem Sinn für Proportionen, Kontext, Ursachen und Wirkungen nämlich. Wie kann man im Jahre 2008 die Ursachen, die Verlaufsmuster und die Wirkungen der NS-Herrschaft derart verniedlichen, dass man sie mit der "68er Bewegung" auf eine Stufe stellt? Wie kann man die Erinnerung an die Naziherrschaft und ihre bis heute bei weitem nicht ausreichend gezogenen Folgerungen so missbrauchen, um damit "die Studentenbewegung" und ihre längst etabliert und altersrunzelig gewordenen Angehörigen (wie auch sich selbst) zu geißeln?

      Zu dieser Diskriminierung gehört, als besondere Pointe, dass Götz Aly ausgerechnet Kurt-Georg Kiesinger, den von Beate Klarsfeld geohrfeigten Bundeskanzler der 60er-Jahre-Großkoalition und ehemaligen Nazi-Parteigänger, sogleich mehrfach als Gewährsmann zitiert. Er, Kiesinger, habe die Studentenbewegung in angemessener Perspektive gesehen. Selbst als nur provozierender Schlenker eine nicht nachsichtig zu erklärende Torheit!

      Götz Aly rechtfertigt damit die bundesdeutsche "Vergangenheitspolitik, die "braune, geradezu tiefbraune" (Adenauer) Personen wie Globke, Flick und Kiesinger zu den Repräsentanten der neuen Demokratie erhob.

      Das ist der größte Einwand gegen Alys Parallelisiererei von so genannten Generationenprojekten (welcher Wirrsinn schon im modischen Ausdruck selber!). Die Historisierung der NS-Zeit wird hier benutzt zugunsten eines nazistischen Zerrspiegels, in dem die Studentenbewegung der 60er Jahre betrachtet wird.

      Die "68er" waren, wohlgemerkt, eine "Bewegung" von S t u d e n t e n, dann auch der Lehrlinge und anderer Gruppen, vor allem auch eine der Frauen. Von ihr haben sich viele treiben lassen - um allzu rasch ans Ufer restriktiv-braver bundesdeutscher Normalität zu gelangen; aber auch, um das anzustoßen, was sich in den 70er und 80er Jahren als Neue Soziale Bewegungen entwickelte.

      Der Erkenntnisgewinn der Aly-Parallelen besteht ausnahmsweise exklusiv darin, mehrfach zu verblenden und blind zu machen. Er macht blind dafür, was die Knobelbecherbewegung stark machte. Er macht blind für das, was von der Studentenbewegung, die selbst und gerade in den "Gebeinen" Alys steckt, wert ist, erinnernd weitergetragen zu werden. Das gilt gerade dann, wenn einem nichts fremder ist, als altersrührselig bewegte Lieder vergangener Sit-in-Zeiten zu singen.

      Der perverse Erkenntnisgewinn Alys besteht schließlich darin, die BRD als "durchaus reformfähige Mehrheitsgesellschaft", wie sie leibt und lebt, pauschal zu rechtfertigen. Wie sie Asyl Suchende abwehrt, in Lager sperrt, abschiebt, am besten vor den Toren der EU konzentriert. Wie sie Hartz IV zur Reformagenda erhebt und stolz Arme mit Tafeln und Suppenküchen innovativ abfüttert.

      Das also ist aus Adornos Postulat geworden, das uns trotz massiven Differenzen seinerzeit fast alle verbunden hat: Es gelte eine Bundesrepublik und ein Europa zu schaffen, in dem es keine menschenverachtenden politischen Praktiken mehr gäbe. Uff - fallen wir nicht schon ins tiefste Aly-Loch: "Systemkritik." Und entlarven uns also als naziparallel?!

      Kontext: Müssen wir die großen Unterschiede ausführen? Zwischen der Zeit nach 1919 und den 1960er Jahren? Die eine Zeit war die nach Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts Ermordung, nach den überschatteten Anfängen der Weimarer Republik, nach der Weltwirtschaftskrise und der peinvoll mobilisierenden Arbeits- und Perspektivlosigkeit. Die andere Zeit war die der Vollbeschäftigung mit ihrer autoritär-liberalen "Herrschaft auf Zeit" (Theodor Heuss), eine Zeit mit Perspektive, eine mit Berufsaussichten.

      Die Differenz ums Ganze ist unverkennbar. Durch sie erklärt sich mit, wie die einen, die Nazis, schnell, noch vor dem 30.1.1933, fast die Mehrheit erlangen konnten, und woraus später ein Teil der Studentenbewegung um 1968 sein Selbstbewusstsein bezog, mehrheitsfähig zu werden. Diese kritisch fordernden Studierenden wurden als verschwindende Minderheit diskriminiert und als langhaarige Feinde nicht allein von der Springer-Presse in die Enge getrieben.

      "Bewegung". Ein Glück, dass Jüngere in den 60ern nicht so leistungszwang-sozialisiert wurden wie heute, auf dass die Äpfel nah vom herrschenden Stamm fallen. Gewiss: "Bewegungen", sozial rasch fließende, mittragende und ausufernde bergen Gefahren. Solche wurden rund um 1968 kund. Manche Selbstüberschätzung, individualisierte Gewalt und persönliche "Schweinejagd" gehörten dazu.

      Rudi Dutschkes isoliert herausgegriffene "Machtfrage" jedoch mit der von den Nazis massenfest demonstrierten auf eine Ebene zu stellen - erneut: Welch ein Mangel an Augenmaß, Dutschke und Goebbels als eineiige Zwillinge zu behandeln, muss den bundesverdienstbekreuzten Götz Aly getrieben haben? Die "nivellierte Mittelstandsgesellschaft" (Schelsky) der Nachnazizeit fühlte sich durch die Studierenden herausgefordert. Eine "Gefahr für die Republik", für "das System", bestand aber keine Sekunde. Das überall innere Feinde entdeckende Berufsverbot von 1972 war nur ein Ausdruck der reformfeindlichen Mehrheit.

      "Utopismus". Die Blubo (= "Blut und Boden")-Regression der Nazis mit ihrem Mordtaten in einem Zug mit den gesellschaftswandlerischen Vorstellungen der Studierenden in ihrer Minderheit zu nennen: Das ist seinerseits regressiv.

      Die Parole "Bildung ist Bürgerrecht" (Dahrendorf) zu vertreten, Demokratisierung durch alle Institutionen zu verlangen, Humboldts auf das Selbstdenken der Person gerichtetes Bildungsideal auf die Füße aller Bürger und Bürgerinnen zu stellen und mit dem selbstverständlichen Verlangen "sozialer Relevanz" nicht elitär (und kapitalistisch-instrumentell) abgehobener Wissenschaft zu verbinden: All das waren meist nicht einmal ansatzweise institutionell übersetzte Verlangen gegen eine Klassen weiterschaffende Bildungs-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Die aktive Erinnerung daran verdeutlicht den Mangel von heute: Gegen eine mit Spitzenstudierenden "exzellent" verarmende, "überflüssige Menschen" abdrängende Politik brauchte es konkrete Utopien als Korrektiv und darauf gerichtetes Verhalten.

      Kindische Fehler von damals wie manchen älteren Kollegen gegenüber inakzeptables Verhalten sind im wohlfeilen Erinnern nicht zu vertuschen. Das gilt auch für den "radikalen" Studenten Götz Aly. Im kategorischen Unterschied zu den "33ern", keiner einheitlichen Generation, gilt für die uneinheitlichen und wenigen "68er" jedoch vor allem: Sie haben diese Republik entmufft und erfrischt. Sie haben Neues zu denken gelehrt, zu praktizieren, Kritik zu betreiben nicht nur in "machtgeschützter Innerlichkeit". In diesem Sinne haben sie eine emanzipatorische "Kulturrevolution" mitbewirkt.

      Unsere größte Enttäuschung über die "68er" besteht deshalb darin: Dass diese von den Umständen ungemein privilegierte Generation, vertreten durch die vielen Expansionsgewinnler, heute so wenig gegen die antidemokratische Bildungs- und Hochschulpolitik unserer Tage im Zeichen der Exzellenztäuschung opponiert(e); dass sich außerhalb des bornierten und politiklosen repräsentativen Absolutismus politisch wenig rührt.

      André Gorz mag mit seinem letzten Liebesbuch diesen Einspruch gegen einen Sprache verhunzenden Artikel beenden. Das, was Gorz über Cambridge 1970 sagt, galt für die besten Teile der Studentenbewegung von Berlin bis Frankfurt, von Konstanz bis Kiel. Bleibe es wirksam!

      "In Cambridge waren wir entzückt von ... dem Interesse, das unsere Gastgeber den neuen Ideen entgegenbrachten. Wir haben eine Art Gegengesellschaft entdeckt, die unter der äußeren Kruste der Gesellschaft ihre Stollen grub und darauf wartete, ans Tageslicht zu kommen. Noch nie hatten wir so viele Existentialisten gesehen, das heißt Leute, die entschlossen waren, das Leben zu verändern, ohne von der politischen Macht das Geringste zu erwarten, indem sie beginnen, in anderen Formen zusammenzuleben und ihre alternativen Ziele in die Praxis umzusetzen."

      Das "Generationenprojekt" der "33er" und der "68er". Mit Karl Kraus: Dazu fällt uns nichts mehr ein.


      Der Text von Götz Aly

      Zum 75. Jahrestag von Hitlers Machtergreifung schrieb der Historiker Götz Aly für die FR ein Essay, das unter dem Titel "Die Väter der 68er" am 30.1. erschien.

      In dem Text zieht Aly Parallelen zwischen der Generation der 33er, den jungen Gefolgsleuten Hitlers, und den 68ern: "Diese wie jene sahen sich als ,Bewegung', betrachteten das ,System' der Republik als historisch überholt (...). Sie verachteten den Pluralismus und den Kompromiss, sie liebten den Kampf und die Aktion." Aly meint, Hitlers Machtergreifung müsse "als Generationenprojekt verstanden werden, als der Beginn einer schrecklichen Jugenddiktatur". Auch die jungen Nationalsozialisten seien nach dem "allenfalls alt-neuen Motto der 68er ,Trau keinem über Dreißig'" verfahren.

      Parallelen sieht Aly auch in den Zielen beider Studentenbewegungen, beide "protestierten gegen den Muff von tausend Jahren." Der wesentliche Unterschied laut Aly: "Die Revolte der einen führte rasch zur Macht (...), die der anderen endete ebenso rasch in der Niederlage."
      Viele dieser Intellektuellen, auch darauf wies Aly immer wieder hin, passten sich nach der Nazi-Herrschaft wiederum den neuen Verhältnissen an, um die bundesdeutsche Restauration nach '49 kapitalistisch-demokratisch unter stabilen Kalten-Kriegs-Bedingungen fortzusetzen.




      Die Autoren

      Peter Grottian, Jahrgang 1942, war von 1979 bis 2007 Professor für Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin, inzwischen ist er emeritiert. Darüber hinaus engagierte er sich in verschiedenen politischen Initiativen, etwa im Komitee für Grundrechte und Demokratie, dem Sozialforum Berlin und in der Initiative Berliner Bankenskandal. Mit Schwarzfahraktionen protestierte er gegen die Abschaffung des Sozialtickets bei den Berliner Verkehrsbetrieben. 2006 berichtete der Spiegel, Grottian werde seit 2003 vom Verfassungsschutz beobachtet.

      Wolf-Dieter Narr, Jahrgang 1937, lehrte von 1971 bis 2002 als Professor für empirische Theorie der Politik am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin. 1969 trat er aus Protest gegen die große Koalition aus der SPD aus. Der Mitbegründer des Komitees für Grundrechte und Demokratie machte immer wieder mit politischen Aktionen Schlagzeilen, etwa als er 1999 wegen des Kosovo-Krieges deutsche Soldaten zum Desertieren aufrief. 2006 wohnte er zwei Tage im Flüchtlingslager Bramsche, um sich über die dortigen Zustände zu informieren.

      Roland Roth, geboren 1949, ist seit 1993 Professor für Politikwissenschaft an der Hochschule Magdeburg/ Stendal. Roth studierte 1968 bis 1973 in Frankfurt/Main und Marburg. Sein Schwerpunkt ist die Erforschung sozialer Proteste und Kommunen im Globalisierungsprozess. Roth war von 2000 bis 2002 sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission des Bundestags "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" und gehört zum wissenschaftlichen Beirat von Attac.

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      Avatar
      schrieb am 24.02.08 01:37:36
      Beitrag Nr. 6 ()
      Um Gottes Willen, so viel Text. Wer soll denn das alles lesen.

      Ich habe diese Zeiten mitgemacht, war unmittelbarer Zeitzeuge, damals in Frankfurt lebend.

      Vieles ist im Nachhinein draufgesattelt worden, eigentliche Nebensächlichkeiten udn Zufälligkeiten spielten eine überproporationale Rolle. Nur mal als Beispiel die vorangegangene Jugendbewegung um beatles udn rolling Stones, ganz sicher keine deutsche Angelegenheit, spielte dennoch für das damalige Jugendgefühl eine eminent wichtige, aufmüpfende Rolle. Politisierend wirkten die vorangegangenen Diskussionen um die Notstandsgesetzgebung, die sozusagen das Feld mitbereitend wirkten. Der Tod von Benno Ohnesorg, also die Schah-Prügeleien in Berlin.

      Es war eine Aufbruchstimmung in der weltweiten Jugend, nicht nur in Deutschland.

      Deutschland hatte eine Spezial- Situation durch den vorangegangenen faschismus, aber was da genau abgelaufen war im Hitlerreich, das wußten die allermeisten 2o jährigen nicht. Definitiv nicht.

      Die Aufarbeitung des Hitler- Faschismus fand statt, ohne zu wissen, was genau man da aufarbeitete, und sie fand statt aufgrund einer anederen Schablone, des in den Universitäten diskutierten theoretischen Marxismus. leninismus. Maoismus.

      Eine große Rolle als Stifter von Gemeinschaftsgefühl spielte der Vietnam- Krieg, der damit auch gleich ein feindbild lieferte: die USA.

      Diese abendlichen Umzüge durch Frankfurt unter dem Schlachtruf: USA- SA- SS, das hatte eher lautmalerische, sematische Ursachen. Über die SS, die SA, da wußten wir allenfalls, das es die gab, und daß die besonders übel gewesen sein mußte. Das war also eine bewußt auf die Spitze getriebene, udnd azu dann auch noch schön griffige Provokation. Mehr Inhalt kam diesem Schlachtruf nicht zu.

      Dazu gab es noch ein paar lokale Besonderheiten. In Berlin war dies die Hauptverwealtung von Springer, der Bildzeitung, die dort konsensstiftend wirkte. In Fankfurt wurde der aus Paris ausgewiesene Revoluzzer Cohn- Bendit angespült, udn in Frankfurt zeichnete sich der Häuserkampf um das abzureißende Westend ab.

      Weitere Städte als Frankfurt und Berlin spileten daher in dieser 68iger- Klamotte dann auch keine Rolle.

      Das ist im Nachhinein ziemlich überhöht worden, ging über in das, was dann die RAF wurde, eine gewaltbereie Absonderung, die alle jene Länder über sich ergehen lassen mußten, die im 2. Weltkrieg faschistisch waren: die roten Brigaden der Italiener, die rote Armeee- Fraktion, sowie in Japan deren RAF, dessen namen ich vergessen habe, die aber erst nach einer beteiligung an einem massaker auf dem Flughafen von Beirut in der versenkung verschwanden.

      Die 68iger haben die Schraube der entwicklung weitergedreht. Den Faschismus haben sie nicht überwunden, weil sie nicht verstanden haben, worauf dieser überhaupt beruhte. Da will ich etwas präziser sein, ich rede dabei vom Hitlerismus.

      Sie haben ihn demzufolge zugedeckt, begraben, sich draufgesetzt, und in dieser Kiste rumort er nun unbewältigt vor sich hin.

      Die Sozialisten sind nicht in der Lage, den Faschismus zu überwinden, weil ihnen dafür das entscheidende intellektuelle Zentralsteinchen fehlt.

      Die Gesellschaftr heute ist so sozialistisch oder faschistisch, wie dies eben im Rahmen eines unentwegt geforderten Rechtsstaates möglich ist.

      Demokratisch ist unsere Gesellschaft nur der Form nach. Die Menschen wissen nicht, was das Wesen von Demokratie überhaupt ausmacht. Die aller-allermeisten haben es sich nicht erkämpfen müssen, vielleicht ist dies eines der Defizite.

      Die 68iger haben nichts unter sich begraben, weil sie garnichts haben ausgraben können. Sie haben vielleicht auf den Grabstein gepißt. Das war es auch schon.

      "Unter denn Talaren, der Muff von tausend Jahren", das war bereits einer der engagierteren politischen Schlachtrufe.
      Avatar
      schrieb am 24.02.08 19:17:16
      Beitrag Nr. 7 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 33.455.641 von Beefcake_the_mighty am 23.02.08 13:53:05Dennoch ist es höchst interessant und erkenntnisfördernd mal über den eigenen Tellerrand zu schauen und eine andere Sicht der Dinge eines unmittelbaren Zeitzeugen aus erster Hand kennenzulernen.
      Avatar
      schrieb am 24.02.08 19:43:13
      Beitrag Nr. 8 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 33.461.329 von CaptainFutures am 24.02.08 19:17:16Unmittelbare Zeitzeugen gibt es hier im Thread auch einige: Monald war es, ich war es auch. Götz Ali war Zeitzeuge und die drei Autoren von #5 waren es auch.
      Alle haben diese Zeit vermutlich verschieden erlebt. Und die (angebliche) Vergleichszeit, nämlich 1933, hat vermutlich keiner der genannten erlebt. Was soll dieser Hinweis also?

      Ein Historiker ist auf Zeitzeugen und -zeugnisse angewiesen - aber er muss nicht unbedingt Zeitzeuge sein.
      Avatar
      schrieb am 25.02.08 07:07:40
      Beitrag Nr. 9 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 33.461.329 von CaptainFutures am 24.02.08 19:17:16.....interessant und erkenntnisfördernd mal über den eigenen Tellerrand zu schauen.......


      Schön daß du endlich zu dieser Erkenntniss gelangt bist.Wann wirst du damit anfangen ?
      Meine #2 ist übrigens ein Zitat.

      Rate mal von wem....
      Avatar
      schrieb am 29.06.08 13:40:12
      Beitrag Nr. 10 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 33.463.268 von Beefcake_the_mighty am 25.02.08 07:07:40Der #2 würde ich auch nicht widersprechen. Trifft allerdings genausogut auf die drei Autoren von #5 zu. So what?
      Avatar
      schrieb am 29.06.08 13:48:07
      Beitrag Nr. 11 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 33.461.442 von rv_2011 am 24.02.08 19:43:13Was soll dieser Hinweis also?

      Ja, was soll der Hinweis also auf Monald, Dich und die drei Autoren von #5?
      Soll damit die unmittelbare Erfahrung und Meinung von Götz Aly und vieler anderer in Mißkredit gebracht und als weniger glaubwürdig dargestellt werden? Wenn ja warum?

      Die linke Auslegung der 68er Zeit ist bekannt. Dies ständig wiederzukäuen bedeutet nicht über den eigenen Tellerrand zu schauen. Im Gegenteil trifft dann eher #2 zu.
      Götz Aly hingegen beschäftigt sich kritisch und selbstreflektierend mit der eigenen Vergangenheit und der der 68er und seinen Erlebnissen zu der Zeit, die der landläufigen auch schon zu Zeiten der 68er vorherrschenden Selbstverklärung eklatant widerspricht.
      Das Ergebnis ist eine neue erkenntnisfördernde Sichtweise, die aus dem alten Trott der linken Selbstdarstellung ausbricht und die 68er Zeit in einem ganz anderen interessanten Licht erscheinen lässt. Das ist über den eigenen Tellerrand schauen.
      Die Autoren in #5 et al waren dazu nicht in der Lage.
      Avatar
      schrieb am 29.06.08 13:49:23
      Beitrag Nr. 12 ()
      Aus der Traum vom Sozialismus!

      Die gescheiterten, die alt gewordenen 68er feiern sich selbst.

      Nein, nicht die Gegenwart beschäftigt mich heute, sondern die beiden „Revolutionen“ des Jahres 1968. Beide sind fehlgeschlagen. Die „68er Studentenrevolte“ endete im Blut der Roten Armee Fraktion und der Brigate Rosse. Der „Prager Frühling“ wurde von den Panzern der sozialistischen Bruderländer niedergewalzt.

      Der Studentenaufstand richtete sich gegen die Nachkriegsordnung. Geprägt vom Kalten Krieg zwischen Nato und Warschauer Pakt, europäischer Integration, sozialer Marktwirtschaft, Parteiendemokratie, bürgerlicher Moral, Freiheit. Das Ziel war die Überwindung der Spaltung Europas durch basisdemokratischen Sozialismus mit grünem Gesicht. Antiautoritär durch Abwerfung aller Fesseln der bürgerlichen Gesellschaft, eine grün-alternative, sozialistische Utopie. Die Entwicklung führte in eine ganz andere Richtung. Soziale Marktwirtschaft (als Neoliberalismus verunglimpft) und die Friedensordnung der Nato-Staaten mündeten in europäische Integration, Globalisierung, Partnerschaft für den Frieden. Die bürgerliche Welt triumphierte über die grüne Utopie.

      Im kurzen Prager Frühling vom Jänner bis zum August 1968 versuchten tschechische kommunistische Reformer, dem Sozialismus ein menschliches Antlitz zu geben.

      Gerade die Tschechen und Slowaken hatten ja den Kommunismus nicht von der Roten Armee aufgezwungen erhalten, sondern ihn in freien Wahlen selbst gewählt. Die Reformer im Jahre 1968 wollten Sozialismus mit Freiheit und Demokratie vereinen, die Menschenrechte verbürgen und die Menschen von der kommunistischen Bürokratie befreien. Keine Revolution, sondern eine Reform. Sie wurde aber als Revolution empfunden, auch bei den anderen Mitgliedern des Warschauer Paktes. In einer Blitzoperation beendigte eine multinationale Eingreiftruppe unter der Führung der Sowjetunion das Experiment. Freiheit und Sozialismus geht eben nicht, Freiheit oder Sozialismus trifft den Nagel auf den Kopf. Dies mussten die Tschechen am eigenen Leib erfahren. Der Panzerkommunismus triumphierte.

      Man muss beiden „Aufständen“ dankbar sein. Sie schafften Klarheit. Die Zielsetzung beider war dieselbe: einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und realem Sozialismus zu finden, gekennzeichnet durch Sozialismus, Demokratie und Freiheit. Die Studenten versuchten den grünen, die tschechischen Reformer den roten Weg. Beide scheiterten, mussten scheitern. Der einzige gangbare dritte Weg ist die öko-soziale Marktwirtschaft, der europäische Weg.

      So bereiteten beide Bewegungen den Sieg der Freiheit mit Mauer-Fall vor, dem Ende des Warschauer Paktes und der Sowjetunion, der Nato-Partnerschaft und der Erweiterung der EU um die neun Reformländer, ehemals Mitglieder des Warschauer Pakts.

      Die Umschreibung der Geschichte ist voll im Gang. Deutschland hat einen Hang zum Revisionismus (erinnern sie sich an den Historikerstreit zur Historisierung des Nationalsozialismus?): Die gescheiterten, die alt gewordenen 68er feiern sich selbst und reden sich einen Sieg ein.Wie heute der Prager Frühling gesehen wird, wird sich erst zeigen.1

      1Auf zwei Werke möchte ich hinweisen: Zur 68er-Bewegung: Götz Aly, „Unser Kampf 1968 – ein irritierter Blick zurück“, S. Fischer, 2008. Zum Prager Frühling: Stefan Karner-Natalja, Tomalina-Alexander Tschubarjan, „Prager Frühling – Das internationale Krisenjahr 1968“, Böhlau, 2008.

      Univ.-Prof. Andreas Khol war Nationalratspräsident.

      http://diepresse.com/home/meinung/quergeschrieben/andreaskho…
      Avatar
      schrieb am 30.07.08 18:13:18
      Beitrag Nr. 13 ()
      Sehnsucht nach den starken Opfern

      Die Aktivisten von 1968 konnten die Scham über die nationalsozialistischen Verbrechen nicht aushalten. Revolutionsromantik verhalf ihnen zu einem guten historischen Gewissen

      Die 68er hefteten sich den "Antifaschismus" ans Revers - und werden bis heute für ihre vermeintlich entscheidende Rolle beim Aufbrechen der "Verdrängung" der NS-Vergangenheit gepriesen. Doch an der realen Aufarbeitung der NS-Verbrechen, die in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre in der Bundesrepublik in Gang kam, zeigten sie in Wirklichkeit kaum Interesse. Während das in den 1950er Jahren vorherrschende Beschweigen der nationalsozialistischen Vergangenheit durchbrochen wurde und NS-Täter verstärkt vor Gericht gebracht wurden, wandten sich die Aktivisten der "Außerparlamentarischen Opposition" (APO) abstrakten revolutionär-sozialistischen Ideologien zu und denunzierten den demokratischen Staat als zumindest potenziell "faschistisch".

      Indem sie der simplen marxistischen Formel folgten, nach der "Kapitalismus zum Faschismus" führe, erklärten sie den Nationalsozialismus als eine bloße Erscheinungsform kapitalistischer und "imperialistischer" Herrschaft hinweg. Durch ihre Solidarisierung mit "antiimperialistischen Bewegungen" vor allem in der "Dritten Welt" kämpften die APO-Aktivisten dieser Logik gemäß den "antifaschistischen Kampf" gleich mit. Unter derselben Maßgabe glorifizierten sie totalitäre Systeme und Bewegungen wie den chinesischen Kommunismus.

      Aus diesen Beobachtungen folgert der Historiker Götz Aly, die 68er-Bewegung habe antidemokratische, im Nationalsozialismus geprägte Denkmuster von eben jener Elterngeneration übernommen, gegen die sie rebellierte. Doch auch, wenn ihr idealistischer Rigorismus, der sie in die Affinität zum Totalitarismus brachte, in schlechter deutscher Tradition steht - die Erklärung, die Rebellen von 1968 hätten den von ihnen bekämpften nationalsozialistischen Ungeist schlicht reproduziert, reicht so wenig aus wie die, der "Antifaschismus" habe ihnen nur als Vorwand für die Propagierung von Welterlösungsfantasien gedient. Die Enthüllungen über das Ausmaß der NS-Verbrechen und der Komplizenschaft großer Teile der deutschen Gesellschaft hatten Anfang der 60er-Jahre vielmehr gerade jene junge Generation, aus der sich später die APO rekrutierte, tief erschüttert. Der Eichmann-Prozess 1961 in Jerusalem und die 1963 beginnenden Auschwitz-Prozesse in Frankfurt/M. konfrontierten die breite deutsche Öffentlichkeit erstmals schonungslos mit der Monstrosität der Judenvernichtung in allen ihren grauenvollen Details. Der Mythos der Adenauer-Zeit, nach der die Verbrechen "im deutschen Namen" von wenigen NS-Tätern begangen worden seien, während die Mehrheit der Deutschen den Nationalsozialismus abgelehnt hätten, war damit nicht mehr zu halten. Es wurde deutlich, dass die deutsche Gesellschaft nicht vor einem "Schlussstrich", sondern erst am Anfang einer peinvollen Konfrontation mit ihrer Verstrickung in die nationalsozialistischen Untaten stand.

      Bei vielen jungen Deutschen lösten die Einblicke in das Grauen eine tiefe Entfremdung von der eigenen Gesellschaft aus, die in einem bisher nicht erahnten Ausmaß Mitschuld oder zumindest Mitverantwortung an den ungeheuren Verbrechen trug. Ein Zeitzeuge etwa, der als junger Mann einen Prozesstag des Frankfurter Auschwitz-Prozesses verfolgte, berichtet von der nachhaltigen Verstörung, die das in ihm bewirkte: Der Anblick von Güterzügen habe bei ihm danach die Assoziation ausgelöst, ebendiese Waggons könnten schon zum Transport der Juden in die Vernichtungslager verwendet worden seien. Die gesamte nachkriegsdeutsche Lebenswirklichkeit schien nun in einen einzigen abgrundtiefen Verdacht getaucht.

      Gerade junge Linke identifizierten sich zunächst in hohem Maße mit den jüdischen Opfern, beziehungsweise den Überlebenden der Judenvernichtung - und anfangs auch mit dem Staat Israel, der zudem noch durch seine stark sozialistischen Züge (und den Kibbuzim als egalitärem Gesellschaftsexperiment) attraktiv wirkte. Doch die Erinnerung an Auschwitz eignete sich nicht zu einer tröstlichen Wendung in eine positiv-aktivistische Perspektive. Der Einblick in die Todesmaschinerie von Auschwitz ließ das niederdrückende Bewusstsein einer Schuld der eigenen Nation zurück, die ungeachtet aller Reue und Scham nie wieder gut zu machen sein würde. Beflügelnde Handlungsanleitungen waren daraus nicht abzuleiten.

      Bald erhoben sich in der Linken deshalb Stimmen, die forderten, bei der bloßen Erschütterung über die unfassbaren NS-Verbrechen dürfe es nicht bleiben. So fragte Martin Walser 1964 in seinem Essay "Unser Auschwitz", ob wir Deutschen denn überhaupt fähig seien, am Schmerz der Opfer Anteil zu nehmen, wenn diese Anteilnahme nicht zu einer Erklärung der Ursachen führe, die es möglich mache, praktische Lehren für die Gegenwart zu ziehen Die bloße Konfrontation mit den Details des Grauens könne zu Gewöhnung und Abstumpfung und damit zu Handlungslähmung führen - ein Argument, das er 34 Jahre später, in seiner umstrittenen Paulskirchen-Rede in anderem Kontext erneut aufbrachte. "Wie viel gilt uns unser Bedauern? Hilft es uns, irgend etwas zu tun?", fragte er in seinem Essay von 1965. "Haben diese Brutalitäten unser Bewusstsein erreicht? Haben sie uns darüber belehrt, was Faschismus ist?"

      Walser regte zudem an, das eigene Bewusstsein nicht auf das Thema Auschwitz verengen zu lassen. "Was sich in Auschwitz austobte, stammt schließlich auch aus alter Schule, ist von schlechten Eltern. Juden und Slawen, darauf waren wir gedrillt seit langem", schrieb er. "Zur Zeit schulen wir um auf Kommunisten`." Im Kampf gegen den Antikommunismus der Bundesrepublik sah Walser die aktuelle Entsprechung jenes in der Elterngeneration versäumten Kampfes gegen die Wurzeln des "Faschismus", der Auschwitz hätte verhindern können.

      Mehr noch aber als die Solidarisierung mit den heimischen Kommunisten bot freilich die Identifikation mit dem "Befreiungskampf" der "Dritten Welt" jungen linken Aktivisten die Möglichkeit, dem quälenden Gefühl handlungshemmender Gefangenschaft in der Auschwitz-Erinnerung zu entkommen. Dabei ließen sich die 68er nicht nur von dem zum Befreiungskrieg stilisierten Kampf der vietnamesischen Kommunisten und von südamerikanischen Guerillabewegungen inspirieren. Nicht zu unterschätzen war auch der Einfluss der radikalen "Black Power"-Bewegung in den USA. Vor allem die militanten "Black Panthers" lösten mit ihrem martialischen Auftreten in der deutschen "Neuen Linken" der späten 1960er Jahre größte Bewunderung aus. Besonders bemerkenswert daran ist, dass die Wortführer des "Black Power" mit Vorliebe Vergleiche mit den Juden anstellten, wenn sie die Lage der unterdrückten Schwarzen in den USA beschreiben wollten - das aber nicht nur, um ihre eigene Unterdrückung mit der Judenverfolgung auf eine Stufe zu stellen, sondern auch, um ihre Distanz zu den Juden zu betonen. So erklärte Stokeley Carmichael, einer der führenden Köpfe der militanten "Black Panther Party", in einer 1969 in Hans Magnus Enzensbergers Zeitschrift "Kursbuch" abgedruckten Rede: "Ich fürchte, die schwarzen Amerikaner können es sich nicht leisten, zu den Galgen zu marschieren, wie es die Juden getan haben. Wenn die USA, das weiße Amerika, Nazi spielen wollen, dann müssen sie sich sagen lassen, dass die schwarzen Amerikaner keine Juden sind, dass wir zurückschlagen werden, bis wir tot sind."

      In der seltsamen Formulierung, die impliziert, die Juden hätten es sich, im Gegensatz zu den schwarzen Amerikanern, "leisten können", sich widerstandslos zum Galgen führen zu lassen, drückt sich nicht nur tiefe Verachtung gegenüber den für den Geschmack des Revolutionärs zu passiven jüdischen Opfern aus. Es schwingt auch die Anspielung mit, die Juden hätten, da sie nicht wie die schwarzen Amerikaner zum Widerstand bereit gewesen seien, ihr Schicksal im Grunde verdient -als hätten jene Opfer, waren sie erst einmal in die Fängen der nationalsozialistische Vernichtungsmaschinerie geraten, noch eine Wahl gehabt, zum bewaffneten Widerstand zu greifen. Carmichael war es jedenfalls wichtig, zu betonen, dass "wir keine Juden sind" - womit angedeutet ist, dass die monierte Passivität der Juden wohl in ihrem Jüdischsein selbst begründet sein musste.

      Es ist nicht bekannt, dass solche kaum verdeckt antisemitischen Töne bei deutschen radikalen Linken auf Empörung oder auch nur Befremden gestoßen wären. Dass sie im Gegenteil bei ihnen auf durchaus fruchtbaren Boden fielen, hat mit ihrem Bedürfnis zu tun, sich von dem zu befreien, was der Kommune I-Mitbegründer Dieter Kunzelnmann Ende der sechziger Jahre als den "deutschen Judenknax" bezeichnete. Nicht aus manifestem Antisemitismus, sondern weil der trostlose, transzendenzlose Anblick der jüdischen Opfer ihnen den Weg zu einem historisch unbefangenen Aktivismus verstellte, wandten sich die radikalen 68er von der konkreten Aufarbeitung der NS-Vergangenheit ab und wurden zu aggressiven Gegnern des "Zionismus". (Das galt übrigens auch für viele jüdische linke Radikale, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa und den USA, ja sogar in Israel selbst.) Diese Abkehr ging mit einer radikal veränderten Haltung gegenüber dem Staat Israel einher. War die Zuwendung zum Land der Überlebenden zuvor noch eine Herzensangelegenheit namentlich junger Linker gewesen, wandelte sich das Bild spätestens nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 komplett: Israel wurde von den APO-Aktivisten nun der Seite des "Imperialismus", wenn nicht des "Faschismus" zugeschlagen, die Rolle der gleichsam besseren Juden, die sich mit militanter Gewalt ihrer Unterdrückung widersetzen, nahmen in ihrem Weltbild nun die Palästinenser ein. Auch diese feindselige Haltung gegen Israel wurde übrigens an vorderster Stelle von der "Black Power"-Bewegung in den USA vorangetrieben.

      Bewegungen wie diese, die vorgaben, im Namen der "unterdrückten Völker" zu sprechen, die vom "Imperialismus" ähnlich verfolgt würden wie eins die Juden vom Nationalsozialismus, gaben den 68ern das gute Gewissen, nunmehr aus der Scham über die deutsche Vergangenheit, die ihnen Passivität und Zurückhaltung auferlegte, herauszutreten. Durch die Identifikation mit starken statt mit schwachen Opfern konnten sie wieder zu aktiv Handelnden im Dienste einer vermeintlich absolut guten Sache werden.

      http://www.welt.de/welt_print/arti2265287/Sehnsucht_nach_den…
      Avatar
      schrieb am 28.11.08 17:50:43
      Beitrag Nr. 14 ()
      «Wir 68er waren psychisch frierende Kinder»

      40 Jahre 1968, 75 Jahre Hitler-Machtergreifung und die RAF im Kino: 2008 ist ein Jahr der Erinnerung. Historiker Götz Aly über die Ereignisse und was sie verbindet.

      Ein grosszügiges Appartement im einstigen Ost-Berlin. Früher logierten hier die oberen Kader des Arbeiter- und Bauernstaats. Heute dient die Wohnung Götz Aly als Büroraum: Der 61-jährige Historiker, gleichzeitig einer der reputiertesten und umstrittensten Forscher auf dem Gebiet des Nationalsozialismus, arbeitet hier gleichsam im Schatten seines Forschungsgegenstands: Laufmeterweise säumen NS-Archivalien die Wände. Nazi-Relikte auch vor dem Fenster: vis-à-vis der einstige Sitz von Goebbels' Propagandaministerium – heute wirkt hier der deutsche Arbeits- und Sozialminister. Um die Ecke das Gelände, auf dem einst Hitlers Reichskanzlei stand.

      Aus Anlass des 68er-Jubiläums hat sich Aly zu einem Thema geäussert, das ihm weniger durch historische Forschung denn durch eigenes Erleben vertraut ist: zum Wesen der deutschen 68er. Aly war ein radikaler 68er. Als Mitglied der «Roten Hilfe» verkehrte er auch in terrornahen Kreisen. Inzwischen steht der vielfach ausgezeichnete Historiker weit entfernt vom 68er-Aly – entsprechend unzimperlich rechnet er im Buch mit seiner eigenen Vergangenheit ab. Er habe «in bester 68er-Tradition mit dem Mittel der Provokation die Diskussion öffnen wollen», sagt Aly. Eine Provokation ist schon der Titel des Buchs: «Unser Kampf». In Deutschland lag 68 zwischen den NS-Verbrechen und dem Deutschen Herbst. Alles Ereignisse, die für Götz Aly miteinander verbunden sind – mit der Folge, dass die deutsche 68er-Variante weiter ausstrahlt als anderswo. Derzeit bis in die Kinosäle, wo der «Baader-Meinhof-Komplex»-Film die RAF noch einmal aufleben lässt.

      Herr Aly, in Ihrem 68er-Buch ziehen Sie Parallelen zwischen 1968 und 1933. Sie schreiben, die 68er hätten mit ihren Eltern, den 33ern, mehr gemein, als ihnen lieb ist. Wie hätten Sie reagiert, wenn Ihnen 1968 jemand gesagt hätte, Sie würden sich aufführen wie ein Frühnazi?
      Das haben uns manche Leute tatsächlich gesagt, besonders jüdische Intellektuelle, die zurückgekommen waren, etwa Max Horkheimer oder Richard Löwenthal. Wir haben sie als Reaktionäre verspottet.

      Inzwischen sind Sie gleicher Ansicht wie die «Reaktionäre». Warum der Sinneswandel?
      Er setzte bei mir in den frühen 1980er-Jahren ein, als ich mich mit dem Nationalsozialismus zu befassen begann. Damals wurde mir klar, wie jung diese Leute gewesen waren. Goebbels war 33, als er Minister wurde, Mengele 27, Göring, der Älteste, gerade 40. Zum Wesen dieser Leute gehörten ihr antibürgerlicher Reflex, ihr Hang zum Utopischen und das messerscharfe, totalitäre Freund-Feind-Denken. Das kam mir alles sehr vertraut vor. Es war 35 Jahre später wieder en vogue.

      Die 68er haben aber weder KZs betrieben noch einen Holocaust zu verantworten...
      Ich vergleiche die 68er nicht mit den Nazis, die an der Macht waren, sondern mit den nationalsozialistischen Studenten vor und um 1933. Die deutschen Universitäten waren braun, lange bevor die Gesellschaft braun geworden war. Hier gibt es Parallelen: Sie betreffen nicht den Antisemitismus oder bestimmte, konkrete Ziele. Sie betreffen vielmehr die Form der Mobilisierung oder die antibürgerlichen, auch antiautoritären Inhalte.

      Mit den von Ihnen behaupteten Parallelen rücken Sie auch sich selbst in ein schiefes Licht. Hat Sie die Erkenntnis geschmerzt, dass Sie während einiger Jahre gleichsam im 33er-Trott unterwegs waren?
      Nein. Im Grunde geht es bei der von mir beschriebenen Ähnlichkeit zwischen den Generationen ja um etwas Natürliches. 1968 gingen in Westdeutschland fast nur Kinder aus Akademikerfamilien an die Universität, das heisst: Wir 68er waren die Kinder der jungen Nazi-Intellektuellen. Das war auch in meinem Fall so. Mein Vater trat 1937 in die Partei ein, und er fand diese gut. Wir wurden von Eltern und Lehrern geprägt, die erfüllt waren von diesem unerhörten Gift des Totalitarismus und des Nazismus. Dass wir als nächste Generation über den ganz normalen Prozess der Sozialisation viel von diesem Gift eingeatmet haben und davon auch deformiert worden sind, ist ganz normal.

      Gemeinhin gilt 68 als Aufstand gegen das Establishment – Sie jedoch betonen die Kontinuität zwischen den 68ern und ihrer Elterngeneration. Weit und breit niemand, der auszubrechen versuchte?
      Doch, es gab Ausbruchsversuche, aber nicht von 68ern. Es waren Leute aus der Generation zwischen uns und unseren Eltern, welche die Starrheit und das Freund-Feind-Denken überwinden wollten – hin zur Öffnung, zum Pluralen. Man spricht von der Flakhelfer-Generation. Zu ihren Vertretern gehört etwa Ralf Dahrendorf. Er ist 15, 20 Jahre älter als ich und hatte 1968 bereits viel publiziert. Für uns war er nur ein liberaler Scheisser. Wir liessen uns nicht ein auf ihn.

      Warum diese Weigerung? Wieso orientierten sich die 68er lieber an ihren Eltern als an jenen, die nach neuen Wegen suchten?
      Wir 68er waren Getriebene. Wir mussten uns als junge, in Frieden und zunehmendem Wohlstand aufgewachsene Leute in einer höchst komplexen Situation zurechtfinden. Unsere Eltern waren vom Nationalsozialismus geprägt. Entsprechend orientierungslos waren sie nach dem Krieg. Dass sie sich in dieser Situation sagten: Wir arbeiten jetzt einfach geradeaus, schaffen Wohlstand und schweigen über das Vergangene – das ist eine menschliche Reaktion. Uns Kinder brachte sie jedoch in eine schwierige Lage. Wir sind in dieser Unsicherheit, diesem Schweigen, dieser geistigen und ideellen Leere aufgewachsen. Wir waren psychisch frierende Kinder.

      War der 68er-Protest die Antwort auf diesen Frost?
      Ja. Sobald die erste Nachkriegsgeneration nachgewachsen war, musste es zur Entladung kommen. Das war nicht zu umgehen. Insofern war die deutsche 68er-Bewegung eine Folge der nationalsozialistischen Gewalt-Explosion. Hingegen ist es falsch, zu behaupten, die deutschen 68er hätten die NS-Verbrechen zur Sprache gebracht. Das Thema drang bereits Anfang der 60er-Jahre allmählich an die Öffentlichkeit, und zwar über Gerichte, Medien und Schulen. Ich selbst hörte 1958 erstmals davon. Bei den Christlichen Pfadfindern erfuhr ich von der Erschiessung der 30'000 Juden in Babyn Jar. Mit 68 hat das alles nichts zu tun. Im Gegenteil. Der SDS, der Sozialistische Deutsche Studentenbund, hatte zwar einen Beauftragten fürs NS-Thema. Doch nachdem die Revolte begonnen und die Dutschke-Leute das Sagen übernommen hatten, bekam er kein Geld mehr für seine Arbeit. Im Handumdrehen war das Thema weg. Sie werden bei Dutschke nicht einen Satz finden zur NS-Zeit.

      Warum dieses Wegdrängen des Themas?
      Das war eine Ausweichreaktion. Wenn ein junger Mensch plötzlich sieht, welche unbeschreiblichen Verbrechen die Generation seiner Eltern zu verantworten hat, sucht er nach Strategien, um sich abwenden zu können. Das ist menschlich. Also haben wir uns den Nationalsozialismus aus dem Kopf geschlagen – beziehungsweise ihn zum Faschismus verdünnt. Die «Faschisten» waren für uns ein aktuelles Problem, wohnten überall auf der Welt und mussten bekämpft werden. Vorzugsweise lebten sie möglichst weit weg, in Washington oder Teheran. So wichen wir dem Problem aus, dass unser eigener Vater, Onkel oder Lieblingslehrer ein Verbrecher gewesen sein könnte. Die deutschen 68er flüchteten in den Internationalismus und demonstrierten gegen ferne Kriegsverbrecher, weil die Untaten der deutschen so unerträglich nah waren. Kurz: Die deutsche Protestjugend drehte das schlechte deutsche Gewissen zum guten Weltgewissen um. In den einschlägigen linken Verlagen erschienen damals Dutzende von Büchern zum Rassismus in den Vereinigten Staaten, aber keines zur mörderischen Geschichte der deutschen Rassenpolitik.

      Eigentlich erstaunlich, dass die 68er das NS-Thema nicht dazu nutzten, um es der Elterngeneration um die Ohren zu schlagen.
      Das Thema war mehr als eine Schuhnummer zu gross für einen pubertären Ablösungsprozess. Man kann dem Vater mal sagen: du autoritärer Sack. Aber ihn mit dieser Vergangenheit zu quälen – das war zu viel. Zumal auch die Kinder Angst hatten vor dem Thema; auch sie wussten nicht, wie damit umgehen. Es dauerte denn auch bis Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre, bis das NS-Thema von der 68er-Generation ernsthaft angegangen wurde. Ich selbst begann in den frühen 80er-Jahren, über den Nationalsozialismus zu publizieren.

      War 1968 so etwas wie ein Teil der deutschen Erneuerungskrise?
      Das kann man so sagen – nur darf man 1968 nicht überschätzen. Ende der 60er- Jahre waren bereits diverse Erneuerungen in Gang gesetzt worden. 1960 hatte der Hochschulausbau begonnen, ebenso die Reform des Sexualstrafrechts. Es begann sich etwas zu lösen – doch das war nicht das Verdienst der Studenten. Das war ein genereller Umbruchprozess.

      Welchen Stellenwert hatte 68 in diesem Prozess?
      Einen marginalen. Es ist eine Überhöhung, wenn heute gesagt wird, 1968 sei die Bundesrepublik neu konstituiert worden. Wichtiger war, was im Jahr danach geschah: 1969 wurde Willy Brandt zum Bundeskanzler gewählt. Seine Wahl bedeutete, dass etwa 20 Millionen Deutsche einen Mann gewählt hatten, der 1945 in norwegischer Uniform nach Berlin gekommen war und als Vaterlandsverräter galt. Und sie hatten einen gewählt, der als uneheliches Kind einer Magd geboren worden war. Zehn Jahre früher wäre das undenkbar gewesen.

      Wie unterscheidet sich das deutsche 68 von den Bewegungen in anderen Ländern?
      In Deutschland verlief 68 härter, war langwieriger, doktrinärer und in seinen Auswüchsen intoleranter als anderswo. Es ging bekanntlich bis hin zu sehr massivem Terror. Diese Eigenschaften sind bezeichnend für jene Staaten, die den Zweiten Weltkrieg begonnen oder verloren haben, also für Deutschland, Japan und Italien. Alle diese Gesellschaften hatten Probleme mit ihrer Identität und ihrer Erneuerung. Ob in Grossbritannien oder in der Schweiz ein paar Leute protestierten oder ob sie in einer verspannten, extrem belasteten und extrem unelastischen Gesellschaft wie der deutschen auf die Strasse gingen, das war eben nicht dasselbe.

      Daraus folgt, dass es nicht allein die Schuld der Studenten war, dass 68 in Deutschland härter verlief als anderswo?
      Die Härte hatte sowohl mit dem Verhalten der Studenten wie auch mit der Verfassung der Gesellschaft zu tun. Die öffentliche Hetze gegen Rudi Dutschke, die schliesslich ins Attentat mündete, wäre in New York oder Paris unvorstellbar gewesen. Bezeichnend auch, wie Benno Ohnesorg an einer im Grund harmlosen Protestdemonstration 1967 sein Leben durch einen Schuss in den Hinterkopf verlor. Im damaligen West-Berlin besassen sehr viele Polizisten SS-Erfahrungen. Die gesamte Berliner Polizeiführung war entweder in der Wehrmacht oder in der SS engagiert gewesen – der Einsatzleiter am 2. Juni 1967 als SS-Führer im Kampf gegen russische und italienische Partisanen. Dafür war er mit dem «Bandenkriegsabzeichen» geehrt worden.

      In der Schweiz wie in Deutschland behauptet das konservative Lager, die 68er seien schuld an allen Übeln der modernen Gesellschaft. Einverstanden?
      Überhaupt nicht. Ich behaupte, die 68er spielten eine marginale Rolle. Wer dies sagt, sagt auch: Die 68er haben wohl keine grossen Verdienste, sie tragen aber auch keine grosse Schuld. Die hohe Scheidungsrate, die Schwierigkeiten in den Schulen, die Jugendgewalt – das sind Probleme, für die der Staat und die Gesellschaft geradezustehen haben. Nicht die 68er.

      Den 68ern ist es nicht gelungen, sich von den 33ern zu emanzipieren, sagen Sie. Wie steht es um die heutige deutsche Jugend?
      Wir 68er mögen wenig Grund haben, auf 68 stolz zu sein. Hingegen dürfen wir darauf stolz sein, dass unsere Kinder sehr geheilt und anders sind. Die sind pragmatisch und weltoffen. Dazu hat gewiss beigetragen, dass in Deutschland heute über die eigene Geschichte und die NS-Verbrechen geredet werden kann. Es dauerte aber nach 68 noch einmal fast 20 Jahre, bis wir so weit waren.

      http://www.bazonline.ch/kultur/buecher/Wir-68er-waren-psychi…
      Avatar
      schrieb am 29.11.08 09:05:00
      Beitrag Nr. 15 ()
      Habe die Texte nur überflogen aber die 68er Bewegung könnte folgenden Zielen gedient haben:
      - mehr Freiheit und weniger Gesetze
      - Aufbau eines Polizeistaates

      Ein Widerspruch? Nicht unbedingt, denn die schlechten Mächtigen (es gibt auch gute) wollen maximale Macht und Freiheit. Dergleichen haben sie aber nicht in einem ordentlichen Rechtsstaat, sondern nur in einer negativen Diktatur voll Korruption und Vetternwirtschaft.

      Die 68er-Bewegung hat nun einerseits die Bürger an mehr Freiheit und Hemmungslosigkeit gewöhnt und mit der RAF und den Studentenunruhen andererseits Rechtfertigungen für ein Ausbau von Polizei und insbesondere Geheimdiensten geführt.

      Ich denke mal, dass wenn es derartige Bestrebungen gab, diese in Deutschland gescheitert sind oder noch scheitern werden. Wir müssen zwar noch viel tun, aber Deutschland wird ein ordentlicher Rechtsstaat bleiben.

      Die Gefahr (Crash, Notstand und in Folge eine dauerhafte negative Diktatur) ist in der Finanzkrise nicht von der Hand zu weisen aber in Deutschland zum Glück recht unwahrscheinlich.

      Polizei und Überwachung kann sowohl dem Kampf gegen echte Verbrecher als auch zur Bekämpfung guter Bürger in einer negativen Diktatur dienen. Wenn der Staat auf Polizei und Überwachung verzichtet, wird er ein Opfer der Verbrecher. Also muss man für eine gute Staatsführung sorgen (nur die Guten dürfen Macht haben) und darf nicht einfach auf gute Polizei und staatliche Überwachung verzichten.

      Die korrupten Mächtigen wollen die Überwachung für ihre eigenen bösen Ziele nutzen und nicht selbst kontrolliert werden. Der Weg zu einem guten Staat ist daher eine durch Gesetze und das Parlament kontrollierte staatliche Überwachung mit dem Ziel Verbrechen zu verhindern.

      Wenden wir doch einfach Rechtsstaat, Polizei und staatliche Überwachung gegen die korrupten Mächtigen, die Deutschland zu einer negativen Diktatur und korrupten Unrechtsregime machen wollen.

      Freiheit? Kein Thema, genug für jeden im Rahmen gute Gesetze.
      Für gute Bürger ändert sich eigentlich nicht viel, außer, dass alles besser wird. (alles imho)
      Avatar
      schrieb am 29.11.08 09:31:40
      Beitrag Nr. 16 ()
      Götz Aly ist ein Narr und Außenseiter, den man nicht ernstzunehmen braucht und auch nicht kann.

      Zuerst erklärt er der Welt, die Nazis wären in Wirklichkeit Sozialisten gewesen. Dann sind die 68er (die sich als Sozialisten verstanden) irgendwie Nazis. Damit schließt sich der Kreis seines Denkens, der irgendwo in Tautologien kreist. Die Nazis sind Sozialisten, die Sozialsiten Nazis. Es geht ihm nur um Diffamierung. Er ist ein verspäteter reaktionärer Radikalliberaler, für den alle anderen eins sind. Es ist ja eine bekannte Erscheinung, daß im Alter bei beginnender Verkalkung viele nach rechts abdrehen.

      Wie hätten Sie reagiert, wenn Ihnen 1968 jemand gesagt hätte, Sie würden sich aufführen wie ein Frühnazi?
      Das haben uns manche Leute tatsächlich gesagt, besonders jüdische Intellektuelle, die zurückgekommen waren, etwa Max Horkheimer oder Richard Löwenthal. Wir haben sie als Reaktionäre verspottet.



      Was der gute Mann nicht richtig erkennt: Er ist nun tatsächlich zum Reaktionär geworden.
      Avatar
      schrieb am 29.11.08 13:41:03
      Beitrag Nr. 17 ()
      ZDF präsentiert "Rückblick auf ein Jahr ohne Beispiel": Stefan Aust und Lutz Hachmeister lassen das Jahr 1968 Revue passieren

      Der Fernsehzuschauer kann im Dezember zahlreiche Rückblicke auf das zu Ende gehende Jahr erleben. Das ZDF bietet darüber hinaus einen "Rückblick auf ein Jahr ohne Beispiel": "Revolution! Das Jahr 1968" heißt der große Filmessay der Grimme-Preisträger Stefan ...

      Mainz (ots) - Der Fernsehzuschauer kann im Dezember zahlreiche Rückblicke auf das zu Ende gehende Jahr erleben. Das ZDF bietet darüber hinaus einen "Rückblick auf ein Jahr ohne Beispiel": "Revolution! Das Jahr 1968" heißt der große Filmessay der Grimme-Preisträger Stefan Aust und Lutz Hachmeister, den das ZDF am Freitag, 12. Dezember 2008, 22.35 Uhr ausstrahlt.

      Die prominenten Filmautoren lenken den Blick nicht nur auf die Studentenrevolten weltweit, sondern auch auf das unbekannte 1968. Neben den Bildern aus Vietnam, Pariser und Berliner Straßenkämpfen, den Attentaten auf Martin Luther King und Robert Kennedy oder den Black-Panther-Olympioniken Tommie Smith und John Carlos konzentrieren sie sich auf die dahinter fast verschüttete Ereignisdichte des Jahres: Richard Nixon gewann die US-Präsidentenwahl, Bundeskanzler Kiesinger besuchte General Franco in Spanien und wurde eine Woche später von einer jungen Aktivistin namens Beate Klarsfeld geohrfeigt, in China tobte die Kulturrevolution, Frankreich führte in der Südsee erste Wasserstoffbombentests durch und die ersten Menschen umrundeten den Mond. Auch das ganz private, alltägliche 1968 gerät ins Blickfeld: Was kochten die Deutschen, warum liebten sie den kleinen Heintje?

      Der Film bilanziert die globale Kulturrevolution, die nach 1945 mit Beatniks und "Halbstarken" begann und in der Chiffre "1968" kulminierte. Internationales Archivmaterial wird durch Zeitzeugen-Interviews und Ausschnitte aus Spiel- und Werbefilmen ergänzt. Modeschöpfer Wolfgang Joop berichtet über seine Jugend in Braunschweig, die Lähmung in der deutschen Provinz und stellt fest, dass die Revolte nicht besonders gut roch. Doch "Rechts war nicht sexy", so Joop. Der aus dem Iran stammende Aktivist Bahman Nirumand feierte Weihnachten 1968 in Berlin mit Rudi Dutschke und setzte sich ausnahmsweise einmal gegen den Studentenführer durch: Er zündete, ganz bürgerlich, ein paar Kerzen zum Krippenfest an. Iris Berben genierte sich sehr, als sie bei den Dreharbeiten zu einem Fernsehfilm, der die Kaufhausbrandstiftung der RAF-Gründer Baader, Ensslin & Co. zum Thema hatte, eine Badewannenszene spielen musste. Die Kasseler Zwillinge Gisela Getty und Jutta Winkelmann avancierten auf ihrem "Weg zur Sonne", nach vielen gefährlichen Drogenexperimenten, zu den buntesten "It-Girls" des internationalen Hippie-Jetsets und der amerikanischen High Society. Der New Yorker Studentenführer Mark Rudd erzählt dagegen, wie er in den Terrorismus abglitt. Daniel Cohn-Bendit zog sich, vom plötzlichen Rummel um seine Person im legendären Pariser Mai erschöpft, aus Frankreich zurück und ging nach Frankfurt. Die französische Chanson-Sängerin Francoise Hardy fand dagegen 1968 langweilig, weil sie schon zuvor die für sie viel aufregendere Pop-Szene im "Swinging London" der 60er Jahre erlebt hatte.

      "Revolution! Das Jahr 1968": Die Geschichten der Zeitzeugen setzen sich in der ZDF-Dokumentation mit den bunten Bildern der ersten globalen Medienrevolution zu einer neuen, verblüffenden Gesamtschau dieses "Jahres ohne Beispiel" zusammen. Der internationale Aufbruch der Studenten, da sind sich Chronisten wie der US-Starjournalist Peter Arnett und der deutsche Historiker Götz Aly in der Dokumentation einig, bewegte 1968 die Welt.

      Originaltext: ZDF
      Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/7840

      http://www.medienhandbuch.de/news/zdf-praesentiert-rueckblic…


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      "Unser Kampf" – Götz Aly und die 68er