Die Krise nährt die Krise - 500 Beiträge pro Seite
eröffnet am 17.11.08 21:29:12 von
neuester Beitrag 17.11.08 21:54:13 von
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FTD: Die ganze Krise bisher umsonst
17.11.2008 - 07:06
Anstatt die Ursachen der Krise zu bekämpfen, verstärkt man sie sogar. Der Erkenntnisgewinn bisher ist Null.
Die Krise läuft bisher insgesamt unbefriedigend. Sie hat noch nicht
einmal richtig begonnen, und doch ergreift einen ob der bis dato
eingeleiteten staatlichen Rettungsaktionen und Maßnahmenpakete sowie
dem unverändert selbstherrlichen Gebaren der hauptschuldigen Banker das
kalte Grauen.
Es ist ja nicht so, dass die Krise sehr
ungelegen kommt, es war höchste Zeit. Die Liste der Dinge, die aus dem
Ruder geraten waren, der Ungleichgewichte, Übertreibungen und Exzesse,
ist lang und wohlbekannt.
Dass hier irgendwas nicht stimmt, konnte auch jeder Normalbürger
unschwer erkennen: Für 20 Euro nach Spanien fliegen, wo sich die
Ferienhauspreise alle drei Jahre verdoppeln und wo die Innenstädte
ebenfalls mit überflüssigen Kleinpanzer-SUVs vollgestopft sind, das ist
alles andere als normal.
Da es die Resource Geld scheinbar fast umsonst und unbegrenzt gab,
konnten die wirklich begrenzten Resourcen, die Rohstoffe, in ungesundem
Maße abgebaut und verbraucht werden. Eigentlich ein Jammer, dass sich
Öl nur kurz über 150 $ das Fass hielt. Doch jetzt, wo die Krise da ist,
oder besser ausgedrückt, jetzt, wo sich gewisse Gleichgewichte wieder
einstellen und Übertreibungen eingerenkt werden könnten, was macht da
der Staat?
Er setzt alles daran, diesen Gesundungs- und
Schrumpfungskurs zu verhindern, oder zumindest hinauszuzögern. Die
Ursachen der Schieflage werden nicht bekämpft, sondern sogar verstärkt.
Kein Wunder, werden meist doch die Brandstifter dieses Flächenbrandes
noch als Feuerwehrleute eingesetzt.
Ein Blick auf die Überschriften der vergangenen
Woche reicht, um regelrecht schwindelig zu werden angesichts der
Ausmaße und Auswüchse der Rettungspakete. Montag: China stützt
Wirtschaft mit 600-Mrd.-$-Investitionsprogramm. Obama präzisiert sein
Konjunkturpaket. Deutsche Autobanken erwägen Teilnahme an Staatshilfe.
Dienstag: US-Regierung muss AIG erneut retten - 150 Mrd. $.
Citigroup erwägt Kauf von US-Regionalbank. USA fluten Markt mit neuen
Anleihen. Mittwoch: Weisenrat fordert 25-Mrd.-Euro-Paket. Airbus
fordert Soforthilfe von Bund für Fluglinien. Koalition einigt sich auf
befristete Kfz-Steuerbefreiung. American Express rettet sich in
Bank-Status. Banken wollen Staatseingriffe kurz halten. Britische
Regierung dringt Banken zu Senkung der Kreditkartenzinsen.
Donnerstag: US-Regierung will Markt für Konsumentenkredite stützen.
Freitag: USA sichert GE-Kredite bis 139 Mrd. $. 20 Banken suchen
Rettung beim Bund. WestLB schreibt Gewinn dank Risikoschirm. Und noch
ein Schmankerl vom 4. November: Paris drängt Banken zu großzügiger
Kreditvergabe.
Nicht schlecht, die Schlagzeilen nur einer Woche. Da muss man erst gar
keine Goldman-Paulson-Lehman-Gold-Öl oder sonstige
Verschwörungstheorien bemühen, die Realität, wie sie sich von
offizieller Seite zeigt, ist erschreckend genug. Da ist zunächst die
die Unsicherheit noch weiter antreibende Inkonsistenz insbesondere der
US-Administration: Die eine Bank wird gerettet, die andere nicht, mal
bluten die Anleihe-, mal die Aktienbesitzer, hier wird verstaatlicht,
dort nicht, mal sollen Ramschhypotheken gekauft werden, mal nicht.
Aber das weit größere Übel ist, dass alles getan wird, um das kranke
System am Leben zu erhalten, anstatt den dringenden Wandel
herbeizuführen. Wann, wenn nicht jetzt?
Konsum statt Verzicht
Mit den bisherigen Maßnahmen sagen die Regierungen: Bürger, nimmt
weiter Kredit auf, kauft weiter ein, was das Zeug hält - das ist
patriotische Pflicht. Deutsche Pfennigfuchser, kauft am besten teure
Spritfresser, da könnt ihr Steuern sparen. Banken, verleiht weiter
ordentlich Geld, nicht obwohl, sondern gerade weil eine Rezession tobt
- das ist Pflicht.
Notfalls garantieren wir für alles. Bankmanager, bitte vertraut euch
wieder gegenseitig, auch wenn ihr voneinander wisst, wie kaputt eure
Bilanzen sind: Macht insgesamt fast so weiter wie bisher, oder, besser
noch, sogar mit deutlich weniger Wettbewerb als vorher, wir winken
grade jede Fusion durch. Amerikanische Autobauer, baut einfach weiter
in veralteten Fabriken eure spritfressenden Schrottautos, wir schützen
euch vor Wettbewerb und bürgen für eure Misswirtschaft.
Und ihr Staatsoberen von China, wenn die Privatwirtschaft nicht mehr
investiert, dann doch bitte ihr, auf dass das Land weiterhin hohe
Überkapazitäten aufbauen kann. Im Klartext: Der Westen soll weiterhin
über seine Verhältnisse leben, und Asien soll dafür produzieren.
Von einem Erkenntnisgewinn ist in dieser Krise
bisher also nichts zu sehen. Die Katharsis, die Besinnung, die
Reinigung, das alles fehlt. Selbst die funktionierenden
selbstregulierenden Kräfte der Marktwirtschaft werden einfach außer
Kraft gesetzt, Überflüssiges am Leben erhalten. In dem Sinne kann man
nur hoffen, dass die Krise noch ein wenig anhält.
..und genau darüber sollten wir alle einmal nachdenken - der beste artikel den ich seit längeren lesen konnte !!!
17.11.2008 - 07:06
Anstatt die Ursachen der Krise zu bekämpfen, verstärkt man sie sogar. Der Erkenntnisgewinn bisher ist Null.
Die Krise läuft bisher insgesamt unbefriedigend. Sie hat noch nicht
einmal richtig begonnen, und doch ergreift einen ob der bis dato
eingeleiteten staatlichen Rettungsaktionen und Maßnahmenpakete sowie
dem unverändert selbstherrlichen Gebaren der hauptschuldigen Banker das
kalte Grauen.
Es ist ja nicht so, dass die Krise sehr
ungelegen kommt, es war höchste Zeit. Die Liste der Dinge, die aus dem
Ruder geraten waren, der Ungleichgewichte, Übertreibungen und Exzesse,
ist lang und wohlbekannt.
Dass hier irgendwas nicht stimmt, konnte auch jeder Normalbürger
unschwer erkennen: Für 20 Euro nach Spanien fliegen, wo sich die
Ferienhauspreise alle drei Jahre verdoppeln und wo die Innenstädte
ebenfalls mit überflüssigen Kleinpanzer-SUVs vollgestopft sind, das ist
alles andere als normal.
Da es die Resource Geld scheinbar fast umsonst und unbegrenzt gab,
konnten die wirklich begrenzten Resourcen, die Rohstoffe, in ungesundem
Maße abgebaut und verbraucht werden. Eigentlich ein Jammer, dass sich
Öl nur kurz über 150 $ das Fass hielt. Doch jetzt, wo die Krise da ist,
oder besser ausgedrückt, jetzt, wo sich gewisse Gleichgewichte wieder
einstellen und Übertreibungen eingerenkt werden könnten, was macht da
der Staat?
Er setzt alles daran, diesen Gesundungs- und
Schrumpfungskurs zu verhindern, oder zumindest hinauszuzögern. Die
Ursachen der Schieflage werden nicht bekämpft, sondern sogar verstärkt.
Kein Wunder, werden meist doch die Brandstifter dieses Flächenbrandes
noch als Feuerwehrleute eingesetzt.
Ein Blick auf die Überschriften der vergangenen
Woche reicht, um regelrecht schwindelig zu werden angesichts der
Ausmaße und Auswüchse der Rettungspakete. Montag: China stützt
Wirtschaft mit 600-Mrd.-$-Investitionsprogramm. Obama präzisiert sein
Konjunkturpaket. Deutsche Autobanken erwägen Teilnahme an Staatshilfe.
Dienstag: US-Regierung muss AIG erneut retten - 150 Mrd. $.
Citigroup erwägt Kauf von US-Regionalbank. USA fluten Markt mit neuen
Anleihen. Mittwoch: Weisenrat fordert 25-Mrd.-Euro-Paket. Airbus
fordert Soforthilfe von Bund für Fluglinien. Koalition einigt sich auf
befristete Kfz-Steuerbefreiung. American Express rettet sich in
Bank-Status. Banken wollen Staatseingriffe kurz halten. Britische
Regierung dringt Banken zu Senkung der Kreditkartenzinsen.
Donnerstag: US-Regierung will Markt für Konsumentenkredite stützen.
Freitag: USA sichert GE-Kredite bis 139 Mrd. $. 20 Banken suchen
Rettung beim Bund. WestLB schreibt Gewinn dank Risikoschirm. Und noch
ein Schmankerl vom 4. November: Paris drängt Banken zu großzügiger
Kreditvergabe.
Nicht schlecht, die Schlagzeilen nur einer Woche. Da muss man erst gar
keine Goldman-Paulson-Lehman-Gold-Öl oder sonstige
Verschwörungstheorien bemühen, die Realität, wie sie sich von
offizieller Seite zeigt, ist erschreckend genug. Da ist zunächst die
die Unsicherheit noch weiter antreibende Inkonsistenz insbesondere der
US-Administration: Die eine Bank wird gerettet, die andere nicht, mal
bluten die Anleihe-, mal die Aktienbesitzer, hier wird verstaatlicht,
dort nicht, mal sollen Ramschhypotheken gekauft werden, mal nicht.
Aber das weit größere Übel ist, dass alles getan wird, um das kranke
System am Leben zu erhalten, anstatt den dringenden Wandel
herbeizuführen. Wann, wenn nicht jetzt?
Konsum statt Verzicht
Mit den bisherigen Maßnahmen sagen die Regierungen: Bürger, nimmt
weiter Kredit auf, kauft weiter ein, was das Zeug hält - das ist
patriotische Pflicht. Deutsche Pfennigfuchser, kauft am besten teure
Spritfresser, da könnt ihr Steuern sparen. Banken, verleiht weiter
ordentlich Geld, nicht obwohl, sondern gerade weil eine Rezession tobt
- das ist Pflicht.
Notfalls garantieren wir für alles. Bankmanager, bitte vertraut euch
wieder gegenseitig, auch wenn ihr voneinander wisst, wie kaputt eure
Bilanzen sind: Macht insgesamt fast so weiter wie bisher, oder, besser
noch, sogar mit deutlich weniger Wettbewerb als vorher, wir winken
grade jede Fusion durch. Amerikanische Autobauer, baut einfach weiter
in veralteten Fabriken eure spritfressenden Schrottautos, wir schützen
euch vor Wettbewerb und bürgen für eure Misswirtschaft.
Und ihr Staatsoberen von China, wenn die Privatwirtschaft nicht mehr
investiert, dann doch bitte ihr, auf dass das Land weiterhin hohe
Überkapazitäten aufbauen kann. Im Klartext: Der Westen soll weiterhin
über seine Verhältnisse leben, und Asien soll dafür produzieren.
Von einem Erkenntnisgewinn ist in dieser Krise
bisher also nichts zu sehen. Die Katharsis, die Besinnung, die
Reinigung, das alles fehlt. Selbst die funktionierenden
selbstregulierenden Kräfte der Marktwirtschaft werden einfach außer
Kraft gesetzt, Überflüssiges am Leben erhalten. In dem Sinne kann man
nur hoffen, dass die Krise noch ein wenig anhält.
..und genau darüber sollten wir alle einmal nachdenken - der beste artikel den ich seit längeren lesen konnte !!!
Antwort auf Beitrag Nr.: 35.981.850 von durran am 17.11.08 21:29:12und noch einer mit durchblick !
17.11.2008
Der FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff "Der Staat kann die Nachfrage nicht ersetzen"
FDP-Politiker Lambsdorff über mögliche Hilfen für Opel
Otto Graf Lambsdorff im Gespräch mit Gerd Breker
Der frühere Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP) hat sich gegen staatliche Bürgschaften für den angeschlagenen Autobauer Opel ausgesprochen. "Seit wann finden Automobilkonferenzen im Auswärtigen Amt statt?" kritisierte Graf Lambsdorff. Er rechne damit, dass auch Autozulieferer und andere Branchen von der Krise erfasst werden. Helfen könne der Staat nur den Belegschaften.
Gerd Breker: Der Hilferuf des Autobauers Opel fand allseits offene Ohren. Geradezu eilfertig meldeten sich die Ministerpräsidenten der Länder zu Wort, in denen Werke des Autoherstellers stationiert sind. Klar werde man helfen. Sicher wäre man zu einer Bürgschaft bereit. Die Bundeskanzlerin im fernen Washington, noch auf dem Weltfinanzgipfel, verkündet: Hilfe für Opel, das sei Chefsache, und sie lud alle Verantwortlichen zum Autogipfel nach Berlin. Das Ob hängt offenbar nur noch von technischen Dingen ab. Skeptiker und Optimisten vor dem Autogipfel. Am Telefon begrüße ich nun den ehemaligen Wirtschaftsminister, den FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff. Guten Tag, Herr Lambsdorff.
Otto Graf Lambsdorff: Guten Tag, Herr Breker.
Breker: Ein Ordnungspolitiker muss in diesen Krisenzeiten leiden wie Hund. Wider besserer Einsicht greift der Staat in den Markt.
Graf Lambsdorff: Ja, das ist leider richtig. Aber die Frage ist natürlich auch, was kann der Staat tun, was soll der Staat tun oder was soll er nicht tun. So einfach ist das ja nicht, dass man einfach Geld über den Tisch schiebt und meint, man hätte dann die Arbeitsplätze erhalten und man hätte die Standorte erhalten, wie sich das aus manchen Stellungnahmen, die Sie eben zitiert haben, ablesen lässt. Die Wahrheit heißt, dass die Plätze vor den Unternehmen vollgeparkt sind mit nicht verkauften Autos - und zwar in allen Firmen, nicht nur bei Opel. Und die Nachfrage ist ausgefallen. Diese Nachfrage kann der Staat nicht ersetzen. Es ist völlig unmöglich, dass der Staat anfängt, die Autos zu kaufen und damit die Arbeitsplätze zu sichern.
Die einzige Möglichkeit, die der Staat hat, ist, ist die Rahmenbedingungen zu verbessern, die Nachfragesituation zu verbessern, und das kann nur geschehen durch eine allgemeine Steuersenkung, die es den Menschen leichter macht, Kaufentscheidungen zu fällen. Andere Möglichkeiten sehe ich nicht.
Im Falle Opel ist es natürlich besonders prekär, weil die Verbindung zu General Motors eine Rolle spielt. Hier wird immer davon gesprochen, wir sollen kein Geld nach Detroit schicken. In Wahrheit hat Opel eine Milliarden-Forderung an Detroit. Und wenn Detroit morgen die Insolvenz anmeldet, dann kann und darf Detroit diese Forderung nicht begleichen und Opel kann kein Geld bekommen. Das heißt, die sind längst so miteinander verbunden, dass jede Hilfeleistung, die hier Opel erfahren würde, Detroit zugute käme.
Breker: Das heißt, wenn die Bundesregierung, wenn die Bundesländer eine Bürgschaft für Opel aussprechen, dann subventionieren sie schlicht ein US-amerikanisches Unternehmen?
Graf Lambsdorff: Das ist leider zu einem guten Teil richtig, ja. Das kann nicht geschehen und das darf auch nicht geschehen. Es kommt ja ein zweiter Gesichtspunkt hinzu, Herr Breker. Den hat Herr Steinbrück richtig angesprochen, allerdings mit einer etwas zaghaften Schlussaussage. Er sagt, wir wollen keine Trittbrettfahrer einladen.
Er braucht niemanden einzuladen. Die melden sich im Bundeswirtschaftsministerium, bei der Bundesregierung schon in großen Scharen - nämlich die Branchen, die sagen, wenn der Autoindustrie geholfen wird in ihrer schwierigen Lage, wer hilft dann uns, insbesondere der Zulieferindustrie, aber auch anderen Branchen? Wenn das so geht, dann wollen wir uns auch beim Staat in die Reihe stellen und wollen auch sehen, dass wir Geld oder Bürgschaften bekommen. Das ist natürlich ordnungspolitisch völlig sinnlos und völlig falsch, aber außerdem auch praktisch unmöglich. Es kann zu keinem vernünftigen Ergebnis führen.
Breker: Sie haben es schon angedeutet, Graf Lambsdorff. Die Krise bei Opel, das ist eigentlich weniger eine Krise, die herrührt aus der Finanzkrise, sondern es ist eine verfehlte Modellpolitik, es ist eher eine Nachfragekrise.
Graf Lambsdorff: Ja. Das ist eindeutig so. Die Modellpolitik war sicherlich falsch. Das wissen wir heute. Ganz besonders falsch war sie in Amerika, und deswegen sind auch die großen Schwierigkeiten für General Motors entstanden. Aber die war auch in Deutschland falsch und auch in Deutschland schwierig. Auch hier hat man nicht das produziert, was die Kunden kaufen wollen und was die Menschen haben möchten. Dann gibt es keine Nachfrage, und wenn diese Nachfrage ausfällt, dann ist es billig, aber auch falsch und praktisch ganz unmöglich, den Staat aufzufordern, diese Nachfrage zu ersetzen. Das kann er nicht.
Breker: Und ein Unternehmen, das sich in normalen Zeiten nicht am Markt behaupten kann, das geht Pleite.
Graf Lambsdorff: Das gilt insbesondere, Herr Breker, für Unternehmen, die nicht so groß sind. Hier gilt auch wieder der schöne Grundsatz 'too big to fail' - also 'zu groß, um Pleite zu gehen', weil zu viele Arbeitsplätze damit verbunden sind. Bei der Frage nach Arbeitsplätzen und Arbeitsplatzverlusten, da muss das ganze Instrumentarium unserer Arbeitsmarktpolitik einsetzen. Da müssen wir alles tun, was irgend möglich ist. Das kann vielleicht auch noch verbessert werden. Hätten wir übrigens in den vergangenen Jahren mehr Reformen, mehr Strukturreformen gewagt und mehr Flexibilität in unsere Wirtschaft hineingeführt und hineingebracht, dann wäre diese Krise besser zu überstehen.
Ich sage nur eines voraus, Herr Breker. Auch darüber muss man sich im Klaren sein. Jetzt ist die Automobilindustrie betroffen. In Zeiten der Rezession - und die haben wir; die Regierung hat viel zu spät zugestanden, dass wir eine Rezession haben, viel zu spät - werden auch andere kommen und werden in gleicher Schwierigkeit sein. Wir werden solche unerfreulichen Meldungen - nennen Sie sie meinethalben Tartarenmeldungen, aber es sind leider Wahrheitsmeldungen - in Zukunft von vielen Bereichen, aus vielen Ecken noch hören. Wir müssen da durch. Einfach wird das nicht. Es wird eine harte Zeit für alle Beteiligten.
Breker: Und das heißt, die Politik in Berlin muss sich damit abfinden, dass es häufiger schlechte Nachrichten gibt, oder geht es Ihnen anders? Wenn ich die Kollegen in Berlin höre, dann habe ich den Eindruck, dass im Superwahljahr 2009 gar keine große Firma mehr Pleite gehen darf.
Graf Lambsdorff: Ja. Das wird man versuchen, und das ist ja das Unerfreuliche auch jetzt in dieser Situation. Dieser Wettlauf zwischen Hase und Igel - wer ist denn nun eigentlich der erste bei Opel, wer macht es denn schneller, Herr Steinmeier oder macht es Frau Merkel? - das ist eine unerfreuliche Entwicklung, die eigentlich nicht stattfinden darf. Seit wann finden Automobilkonferenzen im Auswärtigen Amt statt? Das hat natürlich mit Wahlkampf zu tun, und das wird auch weiterhin so gehen. Das hilft aber alles nichts. Die Gesetze der Ökonomie werden sie auch in Wahlkampfzeiten nicht auf den Kopf stellen können, und die Gesetze der Ökonomie zeigen zurzeit voraus: Es sieht unerfreulich aus. Wir haben eine Rezession. Wir verlieren Arbeitsplätze. Wir verlieren Wachstum, und wir müssen die Zähne zusammenbeißen. Es hilft alles nichts und da durch.
Die einzigen, denen wir wirklich so gut es geht versuchen müssen zu helfen, das sind die Belegschaften. Das sind diejenigen, deren Arbeitsplätze gefährdet sind. Bei den Zeitarbeitern wird es ohnehin schnell sein, dass die abgebaut werden. Aber es wird auch zu betriebsbedingten Kündigungen führen können und wahrscheinlich auch führen müssen. Und da muss der Staat versuchen zu helfen.
Breker: Eine zweite Möglichkeit, die der Staat hat, wäre - Sie haben es schon angedeutet - auf der Nachfrageseite etwas zu tun, also den Konsum anzuregen, sprich: ganz konkret entweder Steuersenkungen, die direkten Steuern zu senken, oder gar, wie es Präsident Bush gemacht hat, mit Gutschriften, Steuergutschriften an die Konsumenten zu gehen.
Graf Lambsdorff: Ob sie das mit Steuergutschriften machen, das ist eine amerikanische Methode. Im Grunde unterscheidet sich das nicht weit von dem, was wir hier sagen. Aber richtig ist es, auch ordnungspolitisch richtig, auch deutschen finanzpolitischen Vorstellungen entsprechend, dass wir dann eine allgemeine Steuersenkung machen. Nur hier sage ich noch einmal, Herr Breker: Da wird der Finanzminister aufschreien. Er hat keinen Spielraum für eine allgemeine Steuersenkung. Und warum hat er keinen Spielraum? Weil er nicht genug konsolidiert hat in guten Zeiten.
Breker: Otto Graf Lambsdorff war das im Deutschlandfunk in den "Informationen am Mittag". Graf Lambsdorff, ich danke für dieses Gespräch.
Graf Lambsdorff: Bitte sehr. Auf Wiederhören!
17.11.2008
Der FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff "Der Staat kann die Nachfrage nicht ersetzen"
FDP-Politiker Lambsdorff über mögliche Hilfen für Opel
Otto Graf Lambsdorff im Gespräch mit Gerd Breker
Der frühere Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP) hat sich gegen staatliche Bürgschaften für den angeschlagenen Autobauer Opel ausgesprochen. "Seit wann finden Automobilkonferenzen im Auswärtigen Amt statt?" kritisierte Graf Lambsdorff. Er rechne damit, dass auch Autozulieferer und andere Branchen von der Krise erfasst werden. Helfen könne der Staat nur den Belegschaften.
Gerd Breker: Der Hilferuf des Autobauers Opel fand allseits offene Ohren. Geradezu eilfertig meldeten sich die Ministerpräsidenten der Länder zu Wort, in denen Werke des Autoherstellers stationiert sind. Klar werde man helfen. Sicher wäre man zu einer Bürgschaft bereit. Die Bundeskanzlerin im fernen Washington, noch auf dem Weltfinanzgipfel, verkündet: Hilfe für Opel, das sei Chefsache, und sie lud alle Verantwortlichen zum Autogipfel nach Berlin. Das Ob hängt offenbar nur noch von technischen Dingen ab. Skeptiker und Optimisten vor dem Autogipfel. Am Telefon begrüße ich nun den ehemaligen Wirtschaftsminister, den FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff. Guten Tag, Herr Lambsdorff.
Otto Graf Lambsdorff: Guten Tag, Herr Breker.
Breker: Ein Ordnungspolitiker muss in diesen Krisenzeiten leiden wie Hund. Wider besserer Einsicht greift der Staat in den Markt.
Graf Lambsdorff: Ja, das ist leider richtig. Aber die Frage ist natürlich auch, was kann der Staat tun, was soll der Staat tun oder was soll er nicht tun. So einfach ist das ja nicht, dass man einfach Geld über den Tisch schiebt und meint, man hätte dann die Arbeitsplätze erhalten und man hätte die Standorte erhalten, wie sich das aus manchen Stellungnahmen, die Sie eben zitiert haben, ablesen lässt. Die Wahrheit heißt, dass die Plätze vor den Unternehmen vollgeparkt sind mit nicht verkauften Autos - und zwar in allen Firmen, nicht nur bei Opel. Und die Nachfrage ist ausgefallen. Diese Nachfrage kann der Staat nicht ersetzen. Es ist völlig unmöglich, dass der Staat anfängt, die Autos zu kaufen und damit die Arbeitsplätze zu sichern.
Die einzige Möglichkeit, die der Staat hat, ist, ist die Rahmenbedingungen zu verbessern, die Nachfragesituation zu verbessern, und das kann nur geschehen durch eine allgemeine Steuersenkung, die es den Menschen leichter macht, Kaufentscheidungen zu fällen. Andere Möglichkeiten sehe ich nicht.
Im Falle Opel ist es natürlich besonders prekär, weil die Verbindung zu General Motors eine Rolle spielt. Hier wird immer davon gesprochen, wir sollen kein Geld nach Detroit schicken. In Wahrheit hat Opel eine Milliarden-Forderung an Detroit. Und wenn Detroit morgen die Insolvenz anmeldet, dann kann und darf Detroit diese Forderung nicht begleichen und Opel kann kein Geld bekommen. Das heißt, die sind längst so miteinander verbunden, dass jede Hilfeleistung, die hier Opel erfahren würde, Detroit zugute käme.
Breker: Das heißt, wenn die Bundesregierung, wenn die Bundesländer eine Bürgschaft für Opel aussprechen, dann subventionieren sie schlicht ein US-amerikanisches Unternehmen?
Graf Lambsdorff: Das ist leider zu einem guten Teil richtig, ja. Das kann nicht geschehen und das darf auch nicht geschehen. Es kommt ja ein zweiter Gesichtspunkt hinzu, Herr Breker. Den hat Herr Steinbrück richtig angesprochen, allerdings mit einer etwas zaghaften Schlussaussage. Er sagt, wir wollen keine Trittbrettfahrer einladen.
Er braucht niemanden einzuladen. Die melden sich im Bundeswirtschaftsministerium, bei der Bundesregierung schon in großen Scharen - nämlich die Branchen, die sagen, wenn der Autoindustrie geholfen wird in ihrer schwierigen Lage, wer hilft dann uns, insbesondere der Zulieferindustrie, aber auch anderen Branchen? Wenn das so geht, dann wollen wir uns auch beim Staat in die Reihe stellen und wollen auch sehen, dass wir Geld oder Bürgschaften bekommen. Das ist natürlich ordnungspolitisch völlig sinnlos und völlig falsch, aber außerdem auch praktisch unmöglich. Es kann zu keinem vernünftigen Ergebnis führen.
Breker: Sie haben es schon angedeutet, Graf Lambsdorff. Die Krise bei Opel, das ist eigentlich weniger eine Krise, die herrührt aus der Finanzkrise, sondern es ist eine verfehlte Modellpolitik, es ist eher eine Nachfragekrise.
Graf Lambsdorff: Ja. Das ist eindeutig so. Die Modellpolitik war sicherlich falsch. Das wissen wir heute. Ganz besonders falsch war sie in Amerika, und deswegen sind auch die großen Schwierigkeiten für General Motors entstanden. Aber die war auch in Deutschland falsch und auch in Deutschland schwierig. Auch hier hat man nicht das produziert, was die Kunden kaufen wollen und was die Menschen haben möchten. Dann gibt es keine Nachfrage, und wenn diese Nachfrage ausfällt, dann ist es billig, aber auch falsch und praktisch ganz unmöglich, den Staat aufzufordern, diese Nachfrage zu ersetzen. Das kann er nicht.
Breker: Und ein Unternehmen, das sich in normalen Zeiten nicht am Markt behaupten kann, das geht Pleite.
Graf Lambsdorff: Das gilt insbesondere, Herr Breker, für Unternehmen, die nicht so groß sind. Hier gilt auch wieder der schöne Grundsatz 'too big to fail' - also 'zu groß, um Pleite zu gehen', weil zu viele Arbeitsplätze damit verbunden sind. Bei der Frage nach Arbeitsplätzen und Arbeitsplatzverlusten, da muss das ganze Instrumentarium unserer Arbeitsmarktpolitik einsetzen. Da müssen wir alles tun, was irgend möglich ist. Das kann vielleicht auch noch verbessert werden. Hätten wir übrigens in den vergangenen Jahren mehr Reformen, mehr Strukturreformen gewagt und mehr Flexibilität in unsere Wirtschaft hineingeführt und hineingebracht, dann wäre diese Krise besser zu überstehen.
Ich sage nur eines voraus, Herr Breker. Auch darüber muss man sich im Klaren sein. Jetzt ist die Automobilindustrie betroffen. In Zeiten der Rezession - und die haben wir; die Regierung hat viel zu spät zugestanden, dass wir eine Rezession haben, viel zu spät - werden auch andere kommen und werden in gleicher Schwierigkeit sein. Wir werden solche unerfreulichen Meldungen - nennen Sie sie meinethalben Tartarenmeldungen, aber es sind leider Wahrheitsmeldungen - in Zukunft von vielen Bereichen, aus vielen Ecken noch hören. Wir müssen da durch. Einfach wird das nicht. Es wird eine harte Zeit für alle Beteiligten.
Breker: Und das heißt, die Politik in Berlin muss sich damit abfinden, dass es häufiger schlechte Nachrichten gibt, oder geht es Ihnen anders? Wenn ich die Kollegen in Berlin höre, dann habe ich den Eindruck, dass im Superwahljahr 2009 gar keine große Firma mehr Pleite gehen darf.
Graf Lambsdorff: Ja. Das wird man versuchen, und das ist ja das Unerfreuliche auch jetzt in dieser Situation. Dieser Wettlauf zwischen Hase und Igel - wer ist denn nun eigentlich der erste bei Opel, wer macht es denn schneller, Herr Steinmeier oder macht es Frau Merkel? - das ist eine unerfreuliche Entwicklung, die eigentlich nicht stattfinden darf. Seit wann finden Automobilkonferenzen im Auswärtigen Amt statt? Das hat natürlich mit Wahlkampf zu tun, und das wird auch weiterhin so gehen. Das hilft aber alles nichts. Die Gesetze der Ökonomie werden sie auch in Wahlkampfzeiten nicht auf den Kopf stellen können, und die Gesetze der Ökonomie zeigen zurzeit voraus: Es sieht unerfreulich aus. Wir haben eine Rezession. Wir verlieren Arbeitsplätze. Wir verlieren Wachstum, und wir müssen die Zähne zusammenbeißen. Es hilft alles nichts und da durch.
Die einzigen, denen wir wirklich so gut es geht versuchen müssen zu helfen, das sind die Belegschaften. Das sind diejenigen, deren Arbeitsplätze gefährdet sind. Bei den Zeitarbeitern wird es ohnehin schnell sein, dass die abgebaut werden. Aber es wird auch zu betriebsbedingten Kündigungen führen können und wahrscheinlich auch führen müssen. Und da muss der Staat versuchen zu helfen.
Breker: Eine zweite Möglichkeit, die der Staat hat, wäre - Sie haben es schon angedeutet - auf der Nachfrageseite etwas zu tun, also den Konsum anzuregen, sprich: ganz konkret entweder Steuersenkungen, die direkten Steuern zu senken, oder gar, wie es Präsident Bush gemacht hat, mit Gutschriften, Steuergutschriften an die Konsumenten zu gehen.
Graf Lambsdorff: Ob sie das mit Steuergutschriften machen, das ist eine amerikanische Methode. Im Grunde unterscheidet sich das nicht weit von dem, was wir hier sagen. Aber richtig ist es, auch ordnungspolitisch richtig, auch deutschen finanzpolitischen Vorstellungen entsprechend, dass wir dann eine allgemeine Steuersenkung machen. Nur hier sage ich noch einmal, Herr Breker: Da wird der Finanzminister aufschreien. Er hat keinen Spielraum für eine allgemeine Steuersenkung. Und warum hat er keinen Spielraum? Weil er nicht genug konsolidiert hat in guten Zeiten.
Breker: Otto Graf Lambsdorff war das im Deutschlandfunk in den "Informationen am Mittag". Graf Lambsdorff, ich danke für dieses Gespräch.
Graf Lambsdorff: Bitte sehr. Auf Wiederhören!
Antwort auf Beitrag Nr.: 35.981.850 von durran am 17.11.08 21:29:12wenigstens noch einer mit durchblick
17.11.2008
Der FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff (Bild: AP) "Der Staat kann die Nachfrage nicht ersetzen"
FDP-Politiker Lambsdorff über mögliche Hilfen für Opel
Otto Graf Lambsdorff im Gespräch mit Gerd Breker
Der frühere Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP) hat sich gegen staatliche Bürgschaften für den angeschlagenen Autobauer Opel ausgesprochen. "Seit wann finden Automobilkonferenzen im Auswärtigen Amt statt?" kritisierte Graf Lambsdorff. Er rechne damit, dass auch Autozulieferer und andere Branchen von der Krise erfasst werden. Helfen könne der Staat nur den Belegschaften.
Gerd Breker: Der Hilferuf des Autobauers Opel fand allseits offene Ohren. Geradezu eilfertig meldeten sich die Ministerpräsidenten der Länder zu Wort, in denen Werke des Autoherstellers stationiert sind. Klar werde man helfen. Sicher wäre man zu einer Bürgschaft bereit. Die Bundeskanzlerin im fernen Washington, noch auf dem Weltfinanzgipfel, verkündet: Hilfe für Opel, das sei Chefsache, und sie lud alle Verantwortlichen zum Autogipfel nach Berlin. Das Ob hängt offenbar nur noch von technischen Dingen ab. Skeptiker und Optimisten vor dem Autogipfel. Am Telefon begrüße ich nun den ehemaligen Wirtschaftsminister, den FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff. Guten Tag, Herr Lambsdorff.
Otto Graf Lambsdorff: Guten Tag, Herr Breker.
Breker: Ein Ordnungspolitiker muss in diesen Krisenzeiten leiden wie Hund. Wider besserer Einsicht greift der Staat in den Markt.
Graf Lambsdorff: Ja, das ist leider richtig. Aber die Frage ist natürlich auch, was kann der Staat tun, was soll der Staat tun oder was soll er nicht tun. So einfach ist das ja nicht, dass man einfach Geld über den Tisch schiebt und meint, man hätte dann die Arbeitsplätze erhalten und man hätte die Standorte erhalten, wie sich das aus manchen Stellungnahmen, die Sie eben zitiert haben, ablesen lässt. Die Wahrheit heißt, dass die Plätze vor den Unternehmen vollgeparkt sind mit nicht verkauften Autos - und zwar in allen Firmen, nicht nur bei Opel. Und die Nachfrage ist ausgefallen. Diese Nachfrage kann der Staat nicht ersetzen. Es ist völlig unmöglich, dass der Staat anfängt, die Autos zu kaufen und damit die Arbeitsplätze zu sichern.
Die einzige Möglichkeit, die der Staat hat, ist, ist die Rahmenbedingungen zu verbessern, die Nachfragesituation zu verbessern, und das kann nur geschehen durch eine allgemeine Steuersenkung, die es den Menschen leichter macht, Kaufentscheidungen zu fällen. Andere Möglichkeiten sehe ich nicht.
Im Falle Opel ist es natürlich besonders prekär, weil die Verbindung zu General Motors eine Rolle spielt. Hier wird immer davon gesprochen, wir sollen kein Geld nach Detroit schicken. In Wahrheit hat Opel eine Milliarden-Forderung an Detroit. Und wenn Detroit morgen die Insolvenz anmeldet, dann kann und darf Detroit diese Forderung nicht begleichen und Opel kann kein Geld bekommen. Das heißt, die sind längst so miteinander verbunden, dass jede Hilfeleistung, die hier Opel erfahren würde, Detroit zugute käme.
Breker: Das heißt, wenn die Bundesregierung, wenn die Bundesländer eine Bürgschaft für Opel aussprechen, dann subventionieren sie schlicht ein US-amerikanisches Unternehmen?
Graf Lambsdorff: Das ist leider zu einem guten Teil richtig, ja. Das kann nicht geschehen und das darf auch nicht geschehen. Es kommt ja ein zweiter Gesichtspunkt hinzu, Herr Breker. Den hat Herr Steinbrück richtig angesprochen, allerdings mit einer etwas zaghaften Schlussaussage. Er sagt, wir wollen keine Trittbrettfahrer einladen.
Er braucht niemanden einzuladen. Die melden sich im Bundeswirtschaftsministerium, bei der Bundesregierung schon in großen Scharen - nämlich die Branchen, die sagen, wenn der Autoindustrie geholfen wird in ihrer schwierigen Lage, wer hilft dann uns, insbesondere der Zulieferindustrie, aber auch anderen Branchen? Wenn das so geht, dann wollen wir uns auch beim Staat in die Reihe stellen und wollen auch sehen, dass wir Geld oder Bürgschaften bekommen. Das ist natürlich ordnungspolitisch völlig sinnlos und völlig falsch, aber außerdem auch praktisch unmöglich. Es kann zu keinem vernünftigen Ergebnis führen.
Breker: Sie haben es schon angedeutet, Graf Lambsdorff. Die Krise bei Opel, das ist eigentlich weniger eine Krise, die herrührt aus der Finanzkrise, sondern es ist eine verfehlte Modellpolitik, es ist eher eine Nachfragekrise.
Graf Lambsdorff: Ja. Das ist eindeutig so. Die Modellpolitik war sicherlich falsch. Das wissen wir heute. Ganz besonders falsch war sie in Amerika, und deswegen sind auch die großen Schwierigkeiten für General Motors entstanden. Aber die war auch in Deutschland falsch und auch in Deutschland schwierig. Auch hier hat man nicht das produziert, was die Kunden kaufen wollen und was die Menschen haben möchten. Dann gibt es keine Nachfrage, und wenn diese Nachfrage ausfällt, dann ist es billig, aber auch falsch und praktisch ganz unmöglich, den Staat aufzufordern, diese Nachfrage zu ersetzen. Das kann er nicht.
Breker: Und ein Unternehmen, das sich in normalen Zeiten nicht am Markt behaupten kann, das geht Pleite.
Graf Lambsdorff: Das gilt insbesondere, Herr Breker, für Unternehmen, die nicht so groß sind. Hier gilt auch wieder der schöne Grundsatz 'too big to fail' - also 'zu groß, um Pleite zu gehen', weil zu viele Arbeitsplätze damit verbunden sind. Bei der Frage nach Arbeitsplätzen und Arbeitsplatzverlusten, da muss das ganze Instrumentarium unserer Arbeitsmarktpolitik einsetzen. Da müssen wir alles tun, was irgend möglich ist. Das kann vielleicht auch noch verbessert werden. Hätten wir übrigens in den vergangenen Jahren mehr Reformen, mehr Strukturreformen gewagt und mehr Flexibilität in unsere Wirtschaft hineingeführt und hineingebracht, dann wäre diese Krise besser zu überstehen.
Ich sage nur eines voraus, Herr Breker. Auch darüber muss man sich im Klaren sein. Jetzt ist die Automobilindustrie betroffen. In Zeiten der Rezession - und die haben wir; die Regierung hat viel zu spät zugestanden, dass wir eine Rezession haben, viel zu spät - werden auch andere kommen und werden in gleicher Schwierigkeit sein. Wir werden solche unerfreulichen Meldungen - nennen Sie sie meinethalben Tartarenmeldungen, aber es sind leider Wahrheitsmeldungen - in Zukunft von vielen Bereichen, aus vielen Ecken noch hören. Wir müssen da durch. Einfach wird das nicht. Es wird eine harte Zeit für alle Beteiligten.
Breker: Und das heißt, die Politik in Berlin muss sich damit abfinden, dass es häufiger schlechte Nachrichten gibt, oder geht es Ihnen anders? Wenn ich die Kollegen in Berlin höre, dann habe ich den Eindruck, dass im Superwahljahr 2009 gar keine große Firma mehr Pleite gehen darf.
Graf Lambsdorff: Ja. Das wird man versuchen, und das ist ja das Unerfreuliche auch jetzt in dieser Situation. Dieser Wettlauf zwischen Hase und Igel - wer ist denn nun eigentlich der erste bei Opel, wer macht es denn schneller, Herr Steinmeier oder macht es Frau Merkel? - das ist eine unerfreuliche Entwicklung, die eigentlich nicht stattfinden darf. Seit wann finden Automobilkonferenzen im Auswärtigen Amt statt? Das hat natürlich mit Wahlkampf zu tun, und das wird auch weiterhin so gehen. Das hilft aber alles nichts. Die Gesetze der Ökonomie werden sie auch in Wahlkampfzeiten nicht auf den Kopf stellen können, und die Gesetze der Ökonomie zeigen zurzeit voraus: Es sieht unerfreulich aus. Wir haben eine Rezession. Wir verlieren Arbeitsplätze. Wir verlieren Wachstum, und wir müssen die Zähne zusammenbeißen. Es hilft alles nichts und da durch.
Die einzigen, denen wir wirklich so gut es geht versuchen müssen zu helfen, das sind die Belegschaften. Das sind diejenigen, deren Arbeitsplätze gefährdet sind. Bei den Zeitarbeitern wird es ohnehin schnell sein, dass die abgebaut werden. Aber es wird auch zu betriebsbedingten Kündigungen führen können und wahrscheinlich auch führen müssen. Und da muss der Staat versuchen zu helfen.
Breker: Eine zweite Möglichkeit, die der Staat hat, wäre - Sie haben es schon angedeutet - auf der Nachfrageseite etwas zu tun, also den Konsum anzuregen, sprich: ganz konkret entweder Steuersenkungen, die direkten Steuern zu senken, oder gar, wie es Präsident Bush gemacht hat, mit Gutschriften, Steuergutschriften an die Konsumenten zu gehen.
Graf Lambsdorff: Ob sie das mit Steuergutschriften machen, das ist eine amerikanische Methode. Im Grunde unterscheidet sich das nicht weit von dem, was wir hier sagen. Aber richtig ist es, auch ordnungspolitisch richtig, auch deutschen finanzpolitischen Vorstellungen entsprechend, dass wir dann eine allgemeine Steuersenkung machen. Nur hier sage ich noch einmal, Herr Breker: Da wird der Finanzminister aufschreien. Er hat keinen Spielraum für eine allgemeine Steuersenkung. Und warum hat er keinen Spielraum? Weil er nicht genug konsolidiert hat in guten Zeiten.
Breker: Otto Graf Lambsdorff war das im Deutschlandfunk in den "Informationen am Mittag". Graf Lambsdorff, ich danke für dieses Gespräch.
Graf Lambsdorff: Bitte sehr. Auf Wiederhören!
17.11.2008
Der FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff (Bild: AP) "Der Staat kann die Nachfrage nicht ersetzen"
FDP-Politiker Lambsdorff über mögliche Hilfen für Opel
Otto Graf Lambsdorff im Gespräch mit Gerd Breker
Der frühere Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP) hat sich gegen staatliche Bürgschaften für den angeschlagenen Autobauer Opel ausgesprochen. "Seit wann finden Automobilkonferenzen im Auswärtigen Amt statt?" kritisierte Graf Lambsdorff. Er rechne damit, dass auch Autozulieferer und andere Branchen von der Krise erfasst werden. Helfen könne der Staat nur den Belegschaften.
Gerd Breker: Der Hilferuf des Autobauers Opel fand allseits offene Ohren. Geradezu eilfertig meldeten sich die Ministerpräsidenten der Länder zu Wort, in denen Werke des Autoherstellers stationiert sind. Klar werde man helfen. Sicher wäre man zu einer Bürgschaft bereit. Die Bundeskanzlerin im fernen Washington, noch auf dem Weltfinanzgipfel, verkündet: Hilfe für Opel, das sei Chefsache, und sie lud alle Verantwortlichen zum Autogipfel nach Berlin. Das Ob hängt offenbar nur noch von technischen Dingen ab. Skeptiker und Optimisten vor dem Autogipfel. Am Telefon begrüße ich nun den ehemaligen Wirtschaftsminister, den FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff. Guten Tag, Herr Lambsdorff.
Otto Graf Lambsdorff: Guten Tag, Herr Breker.
Breker: Ein Ordnungspolitiker muss in diesen Krisenzeiten leiden wie Hund. Wider besserer Einsicht greift der Staat in den Markt.
Graf Lambsdorff: Ja, das ist leider richtig. Aber die Frage ist natürlich auch, was kann der Staat tun, was soll der Staat tun oder was soll er nicht tun. So einfach ist das ja nicht, dass man einfach Geld über den Tisch schiebt und meint, man hätte dann die Arbeitsplätze erhalten und man hätte die Standorte erhalten, wie sich das aus manchen Stellungnahmen, die Sie eben zitiert haben, ablesen lässt. Die Wahrheit heißt, dass die Plätze vor den Unternehmen vollgeparkt sind mit nicht verkauften Autos - und zwar in allen Firmen, nicht nur bei Opel. Und die Nachfrage ist ausgefallen. Diese Nachfrage kann der Staat nicht ersetzen. Es ist völlig unmöglich, dass der Staat anfängt, die Autos zu kaufen und damit die Arbeitsplätze zu sichern.
Die einzige Möglichkeit, die der Staat hat, ist, ist die Rahmenbedingungen zu verbessern, die Nachfragesituation zu verbessern, und das kann nur geschehen durch eine allgemeine Steuersenkung, die es den Menschen leichter macht, Kaufentscheidungen zu fällen. Andere Möglichkeiten sehe ich nicht.
Im Falle Opel ist es natürlich besonders prekär, weil die Verbindung zu General Motors eine Rolle spielt. Hier wird immer davon gesprochen, wir sollen kein Geld nach Detroit schicken. In Wahrheit hat Opel eine Milliarden-Forderung an Detroit. Und wenn Detroit morgen die Insolvenz anmeldet, dann kann und darf Detroit diese Forderung nicht begleichen und Opel kann kein Geld bekommen. Das heißt, die sind längst so miteinander verbunden, dass jede Hilfeleistung, die hier Opel erfahren würde, Detroit zugute käme.
Breker: Das heißt, wenn die Bundesregierung, wenn die Bundesländer eine Bürgschaft für Opel aussprechen, dann subventionieren sie schlicht ein US-amerikanisches Unternehmen?
Graf Lambsdorff: Das ist leider zu einem guten Teil richtig, ja. Das kann nicht geschehen und das darf auch nicht geschehen. Es kommt ja ein zweiter Gesichtspunkt hinzu, Herr Breker. Den hat Herr Steinbrück richtig angesprochen, allerdings mit einer etwas zaghaften Schlussaussage. Er sagt, wir wollen keine Trittbrettfahrer einladen.
Er braucht niemanden einzuladen. Die melden sich im Bundeswirtschaftsministerium, bei der Bundesregierung schon in großen Scharen - nämlich die Branchen, die sagen, wenn der Autoindustrie geholfen wird in ihrer schwierigen Lage, wer hilft dann uns, insbesondere der Zulieferindustrie, aber auch anderen Branchen? Wenn das so geht, dann wollen wir uns auch beim Staat in die Reihe stellen und wollen auch sehen, dass wir Geld oder Bürgschaften bekommen. Das ist natürlich ordnungspolitisch völlig sinnlos und völlig falsch, aber außerdem auch praktisch unmöglich. Es kann zu keinem vernünftigen Ergebnis führen.
Breker: Sie haben es schon angedeutet, Graf Lambsdorff. Die Krise bei Opel, das ist eigentlich weniger eine Krise, die herrührt aus der Finanzkrise, sondern es ist eine verfehlte Modellpolitik, es ist eher eine Nachfragekrise.
Graf Lambsdorff: Ja. Das ist eindeutig so. Die Modellpolitik war sicherlich falsch. Das wissen wir heute. Ganz besonders falsch war sie in Amerika, und deswegen sind auch die großen Schwierigkeiten für General Motors entstanden. Aber die war auch in Deutschland falsch und auch in Deutschland schwierig. Auch hier hat man nicht das produziert, was die Kunden kaufen wollen und was die Menschen haben möchten. Dann gibt es keine Nachfrage, und wenn diese Nachfrage ausfällt, dann ist es billig, aber auch falsch und praktisch ganz unmöglich, den Staat aufzufordern, diese Nachfrage zu ersetzen. Das kann er nicht.
Breker: Und ein Unternehmen, das sich in normalen Zeiten nicht am Markt behaupten kann, das geht Pleite.
Graf Lambsdorff: Das gilt insbesondere, Herr Breker, für Unternehmen, die nicht so groß sind. Hier gilt auch wieder der schöne Grundsatz 'too big to fail' - also 'zu groß, um Pleite zu gehen', weil zu viele Arbeitsplätze damit verbunden sind. Bei der Frage nach Arbeitsplätzen und Arbeitsplatzverlusten, da muss das ganze Instrumentarium unserer Arbeitsmarktpolitik einsetzen. Da müssen wir alles tun, was irgend möglich ist. Das kann vielleicht auch noch verbessert werden. Hätten wir übrigens in den vergangenen Jahren mehr Reformen, mehr Strukturreformen gewagt und mehr Flexibilität in unsere Wirtschaft hineingeführt und hineingebracht, dann wäre diese Krise besser zu überstehen.
Ich sage nur eines voraus, Herr Breker. Auch darüber muss man sich im Klaren sein. Jetzt ist die Automobilindustrie betroffen. In Zeiten der Rezession - und die haben wir; die Regierung hat viel zu spät zugestanden, dass wir eine Rezession haben, viel zu spät - werden auch andere kommen und werden in gleicher Schwierigkeit sein. Wir werden solche unerfreulichen Meldungen - nennen Sie sie meinethalben Tartarenmeldungen, aber es sind leider Wahrheitsmeldungen - in Zukunft von vielen Bereichen, aus vielen Ecken noch hören. Wir müssen da durch. Einfach wird das nicht. Es wird eine harte Zeit für alle Beteiligten.
Breker: Und das heißt, die Politik in Berlin muss sich damit abfinden, dass es häufiger schlechte Nachrichten gibt, oder geht es Ihnen anders? Wenn ich die Kollegen in Berlin höre, dann habe ich den Eindruck, dass im Superwahljahr 2009 gar keine große Firma mehr Pleite gehen darf.
Graf Lambsdorff: Ja. Das wird man versuchen, und das ist ja das Unerfreuliche auch jetzt in dieser Situation. Dieser Wettlauf zwischen Hase und Igel - wer ist denn nun eigentlich der erste bei Opel, wer macht es denn schneller, Herr Steinmeier oder macht es Frau Merkel? - das ist eine unerfreuliche Entwicklung, die eigentlich nicht stattfinden darf. Seit wann finden Automobilkonferenzen im Auswärtigen Amt statt? Das hat natürlich mit Wahlkampf zu tun, und das wird auch weiterhin so gehen. Das hilft aber alles nichts. Die Gesetze der Ökonomie werden sie auch in Wahlkampfzeiten nicht auf den Kopf stellen können, und die Gesetze der Ökonomie zeigen zurzeit voraus: Es sieht unerfreulich aus. Wir haben eine Rezession. Wir verlieren Arbeitsplätze. Wir verlieren Wachstum, und wir müssen die Zähne zusammenbeißen. Es hilft alles nichts und da durch.
Die einzigen, denen wir wirklich so gut es geht versuchen müssen zu helfen, das sind die Belegschaften. Das sind diejenigen, deren Arbeitsplätze gefährdet sind. Bei den Zeitarbeitern wird es ohnehin schnell sein, dass die abgebaut werden. Aber es wird auch zu betriebsbedingten Kündigungen führen können und wahrscheinlich auch führen müssen. Und da muss der Staat versuchen zu helfen.
Breker: Eine zweite Möglichkeit, die der Staat hat, wäre - Sie haben es schon angedeutet - auf der Nachfrageseite etwas zu tun, also den Konsum anzuregen, sprich: ganz konkret entweder Steuersenkungen, die direkten Steuern zu senken, oder gar, wie es Präsident Bush gemacht hat, mit Gutschriften, Steuergutschriften an die Konsumenten zu gehen.
Graf Lambsdorff: Ob sie das mit Steuergutschriften machen, das ist eine amerikanische Methode. Im Grunde unterscheidet sich das nicht weit von dem, was wir hier sagen. Aber richtig ist es, auch ordnungspolitisch richtig, auch deutschen finanzpolitischen Vorstellungen entsprechend, dass wir dann eine allgemeine Steuersenkung machen. Nur hier sage ich noch einmal, Herr Breker: Da wird der Finanzminister aufschreien. Er hat keinen Spielraum für eine allgemeine Steuersenkung. Und warum hat er keinen Spielraum? Weil er nicht genug konsolidiert hat in guten Zeiten.
Breker: Otto Graf Lambsdorff war das im Deutschlandfunk in den "Informationen am Mittag". Graf Lambsdorff, ich danke für dieses Gespräch.
Graf Lambsdorff: Bitte sehr. Auf Wiederhören!
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