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    Biotech - die Grundlagen - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 30.09.00 16:04:11 von
    neuester Beitrag 16.06.03 13:43:13 von
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      schrieb am 30.09.00 16:04:11
      Beitrag Nr. 1 ()
      hallo leute,

      biotech ist "in", so hab ich mich entschlossen, mal nen eigenen thread aufzumachen.

      ich werde ab und zu berichte hier hineinstellen, die sich mit den verschiedenen grundlagen dieses bereiches beschäftigen, aber natürlich werde ich auch seiten nennen, wo interessierte spezielle info`s beziehen können.

      berichte zu einzelgesellschaften wird es ebenso bald geben. ich hoffe, auch ihr beteiligt euch daran und stellt info`s hier herein, wenn ihr was interessantes findet.

      ich fange mal an mit nem bericht über das genomprojekt:

      Das Humangenomprojekt hat das Ziel, die vollständige "Bauanleitung" des Menschen zu entziffern, d.h. die in seinem Erbmaterial, dem Genom, niedergelegte genetische Information in allen Einzelheiten zu verstehen. Diese bildet die individuelle genetische Grundlage jedes einzelnen von uns.Dieses 1990 gestartete, international koordinierte Projekt ist mit einem Umfang von ca. 3 Milliarden US-Dollar das größte, das jemals in der Biologie begonnen wurde. Ziel dieser gewaltigen Anstrengung ist es, das komplette "genetische Buch", also alle 3 Milliarden "Buchstaben" mit denen dieser Grundplan geschrieben ist, bis zum Jahr 2005 zu entschlüsseln und alle ca. 100.000 menschlichen Gene (die "Blaupausen" für unsere stoffliche Grundlage) zu identifizieren.

      Seit 1995 beteiligt sich auch Deutschland mit jährlich ca. 40 Millionen DM an diesem Unternehmen.Unsere Gene steuern nicht nur das komplizierte Zusammenspiel, das die Entwicklung von einer befruchteten Eizelle zum erwachsenen Menschen bewirkt, sie beeinflussen auch unser Aussehen und viele unserer Eigenschaften. Wenn die Gene ihre Funktion nicht korrekt ausführen, kann dies schwere Krankheiten verursachen oder manche Menschen für bestimmte Erkrankungen extrem empfänglich machen.Das Verständnis all unserer Erbinformation, des sogenannten menschlichen Genoms, verspricht, die Medizin auf eine völlig neue Basis zu stellen, weil dadurch zielgerichtete Ansätze für Vorbeugung, Diagnose und Behandlung einer Großzahl von Erkrankungen ermöglicht werden. Genetisch bedingte Erkrankungen sind zwar im Allgemeinen relativ selten, doch ihre Auswirkungen sind oft dramatisch. Dies zeigt sich z.B. an der Mukoviszidose (Cystische Fibrose), einer Krankheit, bei der sich ein zäher Schleim in der Lunge ansammelt, welcher das Atmen langsam unmöglich macht.
      Die Bedeutung des Humangenomprojekts geht jedoch weit über den Bereich der genetisch bedingten Erkrankungen hinaus. So wird die Kenntnis aller molekularen Grundbausteine des menschlichen Organismus z.B. auch der pharmakologischen Forschung helfen, neue Zielmoleküle für eine gerichtetere Medikamentenentwicklung zu finden. Zudem werden vom Humangenomprojekt auch wichtige Impulse für das Verständnis der Krebsentstehung und die Behandlung dieser Erkrankungen ausgehen.Die Erbsubstanz DNA liegt in Form langer fadenförmiger Moleküle vor, die im Inneren unserer Zellen im Zellkern in einzelnen Chromosomen aufgespult sind. Jede menschliche Körperzelle enthält 23 Chromosomenpaare. Die DNA eines jeden Chromosoms wiederum trägt Tausende von Informationseinheiten, die sogenannten Gene. Gene bestehen aus kurzen DNA-Abschnitten und enthalten die Anweisung für die Herstellung bestimmter Eiweißstoffe, der Proteine. Die Proteine werden sowohl als Stütz- und Baumaterial für das menschliche Gewebe als auch für den Ablauf der Stoffwechselprozesse des Körpers benötigt. Diese vererbbaren Bauanleitungen sind in einem "4-Buchstaben-Kode" geschrieben, bei dem jeder Buchstabe einem der chemischen Bausteine der DNA, den Nukleobasen, entspricht. Sie werden durch die vier Buchstaben A, G, C und T symbolisiert. Ähnlich wie die Buchstaben eines Buches in Worten und Kapiteln zusammengefaßt sind, reihen sich auch die Bausteine der DNA zu Informationseinheiten aneinander. In der "DNA-Sprache" stellt eine bestimmte Abfolge von A, G, C und T ein Rezept für ein bestimmtes Protein dar.Wenn im genetischen Text ein Wort falsch "buchstabiert" wird, so produziert die Zelle nicht das korrekte Protein oder aber eine falsche Menge des Proteins. Solche Fehler können das sensible Gleichgewicht unseres Organismus durcheinander bringen und deshalb zu einer Krankheit führen. In manchen Fällen, wie z.B. bei der Sichelzellenanämie, genügt schon ein einziger falscher Baustein im Buchstabenkode der DNA, um die Krankheit auszulösen. Solche Abweichungen in unseren Genen sind verantwortlich für die geschätzten 3.000 - 4.000 eindeutig genetisch bedingten Erkrankungen, zu denen auch Morbus Huntington (Veitstanz), Mukoviszidose, Muskelschwund und viele andere gehören. Zudem weiß man inzwischen, daß veränderte Gene eine Rolle bei Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus und vielen anderen häufigen Erkrankungen spielen können.

      Bei diesen weit verbreiteten sogenannten komplexen Erkrankungen vergrößern genetische Veränderungen das Risiko einer Person, eine bestimmte Krankheit zu entwickeln. Die Krankheit selbst resultiert aus der Wechselwirkung genetischer Veranlagung und Umweltfaktoren, wie z.B. Ernährungsgewohnheiten, Streß oder Infektionen.Schon lange vor seinem Abschluß verspricht das Humangenomprojekt, Biologie und Medizin zu revolutionieren. In den nächsten Jahren wird es möglich werden, sämtliche Gene zu identifizieren, die an der Entstehung verschiedener Erkrankungen beteiligt sind. Solche Entdeckungen werden in vielen Fällen verbesserte Möglichkeiten zum frühzeitigen Nachweis und neue Ansätze für die Krankheitsvorbeugung mit sich bringen. Das Verständnis der molekularen Basis einer Krankheit ist die Voraussetzung für eine verbesserte zielgerichtete Behandlung.Ein sich daraus ergebender Ansatz ist die Entwicklung neuer, hochspezifischer Medikamente, die die eigentlichen Ursachen einer Erkrankung und nicht nur deren Symptome bekämpfen. Beispielsweise kann man den Patienten das Genprodukt, das ihr Körper selbst nicht bilden kann, von außen zuführen, wie dies schon lange bei bestimmten Formen des Diabetes mellitus oder der Bluterkrankheit möglich ist.

      Inzwischen können eine ganze Reihe weiterer körpereigener Substanzen hergestellt werden, z.B. Interferone für die Krebs- und Virustherapie, Somatotropin für hormonbedingte Wachstumsstörungen und Adenosin-Desaminase zur Behandlung schwerer, angeborener Immunschwäche bei Kindern.

      Ein weiterer Ansatz, an dem international geforscht wird, ist die Korrektur oder der Ersatz des veränderten Gens mit Hilfe der Gentherapie. Eine breite Anwendung dieser Möglichkeit bedarf jedoch noch intensiver Forschungsarbeit. Hat man eine krankheitsauslösende Genveränderung identifiziert, so ist die Entwicklung eines Tests möglich, der Patienten und ratsuchenden Menschen Gewißheit geben kann, ob sie dieses veränderte Gen besitzen oder nicht. Auch die Wahrscheinlichkeit, mit der eine solchee Genveränderung an ihre Kinder weitergegeben wird, läßt sich berechnen. Bei bestimmten Leiden kann so durch eine entsprechende frühzeitige Therapie der Krankheitsausbruch ganz vermieden werden. In anderen Fällen kann die Erkrankung so früh nachgewiesen werden, daß eine Behandlung mit großer Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führt.Allerdings kann die Identifizierung eines bislang unbekannten Gens schwieriger sein als die sprichwörtliche Suche nach der "Nadel im Heuhaufen". Dies trifft insbesondere dann zu, wenn bei Beginn der Suche der Krankheitsmechanismus noch nicht verstanden ist, wie das z.B. bei der Mukoviszidose der Fall war. Das Problem liegt in der riesigen Größe des menschlichen Genoms, das aus 3 Milliarden chemischen Bausteinen besteht. Wenn man jeden Baustein durch einen Buchstaben symbolisiert, so würde das menschliche Genom ausgedruckt 1.000 tausendseitige Bücher füllen. Irgendwo in diesem Meer von Buchstaben ist das verantwortliche Gen versteckt. Ohne einen Hinweis auf eine bestimmte Richtung müßte man Chromosom für Chromosom das gesamte Genom durchsuchen.

      Es ist nicht überraschend, daß vor Beginn des Humangenomprojekts mit dieser Methode nicht mehr als ca. ein Dutzend Gene gefunden wurden.Im Rahmen des Humangenomprojekts werden systematisch nach und nach neue Instrumente und Techniken entwickelt, durch die bislang unbekannte Gene immer schneller und effizienter identifiziert werden können. Doch wie findet man sich in dieser unübersichtlichen Welt der genetischen Information zurecht? Die ersten Hilfsmittel sind, wie bei der Orientierung in einer neuen Umgebung, Karten - in diesem speziellen Fall aber Chromosomen-Karten.Eine besondere Art solcher Karten - die sogenannten genetischen Karten - nutzen Tausende von kurzen DNA-Abschnitten, die zwischen verschiedenen Menschen kleine Unterschiede aufweisen können und die mehr oder weniger gleichmäßig über die Chromosomen verteilt sind, als "Wegweiser", mit deren Hilfe man sich bei der Untersuchung des Genoms zurechtfinden kann. Bei diesen Karten macht man sich zunutze, daß die beiden Chromosomen eines Chromosomenpaares meist nicht als Ganzes von einer Generation auf die nächste übertragen werden, sondern mit Ihrem Schwesterchromosom Stücke austauschen. Daß zwei Orte auf einem Chromosom gemeinsam an die nächste Generation weitergegeben werden, ist um so wahrscheinlicher, je näher sie beieinander liegen. Wenn wir bei dem Beispiel des "Buchs" bleiben, so sind die Chancen, daß beim Zerreißen einer Seite der Riß zwei Worte trennt, die auf dieser Seite weit voneinander entfernt stehen, viel größer, als daß zwei benachbarte Worte getrennt werden. Die statistische Häufigkeit, mit der zwei Orte gemeinsam vererbt werden, kann also als Maß für ihre Entfernung zueinander dienen.

      So ist es über statistische Methoden in einem ersten Schritt oft möglich, die Distanz eines krankheitsauslösenden Gens zu einem bekannten DNA-Abschnitt zu bestimmen.Der nächste wichtige Schritt ist die Schaffung sogenannter physikalischer Karten eines jeden Chromosoms.

      Der Name "physikalisch" soll hier den Gegensatz zu genetischen Karten betonen. Damit sind Karten gemeint, die echte räumliche, also "physikalische" Distanzen, im Gegensatz zu den oben erwähnten statistischen Distanzen, angeben. Physikalische Karten bestehen aus überlappenden Stücken von DNA, die große Teile eines Chromosoms abdecken. Die Entwicklung dieser Karten ist inzwischen sehr weit fortgeschritten. So kann man ein Gen zuerst durch eine genetische Karte einer bestimmten Region eines Chromosoms zuordnen und das DNA-Fragment dann genauer untersuchen, das dieser Region entspricht, anstatt alle Chromosomen durchsuchen zu müssen.Das letztendliche Ziel des Humangenomprojekts ist es, die Sequenz, also Buchstabe für Buchstabe die exakte Abfolge aller 3 Milliarden Bausteine, des menschlichen Genoms zu entschlüsseln und dabei jedes der ca. 100.000 darin enthaltenen Gene zu identifizieren. Zur Bewältigung dieser gigantischen Aufgabe kann man jedoch nicht einfach irgendwo mit der Bestimmung der Basenabfolge, der sogenannten Sequenzierung, beginnen. Das wäre momentan ein hoffnungsloses Unterfangen. Wissenschaftler aus verschiedenen Forschungsgebieten - Biologie, Medizin, Physik, Ingenieurs- und Computerwissenschaften, um nur einige zu nennen - arbeiten gemeinsam an Techniken, um Zeit und Kosten des Sequenzierens zu reduzieren. Sobald die Sequenz des menschlichen Genoms vollständig bekannt ist, kann man die Aufmerksamkeit von der Suche nach den Genen, auf die viel spannendere Frage nach ihrer Funktion richten. Zu diesem Zweck werden auch andere Organismen als Modelle untersucht, wie beispielsweise die Fruchtfliege Drosophila, deren Gene den unseren z.T. ähnlicher sind, als dies das so unterschiedliche Aussehen zunächst vermuten ließe.Schon in seinen ersten 8 Jahren hatte das Humangenomprojekt beträchtliche Erfolge vorzuweisen.

      Dank der Möglichkeiten, die sich aus dem Projekt entwickelt haben, hat sich die Geschwindigkeit der Entdeckung neuer Gene mehr als verfünffacht. Das Gen, das an der Entstehung der Mukoviszidose, der häufigsten tödlichen genetisch bedingten Erkrankung bei Europäern, beteiligt ist, wurde bereits 1989 identifiziert. In Deutschland trägt ca. jeder 25ste ein solches Krankheitsgen in sich, die Krankheit bricht jedoch nur aus, wenn ein Kind vom Vater und von der Mutter je eine veränderte Kopie des Gens erhält. Inzwischen steht ein diagnostischer Test zur Verfügung, durch den das veränderte Gen nachgewiesen werden kann, und die ersten klinischen Versuche zur Gentherapie haben begonnen.1994 und 1995 wurden zwei Gene entdeckt, die bei seltenen erblichen Formen von Brustkrebs eine Rolle spielen. Trägerinnen eines solchen veränderten Gens haben ein stark erhöhtes Risiko, Brustkrebs zu entwickeln. Jetzt, da die Gene bekannt sind, ist es durch einen Test möglich, das veränderte Gen nachzuweisen. Frauen, die ein solches potentiell gefährliches Gen tragen, können sich dann durch verstärkte Kontrolluntersuchungen, aber auch durch bestimmte Verhaltensmaßnahmen, wie vitaminreiche Ernährung, Nichtrauchen und Verzicht auf Alkohol, besser vor der drohenden Gefahr schützen, wodurch die Todesrate der Erkrankung gesenkt werden kann. Außerdem hat die genaue Analyse der Genfunktion bereits erste Hinweise für eine gezieltere Therapie ergeben.

      Die neue Möglichkeit, unsere Gene zu untersuchen, kann jedoch ein zweischneidiges Schwert sein. Bei vielen Erkrankungen sind unsere Möglichkeiten, das defekte Gen nachzuweisen, unseren Fähigkeiten, etwas gegen die Erkrankung zu tun, weit voraus. Morbus Huntington (Veitstanz) ist das Paradebeispiel hierfür. Bei dieser Erkrankung scheinen die Betroffenen in den ersten Lebensjahrzehnten völlig gesund. Dann kommt es zu Veränderungen im Gehirn, die zum Zusammenbruch aller geistigen Fähigkeiten führen und die innerhalb weniger Jahre mit dem Tod enden. Obwohl ein exakter Test für Morbus Huntington schon seit 1993 zur Verfügung steht, hat sich nur eine Minderheit der Personen, bei denen diese Krankheit in der Familie auftrat, dazu entschieden, sich testen zu lassen.

      Der Grund: Es gibt bislang noch keine Möglichkeit, Morbus Huntington zu heilen oder auch nur den Ausbruch der Erkrankung zu verhindern. Viele Menschen möchten verständlicherweise lieber mit der Unsicherheit leben als mit der Gewißheit, im Laufe ihres Lebens von einer tödlichen Krankheit eingeholt zu werden. Manche Erkrankungen werden sicher auch in Zukunft nur schwer zu behandeln sein. Für viele eröffnet sich jedoch durch das Verständnis des Mechanismus, das man mit der Kenntnis des entsprechenden Gens erhält, durch intensive weitere Forschung mittelfristig eine Perspektive auf eine Therapie. Solange jedoch nur eine genetische Diagnostik möglich ist, muß von Seiten der Ärzte und des Gesetzgebers darauf geachtet werden, daß die betroffenen Personen auch sinnvoll beraten und psychologisch begleitet werden.Rechtlich und gesellschaftlich muß sichergestellt sein, daß genetische Daten nur mit Zustimmung des Betroffenen erhoben werden. Diese Informationen dürfen keinesfalls zum Nachteil der getesteten Person sein und nicht unerlaubt an Dritte weitergegeben werden. Es muß ausgeschlossen sein, daß ein Mensch aufgrund einer Veranlagung für eine bestimmte Erkrankung gegenüber Versicherungen oder auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt wird. Zur Erforschung und Lösung ethischer, rechtlicher und sozialer Fragen, die durch die Genomforschung aufgeworfen werden, hat das Humangenomprojekt seit seinem Start ca. 5% des Budget eingesetzt. Durch sorgfältige Beachtung der ethischen Problematik, adäquater Gesetzgebung sowie einer umfassenden Aufklärung der Gesellschaft sollten so aus dem Humangenomprojekt alle Vorteile für Erkrankte, Risikopersonen wie auch für die Forschung gezogen werden können.



      Eine menschliche Zelle:

      Jeder Mensch besteht aus der fast unvorstellbaren Anzahl von ca. 100 Billionen Zellen (das ist eine Eins mit 14 Nullen!). Jede dieser Zellen, mit Ausnahme der roten Blutkörperchen, enthält in Ihrem Zellkern das vollständige menschliche Genom - den vollständigen genetischen Bauplan, der jedem Menschen zugrunde liegt. Diese Information ist in ca. 3 Milliarden Nukleobasen, den Bausteinen der Erbsubstanz DNA, verschlüsselt. Jede gewöhnliche Zelle enthält diese Erbinformation zweifach: eine Kopie von der Mutter und eine Kopie vom Vater.

      Der Zellkern:

      Im Innern eines jeden Zellkerns ist das Erbmaterial, die DNA, die eine Länge von fast zwei Meter hat, in 23 Chromosomenpaaren verpackt. Ein Chromosomenpaar besteht aus je zwei Chromosomen, von denen jeweils eines von der Mutter und eines vom Vater stammt.

      Ein Chromosom:

      Jedes der 46 menschlichen Chromosomen im Zellkern enthält dicht zusammengepackt die Erbsubstanz DNA für Hunderte oder Tausende verschiedener Gene, den Einheiten der Vererbung.

      Die DNA:

      DNA steht für das englische Wort deoxyribonucleic acid, zu deutsch Desoxyribonukleinsäre oder DNS. Die DNA ist die chemische Substanz, die durch ihre einzigartige Struktur Information über den Bauplan des Lebens speichern und weitergeben kann. Die Information ist durch die Abfolge ("Sequenz") von vier verschiedenen Bausteinen, den Nukleobasen Adenin (A), Guanin (G), Cytosin (C) und Thymin (T) entlang des fadenförmigen DNA-Moleküls verschlüsselt. Die DNA besteht eigentlich aus zwei einzelnen Molekülen, die sich wie ein Reißverschluß zu einem Doppelstrang zusammenlagern. Die Basen der beiden Einzelstränge bilden dabei sich gegenüberstehende Paare. Dabei kann A immer nur T und C immer nur G gegenüberstehen.

      Ein Gen:

      Jedes Gen entspricht einem bestimmten Abschnitt des doppelsträngigen DNA-Moleküls. Es enthält die Anleitung zur Herstellung eines spezifischen Moleküls, normalerweise eines Proteins. Diese Anleitung ist durch die unterschiedliche Abfolge der vier Nukleobasen A, G, C und T festgelegt. Dabei bestimmt die Kombination aus jeweils drei aufeinanderfolgenden Nukleobasen der Erbsubstanz einen Baustein eines Proteins.

      Ein Protein:

      Die Bausteine der Proteine sind Aminosäuren. Die Proteine bilden nicht nur das Grundgerüst der einzelnen Zellen, sie sind lebenswichtige Komponenten aller Organe und an allen chemischen Abläufen im Körper beteiligt. Aufgrund der in der Erbsubstanz DNA festgeschriebenen Bauanleitung werden die verschiedenen Aminosäuren wie Perlen an einer Kette aneinandergereiht. Die Funktion der Proteine wird durch ihre Form bestimmt, die ihrerseits durch die Abfolge der Aminosäuren bestimmt ist.


      Wie kann man die Ursache für eine genetisch bedingte Erkrankung finden?


      Nahezu 4.000 genetisch bedingte Erkrankungen des Menschen sind bekannt. Mit der Zeit können wir durch intensive Forschungsarbeit viele dieser Erkrankungen behandeln oder ihren Ausbruch verhindern. Dazu müssen jedoch drei Fragen beantwortet werden:· Welches veränderte Gen verursacht die Erkrankung? · Welches Protein wird normalerweise durch das Gen hergestellt? · Kann das veränderte Protein korrigiert oder ersetzt werden?Dazu können zwei unterschiedliche Strategien verfolgt werden:Vielleicht kann das veränderte Protein aufgespürt werden (falls es sich in dem von der Krankheit betroffenen Gewebe nachweisen läßt). Davon ausgehend kann man dann das Gen finden, das für dieses Protein kodiert.Falls das nicht möglich ist, wird eine Methode angewendet, die als Positionsklonierung bezeichnet wird. Dabei wird zuerst das Gen isoliert, indem man den DNA-Abschnitt, der zusammen mit der Erkrankung vererbt wird, immer weiter eingrenzt und dann das Protein, das von ihm kodiert wird, identifiziert.Der hier gezeigte Ablauf stellt vereinfacht die Positionsklonierung dar.

      Diese Strategie hat in neuerer Zeit zu spektakulären Durchbrüchen bei der Diagnose und z.T. auch bei der Behandlung verschiedener genetisch bedingter Erkrankungen geführt, z. B. von Mukoviszidose (Cystischer Fibrose), Duchenne-Muskeldystrophie, Morbus Huntington (Veitstanz), erblichem Brustkrebs und anderen. Welches Gen ist für die Erkrankung verantwortlich?

      1. Ein Kind wird mit einer derzeit nicht heilbaren genetisch bedingten Erkrankung geboren. Um eine spezifische Behandlung oder ein Mittel zur Verhinderung der Erkrankung bei anderen Kindern zu finden, muß die Ursache, ein verändertes Gen, gefunden werden.

      2. Verschiedene Hinweise, wie z.B. das im Mikroskop sichtbare Fehlen eines Stückes in einem Chromosom, können die ungefähre Lage des Gens auf dem Chromosom verraten. Wenn es keine solche Hinweise gibt, suchen Wissenschaftler nach "Markern" der Erkrankung, indem sie bestimmte Abschnitte der DNA des erkrankten Kindes mit der seiner Eltern, Verwandten und Mitgliedern anderer Familien vergleichen. Solche Marker, die gehäuft zusammen mit der Erkrankung weitergegeben werden, können durch die Identifizierung ihrer Lage Aufschluß darüber geben, auf welchem Chromosom das veränderte Gen liegt. Auf diese Art kann nach und nach die Lage eines Gens zwischen zwei bekannten Markern bestimmt werden.

      3. Das Ergebnis: Die Lage des veränderten Gens kann identifiziert werden, indem die Vererbung der Marker in der betroffenen Familie verfolgt wird. Dabei können auch gesunde Träger des veränderten Gens diagnostiziert werden, was für Ehepaare mit Kinderwunsch wichtig sein kann, um das Risiko weiterer betroffener Nachkommen abzuschätzen.
      In der hier gezeigten Familie tritt eine rezessive Erkrankung auf, d.h. die Krankheit bricht nur aus, wenn ein Kind das veränderte Gen von beiden Elternteilen erhält.

      4. Diese Marker können dazu benutzt werden, überlappende Teilstücke der DNA, die den Bereich zwischen den begrenzenden genetischen Markern repräsentieren, zu isolieren. Eines dieser Teilstücke muß das veränderte Gen enthalten.

      5. Nachdem das veränderte Gen eingekreist ist, wird jeder DNA-Abschnitt genau untersucht: Unterscheidet es sich von der DNA eines Menschen, der diese Erkrankung nicht hat? Schließlich kann so das verantwortliche Gen gefunden und die Veränderung in seiner Basenabfolge bestimmt werden. Der häufigste Defekt im Gen für die Mukoviszidose ist das Fehlen von drei von insgesamt über 250.000 DNA-Basen.

      6. Ergebnis: Patienten können direkt auf die Erkrankung getestet werden. Auch gesunde Träger des veränderten Gens können diagnostiziert werden, was in betroffenen Familien wichtig für die Risikoabschätzung ist. Für die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden können Krankheitsprozesse in Zellkulturen oder an Tieren studiert werden. Für welches Protein kodiert es?

      7. Wenn die Basenabfolge des Gens bekannt ist, kann über den genetischen Kode die Zusammensetzung des Proteins bestimmt werden. Das genaue Studium des Proteins kann dann seine normale Funktion aufklären. Die Zehntausende von Proteinen des Körpers haben alle verschieden Formen und Funktionen, abhängig von ihrem Bauplan, der wiederum in den Genen festgelegt ist.

      8. Produziert das veränderte Gen des erkrankten Kindes zuwenig Protein, ein defektes Protein oder aber überhaupt kein Protein? Wir können lernen, wie die Veränderung im Protein zu der Erkrankung führen kann.

      9. Ergebnis: Sowie der Mechanismus, der zur Erkrankung führt, verstanden ist, kann an neue Ansätze zur Behandlung - gerichtet entweder auf das Protein oder das Gen - gedacht werden. Das Verständnis auch relativ seltener genetisch bedingter Erkrankungen kann - wie schon oft geschehen - wichtige Einblicke in häufig vorkommende oder komplexe Erkrankungen liefern. Kann das Protein oder das Gen ersetzt werden?

      10. Um eine genetische Veränderung auszugleichen, kann versucht werden, das fehlende oder nicht funktionsfähige Protein durch ein Medikament oder das normale Protein zu ersetzten. Dies geschieht schon seit langer Zeit mit großem Erfolg z.B. mit Insulin bei bestimmten Formen von Diabetes mellitus, mit dem Blutgerinnungsfaktor VIII bei bestimmten Bluterkrankheiten oder mit Erythropoietin bei Blutarmut.

      11. Eine weitere Option bietet künftig die Gentherapie. Mit Hilfe eines Virus, in das ein funktionstüchtiges Gen eingesetzt wurde, kann dieses in die betroffenen Körperzellen eingeschleust werden. Auch an Methoden, die ohne Viren auskommen, z.B. der direkten Injektion von DNA in die Zellen oder der Übertragung von DNA über feinste Fetttröpfchen wird gearbeitet. Methoden, die in Zellkultur erfolgreich angewendet wurden, werden zunächst auf Tiere und dann erst auf Menschen im Rahmen einer streng kontrollierten klinischen Prüfung übertragen. Zum Beispiel können die Knochenmarkszellen eines Patienten isoliert, mit der korrekten Version eines Gens behandelt und anschließend dem Patienten zurückgegeben werden.

      12. Ergebnis: Für manche genetisch bedingte Erkrankungen werden sich Behandlungsmöglichkeiten entwickeln lassen. Menschen werden jedoch immer genetische Veränderungen in sich tragen, es gibt keine genetisch "perfekten" Menschen.In Zukunft werden Vorbeugungsprogramme, frühzeitiges Erkennen einer Erkrankung und verbesserte Behandlungsmöglichkeiten die Leiden, die durch genetische Erkrankungen verursacht werden, erheblich verringern können. So kann erreicht werden, daß auch Menschen mit genetisch bedingten Erkrankungen oder Prädispositionen für solche Leiden eine unbeschwerte Lebensperspektive erhalten.


      sehr ausführliche grundlagen zur humangenetik findet ihr hier :

      http://www.kfunigraz.ac.at/imhwww/lehre/grundlagen.html



      das war`s fürs erste.

      gruss
      shakesbier - der bioaktionär :eek:
      Avatar
      schrieb am 30.09.00 16:33:48
      Beitrag Nr. 2 ()
      eine seite, die viele informationen sowie kurzprofile von einzelnen gesellschaften bringt :

      http://www.biotech-world.de/

      schönen tag noch, freaks.


      shakes :eek:
      Avatar
      schrieb am 30.09.00 16:36:23
      Beitrag Nr. 3 ()
      Dank dir!
      :)
      Avatar
      schrieb am 30.09.00 17:14:14
      Beitrag Nr. 4 ()
      Hi shakes,
      danke für den biotech-Link.
      Ich habe mir fürs Wochenende vorgenommen, mein Depot auf 20 Werte zu reduzieren, d.h. erst mal gedanklich, denn Dein Hinweis und auch der damals von Haubentaucher hat bei mir Wirkungs gezeigt.
      Ich überlege, was ich mit ILEX Oncology machen soll, bin da relativ dick drin, bewegt sich aber seit damals fast nur seitwärts.
      Habe im biotech-link nachgesehen, recht gute langfristige Einschätzung, aber mit dem "Ausharren" verhindere ich andere Chancen!
      Bin übrigens in Schering voll drin und freue mich täglich mehr über mein sattes Plus von über 114%, wenn bloß nicht die anderen Nullwerte (oder eher Minuswerte wie Daimler, Sonera,M+S,u.a) mir die Performance versauen!
      Was hälst Du von ILEX, soll ich die tauschen??
      ms
      Avatar
      schrieb am 30.09.00 17:15:06
      Beitrag Nr. 5 ()
      Hallo Shaky,

      ist ja der helle Wahnsinn !
      Wurde auch Zeit, daß mal ein Biotech-Thread eröffnet wurde. Und wer ist da nicht prädestinierter dafür als Du ? Danke, Shaky !!!

      ICh werder mir mal den Thread ausdrucken und hoffentlich bald (zwischen den letzten paar Zügen Schach und den Abhandlungen von Ulrike zur Einführung von OS)mal genüsslich zu Gemüte führen.

      Liebe Grüsse

      Rolf, der nicht zum ersten Mal von Shaky wichtige Infos zu Biotech erhalten hat...

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      Avatar
      schrieb am 30.09.00 20:18:09
      Beitrag Nr. 6 ()
      mal zwischendurch ein bericht über millennium pharma, ein klasse wert mit super potential.

      werde zu dem wert öfter was berichten, gefällt mir von allen biotechs gerade langfristig am besten, hoffe, ihr könnt selbst übersetzen, vieles ist halt nun mal auf englisch in diesem bereich, versuche aber, nach möglichkeit nur deutsche berichte hier reinzustellen....


      Tom Byrne (1/25/00) The craze for Internet stocks has recently been usurped by the craze for genomic stocks. Instead of “.com” after your name drawing billions of investment dollars, any company with “genome” in their name is now drawing an institutional crowd. The craze has been caused by news from the Human Genome Project, a $3 billion, and 15-year federal initiative to map and sequence the complete set of human chromosomes. According to sources close to the project, and more specifically, Celera Genomics Group (NYSE: CRA - Quotes, News, Boards), more than 90% of the human genome has been sequenced. DNA.com This has caused genome stocks to soar. For example, Celera Genomics Group, Human Genome Sciences (NASDAQ: HGSI - Quotes, News, Boards), and Genome Therapeutics (NASDAQ: GENE - Quotes, News, Boards) have all rocketed over the last four months. Celera has gone from $30 in October to a recent $267, a gain of 790%. Human Genome has gone from $70 to $222, a gain of 217%, and Genome Therapeutics has gone from $3.50 to $26, a gain of 642%. Another stock that joined the party is Millenium Pharmaceuticals (NASDAQ: MLNM - Quotes, News, Boards), which was a $60 stock in October and now resides at around $200, a gain of 233% in four months. I think all four stocks have tremendous long-term potential, but Millenium is a little different in how it approaches genomic research, which makes it a particularly compelling story and investment. Millennium places a heavy emphasis on automation and robotics. It uses advanced technologies to accelerate the research of its genomics programs. Millenium’s technology platform includes a number of custom-developed “informatics” tools, including Sequence Explorer, Expression Explorer, and Sample Manager that enable users to capture, track and interpret large volumes of data from activities including genotyping, DNA sequencing and expression profiling. Millennium’s technology platform includes advanced capabilities in genetics, genomics, molecular biology, cell biology, biochemistry, chemistry and analytical instrumentation. Unlike Celera and Human Genome Sciences, Millenium has split itself into two units. The technology unit discovers the genetic codes. The pharmaceutical division works with partners to develop small-molecule drugs, based upon what the technology unit discovers. Together, this process for selecting drug targets and developing compounds, may deliver whole new classes of drugs that are safe and effective for treating a broad range of important diseases. The company’s two units are Millennium BioTherapeutics and Millennium Predictive Medicine, both formed in 1997. BioTherapeutics focuses on developing therapeutic proteins and antibodies, vaccines and gene therapy, and antisense products. Biotherapeutics are proteins or nucleic acids administered to patients for therapeutic benefit

      Protein biotherapeutics in current use include: secreted proteins, such as interferons, erythropoietin, insulin and human growth hormone; therapeutic antibodies; and vaccines, such as the vaccine for hepatitis B. In 1998, biotherapeutic products generated over $12 billion in annual worldwide sales.
      The Predictive Medicine unit focuses on Diagnomics (genomics-based diagnostics) and pharmacogenomics (the correlation of patient genotypes to drug responses), in addition to generating and integrating diverse biomedical data to provide products and services to the healthcare industry.
      Major Alliances
      Millennium’s commercialization strategy has been to form strategic alliances with major companies in the pharmaceutical and/or life science marketplaces. Some of the company’s major alliances are with the Wyeth-Ayerst division of American Home Products (NYSE: AHP - Quotes, News, Boards), Astra AB, Bayer A.G. (NASDAQ: BAYZY - Quotes, News, Boards), Hoffmann-La Roche, Monsanto (NYSE: MTC - Quotes, News, Boards), Pfizer (NYSE: PFE - Quotes, News, Boards) and Eli Lilly (NYSE: LLY - Quotes, News, Boards). Eli Lilly recently accepted a validated target for drug candidate screening in the field of prostate cancer, which triggered an undisclosed milestone payment from Lilly to Millennium.
      Millennium’s broad alliance with Bayer is probably the company’s most formidable pact. Under the terms of this agreement, Bayer will receive access to key technologies in gene research as well as a flow of genomics-based drug development targets that Millennium discovers through its research efforts.
      Millenium is supposed to deliver 225 drug targets to Bayer during a five-year period, and to date, it has not missed one delivery target. As part of the agreement, Bayer made an equity investment of $96.6 million in exchange for approximately 4.96 million shares of Millenium’s common stock.
      During 1999, Millenium formed an alliance with Becton, Dickinson (NYSE: BDX - Quotes, News, Boards) to undertake a research program to identify genetic markers and related assays that may be used to develop diagnostic products for several types of cancer. Becton Dickinson made a $15 million equity investment in Millenium, as well as an up-front license payment of $3 million.
      All diseases ultimately have an underlying genetic basis. The initiation and progression of a disease reflects some aspect of the structure of the patient’s genes and/or the genes of a pathogen. Systematic study of human genes in the context of disease should therefore lead to the identification of those genes that play a role in important diseases. These genes, their protein products and/or the biochemical pathways in which they lie should be important drug targets for therapeutic intervention.
      In the realm of predictive medicine, genomics technologies can be used to identify genes that predispose individuals to disease, participate in the initiation, progression and resolution of disease and determine individual responses to different treatments that may be available. As a result, the identification of such genes can form the basis for novel strategies and products for the prediction, diagnosis and management of diseases.
      As of September 30, 1999, Millenium had approximately $225 million in cash, cash equivalents and marketable securities. This excludes $11.2 million of interest-bearing marketable securities classified as restricted cash. In the fourth quarter, Millenium raised another $350 million by issuing convertible debt.
      This war chest will allow Millenium to stay its course, and change the face of medicine and therapeutic treatment through its genomic research. I advise investors to get in now because Millenium Pharmaceuticals is truly a stock for the new millennium.

      By the year 2010, Millenium stock has the potential to be 50 times higher than it is today.
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      schrieb am 01.10.00 08:59:53
      Beitrag Nr. 7 ()
      Hallo Shaky

      Finde ich super, dass du einen Thread für Biotech eröffnet hast.
      Ich habe mich entschlossen den Celera im Depot zu lassen und alles andere zu verkaufen sobald die Kurse wieder einigermasse bei den Leuten sind.

      Ich werde mich im nächsten Jahr, wenn dieses Theater mit den Rally`s (kommt eine oder kommt keine, Sommer? Herbst? Winter????) auf Biotech Titel und auf OS Scheine konzentrieren, denn nur so sehe ich eine Chance ein Grundkapital zu erschaffen um auch einmal ein FU zu werden.

      Schönen Sonntag wünscht dir Ruedi :cool:
      Avatar
      schrieb am 01.10.00 10:17:20
      Beitrag Nr. 8 ()
      Das Wissen und seine Auswirkungen - Je nachdem, von welcher Seite man es betrachtet...Die Gendiagnostik ist technisch machbar, und sie liefert einige Informationen, die bislang nicht zu bekommen waren. Wie geht man jedoch mit diesem neuen Wissen um? Schwierigkeiten sind da nicht nur im persönlichen Bereich zu erwarten. Das Wissen über genetische Abweichungen von der Norm kann weite Kreise ziehen.

      Gentechnische Untersuchungen an sich selber oder an einem Ungeborenen können Veranlagungen für Krankheiten, wie z.B. bestimmte Krebsarten aufdecken. Eine mögliche Erkrankung kann so frühzeitig diagnostiziert und behandelt oder sogar verhindert werden. Personen aus Familien mit rezessiv vererbten Krankheiten können überprüfen lassen, ob sie Anlageträger dafür sind. Bei ihnen besteht die Gefahr, dass sie die Krankheitsanlage einem gemeinsamen Kind weitervererben und dieses erkrankt. Die Eltern bleiben gesund, da ihr normales zweites Gen die Mutation des anderen überdeckt.Je nach Zielsetzung wirft die Gendiagnostik verschiedene Probleme und Fragen auf. Die Diagnose von bereits ausgebrochenen Krankheiten ist eher unproblematisch: Hier verhelfen Gentests zu Klarheit über den Krankheitsverlauf und mögliche Behandlungsmethoden. Bei Gentests zur Familienplanung kann die Gendiagnose einem Paar, in dessen Familien Erbkrankheiten bekannt sind, helfen, sich für oder gegen ein Kind zu entscheiden. Genetische Tests geben Auskunft darüber, ob einer der Partner oder beide symptomfreie Träger einer Krankheit sind. So lässt sich abschätzen, ob Nachkommen des Paares an der Krankheit leiden werden (z.B. zystische Fibrose).

      Die wissenschaftliche Seite ist damit eindeutig erklärbar. Unklar sind der Datenschutz, Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnisse, die Situation der Versicherungen sowie die ethische Fragestellung:· Soll es den gläsernen Menschen geben, dessen genetische Kennkarte Aufschluss über Veranlagungen zu bestimmten Krankheiten gibt?

      Wieviel Privatsphäre bleibt noch, wenn mit molekularen Methoden das Erbgut des Menschen durchleuchtet werden kann?

      Welchen Nutzen bringt ein Gentest für einen Menschen, der an einer nicht behandelbaren Krankheit erkranken wird?

      Was, wenn werdende Eltern erfahren, dass ihr Kind mit einem genetischen Defekt zur Welt kommen wird?

      Viele werden sich zur Entscheidung gedrängt sehen, ob sie dieses Kind wollen oder nicht. Die Problematik bei dieser präsymptomatischen Diagnostik ist eindeutig. Zwar können bei einem positiven Testergebnis unter Umständen vorbeugende Massnahmen getroffen werden, die eine Krankheit verhindern, verzögern oder wenigstens mildern (z. B. bei Krebs). Das Vorhandensein einer genetischen Veranlagung muss jedoch nicht in jedem Fall zu einem Ausbruch der Krankheit führen. Zu wissen, dass man, wenn auch "nur" mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, erkranken wird, kann allerdings sehr belastend sein. Vor allem, wenn es sich um eine nicht behandelbare Krankheit handelt, die zu schwerster Behinderung oder gar zum Tod führt.Pränatale Diagnostik kann - im Falle eines negativen Befundes, wenn also das Kind mit grosser Wahrscheinlichkeit keinen genetischen Defekt hat - zu einer unbeschwerteren Schwangerschaft verhelfen. Falls jedoch im Erbgut eine schwerwiegende Abweichung vom Normalen festgestellt wird, werden die Eltern des Kindes vor eine äusserst schwierige Entscheidung gestellt: Wollen sie unter Umständen ein schwerst behindertes Kind akzeptieren oder ist eine Abtreibung vorzuziehen? Immerhin, sollten sich die Eltern für die Geburt eines behinderten Kindes entscheiden, so haben sie - dank dem Gentest - die Möglichkeit, sich auf die Situation vorzubereiten.

      Die Präimplantationsdiagnostik (PID) ist ein Testverfahren, das bei der In-vitro-Fertilisation (IVF) angewandt werden kann, um genetisch bedingte Krankheiten vor der Schwangerschaft zu erkennen. Der Embryo wird dabei erst nach der Untersuchung in den Mutterleib eingepflanzt. Das verhindert die Abtreibung eines kranken Embryos. Der kranke Embryo wird bereits abgetötet und verworfen bevor es zur Implantation kommt. In der Schweiz ist PID verboten. Ausserdem ist es verboten, Embryonen zu anderen Zwecken als zur Einpflanzung herzustellen. In USA und in Grossbritannien ist es grundsätzlich möglich und erlaubt, an nicht implantierten Embryonen zu forschen. Kritiker befürchten, dass damit dereinst auch Eigenschaften von Kindern vorgeburtlich bestimmt werden könnten. Ein Kind nach Katalog wäre damit nur eine Frage der Zeit.


      Ziele von Gendiagnosen: Um genetisch bedingten Krankheiten oder Krankheitsveranlagungen auf die Spur zu kommen, muss eine genetische Untersuchung - die Analyse der Erbanlagen - durchgeführt werden. Diese Untersuchungen können durch Chromosomenanalyse, direkte Tests an der DNA oder durch indirekte Nachweismethoden (z.B. Enzymtests oder immunologische Testmethoden) Aufschluss darüber geben, ob eine Person eine Krankheitsveranlagung besitzt und möglicherweise an einer dadurch bedingten Krankheit leidet oder deren Überträger ist.

      Genetische Untersuchungen werden mit verschiedenen Zielen durchgeführt:

      Gentests zur Diagnose von Krankheiten, wenn bereits Symptome vorhanden sind. Die Gendiagnose gibt dann Aufschluss über die Ursache der Krankheit und über Behandlungsmöglichkeiten.

      Pränatale Gentests: Als pränatale Gentests werden genetische Untersuchung am ungeborenen Kind bezeichnet. Anhand des Tests kann festgestellt werden, ob beim Ungeborenen ein genetischer Defekt vorliegt.

      Gentests für die Familienplanung. Mittels eines Gentests kann festgestellt werden, ob einer oder beide Partner von Paaren mit Kinderwunsch Träger einer erblichen Erkrankung sind. Dieser Test wird im Moment nur dann durchgeführt, wenn der konkrete Verdacht auf eine vererbbare Krankheit besteht.

      Präsymptomatische Gentests: Sie werden durchgeführt, ohne dass Krankheitssymptome vorhanden sind. Sie dienen der Abklärung, ob eine bestimmte genetische Abweichung in einem Embryo, einem Kind oder einem Erwachsenen vorliegt, die später zu einer Erkrankung führen kann. Dieser Test wird im Moment ebenfalls nur dann durchgeführt, wenn der konkrete Verdacht auf eine vererbbare Krankheit besteht.

      Wer steht hinter HUGO?Das Human Genome Project (HGP) wurde 1990 ins Leben gerufen mit dem Ziel, in 15 Jahren das menschliche Genom komplett zu entschlüsseln. Koordiniert wurde das Projekt von dem U.S. Department of Energy und den National Institutes of Health. Technologische Fortschritte brachten das Projekt schneller als erwartet voran, so dass mittlerweile bis 2003 mit der vollständigen Entschlüsselung des menschlichen Genoms gerechnet wird. Erste grobe Arbeitsversionen sollen noch dieses Jahr vorliegen. Die Ziele des Projekts sind:

      die mehr als 100.000 Gene der menschlichen DNA zu identifizieren

      die Sequenz der mehr als 3 Milliarden Basenpaare der DNA zu bestimmen

      die erarbeiteten Informationen in Datenbanken zu speichern

      die aus dem Projekt entstehenden ethischen, sozialen und gesetzlichen Fragestellungen (Ethical, Legal, and Social Implications ELSI) aufzuzeigen Die Daten und Informationen aus dem HGP helfen Wissenschaftlern Struktur, Organisation und Funktion der DNA zu verstehen. Vergleichende Studien der Genome verschiedener Organismen, wichtig für das Verständnis der komplexen biologischen Systeme, werden auf dieser Grundlage einfacher. Die Human Genome Organisation (HUGO) ist die internationale Vereinigung der Wissenschaftler des HGP. HUGO wurde bereits 1989 von einigen Wissenschaftlern gegründet, um die internationale Zusammenarbeit bei der Entschlüsselung des menschlichen Genoms zu verstärken. Das HGP wird zum grössten Teil mit öffentlichen Geldern finanziert. Die USA, und dort vor allem die National Institutes of Health und das Departement of Energy, steckten in den letzten 11 Jahren fast 2,2 Mrd. US Dollar in das HGP. In Deutschland werden zurzeit 34 Projekte mit 45 Mio. DM pro Jahr gefördert. Überall auf der Welt arbeiten Forschungsgruppen intensiv am HGP. In der Schweiz hat sich vor allem Professor Stylianos Antonarakis von der Division de Génétique médicale an der Universität Genf, mit seiner Forschung einen Namen gemacht. Er gehört zu den Forschern, die den Code des Chromosoms 21 entschlüsselt haben.

      Adressen: http://www.nhgri.nih.gov/HGP/ · http://www.ornl.gov/hgmis/ · http://www.gene.ucl.ac.uk/hugo/ · http://www.sanger.ac.uk/HGP/



      Genetische Untersuchungen - Auf dem Weg zu einem Gesetz wider den gläsernen Menschen Gendiagnostik ist umstritten. Sie kann zwar auf mögliche Krankheitsveranlagungen hinweisen und ermöglicht so eine frühzeitige Behandlung der Krankheit oder verhindert gar ihren Ausbruch. Andererseits besteht die Gefahr, dass man zuviel weiss. Ein neues Gesetz soll einen rechtlichen Rahmen für genetische Untersuchungen schaffen.

      Genchips sind heute Realität: Genchip-Experiment mit Chip-Prozessierungsstation und Laserscanner.

      Die Gendiagnostik weckt viele Hoffnungen, stellt aber auch alle Beteiligten vor Entscheidungen, die wohlüberlegt sein müssen. Eine umfassende und kompetente genetische Beratung aller von einer Gendiagnose betroffenen Personen ist daher notwendig. Die Patientin oder der Patient muss genau über die Möglichkeiten und die Folgen einer solchen Analyse informiert werden. Auch im Datenschutz stellen sich neue Probleme: Wer soll unter welchen Umständen wieviel Einblick in die genetischen Daten einer Person erhalten? Dürfen Arbeitgeber von ihren Angestellten oder Versicherungen von ihren Kunden Gentests verlangen? Es ist zu befürchten, dass die Möglichkeiten der genetischen Diagnostik eine Entwicklung in diese Richtung begünstigen. Gerade im Versicherungswesen - bei Lebensversicherungen und privaten Krankenversicherungen - könnte man sich vorstellen, dass es zu Diskriminierungen von Personen mit einer bekannten, von der Norm abweichenden, genetischen Veranlagung kommt.

      Andererseits besteht natürlich auch die Gefahr des Missbrauchs von Seiten der Versicherungsnehmer. So könnte etwa jemand, der aufgrund eines Gentests weiss, dass er ein hohes Risiko für eine Krebserkrankung hat, sich für genau diesen Fall versichern lassen, ohne der Versicherung sein Risiko mitzuteilen. Dadurch kommt er zu einer Versicherung, die er nicht erhalten würde, wenn die Versicherungsfirma über das Testergebnis Bescheid wüsste. Die Versicherungsfirmen befürchten nun, dass Personen, die von ihrem Erkrankungsrisiko wissen, so handeln und sie damit schädigen könnten.

      Genchips im Kommen...Ein Missbrauch im Umgang mit genetischen Daten - sei es durch Versicherungen, Versicherungsnehmer oder Ärzte - muss möglichst verhindert werden. Dazu bedarf es klarer und strenger gesetzlicher Regelungen. Die neuesten technologischen Entwicklungen machen diese Notwendigkeit noch deutlicher: Bereits werden sogenannte Genchips entwickelt, mit deren Hilfe man Dutzende von Genen und biologische Funktionen gleichzeitig testen kann. In Zukunft wird es möglich sein, anhand eines einzigen Blut- oder Speicheltropfens innerhalb kürzester Zeit das genetische Profil eines Menschen zu erstellen. Der Mensch kann jedoch nicht auf seine Gene reduziert werden. Äussere Einflüsse, wie die Umwelt oder das soziale Umfeld, sind mindestens so wichtig für die Individualität eines Menschen, wie seine genetischen Voraussetzungen.

      Ein neues Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen soll die Anwendung der genetischen Diagnostik und den Umgang mit den Daten in gesetzliche Schranken weisen. `Kinder nach Mass` werden darin ausdrücklich abgelehnt.
      ...und das Gesetz dazu ebensoGrundlage für das Gendiagnostik-Gesetz bildet der Artikel 24novies der Schweizerischen Bundesverfassung. Darin wird der Schutz des Menschen und seiner Umwelt gegen Missbräuche der Fortpflanzungs- und Gentechnologie eindeutig festgehalten.Nach der Annahme von Artikel 24novies durch Volk und Stände im Mai 1992 setzte der Bundesrat die Interdepartementale Arbeitsgruppe für Gentechnologie (IDAGEN) ein. Die IDAGEN hatte die Aufgabe, ein Programm für die erforderlichen Rechtsetzungsmassnahmen im Bereich Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie zu erarbeiten. Die Arbeitsgruppe schlug neben einem Gesetz über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung die Erarbeitung des Vorentwurfs für ein Gesetz zur Genomanalyse vor. Der Vorentwurf "legt fest, unter welchen Voraussetzungen genetische Untersuchungen beim Menschen durchgeführt, Proben, die im Hinblick auf eine genetische Untersuchung einer Person entnommen worden sind, aufbewahrt und weiterverwendet sowie genetische Daten Drittpersonen mitgeteilt und verwertet werden dürfen".

      Kein Gentest für den neuen JobDie Diskriminierung von Personen wegen ihres Erbgutes wird in dem Gesetz für unzulässig erklärt. Jeglicher Handel mit genetischen Tests ist verboten, die Untersuchungen selbst müssen bewilligt werden und dürfen zu medizinischen Zwecken nur dann eingesetzt werden, wenn sie für die Prophylaxe oder eine Therapie notwendig sind oder als Grundlage für die Lebensgestaltung oder Familienplanung dienen. Bei pränatalen Untersuchungen dürfen nur Eigenschaften getestet werden, die mit der Gesundheit des werdenden Kindes zu tun haben. Für präsymptomatische Tests wird eine ausführliche und kompetente Beratung von Fachärztinnen und -ärzten vorausgesetzt. Das Gesetz hält überdies fest, dass weder vom Arbeitgeber, noch von einem Versicherungsanbieter genetische Untersuchungen oder Daten aus Untersuchungen verlangt werden können.Teile des Genoms von verschiedenen Individuen sind so unterschiedlich wie ein Fingerabdruck. Man spricht daher auch vom genetischen `fingerprint`. Diese Tatsache kann man sich in der Strafuntersuchung zu Nutze machen. Der Gesetzesentwurf lässt Analysen von genetischem Material zu, um Täter bei Strafuntersuchungen zu identifizieren. Allerdings darf ausdrücklich nicht nach dem Gesundheitszustand und ausser nach dem Geschlecht auch nicht nach anderen persönlichen Eigenschaften geforscht werden.Um die Qualitätsstandards der Untersuchungen zu gewährleisten und die weitere wissenschaftliche und praktische Entwicklung im Bereich Gendiagnostik zu verfolgen, sieht der Gesetzesentwurf die Einsetzung einer Kommission für genetische Untersuchungen beim Menschen vor. Die Mitglieder dieser Kommission sollen die massgeblichen wissenschaftlichen Fachrichtungen und die Praxis vertreten.

      Neue Erkenntnisse aus der Genomanalyse und der Biochiptechnologie, mit deren Hilfe sich bald mehrere tausend Gensequenzen in einem einzigen Analysegang identifizieren lassen werden, vereinfachen genetische Untersuchungen. Dadurch vergrössert sich die Gefahr eines Missbrauchs. Das neue Gesetz soll der Gendiagnostik Leitplanken setzen und die Entwicklung in die gewünschten Bahnen lenken.Die einzelnen Artikel des Gesetzesentwurfs stiessen im Vernehmlassungsverfahren keineswegs nur auf Zustimmung. Alle an der Vernehmlassung Beteiligten begrüssten den Entwurf als Ganzes, häufig kritisiert wurden jedoch die Abschnitte, welche die genetischen Untersuchungen im Arbeits- und Versicherungsbereich regeln.Bei vielen Artikeln wurden Konkretisierungen und fallweise Unterscheidungen verlangt. In Anbetracht der Verunsicherung, welche die Anwendung der Gentechnologie in der Bevölkerung hervorruft, müssen diese Forderungen berücksichtigt werden. Ein im Herbst 1998 durchgeführter Dialog zur Gendiagnostik, in welchem Laien und Fachleute das Gespräch suchten, machte die Beunruhigung deutlich. In einer abschliessenden Stellungnahme verlangte die Laiengruppe, dass der Staat nicht nur detaillierte gesetzliche Bestimmungen festlegt, sondern auch deren Einhaltung konsequent und streng kontrolliert. Dennoch scheint es gelungen zu sein, im Gesetzesentwurf die wichtigsten Anliegen aller von der Gendiagnostik Betroffenen zumindest aufgegriffen zu haben. Grundlegende Änderungen wurden keine verlangt.



      Neue Klasse von Wirkstoffen im Visier - Strommessung bei Zellen gewinnt Tempo. Eine gute Idee kann zwar zu akademischem Erfolg führen. Sie wird jedoch erst eine breite Anwendung finden, wenn sie vorhandenen Bedürfnissen entspricht. Die Firma TransSense in Lausanne ist ein gutes Beispiel dafür. Sie setzt die eigene Erfindungsleistung dazu ein, um eine bekannte - aber wenig genutzte - Methode für Strommessungen bei Zellen in einer wesentlich effizienteren Form anzubieten.

      Der Prototyp für das AutoPatch-Gerät der ersten Generation. Vortests, Zugabe der Reagenzien sowie die eigentliche Messung erfolgen automatisch. Dank der zur Steuerung entwickelten Software kann ein - sonst äusserst heikles und langwieriges - Experiment einfach per Mausklick durchgeführt werden. Die Messung von Strömen durch einzelne Proteine in biologischen Membranen liefert grundlegende Erkenntnisse über deren Funktion sowie Interaktion mit anderen Proteinen und Wirkstoffen. Der experimentelle Aufwand dafür ist heute leider noch unverhältnismässig hoch. "Unter dem Mikroskop wird mittels eines Mikromanipulators eine sehr feine Glaspipette an die Zellmembran geführt und abgedichtet; das erfordert viel Geduld und Erfahrung. Die Fehlerquote ist beträchtlich", erklärt Christian Schmidt. Der Biophysiker spricht aus eigener, jahrelanger Erfahrung: "1992 hat mir deshalb ein Freund vorgeschlagen, einen Silizium-Mikrochip statt einer selbst bearbeiteten Glaspipette zu verwenden". Solche Chips mit einem kleinen Loch in der Mitte, welches die Funktion der Pipettenspitze übernimmt, lassen sich industriell mit hoher Präzision herstellen. Wesentlich schwieriger war jedoch die Frage zu lösen, wie das Loch mit der zu untersuchenden Membran zusammengebracht werden sollte. Für die geniale Lösung dieser Frage benötigte Schmidt mehrere Jahre. Nach Vorarbeiten in San Diego und Jena baute Schmidt 1997 im Labor von Professor Horst Vogel an der EPFL in Lausanne den ersten Prototypen zusammen. Die patentierte Erfindung bildet die Grundlage für die 1998 mit Unterstützung des SPP Biotechnologie gegründete Firma TransSense.


      Beträchtliches Marktpotential: Wie lässt sich jedoch eine solche - zwar vereinfachte aber nach wie vor relativ komplexe - Methode wirtschaftlich nutzen? "Die Investoren zeigten sich äusserst interessiert", beantwortet Jean Pierre Rosat diese Frage optimistisch. Der ehemalige Immunologe, welcher Schmidt seit April dieses Jahres bei TransSense in den Bereichen Marketing und Verkauf unterstützt, führt die Attraktivität der Geschäftsidee darauf zurück, dass es auf dem Markt kaum eine vergleichbare Lösung für rasche Funktionsmessungen an der wichtigen Klasse von Membranproteinen gibt. Genau diese Klasse spielt jedoch die Hauptrolle bei zahlreichen Krankheiten und gehört deshalb zu den prioritären Forschungsobjekten der pharmazeutischen Industrie. Einen weiteren begünstigenden Faktor ortet Rosat darin, dass die kombinatorische Chemie riesige Wirkstoff-Bibliotheken produziert, welche nun auch an Membranproteinen getestet werden müssen. Der Anfall grosser Informationsmengen aus den Genomprojekten, zusammen mit den Möglichkeiten zur gezielten Veränderung rekombinant hergestellter Proteine, verstärkt zusätzlich die Nachfrage nach Analysetechniken. Rosat blickt deshalb positiv in die Zukunft: "Wir schätzen den Markt für Technologien, welche das Wirkstoff-Screening vereinfachen, innerhalb der nächsten zehn Jahre auf mehrere Milliarden Franken ein. Im Bereich elektrophysiologischer Screening-Methoden will TransSense eine führende Position übernehmen". Die guten Marktaussichten zusammen mit der revolutionären Technologie haben denn auch die Kommission für Technologie und Innovation (KTI) dazu veranlasst, TransSense mit dem "KTI Start-up-Label" auszuzeichnen.

      Vorstoss zum grossen Durchsatz: Nach Abschluss der Testphase sollen die ersten AutoPatch-Geräte bis Ende 2000 auf den Markt gelangen. Die Komponenten dazu werden von ausgewählten in- und ausländischen Firmen hergestellt.

      Mitte 2000 wird TransSense 160 m2 Räumlichkeiten im "Biopôle" in Epalinges bei Lausanne beziehen, einem neuen Firmen-Park, der sich auf Biotechnologie spezialisiert hat. Den Vertrieb, Support und die Ausbildung des Bedienungspersonals (soweit diese überhaupt notwendig ist) wird TransSense in der Anfangsphase für Europa selber organisieren. In den USA ist die Zusammenarbeit mit einer Vertriebsfirma geplant. Für die Entwicklung und Herstellung der parallel messenden AutoPatch-Systeme der dritten Generation sucht TransSense momentan noch mögliche Partnerfirmen. Für Kunden, welche sich ein solches relativ teures Gerät mit hoher Durchsatzrate nicht selber leisten wollen, wird TransSense dann vorausichtlich entsprechende Messungen als Dienstleistung anbieten.
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      schrieb am 01.10.00 11:56:34
      Beitrag Nr. 9 ()
      Was ist Klonen?

      Klonen, auf den ersten Blick ein Wort aus der Science Fiction, doch handelt es sich bei diesem Begriff um eine Beschreibung eines Vorgangs, der die Genetik der Fünfziger Jahre aufschüttelte und den Ethikern eine Gänsehaut bescherte. Und Seit dem es gelungen ist ein Säugetier zu klonen und man in Gedanken schon beim Menschenklon war, hagelte es nur so mit Ohrfeigen. Für die Biologen, die Politiker, ja sogar für die Philosophen wurde das Klonen ein zentrales Thema, und ein heftiger ethischer Diskurs wurde geführt.

      Doch worum handelt es sich hier eigentlich? Wie kam es dazu und welche Möglichkeiten eröffneten sich den Wissenschaften durch diese Errungenschaft der Genetik?

      Klonen, das ist in Kurzform, die, künstlich hervorgerufene Geburt eines Individuum, das bereits existiert, bzw. existierte. Die Zeugung einer Kopie eines Lebewesen egal ob lebendig oder tot, egal ob Kuh, Fisch, Baum oder Mikroorganismus, durch die Manipulation von Zellen und Genen. Wichtig dabei ist. die geklonten Individuen (Klone) haben weder Vater noch Mutter, nur ein bis zwei Zell- bzw. Erbgutspender.


      Klonen aus einer Körperzelle

      Dollys (zweite) Auferstehung

      Bei ähnlicher Prozedur wie die bei den Zwillingen entstand Dolly, das Schaf das aus einer Körperzelle geklont wurde.
      Sie entnahmen einem Schaf eine Körperzelle aus dem Euter. Zuerst musste der Teilungsprozess dieser Zelle gestoppt werden. Das erreichte man, in dem man sie in ein Nährmedium gab, das bestimmte Nährstoffe, die für eine Zellteilung nötig sind, nicht besaß. Die Zelle hungerte folglich und der Teilungsprozess wurde lahmgelegt.
      Parallel dazu, wurde einem weiblichen Schaf eine unbefruchtete Eizelle (Zygote) entnommen (siehe Abbildung). Dieser wurde nun, in einem sehr aufwendigen Prozess, der Nucleus mit dem Erbgut (Chromosomen) entnommen. Dies musste geschehen, ohne das die übrige Zelle und ihre Organellen beeinträchtigt bzw. beschädigt wurde. Die Zygote war nun denucleoniert.

      Beide Zellen, die Körperzelle und die denucleonierte Zygote mussten jetzt fusioniert werden, d.h. beide Zellen mussten sich verbinden, so das daraus eine vollständige Zelle mit Nucleus hervorgeht. Dies erreichte man in einem aufwendigen Prozess, bei dem die Zellen durch einen Elektroschock angeregt wurden zu fusionieren uns sich zu teilen.

      Immer noch auf dem Nährmedium, begann diese neue Zelle sich zu teilen und konnte bald darauf in die Gebärmutter eines Schafes gepflanzt werden. Aus diesem Embryo entsprang ein Schaf, das genetisch identisch war zu dem Schaf, dem die Körperzelle mit dem Erbgut entnommen wurde. Dieses Schaf war zu dem Zeitpunkt, als der Klon geboren wurde schon sechs Jahre alt. Dolly wurde geboren, nachdem der Versuch 275 mal misslang.

      Dieser Erfolg entfachte eine heftige Diskussion unter Wissenschaftlern, Ethikern, Politikern, und Philosophen. Ist es doch theoretisch möglich, Menschen zu Klonen, ja sogar Menschen, die vor Jahren verblichen sind.


      Der Ethikdiskurs
      Klonen im Kreuzfeuer

      Spätestens als Dolly (zum zweiten Mal) die Welt erblickte, wachte man auf und dachte nach. Ist es richtig, der Natur so heftig unter die Arme zu greifen? Das Gott nicht mehr am Zeichenbrett steht und Erdlinge skiziert, das weiß man seit der Renaissance, doch das wir jetzt den Griffel in die Hand nehmen, das ist neu.

      Bei einem Schaf wie Dolly sicherlich keine Sünde, denken die Wissenschaftler und da mögen sie Recht behalten. Was hinter Dolly´s Geburt steckt, ist jedoch weit mehr als man denkt. So ist es theoretisch möglich einen Menschen auf dieselbe Art zu klonen. Und dabei ist es unwichtig, ob dieser Mensch schon Tot ist oder nicht, wenn man den Australischen Wissenschaftlern glaubt, die sich daran gemacht haben, ein seit dreißig Jahren ausgestorbenes Tier wieder zum Leben zu erwecken, oder eine Thailändischen Forschertruppe die den weißen Elefanten des Königs wieder auftauchen lassen möchte, der bereits seit etwa hundert Jahren tot ist.



      In der Zeitung las man in letzter Zeit öfter, über Menschen, die „weiterleben“ möchten. Doch was wird der Klon davon haben? Er hat keine Eltern und wird sein ganzes Leben darunter Leiden, die Kopie eines Menschen zu sein und kein ganzes Individuum. Das Duplikat wird im wesentlichen nur geistlich ein Individuum bleiben, doch Körperlich mit Sicherheit nicht.


      Mittlerweile besteht offenbar - abgesehen von ein paar Ausnahmen, wie beispielsweise, der Gauner Al Fayed – ein Konsens über die Unantastbarkeit des Menschen, jedenfalls in 14 Europaländern, doch die Gefahr besteht weiterhin, das Menschen auf die Idee kommen, sich klonen zu lassen, oder ein Stück Vergangenheit - will meinen: ein Klon von Hitler oder Abraham Lincoln ist nicht undenkbar. Eine tote Zelle oder ein Barthaar dürften reichen. Abwarten und in zwanzig Jahren gibt es vielleicht Klone von Pamela Anderson auf dem Schwarzmarkt.

      Die Preisliste (in englischer Sprache) gibt’s jedenfalls schon zu besichtigen.
      Auch eine Anleitung (in englischer Sprache) zum klonen des Ichs
      gibt’s (doch in diesem Falle rate ich: klont lieber euer Über-Ich).


      Klonen in der Zukunft

      Jurassic Park wird Realität, Ötzi springt wieder über die Gletscherspalten, Hitler und Frey rüsten sich für die nächste Bundestagswahl und Tut Anch Amun regiert Ägypten.

      Für Jahrzehnte, das Klonen von Tieren oder Menschen blieb Science Fiction. Doch seit der Nachricht über das gelungene Experiment, ein sechs jahre altes Schaf aus einer Euterzelle zu klonen, viele der Vermutungen und Vorstellungen aus der Science Fiction, erweisen sich als theoretisch durchfürbar. Theoretisch ist es jetzt möglich, das Menschen die sterben oder starben ersetzt werden können. Zwillinge mit verschieden Eltern können, also Doubles könnten erzeugt werden. Ja sogar Menschen aus der Vergangenheit können mit Hilfe dieser Technik wieder auferstehen, hätte man ein paar konservierte Zellen. Wenn man das menschliche Genom oder das von Tieren besser kennenlernt, könnte man mit Hilfe der Rekombination von DNA "perfekte" Menschen oder Tiere erzeugt werden, was in der Agrarwirtschaft ja schon seit längerem gemacht wird. Sie würden für einen bestimmten Lebensweg zugeschnitten und könnten zudem noch schön aussehen und Intelligenzbestien sein.

      Eine erschreckende Vielzahl von Möglichkeiten stehen offen, obwohl man in diesem Gebiet noch sehr weit am Anfang steht.
      Avatar
      schrieb am 01.10.00 12:29:39
      Beitrag Nr. 10 ()
      Neue Hoffnung:

      Für Patienten mit multipler Sklerose zeichnet sich ein Silberstreif am Horizont ab. Doch trotz Behandlungserfolg warnen Experten vor Euphorie. (27.09.2000) Eine frühzeitige Behandlung der Nervenkrankheit Multiple Sklerose (MS) mit marktüblichen Interferon-Präparaten kann nach einer US-Studie den Krankheitsverlauf deutlich verlangsamen. In einigen Fällen sei die fortschreitende Zerstörung des die Nerven umhüllenden Myelins sogar gestoppt worden, hieß es am Dienstag in US- Medienberichten. „Wenn die Behandlung frühzeitig beginnt, schon bei den ersten Anzeichen, dann kann das Schicksal des Patienten beeinflusst werden“, sagte der Direktor des MS-Zentrums der Jefferson-Universität von Philadelphia, Dr. Thomas Leist, dem Fernsehsender CNN. Neue Perspektive Die Ergebnisse einer Langzeitstudie mit 383 Patienten in 50 Medizinischen Zentren der USA und Kanadas „eröffnen eine neue Perspektive für die Behandlung von Multipler Sklerose“. Nach Ausagen von Prof. Reinhard Hohlfeld vom Münchner Klinikum Großhadern zögern Mediziner bislang, Interferone bereits nach dem ersten Krankheitsschub zu verordnen, weil das Symptom noch nicht zwangsläufig als MS gelte.

      Man könnte die Krankheit jedoch als MS bezeichnen, wenn mindestens ein Schub aufgetreten sei und es zugleich bei einer Kernspinntomographie des Gehirns deutliche Krankheitshinweise gebe. Die Einnahme verzögere der Studie zufolge den Zeitraum bis zum zweiten MS-Schub. Bei der Studie, die am kommenden Donnerstag im „" target="parent">New England Journal of Medicine“ veröffentlicht werden soll, hatten die Wissenschaftler das Interferon-beta-1a-Medikaments „Avonex“ eingesetzt, das bereits seit einigen Jahren am Markt ist. Bei 44 Prozent der am Test beteiligten Patienten habe die Verabreichung von „Avonex“ bereits zum Zeitpunkt der ersten leichten Beschwerden später eine erhebliche Verlangsamung des Verlaufs gebracht. In anderen Fällen seien dadurch weitere Krankheitsschübe ausgeblieben. Die Studie sei drei Jahre lang durchgeführt worden. Inwieweit eine rechtzeitige Interferon- Behandlung die Krankheitsverlauf danach noch beeinflusse sei nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Ursache der Multiplen Sklerose ist eine schleichende Zerstörung des Myelins, das als Markscheide an vielen Stellen des Nervensystems die Nerven umhüllt und für ihre Versorgung mit Nährstoffen sowie die Weiterleitung von Nervenimpulsen nötig ist. Die Schädigung kann an verschiedenen Stellen des Gehirns und des Rückenmarks auftreten. Sie führt zu einer fortschreitenden Schwächung des Bewegungsapparates, Sehstörungen, Taubheitsgefühl, allgemeiner Zittrigkeit und Lähmungen. Weltweit leiden nach UN-Schätzungen mehr als eine Million Menschen an dieser Krankheit des zentralen Nervensystems.(dpa)


      Dann noch was zur

      Gen-Datei: Mißverständlicher Begriff, der sich als Bezeichnung für das Speichern genetischer Fingerabdrücke eingebürgert hat. Die Gesamtheit der Erbinformation des Menschen, sein Genom, besteht nach heutiger Kenntnis zu weit weniger als 10% aus Genen. Mehr als 90% des menschlichen Genoms ist nicht mit einer Funktion korreliert. In diesen Bereichen gibt es Abschnitte, in denen sich kurze Sequenzabfolgen in einer für jedes Individuum typischen Anzahl wiederholen. Derartige Sequenzwiederholungen finden sich an verschiedenen Stellen des Genoms, wobei unterschiedliche Sequenztypen wiederholt werden.

      Aus der Kombination von Sequenztyp und Anzahl der Wiederholungen ergibt sich ein für jede Person charakteristisches Muster. Anhand dieser Muster können Individuen daher eindeutig identifiziert werden, ähnlich wie bei einem Fingerabdruck. Grundlage des Verfahrens bilden also nicht die Gene, sondern die ansonsten informationslosen zwischengenischen Bereiche. Abgespeichert werden keine Sequenzdaten, sondern Kenndaten dafür, wie oft der jeweilige Sequenztyp bei einer Person wiederholt ist. Die Anfrage an eine entsprechende Datei hätte daher das Format A1, B2, C3, D4, E5 u.s.w. mit jeweils charakterisierenden Zahlenwerten.


      Ein Fingerabdruck von den Genen?

      Die Methode des „genetischen Fingerprintings“
      Neben dem gezielten Aufspüren von Veränderungen in bestimmten Sequenzen ergeben sich aus unserem Wissen um den Aufbau der genetischen Information noch andere Anwendungen. Diese sind vielleicht noch erstaunlicher.
      Wie oben schon kurz erwähnt ist das Genom der höher entwickelten Organismen nicht unbedingt vollgepackt mit genetischer Information. Beim Menschen wird sogar ein nur erstaunlich geringer Teil des Genoms für die Speicherung genetischer Information genutzt. Die niedrigsten Schätzungen liegen bei 3%. Über die Funktion der restlichen DNA ist man sich noch nicht so ganz im klaren.

      Allerdings haben die analytischen Untersuchungen bereits zur Entdeckung bestimmter Sequenzen geführt, die in Anordnung und Häufigkeit für jedes Individuum charakteristisch sind. Mit den entsprechenden Gensonden läßt sich daher von der menschlichen DNA ein Bild erhalten, das für jede Einzelperson eindeutig und einmalig ist. Da diese Sequenzen nach den üblichen Regeln vererbt werden, lassen sich so auch verwandtschaftliche Beziehungen klären.

      Da die Aussagen dieses DNA-Tests ebenso unverwechselbar sind wie ein Fingerabdruck, spricht man international vom DNA-Fingerprinting. Schon aus dem Namen wird klar, daß diese Methode in der Kriminalistik eingesetzt werden kann. Die DNA eines Tatverdächtigen kann mit DNA verglichen werden, die aus Zellen vom Tatort stammt. Dank der PCR-Methode genügen hier schon einige wenige Zellen als Ausgangsmaterial. Da die Methode hohe Anforderungen an die Durchführung stellt, war sie seit ihrer Entwicklung Mitte der 80er Jahre in der Kriminalistik immer wieder umstritten. Heute hat sie sich als fester Bestandteil forensischer Untersuchungen etabliert.
      Das DNA-Fingerprinting ist längst unverzichtbar wenn es darum geht, verwandtschaftliche Beziehungen zu klären. Die Genauigkeit des DNA-Fingerprinting ist dabei weitaus höher als die Genauigkeit der klassischen biochemischen Tests. Bei Vaterschaftsprozessen findet die Methode daher ebenso Anwendung wie bei Einreiseverfahren, wenn die Klärung verwandtschaftlicher Beziehungen hierfür notwendig ist. Dies ist gerade in England, wo die Methode des DNA-Fingerprinting entwickelt wurde, von großer Bedeutung.

      Aber nicht nur beim Menschen kann die Methode eingesetzt werden, sondern generell bei allen Organismen. Besonders in der Tierzucht ergeben sich klare Abstammungsnachweise, was die Sicherheit bei Kauf und Kreuzung deutlich erhöht. Auch in Pflanzen können genetische Marker problemlos nachgewiesen werden und Aufschluß über die erfolgreiche Ein- oder Auskreuzung von Eigenschaften geben. Natürlich sind Mikroorganismen gleichfalls auf diese Art charakterisierbar. Es ist sehr genau feststellbar, ob sich bestimmte Mikroorganismen in einer zu untersuchenden Probe befinden. Das kann dort interessant sein, wo schnelle Aussagen über die Art eines Krankheitserregers gefordert sind. Man kann aber auch Informationen über eine Kontamination von Lebensmitteln gewinnen oder einfach nur sicherstellen, daß ein bestimmter Mikroorganismus auch wirklich der ist, den man haben möchte.




      Wie ein normaler Fingerabdruck kann der genetische Fingerabdruck Personen identifizieren. Jeder Person können eindeutige Bandenmuster zugeordnet werden, die je nach eingesezter Methode (A-D) variieren. Im dargestellten Fall beinhaltet jeweils die mittlere Spur eine Mischung von DNA, wie sie am Tatort gefunden wurde. Daneben rechts ist die DNA des Opfers (Spur 3), links die eines Verdächtigen aufgetragen (Spur 1). Die Banden der Mischung können Opfer und Verdächtigem eindeutig zugeordnet werden.
      Bild: Bundeskriminalamt 1996
      Avatar
      schrieb am 01.10.00 12:41:37
      Beitrag Nr. 11 ()
      Gentherapie

      Die Gentherapie ist zu einem neuen Hoffnungsträger in der Medizin geworden. Viele Wissenschaftler sehen in der Verpflanzung von Genen in bestimmte Körpergewebe eine neue Behandlungsweise, die in Zukunft neben klassischen Therapieformen wie Medikation, Operation und Bestrahlung einen festen Platz erlangen könnte. Die ersten klinischen Ergebnisse sind ermutigend. Doch bei der praktischen Umsetzung der theoretisch eleganten Konzepte sind noch viele Hürden zu überwinden.
      Viele erbliche und nichterbliche Krankheiten beruhen auf Defekten an den Erbanlagen. Die Wissenschaftler versuchen daher seit kurzem, diese Fehler durch das Verpflanzen von Genen, durch eine sogenannte Gentherapie, zu korrigieren.

      Bei der an einzelnen Körperzellen vorgenommenen Behandlung mit Genen, der somatischen Gentherapie, wird eine gesunde Erbanlage zusätzlich in die Zellen eines bestimmten Organs eingeschleust. Sie soll den Körper mit dem fehlenden Produkt versorgen. Während man in der klassischen Medizin dem Patienten ein fertiges Arzneimittel verabreicht, behandelt man ihn bei der Gentherapie mit einer genetischen Information, nach der dann seine eigenen Zellen den fehlenden oder vorteilhaften Stoff erst noch bilden. Die somatische Gentherapie läßt sich als eine Sonderform der Transplantation verstehen. Während in der modernen Transplantationsmedizin ein vollständiges Organ, etwa ein Herz oder eine Niere, verpflanzt wird, werden bei der Gentherapie einzelne Erbinformationen von einem Spender auf einen Empfänger übertragen.

      Zum Verpflanzen von Genen verwenden die Wissenschaftler die verschiedensten Transportmittel: biologische, chemische und physikalische. Die meisten Gentherapien hat man bislang mit sogenannten viralen Vektoren ausgeführt. Das sind verstümmelte, unschädlich gemachte Viren, die das fremde Gen ähnlich wie bei einer natürlichen Infektion in die Zellen einschleusen. Als besonders vorteilhaft haben sich retrovirale Vektoren erwiesen. Diese von Retroviren abgeleiteten "Gentaxis" liefern ihre kostbare Fracht direkt an eines der zellulären Chromosomen ab. Dort kann das Gen nicht mehr verlorengehen.

      Körperzellen lassen sich am einfachsten mit einem zusätzlichen Gen ausrüsten, wenn man sie vorübergehend aus dem Organismus entfernt. Für diese sogenannte ex vivo-Behandlung eignen sich vor allem leicht zugängliche Zellen, etwa aus dem Blut, dem Knochenmark, der Haut, dem Bindegewebe oder der Leber. Die Zellen werden im Reagenzglas mit dem gewünschten Gen ausgestattet und den Patienten anschließend zurückgegeben. Sie bilden dann das gewünschte Produkt, z.B. ein Enzym, ein Hormon oder einen anderen hilfreichen Stoff.


      Therapie in Körperzelle

      Da die zusätzliche Erbanlage bei der somatischen Gentherapie nur in bestimmte Körperzellen gelangt, nicht aber in Keimbahnzellen (Samen- und Eizellen), wird sie nicht an die Nachkommen vererbt. Theoretisch könnte man Erbanlagen auch in Keimbahnzellen verpflanzen, so daß sie ver-erbbar werden. Eine solche Keimbahntherapie haben die Wissenschaftler jedoch aus ethischen Gründen vorerst ausgeschlossen. Die meisten Gentherapie-Versuche finden derzeit in den Vereinigten Staaten statt. Aber auch in Deutschland und in mehreren europäischen Ländern wird die Behandlung mit Genen bereits an einigen Patienten erprobt.


      Ein erster Erfolg

      Die erste Gentherapie wurde von amerikanischen Ärzten im September 1990 an einem vierjährigen Mädchen vorgenommen. Das Kind litt wegen eines Erbdefekts an einer sehr seltenen
      angeborenen Immunschwäche. Seinen Abwehrzellen (Lymphozyten) fehlte ein wichtiges Entgiftungsenzym, die Adenosin-Desaminase (ADA), so daß sie zugrunde gingen. Die Ärzte entnahmen der Patientin Blut, schleusten im Reagenzglas in die weißen Blutzellen ein gesundes ADA-Gen ein und gaben dem Kind die gentechnisch veränderten Zellen durch Infusion wieder zurück. Das Ergebnis dieser und einiger weiterer Gentherapien bei jungen Patienten mit derselben Erbkrankheit verlief ermutigend: Während vor der Behandlung schon jede Erkältungskrankheit für die Kinder lebensbedrohlich war, sind sie nun gegen Infektionen gefeit und können sogar eine öffentliche Schule besuchen. Die Gentherapie muß bislang allerdings ein- bis zweimal im Jahr wiederholt werden, da die weißen Blutzellen nur eine begrenzte Lebensdauer besitzen.

      Ex vivo-Gentherapie an der Leber.Die Leber ist ein Organ mit hoher Regenerationsfähigkeit. Trennt man ein Stück ab, ergänzt sich das Organ alsbald wieder zu seiner ursprünglichen Größe. Das abgeschnittene Lebergewebe läßt sich mit Enzymen in einzelne Zellen zerlegen. Diese Zellen kann man im Reagenzglas mit einem zusätzlichen Gen ausstatten. Man verwendet bevorzugt die als Hypatozyten gezeichnete Zellsorte, die für die Stoffwechselleistungen der Leber zuständig ist. Das fremde Gen wird mit Hilfe eines Transporters in die Zellen eingeschleust.Als "Gentaxi" beliebt sind vor allem virale Vektoren, die sich sogenannten Retroviren ableiten. Zellen die das Extra-Gen aufgenommen haben, werden in der Zellkultur zunächst vermehrt und dem Patienten dann über ein zur Leber führendes großes Blutgefäß, die Pfortader, zurückgegeben. Die gentechnisch veränderten Hepatozyten lassen sich in der Leber nieder und bilden das gewünschte Eiweißprodukt, z. B. ein fehlendes Enzym.

      Bei einer der häufigsten Erbkrankheiten, der Mukoviszidose (zystische Fibrose), wird derzeit eine besonders elegante Form der Gentherapie, eine in vivo-Behandlung, erprobt. Die Patienten leiden an einer lebensbedrohlichen Verschleimung der Lunge. Der Schleim ist zu zäh und kann nicht ausgehustet werden, weil die Schleimhautzellen der Lunge wegen eines Defekts an einem Ionenkanal nicht genügend Wasser austreten lassen. Der Fehler liegt in dem sogenannten CFTR (Cystic Fibrosis Transmembrane Regulator)-Bestandteil des Ionenkanals. Da man die Schleimhautzellen der Atemwege mit dem Luftstrom leicht erreichen kann, versuchen die Ärzte das gesunde Gen über ein Aerosol zu verabreichen. Die Kranken atmen einfach ein Spray mit dem CFTR-Genkonstrukt ein. Die Erbanlage befindet sich entweder im Innern kleiner fettumhüllter Bläschen, sogenannter Liposomen, oder sie ist in ein unschädlich gemachtes Virus verpackt.


      Adenoviren eignen sich für eine Gentherapie an der Lunge besonders gut, weil sie auch natürlicherweise Zellen der Lungen- und Bronchialschleimhaut infizieren. Die mit den Adenovirusvektoren verschickten Gene führten zu dem erwünschten therapeutischen Effekt, doch können bei zu hoher Konzentration schwere Nebenwirkungen (Lungenentzündungen) auftreten. Dagegen erwies sich die Behandlung mit den Liposomen zwar als nebenwirkungsfrei, allerdings vorerst auch therapeutisch als ineffizient. Diese Beobachtungen machen deutlich, wie wichtig es in der derzeitigen Probephase der Gentherapien ist, die Transportmittel für Gene erst noch zu verbessern.
      Da die Leber das Organ ist, von dem die meisten Stoffwechselerkrankungen ausgehen, ist sie auch ein besonders interessantes Ziel für Gentherapien. Man kann den Patienten ein (kleineres) Stück ihrer Leber ohne großen Nachteil chirurgisch entfernen, die Zellen außerhalb des Körpers mit einem zusätzlichen Gen bestücken und den Patienten dann retransplantieren. Die Gentherapeuten haben das Verfahren unlängst zum Beispiel bei einer jungen Frau mit einem angeborenen übermäßig hohen Cholesterinspiegel, einer sogenannten familiären Hypercholesterinämie, angewandt. Patienten mit dieser Erbkrankheit leiden an einer extremen Arterienverengung (Arteriosklerose), was oft schon um das zwanzigste Lebensjahr zum ersten Herzinfarkt führt.


      In vivo-Gentherapie an der Lunge.Das Schleimhautgewebe der Lunge ist über die Atemwege von außen einfach zu erreichen. Man kann daher an diesem Organ ohne operativen Eingriff eine Gentherapie vornehmen. Man läßt die Patienten ein Spray einatmen, das ein therapeutisches Gen enthält. Zum Transport der Erbanlage eignen sich allem umgeänderte Adenoviren, sogenannten adenovirale Vektoren.In ersten Therapieversuchen gelang es den "Gentaxis", ihre kostbare Fracht an einige Zellen der Lungenschleimhaut abzuliefern. Die Zellen bildeten dann das gewünschte Produkt, das sie aus eigener Kraft nicht herzustellen vermochten.


      Das Leiden beruht auf einem Mangel oder dem völligen Fehlen an sogenannten LDL (low density lipoprotein)-Rezeptoren. Dabei handelt es sich um die Andockstellen für (Cholesterin-haltige) Fett-Moleküle auf ihrem Weg aus dem Blut in die Leber. Die Ärzte entnahmen der Patientin ein Stück von einem Leberlappen, zerlegten das Gewebe mit Hilfe von Enzymen in einzelne Zellen und verpflanzten das Gen für den LDL-Rezeptor in die als Hepatozyten bezeichnete Zellsorte. Wenige Tage nach der Opera-tion wurden die Hepatozyten der Frau über einen Katheter in ein großes zur Leber führendes Blutgefäß, die Pfortader, zurückinfundiert. Wie erhofft, nahm die Zahl der LDL-Rezeptoren in der Leber zu. Allerdings war die Wirkung nur gering. Die Blutfettwerte der Patientin sanken nur um knapp zwanzig Prozent und lagen immer noch weit über dem Cholesterinspiegel Gesunder. Dennoch zeigt diese erste Gentherapie an der Leber, daß die vorgesehene Strategie im Prinzip funktioniert.

      Viele weitere ermutigende Ergebnisse haben die Wissenschaftler zudem bei Versuchstieren wie Hunden, Kaninchen und Mäusen erzielt. Sogenannte monogene Stoffwechselkrankheiten, die auf einem Defekt in nur einem Gen beruhen, scheinen für eine Gentherapie besonders geeignet. Außerdem will man das Verfahren nutzen, um Fehlfunktionen beispielsweise bei der Parkinson-Krankheit, beim Morbus Alzheimer oder Rheuma (Arthritis/Arthrose) zu kompensieren und um schwere Infektionen wie Aids oder chronische Leberentzündungen zu bekämpfen


      Neue Strategien gegen Krebs

      Von den weltweit etwa 300 Patienten, die bislang eine Gentherapie erhielten, wurden die meisten (75%) nicht wegen eines Erbleidens, sondern wegen einer bösartigen Geschwulst behandelt. Die Wissenschaftler erproben derzeit vor allem drei Wege, wie man Krebspatienten mit einer Gentherapie helfen könnte:
      · durch die Entwicklung einer Tumorvakzine
      · durch die Selbstzerstörung unerwünschter Zellen
      · durch das Verpflanzen schützender Gene.

      Zur Herstellung einer Tumorvakzine, also eines Schutzimpfstoffes gegen Krebs, verpflanzen die Wissenschaftler in Tumorzellen, die beim operativen Entfernen einer Geschwulst anfallen, die Erbanlage füreine wichtige Komponente des Abwehrsystems. Sie verwenden beispielsweise das Gen für den immunologischen Botenstoff Interleukin-2. Dieses Zytokin verstärkt die Kommunikation zwischen den Abwehrzellen. Man spritzt abgetötete, mit dem Zytokin-Gen ausgerüstete Krebszellen in die dem Tumorareal nahegelegenen Lymphknoten. Abwehrzellen, die diese Krebszellen anhand charakteristischer Oberflächenstrukturen erkennen, werden unter dem Einfluß von Interleukin-2 in einen angriffsbereiten Zustand versetzt. Sie attackieren jedoch nicht nur die möglicherweise im Operationsfeld zurückgebliebenen Tumorzellen, sondern wandern mit dem Blut durch den ganzen Körper. Treffen sie dabei auf Tochtergeschwülste (Metastasen), können sie auch diese vernichten.

      Tumorvakzinen werden derzeit vor allem bei Patienten mit Nierenkrebs oder Melanomen (bösartigem Hautkrebs) genauer untersucht. Die Behandlung scheint gut verträglich zu sein. Bei einigen Kranken sind einzelne Krebsherde geschrumpft, doch wird derzeit noch erprobt, wie man die beste Wirkung erzielen kann.

      Wie sicher ist die Gentherapie?Bei der Gentherapie wird eine wohl-definierte Erbanlage zusätzlich in die Zellen eines Gewebes verpflanzt. Ihr Produkt soll einen genetischen Defekt in der Zelle funktionell korrigieren.Bei den meisten Verfahren landet das Gen lose im Zellplasma, wo es keinen Schaden anrichtet, bei Zellteilungen aber leicht verlorengeht. Verwendet man die beliebten retroviralen Vekto-ren als Gentransporter, wird das Gen an einem beliebigen Platz im Erbma-terial der Zelle eingebaut. Dabei läßt sich bislang nicht ausschließen, daß sich das Gen zufällig inmitten einer wichtigen Erbanlage der Zelle nieder-läßt und diese zerstört.Auch genetische Steuerungssignale könnten bei einer solchen Integration geschädigt werden und die Zellen dann beispielsweise zu erhöhter Tei-lungsaktivität und damit zum Krebs-wachstum anregen. Doch die Wahr-scheinlichkeit für derartige Ereignisse ist äußerst gering, bedenkt man, daß Erbanlagen nur etwa drei Prozent des menschlichen Erbgutes ausmachen und der größte Teil aus nichtkodierenden Bereichen besteht. Solange man mit der Gentherapie schwerkranke Patienten behandelt, für die es keine anderen Heilungschancen gibt, dürfte der Nutzen die Risiken in aller Regel weit übertreffen. Die eingebaute genetische Information wird bei der somatischen Gentherapie jedenfalls nicht an die Nachkommen weitervererbt und ändert damit den Genbestand der Spezies Mensch nicht.

      Bei einer anderen Form von Gentherapie nutzt man die Aktivität eines verpflanzten Gens, um in den entarteten Zellen eine Selbstzerstörung einzuleiten. Das zusätzliche Gen stellt ein Enzym bereit, z.B. eine Thymidinkinase; diese aktiviert ein dem Patienten verabreichtes harmloses Medikament wie das Ganciclovir, das erst unter dem Einfluß des Enzyms zum tödlichen Gift für die Zelle wird. Für sich teilende Zellen ist der gebildete Stoff toxisch, doch ruhenden Zellen schadet er nicht. Diese Strategie der Selbstzerstörung erscheint vor allem zur Behandlung von Gliomen, einer Sorte bislang nicht behandelbarer Hirntumore, vorteilhaft. Da sich nur die Krebszellen, nicht aber die Nervenzellen im Gehirn teilen, sollten nur die Tumorzellen untergehen. Bei Mäusen hat das Verfahren zu erstaunlich guten, langfristigen Heilungen von Hirntumoren geführt; beim Menschen waren die ersten Behandlungsversuche bislang weniger spektakulär.
      Ein weiterer Therapieansatz zielt darauf ab, die entarteten Zellen mit zusätzlichen Schutzfunktionen auszustatten. So versucht man, in die nach einer Operation zurückgebliebenen Tumorzellen ein als Tumorsuppressor-Gen bezeichnetes Schutzgen (z.B. das p53-Gen) einzuschleusen. Dessen Produkt hemmt die Teilungsaktivität der Zellen. Andere Forscher schleusen in Krebszellen Erbanlagen für Oberflächenstrukturen ein, die (wie die MHC- oder die B7-Struktur) den Kontakt zu Abwehrzellen verstärken. Die entarteten Zellen sind dann vom Immunsystem besser zu erkennen und werden leichter vernichtet.


      Noch viele Hürden

      Verpflanzte Gene stellen ihre Aktivität bedauerlicherweise meist schon nach Tagen, Wochen oder allenfalls Monaten wieder ein und bilden das gewünschte Produkt nicht länger. Die Gründe für die nur vorübergehende Genexpression liegen noch im dunkeln. Auch die Verfahren zum Verpflanzen von Genen sind noch zu aufwendig und teuer. Bis die Gentherapie zu einer routinemäßig anwendbaren Behandlungsform wird, bei der Gene ähnlich wie derzeit viele Medikamente einfach in die Blutbahn injiziert werden und dann mit einer Art Adressenaufkleber ihr Zielorgan finden, ist noch jahrelange Entwicklungsarbeit zu leisten.

      Die ersten Ergebnisse geben jedoch Anlaß zu Optimismus, auch wenn bislang noch kein Patient mit der Gentherapie dauerhaft von seinem Leiden befreit worden ist. Ein Allheilmittel wird auch die Behandlung mit Genen nicht sein. In jedem Einzelfall ist deshalb streng zu prüfen, ob die Gentherapie für den Kranken vorteilhaft erscheint oder ob eine der klassischen Behandlungsformen die besse-
      ren Heilungschancen verspricht. Für zahlreiche bislang nicht heilbare Krankheitsformen könnte die Gentherapie allerdings völlig neue Behandlungsmöglichkeiten eröffnen.
      Avatar
      schrieb am 01.10.00 12:48:34
      Beitrag Nr. 12 ()
      "Novel Food"
      Gentechnik bei Lebensmitteln

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      Seit undenklichen Zeiten entwickelt der Mensch immer wieder neue Lebensmittel, sei es durch einfache Auswahl, Züchtung oder besondere Verarbeitungsmethoden. Auch biotechnologische Verfahren werden schon seit rund zehntausend Jahren genutzt, um schmackhafte Genuß- und Nahrungsmittel wie Bier, Wein, Brot, Käse, Yoghurt und vieles mehr zu gewinnen. In den siebziger Jahren haben sich mit den gentechnischen Methoden völlig neue Möglichkeiten aufgetan, die Qualität und Quantität der Nahrungsmittel zu verbessern. Die ersten gentechnisch veränderten Feldfrüchte und deren Produkte sind bereits auf dem Markt. Viele weitere kommen in den nächsten Jahren dazu. Große Teile der
      Öffentlichkeit stehen "Novel Food"-Produkten, den mit neuartigen technischen Verfahren gewonnenen Lebensmitteln, skeptisch gegenüber. Drohen Gefahren aus dem Verzehr dieser Nahrungsmittel?

      Die klassische Züchtung hat durch die Kreuzung vorteilhafter Tier- und Pflanzenarten aus unscheinbaren Gräsern ertragreiche Getreide, aus einfachen Rindern Hochleistungsmilchkühe und all die vielen anderen Nutzpflanzen und Nutztiere hervorgebracht, die heute der Menschheit als Mittel zum Leben dienen. Bei jedem Züchtungsvorgang wird das Erbmaterial der beiden Kreuzungspartner nach dem Zufallsprinzip gründlich durchmischt und die günstigsten Kombinationen vom Menschen für die Weitervermehrung aussortiert. Mit gentechnischen Methoden läßt sich ein Tier oder eine Pflanze mit einer vorteilhaften neuen Eigenschaft nun viel planmäßiger gewinnen, denn das gewünschte Gen wird in den betreffenden Organismus gezielt eingebaut. Während bei einem Produkt der klassischen Züchtung die Neukombination der Gene weitgehend undurchsichtig bleibt, kennt man bei einem gentechnischen Eingriff Art und Anzahl der eingeschleusten Erbanlagen ganz genau. Außerdem lassen sich mit gentechnischen Methoden Erbanlagen auch über die Artgrenzen hinweg übertragen.



      Gentransfer bei Pflanzen:
      Die Übertragung einer ausgesuchten Erbanlage in Pflanzenzellen erfolgt meist mit Hilfe eines bei Bodenbakterien natürlicherweise vorkommenden Gentransporters (des sogenannten Ti-Plasmids von Agrobacterium tumefaciens). Die "transformierten" Zellen werden aussortiert, sie wachsen zu Zellhaufen (Kalli) heran, aus denen sich bei Zugabe bestimmter Wachstumsfaktoren vollständige "transgene" Pflanzen entwickeln.


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      Ertragssicherung
      und Qualitätsgewinn

      Bei der Pflanzenzucht mit Gentechnik geht es vor allem um zwei Ziele: den Ertrag unter umweltschonenden Bedingungen zu sichern und die Eigenschaften von Lebensmitteln zu verbessern. In den Industrieländern gibt es besondere Richtlinien bzw. Gesetze (in Deutschland das Gentechnikgesetz), die den Umgang mit gentechnisch veränderten, sogenannten transgenen Pflanzen regeln. Durch ein schrittweises Vorgehen mit laufender Überprüfung wird sichergestellt, daß Pflanzen mit Extra-Genen beim Anbau keine unerwarteten Eigenschaften offenbaren und weder Mensch noch Umwelt schaden.
      Die meisten bislang mit Gentechnik veränderten Gewächse erhielten gleichsam einen inneren Pflanzenschutz eingebaut. Dieser dient der Ertragssicherung, bei gleichzeitiger Reduktion chemischer Pflanzenschutzmittel. Eine Insektenresistenz wurde vielen Nutzpflanzen durch den Einbau eines Gens, das aus einem Bodenbakterium (Bacillus thuringiensis) stammt, verliehen. Dessen Proteinprodukt (Bt-Toxin) ist für Fraßschädlinge giftig; das Mahl wird für das Insekt zur tödlichen Falle.
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      Eingebauter Pflanzenschutz:
      Der Maiszünsler vernichtet durch Raupenfraß rund 5 % der Welternte vom Mais. Das entspricht dem Jahresertrag von Frankreich. Mit Hilfe der Gentechnik hat man den Mais mit einem bakteriellen Gen (Bt-Toxin) ausgestattet, dessen Proteinprodukt für die Raupen giftig ist. Das aus den Bakterien isolierte Toxin wird in Amerika schon seit Jahrzehnten als Spritzmittel genutzt. Es ist jedoch sehr instabil.



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      Durch das Verpflanzen des Gens für das Bt-Toxin hat man zum Beispiel die Kartoffel gegen den Kartoffelkäfer gefeit, den Mais gegen die Maiszünsler-Raupe und Reis und Baumwolle gegen andere verbreitete Schädlingsinsekten geschützt. Für den Menschen, für Vögel, Säugetiere und Nutzinsekten wie Marienkäfer oder Bienen und auch für Würmer ist das Gift völlig ungefährlich. Das Toxin ist außerhalb der Zelle nicht sehr stabil und zerfällt in der freien Natur schnell. Bei großangelegten Feldversuchen in Nordamerika, beispielsweise mit Baumwolle, hat sich gezeigt, daß die transgenen Pflanzen mit dem Toxin-Gen dem Schädlingsfraß weitgehend widerstehen, während ihre unveränderten Verwandten auf den Nachbarfeldern völlig kahl gefressen werden. Die Bauern brauchen die Felder mit den insektenresistenten Pflanzen nur noch selten oder gar nicht mehr mit chemischen Insektiziden zu spritzen. Pflanzen mit dem Resistenz-Gen tragen somit zu einer umweltschonenderen Landwirtschaft bei.
      Auch mit einer eingebauten Virusresistenz haben die modernen Züchter schon viele Pflanzen vor hartnäckigen Feinden geschützt. Virusinfektionen sind in der Landwirtschaft gefürchtet, weil es gegen die Erreger noch keine direkten Abwehrmittel gibt. Die Pflanzen widerstehen einem Virus jedoch, wenn sie mit der Erbanlage für das Hüllprotein des Erregers ausgestattet werden. Die in der Zelle gebildeten großen Mengen an Hüllprotein könnten dem Virus eine bereits ablaufende Infektion vortäuschen und verhindern seine eigene Vermehrung. Nach diesem Prinzip wurden bereits Tomaten, Zucchinis, Zuckerrüben, Bananen und vielen anderen Nutzpflanzen ein Schutz vor Viren eingebaut.
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      Virusresistenz:
      Die Wurzelbärtigkeit (Rhizomania) ist eine vor allem in Süddeutschland weit verbreitete Viruserkrankung der Zuckerrübe. Die Viren stören die Entwicklung der Knolle, so daß sie verkrüppelt (links und rechts) und nur minimale Erträge bringt. Durch das Verpflanzen der Erbanlage für das Hüllprotein des Virus hat man die Rübe resistent gegen den Erreger gemacht (Mitte).



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      In der landwirtschaftlichen Erprobung am weitesten fortgeschritten sind Pflanzen, denen mit gentechnischen Methoden eine Herbizidverträglichkeit verliehen wurde. Die Pflanzen erhielten ein Gen, das die Information für ein Enzym von Bodenbakterien enthält. Der Biokatalysator verändert bestimmte Unkrautvernichtungsmittel so, daß sie den transgenen Pflanzen nichts mehr anhaben können, während unerwünschte Konkurrenten auf dem Feld zugrunde gehen. Mit Enzym-Genen haben die Forscher zum Beispiel Raps gegen das Herbizid Glufosinat ("Basta") und Soja-bohnen gegen Glyphosat ("Roundup") unempfindlich gemacht. Diese modernen Breitband-herbizide ("Totalherbizide") haben gegenüber den älteren, selektiv nur für bestimmte Pflanzen giftigen Unkrautvernichtungsmitteln den ökologischen Vorteil, biologisch leicht abbaubar zu sein. Sie reichern sich daher im Boden nicht an und gelangen somit auch nicht in die Nahrungskette.


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      Qualitätsverbesserungen

      Seit Sommer 1994 ist in den USA die erste gentechnisch veränderte Feldfrucht auf dem Markt, eine Tomate (»FlavrSavr«), die reif geerntet werden kann und dennoch lange haltbar ist. Die in die Tomate eingeführte Erbanlage sorgt (durch die Bildung einer die Information des anvisierten Gens gleichsam löschenden, sogenannten "Antisense-RNA") dafür, daß in der Frucht die Synthese des Enzyms Polygalacturonase gehemmt wird. Der Abbau von Zellwandmaterial wird erschwert, so daß die Frucht nicht mehr so leicht weich wird und außerdem Fäulnisbakterien länger widersteht. Seit Februar 1996 sind auch in Europa (England) erstmals gentechnisch veränderte Tomaten auf dem Markt, vorerst allerdings nur in Form von Ketchup und Püree.



      Das Gentechnikgesetz und das Lebensmittelrecht stellen mit ihrer am Einzelfall orientierten ("case-by-case") und schrittweise ("step-by-step") vorgenommenen Risikobewertung sicher, daß gentechnisch und konventionell gewonnene Pflanzen und Nahrungsmittel für Mensch und Umwelt unbedenklich sind.


      Viele weitere Qualitätsverbesserungen werden derzeit vorgenommen beziehungsweise befinden sich in der Erprobung, beispielsweise Vitamin A-reicher Reis oder mit essentiellen Fettsäuren angereichertes Rapsöl. Der für die Gewinnung von Hybridpflanzen züchterisch wertvolle männlich-sterile Raps, für dessen Befruchtung sich ein ganz bestimmter Kreuzungspartner wählen läßt, dürfte auch in Europa bald auf den Feldern erscheinen.
      Manche Feldfrüchte werden auch für technische Zwecke maßgeschneidert. So hat man eine Kartoffel dazu gebracht, anstelle der beiden Stärkekomponenten Amylose und Amylopektin nur noch das verzweigte Amylopektin zu bilden. Dieses soll als nachwachsender Rohstoff für die Herstellung von Leimen dienen. Gentechnisch veränderter Raps mit vielfach ungesättigten Fettsäuren eignet sich hinge-gen für die Produktion von Wachsen.

      Beispiele für Gentechnik in der Pflanzenzucht

      Eigenschaft Pflanzenart Pflanzenart

      1. Ertragssicherung: Virusresistenz Tomate, Zucchini, Gurke,

      Zuckerrübe, Banane

      Bakterienresistenz Reis

      Pilzresistenz Wein, Weizen, Raps

      Insektenresistenz Kartoffel (Kartoffelkäfer)

      Mais (Maiszünsler)

      Baumwolle, Reis

      Herbizidtoleranz Mais, Raps, Soja, Zuckerrübe

      2. Qualitätsverbesserung: Haltbarkeit Tomate

      Vitamin A-Zusatz Reis

      Ethylenreifung Himbeere, Tomate, Melone

      Einheitliche Stärke Kartoffel, Weizen

      Männlich-Sterilität Raps

      Lysin-Zusatz Soja


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      Gentechnisch veränderte
      Mikroorganismen

      Mit zusätzlichem Erbmaterial ausgestattete Mikroorganismen spielen bei der Herstellung von Lebensmitteln bereits eine große Rolle. Vor kurzem ist in England das erste mit einer gentechnisch modifizierten Hefe hergestellte Bier auf den Markt gekommen. Dank des zusätzlichen Enzyms einer anderen Hefeart vermag die Bierhefe nun auch bislang unverdauliche Polysaccharide abzubauen, wodurch das Bier letztlich kalorienärmer wird. Auch zum Backen von Brot wird in einigen Ländern eine Hefe verwendet, die dank eines gentechnischen Eingriffes den Teig noch besser gehen läßt. Bei der Käseherstellung wird in manchen Ländern zum Ausfällen von Eiweiß (Kasein) aus Milch bereits routinemäßig ein gentechnisch gewonnenes Enzym verwendet. Das rekombinante Chymosin wird von Bakterien, Hefen oder Schimmelpilzen produziert. Traditionellerweise erfolgt das Ausfällen des Kaseins mit dem aus Kälbermägen gewonnenen Labferment. Dessen Wirkstoff ist das Enzym Chymosin. Schon 60 Prozent der Hartkäse in England und den USA werden mit dem rekombinanten Enzym hergestellt. Wegen der größeren Reinheit des biotechnologischen Produktes ist der Käse von gleichbleibender Qualität, der Ausschuß ist somit geringer. Mit dem gentechnischen Enzym hergesteller Käse darf in allen europäischen Ländern verkauft werden. Er muß nicht einmal gekennzeichnet sein, weil das in ihm möglicherweise noch in Spuren enthaltene Enzym mit dem Chymosin aus Kälbermägen identisch ist. Als "vegetarischer" Käse ist er in England bei manchen Konsumenten sehr beliebt.


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      Die öffentliche Risikodiskussion

      Viele Menschen lehnen Lebensmittel, bei deren Herstellung Gentechnik mit im Spiel ist, spontan ab. Sie befürchten ein undurchschaubares Gesundheitsrisiko. Im Mittelpunkt steht die Sorge, es könnten neuartige Allergene oder toxische Stoffwechselprodukte auftauchen.
      Grundsätzlich kann es bei einem gentechnischen Eingriff ebenso wie bei einer klassischen Kreuzung durch ungewohnte Nachbarschaftsbeziehungen zwischen den neukombinierten Genen gelegentlich zur vermehrten Bildung eines unerwünschten Inhaltsstoffes kommen ("Positionseffekt"). Auch vor pleiotropen (vielfältigen) Auswirkungen auf den Phänotyp (das Erscheinungsbild) kann man in beiden Fällen nicht sicher sein. Ein theoretisches Beispiel für einen solchen Positionseffekt wären Tomaten mit erhöhtem Spiegel an dem Alkaloid Tomatin, das für den Menschen in höheren Konzentrationen giftig ist. Nach dem deutschen Lebensmittelrecht muß aber jedes Nahrungsmittel und jeder Nahrungsmittelzusatz vor seinem "Inverkehrbringen" geprüft werden, um sicherzustellen, daß keine toxischen Inhaltsstoffe an den Verbraucher gelangen. Der
      Hersteller haftet für die Unbedenklichkeit seiner Produkte.

      Kennzeichnung gentechnisch
      hergesteller Lebensmittel?
      Die Vorstellungen, ob und welche Lebensmittel, bei deren Herstellung Gentechnik mit im Spiel ist, gekennzeichnet werden sollen, klaffen innerhalb der Gesellschaft noch weit auseinander. Manche Menschen wollen aus unklarer Angst oder ideologischen und religiösen Gründen alles gekennzeichnet sehen, was irgendwie mit Gentechnik zu tun hat. Diesem extremen Standpunkt steht entgegen, daß dieselben Menschen bislang alle durch klassische Kreuzung gewonnenen neuen Getreide-, Obst- und Gemüsesorten bedenkenlos verzehrt haben, ungeachtet der Tatsache, daß dabei jeweils unüberschaubar viele Gene und Inhaltsstoffe in neuer Kombination zusammentrafen.
      Die meisten Fachleute halten das Kennzeichnen transgener Feldfrüchte und deren Produkte bis auf wenige Ausnahmen für überflüssig. Am einfachsten liegt der Fall bei Produkten wie dem Zucker oder dem Enzym Chymosin, die unabhängig von ihrer Herkunft aus einem konventionell oder mit Gentechnik gewonnenen Organismus chemisch identisch sind.
      Auch bei Pflanzen und deren Produkten, die wie im Fall der Herbizid- oder Insektizidresistenz mit einem in der Natur vorhandenen, als nicht-allergen ausgewiesenen zusätzlichen Protein ausgestattet wurden, kann man auf eine Kennzeichnung verzichten. Wenn jedoch ein Lebensmittel einen Bestandteil enthält, der für manche Menschen unverträglich ist und mit dessen Gegenwart in dem Lebensmittel nicht zu rechnen ist, erscheint eine Kennzeichnung erforderlich. Verbraucher mit einer Unverträglichkeit gegen den neuen Inhaltsstoff können dann auf dieses Nahrungsmittel verzichten. Auf die Kennzeichnung der mit einem solchen neuen Inhaltsstoff angereicherten Lebensmittel wird sich die Europäische Union voraussichtlich einigen.


      Allergien gegen Lebensmittel sind insgesamt selten, auch wenn in der Öffentlichkeit der gegenteilige Eindruck vorherrscht. Die Erfahrung zeigt, daß die meisten Menschen sogar unbekannte Früchte wie die vor mehreren hundert Jahren aus Südamerika eingeführte Kartoffel oder die erst kürzlich aus Neuseeland importierte Kiwi trotz Tausender "neuer" Inhaltsstoffe gut vertragen. Doch weil Allergien im Einzelfall tödliche Schockzustände auslösen können, ist beim Verpflanzen von Genen grundsätzlich Vorsicht geboten. So vermeidet man, die Erbanlagen solcher Pflanzen zu übertragen, die bekanntermaßen starke Allergien auslösen können. Zudem gibt es verschiedene physiko-chemische Kriterien wie Molekülgröße, Unverdaulichkeit oder die strukturelle Ähnlichkeit mit bekannten Allergenen, mit deren Hilfe man das allergene Potential eines Proteins abzuschätzen versucht. Eine Garantie, ein Allergen als solches zu erkennen, liefert diese Charakterisierung jedoch nicht. Das Isolieren ("Klonieren") einzelner Gene mit Hilfe der Gentechnik dürfte es aber leichter machen, die oft noch nicht klar definierten Allergene von Lebensmitteln zu identifizieren.
      Die meisten in transgenen Pflanzen enthaltenen zusätzlichen Proteine sind für den Menschen keineswegs neu, denn es handelt sich um Bestandteile anderer Pflanzen und Mikroorganismen. Mit ihnen hatten die meisten Verbraucher bereits Kontakt, wenn auch nur in geringen Mengen. Bislang spricht nichts dafür, daß sich nicht-allergene pflanzliche Inhaltsstoffe in der Umgebung einer ihnen fremden Zelle in Allergene verwandeln könnten. Bei den häufigsten bisher in transgene Pflanzen eingebrachten Proteinen, die zu Insekten-, Virus und Herbizidresistenz führen, handelt es sich um leicht abbaubare Eiweißmoleküle, die keinen Hinweis auf ein allergenes Potential liefern.
      Anders liegt der Fall indessen bei einer Sojabohne, der die Forscher das Gen für ein Speicherprotein der Paranuß einpflanzten. Die Übertragung des Paranußproteins ("2S-Albumin") erschien besonders vorteilhaft, weil es reich an der essentiellen Aminosäure Methionin ist. Die Bohne enthält zu wenig von dem Stoff, so daß man ihren Nährwert durch den Gentransfer verbessern wollte. Es zeigte sich jedoch, daß es sich bei dem Speicherprotein just um jene Komponente der Paranuß handelte, auf die manche Menschen allergisch reagieren. Als man die Zusammenhänge erkannte, wurde die Weiterentwicklung dieser Sojabohne für Lebensmittelzwecke eingestellt. Das Beispiel zeigt, wie wichtig das schrittweise Vorgehen bei der Risikobewertung in der Praxis ist.
      Bei der Diskussion um mögliche Allergene in "Novel Food" wird leicht übersehen, daß die Gentechnik sogar dazu beitragen kann, Lebensmittel von allergenen Inhaltsstoffen zu befreien.
      So haben japanische Wissenschaftler unlängst aus dem Reis das (als 16K bezeichnete) wichtigste Reis-Allergen entfernt.


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      "Novel Food":
      Länger haltbar gemachte Tomaten waren die ersten gentechnisch veränderten Feldfrüchte, die (in den USA) auf den Markt kamen. Diese Tomaten enthalten kein artfremdes Protein. Die Hersteller haben ihre Ware freiwillig gekennzeichnet, z.B. mit dem Hinweis "Made with genetically modified tomatoes".




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      Bei der Herstellung von Lebensmitteln aus transgenen Pflanzen ist nicht zuletzt auch eine eingehende Beurteilung ökologischer Risiken wichtig, die sich aus dem Anbau von Pflanzen mit einem artfremden Gen ergeben könnten. Durch das am Einzelfall orientierte schrittweise Vorgehen- vom Labor ins Gewächshaus und vom Versuchsfeld schließlich auf den Acker- hofft man, möglicherweise auftretende, aber nicht erwartete Wechselwirkungen mit wildlebenden und gezüchteten Gewächsen frühzeitig zu erkennen und angemessen darauf reagieren zu können. Bislang sind beim Umgang mit transgenen Pflanzen noch in keinem Fall unerwartete Gefahren zutage getreten.
      Avatar
      schrieb am 01.10.00 12:54:59
      Beitrag Nr. 13 ()
      Noch vor nicht allzu langer Zeit waren viele Wissenschaftler überzeugt, daß die durch Bakterien hervorgerufenen Infektionskrankheiten so gut wie besiegt seien. Verbesserte Lebensbedingungen und gute hygienische Verhältnisse sowie Impfstoffe und Antibiotika hatten in den Industrienationen dazu geführt, daß einstmals weit verbreitete gefährliche Krankheiten wie Diphtherie, Tuberkulose, Tetanus, Keuchhusten, Milzbrand und viele andere sehr selten geworden waren. Doch in den vergangenen zehn Jahren hat sich ein bedrohlicher Wandel vollzogen. Es sind nicht nur altbekannte Keime mit zuweilen neuen und manchmal gefährlicheren Eigenschaften wieder aufgetaucht. Viele Erreger lassen sich mit den herkömmlichen Medikamenten auch nicht mehr bekämpfen, weil sie resistent geworden sind.

      Die Ursache der sich ausbreitenden Antibiotika-Resistenz liegt in der allzu großzügigen und teilweise leichtfertigen Anwendung dieser Arzneien.


      »Bakterien und Resistenzen«



      Weltweit sind Infektionskrankheiten noch immer die Todesursache Nummer eins. Viele der lebensbedrohlichen Krankheiten werden durch Bakterien hervorgerufen. Die Tuberkulose fordert die meisten Todesopfer. An ihr sterben jährlich mehr als 3 Millionen Menschen. Während die "Schwindsucht" zu Beginn dieses Jahrhunderts auch in Europa noch weit verbreitet war (siehe z.B. Thomas Mann: Der Zauberberg), war das Leiden seit 1960 in der westlichen Welt fast verschwunden.

      Die Krankheit hatte zudem an Schrecken verloren, weil sie sich nun mit wirkungsvollen Medikamenten bekämpfen ließ. Doch seit Beginn der neunziger Jahre macht sich der Erreger, das Mycobacterium tuberculosis, auch in der westlichen Welt wieder breit, vor allem unter den Armen, Obdachlosen und Aidskranken. Unterernährung, mangelnde hygienische Verhältnisse und geschwächte Abwehrkräfte begünstigen eine Reaktivierung der Bakterien, mit denen sich etwa jeder dritte Erdenbürger bereits in der Kindheit ansteckt. Unter gesunden Lebensbedingungen werden die Infizierten jedoch nicht krank, auch wenn sich der Erreger bei ihnen ein Leben lang eingenistet hat. Die derzeitige Ausbreitung der Tuberkulose in New York, in Asien und Afrika ist deshalb so besorgniserregend, weil Varianten des Erregers aufgetaucht sind, gegen die bewährte Medikamente machtlos sind.


      Pest, Cholera und Diphtherie

      In den vergangenen Jahren hat sich an vielen weiteren Beispielen gezeigt, daß schon fast vergessene Infektionskrankheiten die Menschheit plötzlich wieder bedrohen. Die meisten Menschen mögen die Pest, eine der schrecklichsten Seuchen des Mittelalters, für besiegt gehalten haben. Doch der Erreger Yersinia pestis lauert auch heute noch auf eine günstige Gelegenheit, sich wieder auszubreiten. So kam es 1994 in der Stadt Surat im Westen Indiens plötzlich zu einer Epidemie. Dank sofortiger Maßnahmen der Gesundheitsbehörden konnte sie bald wieder eingedämmt werden.

      Auch die Cholera, eine lebensbedrohliche Darminfektion, ist in der jüngsten Zeit an unvorhergesehenen Orten aufgetaucht. Ein reger Reiseverkehr trägt zur Ausbreitung exotischer Keime bei. Mit den modernen molekulargenetischen Analysemethoden läßt sich ihre Wanderungsroute recht genau verfolgen. Der Erreger Vibrio cholerae ist Anfang der neunziger Jahre über Zentralafrika schließlich nach Südamerika gelangt. Er hat dort mehr als eine halbe Million Menschen infiziert und zahlreiche Todesopfer gefordert, vor allem unter den Armen. Sie haben sich durch den Verzehr roher Muscheln und durch unsauberes Trinkwasser, dem in Peru leichtsinnigerweise kein Chlor mehr zugesetzt wurde, angesteckt. Ein neuer, besonders gefährlicher Stamm tauchte zudem 1992 in Südindien, Bangladesch und Thailand auf.
      Sogar vor unserer unmittelbaren Haustür, in Osteuropa, zeigte sich Anfang der neunziger Jahre eine lebensbedrohliche Infektionskrankheit, die Diphtherie, plötzlich wieder mit unerwarteter Heftigkeit. Durch den Zusammenbruch der Sowjetunion und den damit einhergehenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wirren waren Schutzimpfungen vernachlässigt worden. Daraufhin machte sich alsbald der Erreger, Corynebacterium diphtheriae, wieder breit.

      Mehr als 150 000 Personen erkrankten in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, einige Tausend starben. Auch unter den Reisenden aus dem westlichen Europa forderte die Infektion mehrere Opfer. Erst eine mit internationaler Hilfe unterstützte Massenimpfkampagne bannte die Gefahr einer weiteren Ausbreitung.


      Was sind Bakterien

      Bakterien waren vermutlich die ersten Lebensformen, die sich vor mehr als 4 Milliarden Jahren auf dem Planeten Erde entwickelten. Es sind winzige Zellen mit einem Erbmolekül, das nicht in einem Zellkern verpackt ist. Sie können rundlich, stäbchenförmig, fadenförmig, schraubenförmig und sogar viereckig sein. Sie haben praktisch alle Lebensräume des Planeten Erde erobert.

      Man kennt erst einen Bruchteil der vielen Bakterien, weil sich bislang nur wenige Arten im Labor vermehren ließen. Manche haben die Fähigkeit entwickelt, sich noch unter extremsten Bedingungen, etwa in der Antarktis oder in mehr als hundert Grad Celsius heißen Geysiren zu vermehren. Die meisten Bakterien leben im Boden. Ein Gramm Ackerboden enthält typischerweise etwa 100 Millionen Bakterien. Manche haben sich auf den Menschen spezialisiert und leben wie die Bakterien der Darmflora oder der Haut im allgemeinen in stiller Eintracht mit ihm, einige machen ihn krank. Viele aus anderen Lebensräumen stammende Bakterien sind für den Menschen in der Regel harmlos. Sie können jedoch lebensbedrohliche Infektionen verursachen, wenn die Abwehrkräfte im Alter, nach einer aggressiven Chemotherapie, nach einer Organtransplantation oder bei Aids versagen.


      Neu entdeckte Krankheitserreger

      Auch wenn viele wichtige krankmachende Bakterien bereits vor rund hundert Jahren identifiziert wurden, entdecken die Forscher auch jetzt noch laufend neue Keime. Ein Beispiel hierfür sind die Legionellen, die schwere Lungenentzündungen auslösen können. Normalerweise Bewohner feuchter Böden und Gewässer, eroberten sie sich durch die moderne Lebensweise des Menschen neue Nischen und wurden erst dadurch zur Gefahr. Sie nisten gerne in Warmwasserbehältern, Klimaanlagen, Luftbefeuchtern oder Sprudelbädern und werden so in die Luft versprüht. Für die meisten Menschen sind die Legionellen ungefährlich. In größeren Mengen eingeatmet, z.B. beim Duschen, können sie bei abwehrgeschwächten älteren Personen aber lebensbedrohliche Infektionen auslösen. Zu den neuentdeckten bakteriellen Krankheitserregern gehört auch Borrelia burgdorferi. Die Bakterien werden durch Zecken übertragen und verursachen die schon lange bekannte Lyme-Borreliose, die mit schweren Entzündungen an Gelenken, Nerven und inneren Organen einhergehen kann.

      Besonders interessant sind zudem einige Bakterien, die man zwar schon länger kennt, deren krankheitsauslösende Rolle aber erst in der jüngsten Zeit richtig eingeschätzt wurde. Das berühmteste Beispiel ist Helicobacter pylori. Dieses Bakterium ist für die überwiegende Mehrzahl der Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre verantwortlich. Bis vor kurzem hatten die Ärzte angenommen, daß die Geschwüre vor allem durch psychische Einflüsse wie Streß zustande kommen. Sie waren daher höchst überrascht, als australische Forscher Anfang der achtziger Jahre Bakterien als Ursache von Magenschleimhautentzündungen und Geschwüren identifizierten. Man vermutet, daß Helicobacter zu den am weitesten verbreiteten Bakterien gehört, die den Menschen befallen; jeder zweite scheint infiziert zu sein.
      Von manchen Erregern sind in den vergangenen Jahren Varianten aufgetaucht, die gefährlicher sind als die bislang bekannten Vertreter der Art. Das ist zum Beispiel bei bestimmten Darmbakterien der Fall, die zur Familie der Escherichia coli-Keime gehören. Die Untergruppe 0157:H7 hat in den USA, Japan, Bayern, und andernorts in jüngster Zeit schwere Darminfektionen mit zum Teil tödlichem Ausgang hervorgerufen. Normalerweise leben die als "enterohämorrhagische Escherichia coli (Ehec)" bezeichneten Bakterien im Darm von Wiederkäuern. Bei unsachgemäßer Herstellung von Wurst und Milchprodukten sowie durch ungewaschenes Gemüse können die Keime auf den Menschen übertragen werden. Personen, die sich "alternativ" ernähren, sind besonders gefährdet, wenn sie unbehandelte Rohmilch verwenden. Beim Pasteurisieren oder Ultrahocherhitzen der Milch gehen die gefährlichen Kolibakterien und andere Keime zugrunde.


      Abwehrtricks der Erreger

      Bakterien haben im Verlauf der Evolution praktisch alle Nischen dieser Erde besiedelt. Sie haben die ausgefallendsten Tricks entwickelt, um sich in der Konkurrenz mit anderen Lebewesen zu behaupten. Da sich die meisten Bakterien von organischer Materie ernähren, besiedeln sie jede Form von Biomasse, darunter auch den Körper des Menschen. Viele scheiden Giftstoffe aus und schädigen die Gewebe so, daß sie sich in den Zerfallsprodukten um so leichter vermehren können. Giftproduzenten sind zum Beispiel die Erreger der Diphtherie oder auch Darmbakterien wie Escherichia coli, Salmonellen und Shigellen. Manche Bakterien verdanken die genetische Information für die Bildung des Toxins einem Virus, das sie als Dauergast beherbergen. Das trifft für die Diphtherie- und Cholera-Erreger sowie für die Salmonellen zu, die Lebensmittelvergiftungen verursachen. Andere Bakterien schädigen ihren Wirt mit einem Nervengift. Dazu zählen die Tetanusbakterien und andere Clostridien. Clostridium botulinum bildet ein Toxin, das oft schon in kleinster Dosis tödlich ist.

      Sobald Bakterien in einen menschlichen Organismus eindringen, versucht das Immunsystem, die Fremdkörper anzugreifen. ähnlich wie die Viren haben auch die Bakterien die verschiedensten Strategien entwickelt, um sich der Vernichtung zu entziehen. Manche umhüllen sich mit einem undurchdringlichen Panzer, andere mit einer Schleimschicht. Wieder andere verbergen sich hinter einer täuschend nachgeahmten Oberfläche, die sie wie eine Zelle des Körpers erscheinen lassen. Einige Erreger verstecken sich im Innern von Zellen, etwa in Freßzellen. Sie sind dann für das Immunsystem unsichtbar. Zu den intrazellulär lebenden Bakterien gehören die Erreger der Tuberkulose, Lepra und der Listeriose, einer Lebensmittelvergiftung.

      Das stäbchenförmige Darmbakterium Escherichia coli ist der Liebling der Molekularbiologen. An einer harmlosen Laborvariante haben sie viele Prinzipien des Lebens entschlüsselt. Auch das Klonieren von Genen haben sie mit Hilfe der Kolibakterien erfunden.

      Die Listerien haben eine besonders interessante Strategie entwickelt, um sich vom Immunsystem unbemerkt im Körper auszubreiten. Sie wandern von Zelle zu Zelle, ohne diese jemals zu verlassen. Sie wirken im Innern wie ein Kristallisationspunkt, an dem sich einzelne Aktin-Moleküle, ein Bestandteil des Zellskeletts, zu langen Kettenmolekülen zusammentun. Der wachsende Kometen-Schweif schiebt das Bakterium schließlich wie ein Projektil durch die Zellmembranen in eine Nachbarzelle. Auch die für Darminfektionen verantwortlichen Shigellen und Rickettsien nutzen einen ähnlichen Aktin-Motor.
      Manche Bakterien entziehen sich der Immunabwehr, indem sie sich als wahre Verwandlungskünstler dessen Zugriff erwehren. So ändert der Erreger der Geschlechtskrankheit Tripper (Gonorrhö), Neisseria gonorrhoeae, ständig sein äußeres Gewand. Es besteht aus unzähligen feinen Haaren. Antikörper, die das eine Haarkleid erkennen und angreifen, werden machtlos, sobald die Bakterien sich in ein neues Gewand hüllen. Um in diesem Wettlauf möglichst immer einen Schritt schneller als das Abwehrsystem zu sein, haben sich die Neisserien einen genetischen Baukasten zugelegt. Er enthält Erbanlagen für viele verschiedene Varianten der als Pili bezeichneten feinen Bakterienhaare. Zu einem gegebenen Zeitpunkt wird zwar immer nur eine Art von Haarkleid hergestellt. Doch ein raffinierter Mechanismus sorgt dafür, daß das Produktionsprogramm der Pili durch genetische Umlagerungen laufend wechselt. Die Neisserien tauschen ihre genetischen Programme auch untereinander aus.
      Wahre Experten der Chemie sind die schon erwähnten Erreger von Magengeschwüren. Helicobacter pylori kann trotz der aggressiven Salzsäure im Magen überdauern. Er bildet ein Enzym (eine Urease), mit dem er den bei der Verdauung gebildeten Harnstoff spaltet. Dabei entsteht unter anderem Ammoniak, der die Säure neutralisiert.


      Erreger Krankheit/Krankheitsbild
      Mycobacterium tuberculosis Tuberkulose/Schwindsucht
      Corynebacterium diphtheriae Diphtherie
      Clostridium tetani Tetanus/Wundstarrkrampf
      Bordetella pertussis Pertussis/Keuchhusten
      Vibrio cholerae Cholera/Reiswasser-Durchfall
      Salmonella enteritidis Salmonellose/Lebensmittelvergiftung
      Streptococcus pneumoniae Lungenentzündung/Hirnhautentzündung
      Staphylococcus aureus Wundinfektionen/Eitergeschwüre
      Borrelia burgdorferi Lyme-Borreliose/Gelenkentzündungen
      Legionella pneumophila Legionellose/Lungenentzündung
      Helicobacter pylori Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre


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      Nie endende Konkurrenz
      Die meisten Bakterien dieser Erde leben im Boden. In dem dicht gedrängten Lebensraum schütten viele Mikroorganismen Giftstoffe aus, um sich gegenüber Konkurrenten durchzusetzen. Diese Bakterientoxine werden in der Medizin als "Antibiotika" genutzt, um bakterielle Infektionen zu bekämpfen.
      Damit ihnen das eigene Gift nichts anhaben kann, haben die toxinbildenden Bakterien die unterschiedlichsten Schutzmechanismen entwickelt. Die einen bilden Enzyme, welche die Toxine unschädlich machen, andere besitzen besonders strukturierte Zellbestandteile, die den Giftstoffen widerstehen, oder haben Schleusen angelegt, die gefährliche Substanzen sogleich wieder nach draußen befördern. Meist ist die genetische Information für diese Abwehrmaßnahmen auf winzigen Extra-Chromosomen, sogenannten Plasmiden, verankert. Diese werden dann als Resistenzfaktoren
      bezeichnet. Sie können von der einen Bakterienzelle in eine andere wandern ("horizontaler Gentransfer"). Sogar in artfremden Bakterien können sie sich einnisten. Nehmen Bakterien, die von Natur aus empfindlich gegenüber den Giften waren, Resistenzplasmide auf, widerstehen sie den entsprechenden Antibiotika. Das hat in der jüngsten Zeit zu großen Problemen in der Medizin geführt. Denn je mehr Antibiotika angewandt werden, um so leichter überleben nur noch jene Bakterien, die gegen diese Arzneimittel resistent geworden sind.


      Resistenz-Gene in Lebensmitteln

      Eine neue, gentechnisch hergestellte Maissorte, die sowohl Insekten als auch einem umweltverträglichen Unkrautvernichtungsmittel widersteht, enthält aus technischen Gründen ein Resistenzgen gegen das in der Human-
      medizin verwendete Antibiotikum Ampicillin. Kann sich das Resistenzgen in der Natur ausbreiten und dem
      Menschen gefährlich werden?
      Das Resistenzgen befindet sich im Erbgut der Pflanze nicht auf einem Plasmid, sondern auf dem Chromosom. Es kann nicht ohne weiteres von einer Zelle in eine andere einwandern, weil ihm die dafür notwendigen Mobilitätseigenschaften fehlen. Völlig ausschließen läßt sich trotzdem nicht, daß beim Verrotten oder bei der Verdauung von gentechnisch verändertem Mais gelegentlich Bruchstücke vom Erbmaterial entstehen, die ein intaktes Resistenzgen enthalten. Ein solches Fragment könnte vom Resistenzplasmid eines Boden- oder Darmbakteriums aufgenommen werden und sich durch horizontalen Gentransfer dann weiter ausbreiten. Die Wahrscheinlichkeit hierfür dürfte allerdings äußerst gering sein. Viele Fachleute sind daher überzeugt, daß ein solcher Gentransfer so selten ist, daß er das Resistenzproblem nicht zusätzlich verschärft. Hierbei gilt es zu bedenken, daß bereits die Hälfte der Darmbakterien des Menschen ein Ampicillin-Resistenzgen enthalten, bei Kälbern sind es sogar 70 Prozent.

      Wenn man ein schlecht gewaschenes Radieschen oder eine rohe Karotte ißt, an denen Bodenbakterien mit natürlichen Resistenzfaktoren haften, kann man vermutlich viel leichter zur Ausbreitung von Resistenzgenen beitragen als durch den Verzehr von transgenem Mais. Doch wäre es konsequent, Resistenzgene aus gentechnisch veränderten Pflanzen wieder zu entfernen, bevor diese kommerziell verwendet werden. Diese Einstellung beginnt sich bei den Züchtern durchzusetzen.

      Gefährliche Mehrfach-Resistenz
      Immer häufiger sammeln sich auf den Plasmiden ganze Familien von Resistenzgenen an. Diese sogenannten Mehrfachresistenzen sind in der Medizin besonders gefürchtet, lassen sich doch einige wichtige Krankheitserreger mit der Mehrzahl der derzeit zur Verfügung stehenden Mittel schon nicht mehr bekämpfen. Dazu gehören in der westlichen Welt vor allem Keime, mit denen sich Kranke in den Kliniken anstecken, sei es über Beatmungsgeräte, das Warmwassersystem oder die Zimmerluft. Oft handelt es sich um Bakterien, die für Gesunde harmlos, für Schwerkranke hingegen gefährlich sind.


      Die fadenförmigen Streptomyceten gehören zu den Bodenbakterien, die ihre Konkurrenten mit "Chemiewaffen" zu beseitigen versuchen. Diese werden als "Antibiotika" in der Medizin genutzt.


      Antibiotikatherapien haben sich in der Humanmedizin und der Tiermedizin in den vergangenen Jahrzehnten als überaus hilfreich erwiesen. Ihre ständige Anwendung hat jedoch schließlich das Resistenzproblem heraufbeschworen. Die Mittel wurden häufig allzu großzügig angewandt. Als besonders problematisch hat sich ihre Verwendung in der Tiermast erwiesen. Tiere, die ständig Antibiotika (z.B. Avoparcin) als Leistungsförderer erhalten, wachsen schneller, weil ihre Entwicklung nicht durch Infektionskrankheiten gestört wird. Über Fleischprodukte können resistente Keime von den Tieren auf den Menschen übertragen werden. Resistenzfaktoren können zudem im Darm auf andere Bakterien übergehen, darunter auch auf Krankheitserreger. Zwar sind die beim Menschen angewandten Antibiotika in der Tiermast verboten, doch manche Mittel rufen Resistenzen hervor, die auch Antibiotika in der Humanmedizin unwirksam machen. Die Gefahr einer solchen Kreuzresistenz wurde schon vor zwei Jahrzehnten erkannt. Doch die Forderung, daß in der Tierernährung keine antibakteriellen Wirkstoffe mehr verwendet werden dürfen, wurde bislang aus wirtschaftlichen Gründen nicht erfüllt.


      Noch Anfang der sechziger Jahre waren führende Wissenschaftler überzeugt, daß bakterielle Infektionskrankheiten dank der Antibiotika bis zur Jahrtausendwende von der Erde praktisch verschwunden sein würden. Inzwischen geht es darum, die lauernde Gefahr, die durch die Resistenzentwicklung entstanden ist, so gut wie möglich einzudämmen. Dazu gehört ein hygienisch einwandfreies Verhalten eines jeden einzelnen, Zurückhaltung bei der Verwendung von Antibiotika in der Humanmedizin und Tiermedizin und der Verzicht auf antibakterielle Stoffe in der Tiermast. Forscher an den Universitäten und in der Industrie haben zudem erkannt, daß sie intensiver als bisher neue Antibiotika entwickeln müssen. Nur so läßt sich der Wettlauf gegen die Überlebensstrategie der Bakterien gewinnen.


      Wie sich Resistenzfaktoren ausbreiten (horizontaler Gentransfer).
      Plasmide mit Resistenzfaktoren können
      a) von einem plasmidhaltigen auf ein plasmidfreies Bakterium wandern oder
      b) auf ein Bakterium mit Resistenzplasmid übergehen, wobei Mehrfachresistenzen entstehen.


      Suche nach neuen Impfstoffen

      Zu Beginn dieses Jahrhunderts, als es noch kaum chemische Mittel gegen Infektionskrankheiten gab, verließen sich die Ärzte vor allem auf die Stimulierung der natürlichen Abwehrkräfte. Sie führten zahlreiche Schutzimpfungen ein. Doch die Entwicklung von Impfstoffen hat mit der Entdeckung neuer Erreger nicht Schritt gehalten. Mit modernen molekularbiologischen und gentechnischen Methoden versuchen die Wissenschaftler nun, charakteristische Strukturen von Bakterien zu identifizieren, die sich für neue Impfstoffe eignen. Forscher vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg haben unlängst zum Beispiel ein Oberflächenprotein der Borrelien identifiziert, mit dem man gegen einen bestimmten Erregerstamm der Lyme-Borreliose schützen kann. Schon bald könnte es außerdem eine Schutzimpfung gegen Magengeschwüre geben. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Biologie in Tübingen haben einen Impfstoff entwickelt, der sich gegen die Urease auf der Oberfläche der Helicobakterien richtet. Der Impfstoff wird derzeit am Menschen erprobt. Besondere Anstrengungen gelten außerdem der Entwicklung eines besseren Impfstoffes gegen die Tuberkulose. Forscher vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin versuchen derzeit, die komplexen Zusammenhänge zwischen Mycobakterien und Immunzellen in allen Einzelheiten zu durchschauen. Sie erhoffen sich daraus neue Wege zu einem Tuberkuloseimpfstoff, mit dem man sich auch bei einer bereits bestehenden Infektion vor dem Ausbruch der Krankheit schützen kann.

      Schutzimpfungen standen in den vergangenen Jahren in Deutschland nicht besonders hoch im Kurs. Angesichts der Bedrohung durch zahlreiche Erreger, die mit Antibiotika nicht mehr zu bekämpfen sind, ist es an der Zeit, daß jeder einzelne diese Schutzmaßnahme hierzulande wieder ernster nimmt.

      Denn Vorbeugen ist allemal besser als Heilen.
      Avatar
      schrieb am 01.10.00 13:04:06
      Beitrag Nr. 14 ()
      Neu auftauchende Viren

      Infektionskrankheiten haben in diesem Jahrhundert in der westlichen Welt immer mehr an Schrecken verloren. Durch Schutzimpfungen wurden viele tödliche Krankheiten gebannt und die Menschen vor verunstaltenden oder chronischen Schäden bewahrt. Außerdem haben nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die Antibiotika speziell im Kampf gegen bakterielle Infektionen überwältigende Erfolge erzielt. Das hat dazu geführt, daß die meisten Menschen der industrialisierten Länder Seuchen bereits als ein Kapitel der Vergangenheit betrachten. Doch der Schein trügt. In den letzten Jahrzehnten sind weltweit an den verschiedensten Orten höchst gefährliche, zum Teil bis dahin unbekannte Krankheitserreger aufgetaucht. Woher stammen sie und warum zeigen sie sich in der jüngeren Zeit immer häufiger?


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      Da in jüngster Zeit vor allem einige Viren die Öffentlichkeit besonders beunruhigt haben, soll vorerst dieser Erregerklasse unsere Aufmerksamkeit gelten. Die nicht weniger wichtigen bakteriellen und parasitären Krankheitserreger sollen später behandelt werden.
      Marburgvirus, Ebolavirus und Co.


      Viele, aber nicht alle in den letzten Jahrzehnten neu aufgetauchten Viren verursachen ein ähnliches Krankheitsbild: hohes Fieber und innere Blutungen, die oft tödlich sind. Die als hämorrhagisches Fieber bezeichneten Virusinfektionen können durch ganz unterschiedliche Erreger ausgelöst werden. Das besondere Interesse an ihnen begann in den sechziger Jahren (1967) in Marburg an der Lahn. Dort hatten Wissenschaftler der Behringwerke wie schon oftmals zuvor aus den Nieren von Affen, die aus Afrika (Uganda) importiert worden waren, Zellkulturen für die Impfstoffherstellung angelegt. Fünfundzwanzig Personen, Mitarbeiter und betreuendes medizinisches Personal, erkrankten plötzlich an einer bis dahin unbekannten lebensbedrohlichen Infektion. Gleichzeitig kam es auch in Frankfurt am Main und in Belgrad, wo ebenfalls mit Affen aus Uganda gearbeitet wurde, zu ähnlichen Erkrankungen. Sieben Patienten starben. Virologen der Universität Marburg gelang es, einen bis dahin unbekannten Erreger zu identifizieren: das Marburgvirus.

      Nur zwei Jahre später (1969) trat auch in einem Krankenhaus in Lassa (Nigeria) eine Reihe von unerklärlichen, tödlichen Infektionen auf. Ihr Erreger wurde als das Lassavirus bekannt. Doch kaum ein Virus hat in den letzten Jahren soviel Angst und Schrecken verbreitet wie das Ebolavirus. 1976 ist der mit dem Marburgvirus eng verwandte Erreger erstmals fast gleichzeitig an zwei Stellen in Afrika - in Zaire und im südlichen Sudan - aufgetaucht. Er erhielt seinen Namen nach dem Fluß Ebóla in Zaire.

      Von den damals rund 500 Erkrankten sind rund 80%, d.h. 400 Personen gestorben. Der Erreger ist anschließend untergetaucht, später in etwas abgeschwächter Form aber wieder zum Vorschein gekommen. Nach der bislang letzten größeren Epidemie 1995 in der Stadt Kikwit (Zaire) gibt es immer wieder Meldungen über einzelne Krankheitsfälle. Zudem tauchte ein für den Menschen offenbar ungefährliches Ebolavirus, das Restonvirus, in der amerikanischen Stadt Reston auf. Es hatte dort in einer Kolonie von Affen eine tödliche Epidemie ausgelöst.

      Wo sich die Ebolaviren zwischenzeitlich verstecken, um in Abständen immer wieder einzelne Menschen zu befallen, weiß man noch nicht. Möglicherweise wird das Virus von einem Tier übertragen, mit dem die Menschen erst vermehrt Kontakt haben, seit sie immer häufiger in den tropischen Regenwald eindringen und ihn sich nutzbar machen. Doch alle Versuche, bei Nagetieren, Affen, Insekten, Schlangen und anderen Tieren das natürliche Reservoir des Virus aufzuspüren, sind bislang erfolglos geblieben. Das Ebolavirus wird von Mensch zu Mensch übertragen, vor allem über Körperflüssigkeiten wie Blut und Urin. Daß das äußerst gefährliche Virus sich in Afrika so leicht ausbreitet, hängt mit der Armut und mit den zum Teil katastrophal schlechten hygienischen Verhältnissen zusammen, die auch in vielen Krankenhäusern herrschen.

      Dem schnellen Eingreifen vor allem von Spezialisten der amerikanischen Seuchenkontrollbehörde, den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in Atlanta, ist es zu verdanken, daß die Epidemien bislang lokal begrenzt geblieben sind und nicht auf andere Kontinente übersprangen.


      Was sind Viren?

      Viren stehen an der Grenze zwischen belebter und unbelebter Natur. Sie haben keinen eigenen Stoffwechsel, doch sie bilden identische Nachkommen. Man kann sie auch als Lebensformen auffassen, die sich auf das Wesentliche beschränken: sich vermehren und gegen konkurrierende Erbmoleküle durchsetzen. Viren enthalten Erbmaterial (DNA oder RNA), das schützend von einer Proteinhülle umgeben ist; sie können sich nur im Innern lebender Zellen vermehren. Die Zellparasiten zwingen ihren Wirt unter ihre eigene Kontrolle und leihen sich von ihm zahlreiche Funktionen aus, etwa den Proteinsyntheseapparat. Manche Viren besitzen nur ein einziges Gen, andere mehr als zweihun-dert Erbanlagen. Die genetische Information verleiht den Viren eine Vielzahl vorteilhafter Eigenschaften, darunter auch so manchen Trick, sich der immunologischen Abwehr zu entziehen.


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      Uralte Viren neu entdeckt

      Manche der vermeintlich neuen Viren sind nicht wirklich neu, sie wurden dank besserer Diagnosemöglichkeiten in der jüngeren Zeit lediglich erstmals isoliert. Das trifft für die Hantaviren zu, die ebenfalls hämorrhagische Fieber auslösen. Das durch sie verursachte Leiden, das charakteristischerweise mit einem Nierenversagen einhergeht, haben chinesische Ärzte schon vor 1000 Jahren beschrieben. Doch der Erreger wurde erst Ende der siebziger Jahre identifiziert: Nachdem mehrere tausend Soldaten der Vereinten Nationen in den fünfziger Jahren im Koreakrieg an einer unerklärlichen Infektionskrankheit erkrankten und einige an Nierenversagen starben, begann mit großer Anstrengung die Suche nach dem Erreger - es dauerte indes noch Jahre, bis man ihn schließlich fand und nach dem koreanischen Fluß Hantaan benannte.
      Ein besonders gefährliches Hantavirus tauchte vor einigen Jahren völlig unerwartet in Neu Mexiko/USA auf. Es tötete jeden zweiten der gut hundert Infizierten. Das Virus war offenbar aus Asien hierher gelangt. Dank großer Fortschritte im Umgang mit Erbmolekülen war es diesmal jedoch möglich, den unbekannten Erreger (Sin Nombre) mit Hilfe der Polymerasekettenreaktion (PCR) in nur acht Tagen zu identifizieren.

      Hantaviren werden im Gegensatz zu den Ebolaviren praktisch nie von Mensch zu Mensch übertragen. Als Vermittler (Vektor) spielen verschiedene Nagetiere wie Ratten und Mäuse eine wichtige Rolle, manchmal sind auch Insekten die Überträger. Meist stecken sich Wald- und Feldarbeiter an, indem sie Staub einatmen, der mit virushaltigem, eingetrocknetem Kot und Urin verunreinigt ist.



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      Neue Viren durch Erbänderungen

      Außer den aus unbekannten Nischen neu aufgetauchten Viren gibt es auch virale Krankheitserreger, die in jüngerer Zeit tatsächlich neu entstanden sind. Die Aidserreger und die Influenzaviren sind Beispiele hierfür. Die Entstehungsgeschichte des Humanimmunschwächevirus HIV ist nicht restlos geklärt. Doch alles spricht dafür, daß die Aidserreger HIV-1 und HIV-2 von Affenviren abstammen, die auf den Menschen "übergesprungen" sind. Viele wildlebende afrikanische Affen sind mit HIV-ähnlichen Viren (Simian Immunodeficiency Viruses, SIV) infiziert; sie werden jedoch nicht krank. Man vermutet, daß sich Menschen in Afrika durch engen Kontakt -etwa durch einen Biß des Tieres - mit den Affenviren ansteckten. Zufällig passende Virusvarianten vermochten sich offenbar in dem neuen Wirt zu vermehren; sie wurden zum Aidserreger.
      Epidemiologische Untersuchungen deuten darauf hin, daß es Aidserreger in Afrika schon seit rund hundert Jahren gibt. Identifiziert hat man sie jedoch erst Anfang der achtziger Jahre, nachdem sie in die westliche Welt vorgedrungen waren und bei amerikanischen Patienten eine unerklärliche, tödliche Immunschwäche auslösten.


      Der Aidserreger-

      NICHT aus dem Genlabor


      Ein fatales Gerücht ist bis heute nicht auszurotten: Das Aidsvirus sei von den Amerikanern als biologischer Kampfstoff entwickelt worden und unbeabsichtigt aus den Labors entwichen. In die Welt gesetzt wurde die Fama seinerzeit vom Geheimdienst der Sowjetunion, dem KGB. Er wollte die Angst vor der Gentechnik im Westen schüren. Doch wissenschaftlich war das Gerücht schnell erledigt. Mit Gen-Sonden, die man nach dem Vorbild des Aidsvirus konstruierte, gingen die Forscher auf die Pirsch. Sie spürten nahe Verwandte des Erregers bei zentralafrikanischen Affen auf. Das Virus ist vermutlich vom Affen auf den Menschen übergesprungen ­ schon vor rund 100 Jahren.

      Grüne Meerkatzen und viele andere afrikanische Affen sind mit HIV-ähnlichen Viren infiziert, ohne jedoch zu erkranken. Vermutlich wurde ein Affenvirus, das den Menschen infizierte, zum Aidserreger.


      Ein interessantes Beispiel, wie gleichsam vor unseren Augen neue Viren entstehen, sind die Influenzaviren, die Erreger der echten Grippe. Das Erbgut dieser Viren liegt in Form von acht Ribonukleinsäure (RNA)-Molekülen, sogenannten Segmenten, vor. Für jedes Gen besitzt das Virus gleichsam ein eigenes primitives Chromosom. Influenzaviren sind im Tierreich - bei Haustieren wie dem Schwein und dem Pferd, außerdem bei Geflügel und Wasservögeln - weit verbreitet. Bei einer Mischinfektion kommt es, wie Wissenschaftler durch die Bestimmung der Bausteinreihenfolge der einzelnen RNA-Moleküle verschiedener Influenzaviren herausgefunden haben, leicht zu einer Kombination von Chromosomen unterschiedlicher Influenzaviren. Als "Mischgefäß" dient dabei häufig das Schwein. Es läßt sich sowohl mit den Geflügelviren als auch mit den Influenzaviren des Menschen infizieren.

      Bei Mischinfektionen entstehen sogenannte Reassortanten, Viren, in denen zum Beispiel ein Segment des humanen Influenzavirus durch ein RNA-Segment vom Schweinevirus ersetzt wurde. Die Viren mit dem neukombinierten Erbmaterial können völlig neue Eigenschaften aufweisen und für den Menschen besonders gefährlich sein. Sie entstehen oft in Asien, wo die Menschen mit Geflügel und Schweinen nicht selten unter einem Dach leben.
      Neben der Neukombination einzelner Erbmoleküle kommt es bei den Influenzaviren auch laufend zu kleineren Erbänderungen durch Mutation. Diese Varianten lösen zwar neue Grippewellen, aber in der Regel keine gefährlichen Epidemien aus.



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      Rätselhafte Prionen ­ ein neues Erregerprinzip

      Bis vor kurzem gab es keinen Zweifel daran, daß alle übertragbaren Krankheitserreger ein eigenes Erbmaterial (DNA oder RNA) besitzen. Viren, Bakterien, Pilze und Parasiten, sie alle verfügen über Erbmoleküle. Die informationsspeichernde Nukleinsäure garantiert, daß vom Erreger identische Nachkommen entstehen. Vor einiger Zeit haben die Wissenschaftler jedoch offenbar eine völlig neue Klasse infektiöser Krankheitserreger entdeckt. Die als Prionen bezeichneten Partikel scheinen aus reinem Protein zu bestehen und kein Erbmaterial zu besitzen. Nur wenige Wissenschaftler sind weiterhin überzeugt, daß auch die Prionen eine Nukleinsäure enthalten müßten.

      Prionen vermehren sich offenbar dadurch, daß sie normalen Zelleiweißen, die ihnen sehr ähnlich sind, ihre eigene Gestalt aufzwingen und sie dadurch ebenfalls zu Prionenproteinen machen. Prionen verursachen einen schwammartigen Zerfall der Gehirnstrukturen, sogenannte spongiforme Enzephalopathien. Es kommt zu neurologischen Störungen, etwa der Traberkrankheit beim Schaf ("Scrapie"), dem Rinderwahnsinn ("BSE", bovine spongiform encephalopathy") oder der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen. Die Erkrankungen sind stets tödlich.
      Prionenkrankheiten sind keineswegs neu. Die Scrapie-Krankheit beim Schaf kennt man schon seit rund 250 Jahren. Auch die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit und einige andere Formen der schwammigen Gehirnerweichung beim Menschen sind schon lange bekannt. Dagegen scheint der Rinderwahnsinn erstmals im Jahr 1984 aufgetaucht zu sein.

      Man vermutet, daß Prionenproteine vom Schaf auf Rinder übertragen wurden, als letztere ein Kraftfutter erhielten, das Tiermehl infizierter Schafe enthielt. In Einzelfällen scheint die Prionenkrankheit auch vom Rind auf den Menschen übergegangen zu sein und eine neue Form der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ausgelöst zu haben. Eine solche Übertragung ist nach den bisherigen Erkenntnissen offenbar sehr selten.



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      Seuchen von Menschenhand


      Die Prionenkrankheiten machen auf besondere Weise deutlich, daß es häufig tiefgreifende Eingriffe des Menschen in die Natur sind, durch die neue Seuchen verursacht werden. Hätten Landwirte ihre Rinder, die sich als Wiederkäuer natürlicherweise nur von Pflanzen ernähren, nicht mit Schafsmehl gefüttert, wäre die BSE-Seuche in Großbritannien vielleicht nie entstanden. Wenn im Gefolge der Bevölkerungsexplosion immer mehr tropische Wälder abgeholzt werden, Grasland in Ackerland umgewandelt wird, Staudämme und Bewässerungskanäle angelegt werden und Städte mit mangelhaften hygienischen Einrichtungen entstehen, so sind das wichtige ökologische Faktoren, die das Ausbreiten bislang verborgener Krankheitserreger begünstigen.
      Als vor fünfzig Jahren zum Beispiel in Argentinien die Pampa (Grasland) großflächig dem Maisanbau geopfert wurde, kam es zu einer sprunghaften Vermehrung von Feldmäusen. Sie beherbergten einen als Juninvirus bezeichneten, zuvor unbekannten Erreger, der vielen Landarbeitern den Tod brachte. In Brasilien hat der Bau des Transamazonas-Highways die Verbreitung einer Beißmücke begünstigt, die mit einem anderen bislang seltenen Virus, dem Erreger des Oropouchefiebers, infiziert ist. Das Insekt fand zudem deale Brutbedingungen in den Abfällen des intensivierten Kakaoanbaus.



      Das Schwein als "Mischgefäß": Bei der gleichzeitigen Infektion von Schweinen mit Influenzaviren verschiedener Herkunft können Mischviren entstehen, in denen einzelne RNA-Segmente aus verschiedenen Arten kombiniert sind. Diese sogenannten Reassortanten können völlig neue Eigenschaften haben und sehr gefährlich sein. Die weltweite Infektionswelle (Pandemie) von 1918/1919 kostete mehr als 20 Millionen Menschen das Leben. Das damals neu entstandene menschliche Influenzavirus enthielt vermutlich je ein RNA-Segment von einem Schweine- und von einem Geflügelinfluenzavirus.

      Doch nicht nur Eingriffe des Menschen in die Natur, auch extreme Witterungsbedingungen können Krankheitserregern plötzlich besonders günstige Bedingungen bieten. So war es vor drei Jahren im Südwesten der Vereinigten Staaten: Nach einem regenreichen Frühjahr setzte eine Pinienart besonders viele Zapfen an. Von deren Samen ernährt sich eine Mäuseart, die sich daraufhin stark vermehrte. Sie war zufällig mit dem Hantavirus Sin Nombre infiziert und steckte zahlreiche Landarbeiter an. Das Marburgvirus schließlich ist ein Beispiel für die von exotischen Tieren ausgehenden Gefahren.

      Die Sicherheitsvorkehrungen wurden für den Import vor allem von Tieren für die biomedizinische Forschung inzwischen verschärft. Wer allerdings illegal importierte exotische Tiere zum persönlichen Vergnügen erwirbt, kann weiterhin in große Gefahr geraten. Auch sich ändernde Verhaltensweisen des Menschen tragen zur Ausbreitung neuer Viren bei. Urlaubs- und Geschäftsreisen über die Kontinente hinweg erleichtern den Erregern die Eroberung neuer Terrains. Zur Ausbreitung von Aids haben die erhöhte sexuelle Promiskuität und der Drogenkonsum mit kontaminierten Spritzen wesentlich beigetragen. Die zunächst auf kleine Populationen in Zentralafrika beschränkten Viren haben sich global ausgebreitet.

      Manche Viruskrankheiten gehen ironischerweise auch auf Fortschritte der Medizin zurück. Fast alle Menschen sind mit Cytomegalieviren infiziert, aber sie werden normalerweise nicht krank. Doch bei Organempfängern, deren Immunsystem unterdrückt wird, damit es nicht zur Transplantatabstoßung kommt, können Cytomegalieviren lebensbedrohliche Infektionen verursachen. Auch Chemotherapie und Bestrahlung bei Krebs können das Abwehrsystem so schwächen, daß harmlose Erreger zur tödlichen Gefahr werden.



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      Alte Krankheiten in neuem Licht

      Viren tauchen nicht nur aus verborgenen Nischen neu auf. Durch Verbesserungen der Diagnosemöglichkeiten wurden in den letzten Jahren auch neue Verwandte schon lange existierender Viren entdeckt. Dazu gehören zum Beispiel Erreger von Leberentzündungen, die Hepatitisviren, von denen man jetzt bereits sechs verschiedene kennt. Bei den Warzenviren des Menschen, den Humanpapillomaviren sind sogar schon mehr als achtzig verschiedene Formen bekannt. Einige Vertreter dieser beiden Virusgruppen (die Hepatitisviren B und C sowie die Humanpapillomaviren 16 und 18) sind besonders bemerkenswert: sie begünstigen die Entstehung von Krebs (Leberkrebs bzw. Gebärmutterhalskrebs). Sogar hinter manchen Leiden, bei denen bis vor kurzem noch niemand an eine Infektionskrankheit dachte, scheinen Viren zu stecken: Die bei Pferden und Katzen, schon länger
      bekannten Bornaviren können möglicherweise auch beim Menschen gelegentlich schwere Depressionen auslösen.

      Infektionskrankheiten Anzahl der Todesfälle 1995
      1 akute Infektionen der unteren Atemwege wie Lungenentzündungen (Pneumonien) 4,4 Mio. Menschen, darunter etwa 4 Mio. Menschen
      2 Durchfallerkrankungen, einschließlich Cholera, Typhus und Dysenterie (Ruhr) 3,1 Mio. Menschen, die meisten davon Kinder
      3 Tuberkolose 3,1 Mio. Menschen, hauptsächlich Erwachsene
      4 Malaria 2,1 Mio. Menschen, davon 1 Mio. Menschen
      5 Hepatitis B mehr als 1,1 Mio. Menschen
      6 HIV/AIDS mehr als 1 Mio. Menschen
      7 Masern mehr als 1 Mio. Kinder
      8 Neugeborenentetanus (T. neoatorum) mehr als 460.000 Säuglinge
      9 Keuchhusten (Pertussis) 355.000 Kinder
      10 intestinale Wurmerkrankungen 135.000 Menschen
      Die zehn häufigsten Infektionskrankheiten der Welt ­ Todesfälle durch Ebolaviren, Hantaviren und andere exotische Erreger spielen zahlenmäßig bislang eine untergeordnete Rolle. Dank sofortigen Eingreifens internationaler Gesundheitsexperten blieben die durch sie verursachten Epidemien lokal begrenzt, auch wenn die Erreger besonders gefährlich sind. (Quelle: Weltgesundheitsbericht 1996)




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      Viren ohne Ende


      Angesichts der oft verheerenden Auswirkungen von Virusseuchen mit unzähligen Todesopfern war mit der Entwicklung von Impfstoffen die Hoffnung aufgekeimt, diese Krankheitserreger eines Tages völlig von der Erde vertreiben zu können. In einem Fall ist dies gelungen: 1979 wurden die Pocken offiziell für ausgerottet erklärt. In einigen Jahren könnte das Poliovirus folgen. Doch für viele Viren - die Grippeviren, die Hantaviren und die Ebolaviren - dürfte eine Ausrottung praktisch unmöglich sein. Denn während die Erreger der Pocken und der Kinderlähmung ausschließlich den Menschen infizieren, haben sich die anderen bei Tieren eingenistet. Von diesem Reservoir aus können sie den Menschen immer wieder neu befallen.
      Viele gefährliche Viren wie das Aidsvirus oder das Grippevirus besitzen außerdem Eigenschaften, die ihre Ausbreitung begünstigen. Sie haben ein Erbmolekül, das aus RNA und nicht aus DNA besteht. Das für die Vermehrung von RNA zuständige Enzym macht besonders viele Fehler, die zudem nicht ausgebessert werden. RNA-Viren ändern daher laufend ihre Eigenschaften. Das erschwert die immunologische Abwehr und erleichtert den Wirtswechsel.


      Hepatitisvirus (Modell) Hepatitisviren lösen schwere Leberentzündungen aus. Einige von ihnen, etwa das Hepatitis B Virus (HBV), begünstigen auch die Entstehung von Leberkrebs. Die Schutzimpfung gegen das Hepatitis B Virus ist deshalb auch die erste Schutzimpfung gegen Krebs.



      In Anbetracht der anhaltenden Bedrohung durch Viren ist es unerläßlich, die Entwicklung von Impfstoffen voranzubringen und die Möglichkeit vorhandener Schutzimpfungen besser zu nutzen. Deutschland ist im internationalen Vergleich ein impfmüdes Land. Doch wer sich durch entsprechende Schutzimpfungen gegen gefährliche Infektionen wappnet, schützt nicht nur sich selbst vor Krankheit und Tod. Er dient auch der Gesellschaft insgesamt, weil er die Ausbreitung der Erreger unterbindet.

      so leute, ich glaube das reicht erstmal für den anfang....

      gruss
      shakesbier :eek:
      Avatar
      schrieb am 01.10.00 16:54:14
      Beitrag Nr. 15 ()
      Hallo Shaky,

      hab´ mich gefreut Dich letzte Woche, wenn auch nur kurz, kennengelernt zu haben. Vielleicht kommst Du zum nächsten Stammtisch nach Köln? Ich würde gerne mehr über Biotech erfahren. Hab den DWS Typ0 im Depot, außerdem einen Basket Call (732124). Was hälst Du denn von Sepracor, Optionsscheine sind letzte Woche emmitiert worden, und haben knapp 250% gemacht. Im Moment aber nur enttäuschendes Omega von ca. 1,5. Gleiche Problematik bei Scheinen auf Vertex und Millennium, oder kennst Du gute Alternativen??

      Danke schon mal vorab

      chezmo, der Biotech im Depot gut findet
      Avatar
      schrieb am 01.10.00 17:14:40
      Beitrag Nr. 16 ()
      Habe gerade bei Yahoo einen ganz interessanten Artikel gefunden, der sich mit den 5,5 Millionen Aktien befaßt, die Millennium neu an den Markt bringt:

      Genomics-based pharmaceutical company Millennium Pharmaceuticals (Nasdaq: MLNM - news) was in the news today, announcing a plan to sell 5.5 million shares of its stock in a secondary offering. Millennium`s already outstanding shares fell this morning, although it`s hard to attribute the drop solely to the stock offering news. Often when a company sells additional shares, its existing outstanding shares will slide a bit in price as investors anticipate that their take of the company`s earnings will be diluted down the road. Such logic seems silly in Millennium`s case, though, primarily because the company doesn`t currently have any earnings to dilute. Well, whatever.

      Dialing for dollars
      As Jeff Fisher pointed out in a recent Rule Breaker Portfolio report, Millennium`s ultimate success will be closely tied to its ability to find drug targets for its partners and fund its own gene-based drug development plans. Such initiatives will require a decent amount of dough, especially to support a large-scale research and development budget.

      With its stock currently around $150 per share, Millennium can reasonably expect to clear at least $775 million or so in new cash from the planned stock sale, after the underwriters take their cut. That`s on top of the $389 million netted through a convertible bond sale earlier this year. The funding gives the company a nice sum of money to work with. As the old saying goes, you gotta strike when the iron is hot.

      Distortion risk
      For the most part, individual investors shouldn`t spend too much time stressing about their companies` funding decisions. While huge lapses of judgment do happen from time to time, managements of large publicly traded companies are on the whole pretty good about these things. What investors do need to pay attention to, however, is how funding decisions can cause strange market distortions for a stock like Millennium.

      After the planned secondary offering, Millennium will have about 104.5 million common shares outstanding. But that`s before an impending two-for-one stock split, which the company has bumped up to take effect next week. So before too long, Millennium`s sharecount will jump to 209 million shares. That`s a big change from the 45 million shares the company had outstanding at the start of this year. (There was another two-for-one stock split between then and now.)

      How does a rising sharecount affect long-term investors? It doesn`t, really. A split may provide a short-term psychological boost to a stock when it is first announced, but the company`s market valuation changes very little in the end. Instead of a roughly $15 billion market cap on 99 million shares outstanding, Millennium will most likely end up in a few weeks with roughly the same $15 billion market cap on 209 million shares outstanding. Big deal.

      The downside of a high sharecount
      However, what can be a big deal is how a company with a high sharecount can look outright sickly if its business or its industry suddenly goes out of favor. Just ask shareholders of drug store operator Rite Aid (NYSE: RAD - news) about how that works. It may be tempting to dismiss Rite Aid as worthless with its stock currently in the dumps at around $4 per share. However, despite its penny stock status, the company still sports a market capitalization over $1.3 billion. Having more than 300 million shares outstanding will do that.

      Earlier this year, a re-evaluation of Millennium`s market value to, say, $1 billion when there were only 45 million shares outstanding would have resulted in a stock price of just over $22 per share. That would be quite a fall, for sure. But if the same sudden value decline were to happen to the company now with 209 million shares outstanding, the stock would end up around $4.78 per share.

      In reality, a $1 billion market cap is a $1 billion market cap, regardless of how you slice it. But psychologically, the difference between holding a beaten-down stock trading at $22 per share and one trading below $5 per share could be night and day for an investor who lacks the clarity of thought to look through the market distortions caused by a high sharecount.

      Mental toughness required
      In a jumpy sector such as biotechnology, sudden re-valuations of companies do happen. Keep in mind that investors in Amgen (Nasdaq: AMGN - news), which is today considered the de facto king of biotech-land, helplessly watched as that company`s market cap evaporated from about $11.5 billion to just under $5 billion in a three-month span in late 1992 and early 1993. Doesn`t sound fun, does it? Long-term investors in volatile biotechnology firms such as Millennium should be mentally prepared for such falls. That means adopting a valuation perception based on the company`s total market value, not just on its easily distorted market share price.

      Ich werde die Korrektur nutzen, und meinen Anteil an Millennium aufstocken. Wird dann mein größter Depotwert sein. Dafür fliegen ein paar Leichen raus. Dann 5 bis 10 Jahre abwarten. Muß ja nicht gleich eine ver50fachung bei rauskommen, wie in dem von Shaky geposteten Artikel in Aussicht gestellt. Mir reicht eine ver49fachung allemal ;););)

      Gruß

      duessel
      Avatar
      schrieb am 01.10.00 22:23:10
      Beitrag Nr. 17 ()
      Hallo Biofreaks,

      lieber Shaky, vielen Dank für deine Infos. Du paßt aber bitte auf, daß du dich nicht zu sehr hineinstreßt, gelle :laugh:?

      Hat jemand nähere Informationen, daß bei Millennium erneut ein Split ansteht :eek:? Ist mir ein absolutes Rätsel :confused::)?

      Gruß Penny - im Wochenende :cool:
      Avatar
      schrieb am 02.10.00 08:46:06
      Beitrag Nr. 18 ()
      @penny01:
      Der Split von Millennium ist in dem von mir geposteten Artikel erwähnt:

      After the planned secondary offering, Millennium will have about 104.5 million common shares outstanding. But that`s before an impending two-for-one stock split, which the company has bumped up to take effect next week.

      Wenn ich richtig informiert bin, wird der Split am 4.10. vollzogen.

      Gruß

      duessel, der heute Toolex, Teleplan und nordasia.com verkauft, um seinen Millennium-Anteil aufzustocken
      Avatar
      schrieb am 02.10.00 11:44:34
      Beitrag Nr. 19 ()
      Hallo Shakes,
      warst mal Professor an einer Uni in Zürich oder etwas ähnliches???
      Eine Super Abhandlung, die ich mir heute abend in Ruhe durchlesen werde.
      Gruß Donaueschinger
      Avatar
      schrieb am 02.10.00 11:44:57
      Beitrag Nr. 20 ()
      Hallo Shakes,
      warst mal Professor für Biotechnologie an einer Uni in Zürich oder etwas ähnliches???
      Eine Super Abhandlung, die ich mir heute abend in Ruhe durchlesen werde.
      Gruß Donaueschinger
      Avatar
      schrieb am 02.10.00 13:47:03
      Beitrag Nr. 21 ()
      hi leute

      ich bitte euch, in diesem thread keine fragen zu einzelaktien zu stellen, dafür gibts die anderen. danke.

      ein thema, an dem man nicht vorbeikommt und sich jeder mal seine gedanken machen sollte:


      Jedes Jahr leiden und sterben ca. 1,5 Millionen Tiere in deutschen Laboratorien. Die Öffentlichkeit ist über Details und Umstände von Tierexperimenten kaum informiert.

      Diese Datenbank macht tierexperimentelle Forschung transparent. Jeder, der an Tierversuchen beteiligt ist, muß sich der Frage stellen, warum Leid und Tod von unschuldigen Kreaturen in Kauf genommen und nicht akzeptablere, tierversuchsfreie Verfahren eingesetzt werden oder auf das Experiment aus ethischen Gründen verzichtet wird.

      Nur eine umfassende Offenlegung der tierexperimentellen Forschung ermöglicht eine sachliche Diskussion über Tierversuche.


      Mit dieser Datenbank soll die Praxis der tierexperimentellen Forschung in Deutschland öffentlich gemacht werden. Jeder von uns hat das Recht, mitzubestimmen, wie lange unsere gesellschaftliche Moral Tierversuche noch zuläßt. Diese Entscheidung darf nicht Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik vorbehalten bleiben. Jeder tierexperimentell arbeitende Wissenschaftler muß sich fragen lassen, warum er schmerz- und leidensfähigen Tieren Leid und Tod zumutet. Jedes Forschungsinstitut, das noch immer glaubt, seinen Ruf durch Experimente mit wehrlosen Tieren festigen zu können, muß begründen, warum es nicht tierversuchsfreie Methoden entwickelt und anwendet (z.B. Zell- und Gewebekultur, Computertomographie und andere computergestützte bildgebende Meßverfahren).
      Diese Datenbank dokumentiert tierexperimentelle Studien aus den letzten vier Jahren. Sie kann nur Schwerpunkte setzen, da jährlich Tausende von Tierversuchen, die in deutschen Laboratorien durchgeführt wurden, in internationalen Fachzeitschriften oder in Dissertationen publiziert werden. Andererseits zeigen die experimentellen Techniken und Vorgehensweisen einer Forschergruppe von Studie zu Studie kaum Variationen, so daß eine Veröffentlichung meist repräsentativ für viele andere ist.

      Die tierexperimentelle Forschung in Deutschland ist für die Öffentlichkeit wenig zugänglich. Zwar müssen seit 1987 Tierversuche angezeigt oder genehmigt werden. Doch die Genehmigungsbehörden der Länder und die zugeordneten beratenden Kommissionen sind zu strengem Stillschweigen verpflichtet. Einzelheiten und Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeiten werden vorzugsweise in englischsprachigen Fachzeitschriften veröffentlicht. Diese Publikationen sind den Fachkreisen leicht zugänglich, während der Einblick für Tierschützer und Kritiker erschwert ist.

      Entsprechend argumentieren viele Tierversuchsgegner mit alten und kaum belegbaren, grausamen Experimenten. Auch Ärzte, Politiker und Journalisten sind oft schlecht über das tatsächliche Ausmaß der Gewalt und des Leidens im Labor informiert. Sie halten Tierversuche für eine harmlose, unverzichtbare Form der modernen Wissenschaft.

      Beim Tierversuch geht es nicht um schmerzlose Blutdruckmessungen bei Hunden oder um sanftes Einschläfern von ein paar Mäusen oder Ratten. Das belegen die Versuchsbeschreibungen, die Sie in dieser Datenbank finden. Das tierexperimentelle Forschungssystem verursacht Tieren schwere Leiden und bringt ihnen letztlich den Tod.
      Eine Heerschar von Lehrstuhlinhabern, Assistenten und Doktoranden an Universitäten, Max-Planck-Instituten und anderen forschenden Einrichtungen nutzen Tierversuche für ihre beruflichen und wirtschaftlichen Interessen. Für die Aussage der Experimentatoren, tierexperimentelle Studien würden zur Vorbeugung, Diagnostik oder Therapie der heutigen Zivilisationskrankheiten dienen, gibt es keinen Beleg. Die Ursachen der heutigen Massenkrankheiten sind weitgehend bekannt und zu einem beträchtlichen Teil vermeidbar - ohne Tierversuche durchzuführen!

      In Deutschland werden zur Zeit ca. 1,5 Millionen Tiere pro Jahr in Versuchen verbraucht. Die jüngste bundesdeutsche Statistik* aus dem Jahr 1996 meldet 1.519 Affen, 4.515 Hunde, 1.010 Katzen, 415.766 Ratten und 729.612 Mäuse. Über die Hälfte dieser Tiere (921.000) werden zur Entwicklung und Prüfung von Arznei- und Pflanzenschutzmitteln verbraucht. Diese Versuche werden nur ausnahmsweise publiziert. Sie unterliegen aus Wettbewerbsgründen einer strengen Geheimhaltung. Die Daten verschwinden in den Archiven der Pharmaindustrie und der Zulassungsstelle für Arzneimittel.
      In Fachjournalen publizierte Tierversuche werden zu einem großen Teil im Bereich der sogenannten Grundlagenforschung durchgeführt. Sie sind über diese Datenbank der Öffentlichkeit erstmals in verständlicher Form zugänglich.

      *Informationsdienst des Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Nr. 43 vom 27. Oktober 1997


      Beispielausgaben

      [ Gentechnologie ]

      Es werden transgene Mäuse mit menschlichem Erbmaterial, das für die Produktion von Wachstumshormon zuständig ist, eingesetzt. Die Mäuse haben einen erhöhten Blutspiegel des Wachstumshormons und wachsen viel schneller als andere Mäuse. Im Verhältnis wachsen jedoch innere Organe wie Leber und Niere stärker als der Rest des Körpers, und die verschiedenen Anteile des Skelettsystems wachsen in anderen Proportionen als bei normalen Tieren. Im Vergleich zu normalen Mäusen entwickeln sich bei den transgenen Mäusen doppelt so viele Lebertumore. Auch in der Niere sind krankhafte Veränderungen zu beobachten, die hauptsächlich dafür verantwortlich sind, daß die transgenen Mäuse nur eine um 50 Prozent bzw. 75 Prozent erniedrigte Lebenserwartung haben.

      [ Herz-Kreislaufforschung ]

      Bei 289 Ratten wird der Brustkorb aufgeschnitten, das Herz aus dem Thorax herausgeholt und die linke Herzkranzarterie mit einer Schlinge verschlossen. Nach Wochen werden die Überlebenden erneut operiert und nach den Untersuchungen getötet.

      [ Hirnforschung ]

      2 Affen werden Kopfhalter auf die Schädel, Meßkammern in die Schädeldächer und Meßelektroden in die Gehirne implantiert.

      [ Hirnforschung, Neurophysiologie ]

      Bei 18 Ratten wird ein System zur Messung und Entnahme von Hirnflüssigkeit chirurgisch in einem bestimmten Hirnbereich angebracht. Zur Streßbelastung müssen die Tiere in einem Wasserbecken schwimmen.

      [ Immunologie ]

      Acht Ferkel werden mit einem Bakterium, das schwerwiegende Lungenveränderungen mit Todesfolge verursachen kann, geimpft. Am 32. Tag wird unter Anästhesie mit einem schlauchförmigen Instrument (Bronchoskop) bei acht Tieren die Lunge mit den Bakterien infiziert. Symptome der Pleuropneumonie, die durch den Erreger ausgelöst wird, sind Fieber, Apathie, Appetitlosigkeit, Husten und Lungengeräusche. Im Todeskampf kommt es zu blutig-schleimigen Nasenausfluß mit Maulatmung. Vier der infizierten Tiere sterben innerhalb der nächsten vier Tage. Am 42. Tag werden die überlebenden Tiere getötet und untersucht.

      [ Innere Medizin ]

      Bei 357 Ratten werden durch Abschnüren je einer Herzaterie Herzinfarkte hervorgerufen.
      [ Intensivmedizin, Schockforschung ]

      Bei Schweinen werden Bakterien per Infusion in die Blutbahn gegeben, um eine Sepsis (Blutvergiftung) zu erzeugen. Beim Hauptversuch wird unter Vollnarkose die Haut und das darunter liegende Gewebe am Übergang vom Hals zur Brust eingeschnitten. Ein Katheter wird in die dort entlangziehende Arterie gelegt und bis zum Herzen vorgeschoben. Ein weiterer Katheter dient der Infusion der Bakterien. Die ersten Symptome zeigen sich ein bis zwei Stunden nach Einleiten der Bakterien in die Blutbahn. Sie äußern sich durch Fieber, erhöhte Herz- und Atemfrequenz, Körperzittern und Erbrechen. Das Allgemeinbefinden verschlechtert sich zunehmend. Schließlich kommt es zu Atemnot mit Festliegen in Seitenlage und teilweise zu einem komatösen Zustand. Nach 84 Stunden werden die Schweine narkotisiert und getötet. Ihre Organe werden entnommen und untersucht.
      [ Kardiologie ]

      Bei 42 Hunden wird eine Herzarterie für eine Stunde abgebunden und so die Durchblutung des Herzmuskels eingeschränkt, um die Wirkung verschiedener Substanzen auf die Herzfunktion zu untersuchen. Mehr als ein Drittel der Hunde stirbt noch vor Abschluß der Experimente. Die überlebenden Tiere werden getötet und ihr Herz untersucht.

      [ Neurologie ]

      76 Mäuse werden umfangreichen Eingriffen unterzogen und anschließend enthauptet. Die Gehirne werden herausgeschnitten und untersucht.

      [ Neurologie, Neuroradiologie ]

      Bei sieben Ratten wird der Schädel geöffnet und durch Verschluß der Hirnarterie ein Hirninfarkt hervorgerufen. Nach rund sechs Stunden werden sie getötet und ihre Gehirne entnommen.

      [ Neurophysiologie ]

      6 Katzen wird das Rückenmark halbseitig durchtrennt.

      [ Neurophysiologie ]

      3 Katzen werden Elektroden in die Nierennerven gelegt. An der geöffneten Schädeldecke werden Signale gemessen.

      [ Neurophysiologie ]

      Einer unbekannten Anzahl Katzen wird die Schädeldecke aufgefräst und eine Kammer auf der Gehirnoberfläche befestigt. Es werden Lösungen zur Hemmung der Nervenzellen ins Gehirn gebracht und die Hirnaktivität bei Lichtreizen gemessen. Nach der Tötung wird das Gehirngewebe untersucht.

      [ Neurophysiologie ]

      Bei 25 Ratten wird das rechte Auge herausgeschnitten. Nach sieben Tage werden an den Ratten Experimente, mit denen die Zuckerverwertung in bestimmten Gehirnabschnitten ermittelt werden soll. Anschließend werden sie getötet.

      [ Parasitologie ]

      Mindestens 18 Mäusen werden nach Betäubung rund 200-300 Parasitenlarven auf den Bauch aufgetragen, die so in die Haut eindringen können. Nach einigen Wochen werden die Tiere getötet und das Vordringen der Parasiten - u.a. in die Lunge - untersucht.

      [ Pharmakologie, Toxikologie ]

      234 Ratten werden für den sogenannten LD-50 Giftigkeitstest eingesetzt. Dieser Test, bei dem die Dosis ermittelt wird, bei der 50 Prozent der Tiere sterben, ist nach offiziellen Angaben längst abgeschafft.

      [ Physiologie, Hormonforschung ]

      Rattenmüttern werden wenige Tage nach der Geburt ihrer Jungen Dauerkatheder zur laufenden Blutabnahme eingesetzt. Bei den eigentlichen Versuchen werden sie u.a. 90 Sekunden lang in schwarze Wasserkübel gesetzt, um emotionalen und körperlichen Streß hervorzurufen.

      [ Physiologie, Hormonforschung ]

      Bei 28 Ratten wird die Gehirndurchblutung durch Verschluß beider Halsschlagadern zehn Minuten lang gedrosselt. Nach Stunden bzw. bis zu 28 Tagen werden die Tiere getötet und enthauptet.

      [ Strahlungsmedizin ]

      Vier Beagle-Hunde erhalten eine tödliche Dosis Röntgenstrahlung.

      [ Strahlungstherapie ]

      Mit 120 Kaninchen und 242 Ratten wird der Einfluß radioaktiver Bestrahlung auf das Knochenwachstum untersucht. 18 Prozent der Kaninchen und 5,4 Prozent der Ratten sterben bereits vor Versuchsende durch verschiedene Zwischenfälle.

      [ Toxikologie ]

      Ca. sechs Affen sowie Ratten und Mäuse werden einige Stunden nach Verabreichung einer Testsubstanz getötet.

      [ Toxikologie des Zigarettenrauchs ]

      Für die vom US-Tabakkonzern Philip Morris finanzierte Studie werden 288 Ratten über einen Zeitraum von 12 Monaten an 5 Tage in der Woche über 7 Stunden am Tag in spezielle Käfige aus Maschendraht gesetzt und Zigarettenrauch unterschiedlicher Konzentrationen ausgesetzt.

      [ Toxikologie, Pharmakologie ]

      Rund 35 Tieren wird über einen Zeitraum von vier Wochen ein Krampfgift verabreicht. Tiere, die mindestens dreimal hintereinander einen heftigen Krampfanfall erlitten haben, werden enthauptet und ihr Gehirn untersucht.

      [ Versuchstierkunde, Toxikologie ]

      U.a. werden Mäuse mit Substanzen behandelt, die das Bewegungsbedürfnis der Tiere jeweils steigern oder senken. Durch Injektion eines unverdünnten Insektenbekämpfungsmittels unter die Haut und in den Bauch wird eine deutliche Hautreizung und starke Beeinflussung der Tiere durch Kratzen und Lecken hervorgerufen. Später wird das Gift mit einem Plastikschlauch durch den Mund eingegeben. Zunächst wird eine sehr hohe Dosierung verwandt; eine Stunde treten später deutliche Vergiftungssymptome wie Krämpfe, Zittern und Fallen auf den Rücken auf. Nun werden verschiedene Verdünnungen ausprobiert, da in dem Versuch selbst keine Vergiftungssymptome auftreten sollen. Es folgen weitere Versuche, in denen zunächst hohe Dosierungen verwendet werden, bei deren Verabreichung etwa 50 Prozent der Tiere sterben.

      [ Veterinär-Pathologie, Virologie ]

      38 Beagle-Welpen werden mit dem Tollwutvirus infiziert.

      [ Veterinärphysiologie ]

      Ratten wird eine die Darmschleimhaut schädigende Substanz bis zu fünfmal täglich mittels Schlundsonde eingegeben. Je nach Versuch werden den Ratten Lösungen zum Flüssigkeitsersatz und/oder zur Ernährung (Rehydrierungs- und Realimentierungslösungen) ebenfalls per Schlundsonde eingegeben. Die Versuchsdauer erstreckt sich über insgesamt sieben Tage. Die mit der schädigenden Substanz behandelten Tiere verlieren etwa 25 Prozent ihres Körpergewichtes. Kurz nach ihrem Tod durch Genickschlag oder unter Äthernarkose werden den Ratten Darmanteile entnommen, an denen weitere Untersuchungen vorgenommen werden, um die Aufnahme von Zucker am Darm unter unterschiedlichen Bedingungen zu studieren.
      Avatar
      schrieb am 02.10.00 20:06:42
      Beitrag Nr. 22 ()
      Biotechs: Not Again
      ein sehr guter, einführender Artikel von Bob Walberg (Briefing.com)

      The biotech industry has transformed itself over the past few years by adopting a new business model based on collaboration. The 80`s game plan called for biotech firms to spend big on R&D, develop a host of new drugs, bring them to market and take on the large pharmaceutical companies. For all but a few players the plan was a disaster, as the barriers of entry (manufacturing, marketing and distribution costs) proved to be too high and the drug conversion rate too low and unpredictable. But by moving to a collaborative model, in which the smaller, cash-shy biotech companies form alliances with the large, cash rich pharmaceutical companies, the biotech industry has prospered.

      Under this model the drug companies provide R&D dollars to the biotechs in exchange for exclusive marketing rights to any drugs that ultimately receive FDA approval. The companies then (typically) share the revenues from the approved drugs. The drug companies benefit in that collaboration reduces discovery failures, lowers costs, increases productivity and improves innovation. Biotechs win out by tapping into a large and steady source of capital, and by obtaining access to the sales and marketing power of the major drug companies. Whereas there were about 60 such alliances/joint ventures in 1993, there are now several hundred. The result has been an increase in R&D spending and a surge in the product pipeline.

      Advancements in drug discovery methods, favorable demographics and an improved political climate (in which the approval time for new drugs/therapies has been cut in half) are a few more reasons why today`s biotech investor need not fear a 1980`s like crash. But even so, investors must be careful in choosing stocks. A task made difficult by the complexity of the industry. Let`s face it unless you have a degree in molecular biology this stuff can get pretty murky.

      Nevertheless, in strong industry-wide rallies such as the one taking place in biotechs at the moment, undeserving stocks usually rise right along with the quality ones. Those investors who haven`t done their homework, and have bought stocks because of price, press release, or chat room hype, are likely to suffer the same fate as the biotech investor of the 80`s. Maybe not today, maybe not tomorrow, but soon. Conversely, if you adhere to a disciplined approach to stock selection, avoid the hype and take advantage of the myriad of online resources, you should be able to profit from the great potential this industry has to offer over the next decade.

      Die 4 goldenen Regeln für eine gute Biotech-Aktie
      ebenfalls von Briefing.com

      To clarify the picture a bit and to make the selection process easier (and we hope more successful), Briefing.com devised a four-step screening process for biotech stocks. Briefing.com maintains that companies that score passing grades in at least three (and preferably all) of these areas stand a very good chance of continuing to outperform the market over the long-term.


      Cash, cash, cash. Companies should have sufficient cash to cover their burn rate for at least two years. The burn rate is the cash needed to fund R&D. We also look for companies with high current ratios and low debt/equity.
      Several drugs/therapies in the later stages (Phase II or later) of clinical development.
      Numerous collaborative agreements with major pharmaceutical companies. Biotechs that meet this standard will be better positioned to deliver on the promise of strong earnings growth. You also want to make sure that the large drug companies have experience in marketing the kind of drugs being researched by their biotech partners.
      Management should be experienced and boast a track record of successfully meeting milestone/earnings goals. Experience/success in turning research into saleable products also an underappreciated key.
      10 Biotechs for the Next 10 Years
      von Briefing.com


      Biogen (BGEN)
      Cor Therapeutics (CORR)
      Gene Logic (GLGC)
      Genentech (DNA)
      ICOS Corp. (ICOS)
      Immunex (IMNX)
      Ligand Pharmaceuticals (LGND)
      Liposome (LIPO)
      Millenium Pharmaceuticals (MLNM)
      Vical (VICL)


      The Great Biotech Debate
      von Nilus Mattive (IndividualInvestor.com), 02.06.2000


      The biotech sector is like an accelerated microcosm of the current growth-driven marketplace. Witness the genome craze: Companies like Human Genome Sciences (HGSI) have received tremendous funding based on the hope that one day they will be able to turn an array of genetic code into solutions for many of today`s plagues. The result? Market-caps swelled with hope. And as you might expect, any news release is a cause for big upward moves.
      Clearly, if you`re able to find these companies before the real hype gets rolling, you can reap serious profits. But since most of these companies are R&D machines, they burn up cash quickly and many go under before they ever produce marketable products. So, what happens to the ones that actually succeed?

      Interestingly enough, there are biotech companies out there that have healthy pipelines, products to market, and strong partnerships with major pharmaceutical companies, yet their valuations are nowhere near those of the pure-speculation plays. For example, a company that I like, Ligand Pharmaceuticals (LGND), has had three products approved in the past year but the company`s share price remains relatively unchanged. Arguably, the approved products have narrow indications (they treat very focused illnesses), and the company`s date for profitability keeps getting pushed back. Nonetheless, companies like Ligand are much closer to success than companies like Human Genome Sciences. So, considering the risk to reward within a reasonable time frame, shouldn`t money be flowing into these companies instead?

      Is the potential for the latest thing more profitable than actual success? I suppose the answer is yes and no. Clearly, for short-term biotech players, money is in the next great hype. If you`re of this slant, my advice is to keep a watchful eye on dates from clinical trial results to actual approval hearings. After all, the pops in these stocks are almost always news-driven.

      Longer-term investors are better served investing in companies on the verge of making it. Look for companies that have products at, or near, market with strong partnerships and pipelines that will keep the momentum going. And, remember, regardless of how good a company`s prospects might be, the most important factor is always patience.

      Human Genome Sciences (HGSI)
      Interview mit Bill Haseltine (Chairman, CEO), 20.01.2000


      Dr. Haseltine is considered by many to be one of the leading visionaries in the field. He was a professor at Harvard medical school for 20 years before dedicating himself to Human Genome on a full-time basis.
      Dr. Haseltine figures that the recent run up in shares of genomics companies is quite justified: "Just look at all the merger activity taking place among drug companies. There just aren’t enough drugs in the pipeline out there, so they need to join forces." And Haseltine figures that genomics companies are unlocking knowledge that will bring about the next major wave of drug development.

      Human Genome has made sure to keep most of its knowledge to itself. The company has patents that cover medical treatments covering more than 7,400 human genes. But Haseltine is quick to add that Human Genome is unlike its competitors. "We’ve unlocked the key to productivity," he says. Drug researchers often need several years to develop a drug. But Human Genome’s system of protein, gene and antibody identification can shorten the process to under a year.

      "And whereas many drugs enter clinical trials, only to be proven unsafe or lacking in efficacy, drugs being developed by us have proven to be safe and have a high probability of making it through the process," says Haseltine. That’s quite a boast. Over the next 12 months, Haseltine will have a chance to back up that statement, as a half dozen Human Genome drugs wend their way through clinical trials.

      He is trying to transform Human Genome into a large drug company. Last year, the company filed paperwork to enroll its first three internally developed drugs in clinical trials, two of which have already passed on to Phase II. "The drugs we’re developing have blockbuster potential." Within a few years, he avers, the company could join the ranks of biotech powerhouse Amgen (AMGN). That’s his way of saying that Human Genome’s market value is small change compared to Amgen’s $70 billion value.

      For now, Human Genome’s drugs are targeting the areas of cancer, immune systems, and tissue repair. Haseltine expects the company to roll out an increasing number of drugs treating a wider array of diseases and ailments over the next few years.
      Avatar
      schrieb am 02.10.00 20:19:45
      Beitrag Nr. 23 ()
      auf dieser seite findet ihr alle biotechfirmen, die an der nasdaq gelistet sind.

      http://www.biotechs.de/Unternehmen/unternehmen.html

      klickt ihr eine davon an, öffnet sich deren homepage.

      gruss
      shakes :eek:
      Avatar
      schrieb am 02.10.00 20:43:18
      Beitrag Nr. 24 ()
      noch ein paar begriffe:


      Antigene

      Sind Merkmale, die Zellen auf ihrer Oberfläche enthalten. Dies können Proteine auf Viren sein oder ähnliches. Antikörper erkennen diese Antigene und haften sich an sie (ähnlich wie ein Schlüssel in ein Schloss passt)

      Antikörper

      Körpereigene Abwehrstoffe des Immunsystems. Ihre Funktion ist die Bindung an Viren, Tumorzellen etc. und ihre anschließende Eliminierung. Die Erkennung und Bindung erfolgt über Antigene . Siehe auch monoklonale Antikörper.

      Biotechnologie

      Technische Verwendung von lebendigen Organismen. Dazu gehören Bakterien, Pilze und andere Zellen. Die Biotechnologie besteht nicht nur, wie oft angenommen, aus der Gentechnik. Diese ist nur ein Teilgebiet. Biotechnologie erstreckt sich über wesentlich mehr. So spielt sie z. B. auch eine Rolle in der Herstellung von Joghurt und anderen Lebensmitteln, in denen man lebende Organismen braucht. Sie wird auch zur Proteinsynthese verwendet.

      Bispezifische Antikörper

      finden ihren Einsatz z. B. in der Krebstherapie. Es ahndelt sich hierbei um Antikörper die an ihrer Oberfläche zwei Antigene binden können. Dadurch können zwei verschieden Zellen sehr nah zusammengeführt werden. So z.b. eine Tumorzelle und eine Fresszelle des Immunsystems.

      Blockbuster

      Ist ein Medikament mit sehr hohem Umsatz (ca. 1 Milliarde $ pro Jahr)

      B-Lymphozyten

      Sind spezielle Abwehrzellen in unserem Körper. Aus ihnen bilden sich Plasmazellen, aus denen anschließend Antikörper entstehen.

      Chromosomen

      Chromosomen sind schleifenförmige Gebilde im Zellkern.Jeder Mensch besitzt 23 Chromosomenpaare. Sie sind die Träger unserer Erbinformation. Viele genetisch bedingte Krankheiten gehen auf das fehlen oder die Fehlbildung von Chromosomen zurück. Sie bestehen aus DNA Strängen.

      DNA

      Desoxyribonucleid acid, zu deutsch: Desoxyribonukleinsäure.Die DNA trägt die gesamte Erbinformation in unseren Zellen. Sie codiert die Zusammensetzung aller Proteine und somit Enzyme in einem Organismus. Sie ist ein Riesenmolekül, das aus vier Basen, den Nukleinsäuren, zusammengesetzt ist. Diese vier Nukleinsäuren sind Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin. Die DNA ist in Form einer langen gewundenen Spirale, der Doppelhelix aufgewickelt.

      Enzyme

      sind Proteine (Eiweiße) die Stoffwechselvorgänge in Organismen katalysieren, also beschleunigen. Ihr Bauplan ist in der DNA gespeichert. Sie steuern nahezu alle Vorgänge in unserem Körper wie z.B. Verdauung, Immunsystem ...

      Gentechnik

      Bezieht sich auf die Entschlüsselung und Veränderung des Erbgutes. Man versucht bestimmte Sequenzen in der DNA zu entschlüsseln, um zu sehen welche Funktion sie haben könnten. Nachdem dieser Nutzen gefunden ist, kann man das Erbgut soweit gehend verändern um diese Sequenz nutzbar zu machen.

      Klinische Phase

      Nach der Vorklinischen Phase folgt die klinische Phase.Sie ist in 3 Abschnitte unterteilt. Während dieser Testphase für Medikamente wird das neue Mittel am Menschen getestet um seine Verträglichkeit und seine Nebenwirkungen festzustellen. Nur etwa ein drittel aller Medikamente besteht diese Phase. Erst danach darf ein neues Medikament auf den Markt. Und erst danach verdient eine Pharmafirma Geld. Vorher existieren nur Ausgaben und ein hoher Zeitaufwand.

      Klon

      Unter einem Klon versteht man eine Zelle die denselben Satz an Erbinformationen besitzt, wie eine andere Zelle. Dies bedeutet, dass ein Klon die exakte Kopie einer Zelle oder eines lebenden Organismus darstellt. Klonen kommt in der Natur vor, dies tritt z.B. bei der Zellteilung auf. Es ist aber auch auf gentechnischem Weg möglich.

      Monoklonale Antikörper (MAK)

      Sind Antikörper die auf biotechnologischem Weg hergestellt werden können.Ihre Anwendung liegt vor allem in Tumormarkierung und Tumortherapie.Antikörper werden von B-Lymphozyten gebildet. Antikörper die sich von genetisch identischen B-Zellen ableiten sind monoklonal.

      Mutation

      ist die Veränderung unseres Erbgutes. Obwohl die DNA gut geschützt ist können bestimmte Umwelteinflüsse sie verändern. Darunter fallen UV Strahlen genauso wie radioaktive Stoffe oder andere mutagene (Erbgutverändernde) Substanzen und Chemikalien. Solche Mutationen können Missbildungen an der Zelle verursachen und evtl. zu Tumoren führen.

      Onkologie

      Ist die Lehre von Tumorkrankheiten.

      Vorklinische Phase

      Ist die erste Erprobungsphase für ein neues Medikament. Dabei wird es vor allem an Tieren getestet. Bei Bestehen der Vorklinischen Phase darf es dann in der Klinischen Phase erprobt werden.


      Das Biotechs Lexikon
      Avatar
      schrieb am 02.10.00 23:29:56
      Beitrag Nr. 25 ()
      Mensch Shaky, Du bist ja der helle Wahnsinn !

      Jetzt weis ich auch endlich, was Du vor Deiner ZU beruflich gemacht hast: Klar, du warst Biologe !

      Liebe Grüsse

      Rolf
      Avatar
      schrieb am 03.10.00 09:55:32
      Beitrag Nr. 26 ()
      hi shaky,

      ich möchte die für deine wahnsinns arbeit mit diesem thread danken. habe mir gerade alles ausgedruckt und dürfte die nächsten tage genügend lesestoff haben.

      lg. ute
      Avatar
      schrieb am 03.10.00 10:53:59
      Beitrag Nr. 27 ()
      hi leute

      ich bin weder biologe noch prof. an irgendeiner uni :confused:

      ich beziehe meine info`s aus dem internet, verschiedenen zeitschriften sowie div. diskussionsrunden z.b. via bloomberg oder cnbc.

      alles was sich rund um die biotechnologie "abspielt" ist mein hobby, ja wahrscheinlich sogar meine leidenschaft. ich versuche nur, ein paar info`s an euch weiter zu geben.

      trotzdem schade, dass das interesse nicht so gross ist, aber vielleicht wird`s ja noch....zockerecke klingt halt immer interessanter ;)


      interessante interviews findet ihr hier....qiagen ist doch euer favorit, gibts auch was zu lesen :


      http://www.biotech-world.de/analysen_interviews.html

      gruss
      shakesbier - der biotechaktionär :eek:
      Avatar
      schrieb am 03.10.00 11:03:48
      Beitrag Nr. 28 ()
      Hallo shaky


      Natürlich interessieren wir uns für diese Thema, es ist nur so, dass das ganze Gebiet sehr komplex ist und jeder der daran Interesse ist, muss sich zuerst einarbeiten. Mir geht es auf jedenfalls so.

      Habe alles mal runterkopiert und suche mir, wenn ich mal Zeit habe, ein stilles Plätzchen um es zu lesen. :cool:

      Biotech ist die Zukunft, dass sehe ich auch so und deine Hinweise, vorallem die Internet Seiten, wo wir Info`s finden sind super.

      Also noch ein bisschen Gedult, wenn ich mich eingearbeitet habe, werde ich auch einmal meinen Senf dazu geben. Bis dann

      Gruss Ruedi :laugh:
      Avatar
      schrieb am 03.10.00 11:11:26
      Beitrag Nr. 29 ()
      @shaky
      Auch ich bin Dir sehr dankbar für das Alles hier.
      Ich möchte aber nicht so gerne posten hier, damit dieser thread nicht von Kommentaren zerklüftet wird.

      earchy
      Avatar
      schrieb am 03.10.00 11:19:00
      Beitrag Nr. 30 ()
      hi earchy, einstein

      euch meine ich doch gar nicht. ist mir nur aufgefallen, dass hier wohl keine 1.500 klicks täglich möglich sind.....aber ich arbeite daran ;)


      For centuries, humankind has made improvements to crop plants through selective breeding and hybridization — the controlled pollination of plants. Plant biotechnology is an extension of this traditional plant breeding with one very important difference — plant biotechnology allows for the transfer of a greater variety of genetic information in a more precise, controlled manner. Traditional plant breeding involves the crossing of hundreds or thousands of genes, whereas plant biotechnology allows for the transfer of only one or a few desirable genes. This more precise science allows plant breeders to develop crops with specific beneficial traits and without undesirable traits.

      Many of these beneficial traits in new plant varieties fight plant pests — insects, weeds and diseases — that can be devastating to crops. Others provide quality improvements, such as tastier fruits and vegetables; processing advantages, such as tomatoes with higher solids content; and nutrition enhancements, such as oil seeds that produce oils with lower saturated fat content. Crop improvements like these can help provide an abundant, healthful food supply and protect our environment for future generations



      The DNA (deoxyribonucleic acid) from different organisms is essentially the same — simply a set of instructions that directs cells to make the proteins that are the basis of life. Whether the DNA is from a microorganism, a plant, an animal or a human, it is made from the same materials.

      Throughout the years, researchers have discovered how to transfer a specific piece of DNA from one organism to another.
      A researcher`s first step in transferring DNA is to "cut" or remove a gene segment from a chain of DNA using enzyme "scissors" to cut at a specific site along the DNA strand.

      The researcher then uses these "scissors" to cut an opening into the plasmid — the ring of DNA often found in bacteria outside of a cell. Next, the researcher "pastes" or places the gene segment into the plasmid. Because the cut ends of both the plasmid and the gene segment are chemically "sticky," they attach to each other, forming a plasmid containing the new gene. To complete the process, researchers use another enzyme to paste or secure the new gene in place.
      Decades of research have allowed Monsanto specialists to apply their knowledge of genetics to improve various crops, such as corn, soybeans, canola, cotton and potatoes.
      Our researchers continue to work carefully to ensure that improved crops are the same as current crops, except for the addition of one beneficial trait which, for example, protects them from a particular insect or virus.

      Many people are beginning to appreciate more deeply the bonds between human well-being, social stability and the natural processes of the earth that sustain all life. They are realizing that the earth`s capacity to continue providing clean air and water, productive soils and a rich diversity of plant and animal life is central to ensuring quality of life for ourselves and our descendants.
      Current population growth is already straining the earth`s resources. One of the few certainties of the future is that the world`s population will nearly double, reaching almost 10 billion inhabitants by the year 2030. According to Ismail Serageldin of the World Bank, "Biotechnology will be a crucial part of expanding agricultural productivity in the 21st century. If safely deployed, it could be a tremendous help in meeting the challenge of feeding an additional three billion human beings, 95% of them in the poor developing countries, on the same amount of land and water currently available."
      Biotechnology, which allows the transfer of a gene for a specific trait from one plant variety or species to another, is one important piece of the puzzle of sustainable development.

      Experts assert that biotechnology innovations will triple crop yields without requiring any additional farmland, saving valuable rain forests and animal habitats. Other innovations can reduce or eliminate reliance on pesticides and herbicides that may contribute to environmental degradation. Still others can preserve precious groundsoils and water resources.
      Most experts agree that the world doesn`t have the luxury of waiting to act. By working now to put in place the technology and the infrastructure required to meet future food needs, we can feed the world for centuries to come and improve the quality of life for people worldwide.

      Now and in the near future, the products of food biotechnology provide food quality improvements which include better taste and healthier foods.
      Agronomic or "input" traits create value by giving plants the ability to do things that increase production or reduce the need for other inputs such as chemical pesticides or fertilizers. Our current products with input traits include potatoes, corn and soybeans that produce better yields with fewer costly inputs through better control of pests and weeds. Already, we`re growing potatoes that use 40% less chemical insecticide than would be possible using traditional techniques.

      Quality traits — or "output" traits — help create value for consumers by enhancing the quality of the food and fiber produced by the plant. Likely future offerings include potatoes that will absorb less oil when fried, corn and soybeans with an increased protein content, tomatoes with a fresher flavor and strawberries that retain their natural sweetness.
      Someday, seeds will become energy-efficient, environmentally friendly production facilities that can manufacture products which are today made from nonrenewable resources. A canola plant, for example, could serve as a factory to add beta carotene to canola oil to alleviate the nutritional deficiency that causes night blindness.

      Tens of thousandsof years ago... People wandered the earth, collecting and eating only what they found growing in nature. By about 8,000 BC, however, the first farmers decided to stay in one place and grow certain plants as crops — creating agriculture and civilization, in that order.
      Thousandsof years ago People first learn to use bacteria to make new and different foods, and to employ yeast and fermentation processes to make wine, beer and leavened bread.

      1700s Naturalists begin to identify many kinds of hybrid plants — the offspring of breeding between two varieties of plants.

      1840s Gregor Mendel begins a meticulous study of specific characteristics he found in various plants which were passed to future plant generations.

      1861 Louis Pasteur defines the role of micro-organisms and establishes the science of microbiology.

      1900 European botanists use Mendel`s Law to improve plant species. This is the beginning of classic selection.

      1950 First regeneration of entire plants from an in vitro culture.

      1953 Enter James Watson and Francis Crick. These two future Nobel Prize winners discovered the double helix structure of deoxyribonucleic acid, commonly known as DNA. Proteins are made up of strings of amino acids. The number, order and kind of amino acids determine the property of that protein. DNA holds the information necessary to order the amino acids correctly. The DNA transmits this hereditary information from one generation to the next. But it wasn`t until three decades later that even larger strides occurred in the field.

      1973 Researchers develop the ability to isolate genes. Specific genes code for specific proteins.

      In the 1980s Scientists discover how to transfer pieces of genetic information from one organism to another, allowing the expression of desirable traits in the recipient organism. This is called genetic engineering, one process used in biotechnology. Using the technique of "gene splicing" or "recombinant DNA technology" (rDNA), scientists can add new genetic information to form a new protein which creates traits that protect plants from diseases and pests.

      1982 The first commercial application of this technology is used to develop human insulin for diabetes treatment.

      1983 The first transgenic plant: a tobacco plant resistant to an antibiotic.

      1985 Genetically engineered plants resistant to insects, viruses, and bacteria are field tested for the first time.

      1990 The first successful field trial of genetically engineered cotton plants (bt cotton) is conducted. DEKALB receives the first patent for transformed corn

      1994 The Flavr-Savr tomato, designed to resist rotting, is approved by the FDA for sale in the United States.

      1995-1996 Monsanto`s Roundup Ready soybeans, which are resistant to herbicides, and YieldGard Corn, which is protected from the corn borer, are approved for sale in the United States. Bollgard cotton first commercialized in the US.

      1997 Roundup Ready cotton first commercialized in the US.

      1998 DEKALB markets the first Roundup Ready corn
      Avatar
      schrieb am 03.10.00 11:32:05
      Beitrag Nr. 31 ()




























      Avatar
      schrieb am 03.10.00 11:45:12
      Beitrag Nr. 32 ()
      Transgene Kartoffeln regen das menschliche Immunsystem zur Antikörperbildung an

      Carol Tacket und Mitarbeitern (1) des Boyce Thompson Institute (BTI) for Plant Research der Cornell Universität gelang es in Zusammenarbeit mit der Maryland School of Medicine in gentechnisch veränderten Kartoffeln das Hüllprotein des sogenannten Norwalk-Virus zu exprimieren. Eine Studie an Testpersonen zeigte, dass das in den Kartoffeln enthaltene Virusprotein vom menschlichen Immunsystem als "fremd" erkannt wird und zur Bildung von Antikörpern anregt.

      20 Probanden verzehrten innerhalb von 21 Tagen zwei bis drei Portionen rohe transgene Kartoffeln. Jede Portion enthielt zwischen 215 und 751 Mikrogramm des Norwalk-Virus-Hüllproteins. Eine Kontrollgruppe aus vier Probanden bekam entsprechende Portionen der Wildtyp-Kartoffel. Die meisten Probanden vertrugen die rohen Kartoffeln ohne Beschwerden. Einige zeigten Symptome wie Übelkeit und leichte Magenkrämpfe. Die Symptome traten bei den Testpersonen als auch bei der Kontrollgruppe gleichermaßen auf.

      19 (95%) der 20 Testpersonen, die transgene Kartoffeln verzehrten, zeigten eine Immunantwort im Form einer signifikanten Erhöhung der Anzahl spezifischer IgA-sekretierender Zellen. Bei vier Probanden konnte spezifisches Serum IgG und bei sechs der 20 Testpersonen spezifisches Stuhl IgA nachgewiesen werden.


      Das Norwalk-Virus

      Der Mensch ist einzig bekannter Träger des Norwalk-Virus. In den USA ist das Virus einer der häufigsten Auslöser Nahrungsmittel-bedingter Erkrankungen. Jährlich leiden nach Angabe des US Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in Atlanta in den USA rund 23 Millionen Menschen unter Krankheiten, die dieser Erreger auslöst. Das Norwalk-Virus ist die Hauptursache nicht-bakterieller epidemischer Gastroenteritis und wird über Nahrungsmittel und Wasser sowie über Tröpfcheninfektionen verbreitet. Zu den durch das Virus verursachten Symptomen gehören Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Magenkrämpfe.


      Pflanzen als Impfstoff-Produzenten

      Auch frühere Untersuchungen befassen sich mit der Entwicklung von Impfstoffen in transgenen Pflanzen. Bei Testpersonen, die beispielsweise zweimal innerhalb von zwei Monaten transgenen Salat verzehrten, der ein Oberflächenprotein der Hepatitis B-Virushülle enthielt, stellte sich ein zum Teil ausreichendes Antikörperniveau gegen das Virus ein (2). Hepatitis B ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten. Nach WHO-Angaben sind weltweit etwa zwei Milliarden Menschen von einer Infektion mit dem Hepatitis B-Virus betroffen. Carol Tacket von der Universität von Maryland führte Untersuchungen mit transgenen Kartoffeln durch (3), die ein spezifisches Escherichia coli-Protein exprimieren. Auch hier führte der Verzehr der transgenen Kartoffeln bei Testpersonen zu spezifischen Immunantworten.

      An E. coli-Infektionen sterben jährlich vor allem in den Entwicklungsländern etwa drei Millionen Menschen.
      Im Vergleich zu herkömmlichen Impfstoffen könnten gentechnisch veränderte Pflanzen, die das Immunsystem gezielt zur Bildung von Antikörpern anregen, gerade in Entwicklungsländern einen wesentlichen Beitrag zu einer besseren medizinischen Versorgung der Bevölkerung leisten. Zur Zeit können sich Länder der Dritten Welt herkömmliche Impfstoffe aufgrund der hohen Kosten für Transport, Lagerung und Kühlung nicht leisten. Durch Verwendung "essbarer Vakzine" könnte auch auf die zur Zeit notwendige geschlossene Kühlkette für konventionelle Vakzine verzichtet werden, was die Anwendung der Impfstoffe sehr viel sicherer machen würde und eine breite Immunisierung der Bevölkerung gegen Krankheiten möglich, die in den Industrienationen weitgehend ausgerottet sind. Ziel der Wissenschaftler ist es unter anderem auch, den Entwicklungsländern die Techniken für Zucht und Anbau Impfstoff-produzierender transgener Pflanzen zur Verfügung zu stellen, um diese ein Stück weit unabhängiger von den "reichen Nationen" zu machen.

      Noch müssen eine Reihe offener Fragen in Bezug auf Impfstoff-produzierende transgene Pflanzen geklärt werden. Dass es prinzipiell möglich ist, mittels gentechnisch veränderter Pflanzen das Immunsystem des Menschen zur Produktion von Antikörpern anzuregen, haben die Untersuchungen des Teams um Carol Tacket deutlich gezeigt.

      1. Tacket, C.O. et al.: Human Immune responses to a Novel Norwalk Virus Vaccine Delivered in Transgenic Potatoes, The Journal of Infectious Diseases 182: 302-305 (2000).

      2. Kapusta, J. et al.: A plant-derived edible vaccine against hepatitis B virus. FASEB 13: 1796-1799 (1999).

      3. Tacket, C.O., et al.: Immunogenicity in humans of a recombinant bacterial antigen delivered in transgenic potato. Nature Medicine 4/5: 607-609 (1998).

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      Gentechnik bei Lebensmitteln - Realität Und Zukunft

      Die Gentechnik hält zunehmend Einzug in den Lebensmittelbereich. Mit ihrer Hilfe werden heute vor allem die Herstellungsverfahren für Zusatzstoffe, Enzyme und pflanzliche Rohstoffe verbessert. Geringerer Rohstoffeinsatz, Wasserbedarf und Energieaufwand sowie ein verminderter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln machen die Herstellung vieler Lebensmittel wirtschaftlicher und umweltfreundlicher.

      Die wichtigsten marktreifen Entwicklungen sind Nutzpflanzen wie Soja und Mais, bei denen ackerbauliche Eigenschaften (z. B. Schutz vor Krankheiten oder Schädlingen) verbessert wurden. Schätzungen gehen davon aus, daß weltweit bereits auf 20 Millionen Hektar Anbaufläche gentechnisch veränderte Sorten wachsen. Außerdem werden gentechnisch veränderte Mikroorganismen zur Gewinnung von Zusatzstoffen oder Verarbeitungshilfsstoffen wie Enzymen eingesetzt.

      Neben den bereits zugelassenen Mais-, Raps- und Sojasorten werden in den nächsten Jahren auch andere Pflanzen wie Reis, Zuckerrüben und verschiedene Obst- und Gemüsesorten in Europa Marktreife erlangen. Auch bei der Verbesserung von Mikroorganismen zur Herstellung bestimmter Substanzen oder zum direkten Einsatz in Lebensmitteln wird die Bedeutung gentechnischer Verfahren zunehmen.

      Gentechnik ist also keine Zukunftsmusik mehr, sie ist Realität. Die deutsche Lebensmittelwirtschaft will diese Verfahren bzw. damit hergestellte Produkte verantwortungsvoll nutzen. Sie sieht die Gentechnologie als unverzichtbare Schlüsseltechnologie an, nicht zuletzt um ihre Wettbewerbsfähigkeit im europäischen und globalen Markt in Zukunft behaupten zu können.

      Die Grundvoraussetzung für den Einsatz der neuen Verfahren ist selbstverständlich die gesundheitliche Unbedenklichkeit der Produkte. Der europäische und der deutsche Gesetzgeber haben umfangreiche Regelungen geschaffen. Die Überprüfung durch internationale und nationale Behörden sowie durch Forschungseinrichtungen und Qualitätssicherungs-maßnahmen der Lebensmittelwirtschaft gewährleisten auf der Basis der geltenden Gesetze die Sicherheit für die neuen Produkte genauso wie auch bei den bisherigen Verfahren. Alle Erzeugnisse auf dem Markt entsprechen diesen Anforderungen.
      Während in der Medizin der Einsatz der Gentechnik weitgehend akzeptiert ist, wird die Anwendung bei der Herstellung von Lebensmitteln von kritischen Stimmen begleitet.

      Für die deutsche Lebensmittelwirtschaft ist es daher wichtig, die Öffentlichkeit über den Einsatz der gentechnischen Verfahren im Lebensmittelbereich zu informieren. Diese Broschüre möchte einen Überblick über bereits marktreife Produkte und zu erwartende Entwicklungen der nächsten Jahre geben.


      Verbesserte Nutzung natürlicher Quellen

      Schon lange nutzt der Mensch bestimmte Mikroorganismen zur Gewinnung von Substanzen wie Vitaminen, Zitronensäure, Aminosäuren und Enzymen*. Seit mehr als zehn Jahren werden zunehmend auch gentechnische Verfahren eingesetzt, um diese Stoffe in gleichbleibend hoher Qualität und mit einer günstigen ökologischen und ökonomischen Bilanz aus Mikroorganismen zu gewinnen. Die Produkte aus den gentechnisch veränderten Mikroorganismen sind jedoch die gleichen wie bisher nur das Verfahren für die Verbesserung der Mikroorganismen hat sich verändert.

      Auch bei der Züchtung von Nutzpflanzen werden heute schon moderne gentechnische Methoden eingesetzt. Beispielsweise gibt es bereits Sojapflanzen, die gegen ein Unkrautbekämpfungsmittel geschützt sind. Bereits 1996 hat sich beim Anbau dieser Sorten gezeigt, daß der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sehr gezielt erfolgen kann und so erheblich weniger Mittel auf den Feldern benötigt werden. Ebenfalls zugelassene Maissorten besitzen eigene Abwehrkräfte gegen einen verbreiteten Maisschädling und müssen dadurch kaum noch mit Insektenbekämpfungsmitteln behandelt werden.

      Zukünftig wird die Gentechnik auch zur Qualitätsverbesserung von Lebensmitteln ihren Beitrag leisten. Pflanzliche Öle werden z. B. vermehrt für die menschliche Ernährung wichtige, ungesättigte Fettsäuren enthalten. Der Gehalt an lebensnotwendigen Aminosäuren und Vitaminen kann erhöht und die Kombination der einzelnen Stoffe kann verbessert werden.

      Die Anwendung gentechnischer Methoden ermöglicht also neben den für die menschliche Ernährung wichtigen Verbesserungen der Nutzpflanzen auch eine umweltschonendere Erzeugung auf dem Feld und die Verringerung von Ernteverlusten.

      *Enzyme sind natürliche Katalysatoren. Sie helfen, bestimmte Schritte bei der Herstellung von Lebensmittelzutaten besonders schonend ablaufen zu lassen, und kommen beispielsweise bei der Verarbeitung von Stärke zu süß schmeckenden Produkten wie Traubenzucker oder Glucosesirup zum Einsatz.

      Die Broschüre soll einen Überblick über Lebensmittelzutaten geben, bei deren Herstellung betrachtet über den gesamten Lebensweg eines Produktes die Gentechnik eine Rolle gespielt haben kann. Die verwendeten Bezeichnungen entsprechen weitgehend denen, die auf den Lebensmittelverpackungen in der Zutatenliste aufgeführt sind. Wenn es sich um Zusatzstoffe handelt, sind auch die entsprechenden E-Nummern angegeben.

      Die Zutaten sind jeweils mit einem von drei verschiedenen Symbolen markiert. Das jeweilige Symbol gibt Auskunft über den möglichen Einsatz der Gentechnik im Herstellungsprozeß. Die Symbole haben nichts mit der Kennzeichnung von Lebensmitteln nach der sogenannten Novel Food-Verordnung oder anderen EU-rechtlichen Bestimmungen zu tun. Nach diesen Verordnungen werden nur Lebensmittel oder Zutaten mit einem Hinweis auf die Gentechnik gekennzeichnet werden, wenn sie sich nachweisbar von den bisherigen Produkten unterscheiden. Nur in diesen Fällen ist die Verpflichtung zur Kennzeichnung überhaupt überprüfbar.

      Diese Broschüre will über die vorgeschriebene Kennzeichnung hinausgehende Informationen zu den möglichen Anwendungen gentechnischer Verfahren im Lebensmittelbereich geben und umfaßt neben dem aktuellen Stand auch einen Ausblick auf die Entwicklungen der nächsten Jahre. Sie erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

      Die aufgeführten Beispiele bedeuten nicht, daß tatsächlich gentechnische Verfahren eingesetzt wurden. Weitere Informationen erhalten Sie über die am Ende dieser Broschüre angegebenen Adressen oder direkt bei den Lebensmittelunternehmen.

      Erklärung der Symbole

      Das grüne Symbol steht für die Zutaten, bei denen eine mögliche gentechnische Veränderung des Rohstoffs (z.B. der Pflanze) auch eine Veränderung des betreffenden Produktes bewirkt. Dies ist entweder ein winziges Stück neue Erbinformation und/oder ein zusätzliches Protein, das bislang in dieser Zutat nicht enthalten war. Das ist allerdings bei den heute in der EU erhältlichen Lebensmitteln nur selten der Fall. Eines der wenigen Beispiele sind sojaproteinhaltige Produkte, die aus gentechnisch veränderten Sorten hergestellt wurden. In der Entwicklung sind z.B. pflanzliche Öle mit verändertem Fettsäurespektrum. Solche Produkte werden selbstverständlich entsprechend gekennzeichnet werden.

      Das gelbe Symbol steht für solche Zutaten, die aus einem gentechnisch veränderten Rohstoff oder aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen gewonnen sein können, selbst jedoch in keiner Weise verändert worden sind. Beispiele dafür sind aus gentechnisch veränderten Pflanzen hergestellte Produkte wie Maiskeim-, Raps,- oder Sojaöl und aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen gewonnene Produkte wie Vitamine oder Aminosäuren. Solche Produkte sind nicht verändert und müssen dementsprechend auch nicht gekennzeichnet werden.

      Das blaue Symbol steht für die Zutaten, die weder selbst gentechnisch verändert sind, noch aus gentechnisch veränderten Rohstoffen hergestellt wurden. Es ist aber möglich, daß die Gentechnik irgendwann im Lauf ihrer Herstellung eine Rolle gespielt hat. Dies trifft mittlerweile auf viele Lebensmittelzutaten zu. Ein Beispiel dafür sind Maltodextrine, die mit Hilfe von Enzymen aus pflanzlicher Stärke hergestellt werden. Die Enzyme werden dabei aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen gewonnen. Auch in der Tierfütterung verwendete Futtermittel können von gentechnisch veränderten Pflanzen stammen. Alle Endprodukte sind unverändert und müssen dementsprechend auch nicht gekennzeichnet werden.


      Produkte aus Mikroorganismen

      Viele Produkte für die Lebensmittelherstellung werden schon lange aus Mikroorganismen gewonnen. Dazu gehören Aminosäuren, Enzyme, Geschmacksverstärker, Konservierungsstoffe, Süßungsmittel, Verdickungsmittel und Vitamine. Vor allem Enzyme werden auch bereits aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen gewonnen. Dazu zählen beispielsweise Enzyme zum Abbau von Stärke, etwa zu Glucosesirup, oder das Enzym Chymosin zur Käseherstellung, das herkömmlich aus Kälbermägen gewonnen wird. Der Einsatz von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hat gegenüber der Gewinnung aus herkömmlich veränderten Mikroorganismen große Vorteile: Rohstoffe, Energie und Wasser können in großem Umfang eingespart werden, und eine hohe Produktqualität ist gleichbleibend gewährleistet. Die gentechnischen Verfahren sind nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch kostengünstiger. Die so gewonnenen Lebensmittelzutaten sind unverändert.

      L-Arginin gelb
      Aspartam (E 951) (Bestandteil L-Phenylalanin) blau
      b-Carotin (E 160) gelb
      Diacetyl gelb
      Glucoseoxidase gelb
      Glutaminsäure, Glutamate (E 620 - E 625) gelb
      Guanylsäure, Guanylate (E 626 - E 629) gelb
      Inosinsäure, Inosinate (E 630 - E 633) gelb
      Invertase gelb
      Iso-Ascorbinsäure (E 315 / E 316) gelb
      L-Isoleucin gelb
      L-Lysin gelb
      Mono- und Diglyceride von Fettsäuren, verestert mit Genußsäuren (E 472 a-f) gelb
      Natamycin (E 235) gelb
      Nisin (E 234) gelb
      L-Phenylalanin gelb
      Thaumatin (E 957) gelb
      L-Threonin gelb
      L-Tryptophan gelb
      Vitamin B2 (Riboflavin) gelb
      Vitamin B12 (Cobalamin) gelb


      Die aufgeführten Produkte sind nicht gentechnisch verändert. Keines der Produkte ist nach Novel Food-Verordnung kennzeichnungspflichtig.


      Produkte aus Ölsaaten

      Sojaöl, Sojaprotein und Lecithin können heute bereits zu einem noch kleinen, aber zunehmenden Anteil aus gentechnisch veränderten Bohnen stammen.

      Beim Anbau dieser Bohnen werden etwa 25% weniger Pflanzenschutzmittel benötigt als bisher. Dies ist auf kleine Mengen eines neu eingeführten Proteins in dieser Sojasorte zurückzuführen. Dieses Protein ist intensiv untersucht und unbedenklich für den menschlichen Verzehr. Es ist kein neuer Bestandteil unserer Lebensmittel, wir nehmen es beispielsweise beim Genuß von Gemüsen mit den stets daran haftenden Mikroorganismen zu uns.
      Sojaproteinhaltige Produkte können jetzt dieses zusätzliche Protein enthalten. Speiseöle und -fette aus diesen Bohnen sind unverändert und enthalten aufgrund der Verarbeitung (Reinigungsschritte) auch keine Proteine mehr.


      Seit 1996 sind auch Produkte aus gentechnisch veränderten Rapssorten auf dem Weltmarkt.

      Pflanzliches Fett/Pflanzenfett gelb
      Pflanzliches Öl/Pflanzenöl gelb
      Rapsöl gelb
      Sojaeiweiß (= Sojaprotein) grün
      Sojalecithin (Lecithin; E 322) gelb
      Sojamehl grün
      Sojaöl gelb
      Sojasauce gelb


      Stärkeabbau-Produkte

      Getreide wird durch Mahlen und Sieben zu Grieß, Schrot oder verschiedenen Mehlen verarbeitet. Mehl besteht hauptsächlich aus Kohlenhydraten (Stärke). Weizen- und vor allem Maisstärke werden vielfach zu süß schmeckenden Produkten weiterverarbeitet. Früher wurden zu dieser Weiterverarbeitung der komplex aufgebauten Stärke Säuren verwendet, heute wird der Stärkeabbau auf wesentlich schonendere Weise mit Hilfe von Enzymen durchgeführt. Seit geraumer Zeit stammen diese Enzyme auch aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen. Diese Enzyme und die mit ihrer Hilfe aus Stärke hergestellten Produkte wie der Glucosesirup sind unverändert. Stärkeabbau-Produkte sind in sehr vielen Lebensmitteln als Zutaten enthalten, die entsprechend mit einem blauen Kreis markiert werden.


      Dextrose (=Glucose) blau
      Fructose* blau
      Fructosesirup* blau
      Glucosesirup blau
      Maltodextrine blau
      Modifizierte Stärke (E 1404 u.a.) blau
      Sorbit (E 420) blau
      Stärkesirup blau
      Zuckerkulör (E 150 a-d) blau

      *Aus Stärke; nicht darunter fallen die gleichnamigen Produkte der europäischen Zuckerindustrie, die ausschließlich aus Saccharose hergestellt werden.


      Maisprodukte

      Seit 1996 gibt es neue Maissorten im Welthandel, die mit Hilfe gentechnischer Verfahren z. B. gegen einen verbreiteten Maisschädling (die Zünslerraupe) widerstandsfähig gemacht worden sind. Dadurch können beim Anbau bis zu 90% der Pflanzenschutzmittel eingespart werden. Der sogenannte Bt-Mais ist seit Ende 1996 auch in Europa zugelassen. Er unterscheidet sich von anderen Maissorten geringfügig in der Proteinzusammensetzung. Deswegen erhalten die entsprechenden Maisprodukte gelbe bzw. grüne Punkte.


      Dextrose (=Glucose) gelb
      Fructose* gelb
      Fructosesirup* gelb
      Glucosesirup gelb
      Maiskeimöl gelb
      Maismehl grün
      Maisprotein grün
      Maissirup gelb
      Maisstärke (Stärke) gelb
      Maltodextrine gelb
      Modifizierte Stärke (E 1404 u.a.) gelb
      Sorbit (E 420) gelb
      Stärkesirup gelb
      Zuckerkulör (E 150 a-d) gelb

      *Aus Stärke; nicht darunter fallen die gleichnamigen Produkte der europäischen Zuckerindustrie, die ausschließlich aus Saccharose hergestellt werden.


      Andere pflanzliche Produkte

      In Grosbritannien wird eine gentechnisch veränderte Tomate in verarbeiteter Form (Tomatenpurée) erfolgreich vermarktet. Bei der Obstverarbeitung (Saftgewinnung zu nichtalkoholischen und alkoholischen Getränken) oder z. B. der Herstellung von Würze können Enzyme aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen zur Anwendung kommen. Auch hier gilt: weder diese Enzyme noch die mit ihrer Hilfe aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellten Zutaten sind gentechnisch verändert.

      Fruchtsäfte/Konzentrate blau
      Tomate grün
      Würze blau
      Tierprodukte

      Verarbeitungsprodukte der neuen Pflanzensorten können in der Tierfütterung eingesetzt werden. Auch bei der Herstellung von Futterzusätzen wie Enzymen oder Vitaminen kann die Gentechnik eine Rolle gespielt haben. Im tierischen Organismus werden die Futterbestandteile bei der Verdauung abgebaut. Weder die Tiere selbst noch die von ihnen gewonnenen Produkte sind gentechnisch verändert.

      Eier und Eiprodukte blau
      Fisch und Fischerzeugnisse blau
      Fleisch und Fleischerzeugnisse blau
      Milch und Milcherzeugnisse blau
      Sämtliche tierischen Lebensmittel sind identisch mit den bisherigen Erzeugnissen und dementsprechend auch nicht kennzeichnungspflichtig.

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      Avatar
      schrieb am 03.10.00 11:50:18
      Beitrag Nr. 33 ()
      Verantwortlicher Gentechnikeinsatz kann Umwelt helfen

      "Der verantwortliche Einsatz Grüner Gentechnik kann erhebliche positive Beiträge für die Umwelt leisten."

      Diese Überzeugung vertritt Bundesernährungsminister Karl-Heinz Funke in einem Statement anlässlich eines EXPO-Projektes der KWS SAAT AG Einbeck zum Thema Pflanzenzucht. Wenn bei Nutzpflanzen die Abwehrkräfte gegen Krankheiten und Schädlinge gesteigert würden, könne der Einsatz bestimmter Pflanzenschutzmittel verringert werden. Früher sei dies im Wege der Züchtung über einen langen Zeitraum geschehen. Mittels Gentechnik könne dies schneller und gezielter erfolgen. Das gelte auch für die Entwicklung von Pflanzensorten, die sich aufgrund neuartiger Zusammensetzung von Inhaltstoffen besonders gut industriell verwerten lassen, z.B. für Verpackungsmaterial. Dadurch könnten begrenzt verfügbare Rohstoffe wie z.B. Mineralöl eingespart werden.

      Zuvor müssten mögliche Wechselwirkungen auf die natürliche Umwelt sorgfältig erforscht werden. "Unverantwortbare Risiken darf es nicht geben", so Funke. Der Mensch dürfe nur das tun, was er auch verantworten könne. Das müsse zuverlässig abgeschätzt und offen diskutiert werden. Die Grüne Gentechnik brauche die gleiche öffentliche Diskussion wie sie in der Medizin und Pharmazie stattfinde.

      Grenzen sieht Funke da, wo die Gesundheit von Menschen, Tieren, Pflanzen, und die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge berührt seien. Die Möglichkeit zu Veränderungen an der Erbsubstanz lebender Organismen sei vielen Menschen unheimlich, obgleich große Patientengruppen seit langem von diesen Möglichkeiten profitieren. Es gebe ein diffuses Unbehagen, das auf mangelnder Sachkenntnis beruhe und immer wieder geschürt werde durch Angst machende Kampagnen.

      In der Vergangenheit sei darüber zu wenig sachlich diskutiert worden. Hinzu komme, dass wirklich überzeugende Produkte, also Lebensmittel mit unmittelbarem zusätzlichen Verbrauchernutzen, erst entwickelt würden. Er nehme die Bedenken der Menschen ernst, erklärt Funke. Schließlich werde der Verbraucher mit seinem Marktverhalten entscheiden, ob Grüne Gentechnik eingesetzt werde oder nicht. Damit er entscheiden könne, müsse er wissen, was bei gentechnischen Verfahren geschieht.

      "Dazu müssen wir sachlich und offen aufklären. Wir müssen Transparenz in die wissenschaftlichen und juristischen Fragen bringen. Unwissenheit ist kein guter Ratgeber", so Funke.

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      Gentechnik - Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie sieht keinen Anlass zur Sorge

      Nach Auffassung der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) sollten die von der Stiftung Warentest in Lebensmitteln gefundenen Spuren von gentechnisch erzeugten Rohstoffen kein Anlass zur Sorge um die Sicherheit unserer Lebensmittel sein.

      Die DIB vertritt die Interessen von rund 150 in Deutschland ansässigen Biotech-Unternehmen. "Gentechnisch verbesserte Nutzpflanzen werden im Anbau tendenziell weniger mit Pflanzenschutzmitteln behandelt, zeigen weniger Schimmelpilzbefall und gehören darüber hinaus zu den am besten untersuchten Lebensmittelrohstoffen überhaupt", sagte Dr. Dieter H. Wißler, Vorsitzender der DIB.

      Die von Skeptikern immer wieder geäusserten Befürchtungen hinsichtlich möglicher unerwünschter Wirkungen auf Umwelt und Gesundheit könnten nach Ansicht des DIB nach über fünfjähriger Erfahrung im weltweiten Anbau nicht verifiziert werden. Nach Wißlers Überzeugung ist jedoch der offenen Information des Verbrauchers ein hoher Stellenwert einzuräumen: "Wir wünschen uns eine große Zahl entsprechend gekennzeichneter Produkte in unseren Supermärkten, damit der Verbraucher eine echte Wahlmöglichkeit hat und sich mit der Grünen Gentechnik im Alltag konkret auseinandersetzen kann."

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      Avatar
      schrieb am 03.10.00 12:19:48
      Beitrag Nr. 34 ()
      Hi, Shaky,
      wollten dir zu deinem 1000er thread gratulieren, aber der ist
      geschlossen; warum?? Nichts desto trotz, super!

      wir haben diese seiten mit sehr viel interesse gelesen.
      Leider haben wir noch eine kleine verpflichtung (business),
      nix FU. worldcom, akamai und konsorten werden morgen liquidiert
      (kein wunderschönes depot!) und dafür deine bio-empfehlungen
      aufgenommen.
      Schönen Feiertag (oder hast du den als "schwyzer" nicht?)
      von fr24 + Hop Sing vom hochrhy
      Avatar
      schrieb am 03.10.00 13:09:26
      Beitrag Nr. 35 ()
      @hop sing

      ich habe keinen feiertag, ich arbeite für euch!


      Aus eins mach zwei, aus zwei mach vier

      Die molekulare Genetik als Basis der modernen Biotechnologie
      Schon die ersten biotechnischen Anwendungen griffen auf die Stoffwechselleistungen von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen zurück. Dabei entwickelte sich aus einer eher zufälligen eine mehr und mehr systematisierte und optimierte Nutzung. Tiere und Pflanzen wurden schon bald gezielt gezüchtet. Für ein detaillierteres Verständnis mikrobieller Stoffwechselleistungen mußten aber erst noch eine ganze Reihe wichtiger Entdeckungen und Erfindungen in ganz unterschiedlichen Disziplinen gemacht werden.

      Man denke nur an das Mikroskop, mit dessen Hilfe die Mikroorganismen erstmals überhaupt sichtbar wurden. Immer tiefer drang die Wissenschaft schließlich in die Zellen hinein und zerlegte sie in ihre Einzelbausteine. Das Bestreben auch die Regeln zu verstehen nach denen die Merkmale und das Leistungsvermögen von Organismen auf die Nachkommen vererbt werden, führte schließlich zu einem Wissenschaftszweig, den wir heute als Genetik bezeichnen.


      Gregor Mendel

      Die Entwicklung der klassischen Genetik ist unmittelbar mit dem Namen Gregor Mendel verknüpft. Mendel hat als Erster erkannt, dass die Eigenschaften von Organismen nach bestimmten Mustern auf die Nachkommen vererbt werden. Er hat daraus den kühnen Schluß gezogen, dass diesen Eigenschaften "Erbfaktoren" zugrunde liegen, die über die Keimzellen weitergegeben und neu kombiniert werden.

      Es hat allerdings bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts gedauert, bevor den von Mendel vermuteten Erbfaktoren eine stoffliche Basis zugeordnet werden konnte. Avery und Mitarbeiter wiesen durch ihre Experimente im Jahr 1944 erstmals nach, dass Desoxyribonukleinsäure für die Übertragung vererbbarer Eigenschaften verantwortlich ist. Diese chemische Substanz war bereits im Jahr 1868 von Friedrich Miescher aus weißen Blutkörperchen isoliert und beschrieben worden. Aber erst mit der Entdeckung von Avery rückte sie in den Mittelpunkt wissenschaftlichen Interesses.

      Durch viele andere Experimente wurde der Zusammenhang von vererbbaren Eigenschaften und Desoxyribonukleinsäure rasch bestätigt. Allerdings konnten diese Versuche zunächst nur mit einfachen Organismen, meist Mikroorganismen wie Bakterien und Hefen, durchgeführt werden. Unklar blieb daher, ob die Desoxyribonukleinsäure, die international mit DNA (für englisch: Deoxyribonucleic acid) abgekürzt wird, auch bei höheren Organismen als einziger Träger der Erbinformation fungiert.

      Und wenn ja, wie sollte man dann die gewaltigen Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten erklären? Man wußte zu diesem Zeitpunkt nämlich schon, dass die DNA aus den unterschiedlichsten Quellen - vom Mikroorganismus bis zum Menschen - chemisch immer gleich aufgebaut ist. Sie enthält nur wenige, exakt beschreibbare Grundbausteine, sogenannte Nukleotide. Wie sollten diese immer gleichen Grundbausteine für die Vererbung von so dramatisch unterschiedlichen Merkmalen verantwortlich sein?

      Der Grundstein für die Beantwortung dieser Fragen wurde durch die Aufklärung der DNA-Struktur gelegt. Die Interpretation der Strukturdaten gelang den Wissenschaftlern James D. Watson und Francis Crick im Jahr 1953. Dies läutete gemeinsam mit den zuvor erwähnten Experimenten von Avery das Zeitalter der modernen Genetik ein und sollte sich als gewaltiger Schub für die Biotechnologie entpuppen.

      Die strukturellen Besonderheiten der DNA wurden sofort als zentrale Grundlage der Vererbung erkannt. Die DNA liegt als ein Doppelstrang vor, dessen Einzelstränge über eine Vielzahl von Wechselwirkungen zusammengehalten werden. Und das Entscheidende dabei: trennt man die beiden Stränge voneinander, dann kann jeder Einzelstrang durch sukzessives Aneinanderfügen von Grundbausteinen wieder zu einem Doppelstrang ergänzt werden. Aufgrund vorgegebener strikter Paarungsregeln muß dieser Doppelstrang wieder exakt dem Ausgangs-DNA Molekül entsprechen. Aus eins mach zwei, aus zwei mach vier...

      Wenn sich eine Zelle teilt, passiert genau das oben Beschriebene. Die DNA-Doppelhelix wird aufgetrennt und zu jedem Einzelstrang wird der Gegenstrang ergänzt. Wenn die beiden identischen DNA-Moleküle in der Zelle vorliegen, kann an die Tochterzellen exakt die gleiche Erbinformation weitergegeben werden. Und so weiter und so weiter. Aus vier mach acht, aus acht mach sechzehn...

      Das Prinzip der Weitergabe genetischer Information an die Nachkommen hatte sich aus der Struktur der DNA also elegant ableiten lassen. Aber wie ist denn nun die Erbinformation in der DNA gespeichert?

      Man kann sich vorstellen, dass die Wissenschaftler sehr intensiv um die Aufklärung dieser spannenden Frage gerungen haben. Das Bild begann sich in den 60er Jahren zu klären und stellte sich als sehr vertraut heraus.

      Denn die DNA verwendet die Nukleotide, die wir als Grundbausteine der DNA kennengelernt haben, wie die Buchstaben eines Alphabets. Damit kommt der scheinbar so wahllosen Abfolge der Nukleotide in einem DNA-Strang auf einmal eine ganz entscheidende - ja die entscheidende - Bedeutung zu.

      In der DNA wird nicht jedes Nukleotid allein als Buchstabe verwendet. Vielmehr werden drei aufeinanderfolgende Nukleotide zu einem Buchstaben zusammengefasst. Auch wenn dieser Kunstgriff an sich einfach erscheint, so war doch eine ganze Menge an intelligenten Überlegungen und Experimenten notwendig, um diesen genetischen Code zu knacken. Zusammen mit vielen anderen Wissenschaftlern haben Marshall Nirenberg und H. Gobind Khorana dadurch einen weiteren Meilenstein in der Entwicklung der modernen Genetik geschafft.


      Die Struktur der DNA

      Der Genetische Code

      Mutationen


      Weil die Buchstaben in der DNA aus drei aufeinanderfolgenden Nukleotiden bestehen, werden sie auch als Tripletts bezeichnet. Die Reihenfolge der Tripletts in der DNA bestimmt letztlich über Gestalt und Funktion der Eiweissmoleküle in einer Zelle. Der zugrundeliegende Mechanismus ist recht komplex, mittlerweile aber genauestens verstanden. In der DNA ist festgelegt, welche Eiweissmoleküle eine Zelle bilden kann. Dies ist sicher nicht ihr einziger Informationsgehalt. Nach unserem heutigen Wissensstand ist es aber die wichtigste Information, die von der DNA bei der Vererbung weitergegeben wird.

      Nach diesem Parforce-Ritt durch die Erkenntnisse moderner Genetik haben wir bereits das Rüstzeug erworben, um den zentralen Begriff der Genetik zu verstehen: das Gen. Unter einem Gen versteht man einen Abschnitt auf der DNA, der ein Eiweissmolekül bestimmter Größe und Funktion definiert. Wenngleich der Begriff des Gens damit ein wenig eng gefasst ist, trifft er doch den Kern der Sache.

      So wie die Struktur der DNA bei allen Lebewesen gleich ist, so ist auch das Prinzip der Informationsspeicherung und Umsetzung im Laufe der Evolution wenig verändert worden. Zwar haben sich im Detail einige nicht unerhebliche Wandlungen vollzogen, doch bleiben diese als Variationen eines Themas klar erkennbar.

      Das heißt: genetische Information wird im Prinzip von allen Lebewesen auf die gleiche Weise vererbt. Sie wird außerdem von allen Lebewesen auf die gleiche Art und Weise umgesetzt. Hinter diesen Erkenntnissen verbirgt sich nun aber nichts geringeres als die Voraussetzung für das, was wir heute als Gentechnik bezeichnen. Gene können aus beliebigen Organismen isoliert und von beliebigen anderen Organismen in das entsprechende Eiweissmolekül umgesetzt werden.
      Avatar
      schrieb am 03.10.00 13:13:46
      Beitrag Nr. 36 ()
      Die Grundlagen der Gentechnik

      Die Gentechnik hat sich nicht etwa zielgerichtet entwickelt. Die Kenntnis der molekularen Zusammenhänge zwischen DNA und Eiweissmolekülen war nur ein Mosaikstein, der für die eher zufällige Entwicklung der Gentechnik nötig war. Zwei weitere sollen hier noch kurz Erwähnung finden.

      Die DNA ist ein in molekularen Dimensionen riesiges Molekül. Beim Menschen schätzt man die Länge der Strickleiter auf rund drei Milliarden "Sprossen". Die Zahl ihrer Gene wurde lange Zeit auf etwa 100.000 geschätzt. Mit Auswertung des Anfang 2000 auf vollen Touren laufenden Genomprojektes wurde diese Zahl sogar auf rund 140.000 erhöht. Bei dieser Größe wundert es nicht, dass die genetische Gesamtinformation, das Genom, in einzelne Portionen aufgeteilt ist. Diese sind uns als Chromosomen bestens bekannt (dass Chromosomen nicht nur aus DNA bestehen sondern viel komplexer aufgebaut sind, muß hier nicht weiter interessieren). Für die Gentechnik sind diese Portionen aber immer noch viel zu groß. Will man bestimmte Gene von einem Organismus auf einen anderen übertragen, muß man die DNA erst noch in sehr viel kleinere Stücke zerlegen. Dafür braucht man geeignete Werkzeuge. Dankenswerterweise werden uns diese wieder einmal von der Natur selbst zur Verfügung gestellt. Nur finden muß man sie.


      Präzisionsarbeit: RestriktionsEnzyme zerlegen die DNA in handhabbare Bruchstücke

      Machen wir einen kurzen Ausflug in die Bakteriengenetik. So wie menschliche Zellen von Viren befallen werden können, so werden auch viele Bakterien von Viren attackiert, den BakterioPhagen. Manche Bakterien verfügen nun über einen interessanten Mechanismus, der sie vor Angriffen solcher BakterioPhagen schützt. Sie spalten einfach die Erbinformation, die von den BakterioPhagen bei der Attacke in die Bakterienzellen eingeschleust wird, in kleinere Fragmente. Die Untersuchung dieses Phänomens führte zur Entdeckung von Enzymen, die DNA an ganz genau definierten Stellen spalten können. Man bezeichnet diese Enzyme als RestriktionsEnzyme. Aus dem ursprünglich riesigen DNA-Molekül werden dadurch in reproduzierbarer Weise kleine, handhabbare Fragmente. Damit war eine weitere wichtige Voraussetzung für die Gentechnik geschaffen. Heute verfügen die Gentechniker über ein großes Repertoire an Enzymen die DNA zerlegen, zusammenfügen, auf- und abbauen können.


      Auch Plasmide können mit RestriktionsEnzymen geschnitten werden

      Diese Reaktionen läßt man dann meist nicht mehr in Zellen ablaufen, sondern arbeitet mit den isolierten Komponenten außerhalb der Zellen in kleinen Reaktionsgefäßen oder, wie die Fachleute sagen, in vitro.

      Sehr hilfreich sind auch kleine DNA-Portionen, die man häufig in Bakterien antrifft. Diese sogenannten Plasmide werden von Gentechnikern gerne verwendet, weil sie über interessante und hilfreiche Eigenschaften verfügen. Sie erlauben es, fremde DNA in Zellen hineinzubringen und dort stabil zu vermehren. Daher werden Plasmide häufig auch als Gen-Taxis bezeichnet.

      Wenn man ein solches Plasmid mit einem interessant erscheinenden Gen aus anderer Quelle verbindet, dann hat man die Einheit vor sich, mit der Gentechniker tagtäglich umgehen. Die verwendeten Plasmide sind dabei mittlerweile auf die speziellen Bedürfnisse der Gentechnik zugeschnitten worden.





      Nun muß die außerhalb der Zellen neu zusammengefügte DNA - die rekombinierte oder rekombinante DNA - in die gewünschten Zielzellen eingeschleust werden. Und das kann sich durchaus als Problem erweisen. Wie sich herausstellte, hat Avery bei der Entdeckung der DNA als Träger der Erbinformation ziemlich viel Glück gehabt. Er arbeitete mit Bakterien, die über eine natürliche Fähigkeit zur Aufnahme von DNA verfügen. Diese Fähigkeit haben nur wenige Bakterien - und andere Organismen schon gar nicht. Man muß sich daher einiges einfallen lassen, um die außerhalb der Zellen zusammengebaute DNA in die Zielzellen hinein zu bekommen.

      Hierfür werden ausgeklügelte Verfahren eingesetzt. Besonders beliebt ist heute die Elektroporation, bei der die Zielzellen in einem elektrischen Feld mit der DNA zusammengebracht werden. Daran war zu Beginn der Gentechnik freilich noch längst nicht zu denken. Man hatte aber bereits in der klassischen Genetik einiges über Systeme des DNA-Transfers gelernt. Auch die Natur verfügt über eine ganze Reihe von Möglichkeiten, um DNA zwischen - meist verwandten - Organismen auszutauschen. Daher konnte man bereits Anfang der 70er Jahre bestimmte Bakterien so behandeln, dass sie zur Aufnahme externer DNA fähig waren. Die Bühne für den ersten richtigen gentechnischen Versuch war frei.

      Exkurs: Plasmide

      Sollte es tatsächlich möglich sein, DNA aus unterschiedlichen Quellen miteinander zu verbinden und dieses gezielt hergestellte DNA-Molekül dann von Bakterienzellen vermehren und vererben zu lassen? Zu den Wissenschaftlern, die sich diese Frage stellten, gehörten auch Stanley Cohen und Herbert Boyer. Die Antwort, die sie durch ihre Experimente erhielten, war positiv.

      Eine Bakterienzelle unterscheidet ein natürlicherweise vorkommendes Plasmid nicht von einem, in das die Forscher ein fremdes Stück DNA eingebaut haben. Solange die normalerweise vorhandenen Funktionen des Plasmids nicht beeinträchtigt sind, wird auch das gentechnisch veränderte Plasmid stabil weitervererbt. Und mehr noch. Wenn sich auf dem künstlich eingefügten DNA Fragment ein funktionsfähiges Gen befindet, dann wird dieses von der Bakterienzelle auch in das zugehörige Eiweiss umgesetzt. Ganz egal, woher das fremde Gen stammt. Allerdings mit gewissen anderen Einschränkungen.


      Das Klonieren ist die Grundoperation der Gentechnik: Ein Plasmid wird mit einem Restriktionsenzym geöffnet und fremde DNA in die Schnittstelle eingepasst. Dann wird die rekombinierte DNA in Wirtszellen übertragen und von diesen vermehrt.

      Wenn man ein solches Plasmid mit einem interessant erscheinenden Gen aus anderer Quelle verbindet, dann hat man die Einheit vor sich, mit der Gentechniker tagtäglich umgehen. Die verwendeten Plasmide sind dabei mittlerweile auf die speziellen Bedürfnisse der Gentechnik zugeschnitten worden.

      Nun muß die außerhalb der Zellen neu zusammengefügte DNA - die rekombinierte oder rekombinante DNA - in die gewünschten Zielzellen eingeschleust werden. Und das kann sich durchaus als Problem erweisen. Wie sich herausstellte, hat Avery bei der Entdeckung der DNA als Träger der Erbinformation ziemlich viel Glück gehabt. Er arbeitete mit Bakterien, die über eine natürliche Fähigkeit zur Aufnahme von DNA verfügen. Diese Fähigkeit haben nur wenige Bakterien - und andere Organismen schon gar nicht. Man muß sich daher einiges einfallen lassen, um die außerhalb der Zellen zusammengebaute DNA in die Zielzellen hinein zu bekommen.

      Hierfür werden ausgeklügelte Verfahren eingesetzt. Besonders beliebt ist heute die Elektroporation, bei der die Zielzellen in einem elektrischen Feld mit der DNA zusammengebracht werden. Daran war zu Beginn der Gentechnik freilich noch längst nicht zu denken. Man hatte aber bereits in der klassischen Genetik einiges über Systeme des DNA-Transfers gelernt. Auch die Natur verfügt über eine ganze Reihe von Möglichkeiten, um DNA zwischen - meist verwandten - Organismen auszutauschen. Daher konnte man bereits Anfang der 70er Jahre bestimmte Bakterien so behandeln, dass sie zur Aufnahme externer DNA fähig waren. Die Bühne für den ersten richtigen gentechnischen Versuch war frei.

      Sollte es tatsächlich möglich sein, DNA aus unterschiedlichen Quellen miteinander zu verbinden und dieses gezielt hergestellte DNA-Molekül dann von Bakterienzellen vermehren und vererben zu lassen? Zu den Wissenschaftlern, die sich diese Frage stellten, gehörten auch Stanley Cohen und Herbert Boyer. Die Antwort, die sie durch ihre Experimente erhielten, war positiv.

      Eine Bakterienzelle unterscheidet ein natürlicherweise vorkommendes Plasmid nicht von einem, in das die Forscher ein fremdes Stück DNA eingebaut haben. Solange die normalerweise vorhandenen Funktionen des Plasmids nicht beeinträchtigt sind, wird auch das gentechnisch veränderte Plasmid stabil weitervererbt. Und mehr noch. Wenn sich auf dem künstlich eingefügten DNA Fragment ein funktionsfähiges Gen befindet, dann wird dieses von der Bakterienzelle auch in das zugehörige Eiweiss umgesetzt. Ganz egal, woher das fremde Gen stammt. Allerdings mit gewissen anderen Einschränkungen.
      Avatar
      schrieb am 03.10.00 13:19:30
      Beitrag Nr. 37 ()
      Eile mit Weile:
      Sicherheitsbestimmungen in der Gentechnik

      Die Ergebnisse von Boyer, Cohen und Kollegen waren Anfang der 70er Jahre eine echte Sensation. Die Wissenschaft geriet in Aufruhr. Welche unerhörten Möglichkeiten zeichneten sich da ab? Aber wo Chancen sind, sind immer auch Risiken. Und war man sich über diese Risiken eigentlich im klaren?

      Man konnte sich über die Risiken zum damaligen Zeitpunkt noch nicht im klaren sein. Gegenüber den in der Natur allgegenwärtig anzutreffenden Systemen des DNA-Transfers bot sich jetzt ja die Möglichkeit, über Artengrenzen hinweg Gene beliebig auszutauschen. Das war eine in dieser Verfügbarkeit völlig neue Qualität. Wie würden sich die Zielorganismen bei Vorhandensein neuer Gene verhalten? Die Wissenschaftler zügelten ihren Tatendrang erst einmal. Und berieten auf einer Konferenz darüber, ob und wie mögliche Risiken abgeschätzt werden könnten.


      Schon frühzeitig wurden mögliche Risiken diskutiert: Einladung zur Asilomar-Konferenz im Februar 1975:






      Im Anschluß an diese Konferenz, die im Jahr 1975 in Asilomar/USA abgehalten wurde, führte man eine ganze Reihe von Versuchen durch. Man benutzte dazu Einrichtungen, die für den Umgang mit natürlicherweise vorkommenden und sehr gefährlichen Mikroorganismen oder Viren ausgelegt waren. Diese sind ja leider gar nicht so selten und erfahren gerade in Zeiten eines weltumspannenden Tourismus immer neue Berühmtheit. Wissenschaftlich hatte man Mikroorganismen und Viren deshalb schon früh in Gruppen unterschiedlicher Gefährlichkeit zusammengefasst und für den Umgang mit diesen Gruppen gemeinsam mit dem Gesetzgeber Vorschriften erarbeitet. Man behandelte die gentechnisch veränderten Mikroorganismen nun so, als gehörten sie in die höchste Sicherheitsstufe.

      Die wesentlichste Erkenntnis der damaligen Versuche war, dass das Zufügen eines einzelnen fremden Gens den Wirtsorganismus in seinen grundlegenden Eigenschaften nicht verändert. Immerhin hatte es zuvor eine zwar theoretische, aber sehr beunruhigende Befürchtung gegeben. Was wäre, wenn aus der Kombination eines harmlosen Mikroorganismus mit einem an sich "harmlosen" fremden Gen ein gefährlicher Mikroorganismus entstehen würde? Einer, gegen den kein Kraut gewachsen ist.


      Auch in der Cafeteria des Asilomar-Tagungszentrums beschäftigten sich die Teilnehmer mit Sicherheitsfragen der damals neuen Technologie

      Diese theoretische Befürchtung hat sich nicht bestätigt. Heute sind wir in der Lage, nicht nur Mikroorganismen, sondern auch Pflanzen und Tiere gentechnisch zu verändern. Daher können wir eine Analogie aus dem Tierreich wählen. Wenn ein Kaninchen gentechnisch verändert wird, bleibt es trotz einer vielleicht neu hinzugewonnenen Eigenschaft ein Kaninchen. Der Umgang mit diesem gentechnisch veränderten Kaninchen ist nicht gefährlicher als der mit einem anderen. Sollte allerdings jemand mit einem gentechnisch veränderten Tiger arbeiten wollen, dann sollte er besser höllisch aufpassen. Nicht deshalb, weil der Tiger jetzt gentechnisch verändert ist. Sondern einfach deshalb, weil es sich um einen Tiger handelt.

      Dementsprechend haben sich auch die Richtlinien entwickelt, die ausgehend von der Konferenz von Asilomar für gentechnische Arbeiten erlassen wurden. Die Sicherheitsanforderungen orientieren sich an der Gefährlichkeit der Organismen, deren Gene mittels gentechnischer Methoden kombiniert werden. Handelt es sich dabei nur um Organismen, die harmlos sind, dann kann man davon ausgehen, dass auch der resultierende gentechnisch veränderte Organismus harmlos ist. Für solche Experimente wurden die Sicherheitsanforderungen daher nach und nach gelockert.

      Allgemein werden gentechnische Experimente heute in vier Sicherheitsstufen eingeteilt. Die unterste Sicherheitsstufe, S1, unterliegt in vielen Ländern keiner besonderen Regelung mehr. Auch in Europa und Deutschland wird verschiedentlich gefordert, die vorhandenen Regelungen in dieser Sicherheitsstufe aufzuheben. Natürlich gelten weiterhin sämtliche Bestimmungen für mikrobiologisches Arbeiten ganz allgemein. Mit wachsender Sicherheitsstufe wachsen die Anforderungen an die Sicherheitsvorkehrungen bei den Experimenten dann schnell. Die Bedingungen für S2 Experimente können von gut ausgestatteten mikrobiologischen Labors in aller Regel noch erfüllt werden. Ab der Stufe S3 sind aber bereits besondere bautechnische Maßnahmen und ein besonders hohes Ausstattungsniveau erforderlich. Die Anforderungen für S4 Experimente erfüllen weltweit nur einige wenige Hochsicherheits-Labors.





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      Updated: September 28, 2000 by ISB
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      schrieb am 03.10.00 13:22:44
      Beitrag Nr. 38 ()
      Ordnung ins Chaos

      Einsichten in den Stoffwechsel einer Zelle

      Seit Mitte der 70er Jahre begann durch den zunehmenden Einsatz gentechnischer Methoden eine Revolution in der Biologie, Medizin und auch auf vielen anderen Gebieten. Die Gentechnik erweiterte das methodische Repertoire der Forscher gewaltig und erlaubte es, völlig neue Fragestellungen anzugehen. Die Methoden, die zunächst nur bei Mikroorganismen angewendet wurden, konnten durch Abwandlungen und viele Tricks auch bei höheren Organismen erfolgreich eingesetzt werden. Der Wissensschub, der daraus resultierte, hat seine Dynamik auch zu Beginn des neuen Jahrhunderts noch lange nicht verloren. Im folgenden sollen einige Beispiele für Einsichten angeführt werden, die wir durch Anwendung der neuen Methoden gewonnen haben.


      In einer lebenden Zelle passieren unüberschaubar viele Dinge parallel. Signale werden mit der Umgebung ausgetauscht, Stoffe werden hin und her transportiert, ab- und aufgebaut, in Wachstum und Energie umgesetzt. Die Gentechnik bietet hier eine phantastische Möglichkeit. Sie erlaubt es, aus diesem scheinbaren Tohuwabohu eine bestimmte Reaktion herauszulösen und einzeln zu untersuchen.

      Ein bestimmtes Protein, das an solchen Reaktionen beteiligt und natürlicherweise nur in Spuren vorhanden ist, kann man nun in großen Mengen herstellen. Das Protein kann dann biochemisch untersucht, seine Struktur aufgeklärt und spezifische Antikörper gegen das Protein können hergestellt werden. Diesen Möglichkeiten verdankt die Wissenschaft eine Vielzahl neuer Informationen.

      Da sich die öffentliche Diskussion hauptsächlich um sichtbare Anwendungen und Produkte der Gentechnik dreht, wird die zentrale Bedeutung der Gentechnik für die Grundlagenforschung in vielen Bereichen häufig übersehen. Gerade hier liegt aber ihre besondere Stärke. Durch die Gentechnik hat es einen enormen Erkenntnisgewinn und einen Schub für biotechnische Anwendungen gegeben.

      Gerade im Hinblick auf Faktoren, die für eine Interaktion von Zellen mit der Umwelt entscheidend sind, hat man viel gelernt. Zellen besitzen auf ihrer Oberfläche Rezeptoren, die durch Bindung bestimmter Moleküle, der sogenannten Liganden, aktiviert werden können. Diese Aktivierung setzt in den Zellen eine Kaskade von Reaktionen in Gang, an denen jeweils unterschiedliche Proteine beteiligt sind.

      Die Gentechnik gestattet es nun, die genetische Information für diese Proteine auf andere Zellen zu übertragen und jedes Protein für sich allein zu studieren. Das gilt prinzipiell für alle biochemischen Reaktionen im Körper. Wir lernen deshalb immer mehr darüber, welche Bedeutung bestimmte Reaktionen haben, welche Stoffe für ihren reibungslosen Ablauf erforderlich sind und was passiert, wenn die normalen Reaktionsfolgen gestört werden.
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      schrieb am 03.10.00 13:33:41
      Beitrag Nr. 39 ()
      Außer Kontrolle

      Einsichten in die Entstehung von Krebs


      Beispielsweise war in der Medizin längst bekannt, dass Krebs durch ein aggressives Wachstum von Zellen entsteht, die sich normalerweise nicht mehr teilen sollten. Es war deshalb naheliegend anzunehmen, dass Krebszellen Defekte in der Regulierung ihres Wachstums aufweisen. Auch war schon früh bekannt, dass bestimmte Krebsarten durch Chemikalien, intensive Strahlung oder Viren hervorgerufen werden können. Doch der genaue Zusammenhang war mit klassischen Methoden nicht zu klären.


      Traurige Statistik: Krebs ist in Deutschland die zweithäufigste Todesursache (Abb. mit freundl. Genehmigung des Robert Koch Instituts)




      Die Anwendung neuer, insbesondere gentechnischer, Methoden hat zum Verständnis dieser Zusammenhänge entscheidend beigetragen. Heute wissen wir, dass Mutationen in bestimmten Genen für das Auftreten von Krebs mit verantwortlich sind. Proteine, die in der Zelle wichtige Aufgaben wahrnehmen, werden durch die Mutationen geschädigt oder in ihrer Funktion verändert. In einigen Fällen sind davon die oben erwähnten Rezeptoren betroffen. Sie signalisieren der Zelle dann fälschlicherweise, dass sie sich beständig teilen soll. Das daraus resultierende ungeregelte Wachstum kennen wir als Krebs.

      Krebs und wie er zustande kommt


      Krebs kann durch ein große Anzahl unterschiedlicher Gendefekte ausgelöst werden. Viele dieser Veränderungen sind heute genau bekannt und können zu diagnostischen Zwecken herangezogen werden. Im Falle des Retinoblastoms, einer seit vielen Jahrhunderten bekannten und tödlich verlaufenden Form von Augenkrebs, konnte man eine bereits länger gehegte Vermutung belegen: die Veranlagung für manche Krebsarten ist vererbbar. Beim Retinoblastom ist das Auftreten des Tumors sehr wahrscheinlich, wenn eine bestimmte genetische Prädisposition gegeben ist. Diese ist besonders einfach nachweisbar, weil sie mit einer Chromosomenumlagerung verknüpft ist und schon unter dem Mikroskop erkennbar wird. Dort, wo mit dem Vorhandensein dieser Veranlagung aus der Familiengeschichte heraus zu rechnen ist, kann daher früh mit einer sorgfältigen Beobachtung der Retina begonnen werden. Während die Krankheit früher mit Sicherheit tödlich verlief, kann sie heute frühzeitig erkannt und das Leben - oft auch das Augenlicht der Patienten - gerettet werden.

      Eine ähnliche Situation ergibt sich im Fall einer Veranlagung für Brustkrebs bei Frauen. Hier konnten Gene identifiziert werden, deren Nachweis ebenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten läßt, dass sich bei den Trägerinnen Brustkrebs entwickeln wird. Leider verfügt die Medizin außer der Möglichkeit zu einer intensiven Vorsorge - wie schon im Falle des Retinoblastoms - noch nicht über echte therapeutische Möglichkeiten. Die diagnostischen Möglichkeiten gehen den therapeutischen hier, wie in vielen anderen Bereichen der Medizin, voran. Mit der Kenntnis um die Ursachen einer Krankheit hat man aber die wesentlichste Voraussetzung für einen rationalen therapeutischen Ansatz geschaffen.

      Ein Bereich, der eng mit dem Krebsgeschehen verknüpft ist, ist die Immunologie. Auch auf diesem Sektor hat es dank der Verfügbarkeit gentechnischer Methoden große Fortschritte gegeben. Dies hat unter anderem damit zu tun, dass man die oben bereits erwähnten Oberflächenstrukturen von Zellen isolieren und einzeln studieren kann. Darüber hinaus hat man sehr viel über die Faktoren gelernt, die auf das Immunsystem stimulierend wirken können. Daraus haben sich neue Ansätze ergeben, die im Kapitel "Neue Therapien" kurz angerissen werden.





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      Updated: September 28, 2000 by ISB
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      Krebs:

      Das Wachstum unserer Körperzellen ist strikt reguliert. Die meisten der ausdifferenzierten Zellen sollen sich nicht mehr weiter teilen. Tun sie das aufgrund eines Fehlers doch, kann Krebs entstehen. Es müssen dazu aber eine ganze Reihe von Veränderungen zusammen kommen. Ein einziger Fehler reicht für die Entstehung von Tumoren wohl nicht aus. Auch ist das Wachstum einer primären Ansammlung von Krebszellen schnell beendet.

      Neuere Untersuchungen belegen, dass jeder älterer Mensch zahlreiche solcher kleinen Tumoren in sich trägt. Diese Herde bleiben aber in einer frühen Entwicklungsphase stehen. Für die Versorgung der Zellen mit Nährstoffen müssen dann erst neue Blutkapillaren gebildet werden. Dieses Signal an die Blutkapillaren ist ein ganz entscheidender Wendepunkt in der Entstehung des Krankheitsbildes. Erst jetzt werden die Zellen des kleinen Tumors ausreichend mit Nährstoffen versorgt und können weiter wachsen.

      Ist dieses Wachstum dann richtig in Gang gekommen, können sich die Tumorzellen vom primären Ort ihrer Entstehung ablösen, an anderen Orten des Körpers ansiedeln und dort weiter teilen. Das sind die gefürchteten Metastasen.

      Heute wissen wir über Krebs und die Mechanismen seiner Entstehung sehr gut Bescheid. Ganz grob kann man Gene unterscheiden, deren Produkte für die Zelle schädlich werden, wenn sie in vermehrter oder veränderter Form vorliegen. Das sind die sogenannten Onkogene. Mindestens ebenso bedeutend sind Gene, deren Produkte einem ungeregelten Wachstum ständig entgegenwirken. In diesen Fällen entsteht Krebs, wenn die entsprechenden Proteine ausfallen. Die korrespondierenden Gene werden daher als Tumor-Suppressor Gene bezeichnet.


      Immer wachsam: Eine Krebszelle wird von Abwehrzellen angegriffen

      Bleiben wir beim ersten Fall. Das Wachstum bestimmter Zellen wird stimuliert, wenn sich Zelltyp-spezifische Wachstumshormone als Liganden an die zuständigen Rezeptoren binden. Dadurch wird der Rezeptor aktiviert und gibt Signale weiter, die letztendlich eine Zellteilung zur Folge haben. Dieser Prozeß ist streng reguliert und an die Bindung des Wachstumshormons gekoppelt. Bestimmte Mutationen im Gen für den Rezeptor haben aber zur Folge, dass ein Rezeptormolekül gebildet wird, das permanent im aktiven Zustand vorliegt. Auch ohne Bindung des Wachstumshormons signalisiert dieser Rezeptor der Zelle also ständig, dass sie sich teilen soll. Damit ist eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung von Krebs gegeben.




      Auch andere Defekte sind heute so genau bekannt, dass sich durch eine Diagnose auf Gen-Ebene sogar Voraussagen über die Schwere und den Verlauf der Krankheit machen lassen.

      In einigen Fällen wird davon gesprochen, dass Krebs erblich ist. Was steckt dahinter? Nach der Befruchtung einer Ei- durch eine Samenzelle ist ein doppelter Chromosomensatz in der befruchteten Eizelle vorhanden. Dieser findet sich später in allen Zellen des Organismus, nur in den Keimzellen nicht, da hier der doppelte Chromosomensatz durch eine besondere Form der Zellteilung wieder halbiert wird. Die normalen Körperzellen aber tragen jedes Gen doppelt in sich, und zwar eine mütterliche und eine väterliche Version. Ausnahmen gelten nur für die geschlechtstypischen Chromosomen X und Y. Sollte daher ein Gen ausfallen, kann das andere seine Funktion mit übernehmen. Natürlich nur, wenn beide Gene von vornherein intakt waren.

      Bei den erblichen Formen von Krebs ist es nun wohl so, dass die mütterliche oder väterliche Version eines wichtigen Gens bereits defekt ist. Demzufolge ist nur noch eine der beiden Ausfertigungen des Gens für die Zelle verfügbar. Daher kann eine Mutation in dieser zweiten Ausfertigung des Gens direkt zur Ausbildung von Krebs beitragen. Ohne diese Vorbelastung müssen innerhalb einer Zelle in beiden Genen gleichzeitig Mutationen auftreten. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist ungleich geringer. Bei genauer Betrachtung wird also nicht Krebs vererbt sondern eine genetische Disposition, die das Auftreten einer Krebserkrankung wahrscheinlicher macht.

      Neue therapeutische Ansätze richten sich heute vor allem gegen bestimmte Strukturen auf den Oberflächen von Krebszellen. Im Produkteil der Broschüre: Ausgewählte Produkte der modernen Biotechnologie findet sich ein Beispiel dafür, das Trastuzumab, das gegen eine bestimmte Form von Brustkrebs eingesetzt werden kann. Krebszellen unterscheiden sich in ihren Oberflächenstrukturen oft deutlich von normalen Zellen.

      Diese Unterschiede können von Antikörpern erkannt und zunächst einmal diagnostisch genutzt werden. Es sind aber auch Strategien entwickelt worden, bei denen die Antikörper Rezeptoren blockieren oder toxische Moleküle gezielt und ausschließlich an Tumorzellen heranführen. Hierfür werden die für Tumorzellen spezifischen OberflächenProteine mit gentechnischen Methoden hergestellt und Mäusen oder Kaninchen appliziert. Diese produzieren gegen die fremden Proteine dann Antikörper und können als Grundlage für die Herstellung Monoklonaler Antikörper (siehe Seite...) genutzt werden. Wie später noch erläutert, werden diese Monoklonalen Antikörper vor einem Einsatz am Menschen dann noch chimärisiert oder humanisiert, um sie verträglicher zu machen.

      Die Antikörper können je nach therapeutischem Ansatz in vitro auch noch mit den Molekülen beladen werden, die die Krebszellen abtöten sollen. Da die Antikörper idealerweise nur an die OberflächenProteine der Krebszellen binden, kommen die zelltoxischen Moleküle nur mit Krebszellen in Berührung und töten nur diese ab. Auch für dieses Prinzip findet sich - in einer leicht abgewandelten Form - ein Beispiel in Produkteil der Broschüre: Ausgewählte Produkte der modernen Biotechnologie, das Denileukin Diftitox. Hier wird das toxische Molekül nicht mit einem Antikörper, sondern mit dem natürlichen Liganden eines Rezeptors auf den Krebszellen verbunden.
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      schrieb am 03.10.00 13:38:48
      Beitrag Nr. 40 ()
      Mit Killerzellen gegen Tumore

      Neue Waffen im Kampf gegen Krebs

      Gerade für die Immunologie hat die moderne Biotechnologie entscheidende Fortschritte gebracht. Die in der Immunologie gewonnenen Erkenntnisse machen nun unter anderem neue Ansätze in der Behandlung von Krebs möglich. Krebszellen werden vom Immunsystem unterschiedlich gut als verändert, als fremd, erkannt.

      Im Krankheitsfall reicht diese Erkennung aber ganz offensichtlich nicht aus, um die Tumorzellen zu eliminieren. Man kann nun dem Immunsystem des Menschen etwas auf die Sprünge helfen. Beispielsweise weiß man, dass Tumorgewebe von bestimmten weißen Blutkörperchen, den Lymphozyten, angegriffen wird. Lymphozyten, die das besonders effizient tun, werden als Tumor-infiltrierende-Lymphozyten (TIL) bezeichnet. Wenn Tumorgewebe aus einem Patienten entfernt wird, dann können aus diesem Gewebe die TILs isoliert und in vitro gezüchtet werden.

      Die wachsenden TILs werden nun mit einem Protein versetzt, das eine stimulierende Wirkung auf die Immunzellen hat. Die Wirkung des Proteins ist mit einem Kommando vergleichbar, das einen Wachhund scharf macht. Zu der Klasse "scharfmachender" Proteine gehören verschiedene Interleukine, vor allem Interleukin-2, aber auch der Faktor GM-CSF und andere. Eine Reihe dieser Stoffe werden heute auch als Medikamente eingesetzt und werden noch vorgestellt. Die behandelten Zellen werden den Patienten reinfundiert. Sie patrouillieren jetzt quasi mit geschärften Sinnen durch den Körper und sie greifen Tumorzellen noch aggressiver an.


      Lebenswichtige Patrouille: Krebszellen können vom Immunsystem erkannt und attackiert werden



      Eine andere Idee geht dahin, die Krebszellen selbst mit einem Alarmsignal auszustatten, damit sie das schlummernde Immunsystem wachrütteln können. Um dies zu erreichen führt man in Krebszellen die Gene ein, deren oben erwähnten Proteinprodukte eine stimulierende Wirkung auf Immunzellen haben. Dadurch macht die Tumorzelle das Immunsystem nachdrücklich auf sich aufmerksam. Den Immunzellen fallen dann auch Unterschiede auf, die sie sonst ignorieren würden (s.a. Krebs, und wie er zustandekommt).

      Natürlich müssen die Krebszellen dazu erst einmal isoliert und dann außerhalb des Körpers gentechnisch mit den entsprechenden Genen versehen werden. Ist das geschehen, werden die Krebszellen durch Bestrahlung abgetötet - man will ausschließen, dass sie im Körper womöglich unkontrolliert zu wachsen beginnen - und den Patienten zurück infundiert.

      In Tierversuchen hat man mit diesem Verfahren bereits ermutigende Resultate erzielt. Offenbar werden diese Krebszellen vom Immunsystem tatsächlich besser erkannt und - nachdem die verräterischen Oberflächenstrukturen erst einmal identifiziert sind - auch verwandte Tumorzellen angegriffen. Besonders fasziniert die Möglichkeit, Metastasen auf diese Art zu bekämpfen. Die meisten Krebspatienten erliegen nicht einem Primärtumor, sondern erst später dessen Metastasen. Ein Erkennen von Tumorzellen durch das Immunsystem würde bedeuten, dass sämtliche von einem bestimmten Tumor abstammenden Zellen überall im Körper aufgespürt und unschädlich gemacht werden können, also auch entstehende Metastasen.



      Ab einer gewissen Größe sind Tumoren von eigenen Blutgefäßen abhängig. Deren Bildung zu verhindern, ist ein neuer therapeutischer Ansatz.






      Einen anderen Ansatzpunkt, diesmal allerdings nicht auf ganzen Zellen basierend, bietet die bereits erwähnte Erkenntnis, dass Tumoren in ihrem Wachstum von der Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen abhängen. Ein entscheidender Schritt des Tumorwachstums, vielleicht der entscheidende überhaupt, ist daher eine Aktivierung von Blutkapillaren, die zum Tumor hin wachsen müssen. Passiert das nicht, bleibt der Tumor klein und erreicht nur eine Größe von 1-2 Kubikmillimetern. Er wird dann meist gar nicht wahrgenommen. Es ist nun gelungen, die Stoffe zu identifizieren, die das Wachstum der Blutkapillaren, die sogenannte Angiogenese, regulieren.

      Im Zusammenhang mit Krebs sind besonders solche Stoffe interessant, die als Inhibitoren des Wachstums wirken und deshalb als Angiogenese-Inhibitoren bezeichnet werden. Rund 20 solcher Inhibitoren befinden sich derzeit in unterschiedlichen Phasen der klinischen Prüfung, fünf davon bereits in der Klinischen Phase III und damit in der letzten Testphase vor der Zulassungsprüfung. Wie immer bei solchen Entwicklungen bleibt abzuwarten, ob sich die großen Hoffnungen, die sich mit ihnen verbinden, auch wirklich erfüllen.



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      Updated: September 28, 2000 by ISB
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      schrieb am 03.10.00 13:48:00
      Beitrag Nr. 41 ()
      Von geizigen Genen und Biochips

      Die Methode des Transcript-Imaging

      Man schätzt heute grob, dass in der Gesamtheit der menschlichen Erbinformation rund 140.000 Gene enthalten sind. Diese sind aber längst nicht alle gleichzeitig aktiv. Die meisten Gene befinden sich quasi im Ruhezustand und stellen ihre Information der Zelle gar nicht zur Verfügung.

      Wir wissen, dass Proteine entstehen, wenn die entsprechende genetische Information aktiviert und in Form der mRNA zu den Ribosomen transportiert wird. Die Art und Zahl der mRNA Moleküle, die in einer Zelle vorhanden sind, können daher etwas über ihren Zustand aussagen. Es sind Verfahren entwickelt worden, um die mRNA Moleküle in einer Zelle nach Art und Anzahl zu erfassen. Damit erfährt man sofort, welche Gene in einer Zelle angeschaltet, und ob sie sehr oder nur wenig aktiv sind.


      "Wie untersucht man Genexpressionsmuster?"

      Es ist der Vergleich von gesunden und kranken Zellen, der das Verfahren besonders interessant macht. Denn erst wenn die Ursachen einer Krankheit bekannt sind, kann man gezielte Schritte gegen sie unternehmen. Wenn ein Mensch krank wird und Fieber hat, können wir zunächst nur versuchen, sein Fieber durch äußerliche Maßnahmen zu senken. Erst wenn wir wissen, wodurch das Fieber ausgelöst wird, können wir auch die Ursache beseitigen.

      Taucht beispielsweise eine bestimmte mRNA in den Zellen eines kranken Menschen nicht mehr auf, dann kann man der Frage nachgehen, welches Gen nicht mehr aktiv ist und welche Aufgabe das zugehörige Protein in der Zelle normalerweise erfüllt. Dies wieder kann mit den Krankheitssymptomen in Verbindung gebracht werden. Hier erweisen sich die im Genom-Projekt ermittelten Daten von großem Wert.

      Diese Daten erlauben die Korrelation von Genen und Funktionen. Die Methode des Transcript Imaging ermittelt dann, welche Gene zu welchem Zeitpunkt angeschaltet sind. In Verbindung mit den Daten aus dem Genom-Projekt kann man ableiten, welche Funktionen der Zelle wann und in welchem Umfang zur Verfügung stehen.

      Neben der direkten Untersuchung von Krankheitsursachen versetzt uns das Transcript Imaging auch in die Lage, Unterschiede zwischen verschiedenartig spezialisierten Zellen zu erkennen. Es ist nicht überraschend, dass in einer Leberzelle andere Gene aktiv sind als in einer Hautzelle. Die Zellen haben zwar dieselbe genetische Ausstattung, müssen aber völlig andere Aufgaben erfüllen. Sie erreichen dies, indem sie jeweils andere Gene aktivieren. Gerade die unterschiedliche Aktivität der Gene ist es, die den einen Zelltyp vom anderen unterscheidet.

      Das Transcript Imaging gestattet es jetzt, der Spezialisierung einzelner Zelltypen auf die Spur zu kommen. Einen eleganten Weg, die Expression vieler Gene gleichzeitig zu verfolgen, bieten die sogenannten DNA-Chips, die gelegentlich auch als Biochips bezeichnet werden. Als Appetithäppchen eignen sie sich aber keineswegs.


      DNA-Chips
      Genexpressionsanalyse


      Die Chip-Technik bringt es auf den Punkt. Die Aktivität Tausender Gene kann gleichzeitig gemessen werden.




      Bei DNA-Chips, die im Jargon gelegentlich auch als Biochips bezeichnet werden, handelt es sich um kleine Plättchen aus einem Trägermaterial wie Glas oder Kunststoff, auf die in einer Punktraster-Anordnung viele verschiedene DNA-Oligonucleotide mit bekannten Sequenzen fixiert wurden.

      Die Herstellungsverfahren ähneln nicht ganz zufällig der Produktion von Halbleiterchips für die Mikroelektronik. Man nutzt auch hier fotolithografische Verfahren, um an exakten Positionen auf dem Chip einzelsträngige DNA-Sequenzen durch lichtgesteuerte Kupplungsreaktionen aufzubauen. Am Ende enthält jede Position rund 10 Mio. Moleküle des jeweiligen Oligonucleotids. Alternativ dazu wird eine ähnliche Technik wie beim Tintenstrahldrucker eingesetzt, um winzige Tröpfchen der zur Oligonucleotidsynthese benötigten Reaktionslösungen auf kleinste Flächen zu dosieren.

      Anfang 2000 waren DNA-Chips erhältlich, auf denen 64000 verschiedene DNA-Oligonucleotide auf einer Fläche von 1,28 x 1,28 cm2 untergebracht sind.

      Schon bald nachdem man 1996 das Genom der Bäckerhefe entschlüsselt hatte, dienten diese Informationen zur Herstellung des "Hefe-Genchips". Er enthielt die Sequenzmotive von 6116 Hefegenen, angeordnet als mikroskopisches Punktraster auf einer Fläche von 18mm x 18mm (s. Abb.). Will man nun wissen, welche Gene in einem bestimmten Zustand der Hefezelle aktiv sind, macht man folgendes: Man isoliert die mRNA, markiert sie mit einem fluoreszierenden Farbstoff und gibt sie auf den Chip. Da sich die mRNA oft schwer handhaben läßt, wird in der Praxis üblicherweise die entsprechende farbstoffmarkierte cDNA, also exakte DNA-Kopien der mRNA-Moleküle, verwendet. Am Prinzip des Experiments ändert sich dadurch aber nichts.

      Auf dem Chip binden sich die verschiedenen - jeweils einzelsträngigen - cDNA-Moleküle gemäß den Hybridisierungsregeln spezifisch an die fixierten Oligonucleotide. Bei geeigneter Belichtung erscheint ein charakteristisches Muster von farbig leuchtenden Punkten, dem sich über die bekannten Sequenzen der Oligonucleotide an den entsprechenden Positionen entnehmen läßt, welche Gene "angeschaltet" waren (s. Abb.).



      Kranke und gesunde Zellen unterscheiden sich in der Aktivität ihrer Gene. Diese Unterschiede können mit Fluoreszenzfarbstofffarbstoffen sichtbar gemacht werden.

      Gibt man die andersfarbig markierte cDNA eines anderen Zellzustands hinzu, erhält man ein weiteres Punktmuster, das die Genaktivität dieses Zustands wiederspiegelt. Der Unterschied zwischen beiden Zellzuständen ist auf einen Blick zu sehen. Im obenstehenden Bild ist das für die Genaktivitäten von Hefezellen bei Glucosemangel (rote Punkte) und bei ausreichender Glucoseversorgung (grüne Punkte) wiedergegeben. Man sieht sehr schön, dass in beiden Zuständen ganz verschiedene Gengruppen "eingeschaltet" werden. Auch die Gene, die in beiden Zuständen aktiv sind, sind gut erkennbar. Sie erscheinen als gelbe Punkte, da Gelb die Mischfarbe aus rotem und grünem Licht ist.

      Wegen solcher Informationen wurden DNA-Chips zu wertvollen Werkzeugen der molekularbiologischen Grundlagenforschung, z.B. um das Zusammenspiel der Gene in den aktiven Stoffwechselwegen in unterschiedlichen Zellstadien aufzuklären. Auch der Stoffwechsel einfachster Organismen ist ein kompliziertes Netzwerk von enzymatischen Reaktionen, die über zahllose Zwischenprodukte (Metabolite) miteinander verknüpft sind (s. Abb. Schema). Je nach physiologischem Zustand werden unterschiedliche Stoffwechselwege benötigt, wobei die entsprechenden Sätze von Genen aktiv werden. Die Aufklärung eines solchen Metabolischen Netzwerks ist naturgemäß schwierig.

      Mühsam mussten in der Vergangenheit einzelne Enzyme bzw. deren Gene gesucht werden, die eine Rolle im betreffenden Zustand spielten. Dank der DNA-Chips erhält man nun ganze Sätze von in Frage kommenden Kandidaten, wodurch sich die Untersuchungen stark beschleunigen.

      Einen grossen Impuls verspricht die Biochip-Technologie für die Antiinfektivaforschung. Untersucht man auf die geschilderte Weise zwei eng verwandte Mikroorganismenstämme - der eine pathogen, der andere nicht-pathogen - erhält man wertvolle Hinweise auf Gene bzw. Proteine, die für den pathogenen Stamm charakteristisch und möglicherweise essentiell sind. Sie sind dann heisse Kandidaten für die Suche nach neuen Ansatzpunkten für antibiotische Wirkstoffe. Unter diesen Genen befinden sich sehr wahrscheinlich auch Gene, die für den Infektionsprozess benötigt werden.

      Kennt man sie, lässt sich daraus auch vieles über die Mechanismen der Infektionen lernen und es können weitere Achillesfersen der Krankheitserreger entdeckt werden.

      Für die mikrobielle Diagnostik sind DNA-Chips bereits verfügbar. Die hier verwendeten Chips tragen Oligonucleotide, die charakteristische DNA-Fragmente von pathogenen Keimen repräsentieren und sich deswegen zum spezifischen Nachweis dieser Mikroorganismen aus Lebensmitteln, Abwasser oder Gewebeproben eignen. Ihr grosser Vorteil ist die im Vergleich zu traditionellen Methoden kurze Frist, in der das Untersuchungsergebnis vorliegt.

      Die gleichzeitige Erfassung tausender charakteristischer Gene erlaubt auch die Präzisierung medizinischer Befunde. So wurde ein Chip entwickelt, der 18000 verschiedene Varianten von Tumorgenen repräsentiert. Er erlaubt es, zwei sehr ähnliche Formen des B-Zell-Lymphoms, einer schweren Krebserkrankung, aufgrund ihrer verschiedenen Genaktivitätsmuster zu unterscheiden. Dabei stellte sich heraus, dass eine Form der Krankheit, die rund zwei Fünftel der Fälle ausmacht, auf zytostatische Chemotherapie anspricht, die andere Variante dagegen nicht.

      Je mehr genetische Informationen aus den Genomprojekten gewonnen werden, desto mehr spezielle Chipanwendungen werden denkbar. Fast täglich findet man neue Belege, dass kleine Abweichungen in einzelnen DNA-Basenpaaren für das Zustandekommen von vielen Krankheitsbildern verantwortlich sind. Diese sogenannten Einzel-Nucleotid-Polymorphismen (engl. single nucleotide polymorphisms, SNPs) tauchen im ganzen Genom je nach Region in Abständen von 100-2000 Basenpaaren auf. Für die schnelle Diagnose solcher individuellen "Krankheitsvarianten" bieten sich DNA-Chips geradezu an. Hier verwendet man Chips, die alle Kombinationen eines bestimmten Oligonucleotids repräsentieren. Bei einer vorgegebenen Länge von beispielsweise acht Nucleotiden, sogenannten Octameren, erhält man theoretisch 48 = 65536 verschiedene Varianten. Das ist eine Zahl von Oligonucleotiden, die sich noch gut auf einem Chip unterbringen läßt. Da alle theoretisch möglichen Octamere auf dem Chip vorhanden sind, läßt sich prinzipiell die komplette mRNA-Population entsprechend der darin vorkommenden 8er-Sequenzen auftrennen. Kleine Abweichungen zwischen zwei Individuen werden dann anhand der charakteristischen Unterschiede in den Hybridisierungsmustern erkennbar.

      Mögliche Korrelationen der individuellen Polymorphismen-Muster mit der variierenden Wirksamkeit und Verträglichkeit von Medikamenten sollen nach den Vorstellungen der Genomforscher Informationen für "individualisierte Therapien" liefern.

      Durch die genaue Kenntnis wichtiger Polymorphismen eines Patienten soll es in Zukunft möglich sein, sofort die individuell wirksamste Behandlung zu beginnen, anstatt mit weniger geeigneten oder ineffizienten Verfahren wertvolle Zeit zu verlieren. Diese Forschungsrichtung, in der Genomforschung, molekulare Diagnostik und Pharmazeutische Forschung zusammenfliessen, nennt sich PharmacoGenomics. Der britische Wellcome Trust und zehn große internationale Pharmafirmen beschlossen 1999, gemeinsam nach SNPs im HumanGenom zu suchen. Dazu ist ein SNP-Konsortium mit der Zentrale in Chicago gegründet worden. Die SNP-Daten werden in öffentlichen Datenbanken publiziert.





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      Updated: September 28, 2000 by ISB
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      schrieb am 03.10.00 14:18:11
      Beitrag Nr. 42 ()
      Vom Genom zum Proteom

      Proteine sind die Aktivisten der Zelle

      Für das Geschehen in einer Zelle ist die Aktivität der Gene zwar charakteristisch und notwendig, aber nicht hinreichend. Proteine sind die eigentlichen Träger der im Genom festgelegten Zellfunktionen. Um die komplexen zellulären Vorgänge völlig verstehen zu können, muß man daher die Gesamtheit der vorhandenen Proteine erfassen und analysieren. Dabei müssen letztlich die zahllosen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Proteinen entwirrt werden.


      Proteine sind äußerst vielseitige Makromoleküle. Hier das Enzym Subtilisin, ein eiweissspaltendes Enzym.




      Die Gesamtheit der exprimierten Proteine einer Zelle bezeichnet man übrigens als Proteom - in Analogie zum Genom als der Gesamtheit des Erbguts. Zwischen Genom und Proteom bestehen in der Tat große Unterschiede was die Art der Informationen betrifft. Zum Beispiel gibt es nur schwache Korrelationen von mRNA- und Protein-Expressionsmustern. Quantitative Änderungen der mRNA-Transkription korrelieren allenfalls zu 50% mit der Proteinbildung, was bedeutet, dass Analysen auf der mRNA-Ebene nur unvollständig Auskunft über zelluläre Prozesse geben.

      Auch besteht nur selten ein 1:1-Verhältnis von Genen und Proteinen. Bei der Hefe etwa, gibt es zu jedem Gen im Durchschnitt drei veschiedene Proteinprodukte. Das kann daran liegen, dass mehrere Proteine innerhalb eines "offenen Leserahmens, (ORF)" codiert sind oder dass aus einer exprimierten Proteinkette durch nachträgliche Spaltung mehrere funktionale Proteine entstehen, was man an der zugehörigen DNA-Sequenz nicht leicht erkennen kann. Zudem wird bei höheren Organismen die Funktion vieler Proteine durch enzymatische Veränderungen nach der Translation entscheidend beeinflußt. Beim Menschen schätzt man bis zu zehn unterscheidbare, jeweils anders modifizierte Proteine pro Gen.


      "Wie untersucht man Proteinexpressionsmuster?"

      In der Proteomforschung (engl. Proteomics) untersuchen Wissenschaftler systematisch die Proteinexpressionsmuster von verschiedenen Zellzuständen. Durch den Vergleich der Muster erfahren sie, welche Eiweisse in welchem Zustand vorhanden sind und in welchem sie fehlen. Für die Pharmaforschung sind solche Hinweise sehr wertvoll geworden: Wenn man z.B. die Eiweisse kennt, die nach der Zugabe eines Wirkstoffs von der Zelle gebildet werden, kann man herausfinden, wodurch die Wirkung zustandekommt und mit diesen Informationen möglicherweise bessere Wirkstoffe entwickeln.

      In der Grundlagenforschung sind die neuen Methoden bereits unverzichtbar geworden. Denn die ungeheure Komplexität der Zellfunktionen läßt sich nur verstehen, wenn man Methoden einsetzt, die viele Informationen gleichzeitig liefern. Deshalb ergänzen sich Genomforschung, Genexpressionsanalyse und Proteomics ideal bei der Erforschung der Zellvorgänge auf verschiedenen Ebenen der Zellorganisation.
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      schrieb am 03.10.00 14:25:19
      Beitrag Nr. 43 ()
      Die Gleichheit der Gene

      transgene Tiere als Krankheitsmodelle

      Die Ergebnisse aus dem Genom-Projekt und aus dem Transcript Imaging sind zunächst theoretisch und müssen in der Praxis überprüft werden. Hier erweist es sich als günstig, dass bei Säugetieren die Gene mit gleicher Funktion sehr ähnliche Sequenzen haben. Daher kann man verwandte Gene relativ einfach identifizieren. Wenn ein menschliches Gen bekannt ist, dann kann man also recht schnell auch das entsprechende Gen in der Maus finden.

      Gentechnische Methoden wurden schon zu Beginn der 80er Jahre benutzt, um fremde DNA in Mäusen zu exprimieren (siehe auch das Kapitel Vom Farmer zum Pharmer über transgene Tiere). Im weiteren Verlauf der Arbeiten wurden Verfahren entwickelt, mit denen in transgenen Mäusen Gene gezielt inaktiviert werden können.

      Dies ermöglicht es heute in der Maus genau das Gen auszuschalten, dessen Analog beim Menschen im Transcript Imaging aufgefallen ist. transgene Mäuse erlauben es daher, die Auswirkungen dieser Inaktivierung zu studieren und zu untersuchen, ob dadurch Symptome ähnlich der menschlichen Krankheit ausgelöst werden. Wenn das der Fall ist, kann man an den transgenen Mäusen die Wirkung von Substanzen testen, die als Therapeutika für das menschliche Leiden in Frage kommen. Gerade für die medizinische Grundlagenforschung sind solche Versuche unverzichtbar.


      Verhelfen zum Durchblick: Auch Zebrafische gewinnen für das Studium von Krankheiten immer mehr Bedeutung.




      Aber auch ganz ohne die Verbindung zum Transcript Imaging sind transgene Mäuse als Krankheitsmodelle einsetzbar. Das bekannteste Beispiel ist wohl die Onkomaus, die man ebenso lax auch als Harvard-Maus bezeichnet. Hintergrund für die Namensgebungen ist die Tatsache, dass von der Harvard-Universität ein Patent für die Herstellung von Mäusen angemeldet worden ist, welche nach Einführung menschlicher Onkogene schon früh in ihrem Leben Krebs entwickeln. Mittlerweile sind viele verschiedene menschliche Onkogene in Mäuse eingeführt worden und führen bei diesen zur Ausbildung unterschiedlicher Arten von Tumoren. An diesen Mäusen kann man nun grundlegende Untersuchungen durchführen und studieren, ob potentielle Medikamente eine Wirkung haben. transgene Mäuse sind deshalb hervorragende Modelle, wenn nach neuen Medikamenten gegen Krebserkrankungen gesucht wird.

      Mäuse bieten den großen Vorteil, dass man durch Einführung der Gene in Inzucht-Stämme Tiere erhalten kann, deren genetischer Hintergrund weitestgehend gleich ist. Das erleichtert die Auswertung von Versuchen ganz erheblich. Bereits heute stehen eine Vielzahl transgener Maus-Linien bereit, um unterschiedliche Krankheiten zu untersuchen und potentielle Medikamente auszutesten. Besonders interessant sind dabei Stämme, die Symptome einer menschlichen Krankheit entwickeln, für die es im Tierreich sonst keine bekannte Entsprechung gibt. In den vergangenen Jahren haben sich bereits einzelne Firmen darauf spezialisiert, solche transgenen Mauslinien zu entwickeln.


      Mäuse eigen sich besonders gut für die Suche nach menschlichen "Krankheitsgenen", da sie viele Gene mit dem Menschen gemeinsam haben





      Nicht nur Mäuse, auch eine ganze Reihe anderer Tiere werden für die Untersuchung und Entwicklung neuer Medikamente herangezogen. Das Schlagwort heißt hier Target-Validierung. Damit ist gemeint, dass die vielen neuen Angriffspunkte für potentielle Medikamente auf ihre tatsächliche Eignung hin überprüft werden müssen. Darauf wurde zu Beginn des Kapitels schon hingewiesen.

      Die neuen Angriffspunkte, die im wissenschaftlichen Jargon als Targets bezeichnet werden, ergeben sich vor allem aus den Daten der Genomprojekte. Es sei an dieser Stelle auch erwähnt, dass sämtliche bis zum Jahr 2000 verfügbaren Medikamente gegen eine nur recht geringe Zahl molekularer Angriffspunkte gerichtet waren. Man schätzt diese Zahl auf rund 500. Die Fachleute gehen nun davon aus, dass die Erkenntnisse der Genomforschung bis zu 10.000 neuer solcher Targets liefern werden. Es ist deshalb von entscheidender Bedeutung, schon früh die richtigen, für die Wirkung eines zu entwickelnden Medikaments optimalen, Targets zu identifizieren. Dazu werden entsprechende Tiermodelle entwickelt, die dem Stoffwechsel des Menschen möglichst nahe kommen sollen.
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      schrieb am 03.10.00 14:41:38
      Beitrag Nr. 44 ()
      Immer eine Nasenlänge voraus?

      Der Wettlauf mit pathogenen Keimen

      Seit der Mensch seine Leiden zu lindern oder zu heilen versucht, bedient er sich dazu der Mittel, die ihm die Natur zur Verfügung stellt. Beispiele sind uns allen bekannt und schließen Pflanzenextrakte ebenso ein wie das Penicillin. Die moderne Wissenschaft hat Wirkkomponenten isoliert, analysiert und in reiner Form als pharmazeutische Wirkstoffe zur Verfügung gestellt. Die resultierenden Medikamente werden heute erfolgreich gegen eine breite Palette menschlicher und tierischer Erkrankungen eingesetzt.


      Kolonien von Antibiotika-produzierenden Pilzen oder anderen Mikroorganismen (dunkle Kreise) zeigen auf Nährmedien, in denen gegen das Antibiotikum empfindliche Bakterien heranwachsen, sogenannte "Hemmhöfe". Ausserhalb dieser Zonen ist die Antibiotikakonzentration so gering, dass die Bakterien wachsen können und das sonst durchsichtige Medium trüben.





      Wir machen uns nur noch selten bewußt, dass uns dieses Arsenal an Medikamenten erst seit relativ kurzer Zeit zur Verfügung steht. Wer denkt heute schon daran, dass noch in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts eine Wundinfektion häufig zu Amputationen oder zum Tode führte. Die durch eine offene Wunde in den Körper eindringenden Mikroorganismen konnten nicht beherrscht werden. Man mußte der Ausbreitung von Infektionen oft hilflos zusehen. Erst mit der Entdeckung der Antibiotika bekam man die Möglichkeit, wirkungsvoll gegen solche Infektionen anzugehen.

      Die eher zufällige Beobachtung, dass Bakterien im Umkreis mancher Pilze nicht wachsen können, hat eine kaum zu schätzende Anzahl von Menschenleben gerettet. Heute ist uns das bereits so selbstverständlich, dass wir buchstäblich keinen Gedanken mehr daran verschwenden.


      Exkurs: Naturstoffe, Gentechnik und Kombinatorische Chemie

      Bei der Entwicklung von Antibiotika hat man sich zunächst ganz auf die Natur verlassen. In umfangreichen Screeningprogrammen wurde und wird nach natürlichen Quellen für antibiotisch wirksame Substanzen gefahndet. Hier begegnen uns freundliche Mikroorganismen, von denen - aus bislang nicht vollständig verstandenen Gründen - solche Substanzen produziert werden. Aber auch Pflanzen oder Tiere kommen als potentielle Quellen in Frage. Heute dehnt man die Suche vor allen Dingen auf Mikroorganismen aus, die ungewöhnliche Standorte besiedelt haben. Dazu gehören z. B. solche, die sehr hohe Temperaturen oder Drücke aushalten können.

      Auch die synthetische Chemie hat sich schon früh als hilfreich erwiesen. Aufbauend auf Strukturen der natürlichen Antibiotika hat man neue Strukturen hergestellt oder natürliche Strukturen abgeändert. Gerade die semisynthetischen Antibiotika, in denen die natürlichen Strukturen chemisch abgeändert werden, waren und sind noch sehr erfolgreich.


      Kampf im Verborgenen: Influenza-Viren haben sich an die Oberfläche einer Zelle angeheftet




      Gentechnische Methoden eröffnen ganz neue Ansatzpunkte. In den letzten Jahren konnten die Gene, die für die Synthese einzelner Antibiotika verantwortlich sind, großenteils kloniert werden. Daher ist man jetzt in der Lage, die unterschiedlichen Syntheseschritte durch Austausch von einzelnen Genen miteinander zu kombinieren. Das ermöglicht - zumindest in der Theorie - Synthesen, die ein Chemiker selbst mit den modernsten Methoden nicht in sinnvollen Ausbeuten hinbekommt. Allerdings sind auch die Ausbeuten bei den gentechnischen Ansätzen meist noch unbefriedigend. Hier ist noch eine Menge Arbeit erforderlich.

      Durch Anwendung gentechnischer Methoden gewinnt man auch ein besseres Verständnis pathogener Mikroorganismen und erkennt die "Schwachstellen" dieser Mikroorganismen besser. Vor allem die Daten aus den Genomprojekten werden uns hier noch viele Erkenntnisse liefern. Das erlaubt den Aufbau von Testsystemen, durch die neue und besonders wirksame Antibiotika gefunden werden können. Man kann auch abschätzen, ob ein Mikroorganismus gegen die Wirkung eines neuen Antibiotikums rasch resistent werden kann. Natürlich wird man bevorzugt Antibiotika entwickeln, bei denen das nicht der Fall ist.

      Exkurs: Influenza-Viren und Infektionskrankheiten

      Auch an anderer Stelle wirkt die Gentechnik quasi im Verborgenen. Jedes Jahr werden Stämme von Influenza-Viren, die uns mit steter Regelmäßigkeit heimsuchen und zu mehr oder minder schweren Grippefällen führen können, genauestens untersucht. Die Wissenschaftler entscheiden dann, ob es sich bei den immer wieder veränderten Influenza-Stämmen um solche handelt, die das menschliche Immunsystem bereits kennen sollte, oder um neue. Im letzteren Falle würde man schleunigst daran gehen, einen Impfstoff herzustellen. Bei der Klassifizierung der Influenza-Viren greifen die Wissenschaftler heute auch auf die Methode des genetischen Fingerabdrucks zurück, die wir an anderer Stelle noch etwas genauer kennenlernen werden





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      schrieb am 03.10.00 16:25:45
      !
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      schrieb am 03.10.00 16:29:45
      Beitrag Nr. 46 ()
      Heilen mit Genen

      Die Somatische Gentherapie

      Der letzte Satz des vorangegangene Kapitels könnte sehr wohl auch das aktuelle einleiten. Anfang der 90er Jahre machte ein neues Verfahren von sich reden: die Somatische Gentherapie. Das Verfahren folgte der Überlegung, dass es besser ist ein Übel an der Wurzel zu packen als ständig nur die Symptome zu kurieren. Die Somatische Gentherapie kann prinzipiell dort eingesetzt werden, wo eine Krankheit auf einem singulären Gendefekt beruht. Bei einer besonders schweren Form der Immunschwäche gehen beispielsweise weiße Blutkörperchen zugrunde, weil den Zellen ein bestimmtes Enzym, die Adenosin-Desaminase (ADA), fehlt. Mit dem Ausfall der weißen Blutkörperchen bricht der Schutzwall des Körpers gegen Mikroorganismen zusammen. Die Patienten haben normalerweise keine Überlebenschancen und sterben schon sehr früh an Infektionen. Die Krankheit ist sehr selten.


      Bubble boy: Beim völligen Versagen des Immunsystems kann jede Infektion tödlich sein. Die Patienten müssen gegen die Außenwelt abgeschirmt werden.

      In den 70er Jahren gingen Bilder des sogenannten "Bubble Boy" um die Welt, eines Jungen, der an dieser schweren Immunschwäche litt und in einem keimfreien Zelt von der Umwelt abgeschirmt werden mußte. Er starb trotz dieser Maßnahmen schon früh. Im Lauf der Zeit lernte man, das fehlende Enzym zu reinigen und den Patienten zu applizieren. Damit ließen sich die Überlebenschancen und die Lebensqualität für die Patienten deutlich verbessern.

      Die Methoden der Gentechnik zeigten, dass die genetische Information für das Enzym ADA bei den Patienten fehlerhaft war. Da die Krankheit offenbar allein durch diesen Fehler verursacht wurde, sahen die Mediziner eine neue, faszinierende Möglichkeit der Behandlung. Könnte es möglich sein, die intakte genetische Information für das Enzym in die entsprechenden Zellen der Patienten einzubringen? Diese müßten dann ja eigentlich auch wieder in der Lage sein, das intakte Enzym zu produzieren und der Patient dadurch gesunden.

      Diese Möglichkeit wurde in den USA konsequent untersucht. Die erforderlichen Techniken waren dank jahrelanger Forschung auf unterschiedlichen Gebieten verfügbar. So wurden einer jungen Patientin Blutzellen entnommen und außerhalb ihres Körpers mit den Methoden der Zellkultur vermehrt. In diese Zellen wurde dann das zuvor isolierte, intakte Gen für das Enzym ADA eingebracht. Nach vielen Arbeitsschritten standen genügend veränderte Zellen zur Verfügung, um sie der Patientin wieder zurückzugeben. Diese überstand die ganze Prozedur problemlos und ihr Gesundheitszustand verbesserte sich.

      Somatische Gentherapie in der Diskussion

      Wegen der großen Hoffnungen, die sich an das neue Verfahren generell knüpften, wurden schon sehr schnell auch Versuche mit Patienten durchgeführt, die an Krebs, Cystischer Fibrose oder anderen Krankheiten litten. Völlig neue Strategien im Kampf gegen diese Krankheiten zeichneten sich ab. Die Forscherteams wurden von Patienten, die von der neuen Methode profitieren wollten, geradezu bestürmt. Doch die Ergebnisse waren ernüchternd.


      Das Prinzip der somatischen in vitro-Gentherapie: Den Patienten werden Zellen entnommen, gentechnisch verändert und zurückgegeben. Beim nicht dargestellten in vivo-Verfahren werden die Zellen direkt im Körper des Patienten gentechnisch verändert




      Es hat sich gezeigt, dass noch zu viele Fragen ungeklärt sind. Der Schritt in die klinische Praxis hat Erwartungen geweckt, die von dieser jungen Methode noch nicht erfüllt werden können. Die vorhandenen methodischen Instrumente sind längst noch nicht ausreichend und es muß sicher noch viel grundlegende Arbeit in das Verfahren investiert werden.

      Durch die schnelle Anwendung am Patienten wird leicht verkannt, dass die routinemäßige Durchführung gentherapeutischer Verfahren noch eine ganze Reihe von Jahren auf sich warten lassen wird. Andererseits zeichnet sich immer wieder ab, dass die Methode in bestimmten Bereichen erfolgversprechend eingesetzt werden kann. Beispiele dafür finden sich im Bereich der Herzerkrankungen, wo nach Ballondilatationen die Restenose, also das Wiederverschließen der Blutgefäße an der gleichen Stelle, verhindert werden soll.

      Die Hoffnung, dass die Somatische Gentherapie das medizinische Parkett im Sturm erobern würde, hat sich also zunächst einmal nicht erfüllt. Doch denken wir einfach an die Entwicklung der Organtransplantation zurück. Erinnern wir uns daran, dass viele Jahre und Jahrzehnte vergingen, bevor die heute üblichen hohen Erfolgsquoten erreicht waren. Mit Blick auf die Somatische Gentherapie darf man die Hoffnung hegen, dass sie schon in bedeutend kürzerer Zeit ihren Platz in der Medizin finden wird. Doch wird noch viel Arbeit erforderlich sein. Es zeichnet sich aber nicht nur für notorische Optimisten ab, dass dieses elegante Verfahren zukünftig eine wichtige Bereicherung in unserem medizinischen Repertoire sein wird.



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      schrieb am 03.10.00 16:33:59
      Beitrag Nr. 47 ()
      Schnell und präzise

      Die Möglichkeiten der genetischen Diagnostik

      Die genetische Diagnostik beginnt mit der mikroskopischen Betrachtung von Chromosomen. Veränderungen in Anzahl oder Gestalt der Chromosomen können den Verdacht nahelegen, dass ein bestimmter Defekt zur Ausprägung kommen wird. Ein bekannter Fall ist die Trisomie 21, bei der eine zusätzliche Kopie von Chromosom 21 in den Zellen vorhanden ist. Die Folge ist das Down Syndrom, das auch unter dem Namen Mongolismus bekannt ist. Aber schon das Fehlen oder der Austausch von Chromosomenteilen kann unter dem Mikroskop erkannt und mit bestimmten Krankheiten in Verbindung gebracht werden.

      Down Syndrom: Die paarweise Sortierung der väterlichen und mütterlichen Chromosomen weist die Trisomie 21 nach, bei der die Zellen ein zusätzliches Chromosom 21 enthalten




      In molekulare Dimensionen stößt man vor, wenn eine Krankheit an eine leicht nachweisbare Veränderung auf DNA-Ebene gekoppelt ist. Bei solchen leicht nachweisbaren Veränderungen handelt es sich zum Beispiel um das Fehlen einer Schnittstelle für ein Restriktionsenzym. Eine derartige Veränderung tritt in der DNA recht häufig auf und ist tatsächlich einfach zu detektieren.

      Rein zufällig kann eine derartige Veränderung mit dem Auftreten einer bestimmten Krankheit korreliert sein. Genetisch gesprochen: Zwei Mutationen sind unabhängig voneinander entstanden, die eine führt zum Auftreten der Krankheit, die andere zum Fehlen der Restriktionsschnittstelle. Beide Mutationen liegen auf der DNA nicht allzuweit voneinander entfernt. Daher werden sie fast immer gemeinsam vererbt. Man kann aus dem leicht nachweisbaren Fehlen der Restriktionsschnittstelle deshalb indirekt auf das Vorliegen der Krankheit schließen. Allerdings kann die Restriktionsschnittstelle vom Gen, das die Krankheit verursacht, durch sogenannte Rekombinationsereignisse getrennt werden.

      Je weiter das interessierende Gen und die Restriktionsschnittstelle auseinander liegen, desto häufiger wird das geschehen. Die Aussage ist daher immer mit einiger Unsicherheit behaftet. Die Unterschiede in der Anzahl von Schnittstellen für RestriktionsEnzyme werden ziemlich umständlich als Restriktionsfragment-Längen-Polymorphismen bezeichnet und mit RFLP abgekürzt.

      Die DNA Analyse gestattet aber noch sehr viel genauere Aussagen. Das menschliche Genom besteht, so schätzt man, aus etwa 3 Milliarden Basenpaaren. Rund 140.000 Gene sollen in der gesamten DNA verschlüsselt sein, wobei noch nicht einmal 10% der insgesamt vorhandenen Basenpaare für die Speicherung der genetischen Information genutzt werden. Welche Funktion die Hauptmasse der Basenpaare eigentlich hat, weiß man heute noch gar nicht. Wenn das Humane Genomprojekt beendet sein wird, ist man vielleicht schlauer.

      Trotz der immens großen und auf den ersten Blick unüberschaubaren Zahl von Nukleotiden im menschlichen Genom kann man heute detaillierte Analysen durchführen. Denn man kann bekannte, kurze DNA-Sequenzen im Genom genau identifizieren. Das Prinzip ist verblüffend einfach. Man benutzt dazu sogenannte DNA-Sonden.

      Zunächst erscheint es fast unmöglich, aus 3 Milliarden Basenpaaren eine Abfolge von beispielsweise nur etwa 20 gezielt herauszufinden. Der Vergleich mit der Nadel im Heuhaufen drängt sich auf, nur dass es diesmal eine Nadel in einem riesigen Haufen anderer Nadeln ist. Doch denken wir einmal an das Modell der DNA zurück. Da vier verschiedene Nukleotide vorhanden sind, ergeben sich für eine definierte Position in der Nukleotidkette statistisch vier Möglichkeiten dafür, wie sie besetzt sein kann. Bei zwei aufeinanderfolgenden Positionen ergeben sich bereits 16 Möglichkeiten der Anordnung - das folgt einfach aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung durch die Multiplikation von 4 mit 4. Man kann das selbst überprüfen, indem man sich die Kombinationen nebeneinander schreibt.

      Bei 3 Positionen ist man bereits bei 64 Möglichkeiten angekommen. Manch einer wird sich an die Geschichte mit dem Schachbrett und den Reiskörnern erinnert fühlen, obwohl die zugrunde liegende Mathematik etwas unterschiedlich ist. Die Eigenschaft, in wenigen Schritten zu astronomischen Zahlen zu gelangen, ist beiden gemeinsam. Für eine Länge von 20 Nukleotiden in der DNA ergeben sich bereits mehr als eine Billion Möglichkeiten der Anordnung. Dagegen erscheint selbst die zunächst riesige Zahl von 3 Milliarden klein. Und das bedeutet rein rechnerisch, dass eine definierte Abfolge von 20 Nukleotiden in der Gesamtheit der menschlichen DNA ein Unikat sein kann. Und dank dieser Einmaligkeit kann man eine solche Abfolge auch aufspüren.

      Tatsächlich ist dieses kurz angerissene Prinzip die Grundlage vieler wichtiger Verfahren in der Gentechnik. Das gezielte Auffinden von Genen aus Genbanken ist dabei sicher eines der wichtigsten. Voraussetzung ist immer, dass man eine Vorstellung von der gesuchten Zielsequenz hat. Man kann dann diese Sequenz chemisch synthetisieren, mit einem Marker versehen und mit der zu untersuchenden DNA reagieren lassen. Eine Bindung wird nur erfolgen, wenn die gesuchte Zielsequenz vorhanden ist. Die einzelsträngige Sonde bindet sich dann nach dem Komplementaritätsprinzip an den Zielstrang.

      Die Methode ist zu einer solchen Perfektion entwickelt worden, dass man in der Abfolge von 20 Nukleotiden sogar erkennen kann, ob es an einer Position innerhalb der Abfolge eine Änderung gegeben hat. Eine solche Änderung, bei der es sich um eine klassische Mutation handeln würde, kann ja dramatische Konsequenzen haben. Wie bereits beschrieben wurde, kann ein einziger solcher Austausch den Unterschied zwischen dem normalen Wachstum einer Zelle oder Krebs bedeuten. Und genau diesen Unterschied kann man mittels genetischer Diagnosen feststellen.

      Das Verfahren der genetischen Diagnose kommt dabei mit sehr geringen Mengen an Ausgangs-DNA aus. Diese Tatsache ist nicht selbstverständlich sondern geht auf die Entwicklung der Polymerase-Ketten-Reaktion zurück. Die Methode wird international als PCR bezeichnet. Sie erlaubt es, eine bekannte DNA-Zielsequenz millionenfach anzureichern. Durch diesen Kunstgriff werden viele Anwendungen der modernen Diagnostik überhaupt erst möglich.
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      schrieb am 03.10.00 16:39:10
      Beitrag Nr. 48 ()
      Ein Fingerabdruck von den Genen?
      Jedes Genom ist einzigartig
      Neben dem gezielten Aufspüren von Veränderungen in bestimmten Sequenzen ergeben sich aus unserem Wissen um den Aufbau der genetischen Information noch andere Anwendungen. Diese sind vielleicht noch erstaunlicher.


      Nach Anfärben mit Fluoreszenzfarbstoffen können DNA-Fragmente im UV-Licht sichtbar gemacht und aus einer Gel-Matrix isoliert werden



      Wie oben schon kurz erwähnt ist das Genom der höher entwickelten Organismen nicht unbedingt vollgepackt mit genetischer Information. Beim Menschen wird sogar ein nur verblüffend geringer Teil des Genoms für die Speicherung genetischer Information genutzt. Die niedrigsten Schätzungen liegen bei nur 3%.

      Über die Funktion der restlichen DNA ist man sich noch nicht so ganz im klaren. Allerdings haben die analytischen Untersuchungen dieses Bereichs bereits zur Entdeckung bestimmter Sequenzen geführt, die in Anordnung und Häufigkeit für jedes Individuum charakteristisch sind. Mit den entsprechenden Gensonden läßt sich daher von der menschlichen DNA ein Bild erhalten, das für jede Einzelperson eindeutig und einmalig ist. Da diese Sequenzen nach den üblichen Regeln vererbt werden, lassen sich so auch verwandtschaftliche Beziehungen klären.

      Da die Aussagen dieses DNA-Tests ebenso unverwechselbar sind wie ein Fingerabdruck, spricht man international vom DNA-Fingerprinting. Schon aus dem Namen wird klar, dass diese Methode in der Kriminalistik eingesetzt werden kann. Die DNA eines Tatverdächtigen kann mit DNA verglichen werden, die aus Zellen stammt die am Tatort gefunden wurden. Dank der PCR-Methode genügen hier schon einige wenige Zellen als Ausgangsmaterial. Da die Methode hohe Anforderungen an die Durchführung stellt, war sie seit ihrer Entwicklung Mitte der 80er Jahre in der Kriminalistik immer wieder umstritten. Heute hat sie sich als Bestandteil forensischer Untersuchungen fest etabliert.

      Das DNA-Fingerprinting ist längst auch unverzichtbar wenn es darum geht, verwandtschaftliche Beziehungen zu klären. Die Genauigkeit des DNA-Fingerprinting ist dabei weitaus höher als die Genauigkeit der klassischen biochemischen Tests. Bei Vaterschaftsprozessen findet die Methode daher ebenso Anwendung wie bei Immigrations-Verfahren, wenn die Klärung verwandtschaftlicher Beziehungen hierfür notwendig ist.

      Aber nicht nur beim Menschen kann die Methode eingesetzt werden, sondern generell bei allen Organismen. Besonders in der Tierzucht ergeben sich klare Abstammungsnachweise, was die Sicherheit bei Kauf und Kreuzung deutlich erhöht. Auch in Pflanzen können genetische Marker problemlos nachgewiesen werden und Aufschluß über die erfolgreiche Ein- oder Auskreuzung von Eigenschaften geben. Natürlich sind Mikroorganismen gleichfalls auf diese Art charakterisierbar. Es ist sehr genau feststellbar, ob sich bestimmte Mikroorganismen in einer zu untersuchenden Probe befinden.

      Das kann dort interessant sein, wo schnelle Aussagen über die Art eines Krankheitserregers gefordert sind. Man kann aber auch Informationen über eine Kontamination von Lebensmitteln gewinnen oder einfach nur sicherstellen, dass ein bestimmter Mikroorganismus auch wirklich der ist, für den man ihn hält.




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      Updated: September 28, 2000 by ISB
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      schrieb am 03.10.00 16:45:40
      Beitrag Nr. 49 ()
      Ein Bakterium als Lehrmeister
      Moderne Züchtungsverfahren bei Pflanzen

      Die Übertragung gentechnischer Methoden in den Bereich der Pflanzen erwies sich zunächst als ausgesprochen schwierig. Pflanzenzellen verfügen über eine starke Zellwand, die nicht so ohne weiteres durchbrochen werden kann. Die Züchtung von Pflanzenzellen in Zellkultur ist nicht einfach. Die Herstellung von Pflanzenzellen ohne Zellwand, sogenannter Protoplasten, ebenfalls nicht. Und die Regeneration ganzer Pflanzen aus Einzelzellen ist auch nicht trivial. Viele Schwierigkeiten also und zunächst nur eine Lösung: Agrobakterium tumefaciens.

      Dieses Bakterium kann man mit Fug und Recht als einen Gentechniker der Natur bezeichnen. Es hat nämlich einen ausgeklügelten Mechanismus entwickelt, um seine Plasmid-DNA auf bestimmte Pflanzen zu übertragen. Diese DNA wird von den Pflanzenzellen in ihr Genom eingebaut und führt dazu, dass die Pflanzenzellen tumorartig wachsen und eine besondere Aminosäure bilden, von der das Bakterium A. tumefaciens wiederum sehr gut leben kann. Der Stoffwechsel der transformierten Pflanzenzellen wird also umdirigiert, ähnlich wie bei einer viralen Infektion, und dient dann den Bedürfnissen des Bakteriums.

      Nachdem dieser Mechanismus aufgeklärt worden war, fand man in ihm auch den Schlüssel zur Pflanzen-Gentechnik. Man kann große Bereiche der bakteriellen Plasmid-DNA durch fremde DNA ersetzen, ohne dass die Effizienz des Plasmid-Transfers auf die Pflanze leidet. Nun hat das Bakterium nichts mehr von dem DNA-Transfer, dafür aber der Mensch. Denn nun stellen die Pflanzen zwar die für das Bakterium wichtige Aminosäure nicht mehr her, können dafür aber andere Dinge produzieren.

      An der Aufklärung dieser Mechanismen waren deutsche Wissenschaftler und Institutionen, nicht zuletzt das Max Planck Institut in Köln, führend beteiligt. Zu Beginn der 80er Jahre nahm die Gentechnik der Pflanzen dann ihren eigentlichen Aufschwung. Neue Methoden der Pflanzenzellkultur, der Regeneration und des Gentransfers erweiterten die Möglichkeiten der Forscher zunehmend. Immer mehr Arten wurden der Anwendung gentechnischer Methoden zugänglich. Mehr und mehr Arbeitsgruppen und auch Firmen wandten sich der Bearbeitung von Pflanzen zu. Heute können alle wichtigen Kulturpflanzen gentechnisch bearbeitet werden.


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      Updated: September 28, 2000 by ISB
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      Noch manche Nuß zu knacken
      Moderne Pflanzenzucht und neue Lebensmittel
      Die Eigenschaften, die man in Pflanzen einbringen möchte, lassen sich ganz grob in zwei Kategorien einteilen. Zum einen sind es Eigenschaften, die den Umgang mit den Pflanzen erleichtern sollen und daher in erster Linie für den Züchter und Bauern von Interesse sind. Zum anderen sind es die Produkteigenschaften selbst, die dann auch vom Verbraucher unmittelbar wahrgenommen werden. Ein Beispiel soll das verdeutlichen.

      Mit der FlavrSavr Tomate ist 1994 erstmals eine gentechnisch veränderte Pflanze für den menschlichen Verzehr zugelassen worden. Es handelte sich dabei um eine Tomate, bei der auf elegante Art und Weise eine unerwünschte Enzymaktivität lahmgelegt worden war. Details dazu finden sich im Produkteil der Broschüre: Ausgewählte Produkte der modernen Biotechnologie, wenngleich die Flavr Savr Tomate heute nicht mehr am Markt ist. Die Flavr Savr war länger haltbar und konnte daher in ausgereifter Form gepflückt und zu den Märkten transportiert werden. In diesem Fall kam der Kunde direkt mit dem gentechnisch veränderten Organismus in Berührung.


      Produkte aus transgenen Tomaten gehören zu den ersten gentechnisch veränderten Lebensmitteln




      In einem anderen Fall wurden Tomaten angebaut, die ähnlich wie die FlavrSavr Variante länger haltbar gemacht worden waren. Diese Tomaten dienen aber ausschließlich der Herstellung von Tomatenpüree.

      Als prozessiertes Lebensmittel enthält das Püree keine lebenden Zellen mehr. Diese werden während des Herstellungsprozesses aufgebrochen. Auch die DNA mitsamt den fremden Abschnitten wird zu kleinen Fragmenten abgebaut. Die verbesserte Haltbarkeit der Tomaten ist deshalb primär für die Bauern von Vorteil, die ein größeres Zeitfenster bei der Ernte haben. Die Kunden kommen mit dem intakten gentechnisch veränderten Organismus selbst, der Tomate, nicht mehr in Berührung. Die Tomate war nur Ausgangsmaterial für die Herstellung des Pürees.

      Ähnlich liegen die Dinge auch bei zahlreichen anderen Anwendungen, wo gentechnisch veränderte Pflanzen zwar Ausgangspunkt einer industriellen Verarbeitung sind, die Endprodukte aber von dieser gentechnischen Veränderung nicht mehr berührt werden. Die wichtigsten kommerziellen Entwicklungen haben sich auf diesen Bereich konzentriert. Es geht dabei um Pflanzen, die gegen Herbizide, also Unkrautvernichtungsmittel, gegen Insekten oder Krankheiten geschützt sind.

      Vielfach dienen diese Pflanzen zwar als Ausgangsprodukte für Lebensmittel, doch enthalten diese dann weder ganze Zellen noch intakte DNA. Manchmal, wie im Falle gentechnisch veränderter Baumwolle, haben die Pflanzen auch einen ganz anderen Verwendungszweck. Solche Varietäten sollen vorwiegend für die Bauern Vorteile bringen, weil sie verbesserte Produkte im Pflanzenschutz einsetzen und höhere Erträge erzielen können.

      Diese Vorteile sind von den Firmen, die gentechnisch veränderte Pflanzen herstellen, immer wieder als Argument angeführt worden. Der höhere Preis des gentechnisch veränderten Saatguts sollte für die Bauern durch höhere Erträge, geringeren Aufwand für Pflanzenschutzmittel und durch Einsparung bei Arbeitszeit und Arbeitsmitteln aufgewogen werden. Eine vom amerikanischen Landwirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie hat diese Vorteile prinzipiell belegen können, wenn diese auch in ihrer Höhe umstritten sind.


      Insektenfraß-resistenter Mais wird in den USA auf großen Flächen angebaut



      Die zusammen mit gentechnisch veränderten Pflanzen einsetzbaren Herbizide gelten als umweltverträglicher als viele andere, da sie rascher abgebaut werden und die Mengen geringer sind, die man für eine Bekämpfung des Unkrauts benötigt. Als sogenannte Nachauflaufherbizide können sie nach Bedarf verwendet und müssen nicht - wie bei Vorauflaufherbiziden erforderlich - schon prophylaktisch ausgebracht werden. Sie sind aber völlig unselektiv, d.h. sie greifen alle Pflanzen an, ohne zwischen Unkraut und Nutzpflanze zu unterscheiden.

      Mit gentechnischen Methoden hat man die Nutzpflanzen daher gegen diese Herbizide resistent gemacht. Nur die gentechnisch veränderten Nutzpflanzen überstehen einen Einsatz der sogenannten Totalherbizide, während alle anderen Pflanzen absterben. Wie bei sämtlichen derartigen Entwicklungen bleibt das inhärente Problem, dass unter dem Selektionsdruck des Herbizids auch resistente Unkräuter entstehen können. Ob dies durch Erwerb des Resistenzgens - durch unerwünschte Kreuzung mit der Nutzpflanze - geschieht oder durch andere Mechanismen ist dabei unerheblich.

      Bei der Züchtung von Pflanzen, die gegen Insekten geschützt sind, versucht man Abwehrmechanismen auszunutzen, die von der Natur bereits entwickelt wurden. Statt durch klassische Pflanzenschutzmittel sollen die Pflanzen durch die interne Produktion von Abwehrstoffen geschützt werden. Dieser Weg wurde bei der Verwendung eines bakteriellen Proteins beschritten, das eine insektizide Wirkung gegen bestimmte Insektenlarven entwickelt.

      Die Wirkung dieses Proteins aus Bacillus thuringiensis war schon vor längerer Zeit erkannt worden. Man züchtete daher die Bakterien selbst als Insektizide und versprühte sie auf den Feldern. Mittels gentechnischer Methoden konnte das Gen dann aus B. thuringiensis isoliert und auf Nutzpflanzen übertragen werden. Diese produzieren damit ihren eigenen insektiziden Wirkstoff. Näheres dazu findet sich im Produktteil der Broschüre"Ausgewählte Produkte der modernen Biotechnologie".

      Trotz einiger Jahre Erfahrung mit einem großflächigen Anbau dieser Pflanzen bleibt es wichtig, ihre Anpassung an die Umwelt und ihre Interaktion mit der Umwelt zu beobachten. In Laborexperimenten sind Resultate erhalten worden, die hinsichtlich eines großflächigen Anbaus bestimmter Pflanzen in der Öffentlichkeit Bedenken hervorgerufen haben.

      Allerdings haben die Untersuchungen der bislang durchgeführten Feldversuche derartige Bedenken nicht bestätigt. In der Europäischen Union ist mit der sogenannten Freisetzungsrichtline (90/220 EWG) ein Rechtsrahmen geschaffen worden, der die Freisetzung und das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen regelt. Allerdings haben Dänemark, Frankreich, Griechenland und Großbritannien Mitte 1999 de facto Moratorien verfügt, so dass dort vorläufig keine gentechnisch veränderten Pflanzen für die kommerzielle Nutzung angebaut werden dürfen.

      Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von biotechnischen Ansätzen um verbesserte Pflanzensorten zu erzeugen. Pflanzen verfügen beispielsweise nicht über ein Immunsystem wie der Mensch, doch wird eine Pflanzenzelle, die von einem Virus infiziert wurde, kein zweites Mal von einem Virus befallen. Das weiß man schon seit einiger Zeit. Es konnte nun gezeigt werden, dass eine solche "Immunität" durch das Vorhandensein bestimmter viraler Proteine ausgelöst wird. Normalerweise finden sich diese Proteine nur dann in der Pflanzenzelle, wenn sie von einem Virus befallen wurde. Man kann nun aber das Gen für solch ein virales Protein in das pflanzliche Genom integrieren und der Zelle damit eine virale Infektion vorgaukeln, die gar nicht stattgefunden hat. Die geringe Menge an viralem Protein stört die Pflanze nicht.

      Als Ergebnis findet ein zweites Virus, das die Pflanzenzelle gerne befallen möchte, die Tür sozusagen verschlossen. Die Pflanzenzelle ist gegen das Virus resistent. Mittels dieses Verfahrens möchte man beispielsweise die Rhizomania bekämpfen, die gefürchtete Wurzelbärtigkeit bei Zuckerrüben.


      Der Maiszünsler ist ein gefürchteter Ernteschädling




      Andere Ansätze zielen auf eine Veränderung von Kulturpflanzen dergestalt, dass die Konzentration der Inhaltstoffe, die für den Menschen wichtig sind, erhöht ist. Das können z.B. wichtige Aminosäuren sein oder Vitamine. Auf diesem Weg könnte man Mangelkrankheiten, die einer einseitigen Ernährung angelastet werden können, vorbeugen. Sehr wichtig ist das mit Blick auf Reis, der mit Vitamin A angereichert werden soll. Dort wo der Reis Nahrungsgrundlage ist, werden viele Tausend Fälle von Blindheit auf einen Mangel an Vitamin A zurückgeführt. Die Entwicklung solcher Pflanzen könnte zu Lebensmitteln führen, für die der Begriff Nutraceuticals geprägt wurde. Damit soll ausgedrückt werden, dass sie neben der eigentlichen Nahrungsmitteleigenschaft auch eine medizinisch relevante Eigenschaft besitzen.

      Die neuen Lebensmittel, die international als Novel Food bezeichnet werden, erfordern unter Sicherheitsaspekten eine genaue Prüfung. Im Falle der FlavrSavr Tomate, in der lediglich ein Gen ausgeschaltet wurde und damit ein Protein fehlt, sind schädliche Wirkungen für den Menschen sicher nicht zu befürchten. Es wird aber aus gutem Grund immer wieder darauf hingewiesen, dass besonders das allergene Potential der neuen Lebensmittel kritisch geprüft werden muß. Beispielsweise wurde, um die Qualität der Sojabohne als Lebensmittel zu verbessern, das Gen für ein besonders Methionin-reiches Protein aus der Paranuß in Sojabohnen einkloniert (Methionin gehört zu den sogenannten essentiellen Aminosäuren und kann vom menschlichen Körper nicht selbst synthetisiert, sondern muß mit der Nahrung aufgenommen werden). Paranüsse sind als allergen bekannt und können zu schweren allergischen Reaktionen führen.

      Es stellte sich im Fall des in Sojabohnen einklonierten Gens heraus, dass durch das Protein - das 2-S-Albumin der Paranuß - tatsächlich auch ein allergenes Potential auf die Sojabohne übertragen worden war. Die entsprechenden Tests wurden routinemäßig durchgeführt. Eine Markteinführung dieser transgenen Sojabohne kam daraufhin natürlich nicht mehr in Frage. Während Gentechnik-Gegner dieses Beispiel gerne benutzen, um die Gefahren der Gentechnik zu beschwören, belegt es letztlich nur, dass auftretende Probleme rechtzeitig erkannt werden und beherrschbar sind.

      Neben den Pflanzen, die Grundlage der menschlichen Ernährung sind, werden viele Arten auch hinsichtlich einer technischen Verwertung angebaut. Die Baumwolle als Beispiel wurde bereits genannt. Auch in diesem Sektor werden viele Experimente durchgeführt, die eine Verbesserung der Pflanzen mit Blick auf ihre Verwertbarkeit zum Ziel haben. So kann, um gleich bei der Baumwolle zu bleiben, die Blaufärbung der Baumwollfaser direkt an der Pflanze erreicht werden - durch EinKlonieren entsprechender Gene.

      Man könnte dann idealerweise den chemischen Prozeß des Einfärbens vermeiden. Das könnte auch unter Umweltaspekten Vorteile haben. Oder man kann, mit Blick auf die Qualität von Pflanzenölen, die Zusammensetzung des Fettsäuremusters gezielt verändern. Das kann sowohl für technische Anwendungen als auch für die Lebensmittelindustrie interessant sein.





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      Updated: September 28, 2000 by ISB
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      schrieb am 03.10.00 17:05:14
      Beitrag Nr. 50 ()
      Made by ....

      Die Kennzeichnung neuer Lebensmittel


      Die Diskussion um moderne Verfahren in der Landwirtschaft wurde nicht zuletzt von der Frage einer Kennzeichnung neuer Produkte, besonders neuer Lebensmittel, beherrscht. Hier wurde lange Zeit unterschätzt, dass neben einer selbstverständlich zu fordernden Unbedenklichkeit dieser Produkte auch die Wahlmöglichkeit für den Verbraucher von entscheidender Bedeutung ist. Der Kunde soll sich für das aus seiner Sicht bessere Produkte entscheiden können. Um eine solche Entscheidung zu ermöglichen, müssen die unterschiedlichen Produkte für ihn natürlich klar erkennbar sein.


      Gentechnik oder nicht? Der Verbraucher möchte Klarheit




      Nicht zuletzt wegen der logistischen Schwierigkeiten, die sich aus der Forderung nach einer klaren Kennzeichnung ergeben, wurde diese seitens der Industrie lange Zeit gescheut. Auch hatten die Erfahrungen in den USA nicht unbedingt erwarten lassen, dass eine solche Forderung in Europa derart nachdrücklich erhoben würde.

      Die Art der Kennzeichnung, die Trennung gentechnisch veränderter von unveränderten Produkten, die Quantität erlaubter Restmengen und viele Punkte mehr wurden Ende der 90er Jahre zum Politikum. Die Positionen der USA und weiterer Nationen, die gentechnisch veränderte Pflanzen anbauten, standen denen vieler Abnehmerländer lange Zeit recht unversöhnlich gegenüber. Um so erfreulicher, dass Anfang 2000 dann doch eine Einigung erzielt werden konnte. Das in Montreal beschlossene Rahmenabkommen sieht vor, dass zukünftig alle Lieferungen zu kennzeichnen sind, die möglicherweise gentechnisch veränderte Rohstoffe enthalten.

      In der öffentlichen Darstellung entsteht oft der Eindruck, von gentechnisch veränderten Lebensmitteln gehe per se ein erhöhtes Risiko aus. Dabei erstreckt sich diese Befürchtung sogar auf Lebensmittel, die selbst gar nicht verändert sind, sondern nur Stoffe enthalten oder mit ihnen in Berührung gekommen sind, die gentechnisch hergestellt wurden. So wird bei der Herstellung von Hartkäse Labferment eingesetzt. Dieses Enzym, international Chymosin genannt, wird in vielen anderen Ländern längst gentechnisch produziert und verwendet.

      Es unterscheidet sich von dem aus Kälbermägen isolierten Enzym nur dadurch, dass es gentechnisch in viel höherer Reinheit gewonnen werden kann. Man schätzt, dass in den USA bereits 60% des Hartkäses mit diesem Chymosin hergestellt werden. Es fragt sich ob man den Hartkäse, der das gentechnisch hergestellte Enzym enthält, nun selbst als gentechnisch verändert bezeichnen sollte. Ein erhöhtes Risiko für den Verbraucher ist unabhängig davon nicht erkennbar.

      Bei der Herstellung von Zucker aus Stärke wird ein Enzym verwendet, das heute weltweit nur noch unter Verwendung rekombinanter Mikroorganismen hergestellt wird. Dieses Herstellungsverfahren bietet gegenüber dem klassischen sowohl ökonomische als auch ökologische Vorteile. Das Enzym mit dem Namen alpha-Amylase ist mit dem klassisch gewonnenen völlig identisch und im Endprodukt Zucker nicht enthalten.

      Auch hier scheint mehr als fraglich, ob man den Zucker oder womöglich auch die mit ihm gesüßten Waren nun als gentechnisch verändert bezeichnen sollte. Sinnvoll ist es aber in jedem Fall, breit darüber zu informieren, wo und bei welchen Verfahrensschritten Gentechnik eingesetzt wird. Vorbehalte gegenüber der Gentechnik lassen sich am besten durch Information beseitigen.

      Diese für den Lebensmittelbereich entwickelten Überlegungen lassen sich auch auf andere Gebiete ausdehnen. Beispielsweise sind in unseren modernen Waschmitteln Enzyme enthalten, die eine wichtige Rolle bei der Entfernung von Eiweisshaltigen Flecken oder auch Fettflecken spielen.

      Diese Enzyme werden teilweise bereits mit Hilfe gentechnisch veränderter Stämme hergestellt - mit erheblichen Vorteilen für die Umwelt. Was spricht eigentlich dagegen, den Kunden über die Vorteile zu informieren, die sich aus der gentechnischen Herstellung der verwendeten Enzyme ergeben haben? Information und Kennzeichnung sind ja nicht ein und dasselbe.





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      schrieb am 03.10.00 17:14:29
      Beitrag Nr. 51 ()
      Vom Farmer zum Pharmer
      Biotechnik in der Tierzucht

      Unter dem Mikroskop wird einer Eizelle DNA injiziert



      Bei der Züchtung gentechnisch veränderter Tiere ist die Methode des DNA-Transfers im wahrsten Sinne des Wortes besonders anschaulich. Die fremden Gene werden zunächst in geeignete Vektoren kloniert und anschließend in eine ultrafein ausgezogene Glaskanüle gefüllt. Eine Zielzelle wird unter dem Mikroskop durch Ansaugen an eine zweite, größere, Glaskanüle fixiert.

      Bei der Zielzelle handelt es sich um eine in vitro befruchtete Eizelle, in der männlicher und weiblicher Zellkern noch getrennt als sogenannte Vorkerne erkennbar sind. Dann wird mit der feinen Glaskanüle in die Zielzelle hinein gestochen und zwar so, dass die DNA in einen der beiden Vorkerne eingespritzt werden kann. Danach laufen die normalen zellulären Vorgänge ab. Die beiden Vorkerne verschmelzen miteinander und die fremde DNA wird mitsamt den Vektorsequenzen in das Genom der Zelle integriert.

      Diese Vorgänge können nur bei Mäusen einigermaßen gesteuert werden. Im großen und ganzen laufen sie zufällig ab. Daher wird die fremde DNA oft an verschiedenen Orten und in mehreren Kopien in das jeweilige WirtsGenom integriert. Der sich entwickelnde Embryo wird sodann in ein Ammentier eingepflanzt und von diesem normal ausgetragen. Die fremde DNA befindet sich, ausgehend von der befruchteten Eizelle, dann auch in jeder Körperzelle des transgenen Tieres. Damit ist die neue Eigenschaft Teil seiner Keimzellen und auf die Nachkommen vererbbar. Auf technische Einzelheiten, die recht kompliziert sein können, soll hier nicht weiter eingegangen werden.


      Gentechnisch veränderte Schafe dienen heute bereits zur Herstellung von Medikamenten





      Die Züchtung gentechnisch veränderter, transgener Tiere wurde experimentell zunächst an Mäusen untersucht. Sämtliche Versuche unterliegen dabei den Bestimmungen des Tierschutzgesetzes. Die entwickelten Methoden sind allerdings universell anwendbar - theoretisch auch beim Menschen. Das führt immer wieder zu Diskussionen. Derartige "Keimbahnexperimente" am Menschen sind bei uns aber durch das Embryonenschutzgesetz untersagt.

      Neben Experimenten an der Maus als dem klassischen Versuchstier nutzt man die Methoden der Gentechnik nun auch intensiv, um wichtige Zuchtziele bei Schaf, Rind oder Schwein zu erreichen. Beim Schaf geht es zum Beispiel darum, die Qualität der Wolle durch eine verbesserte Verfügbarkeit der Aminosäure Cystein zu steigern. Beim Rind soll u.a. die Qualität der Milch durch ein zusätzliches Protein, das Lactoferrin, verbessert werden. Bei Schweinen wird untersucht, ob sich Tiere züchten lassen, die als Organspender für den Menschen in Frage kommen. Hierzu wurden die Oberflächen der tierischen Zellen so verändert, dass sie vom menschlichen Immunsystem nicht mehr als fremd erkannt werden können.

      Die genannten Beispiele sollen nur in aller Kürze einen Eindruck davon vermitteln, welches Spektrum an Anwendungen in diesem Bereich schon erforscht wird. Auf die Bedeutung von transgenen Mäusen und anderen gentechnisch veränderten Tieren in der Grundlagenforschung wurde bereits hingewiesen.

      Auf eine Anwendung in der modernen Tierzucht soll zum Abschluß dieses Kapitels noch detaillierter eingegangen werden. Wie im Falle des Lactoferrins schon angedeutet wurde, kann man durch die Auswahl geeigneter Promotoren erreichen, dass fremde DNA nur in den Milchdrüsen weiblicher Tiere exprimiert wird. Das interessierende Protein wird somit in die Milch abgegeben und kann aus dieser gewonnen werden. Da es sich bei diesen Produkten häufig um Therapeutika, also Pharma-Produkte, handelt, hat sich hierfür der Begriff Pharming etabliert - eine Verschmelzung der Worte Pharma und Farming.

      Das berühmteste Beispiel hierfür ist nach wie vor Tracey, ein Schaf, dessen Milch ein therapeutisch wichtiges humanes Protein enthält. Mit dieser Eigenschaft wurde Tracey von Wissenschaftlern einer schottischen Firma versehen. Diese haben die humane Erbinformation für alpha-1-Antitrypsin in das Genom von Tracey integriert. Das Protein ist für die Lungenfunktion wichtig und wird heute - noch aus menschlichem Blut gewonnen - bereits therapeutisch eingesetzt.

      Tracey und ihre Nachkommen produzieren erhebliche Mengen des Proteins in ihrer Milch. Eine Herde von einigen tausend Tieren sollte ausreichen, um den Weltbedarf an diesem noch knappen Protein zu decken. Die Produktion von therapeutischen Proteinen auf diesem Weg könnte allgemein dort interessant sein, wo das Protein spezifische Modifikationen erhält, die nur von Säugerzellen durchgeführt werden können. Einfache Aufreinigungsverfahren vorausgesetzt, ist dieses Herstellungsverfahren ökologisch und ökonomisch hoch interessant. Besonders in Kombination mit dem nachfolgend beschriebenen Klonen ist das Verfahren interessant. Von der oben erwähnten schottischen Firma wurde Ende 1999 bekannt gegeben, dass in Neuseeland mit der Aufzucht einer Schafherde aus rund 4000 Tieren begonnen wird, aus deren Milch man das Medikament alpha-1-Antitrypsin gewinnen möchte.





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      Updated: September 28, 2000 by ISB
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      schrieb am 03.10.00 17:22:06
      Beitrag Nr. 52 ()
      Biotechnologie und Umwelt

      Statt Altlasten entlasten

      Ein weites Betätigungsfeld: Biotechnische Verfahren können helfen, die Belastung der Umwelt zu verringern






      Der Einsatz biotechnischer Verfahren zur Sanierung kontaminierter Böden, Abwässer oder Luft hat eine lange Tradition. Grundsätzlich greift man hier auf die Stoffwechselleistungen von Mikroorganismen zurück, die in einem oft komplizierten Zusammenspiel unterschiedlichster Stämme den schwer abbaubaren Stoffen zu Leibe rücken und diese zerlegen. Im Jargon werden diese Verfahren als ""Nachsorgende Umwelttechnik" oder "end of pipe" Prozesse bezeichnet.

      Zum Einsatz kommen in der Regel Mischkulturen, die sich in Abhängigkeit von der jeweiligen Belastung immer wieder neu zusammensetzen. Das funktioniert recht gut und insbesondere die zur Reinigung eingesetzte Technik wurde in den letzten Jahren stark verbessert. Man denke nur an die Biohochreaktoren zur Abwasserreinigung, an Biofilter oder Biowäscher. Dagegen weiß man über die einzelnen Stämme in diesen Mischkulturen noch immer verhältnismäßig wenig. Es wird aber intensiv daran gearbeitet, Stämme mit speziellen Abbauleistungen für belastende Stoffe zu entwickeln. Hierbei spielen auch gentechnische Ansätze eine wichtige Rolle. Beim Abbau von Ölverschmutzungen an Stränden und auf den Weltmeeren werden Mikroorganismen bereits erfolgreich eingesetzt, selbst bei der schonenden Reinigung von Gebäudefassaden. Dabei handelt es sich aber noch um Stämme, die mit klassischen Methoden optimiert worden sind.

      Auch höhere Organismen, insbesondere Pflanzen, können für die Dekontamination von Böden eingesetzt werden. Man spricht hier von Phytoremediation und macht sich beispielsweise zunutze, dass manche Pflanzen in der Lage sind, dem Boden Schwermetalle oder andere Stoffe zu entziehen. Es wird sogar schon mit Bäumen experimentiert. Speziell entwickelte Pappeln können beispielsweise das Atrazin, ein weit verbreitetes Herbizid, sehr effizient aus dem Boden anreichern. Naturgemäß braucht die Entwicklung solcher Verfahren viel Zeit und es muß sich zeigen, wo sie erfolgreich eingesetzt werden können.

      BMBF-Aktivitäten
      Im Bereich der Umweltforschung werden seitens des Bundes zahlreiche Aktivitäten unterstützt. Das BMBF hat das u.a. Förderprogramm "Forschung für die Umwelt" aufgelegt und unterstützt die Umweltforschung auch innerhalb des Programms Biotechnologie 2000. Das Förderprogramm "Forschung für die Umwelt" wurde im Jahr 1997 begonnen und hält allein für die Projektförderung jährlich rund 400 Mio. DM bereit, die teilweise für Projekte in der Biotechnologie verwendet werden.


      Aber schon bei der Frage, ob belastende Stoffe überhaupt vorhanden sind, werden routinemäßig biologische und biotechnische Verfahren eingesetzt. Besonders dort, wo klassische Verfahren auf ganzen Organismen beruhen und lange Zeit in Anspruch nehmen, können biotechnische Entwicklungen wie Biosensoren oder DNA-Sonden wertvolle Verbesserungen bringen. In vielen Fällen kann erst dadurch eine kontinuierliche Überwachung von Abwässern - dank einer Verkürzung der Reaktionszeit - zu unmittelbaren Gegenmaßnahmen führen.

      Auch bei der Untersuchung von Ökosystemen und ihrer Reaktion auf verschiedene Umweltreize können insbesondere DNA-Sonden eine wichtige Rolle spielen. Diese sind nicht zuletzt auch für das Monitoring gentechnisch veränderter Pflanzen ausgesprochen wichtig.


      Die biotechnologische Herstellung einer Zwischenstufe der Penicillin-Synthese bedeutet eine drastische Reduzierung der Abfallmengen im Vergleich zum chemischen Verfahren




      Der Herstellung von Enzymen wird ein eigenes Kapitel gewidmet. An dieser Stelle sei daher nur kurz erwähnt, dass gerade an sogenannten technischen Enzymen - z.B. Proteasen und Lipasen für Waschmittel - großes Interesse besteht. Der Einsatz rekombinanter Stämme führt hier zu teilweise außerordentlich hohen Steigerungen der Ausbeuten und macht viele Herstellungsverfahren damit erst wirtschaftlich. Das bedeutet gleichzeitig eine Schonung der Ressourcen und kommt damit direkt der Umwelt zugute.

      Es ist keine Seltenheit, dass gentechnisch veränderte Stämme bei der Produktion derselben Enzymmenge mehr als 90% der Ressourcen einsparen, die ein etabliertes Verfahren benötigt hatte. Neue Produktionsverfahren arbeiten also unter teils dramatischer Schonung von Ressourcen und sind erheblich weniger belastend für die Umwelt. Die bei der Herstellung von Enzymen erreichbaren Vorteile lassen sich bei der Produktion anderer Stoffe ebenfalls erzielen. So wird intensiv daran gearbeitet, Mikroorganismenstämme zu entwickeln, die das Biosynthesepotential verschiedener Ausgangsstämme in sich vereinen. Im Zusammenhang mit Antibiotika ist das schon einmal angesprochen worden. Aber auch auf anderen Gebieten, wie etwa der Vitaminherstellung, werden neue Verfahren entwickelt.

      Der Einsatz neuer, gentechnisch veränderter Mikroorganismen kann also bei der Synthese von Verbindungen ganz allgemein interessante Alternativen bieten. Diese Möglichkeiten werden oft mit dem Begriff der "sanften Chemie" umschrieben. Ein entsprechend veränderter Mikroorganismus baut den gewünschten Stoff einfach aus den vorhandenen Nährstoffen auf. Bequemer und ökologischer geht es kaum. Bisher lassen sich allerdings nur einige ausgewählte chemische Syntheseverfahren sinnvoll durch biotechnische ersetzen. Dennoch dürfte die Biotechnologie gerade beim Einsatz im produktionsintegrierten Umweltschutz eine immer größere Rolle spielen.

      Unter produktionsintegriertem Umeltschutz versteht man ganz allgemein die Umgestaltung und Neuplanung von Produktionsprozessen dergestalt, dass umweltverträgliche und dadurch kostensparende Verfahrensschritte eingebaut werden. Hierfür kommt insbesondere der Einsatz von Enzymen als BioKatalysatoren in Frage. Dabei ist die günstige Verfügbarkeit der Enzyme mittels rekombinanter Verfahren von Bedeutung, aber auch die Tatsache, dass die Eigenschaften der Enzyme heute den technischen Prozessen angepaßt werden können. Einzelheiten dazu werden im Kapitel "Biotechnologie und Markt" im Teil über Enzyme erläutert.
      Enzyme haben sich in den letzten Jahren zunehmend einen festen Platz in der Syntheseplanung der Chemiker erobert.

      Als Beispiel sei hier die Herstellung von Cephalosporin-Antibiotika genannt, bei der zunächst der chemische Grundkörper durch Fermentation eines Pilzes gewonnen und dieser Grundkörper dann chemisch abgewandelt wird.

      Durch gescheite Überlegung hat man zwei der chemischen Verfahrensschritte durch biokatalytische Prozeßschritte ersetzen können. Dadurch werden Ressourcen und Kosten gespart, andererseits die Umwelt geschont. Auch in vielen anderen Bereichen wird an solchen Optimierungen gearbeitet. Man kann deshalb damit rechnen, dass neue Verfahren vermehrt auf solche Syntheseschritte zurückgreifen werden und die Vision der "sanften Chemie" damit ein Stück näher rückt.
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      schrieb am 03.10.00 17:27:27
      Beitrag Nr. 53 ()
      Klassik und Moderne

      Bewährte Domänen der Biotechnologie in neuem Glanz

      Schon seit langer Zeit dienen Mikroorganismen der Herstellung von Aminosäuren. Die vielleicht bekannteste ist Glutaminsäure, deren Salz, das Glutamat, in vielen Lebensmitteln als Geschmacksverstärker enthalten ist. Glutaminsäure wird durch Anzucht von Bakterien in riesigen Fermentern hergestellt. Ein weiteres großes Anwendungsgebiet für Aminosäuren ist die Tierernährung. Hier wird durch Zusatz ausgewählter Aminosäuren ein Mangel im Nahrungsangebot für die Tiere ausgeglichen.

      Aber auch für die intravenöse Ernährung kranker Menschen werden Aminosäuren gebraucht. Alle 20 "natürlichen" Aminosäuren sind von wirtschaftlichem Interesse, allerdings mit stark unterschiedlichem Gewicht.

      Die mikrobiellen Produzentenstämme können durch Optimierung der Stoffwechselwege und Regulationsprozesse hinsichtlich ihrer Ausbeuten an Aminosäuren optimiert werden. Erforderlich ist dazu eine genaue Kenntnis der Syntheseschritte und auch der Stoffflüsse. Wenn diese Kenntnisse vorliegen, dann kann durch das sogenannte "Metabolic engineering" dafür gesorgt werden, dass die vorhandenen Nährstoffe optimal in das gewünschte Produkt, die Aminosäure, umgesetzt werden. Diese Aussage ist nicht allein auf Aminosäuren beschränkt, sondern gilt ganz allgemein für Produkte, die mit Hilfe von Mikroorganismen hergestellt werden können. Das macht diese Verfahren ja auch unter Umweltaspekten so interessant. Selbst den Farbstoff Indigo, mit dem Jeans gefärbt werden, kann man heute mit Hilfe von Bakterien herstellen. Die neuen Verfahren müssen sich häufig mit den bereits etablierten messen und eine bessere Wirtschaftlichkeit erst noch beweisen. In dem Maße, wie ihnen das gelingt, werden sie sich auch durchsetzen.


      Garantiert vegetarisch: Gentechnisch gewonnenes Chymosin wird in vielen Ländern bei der Herstellung von Käse eingesetzt.




      Eine lange Tradition hat der Einsatz von Mikroorganismen bei der Produktion von Lebensmitteln. Die Hefe als unverzichtbarer Helfer bei der Herstellung von vielen Nahrungs- und Genußmitteln wie Brot und Bier ist bestens bekannt.

      Auch bei der Herstellung von Milchprodukten werden Mikroorganismen in Form sogenannte Starterkulturen eingesetzt, die für die Qualität der Endprodukte von großer Bedeutung sind. Neue Entwicklungen können hier dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit der Mikroorganismen zu steigern, die in den oben beschriebenen Prozessen verwendet werden. Angestrebt wird u.a. eine bessere Verwertung von Ausgangsstoffen, eine Beschleunigung der technischen Prozesse und eine verbesserte Haltbarkeit der Endprodukte. Inwieweit solche Kulturen und Herstellverfahren Akzeptanz bei den Verbrauchern finden, muß man abwarten. Anfang 2000 scheint deren Haltung abwartend bis ablehnend. Gentechnisch veränderte Kulturen werden in Deutschland daher derzeit nicht eingesetzt.

      Im Mittelpunkt vieler Produktionsprozesse in der Biotechnologie steht die Fermentation, die Anzucht von Mikroorganismen oder Zellkulturen unter kontrollierten Bedingungen. Die Optimierung dieser Verfahren hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Neue Fermentertypen und Nährmedien sind entwickelt worden, die eine Anzucht von seltenen Mikroorganismen oder besonders empfindlichen Zellkulturen überhaupt erst erlauben. Auch bei der Aufarbeitung der gewachsenen Zellmasse, dem "Downstream Processing", sind kontinuierliche Verbesserungen erreicht worden.


      Auch aus Minen-Abraum und minderwertigem Erz kann noch Metall durch Bakterien ausgelaugt werden. Dazu wird das Gestein auf einer undurchlässigen Unterlage ausgebracht.




      Zu den biotechnischen Produkten, die für einen technischen Einsatz hergestellt werden, gehören unter anderem die Enzyme. Die Palette umfaßt außerdem Lösungs-, Schmier- und Gefrierschutzmittel ebenso wie Riech- und Geschmacksstoffe, Säuren und noch viele andere mehr. Selbst bei der sogenannten tertiären Erdölförderung werden mikrobielle Produkte eingesetzt. Bei der Gewinnung all dieser Stoffe bieten biotechnische Methoden Ansatzpunkte, um Ausbeuten und Reinheiten zu verbessern.

      Selbst bei der Erzlaugung greift man auf die Hilfe von Mikroorganismen zurück. Das hat damit zu tun, dass manche Mikroorganismen in der Lage sind, Metalle auch aus geringwertigen Erzen herauszulösen und anzureichern. Dadurch wird eine ökonomisch sinnvolle Aufarbeitung von Gesteinen möglich, die sonst verworfen werden müßten. Mittels gentechnischer Methoden wird versucht, die Mikroorganismen an die von ihnen zu leistende Arbeit noch besser zu adaptieren.

      Mikroorganismen können Metalle auch ganz einfach nur binden und dadurch aus stark verdünnten wässrigen Lösungen anreichern. Dies kann der Gewinnung dieser Metalle dienen, oder aber zur Reinigung des Wassers. Giftige Schwermetalle können auf diese Art aus belasteten Abwässern entfernt werden. Die Entgiftung von Böden durch den Einsatz von Pflanzen in der Phytoremediation hatten wir schon erwähnt.





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      schrieb am 03.10.00 17:37:59
      Beitrag Nr. 54 ()
      Plastik und Computerchips

      Und immer noch Biotechnologie

      Sogar bei der Herstellung eines Kunstprodukts par excellence kommen Mikroorganismen in Frage, nämlich bei der Herstellung von Plastik. Sie sind in der Lage, eine ganze Reihe von hochpolymeren Stoffen zu bilden. Diese haben als sogenannte Biopolymere den Vorteil, dass sie biologisch abbaubar sind. Das bekannteste Beispiel ist wohl nach wie vor die Polyhydroxybuttersäure (PHB), die bereits auf dem Markt ist und u.a. für die Herstellung von Plastikflaschen verwendet wird. Trotz einer ganzen Reihe von Problemen weist diese Entwicklung in eine interessante Richtung.

      Es wird bereits daran gearbeitet, PHB in Pflanzen zu produzieren, wodurch die Herstellkosten sinken könnten. Auch der klassische pflanzliche Reservestoff, die Stärke, könnte dank gentechnischer Kniffe als chemischer Rohstoff noch interessanter werden. So sind beispielsweise Kartoffeln erhältlich, die Stärken mit veränderten Eigenschaften produzieren. Dadurch könnten sich neue technische Anwendungsgebiete erschließen. Insgesamt hat das Gebiet der bioabbaubaren Polymere durch die Gentechnik in den letzten Jahren neuen Schwung erhalten.

      Eine andere verblüffende Anwendung der Gentechnik ist die im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung. Ein Protein aus dem Bakterium Halobacterium halobium verfügt über die Eigenschaft, bei Einstrahlung von Licht einer bestimmten Wellenlänge seine Struktur definiert zu ändern. Normalerweise dient diese Fähigkeit der Gewinnung von chemischer Energie und das Protein wechselt unerhört schnell von einer Struktur zur anderen.

      Durch die Zusammenarbeit von Gentechnikern und Strukturanalytikern gelang es allerdings Varianten des Proteins herzustellen, die den durch Licht induzierten Zustand lange Zeit beibehalten. Dadurch wird es möglich, durch Einstrahlung von Laserlicht zwischen zwei definierten Zuständen des Proteins hin und her zu schalten. Dies erinnert nicht nur formal an die berühmten zwei Zustände 0 und 1, die der EDV-Technologie zugrunde liegen.


      Ein bakterielles Protein, das Bacteriorhodopsin, kann nach gentechnischer Veränderung mit Licht unterschiedlicher Wellenlänge wechselwirken. Diese Eigenschaft will man technisch nutzen.




      Tatsächlich wird mit dem Protein, das den Namen Bacteriorhodopsin trägt, intensiv experimentiert und die Entwicklung hat auch zur Gründung einer kleinen Firma geführt. Erste Anwendungen im Bereich der Bilderkennung zeichnen sich bereits ab. Vielleicht erwächst dem Silikon-Chip in Zukunft ja eine ernsthafte biologische Konkurrenz.

      Visionäre Vorstellungen zielen sogar auf den Einsatz von DNA selbst in der EDV ab. Das Prinzip solcher "DNA-Computer" besteht darin, dass durch DNA-Moleküle eine riesige Zahl verschiedener Informationen repräsentiert werden kann; darunter auch Lösungen für mathematische Probleme, die man in der DNA-Sprache formuliert hat. Zum Beispiel konnte so schon das "Handelsreisenden-Problem" gelöst werden. Dabei sucht man einen Weg, der eine Zahl von Städten so miteinander verbindet, dass jede Stadt nur einmal besucht wird. So trivial es auf den ersten Blick erscheinen mag, so schwierig ist die rechnerische Lösung. Hochleistungs-Computer können zwar mühsam alle Lösungen sequentiell berechnen, geraten aber schnell an ihre Grenzen, wenn die Zahl der Städte einige Dutzend überschreitet.

      Hier braucht man parallel arbeitende Lösungsverfahren, die viele Lösungen gleichzeitig erzeugen und bewerten können. Das auf 7 Städte reduzierte Problem konnte von einem "DNA-Comnputer" bereits gelöst werden. Trotz erster Erfolge bleibt abzuwarten, ob sich mit "DNA-Computern" mehr als nur ein paar ausgewählte mathematische Probleme lösen lassen.

      Des weiteren beschäftigt sich die Computer-Industrie schon lange damit, die Fähigkeiten des menschlichen Gehirns auf sogenannte neuronale Netze abzubilden. Die Gentechnik ist hier ein wichtiges Instrument wenn es darum geht, die Leistungen einzelner Nervenzellen und die Grundlagen ihrer Kommunikation untereinander zu studieren. Dies wird zur Konstruktion besonders leistungsfähiger Computer in erheblichem Maße beitragen.

      Anfang 2000 wurde berichtet dass es erstmals gelungen sei, Nervenzellen in technische Schaltkreise einzubauen und gezielt anzusprechen. Auch hier muß man natürlich noch abwarten, ob sich Vorteile aus diesen Ansätzen ergeben und ob sie sich kommerziell verwerten lassen.
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      schrieb am 03.10.00 17:44:31
      Beitrag Nr. 55 ()
      Ein Feld für findige Firmen

      Das Entstehen einer neuen Branche

      Besonders in Deutschland gab es einen Gründungsboom in der Biotechnologie. Weitere Einzelheiten finden sich im Firmenatlas des ISB.



      Bereits Mitte der 70er Jahre begann in den USA eine Entwicklung, deren Bedeutung in den folgenden Jahren immer deutlicher wurde: die Ausbildung einer modernen Industrie, die auf den neuen Erkenntnissen aus der Biotechnologie aufbaute. Schon im Jahr 1976, also gerade einmal drei Jahre nach Veröffentlichung des ersten gentechnischen Experiments, gründete der Universitätsprofessor Herbert W. Boyer gemeinsam mit dem Venture Capitalisten Robert A. Swanson die Firma Genentech in San Francisco. Viele weitere solcher Unternehmen folgten, vor allem an der West- und Ostküste der USA. Noch heute gelten die Gegenden um San Francisco und Boston als die eigentlichen Hochburgen der modernen Biotechnologie weltweit.

      Die neuen Methoden und Verfahren wurden auch in den etablierten Pharmafirmen eingesetzt, besonders effizient aber von den kleinen und agilen Biotechnologie-Unternehmen in den USA weiterentwickelt. Man spricht von Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) oder im englischen Sprachraum von "Small and Medium Enterprises (SME).

      Die Unternehmenskultur in den USA bot diesen kleinen Firmen schon früh das notwendige Kapital und gestattete eine enge Zusammenarbeit mit den Forschern an Universitäten und Instituten. Zu dieser Zeit, Anfang der 80er Jahre, war in Deutschland die enge Zusammenarbeit zwischen Industrie und Universitäten eher verpönt. Auch verbanden sich mit dem Begriff des Unternehmers mehr negative als positive Assoziationen. Und Venture Capital zur Finanzierung neuer, wirtschaftlich riskanter Unternehmen war kaum verfügbar. Keine guten Voraussetzungen also, um die neue Branche in Deutschland gedeihen zu lassen. Dem überlagerte sich eine emotionale gesellschaftliche Auseinandersetzung um mögliche Gefahren und die sozialen Auswirkungen der modernen Biotechnologie.

      So waren es in Deutschland vornehmlich die großen Firmen, die sich der neuen Entwicklungen annahmen. In den etablierten Strukturen der Chemisch-Pharmazeutischen Industrie fiel es der modernen Biotechnologie freilich schwer, sich durchzusetzen. So konnten die kleinen Unternehmen der USA innerhalb weniger Jahre einen technologischen Vorsprung erarbeiten, den sich die USA als führende Nation in der Biotechnologie bis heute bewahrt haben. Aus einigen der vormals kleinen Unternehmen haben sich zwischenzeitlich Firmen mit vielen Tausend Mitarbeitern entwickelt. Dennoch darf man feststellen, dass der Vorsprung gegenüber Europa und Deutschland geringer geworden ist.


      Europa holt auf: Biotechindustrie im Aufwind




      Für das Aufholen Europas und insbesondere Deutschlands sind eine Reihe von Faktoren verantwortlich. Mit entscheidend in Deutschland war das neue Streben nach wirtschaftlichem Wachstum - auch in der modernen Biotechnologie. Besonders aber die von den großen politischen Parteien gemeinsam getragene Novellierung des viel zu streng ausgelegten deutschen Gentechnik-Gesetzes im Jahr 1993 wird vielfach als Startschuß für die positive Entwicklung der Biotechnologie-Branche in Deutschland gesehen.

      Dazu gesellte sich mit dem Start des BioRegio-Wettbewerbs im Jahr 1995 eine Fördermaßnahme des Bundesforschungsministeriums, die sich als außerordentlich erfolgreich erwies. Der Wettbewerb spornte zahlreiche Regionen dazu an, ihre Anstrengungen in der Biotechnologie zu bündeln und die wirtschaftliche Nutzung der Forschungsergebnisse stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Als Ergebnis kam es zu einer großen Zahl an Firmenneugründungen und auch zu ersten Börsengängen der arrivierteren deutschen Biotechnologie-Unternehmen. Weitere Fördermaßnahmen des Bundes haben diese Entwicklung flankiert.


      BMBF-Aktivitäten
      Zu den Fördermaßnahmen des BMBF gehörte Mitte der 80er Jahre die Initiierung der Genzentren in Berlin, Heidelberg, Köln und München. Die Ansiedlung der Zentren erfolgte dort, wo bereits eine gute Infrastruktur durch Universitäten, Max-Planck-Institute und andere Einrichtungen gegeben war. Dieser Umstand und die Einwerbung von Nachwuchsgruppen auf Zeit haben die Genzentren sehr erfolgreich werden lassen. Es ist kein Zufall, dass in jeder Modellregion des BioRegio-Wettbewerbs auch ein Genzentrum liegt und dass sich die größte Zahl der Biotech-KMU heute um diese Genzentren gruppiert (Grafik). Sehr positiv für die Entwicklung der kommerziellen Biotechnologie hat sich auch eine Finanzierungsmaßnahme ausgewirkt, die aus Mitteln des BMBF unterstützt wird: Die Kreditanstalt für Wiederaufbau bzw. die Technologie-Beteiligungs-Gesellschaft bieten jungen Firmen Kredite zu sehr günstigen Konditionen an. Diese Kredite sind bereits von zahlreichen jungen Biotechnologie-Unternehmen in Anspruch genommen worden.

      Für das Wachstum der Biotechnologie hält das BMBF noch viele weitere Anreize und flankierende Maßnahmen bereit. Dazu gehörten Anfang 2000 die Fördermaßnahmen BioChance, BioProfile und BioFuture ebenso wie die Unterstützung von ausgesuchten Forschungsschwerpunkten, beispielsweise in der Genomforschung. Maßnahmen zur Information der Öffentlichkeit wie die Förderung des Informationssekretariats Biotechnologie in der DECHEMA e.V. oder die Förderung des "Science live Mobils", eines mobilen und vor allem für Schulen zugänglichen Labors, runden das Angebot ab. Insgesamt werden von der Bundesregierung jährlich rund 1,5 Milliarden Mark für den Bereich der Life Sciences ausgegeben. Davon trägt das BMBF den Hauptanteil.


      Im Vergleich zu den USA ist die Bilanz allerdings immer noch ernüchternd. Den dort Anfang 2000 an der Börse notierten 300 Biotechnologie-Unternehmen standen in Deutschland noch nicht einmal 10 solcher Firmen gegenüber.

      Auch mit Blick auf die Größe der Firmen hinsichtlich Mitarbeiterzahl und Umsatz ist der Abstand zu den USA noch erheblich. Doch scheint die Branche nun auf dem richtigen Weg zu sein. Zahlreiche Forschungsabkommen mit nationalen und internationalen Großunternehmen bestehen bereits und deutsche Firmen erweisen sich als gleichwertige Partner im internationalen Wettbewerb. Aus den vereinzelten Firmen der 80er Jahre beginnt sich eine selbstbewußte und dynamische Branche zu entwickeln.


      Immer mehr Firmen: Die kommerzielle Biotechnologie in Deutschland hat sich in den letzten Jahren durch hohes Wachstum ausgezeichnet. Weitere Einzelheiten finden sich im Firmenatlas des ISB.




      Für Hochschulabsolventen erweisen sich die Biotechnologie-Unternehmen als ebenso attraktiv wie für erfahrene Manager aus großen Unternehmen. Allerdings zeigt sich, dass Angebot und Nachfrage nicht immer zusammen passen. Es wird in den nächsten Jahren daher besonders wichtig sein, die Ausbildung an den Hochschulen den neuen Anforderungsprofilen anzupassen und auch kurzfristige Lösungsansätze zu erproben. Das wird ein hohes Maß an Flexibiliät bei allen Beteiligten erfordern. Aber man wird den Herausforderungen durch die sich rasch verschiebenden Schwerpunkte in der Biotechnologie nur durch diese Flexibilität begegnen können.

      Eine besonders enge Verbindung ist die Biotechnologie mit der Pharmaindustrie eingegangen. Das hat unter anderem dazu geführt, dass viele der großen Konzerne die eigene Forschung zugunsten einer Zusammenarbeit mit den stark forschungsorientierten Biotechnologie-Unternehmen zurückgefahren haben. Diese finanzieren ihr Wachstum also häufig über Kooperationen mit Pharmafirmen. Selten sind dagegen die Fälle geblieben, in denen Biotechnologie-Unternehmen die eigenen Produkte bis zur Marktreife entwickelt und anschließend auch selbst in den Markt eingeführt haben.

      Die große Zahl neuer Produkte und die neuen Heilverfahren, die von den Biotechnologie-Unternehmen erforscht und entwickelt werden, könnte mittelfristig aber eine Neuaufteilung bestehender Marktsegmente und eine Neuorintierung in der Pharma-Branche bewirken. Bereits klar zu erkennen ist ein Trend weg von der "vollintegrierten" Pharmafirma, die von der Ideenfindung bis zur Einführung eines neuen Produktes alles selber macht, hin zu einem Zusammenspiel hochspezialisierter Firmen, die nur noch in bestimmten Teilbereichen ihre Expertise besitzen.

      Wenngleich viel heftiger diskutiert, erscheinen die Auswirkungen der Biotechnologie im landwirtschaftlichen Bereich vorerst geringer. Die Verwendung gentechnisch veränderter Pflanzen ändert an den prinzipiellen landwirtschaftlichen Verfahren zunächst einmal nichts. Doch erwarten viele Experten, dass die möglichen Anwendungen der Biotechnologie im Agrosektor eine größere kommerzielle Bedeutung gewinnen könnten als im Pharmabereich. Hier gilt es daher Möglichkeiten für die Entwicklung innovativer Produkte frühzeitig zu erkennen und diese entsprechend zu entwickeln. Dass dies nur mit dem Verbraucher und nicht gegen den Markt gelingen kann, ist selbstverständlich.

      Über die Auswirkungen der Biotechnologie auf den Arbeitsmarkt ist bereits viel diskutiert worden. Hier gibt es, ausgehend von unterschiedlichen Definitionen und Szenarien, weit auseinander liegende Einschätzungen.

      Folgt man den Zahlen der Unternehmensberatung Ernst&Young, deren jährliche Reports die Biotechnologie in den USA und Europa seit Jahren begleiten, dann ergibt sich für die USA eine Beschäftigtenzahl von rund 150.000 zu Beginn des Jahres 2000. Europa liegt mit 54.000 Beschäftigten deutlich zurück, hat aber in den Zuwachsraten mit den USA gleich gezogen. Angesichts dieser Zahlen läßt sich eine Bedeutung der Biotechnologie für den Arbeitsmarkt kaum leugnen, auch nicht angesichts offensichtlicher Substitutionseffekte im Pharmabereich. Es ist klar, dass bei der oben beschriebenen engen Interaktion zwischen Biotechnologie und Pharma auch Arbeitsschwerpunkte und damit Arbeitsplätze verlagert werden.

      Mit dem Jahr 2000 ist, so wird von vielen Seiten bestätigt, das Jahrhundert der Biowissenschaften eingeläutet worden. Bereits eingangs der Broschüre haben wir darauf hingewiesen, dass solch scheinbar eindeutige Aussagen durch die stärkere Durchlässigkeit zwischen den Disziplinen an Bedeutung verloren haben. Dort, wo aus der Begegnung unterschiedlichen Wissens neue Ideen geboren werden, werden auch die wichtigsten Innovationen entstehen.

      Unstrittig ist aber, dass in den letzten Jahrzehnten wesentliche Impulse für Fortschritte in der Wissenschaft und für unser Verständnis vom Leben aus der Biologie gekommen sind. Das wird auch in absehbarer Zukunft noch so bleiben. Wir sehen uns dadurch in die Lage versetzt, vom Leben zu lernen und die gewonnen Erkenntnisse in Produkte und Verfahren umzusetzen, die dem Wohl unserer Gesellschaft dienen. Diese Möglichkeit sollten wir mit Nachdenklichkeit, aber auch vorausschauend und mit Tatkraft, nutzen.
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      schrieb am 03.10.00 17:52:41
      Beitrag Nr. 56 ()
      Die Claims werden abgesteckt
      Patente auf biotechnologische Erfindungen

      Das Europäische Patentamt in München befindet auch über Patentanmeldungen aus der Biotechnologie.



      In der manchmal hitzigen Diskussion um die Anwendungen der Biotechnologie und insbesondere der Gentechnik spielt auch die Erteilung von Patenten immer wieder eine Rolle. Als etabliertes Instrument des wirtschaftlichen Handels von der Öffentlichkeit jahrzehntelang zunächst völlig unbeachtet, gewann das Patentieren im Zusammenhang mit der Biotechnologie eine unerwartete Publizität. Was ist der Grund?

      Eine Antwort mag die Schlagzeile "Keine Patente auf Leben" sein, die immer wieder auftaucht und auf Transparenten hoch gehalten wird. Hierin drückt sich wohl die Angst aus, Leben könne durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse nicht nur immer besser verstanden und beherrschbar werden, sondern womöglich zum Besitz einiger weniger Menschen verkommen. Doch derartige Ängste gehen an der Realität vorbei.

      Für die Erteilung von Patenten sind nationale oder supranationale Ämter zuständig, die den Patentinhalt nach formalen Kriterien prüfen. Dabei geht es im wesentlichen um Neuheit, um Reproduzierbarkeit und um technische Anwendbarkeit. Sind diese Kriterien erfüllt, kann ein Patent erteilt werden. Das erteilte Patent stellt nun aber keinesfalls eine Ausübungsgenehmigung dar. Es bestätigt dem Patentinhaber lediglich, dass er bei einer eventuellen Ausübung des Patents nicht andere Patente verletzt und gibt ihm das Recht, Wettbewerbern die Nutzung seines eigenen Patents zu verbieten.

      Will er das Patent tatsächlich kommerziell verwerten, muß er dann aber selbstverständlich die geltende Rechtslage berücksichtigen. Ein erteiltes Patent hat ja keinen Gesetzeswert. So ist Anfang 2000 vom Europäischen Patentamt ein Patent zur Herstellung von gentechnisch veränderten, humanen Stammzellen erteilt worden, das für viel Aufregung gesorgt hat. Diese Erteilung hat schon formal gegen geltende Patentrichtlinien verstoßen. Die Ausübung eines solchen Patents ist durch die Bestimmungen des Embryonenschutzgesetzes in Deutschland untersagt. Am 10.03.2000 hat die Bundesministerin der Justiz, Frau Professor Dr. Herta Däubler-Gmelin folgerichtig gegen dieses Patent (EP 0695361) Einspruch erhoben. Schließlich legt der Gesetzgeber fest, was zulässig ist, und nicht das Patentamt.


      Aus Entdeckungen werden Erfindungen: Prinzipien der Natur können für technische Anwendungen von Nutzen sein. Hier das Beispiel des "selbstreinigenden" Lotusblatts, das aufgrund von Besonderheiten seiner mikroskopischen Oberflächenstruktur die Adhesion von Schmutzpartikeln oder Flüssigkeiten verhindert.




      Patente sollen ein Anreiz für Erfinder sein, ihre neuen Erkenntnisse der Öffentlichkeit mitzuteilen. Der Erfinder erhält dafür das Recht, den Erfindungsgegenstand eine bestimmte Zeit lang exklusiv wirtschaftlich nutzen zu dürfen. Ist diese Frist - in Europa beträgt sie 20 Jahre vom Zeitpunkt der Patenteinreichung an - vorüber, wird die Erfindung frei zugänglich und kann von jedem genutzt werden. Der Erfinder hat durch den Patentschutz einen wirtschaftlichen Vorteil, weil er gegenüber der Konkurrenz - idealerweise - einen technischen Vorsprung gewinnt. Die Gesellschaft profitiert, weil die Erfindung in den allgemeinen Wissensschatz eingeht und nicht womöglich mit dem Erfinder stirbt. Die Patentierung einer Erfindung muß für den Erfinder oder eine Firma nicht immer ein Vorteil sein. Bestes Beispiel ist das Rezept für Coca-Cola. Wäre das Rezept schon vor vielen Jahrzehnten patentiert worden, dürfte heute jeder dieses Getränk herstellen. Die Patente haben ja eine zeitlich begrenzte Laufzeit. Nur weil die Firma die Rezeptur geheim gehalten hat, profitiert sie auch heute noch davon. Deshalb ist es immer wieder eine wirtschaftliche Überlegung, ob man den Gegenstand einer Erfindung offenlegt und dafür ein Patent erlangt, oder ob man ihn geheim hält.


      Die Zeit läuft: Patente werden nur für eine beschränkte Zeitdauer erteilt.

      Im pharmazeutischen Sektor sind Patente längst ein gängiges Instrument. Die Struktur von neuen Wirkstoffen könnte man gar nicht geheim halten, eine schlichte chemische Analyse würde sie der Konkurrenz offenbaren. Außerdem ist eine Offenlegung gegenüber den Zulassungsbehörden unerläßlich. Also wird hier ebenso wie in vielen anderen Wirtschaftszweigen mit Patenten gearbeitet. Die Möglichkeit, biotechnische Erfindungen zu patentieren, wird von den auf diesem Gebiet tätigen Firmen geradezu für unerläßlich gehalten. Denn der Patentschutz gestattet es den Firmen, eine bestimmte Zeit lang die von ihnen gemachten Erfindung zu vermarkten, ohne dass ein Konkurrent diese neuen Entwicklungen einfach kopieren kann. Dadurch ergibt sich für die Firmen eine höhere Aussicht darauf, dass die teils sehr hohen Kosten für Forschung und Entwicklung auch wieder hereingeholt werden können.

      Wie auch beim eingangs zitierten Beispiel hat sich aber gerade gegen die Patentierung biotechnischer Erfindungen heftiger Widerstand geregt. Immer wieder wird von einer Patentierung des Lebens gesprochen, von einem Verfall sittlicher Normen und einer Herabwürdigung von Tieren und Pflanzen zu reinen Verfügungsgegenständen.

      Auch im Zusammenhang mit der Sequenzierung des humanen Genoms und anderer Genome haben sich Diskussionen ergeben, die sich im wesentlichen um die Patentierung einzelner Gene drehen. Denn das Wissen um die Funktion von Genen, beispielsweise mit Blick auf das Auftreten von Krankheiten, stellt sich immer häufiger als ein Vorteil bei der Entwicklung von Medikamenten heraus. Die Gene könnten vielleicht sogar selbst einmal, wie bei der Somatischen Gentherapie, das Medikament darstellen. Kein Wunder also, dass Firmen an einer Patentierung von Genen interessiert sind.

      Nach formalen Kriterien sind Gene durchaus patentierbar. Vorausgesetzt, die Gensequenzen sind neu und die Gene oder ihre Produkt können gewerblich genutzt werden. Gerade der letzte Punkt ist von großer Bedeutung. Ohne in die Tiefen des Patentwesens einsteigen zu wollen kann man sagen, dass die gewerbliche Nutzung den wichtigen Unterschied zwischen einer Entdeckung und einer Erfindung ausmacht. So stellt die reine Klonierung und Sequenzierung eines Gens noch keinen patentierbaren Sachverhalt dar sondern entspräche einer Entdeckung, wie beispielsweise der des Penicillins. Beim Penicillin machte erst die Erkenntnis, dass der Stoff als Antibiotikum einsetzbar ist, aus der Entdeckung eine gewerblich nutzbare Erfindung. Bei Genen sind ganz unterschiedliche Nutzungen vorstellbar und es wird noch heftige Auseinandersetzungen darüber geben, wie genau diese Nutzungen beschrieben sein müssen, um ein Patent zu rechtfertigen.

      Die Prüfung, ob eine Patentanmeldung auch wirklich patentwürdig ist, kann viele Jahre dauern. Hier gibt es zahlreiche Kriterien, die unterschiedlich ausgelegt werden können und oft zu langen Auseinandersetzungen zwischen Antragsteller und Patentamt führen. Für den Antragsteller bleiben oft nur wenige Jahre Zeit, um nach endgültiger Erteilung des Patents von seinem exklusiven Nutzungsrecht Gebrauch zu machen. Die Laufzeit des Patents beträgt ja zwanzig Jahre schon ab Anmeldung, nicht erst ab Erteilung. Besonders im Pharmabereich klagen daher viele Firmen darüber, dass die Laufzeit von Patenten zu kurz ist.

      Neben solchen formalen Kriterien spielen aber im Zusammenhang mit Patenten auf biotechnische Erfindungen auch gefühlsmäßige Dinge eine Rolle. Die nüchterne Technisierung des Lebendigen wird von einigen beklagt und als bedrohlich empfunden. Doch kann man Gene schlicht als körpereigene Stoffe sehen wie Insulin oder andere Proteine, deren Patentierung sicher niemandem geschadet hat. So bleibt als wichtige Frage vor allem offen, ob durch eine Patentierung von Genen womöglich der wissenschaftliche Fortschritt behindert wird. Manche Wissenschaftler fürchten, durch die Patente von Firmen in ihrer Arbeit eingeschränkt zu werden.

      Dies ist trotz einer an sich klaren Abgrenzung von Forschung und kommerzieller Nutzung - Forschung darf ungeachtet bestehender Patente immer betrieben werden - wegen unterschiedlicher Begriffsauslegungen nicht immer gänzlich auszuschließen. Solchen Tendenzen muß daher entgegengewirkt werden. Sie sind aber im Zusammenhang mit Patenten schon lange Gegenstand der Diskussion und es kann davon ausgegangen werden, dass die Regeln, die sich im Pharmabereich über viele Jahrzehnte bewährt haben, auch mit Blick auf die Biotechnologie greifen werden. In strittigen Fällen wäre es letztlich auch wieder dem Gesetzgeber vorbehalten, eine Abschwächung von Patentansprüchen zu erzwingen.

      Gefühle spielen wohl besonders dann eine Rolle, wenn es nicht nur um die Patentierung von Genen, sondern um die Patentierung von Lebewesen geht. Mit Blick auf Mikroorganismen erschien das noch wenig problematisch. Hier gab es bereits eine lange Tradition und wenn überhaupt nur geringe Vorbehalte. Mikroorganismen werden schon seit rund 100 Jahren patentiert.

      Im Bereich der Pflanzen und Tiere ergaben sich allerdings eine Reihe von neuen Fragestellungen.

      Diese hatten sowohl einen formalen als auch einen grundsätzlichen Hintergrund. Bei den formalen Kriterien ging es vor allem darum, wie man gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere behandeln sollte. Nach bislang geltendem Patentrecht waren Pflanzen und Tiere nicht patentierbar sondern unterlagen anderen Regelungen, beispielsweise dem Sortenschutz. Gentechnische Veränderungen können aber prinzipiell auf verschiedenste Sorten angewendet werden und benötigten nach Ansicht der Fachleute daher eine breitere Abdeckung. Nach jahrelangen Diskussionen wurde vom Europäischen Patentamt im Herbst 1999 eine Patentrichtlinie verabschiedet, die eine Patentierung gentechnisch veränderter Pflanzen und Tiere prinzipiell erlaubt.

      Unter anderen Aspekten geht es nicht zuletzt um die Frage, ob eine Patentierung eine zu starke Reduktion von Lebewesen allein auf den Nutzen, den sie für den Menschen haben, bedeutet. Betrachten wir den Fall, dass ein transgenes Schaf ein menschliches Gen enthält und dadurch in der Lage ist, ein therapeutisch wichtiges menschliches Protein in seiner Milch herzustellen. Das Schaf erleidet dadurch keine Nachteile, sondern ist in seinen sonstigen Eigenschaften völlig unverändert. Sämtliche Gesetze und Bestimmungen für eine tiergerechte Haltung bleiben in Kraft. Ein Patent auf ein solches Schaf wird dessen Lebensqualität schwerlich beeinflussen können. Das Patent ändert auch nichts am Verhältnis zu den für den Tierschutz verantwortlichen Behörden, die ihre Aufsichtsbefugnisse in vollem Umfange wahren.

      Eine andere Komponente kommt ins Spiel, wenn wir den Fall der sogenannten "Onkomaus" betrachten. Das ist das Beispiel, an dem sich die Diskussionen um eine allgemeine Patentierbarkeit transgener Tiere bei uns ganz wesentlich entzündet hat. Im Fall der "Onkomaus" ist durch EinKlonieren eines menschlichen Krebsgens eine Mauslinie entstanden, deren Mitglieder frühzeitig und reproduzierbar bestimmte Tumorarten entwickeln.

      Damit ist diese Mauslinie ein wertvolles Modell für neue Medikamente, die Krebsleiden beim Menschen lindern können. Wir nehmen dafür bewußt in Kauf, dass die Mäuse unter den verursachten Tumoren zu leiden haben. Dem Nutzen für den Menschen steht hier - wie bei vielen anderen Krankheitsmodellen auch - ein Leiden des Tieres gegenüber. Diese Konstellation ist unter ethischen Gesichtspunkten vielfach diskutiert worden und wird es auch heute noch. Zumeist werden Tiermodelle als vertretbar angesehen, wenn ein großer Nutzen für die Erforschung schwerer menschlicher Krankheiten, wie Krebs oder AIDS, die Leiden des Tieres aufwiegen kann. Ein wenig bekannter Umstand soll in diesem Zusammenhang abschließend noch erwähnt werden. Viele Medikamente, die für den Menschen entwickelt wurden, finden auch bei unseren Haustieren Anwendung.



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      Updated: September 28, 2000 by ISB
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      schrieb am 03.10.00 18:00:50
      Beitrag Nr. 57 ()
      Wer nicht wagt...

      Risiken und ihre Wahrnehmung

      Keine Berührungsängste: Bundesministerin Bulmahn setzt sich für den Dialog mit der Öffentlichkeit ein, hier im "Science-Live-Mobil".




      Die bisherige Diskussion um die Anwendungen der modernen Biotechnik hat verschiedene Phasen durchlaufen. Sie begann schon sehr früh unter den Wissenschaftlern, die sich mit möglichen inhärenten Gefahren der neuen Vorgehensweisen beschäftigten. Diese Sicherheitsdiskussion wurde von der Politik und der Öffentlichkeit mit kurzer Verzögerung aufgenommen. Im weiteren Verlauf überlagerte sich der reinen Sicherheitsdiskussion dann immer mehr ein Abwägen der gesellschaftlichen Konsequenzen, die sich aus den Anwendungen der Biotechnik ergeben könnten.

      Eine konsequente Ablehnung aller, insbesondere der gentechnischen, Anwendungen der modernen Biotechnologie findet heute kaum noch Unterstützung. Dafür sind die Vorteile gerade im medizinischen Sektor zu offensichtlich. Auch der Produktteil dieser Broschüre macht das deutlich. Dennoch müssen die möglichen Konsequenzen einer immer besser werdenden Diagnostik und einer immer individueller werdenden Therapie weiter diskutiert werden.

      Im Bereich der Diagnostik dürfen die Patienten, denen mit hoher Sicherheit eine genetische Prädisposition für ein bestimmtes Leiden bestätigt wird, mit dieser Information nicht allein gelassen werden. Hier muß für die notwendige Betreuung gesorgt werden. Es darf weiterhin nicht zur Diskriminierung aufgrund der individuellen genetischen Ausstattung kommen. Und es muß insbesondere dafür gesorgt werden, dass der medizinische Fortschritt für alle gleichermaßen verfügbar bleibt. Damit sind nur einige Punkte genannt, denen wir unsere Aufmerksamkeit im medizinischen Bereich schenken müssen.

      Die Diskussion um die Biotechnologie im Agrobereich hat seit 1999 an Schärfe wieder zugenommen. Rückblickend wirkt sich hier die Tatsache, dass nicht von Anfang an eine klare Kennzeichnung der neuen Produkte erfolgt ist, sehr negativ aus. Besonders in Europa konnte dadurch der Eindruck entstehen, dass seitens der Industrie Produkte in den Markt eingeführt werden sollten, ohne für eine ausreichende Information der Verbraucher zu sorgen.

      Auch mag die Tatsache eine Rolle spielen, dass die ersten gentechnisch veränderten Pflanzen vor allem für die Landwirte Vorteile brachten, nicht aber unmittelbar für den Verbraucher. Dass die größten Fortschritte auf diesem Gebiet vor allem in den USA erzielt wurden und von den Firmen dort aggressiv vermarktet worden sind, hat vielleicht noch ein Übriges getan.

      In dieser Diskussion gilt es nun wieder stärker zwischen wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Fragen zu unterscheiden. Noch immer stehen Warnungen vor schädlichen Auswirkungen im Raum und müssen überall dort ernst genommen werden, wo sie nicht jeder Grundlage entbehren. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung wird hier weitergehen. Dabei wird man in zunehmendem Maß auf die Erfahrungen mit großflächigem Anbau in den USA und anderen Ländern zurückgreifen können. Wichtig bleibt für eine Beurteilung natürlich immer der Vergleich mit den bisher eingesetzten Methoden. In Deutschland werden Freisetzungsexperimente von einer umfangreichen Sicherheitsforschung begleitet.

      BMBF-Aktivitäten
      Schon seit 1987 wird durch das BMBF in einem eigenständigen Programm die "Biologische Sicherheitsforschung" im Bereich der Bio- und Gentechnologie gefördert. Aktuelle Ergebnisse wurden anläßlich eines Statusseminars Mitte 1999 vorgestellt.


      Der Mensch wird aber auch weiterhin gezwungen sein, in Zeiten der Unsicherheit zu entscheiden. Der Anspruch, vorausschauend alle denkbaren Risiken auszuschließen, kann schlicht nicht erfüllt werden. Bei der Entscheidungsfindung müssen Chancen und Risiken deshalb gegeneinander abgewogen werden. Dabei definiert sich ein Risiko mathematisch über die Multiplikation einer vermuteten Schadenshöhe mit der Eintrittswahrscheinlichkeit. Bei steigendem Wohlstand werden die Risiken gegenüber den Chancen offenbar immer stärker gewichtet. Auch die Diskussion um Anwendungen der modernen Biotechnologie in der Medizin hat das gezeigt.

      Solange die Chancen in gleicher Weise hypothetisch waren wie die Risiken, überwog eine ablehnende Haltung in der breiten Öffentlichkeit. Eine spürbare Wende hin zur Akzeptanz vollzog sich erst, als die Chancen in Form neuer Medikamente und Therapieansätze für die Öffentlichkeit konkret erfahrbar wurden.


      Ohne Risikobereitschaft ...



      Eine Risikodiskussion bleibt wichtig. Sinnvoll kann sie aber nur geführt werden, wenn sie sich an belegbaren Daten orientiert. Dabei muß eine Forderung an die Wissenschaft sein, dass komplizierte Sachverhalte auch für den Nichtfachmann nachvollziehbar dargestellt werden. Die Forderung an eine eventuelle Kritik der Biotechnologie muß sein, dass sie sachliche Argumente gelten läßt und nicht mit reinen Behauptungen agiert. In der Vergangenheit sind beide Forderungen nicht immer erfüllt worden. Es muß in der Risikodiskussion nicht notwendigerweise einen Konsens geben. Konsens ist wünschenswert, aber nicht zwingend erforderlich. Eine Demokratie lebt meist in einem - hoffentlich konstruktiven - Dissens. Davon wird sie letztlich stark belebt und gewinnt viele Anregungen.

      Ein weiterer, wichtiger Punkt ist die Risikowahrnehmung. Eine große Rolle spielt in diesem Zusammenhang die generelle Einstellung gegenüber dem Unvorhergesehenen. Für einen Forscher ist das Unvorhergesehene das eigentlich Interessante. Er interessiert sich in aller Regel ja für das Neue, das Unentdeckte, dem es nachzuspüren gilt. Ein vorhersagbares Ergebnis ist lediglich hoch willkommen zum Untermauern einer Theorie, ansonsten aber eher langweilig. Die breite Öffentlichkeit ist andererseits schnell beunruhigt, wenn bei einem Experiment etwas anderes herauskommt als erwartet wurde. In der Kommunikation zwischen Forschern und der Öffentlichkeit müssen diese unterschiedlichen Positionen größere Beachtung finden.


      ... kein Fortschritt.







      Von manchen Menschen wird ein gezielter mißbräuchlicher Einsatz der Biotechnologie befürchtet. Die großartigen Möglichkeiten, die sie bei positiver Anwendung eröffnet, könnten bei Mißbrauch womöglich zu schlimmen Konsequenzen führen. Es ist daher verständlich, wenn sich angesichts des großen Potentials gerade in der Gentechnik auch Unbehagen einstellt. Dieses Unbehagen richtet sich nicht zuletzt auf einen Einsatz der neuen Methoden im militärischen Bereich.

      Eine solche Anwendung ist zwar denkbar. Man kann durch eine ganze Reihe von Methoden gefährliche Mikroorganismen noch gefährlicher machen. Deutschland allerdings wird keine biologischen Waffen entwickeln und hat sich durch Ratifizierung einer internationalen Konvention hierzu bekannt. Entsprechende Arbeiten sind bei uns gesetzlich verboten. Es muß Ziel der Politik sein, ein Verbort solcher Arbeiten auch in den Ländern zu erreichen, die das Abkommen bislang noch nicht ratifiziert haben.




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      Updated: September 28, 2000 by ISB
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      Avatar
      schrieb am 03.10.00 18:07:05
      Beitrag Nr. 58 ()
      Prognosen sind schwierig...
      ...besonders wenn sie in die Zukunft gerichtet sind

      Dieses nicht ganz ernst gemeinte Zitat soll daran erinnern, dass Vorhersagen sicher ihren Wert haben, aber nur selten mathematisch exakt sein können. Das macht ja vielleicht auch ihren Reiz aus. Es soll an dieser Stelle trotzdem versucht werden, ein wenig in die Entwicklung der nächsten Jahre hinein zu denken.


      Gemeinsames Erbe: Trotz ihrer Vielfalt unterscheiden sich Menschen in ihrer genetischen Ausstattung nur wenig.





      Wenig Zweifel gibt es daran, dass die Biotechnologie in den nächsten Jahren ihren Siegeszug fortsetzen wird. Vor allem den Erfolgen im medizinischen Sektor werden sich weitere zugesellen. Fachleute gehen davon aus, dass schon Ende der 90er Jahre jedes neu entwickelte Medikament von den Erkenntnissen der Biotechnologie profitierte. Die Sequenzierung des menschlichen Genoms wird einen neuen Erkenntnisschub auslösen und viele Ansatzpunkte für die Bekämpfung von Krankheiten liefern. Dabei dürften die Therapien immer individueller auf die genetische Ausstattung der einzelnen Patienten zugeschnitten werden.

      Neue Therapieformen wie die Somatische Gentherapie, aber auch neue Transplantationsverfahren und andere mehr werden getestet und möglicherweise in die medizinische Praxis eingeführt werden. Hier werden insbesondere auch solche Verfahren Bedeutung erlangen, die sich vorbeugend gegen Zivilisations- und Infektionskrankheiten richten.

      Bei allem Fortschritt in der Medizin werden wir die biologische Uhr aber nicht anhalten können. Das hätte unter Evolutionsaspekten ja auch keine Vorteile für die Gattung Mensch. Der Mensch wird sich als Individuum daher trotz der zukünftigen Möglichkeiten damit abfinden müssen, dass es keine lebenslange körperliche Frische geben kann. Den Traum von ewiger Jugend und Gesundheit wird er nach heutiger Erkenntnis nie realisieren können.

      Die Medizin kann dank neuer Erkenntnisse und Verfahren die menschlichen Gebrechen zwar erheblich besser bekämpfen als noch vor einigen Jahrzehnten. Aber bekannte und neue Krankheiten, Unfälle und der schlichte Alterungsprozeß werden uns weiterhin begleiten. Diesen Umstand müssen und können wir akzeptieren. Andererseits wird es das Bestreben des Menschen bleiben, gegen das anzukämpfen, was er als Beeinträchtigung seiner Lebensqualität empfindet. Hier stehen Krankheiten sicher ganz vorne an. Man wird im Zuge des medizinischen Fortschritts dann darauf achten müssen, dass eine weitgehende Beherrschung bestimmter Leiden nicht dazu führt, dass die dennoch Betroffenen womöglich ausgegrenzt werden. Gerade diese haben die Aufmerksamkeit und Zuwendung der Gesunden besonders nötig. Ein Diskriminieren von kranken Menschen darf es nicht geben.

      Auch die medizinische Diagnostik wird sich erheblich verbessern. Die intensive Untersuchung der menschlichen Erbsubstanz macht es bereits heute möglich, die Anfälligkeit gegenüber bestimmten Krankheiten durch DNA-Analyse genau und schnell vorher zu sagen. Diese Diagnosen werden immer stärker automatisiert und für immer mehr Krankheiten zur Routine werden. Wenn dabei die Veranlagung für ein Leiden erkannt wird, das noch nicht therapiert werden kann, können für den Patienten schwierige Situationen entstehen. Auch die pränatale Diagnostik kann Entscheidungen erforderlich machen, die früher gar nicht möglich und daher auch nicht nötig waren. Mit diesen neuen Entscheidungsoptionen muß daher sehr bedacht umgegangen werden, damit sie nicht zu Zwängen werden.

      Die Vorteile der diagnostischen Möglichkeiten liegen andererseits auf der Hand. Die Disposition für eine bestimmte Krankheit zu kennen, erlaubt es dem Betroffenen, sich entsprechend des neuesten Kenntnisstandes zu verhalten. Selbst dort, wo Therapien noch nicht möglich sind, kann das von Vorteil sein. Man muß sich auch bewußt machen, dass zumindest in den Familien, die mit Erbkrankheiten belastet sind, meist schon das Wissen um eine Anfälligkeit für diese Krankheit vorhanden ist. Eine DNA-Diagnose kann hier latente Besorgnis sowohl zu entlastender wie deprimierender Gewißheit machen. Im ersteren Fall werden die Untersuchten erheblich an Lebensqualität gewinnen. Im anderen Fall, wenn der Test eine angenommene Disposition bestätigt, ist das Ergreifen von - zum Teil sehr schwerwiegenden - präventiven Maßnahmen nun zumindest klar begründet. Diese müssen nicht mehr auf Verdacht eingeleitet werden.

      Auswirkungen der neuen diagnostischen Möglichkeiten auf das Verhältnis von Versicherten zu Kranken- oder Lebensversicherern, auf die Einstellungsuntersuchungen von Arbeitnehmern bis hin zur Wahl des Ehepartners werden gleichfalls intensiv diskutiert. Es bleibt zu klären, in welchem Maß die neuen Möglichkeiten hier einbezogen werden können und sollen.

      Nicht zuletzt wird man die neuen diagnostischen Verfahren auch nutzen, um die Wirkung eines bestimmten Therapeutikums auf einen Patienten vorherzusagen. Hier spielt u.a. die Ausprägung bestimmter enzymatischer Aktivitäten in unterschiedlichen Individuen eine Rolle. Von diesen Kenntnissen wird auch bei der Austestung neuer Medikamente Gebrauch gemacht, so dass es in Zukunft vielleicht insgesamt mehr Zulassungen für Medikamente geben wird, die sich dann jeweils an kleinere Patientenkollektive wenden. Dies hat damit zu tun, das man schon die Austestung eines Medikaments auf einen Patientenkreis konzentrieren kann, der wegen seiner genetischen Ausstattung auf den Wirkstoff gut anspricht und nur geringe Nebenwirkungen zeigt. Daraus könnte sich eine neue Aufteilung des Pharmamarkts mit Rückwirkungen bis hin zur Neuausrichtung der Pharmaindustrie ergeben.

      Von Entwicklungen im medizinischen Bereich sind wir alle besonders betroffen. Die neuen Möglichkeiten haben in der Vergangenheit daher immer wieder für Diskussionen gesorgt und werden das wohl auch in Zukunft tun. Wir werden uns neuen Herausforderungen in Wissenschaft und Politik immer wieder stellen müssen. Die Mechanismen und Foren, die in der Vergangenheit den gesellschaftlichen Dialog getragen haben, werden in Zukunft vielleicht eine noch größere Bedeutung gewinnen.

      BMBF-Aktivitäten
      Mit bioethischen Fragen haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Gremien und Institutionen beschäftigt. Im Mittelpunkt der Betrachtung standen Fragen der HumanGenomforschung.

      Innerhalb der Förderung der HumanGenomforschung hat das BMBF den ethischen, rechtlichen und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen besondere Betrachtung geschenkt. Zusammen mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat das Ministerium eine neue Initiative gestartet. Ziel ist es, die praktische Ethik in der Wissenschaftslandschaft zu stärken. Der Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit soll versachlicht, die Zusammenarbeit der Forscher gefördert werden - über die Grenzen einzelner Disziplinen hinweg. Neben dem Aufbau eines Referenzzentrums zur Dokumentation und Sammlung von Informationen auf dem Gebiet der Ethik in den Biowissenschaften durch das BMBF, stellt die DFG Mittel für Forschungsprojekte auf diesem Gebiet zur Verfügung.


      Die möglichen Anwendungen der Biotechnologie in der Landwirtschaft sind zahlreich. Es wird nüchtern zu prüfen sein, ob sich die Vorteile, die in den neuen Varietäten gesehen werden, auch wirklich ergeben. Eine Reduzierung der Aufwandmengen an Herbiziden und Insektiziden in der Landwirtschaft ist seit vielen Jahren - und nicht zu Unrecht - gefordert worden.

      Pflanzen, mit denen unter Beibehaltung der Erträge einer solchen Forderung entsprochen werden kann, sind daher schon lange das Ziel klassischer Züchtungsversuche. Wenn solche Pflanzen jetzt verfügbar sind und keine anderweitigen Nachteile haben, spricht nichts gegen einen umsichtigen Einsatz. Sie könnten uns einem lang angestrebten Ziel ein gutes Stück näher bringen. Verminderte Aufwandmengen an Herbiziden und Insektiziden sind ja nach wie vor ökologisch begrüßenswert.

      Durch die neuen Methoden werden zahlreiche andere Pflanzen mit verbesserten Eigenschaften vorstellbar. Dazu gehören solche mit veränderten Inhaltstoffen, von denen Ansprüche der menschlichen und tierischen Ernährung besser erfüllt oder die an technische Erfordernisse optimal angepaßt werden können. Eine entsprechende Unbedenklichkeit vorausgesetzt, werden solche Produkte zunehmend ihren Weg in den Markt finden. Die letzten Jahre haben allerdings gezeigt, dass man dies nicht erzwingen kann. Vielmehr wird das nur im offenen Dialog mit dem Verbraucher und durch eine entsprechende Bewerbung der Produkte möglich sein.

      Der Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen in der Landwirtschaft ist notwendigerweise mit einer Freisetzung verknüpft. Solche Freisetzungen müssen weiterhin sorgfältig begleitet und kontrolliert werden. Aus den weltweit gewonnenen Erkenntnissen sollten sich aber zuverlässige Regeln für einen verantwortlichen Umgang mit diesen Pflanzen ableiten lassen.

      Die Biotechnologie hat in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts einen großen Sprung nach vorn gemacht. Die Fülle des Wissens, die sie uns beschert hat, ist enorm.

      Wir können es nutzen, um bestehende Produktionsprozesse ökonomisch und ökologisch zu verbessern. Immer mehr neue Anwendungen werden in Medizin, Landwirtschaft und vielen anderen Bereichen vorstellbar. Diese können dazu beitragen, unsere Lebensqualität weiter zu steigern. Eine neue Branche hat sich geformt und bietet Arbeitsplätze mit Anforderungsprofilen, auf die sich unser Ausbildungssystem flexibel einstellen muß. Das BMBF hat die Entwicklung der Biotechnologie in Deutschland mitgestaltet und gefördert. Es wird diese Entwicklung auch in Zukunft intensiv begleiten und dabei mitwirken, dass die vielen Möglichkeiten, die sich uns bieten, verantwortlich genutzt werden.
      Avatar
      schrieb am 03.10.00 18:11:24
      Beitrag Nr. 59 ()
      so leute

      das soll`s erst mal gewesen sein. ich hoffe, ihr bekommt durch die berichte einen überblick über die grundlagen der biotechnologie.

      natürlich werde ich auch zukünftig hier berichte reinstellen, immer, wenn es interessantes & lesenswertes gibt, ihr könnt das gerne ebenfalls tun, wenn ihr einen entsprechenden beitrag findet.

      ich bin nun der meinung, dass ich info`s zu einzelfirmen vielleicht in einen anderen oder extra thread bringen werde, da dieser hier im prinzip nur die grundlagen behandeln soll.

      ich bedanke erst mal für euer interesse.


      gruss

      shakesbier - der biotechinvestor :eek:
      Avatar
      schrieb am 04.10.00 20:46:23
      Beitrag Nr. 60 ()
      hi shaky,

      vielen Dank für die Arbeit mit dem Text kopieren. Ein einfacher Link auf die Seite

      http://www.dechema.de/deutsch/isb/broschuere/basis.htm

      hätte es wahrscheinlich nicht getan, weil dann keiner alles so ausführlich gelesen hätte, wie halt in diesem Forum hier.

      earchy
      Avatar
      schrieb am 05.10.00 12:55:50
      Beitrag Nr. 61 ()
      Hi Shaky
      erstmal vielen Dank für Deine enorme Mühe, die Du Dir hier gemacht hast. Ich finde das sehr informativ, und ich habe daraus einiges gelernt. Nun aber einige kritische Anmerkungen:

      Als niedergelassener Arzt bin ich täglich damit konfrontiert, dass ich Medikamente verschreibe, die eigentlich nicht mehr dem Stand der heutigen Möglichkeiten entsprechen. Ich bin gezwungen, auf-grund der Drohungen mit Arzneimittelregress, Medikamente zu verschreiben die ich selber im Krank-heitsfalle nicht mehr nehmen würde. Auch meinen Angehörigen wurde ich bessere modernere Medi-kamente verschreiben weil sie deutlich nebenwirkungsärmer sind als die klassischen Vorgänger, die einen einzigen Vorteil besitzen, nämlich deutlich billiger zu sein. Angekündigte Innovationen mögen manch einen Börsenanalysten bezüglich der entsprechenden Pharma AG in Euphorie versetzen. Ich befürchte, dass außer Acht gelassen wird, dass ein Medikament nicht einfach eine Ware wie ein Handy ist, dass auf einen kaufbereiten Markt trifft. Ich glaube, dass wir aufgrund der ökonomischen Situation erst am Beginn von Restriktionen stehen, mit dem Ziel die Kostenflut, die mit medizinischen Innovationen verbunden ist, einzudämmen.

      Diese Kostenflut entsteht nur teilweise durch betrifft die Kosten für die Innovationen direkt. Außer Acht gelassen wird ein weiterer Effekt der medizinische Innovationen mit sich bringt: Sie erzeugen durch eine Verlängerung der Lebensdauer von Patienten immense Folgekosten, weil solche Menschen ja nach Heilung ihrer Grunderkrankung nicht automatisch gesund sind. Menschen die z. B. an Alzheimer leiden sind ja in der Regel polymorbide, d. h. haben noch etliche andere Krankheiten, die bei einer Verlängerung der Überlebensdauer ebenfalls kräftig zu Buche schlagen. Das scheint zunächst mal eine äußerst inhu-mane Art zu denken zu sein, aber leider ist es Fakt. Neulich habe ich von einer Schätzung gehört, sofern man so etwas überhaupt schätzen kann, dass man, wenn man das Insulin nicht erfunden hätte, die Krankenversicherungsbeiträge um 30% niedriger wären!!!!!!!!
      D. h. mit Erfindung des Insulins konnte das Leben von Millionen von Diabetikern erfolgreich verlängert werden, aber die Folgeerkran-kungen, erzeugt durch den Diabetes, wurden dadurch natürlich nicht geheilt sondern sind weiterhin behandlungsdürftig, das reicht von augenärztlichen bis zu neurologischen und urologischen Be-handlungsnotwendigkeiten. Die Erfindung des Insulins belastet unser Portemonnaie nicht nur durch die paar Mark für jedes Insulinfläschchen sondern erzeugt Kosten in gigantischer Höhe. Ähnliches wird passieren, wenn „das" Medikament gegen HIV gefunden wird oder gegen Alzheimer. Zwangsläufig müssen dann Krankenversicherungsbeiträge auf 50/60 oder gar 70 (?)% steigen, was wohl politisch kaum durchsetzbar ist. Nur, was dann?

      Noch mal, diese Art zu denken mag vielen inhuman erscheinen, ich möchte betonen, dass ich z. B. die Erfindung des Insulins für einen Segen halte, aber die politische Aufgabe die Kosten von solchen Innovationen zu tragen und zu verteilen ist nicht gelöst und die Frage ist auch, ob dies überhaupt lösbar ist. Solange dies so ist, bleibt die Frage offen, wer denn die enormen Gewinne der Pharmafirmen finanzieren soll. Ich fürchte, daß teilweise in der ganzen Biotechdiskussion das Fell des Bären verteilt wird, bevor er erlegt ist.
      Ich bin bestimmt kein Gegner der Biotechwerte, bin selber zu 15% meines Depots darin investiert (Vertex), halte aber die Erwartungen teilweise für überzogen.

      Gruß Lothar
      Avatar
      schrieb am 05.10.00 21:42:24
      Beitrag Nr. 62 ()
      lok,

      danke lok für diese Darstellung.
      Ich finde das in der Tat bedenklich.
      Auch meine Docs jammern über den Kostendruck. Aber was der Patient bekommt ist eine Medizin und das reicht ihm, denn er kommt ja vom Arzt. Bisher war der Doc immer jemand, dem man vertrauen mußte und dem man vertrauen konnte. Doch heute erfährt der Patient lange nicht, was er hätte anderes bekommen können. Er ist hilflos dem System ausgeliefert. Und wer krank ist, nimmt fast alles an.

      Auch der Berufsstand der Artzes wird sich verändern. Ich glaube meinem Arzt schon lange nicht mehr alles was er mir verkaufen will. Und ich habe bereits mehrfach ärztliche Anweisungen missachtet und bin meinem Instinkt gefolgt. Und ich bin die Infektion auch ohne Antibiotika losgeworden. Dies kann, das weiß ich, auch schiefgehen.

      Nun ja, jedenfalls ist die von Dir beschriebene andere Darstellung in der Sicht der Dinge sehr bedenklich. Ich habe das so noch nie gesehen.

      earchy
      Avatar
      schrieb am 05.10.00 22:59:22
      Beitrag Nr. 63 ()
      Hallo Shaky,

      hervorragend, diese Übersicht über die Grundlagen der Biotechnologie. Tausend Dank für Deine Mühen, sie hier in das Board gestellt zu haben.

      Leider muß ich den Einwendungen von lok recht geben, daß die derzeitige Budgetierungspraxis im deutschen Gesundheitswesen in geradezu unverantwortlicher Weise der breite Anwendung von neuen, guten und meist auch sehr teuren Medikamenten sehr enge Grenzen setzt. Wiedersprechen muß ich lok alllerdings in seiner Argumentation, daß die Nicht-Finanzierbarkeit solcher Behandlungen vor allem an den hohen Preisen entsprechender Medikamente liegen soll. Gerade im deutschen Gesundheitswesen werden nämlich Unmengen von Krankenversicherungsbeiträgen anderweitig verschleudert: als explosionsartig gestiegenen bloßen Verwaltungskosten der Krankenversicherungen oder auch im Rahmen des ziemlich unkontrollierbaren Abrechnungssystems für ärztliche Leistungen.

      Nichts für ungut, lok.

      - Bernd -
      der ohne Medikamente arbeitet
      Avatar
      schrieb am 06.10.00 14:14:26
      Beitrag Nr. 64 ()
      Bei diesem Thread kann man richtig in Schwärmen geraten. Bin heute durch Zufall darauf gestossen und möchte mich schon nach einer Stunde eifrigen Lesens recht herzlich bedanken. Bei all den Gedanken, die auch volkswirtschaftliche Aspekte beinhalten, erscheint mir die Frage "wer soll das bezahlen" recht interessant. Hier ist auch der Gedanke erlaubt "wie entsteht der Mehrwert". Solange die Menschen in erster Linie an ihre Vernichtung denken, wird sich so etwas sicherlich nicht verändern. Wodurch entsteht der Mehrwert einer Volkswirtschaft, wenn ich Panzer herstelle, die eigentlich nur eine Materialverschwendung ist, zweifelsohne aber Mehrwert in einer Volkswirtschaft erzeugt. Warum also sollte nicht auch die Gentechnologie Mehrwert entstehen lassen, wenn der Mensch die vorhandenen Recourcen dazu einsetzt, sich selbst ein gesünderes, längeres und angenehmeres Leben zu ermöglichen. Wenn ich beispielsweise dem Pfleger in einem Altenheim den gleichen Status zuerkenne, wie er dem Ing. in einer Waffenschmiede in unserer Gesellschaft zuerkannt wird, dieses gilt natürlich auch der entsprechenden Entlohnung. Hier entsteht auch Mehrwert und führt zu dem volkswirtschaftlichen Kreislauf und dann liesse sich auch diese ganze Zunkunftorientierung bezahlen. Aber wie gesagt, der Mensch sollte langsam anfangen von der "sich vernichten wollen" zu der "leben wollen" Orientierung überzuwechseln.
      Herzlichst
      Bountie
      Avatar
      schrieb am 09.10.00 11:37:52
      Beitrag Nr. 65 ()
      @earchy
      Deine Antwort hat mich etwas erschreckt, ich fürchte Du hast da was mißverstanden. Es gibt keinen Grund daraus grundsätzliches Mißtrauen gegen Deinen Arzt abzuleiten. Ich mache es beispielsweise so, daß ich in jedem Falle ein herkömmliches Präparat verordne, alles andere wäre Selbstzerstörung, bei geringsten Zeichen von Unverträglichkeit jedoch greife ich zu einem Modernen und stelle gleichzeitig einen Antrag mit individueller Begründung auf Herausnahme aus meinem Medikamentenbudget. Ein enormer Aufwand für mich, aber ich kenne viele Kollegen, die es ähnlich machen. Sprich mit Deinem Arzt darüber, wenn Du danach immer noch mißtrauisch sein solltest dann mußt (!) Du wechseln. Falls Du mal ernsthafter krank weden solltest brauchst Du einfach einen Arzt, dem Du vertrauen kannst.

      @shakesbier
      Sorry, ich weiß, das gehört nicht in Deinen Thread, aber das mußte sein.
      Ich hätte gerne auch Deine Antwort auf meine Mahnung gehört, nicht allzu euphorisch auf Biotechwerte zu setzen. Vor allem möchte ich nochmal betonen, daß das ein grundsätzliche Problem des exponentiellen Wachstums im Gesundheitswesen ist, das in jedem Fortschritt immanent begründet liegt. Jeder grosse Schritt in der Pharmakologie oder Medizintechnik hat einen massiven teilweise unvorhersehbaren Kostenanstieg zur Folge, der sozialen Brennstoff birgt. Die Politik muß mit Restriktionen antworten, wenn der Fortschritt in der Medizin schneller ist, als das gesellschaftliche Wachstum.
      Umverteilungsmaßnahmen und Suchen nach Sündenböcken ( @MCNolde) können nur kurzfristig helfen, trösten und die Uhr vielleicht um 1-2 Jahre zurückdrehen, aber das grundsätzliche Problem wird so nicht gelöst, ist vielleicht auch nicht lösbar.
      Avatar
      schrieb am 09.10.00 20:31:28
      Beitrag Nr. 66 ()
      @lok

      Das was Du sagst, wird dem Pharmakartell auch Kummer bereiten, aber heut stand ein interessanter Bericht im Focus, dass 40% der Kosten in Groß- und Einzelhandel (Apotheken) gehen und mit eigentlich geringfügigen Gesetzesänderungen große Einsparungen erreicht werden können. Andrea Fischer:"Das Internet wird den Vertrieb für Arzneimittel verändern"

      Außerdem würde ich die Bereitschaft privat in den Bereich zu investieren, nicht unterschätzen. Ich esse, weil ich keinen Fisch esse, aber mir habe einreden lassen, dass das gesund sein soll, jeden Monat für 30 DM irgendwelche Kapseln, von denen ich hoffe, dass sie zumindest nicht schädlich sind. Was in der Drogerie an Heilsäften und über diverse Strukkis an Wundersäften (mtl. ca. 100 DM) vertrieben wird, ist bestimmt auch enorm.

      Diejenigen, die sich durchsetzen, werden ihre Produkte preiswert anbieten können (müssen); Vergleich mit dem Handy: 1994, also vor sechs Jahren hat es mich ca. 1500 DM im Monat gekostet, jetzt ist es eher Statussymbol keins zu haben.

      Billi - der hofft, dass er seine zukünftigen Ausgaben für Biotech-Produkte aus dem Verkauf seiner Biotech-Aktien und -fonds realisieren kann
      Avatar
      schrieb am 09.10.00 21:44:34
      Beitrag Nr. 67 ()
      Hallo,
      arbeite seit nunmehr ca. 25 Jahren im Gesundheitswesen. Juckt mich von daher schon, einiges zu dem Gelesenen (insbesondere zum Arzt-Patientenverhältnis) zu schreiben. Ist allerdings nicht der richtige Thread.
      Deshalb an dieser Stelle nur ein Gedanke zur Kostenübernahme. Ein wesentlicher Teil der zukünftigen Medizin wird individueller einsetzbar sein - und schon von daher teurer. Bezahlen werden das die, die bezahlen können. Simpel gesprochen: Unter dem Strich kommt genauso viel Geld (für das Unternehmen) raus, nur daß es weniger Leute rüberreichen und daß das alles nicht mehr im Rahmen einer Solidargemeinschaft ablaufen wird. Im Grund verschärft sich damit zumindest vorübergehend die Zweiklassenmedizin, die wir seit einiger Zeit haben. Vorübergehend deshalb, weil ich hoffe, daß sich auch hier Wege billigerer Herstellungsweise finden lassen, so daß letztlich ein Massenmarkt erschlossen wird.
      Lange Rede, kurzer Sinn: Um die AGs mache ich mir deshalb wirklich am wenigsten Sorgen. Da würde mich schon allein der kalkulatorische Aufwand beruhigen, den die in der Regel betreiben.
      Schwer, in der Kürze zu diesem wichtigen Thema einen passenden Gedanken zu formulieren. Kriegt auch schnell was Zynisches. Ist tatsächlich nicht gewollt.
      Tschüß - Goodluck!
      Avatar
      schrieb am 10.10.00 09:38:20
      Beitrag Nr. 68 ()
      Hallo Shaky,
      kennst Du den Global Biotech Investing - Börsenbrief (kommst von einer Börse Inside AG, Zürich? Habe ein Probeexemplar erhalten, steht wenig zum Hintergrund der Aktien, aber charttechnisch evtl. o.k.
      Gruß eschi
      Avatar
      schrieb am 10.10.00 09:41:16
      Beitrag Nr. 69 ()
      nein, eschi

      kenn ich nicht. charttechnik interessiert mich nicht bei biotechs, nur die fundamtental`s.

      gruss
      shakesbier - der biotechaktionär :eek:
      Avatar
      schrieb am 10.10.00 09:50:20
      Beitrag Nr. 70 ()
      shaky,

      kannst Du mir sagen, wo ich fundamental´s nachlesen kann (Internet oder Börsenbrief oder ??)

      Gruß eschi, der auch gerne mehr über Biotech fundamental´s wüßte
      Avatar
      schrieb am 10.10.00 10:00:50
      Beitrag Nr. 71 ()
      kleine übersicht, danach kannst du selber stöbern:

      http://www.redmailorder.com/boerse/bmag33.htm


      gruss
      shakesbier
      Avatar
      schrieb am 10.10.00 11:28:39
      Beitrag Nr. 72 ()
      hallo shaky,
      umwerfende Informationsfülle!!!

      Muss aber wohl doch mein Englisch auffrischen bei so einem Angebot.

      Danke
      eschi - der jetzt nen Kaffee aus der solis rausläßt
      Avatar
      schrieb am 10.10.00 12:38:28
      Beitrag Nr. 73 ()
      shaky,
      auch sorry for den Übergriff...

      BillGehts,
      "Das Internet wird den Vertrieb für Arzneimittel verändern"...
      klar, aber eher die internen Vertriebsstrukturen vom Hersteller bis zur Abgabestelle.
      Auch bestehen (meinerseits) keine Bedenken, Aspirin über das Internet zu bestellen,
      oder "härtere" Dinge per Fax, Telefon oder Internet in der Apotheke vorzubestellen.
      Das Problem bei der Auslieferung von Medikamenten ist, das die Abgabestelle für den
      Verbraucher prüfen können muß, ob das was auf der packung drauf steht auch drin ist.
      Beispiel1: im Fernsehen wird über ein neues Haarwuchsmittel berichtet das aber verschreibungspflichtig
      ist. Aufgabe der abgebenden Apotheke ist es unter anderem, auf dem Rezept zu prüfen, ob das Mittel
      für einen Mann verschrieben wurde. Insbesondere ist der Frau mit auffällig dünnen Haarwuchs, die das
      Rezept abholt "ins Gewissen zu reden", daß das Mittel ausdrücklich nur für Männer ist.
      Der Grund: bei Frauen kann das Mittel tödliche Folgen haben.
      Solche Detail werden im Fernsehen oder im Internet aus Wunschdenken gerne überhört/überlesen.
      Beispiel2: Ein Erwachsener will Nasentropfen. Apotheker muß fragen ob für Erwachsenen oder Kind,
      weil es sonst fatale Folgen haben kann für das Kind. Ja... das kann man doch wie bei Amazon online
      anklicken.... Aber die Packungen (zB Olynth, Ortiven) sehen alle so gleich aus, das auch im Lager
      des Pharmagroßhandels mal eine Palette vertauscht werden kann. Die Apotheke kann das dann
      noch gerade biegen.

      Daß die nordrheinwestfälische Gesundheitsministerin (auch-)Fischer (vor 2 Jahren) keine Ahnung vom
      Gesundheitswesen, insbesondere dar Apotheken hat, war seh schön zu erkennen an dem Vortrag,
      den sie damals for den Apothekerverband in Münster gehalten hat, insbesondere an den sachlichen
      Reaktionen der anwesenden.

      Ich bin selbst kein Apotheker, lebe und arbeiter aber in der von meiner Frau.
      Das zumindest unsere Klitsche keine Zukunft hat, aber eben will mir das Thema Pharma
      und Biotech täglich nahesteht, investiere ich in Biotech, per Ende September mit ca +200%
      in diesem Jahr durch kaufen und liegenlassen.

      Gruß
      Forticus
      Avatar
      schrieb am 10.10.00 12:42:52
      Beitrag Nr. 74 ()
      BillGehts,
      jetzt habe ich doch glatt was vergessen.
      Was den Apothekern und Ärtzen in den 70er Jahren immer vorgeworfen
      wurde, das machen jetzt die gesetzlichen Krankenkassen:
      auf Kosten der Versicherten bauen sie sich Glaspaläste.
      Da es aber sehr große sind im Zentrum der Städte tragen sie als
      "öffentliche Kunst" zur Verschönerung manchen Stadtbildes bei.
      Das ist natürlich etwas anderes, als wenn sich vor 20 Jahren jemand
      mit hohen Schulden in die Selbständigkeit stürzte und über die Jahre
      ein schickes Häuschen im Grünen dabei abfiel.

      Gruß
      Forticus der sich vor 3 Jahren in die Selbständigkeit stürzte,
      ohne Schulden zu machen aber immer noch kein Häuschen hat.
      Avatar
      schrieb am 12.10.00 18:10:20
      Beitrag Nr. 75 ()
      Hi Bio`s,
      gute Threads gehören nach oben.

      Und hier noch ein bißchen Basiswissen zum Thema Biochips:


      Überall da, wo Erbsubstanz analysiert werden soll, setzen die Forscher große Hoffnungen auf sogenannte
      Biochips. In der medizinischen Diagnose, bei der Entschlüsselung des menschlichen Genoms, sogar in der
      Lebensmitteltechnik und im Umweltschutz sollen die Chips schnelle und exakte Ergebnisse liefern.

      Das Prinzip der Biochips ist einfach: Auf Chips von etwa 1 cm2 Größe wird Erbmaterial, dessen Aufbau
      bekannt ist, in kleinen Stücken aufgetragen. Durch eine biochemische Reaktion wird dieser DNS-Teil mit einer
      Probe versetzt, die Erbmaterial enthält, dessen Aufbau unbekannt ist. Paßt die DNS aus der Probe zu der auf
      dem Chip, kommt es zu einer biochemischen Paarung und zu einem analytisch auswertbaren Signal,
      herkömmlicherweise einem Fluoreszens- oder einem radioaktiven Signal.
      Diese Chiptechnologie, die anfangs von Wissenschaftlern mit Skepsis betrachtet wurde, weckt nun auch
      zusehends in der Fachwelt reges Interesse. In Amerika ist der Biochip schon längst kein exotisches Thema
      mehr, nun zieht auch Europa langsam nach. Mit einigen Jahren Verspätung entstehen Firmen, werden
      Forschungsgelder vergeben und hält das Thema Einzug in die Hochschulen.
      Auch in Deutschland werden im Moment sehr viele Verfahren entwickelt, um die lebende Materie auf den
      Chip, meist aus Silizium oder Polypropylen, zu bannen. Die einen synthetisieren photolithographisch
      gesteuert, andere naßchemisch das Molekül direkt auf dem Chip. Wieder andere "bauen" erst das Molekül
      und binden es dann biochemisch als ganzes auf die gläserne oder Kunststoff-Unterlage. Welches Verfahren
      sich behaupten oder ob sich eines der Verfahren überhaupt durchsetzen wird, weiß noch keiner zu sagen.
      "Wahrscheinlich werden sich mit der Zeit verschiedene Herstellermethoden auf die Anforderungen der
      Anwender spezialisieren", so Dr. Jörg Hoheisel, Leiter des Abteilung Funktionale Genomanalyse im
      Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. auf einer Tagung der Dechema kürzlich in Frankfurt.
      Auf einem Chip können sehr viele Moleküle fixiert werden - mehrere zehntausend auf sogenannten "high
      density arays". Deshalb ist es möglich, mit einem Analysengang quasi Tausende von Analysen parallel
      durchzuführen und so eine außerordentlich große Menge an Information zu erhalten, mehr als ohne die
      Chiptechnologie jemals möglich wäre.
      An dieser Stelle ist die Bioinformatik gefordert. Die Informationen sind bis dahin noch rohe Daten, die mit
      passenden Rechnerprogrammen ausgewertet werden müssen. Hier besteht noch ein deutlicher Engpaß in der
      Chiptechnologie, da die Auswertung und Interpretation der Daten wesentlich mehr Zeit erfordern, als die
      Analyse selbst.
      Viele Forscher aus dem medizinischen und pharmazeutischen Bereich arbeiten mit Biochips, auf denen das
      Hefe-Genom fixiert ist. Hefen mit ihren insgesamt rund 6000 Genen zu untersuchen, ist natürlich eine weit
      weniger komplexe Aufgabe als die Untersuchung der menschlichen Gene. In den Labors von Novartis oder
      der Bayer AG sind die Chips schon ein fester Bestandteil der Forschung geworden. Hier erhofft man sich von
      der neuen Technologie unter anderem wichtige Aufschlüsse über Erbkrankheiten oder Krebserkrankungen
      und die Wirkmechanismen neuer Medikamente. Dr. Stefan Wohlfeil, Leiter der Abteilung Antiinfektiva bei der
      Bayer AG Wuppertal, schätzt, daß die Technik der Biochips in drei bis fünf Jahren in der Pharmazie
      routinemäßig angewendet wird.
      Zur Zeit werden DNS-Chips für ganz verschiedene Anwendungsgebiete entwickelt. Ein Beispiel aus der
      Tumorforschung beschäftigt sich mit der Analyse der Genkopienzahl. Ist diese bei Genen, die für die
      Zellteilung verantwortlich sind, erhöht oder vermindert, so ist das ein wesentlicher Faktor für die Entstehung
      von Krebszellen. Durch eine quantitative Analyse der betreffenden Gene mit dem Biochip kann die
      Entstehung von Krebszellen frühzeitig erkannt werden.
      Ein neuer Forschungszweig der Pharmazie, die Pharmakogenomik, geht davon aus, daß jeder Mensch durch
      kleine Veränderungen im Erbgut "seine eigene Krankheit" besitzt und deshalb auch eine individuelle
      Behandlung benötigt. Gerade in der Onkologie sprechen oft nur 20 % bis 30 % der Patienten auf spezielle
      Wirkstoffe an, die anderen 70 % können sie, oft genetisch bedingt, nicht verwerten. Die Menge an
      Information, die notwendig ist, um die Ursachen dieses Problems zu finden, kann man nur mit Hilfe der Chips
      ohne allzu großen Aufwand erhalten.
      Wie aber ist mit den DNS-Chips, sofern sie erst einmal einsatzbereit sind, umzugehen? Prof. Claus Bartram,
      Direktor des Instituts für Humangenetik und Anthropologie der Universität Heidelberg betont, daß durchaus
      Vorsicht geboten ist: "In den USA geht zwar vieles schneller, aber nicht unbedingt besser." So sei von einer
      der führenden US-Biotech--Firmen auf diesem Gebiet ein Chip entwickelt worden, der Mutationen im
      sogenannten BRCA1-Gen (breast cancer 1) entdecken kann , die für den Brustkrebs verantwortlich sind.
      Dieser Test wurde auf den Markt gebracht und in vielen Arztpraxen angewandt. Ärzte stellten mit Hilfe des
      Chips bei ihren Patientinnen die Diagnose, sie seien Brustkrebs-gefährdet. Viele der betroffenen Frauen
      gerieten daraufhin in Panik und ließen sich ihre gesunden Brüste amputieren. Dieses Beispiel zeige, so
      Bartram, daß frühzeitig genau geregelt werden muß, wo, von wem und zu welchem Zweck ein Chip eingesetzt
      werden darf.
      Die Anwendungsgebiete der Biochips erstrecken sich weit über die Medizin und Pharmazie hinaus. Überall,
      wo Gene eine Rolle spielen, sind sie einsetzbar. In der Lebensmittelindustrie beispielsweise können sie zur
      Identifizierung gentechnisch veränderter Lebensmittel eingesetzt werden. So sind Salmonellen schon in
      kleinen Mengen über ihre DNS leicht aufzuspüren. Auch der Umweltschutz sieht Möglichkeiten, den Biochip
      einzusetzen. So arbeitet Hoheisel an der Entwicklung von Biochips zur Analyse von Bakterien im
      Klärschlamm.
      Weltweit, so Hoheisel, kann man allerdings noch immer nicht von einer wirklichen Chiptechnologie sprechen.
      Vieles ist noch im Versuchsstadium, die Automatisierung der Technologie ist noch wenig gereift. Außerdem
      sind die Chips im jetzigen Stadium noch deutlich zu teuer. Um sie in der Routineanalytik nutzen zu können,
      müßte ihr Preis etwa um den Faktor 1000 sinken.
      Auch die Validierung von Analysenmethoden dürfte noch einige Zeit dauern, im Moment haben die Chips oft
      keine ausreichende Qualität, um damit wirklich präzise Analysen durchzuführen. Daher ist es wahrscheinlich,
      daß die Chips zunächst auf Gebieten wie der Umweltanalytik eingesetzt werden, lange bevor sie in der
      medizinischen Diagnostik zugelassen sind.
      Dennoch wird die DNS-Chiptechnologie die medizinische Forschung verändern und zu neuen
      pharmazeutischen Strategien führen. Auch die Entschlüsselung des menschlichen Genoms wird durch die
      Chiptechnologie schneller. Viele Forscher halten die Frucht vor dem gläsernen Menschen jedoch für
      unbegründet. "Selbst wenn wir alle Gene des Menschen sequenziert haben", so Bartram, "haben wir noch
      lange nicht alles verstanden, was in der menschlichen Zelle auf genetischer Ebene vor sich geht."

      Gruß,
      Avatar
      schrieb am 12.10.00 18:52:49
      Beitrag Nr. 76 ()
      Sorry Leute,
      der Artikel ist schon etwas älteren Datums und inzwischen ist die Entwicklung mit großen Schritten vorangekommen.
      So werden die Biochips heute auch schon in der Diagnostik eingesetzt.

      Noch`n Gruß,
      Markus
      Avatar
      schrieb am 16.10.00 03:01:28
      Beitrag Nr. 77 ()
      Zum Thema Biochips habe ich folgendes gefunden:

      Eine neue Ära der Erbgutanalyse
      "Ähnlich wie der Computerchip die Welt revolutionierte, werden in nächster Zukunft Biochips die Medizin und damit unser Leben verändern", schrieb die US-Zeitschrift Fortune. Der Hausarzt wird dann nur ein paar Zellen aus einer Blutprobe benötigen, um mit Hilfe eines solchen Chips einen Alzheimer- oder Krebstest durchzuführen.

      Auf Biochips ist die fortschrittlichste Methode der Analytik von Biomolekülen möglich: wo bisher Hunderte oder Tausende von Einzelversuchen im Reagenzglas notwenig waren, finden diese nun auf einer kleinen Glasplatte statt. Insbesondere bei der Analyse von Erbsubstanz spielen die Biochips eine Rolle. Dann spricht man von Genchips.

      6000 Gene auf einem Chip
      Auf kleinstem Raum, etwa einem 1,8 mal 1,8 Zentimeter großem Glasplättchen, können Tausende von Erbgutschnipseln aufgebracht werden. Das sind Genstücke, sogenannte cDNAs, oder nur sehr kleine Fragmente aus einer kurzen Abfolge von Basen (Oligonucleotide).

      Einer der ersten Chips, den die führende Firma Affymetrix im kalifornischen Santa Clara produzierte, enthält zum Beispiel alle rund 6000 Gene der Bäckerhefe. Sie wurden ähnlich wir bei der Herstellung von Computerchips mit einem photolithographischen Verfahren aufgebracht.





      Ein Wissenschaftler von Hoechst Marion Roussel hält einen Genchip der Firma Affymetrix. Der Genchips wird dazu eingesetzt, die genetischen Informationen von kranken und gesunden Zellen zu vergleichen. Letzendlich ist das Ziel herauszubekommen, an welchen Genen Therapien ansetzen können. Quelle: HMR
      Mit freundlicher Genehmigung von HMR

      Die Erbgutschnipsel ragen wie die Wollfäden eines Flokkatiteppichs in die Höhe und können mit den Genen reagieren, die sich in einer Probe befinden. Diesen Vorgang nennt man hybridisieren. Dort wo sich ähnliche Genstücke zusammenfinden, leuchten auf dem Chip winzige fluoreszierende Punkte auf, die ein Laser sichtbar macht. Diese Signale zeigen dem Arzt etwa, ob in den Zellen des Patienten ein bestimmtes Krebsgen vorkommt oder nicht. Was früher ein Forscher nur mit enormen Aufwand in wochenlangen Experimenten durchführen konnte, erledigen nun Analysegeräte vollautomatisch und schnell.

      Hoffnungsvolles Werkzeug
      In den letzten zwei Jahren brachte Affymetrix bereits einige Genchips auf den Markt, die das Potential der neuen Technik deutlich machen. Mit einem HIV-Genchip können sich Aidspatienten testen lassen, ob ihr Virus bereits Resistenzen gegen ihre Medikamente entwickelt hat.

      Mit einem anderen Chip läßt sich die Aktivität des Krebsgens p53 untersuchen. Zusammen mit der Firma OncorMed (jetzt: Gene Logic) entwickeln Forscher bei Affymetrix derzeit auch einen Chip mit dem sich die Brustkrebsgene BRCA1 und BRCA2 analysieren lassen. "Wenn wir die Expression von Krebsgenen verstehen, können wir auch die Therapie dieser komplexen Krankheit verbessern", sagt Timothy Triche von Oncormed. Ein solcher Gentest via Chip könnte also in Zukunft nicht nur die Diagnose einer Krebserkankung präzisieren, sondern auch die Art der Therapie entscheidend beeinflussen.

      Kampf gegen resistente Erreger
      Pharmafirmen wie Hoffmann-La Roche testen Chips, die das gesamte Erbgut von Bakterien, wie Haemophilus influenza und Streptococcus pneumoniae enthalten. Ihr Ziel ist es, mit Hilfe der Chips verwundbare Schlüsselstellen des Bakterien-Stoffwechsels aufzuspüren und so neue Antibiotika zu entwickeln.

      Auch die Forscher des Human Genome Project setzen inzwischen große Hoffnung in die Genchip-Technologie - vor allem in der zweiten Etappe des Projekts, wenn nach der Sequenz des Genoms auch die Funktion der rund 100 000 Gene des Menschen entschlüsselt werden soll. So können Wissenschaftler heute per Chip in einem einzigen Experiment bereits 40 000 Gene und Genfragmente des Menschen und 30 000 der Maus studieren und sogar alle 6000 Gene der Hefe, dem Modellorganismus für höhere Lebewesen. Die Forscher erkennen zum Beispiel auf einen Blick, wie sich die Veränderung eines bestimmten Enzyms auf den Stoffwechsel und die Genaktivität in der ganzen Zelle auswirkt. Solche Expressionsanalysen könnten die Suche nach "targets" (Wirkungsorten) für neue Medikamenten in Zukunft enorm vereinfachen.

      Droht der "gläserne Mensch"?
      So mancher Kritiker beschwört bereits das Zeitalter des "gläsernen Menschen" herauf. Vielleicht tragen unsere Kinder eines Tages einen persönlichen Genchip mit sich herum, auf dem ihr gesamtes Erbgut wie in einem Steckbrief jederzeit verfügbar ist für eine Analyse. Sei es beim Hausarzt ein Alzheimer-Check, beim Vorstellungsgespräch der Test auf Intelligenzgene oder die Anfälligkeit für giftige Chemikalien. Auch Versicherungen könnten sich für das genetische Outfit ihrer Kunden interessieren. "Wir sollten dringend nach Wegen suchen, die die Vertraulichkeit solcher Diagnosen garantieren", betonte der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft Ernst-Ludwig Winnacker kürzlich im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".

      (C.G.)





      Ausschnitt eines Genchip-Scans mit insgesamt 10.000 Einheiten. Quelle: Incyte






      Wissenschaftler David Mack, David Lockhart und Mark chee von Affymetrix analysisieren mit Genchips alles: von gesunden bis hin zu krebsauslösenden Genen. Quelle: Fortune
      Avatar
      schrieb am 20.10.00 19:38:48
      Beitrag Nr. 78 ()
      Tolle Infosammlung hier!

      Gruß

      :cool: casel
      Avatar
      schrieb am 20.10.00 23:59:27
      Beitrag Nr. 79 ()
      Hallo Shaky,

      Ich möchte Dir aber hier an dieser Stelle meine Hochachtung über Deine fundierten Beiträge
      im Board aussprechen. Dieser Biotech Thread ist herausragend. Selbst ein Techniker wie ich
      bekommt jede Menge Informationen über ein Thema, von dem er eigentlich gar nichts versteht.

      Würde mich sehr freuen, Dich irgendwann auf einem Treffen persönlich kennen zu lernen.

      Pete, der jetzt auch in Biotech anlegt :)
      Avatar
      schrieb am 24.10.00 15:50:28
      Beitrag Nr. 80 ()
      Danke für den biotech-Grundlagen thread shakespier.

      Wo aber kann ich den Nasdaq-biotech-index als Chart bekommen - möglichst live???

      Danke für Tipps
      Avatar
      schrieb am 25.10.00 16:21:19
      Beitrag Nr. 81 ()
      Hallo Shakesbier, hallo 50er
      was haltet Ihr von ANTISOMAS WKN 917990?

      Ich bin seit einiger Zeit ein stiller Leser dieses Boards und würde mich über eine Antwort freuen.

      Gruß
      GGR
      Avatar
      schrieb am 25.10.00 16:30:58
      Beitrag Nr. 82 ()
      @GGR,

      ich habe sie am 4.10. empfohlen (Thread: Biotech - Einzelwerte), seitdem sind sie um 65 % gestiegen ;)

      Gruß Joe
      Avatar
      schrieb am 25.10.00 16:37:46
      Beitrag Nr. 83 ()
      @pauhueb

      Das Nasdaq-Kürzel ist IXBT (siehe Nasdaq.com), Charts z.B. bei Bigcharts.com.

      Bis die Tage - tarotjr
      Avatar
      schrieb am 25.10.00 16:47:43
      Beitrag Nr. 84 ()
      Auf Wunsch des Initiators des Threads sollte dieser eigentlich den Grundlagen vorbehalten bleiben.
      Einzelwerte werden im Thread: Biotech - Einzelwerte besprochen.

      Danke

      Grüße

      Torsten
      Avatar
      schrieb am 25.10.00 17:00:05
      Beitrag Nr. 85 ()
      @ Joe
      Danke

      @ pauhueb

      Danke

      @ torstelino

      Da ich noch nicht alzu lang in diesem Board lese, ist mir dieser Hinweis entgangen.

      Tut mir leid

      Gruß
      GGR
      Avatar
      schrieb am 27.10.00 10:41:41
      Beitrag Nr. 86 ()
      ich wäre wirklich dankbar, diskussionen über einzelwerte in anderen threads durchzuführen. danke.


      HIV

      Lediglich neun Gene reichen aus, um das Immunsystem eines Menschen vollständig zu zerstören und ihn zu töten. Diese neun Gene sind auf zwei identischen RNA-Strängen (Ribonucleinsäuren) mit 9749 Bausteinen (Nucleotiden) angeordnet, wie in den vergangenen Jahren mit gentechnischen Methoden festgestellt wurde. Sie sind das Erbgut des HI-Virus, kurz HIV. Er zählt zu den Retroviren, genauer zu der Gruppe der Lentiviren. HIV ist der Erreger von der Immunschwächekrankheit AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome).

      Man unterscheidet heute zwei Familien: HIV-1, der am weitesten verbreitete Erreger mit mehreren Subtypen in verschiedenen Verbreitungsgebieten, und HIV-2. Entdeckt wurde HIV erstmals 1983 von Luc Montagnier am Pasteurinstitut in Paris, dicht gefolgt von Robert Gallo am National Cancer Institut in Bethesda, USA.


      Ursprung des HIV geklärt

      Nach langer Suche nun scheint seit Februar 1999 auch der Ursprung der Seuche geklärt. Das Virus ist weder aus einem Geheimlabor des Militärs noch einem schlampigen Genforscher entfleucht, sondern wurde wahrscheinlich von Affenjägern aus den Wäldern Zentralafrikas in die Zivilisation verschleppt, wie das Fachblatt "Nature" berichtete. Die deutsche Virologin Beatrice Hahn an der Universität von Alabama in Birmingham (USA) entdeckte einen nahen Verwandten des HIV-1 Virus im Blut einer Schimpansen-Unterart im westlichen Zentralafrika.

      Seit 1989 weiß man bereits, daß auch das HIV-2 Virus seinen Ursprung in Affen hat, in den meerkatzenartigen Halsband-Mangaben. Diese Affenart ist in manchen Gegenden Afrikas ein beliebtes Haustier, das bisweilen auch auf dem Teller landet. Vermutlich ist HIV mehrmals auf den Menschen übergesprungen, erstmals schon vor mehreren hundert Jahren. "Die Affen hatten bereits Zehntausende von Jahren Zeit sich mit dem Erreger auseinanderzusetzen", sagt Reinhard Kurth, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts in Langen. Das verhalf ihnen zu einem entscheidenden evolutionären Vorsprung: Das HI-Virus macht sie nicht mehr krank. Nun wollen die Genforscher von den Affen lernen, mit welchem Trick ihr Immunsystem das Virus unschädlich macht.




      Chemische Bekämpfung

      Im Moment müssen HIV-Infizierte ihr Virus noch mit chemischen Substanzen bekämpfen. Unmittelbar nach der Entdeckung von HIV sahen Wissenschaftler in den viralen Enzymen die verwundbarsten Stellen des Virus. In den 15 Jahren seit seiner Entdeckung konnten Gentechniker und Virologen bereits einen großen Teil des Lebenszyklus von HIV entschlüsseln und entsprechende Blockade-Moleküle entwickeln.


      Der Vermehrungszyklus und Bekämpfungsstrategien


      Infektion und Kopieren von HIV

      Nachdem das Virus eine Immunzelle, meist eine T-Zelle, infiziert hat, kopiert die reverse Transkriptase seine Erbsubstanz von einer RNA in eine DNA, so daß sie in das Genom der infizierten Zelle eingebaut werden kann. Die reverse Transkriptase kannte man bereits von anderen Retroviren, so daß man schnell (1987) den ersten Hemmstoff AZT entwickeln konnte. Wie die meisten reversen Transkriptasehemmer verhindert er den korrekten Kopiervorgang, indem falsche Bausteine in die Virus-DNA eingebaut werden. Neuere Medikamente wie Efavirenz (Sustiva) blockieren direkt das Enzym.


      Integration ins Erbgut der Zelle

      Um sich optimal zu vermehren, integriert das Virus sein Erbgut mit Hilfe des Enzyms Integrase in die Chromosomen der T-Zelle. Ein neues Medikament (Zintevir), das diese Integrase blockieren soll, wird bereits an Patienten getestet.


      Virusproduktion:

      Einige der HIV-Gene instruieren die Zelle sogar, bei der tödlichen Produktion neuer Viren mitzuhelfen. Die Zelle verwandelt sich in eine Virusfabrik. Eine neue Generation von Medikamenten soll diese Produktionsbefehle unterbinden.


      Zusammensetzen der Virusbauteile

      Am Ende des Vermehrungszyklus müssen die vorgefertigten Virusbauteile nur noch zurechtgeschnitten und zusammengebaut werden. Das ist der Job des Virusenzyms Protease. Ende 1995 wurde Saquinavir (Roche), der erste hochwirksame Protease-Inhibitor in den USA zugelassen und eine hoffnungsvolle Erfolgsstory begann.


      Erfolgsstory Kombinationstherapie

      In der Kombinationstherapie mit einem oder zwei reverse Transkriptase-Hemmern konnte der Proteasehemmer das Virus bis unter die Nachweisgrenze zurückdrängen. So konnte sich selbst das Immunsystem von Aidspatienten im Endstadium wieder erholen. Inzwischen sind vier weitere Proteasehemmer auf dem Markt und - im Wettlauf mit der Resistenzbildung - einige mehr in der Entwicklung. Die Zahl der Todesfälle durch Aids sank seit Einführung der Kombinationstherapien um über 70 Prozent. Viele Sekundärerkrankungen, wie etwa das Karposi-Sarkom sind heute eine Seltenheit geworden.

      In jüngster Zeit widmen sich die Pharmaforscher auch den Ein- und Austrittspforten des Virus aus der Zelle. Eine neue Art von Medikament (T20 der Firma Trimeris) soll zum Beispiel das Verschmelzen des Virus mit der Zelle verhindern.

      Langfristig versuchen Wissenschaftler und Ärzte auch mit Antisense-Molekülen, mit Gentherapien und vor allem einer spezifischen Stimulation des Immunsystems wie etwa durch eine Impfung, dem Virus beizukommen.


      Stark betroffen: Entwicklungsländer

      Dies wäre vor allem für die Entwicklungsländer, in denen 95 Prozent aller HIV-Infizierten leben die einzige Chance, die Seuche zu stoppen. Allein im letzten Jahr ist die Zahl der Infizierten weltweit um 10 Prozent gestiegen. Jede Minute infizieren sich elf Männer, Frauen und Kinder, errechnete UNAIDS, "wir stehen einer Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes gegenüber", so ein Sprecher des Aidsprogramms der Vereinten Nationen.

      An Schrecken verloren hat Aids nur in den reichen Ländern Nordamerikas und Westeuropas, wo sich die Infizierten die teuren Medikamente der Kombinationstherapien leisten können und deshalb die Todeszahlen zurückgingen. Die Folge: Auch hierzulande leben immer mehr Menschen - 1998 waren es nach Angaben des Berliner Robert-Koch-Instituts 37 000 - mit HIV. Denn die Zahl der Neuinfektionen hat keineswegs abgenommen, sondern stagniert - trotz jahrelanger Aufklärungskampagnen.
      Avatar
      schrieb am 27.10.00 10:45:20
      Beitrag Nr. 87 ()
      Ebola-Virus entwaffnet Immunabwehr
      Weltweit arbeiten mehrere Wissenschaftlerteams an der Erforschung der gefährlichen Krankheit


      von Anja Schmiedecke

      (25.10.2000) Das Ebola-Virus ist offenbar in der Lage, die menschliche Immunabwehr außer Gefecht zu setzen. Deutsche und amerikanische Wissenschaftler identifizierten ein Viren-Eiweiß, das die Produktion von Interferonen hemme, so ein Bericht der Tageszeitung „Die Welt“. Der Botenstoff Interferon spielt unter anderem eine wichtige Rolle bei Abwehrreaktionen des Immunsystems. Das Protein VP35 wirke als Interferon-Antagonist, berichten die Forscher von der Mount Sinai School of Medicine und der Universität Marburg in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „Proceedings of the National Academy of Science“.

      Dieselbe Wirkung entdeckten die Wissenschaftler auch bei anderen Viren wie Masern, Kuh-Pocken und Influenza A. Das Forschungsteam berichtet aber auch von Menschen, die gegen den Ebola-Virus immun seien.

      Kriseneinsätze sind begehrt

      Unterdessen forschen Wissenschaftler-Teams aus aller Welt auch vor Ort in Uganda an der tödlichen Krankheit. Aus Deutschland sind Sabine Mand und ihr Kollege Mathias Grade vom Tropeninstitut in Hamburg im Kampf gegen das Ebola-Virus im Einsatz. Für das Tropeninstitut ist dies der erste Schritt zu einer größeren Präsenz der europäischen Ärzte bei Kriseneinsätzen im Ausland. „Wir haben selbst darauf gedrängt, dass auch Europäer dort zum Einsatz kommen“, sagt der Leiter der Virologie am Tropeninstitut, Herbert Schmitz zur Deutschen Presse-Agentur.

      „Das ist nicht nur eine Prestigefrage. Wir haben viel über Ebola gearbeitet und unsere diagnostischen Methoden verschärft. Natürlich wollen wir auch sehen, dass das in der Praxis funktioniert, und nicht nur bei Trockenübungen.“ „Ebola-Ausbrüche passieren so selten, dass sie großes Interesse hervorrufen.

      Europäische Einsatzgruppe geplant

      Jeder will dabei sein“, sagt Pat Drury, Koordinator des von der WHO aufgebauten Netzwerks von mehr als 70 Instituten in aller Welt, die im Fall von Seuchenausbrüchen Hilfe anbieten. Insgesamt sind in Uganda rund 20 internationale Helfer aus den USA, Deutschland, Frankreich und Italien im Einsatz. „Es ist einfach eine einmalige Gelegenheit, auf dem Gebiet zu forschen.“ Damit rivalisierende Institute sich vor Ort nicht gegenseitig auf die Füße treten, versucht die WHO, die Hilfsangebote zu koordinieren. Das ist nicht immer einfach. „Jedes Institut, das nicht eingeladen wird zu helfen, ist sauer“, sagt Drury.

      In der EU laufen seit einiger Zeit Vorbereitungen für eine europäische Einsatztruppe, sagt Schmitz. Das Robert-Koch-Institut koordiniert halbjährliche Treffen, bei denen sich Experten aus Deutschland und Griechenland, Schweden und Frankreich über hämorrhagisches Fieber, wozu auch Ebola gehört, austauschen können. 15 bis 16 Ärzte stehen dann zur Verfügung, um in Krisenfällen sofort in die betroffene Region reisen zu können.
      Avatar
      schrieb am 27.10.00 10:49:55
      Beitrag Nr. 88 ()
      Bioinformatik


      Von der Information zum Wissen - vom Gen zur Funktion

      Lang ist es noch nicht her: bis vor ungefähr zehn Jahren konnte man als Wissenschaftler seinen Doktortitel mit der Entschlüsselung eines einzigen Gens erreichen. Diese Zeiten sind vorbei. Mit automatisierten Sequenziergeräten und Genchips wurde die Entzifferung von Genen zur Routineangelegenheit, neue DNA-Sequenzen zum Massenprodukt. Das Human Genome Project erwartet die Kenntnis aller rund 3,2 Milliarden Basenpaare des menschlichen Genoms bis etwa zum Jahr 2003.

      "Die Menge der DNS-Informationen wächst alle fünf Jahre um den Faktor Zehn. Das heißt, im Jahr 1985 wußten wir ein Prozent von dem, was wir heute wissen", erklärte Nobelpreisträger Walter Gilbert bereits 1995. Immer dringlicher wird die Frage: Wie geht man mit solch einer gigantischen Menge an Information um? Und wie erkennt man die Funktion einer entschlüsselten Erbgutsequenz?

      Bioinformatik, die Fusion zwischen Bio - und Informationstechnologie
      In der Bioinformatik sind zwei moderne Technologien vereint, die fast gleich schnell voranschreiten: Bio- und Informationstechnologie. Die Aufgabe der Bioinformatik besteht darin, große Mengen an biologischen Daten wie zum Beispiel DNA-Sequenzen sowohl besser zu verwaltet, als auch besser und umfangreicher auszuwerten - zwei Bereiche, die sich gegenseitig zuarbeiten. "Nicht selten macht die Datenverarbeitung 70 bis 80 Prozent der Analyse eines Genomabschnitts aus", beschreibt André Rosenthal vom Sequenzierzentrum in Jena die Bedeutung des Computers in der molekularen Genetik.

      Mit dem immensen Datenzuwachs über die Erbinformationen des Menschen und vieler anderer Organismen schwillt die genetische Datenmenge täglich weiter an. Sie ist in Datenbanken gespeichert, die meistens über das World Wide Web zugänglich sind. In der GenBank dem Klassiker unter den genetischen Datenbanken - waren zum Beispiel im April 1999 mehr als 2,5 Milliarden Basenpaare DNA- verzeichnet. Daneben gibt es speziellere Archive wie OMIM (Online Mendelian Inheritance in Man), in der neue Informationen über Erbkrankheiten gespeichert sind oder GeneQuiz, das sich den 6000 Genen der Bierhefe widmet. Bei SwissProt und PROSITE sind dagegen Protein - bzw. Aminosäuresequenzen gespeichert.


      Computer-Algorithmen helfen verstehen

      Was nützt uns das Wissen über die Abfolge der Buchstaben eines Buches, wenn wir sie nicht verstehen! Nicht nur der schnelle Zugriff auf biologische Daten ist wichtig, sondern auch deren schnelle Auswertung und Interpretation. Auch wenn man die Abfolge der genetischen Sequenz kennt, die Funktionen sind dabei nicht unbedingt bekannt. Mindestens ein Drittel aller bekannten Gene von Organismen sind nicht oder nur unzureichend charakterisiert

      Schon seit einiger Zeit macht man sich daher auf die Suche nach Erkennungsmerkmalen in den Erbgut-Sequenzen, sogenannte Motive: es gibt Funktionsmotive bei Mitgliedern einer Genfamilie oder bei Genbestandteilen wie Promotoren und Strukturmotive, die zum Beispiel die Art der Faltung eines Proteines anzeigen können. Andere Motive lassen auf das Zusammenspiel von DNA und Protein schließen. Solche Regelmäßigkeiten, die man erst durch die Analyse einer großen Zahl an Sequenzen erkennen kann, erlauben die Entwicklung mathematischer Formeln oder Algorithmen.

      Analyse von vielen Tausend Genen gleichzeitig
      Mit Hilfe dieser Algorithmen kann einem neu entschlüsselten Stück DNA oder Protein eine Struktur oder eine Funktion zugewiesen werden. Ist etwa ein neu sequenziertes Stück DNA ein Gen, und, wenn ja, was es bewirkt. Andere Rechenschritte erlauben die Analyse, Auswertung und Einordnung von Tausenden von Genen gleichzeitig. Algorithmen, die davon ausgehen, daß sich viele Bestandteile eines Systems ähnlich zueinander verhalten, gehören zum Typ "Self-organizing map" oder auf deutsch "Selbst-organisierende Karte" - eine Art selbstständiges Sortiersystem. Das jüngst veröffentlichte Computerprogramm GENECLUSTER fällt unter diese Rubrik.

      Mit diesem Programm ist es zum Beispiel möglich zu berechnen, wie sich die mehr als 6000 Gene von Tumorzellen in einem bestimmten Zeitraum verhalten. Das Ergebnis ist ein sogenanntes Expressionsmuster. Solche Programme werden bereits eingesetzt, um die Strukturen des Börsenhandels zu analysieren. Die Bioinformatiker hoffen, daß sich durch die Entschlüsselung dieser bisher verborgen gebliebenen Muster neue Möglichkeiten zum therapeutischen Eingriff ergeben.

      Immer ausgeklügeltere Algorithmen werden entwickelt, um die Art und Genauigkeit solcher Voraussagen zu verbessern und Vergleiche zu bereits Bekanntem zu ermöglichen. Das ökonomische Potential der Bioinformatik ist dadurch beachtlich. Algorithmen, mit deren Hilfe genetische Daten interpretiert werden können, haben erhebliche Bedeutung, vor allem in der Medizin und im pharmazeutischen Bereich. Wenn sich etwa aufklären ließe, durch welche genetischen Defekte oder Stoffwechselfehlfunktionen Krankheiten verursacht werden, könnten solche Störungen wirkungsvoll mit gentherapeutischen Methoden oder mit gezielt entwickelten Medikamenten behandelt werden. Bereits heute hat die Bioinformatik einen großen Einfluß auf die experimentelle Biochemie, die Molekularbiologie und die Pharmakologie. Dieser Einfluß dürfte sich in Zukunft noch weiter erhöhen und auf andere Bereiche ausdehnen, z.B. auf die Lebensmitteltechnologie und die Landwirtschaft.

      Die Bioinformatik ist daher nicht nur auf immer schnellere Computer angewiesen, sondern auch auf wissenschaftlichen Nachwuchs. Daran mangelt es derzeit besonders, wie Rudolf Balling, Direktor des Instituts für Säugetiergenetik am GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in München-Neuherberg und einer der Direktoren des Deutschen Humangenom Projektes, betont.

      Mehr als mathematisches Jonglieren mit Basenpaare
      Die Entschlüsselung der genetischen Information ist derzeit sicher das wichtigste Arbeitsfeld der Bioinformatik, sie ist gleichzeitig aber auch die Basis für eine ganze Reihe weiterer Wissenschaften und Technologien, etwa bei der Entwicklung grafischer Software zur Simulation des Verhaltens von Lebewesen auf dem Computerbildschirm - etwa bei der Produktion von Filmen wie Jurassic Park. Neuronale Netzwerke benutzen spezielle Rechenmuster, um hochkomplexe Zusammenspiele, zum Beispiel beim Lernen, zu simulieren. Fließende Übergänge gibt auch es zur theoretischen Biologie und zur Chaosforschung, die dort nach Regelmäßigkeiten sucht, wo es auf den ersten Blick keine mehr gibt - in der scheinbar unvorhersagbaren Dynamik des Lebens, einem wichtigen Kennzeichen biologischer Systeme.
      Avatar
      schrieb am 27.10.00 10:52:29
      Beitrag Nr. 89 ()
      Brustkrebs

      Hoffnung am Horizont
      In Deutschland erkranken pro Jahr etwa 40000 Frauen an Brustkrebs. Bei einem kleinen Teil dieser Patientinnen finden die Ärzte sogenannte metastasierende Tumoren, also Tumoren, die vom Brustgewebe aus in andere Organe, wie zum Beispiel die Lymphknoten einwandern können.Für einige diese Frauen gibt es jetzt neue Hoffnung: Herceptin (Handelsname Trastuzumab) heißt ein neuer Wirkstoff, der in den USA seit Oktober 1998 auf dem Markt ist.

      Das von der kalifornischen Firma Genentech entdeckte und entwickelte Herceptin ist ein sogenannter monoklonaler Antikörper. Bei der Herstellung kombinierten die Forscher Methoden aus Bio- und Gentechnik. Der Y-förmige Antikörper erkennt ein ganz bestimmtes Markermolekül - das HER2 ( für human epidermal growth factor receptor 2) Molekül - auf den Krebszellen. Herceptin blockiert HER2 und verhindert dadurch die weitere Teilung und Ausbreitung der Krebszellen. Herceptin gehört damit zu einer neuen Generation von Krebsmitteln, die sehr gezielt gegen Tumorzellen vorgehen können.

      Genauer als Chemotherapie
      Die klassische Chemotherapie dagegen unterscheidet nur schlecht zwischen bösartigen Tumorzellen und gutartigen Zellen im Körper. Tumoren, deren Zellen viele HER2 Moleküle aufweisen, sind besonders gefährlich und nur bei diesen Tumoren darf Herceptin eingesetzt werden. In diesen Fällen gelang es mit der Chemotherapie bisher nur bei jeder dritten Patientin, die Krebs zurückzudrängen oder die Ausbreitung der Krebsgeschwüre zu verzögern.

      Durch eine Kombination von Herceptin und Chemotherapie könnte sich diese Erfolgsquote allerdings etwa verdoppeln lassen. Dies haben mehrere Studien gezeigt, die 1998 auf der Jahrestagung der American Society for Clinical Oncology vorgestellt wurden.

      Kaum Nebenwirkungen, aber teuer
      Alleine verabreicht ist Herceptin ebenfalls gut wirksam und ausgezeichnet verträglich, da Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Haarausfall, die bei der Chemotherapie auftreten, ausbleiben.Der größte Nachteil von Herceptin sei der überaus hohe Preis, kritisierte der Kieler Gynäkologe Walter Jonat. In der nach Jonats Meinung idealen Kombinationstherapie mit dem Krebsmittel Taxol müsse mit Kosten von etwa 200000 Mark pro Patientin gerechnet werden, sagte Jonat auf dem Internationalen Mammasymposium im November 1998 in Wiesbaden.

      Wann Herceptin in Deutschland auf den Markt kommt, bleibt abzuwarten. Noch haben die Zulassungsbehörden dafür keine Genehmigung erteilt. In der Zwischenzeit wird fieberhaft untersucht, ob sich das Medikament auch zur Behandlung anderer metastasierender Tumoren eignet.
      Avatar
      schrieb am 27.10.00 10:57:06
      Beitrag Nr. 90 ()
      BSE, Creutzfeldt-Jakob-Krankheit

      Verbraucherschutz: Zwischen Erfolg und minimalem Risiko
      Wenn Minister die Aufnahme von Nahrung zu einem Presse-Event stilisieren, kann das auch kräftig daneben gehen. Noch 1990 streichelte der frühere britische Landwirtschaftsminister John Gummer seiner damals vierjährigen Tochter über den Kopf, um sie sanft zum Verzehr eines Hamburgers zu zwingen. Heute dürften Gummer eher Alpträume plagen. Denn mittlerweile ist erwiesen, daß sich der Mensch durch den Verzehr verseuchter Tierprodukte mit BSE (Abk. für "Bovine Spongiforme Enzephalopathie") infizieren und daran sterben kann. Rund 40 Patienten sind in Großbritannien bis ins Frühjahr 1999 dieser neuen Form der CJD, der vCJD ("variant Creutzfeldt-Jakob-Disease") zum Opfer gefallen.


      Entwarnung

      "Ich habe keine Probleme heute in London ein Rindersteak zu essen", sagt der Molekularbiologe vom St. Mary´s Krankenhaus und Regierungsberater in Sachen BSE und CJD, John Collinge (s. Interview). Alle über 30 Monate alten Rinder wurden getötet, so argumentiert er, als Rinderseuche sei BSE nur noch Historie. Die meisten Forscher gehen davon aus, daß sich die menschlichen BSE-Opfer noch vor 1989 infizierten. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden Rinderinnereien unkontrolliert verbreitet - in zahllosen Tierprodukten wie Hamburger-Buletten, gedämpften Puddings oder etwa Kutteln. Trotzdem kann kein Wissenschaftler noch Gesundheitspolitiker mit 100prozentiger Sicherheit davon ausgehen, daß alle Produkte in Europa, von denen eine potentielle Gefahr ausgeht, aus der Nahrungskette vollständig entfernt sind. Das Risiko stufen Experten derzeit als äußerst gering ein. Wie hoch es wirklich noch ist, darüber streiten sich die Gelehrten noch.

      Wer ganz auf Nummer sicher gehen will: welche Produkte sind betroffen?
      Innereien oder Gehirn erhalten den BSE-Erreger in den höchsten bislang ermittelten Konzentrationen. Fleisch oder Milch gelten dagegen als vergleichsweise unverdächtig. Das läßt sich am einfachsten durch eine Herkunftskontrolle minimieren. Da ungenügend erhitztes Fleisch- und Knochenmehl als Ursache der BSE gilt, geht sicher, wer nur Tierprodukte kauft, deren Herkunft deutlich ausgewiesen ist.
      Im Zweifel immer nachfragen! Das gilt auch für Dosenprodukte oder Suppenwürze, die keine eindeutige Deklaration auf der Packung hat. Gelatine in Deutschland besteht dagegen zu über 99 Prozent aus Schweineschwarten. Auch bei Medikamenten muß sich niemand Sorgen machen. Die Verwendung von Rind ist bei ihrer Herstellung untersagt.


      Welche Gewebe und Dosen sind entscheidend?

      Noch ist jedoch nicht endgültig geklärt, welche Gewebeart den Erreger in welcher Konzentration enthalten. Alle Angaben über die Gefährlichkeit beruhen bisher auf einem unspezifischen Tierversuch: Mäusen wird verdächtiges Gewebe gespritzt, etwa von BSE-Rindern. Erkranken sie, läßt sich folgern, daß das Gewebe verseucht ist. Die Nachweisgrenze dieses Verfahrens liegt bei 1000 Erregern pro Gramm, denn Rind und Maus sind nicht eng verwandt. Auch das ist noch unklar. Da die Erreger nur wenig beweglich sind, ist enger Kontakt erforderlich. Etwa bei einer Schmierinfektion von Schleimhäuten. Diesen Infektionsweg halten die Forscher jedoch für weitaus weniger effektiv als den Verzehr verseuchter Produkte. Dabei könnte sich der Erreger über Nervenenden in der Mundhöhle Zugang verschaffen. Von dort oder vom Darm aus findet er schließlich in Nerven- und Lymphbahnen seinen Weg ins Gehirn.


      Verbraucherschutz durch neuartige BSE-Tests

      Direkt nachweisbar sind die kranken Proteine bislang nicht. Denn Antikörper binden auch an die gesunde Form und sind daher für die Sofort-Diagnose wertlos. Zur Zeit werden einige Tests auf dem Markt geprüft, die es ermöglichen, frisch entnommenen Gewebeproben auf eine Prionen-Erkrankung zu prüfen. Alle diese Verfahren setzen zwei Schritte ein: Am Anfang steht die Zerstörung der gesunden Proteine mit Enzymen, welche die krankhaften Formen, wie gesagt, nichts anhaben können. Erst danach folgt ein direkter Nachweis der verbliebenen Prionen mit einem Antikörper. Weil diese zweistufige Verfahren für Fehler anfällig ist, müssen sie erst in der Praxis mit konventionellen Diagnose-Verfahren überprüft werden.

      Im Rahmen eines Feldversuchs in der Schweiz fanden Wissenschaftler mit Hilfe eines neuen Testverfahrens der Züricher Biotech-Firma Prionics BSE-infiziertes Fleisch aus dem Verkehr ziehen, das bereit war für den Abtransport in die Metzgerei. Die Forscher untersuchten insgesamt 3000 Rinder. Damit hatte sich erstmals die Befürchtung bestätigt, daß auch heute BSE-infizierte Rinder unerkannt in die menschliche Nahrungskette eingehen können.


      Warum finden keine Reihenuntersuchungen statt?

      Trotz der Erfolge reagieren die Gesundheitsbehörden bislang zurückhaltend auf Forderung, den Prionics-Test routinemäßig und flächendeckend einzusetzen. Das Britische Landwirtschaftsministerium (MAFF) beschied, der Tests sei "überflüssig", da im Notschlachtungsprogramm ohnehin alle mehr als 30 Monate alten Rinder getötet würden. Auch das BgVV (Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin) in Berlin, will von Massentests nichts wissen, denn "wir haben BSE-freie Bestände." Einzig die EU-Kommission scheint derzeit ernsthaft zu prüfen, ob das Prionics-Verfahren verbindlich vorzuschreiben ist. Die Gründe für die Zurückhaltung liegen auf der Hand: Wer den Test flächendeckend einsetzt, der kann nur verlieren. Der Schnelltest könnte den den Beleg erbringen, daß die Maßnahmen zur Ausrottung der Seuche nicht ausreichen.


      Wie viele Menschen werden an vCJD sterben?

      Aufgrund der steigenden Zahl der vCJD-Fälle in Großbritannien macht sich der Londoner Molekularbiologe John Collinge große Sorgen. Zwar ließe die Statistik noch keine eindeutigen Interpretationen zu. "Doch befürchte ich", sagte Collinge, "daß wir in Großbritannien am Anfang einer vCJD-Epidemie stehen". Eine seriöse Rechnung des britischen CJD-Epidemiologen Robert Will nennt 80 000 mögliche Opfer der BSE. Die meisten haben sich vermutlich vor 1990 angesteckt, denn bis zu diesem Zeitpunkt gingen zahlreiche kranke Tiere in die Nahrungskette des Menschen ein. Manche Berechnungen gehen von rund 400.000 Rindern aus. Nach Auskunft des Neuropathologen Hans Kretzschmar an der Universität Göttingen wurden in Deutschland bislang keine keine Opfer der vCJD registriert. Und auch die Zahl der gewöhnlichen CJD bewegt sich innerhalb der bisher bekannten statistischen Werte.
      Avatar
      schrieb am 27.10.00 11:02:32
      Beitrag Nr. 91 ()
      Die Zelle-
      der kleinste Baustein aller Organismen

      Zellen sind der kleinste gemeinsame Nenner aller Lebewesen, kleine Bioreaktoren, in denen die meisten Stoffwechselreaktionen ablaufen. Ob Pflanze, Tier, Ein- oder Vielzeller, in den zellulären Strukturen sind sie sich ähnlich oder gleich.




      Die Zelle - der kleinste Baustein aller Organismen:
      Zellen können einzeln leben oder in einem Gewebeverband eingebunden sein. Dargestellt sind hier die drei Grundtypen von Zellen und ihre typischen Organellen.
      Mit freundlicher Genehmigung des VCI.


      Es gibt zwei Typen von Zellen: Prokaryonte Einzeller, also Bakterien wie Escherichia coli, die noch keinen echten, von einer Membran umschlossenen Zellkern besitzen. Die Erbsubstanz DNA und alle anderen funktionalen Einheiten bewegen sich frei im Zellsaft (Cytoplasma).

      Heterotrophe Zellen, zum Beispiel Tierzellen, können ihre Energie nicht eigenständig erzeugen. Sie müssen sie, in der Regel in Form von Glucose, von außen zuführen.

      Autotrophe Zellen, zum Beispiel Algen und Pflanzen, betreiben hingegen Photosynthese und versorgen sich so selbst mit Energie. Das Zellorganell, in der die Photosynthese stattfindet, ist der Chloroplast. Pflanzenzellen zeichnen sich noch durch Zellvakuolen und eine starre Zellwand aus. Die Zellvakuole ist mit Wasser gefüllt. Ihr Überdruck hält die Pflanze steif. Entweicht das Wasser, welken die Pflanzen. Tierische Zellen besitzen weder Chloroplasten noch Zellvakuolen.

      Die Gentechnik überwindet biologische Art- Gattungsgrenzen, indem Sie etwa ein Gen aus der Flunder in die Erdbeere einkreuzt oder ein menschliches Gen in ein Bakterium. Dies gelingt nur, weil die wesentlichen Prinzipien, nach denen ein Organismus arbeitet, für alle Lebensformen gültig ist und von allen Lebensformen verstanden werden.
      Avatar
      schrieb am 27.10.00 11:09:34
      Beitrag Nr. 92 ()
      sehr gute informationen zu den grundlagen der gentechnik findet ihr hier:

      http://www.bayern.de/STMLU/gen/grundlag


      gruss
      shakes
      Avatar
      schrieb am 27.10.00 11:20:10
      Beitrag Nr. 93 ()
      Xenotransplantation
      Tiere als Organspender

      Alles Gute kommt vom Schwein - so etwa könnte man das Motto der Wissenschaftler und Mediziner beschreiben, die dem weltweit akuten Mangel an Spenderorganen für Transplantationen abhelfen wollen. Die Zahlen sprechen für sich: 1998 wurden allein in der Bundesrepublik etwa 4000 Organe transplantiert, etwa dreimal so viele Patienten warteten jedoch vergeblich auf die lebensrettende Organspende. Die Lösung dieses Problems könnte Xenotransplantation heißen - die Übertragung tierischen Gewebes in den Menschen. Schweine sind besonders zur Organspende geeignet, weil sie dem Menschen, physiologisch gesehen, am ähnlichsten sind.


      Nicht nur Organe sollen transplantiert werden

      Seit den sechziger Jahren wurden immer wieder Organe vom Tier in den Menschen transplantiert - in der Hauptsache Herz, Leber oder Niere (Tabelle). Mittlerweile wird auch die Übertragung tierischer Zellen diskutiert, zum Beispiel Knochenmarkszellen oder insulinproduzierende Zellen aus der Bauchspeicheldrüse für Diabetes-Patienten.

      Die Xenotransplantation ist noch lange nicht ausgereift, trotzdem sehen todkranke Patienten eine Xenotransplantation oft als letzte Hoffnung: Der AIDS-kranke Amerikaner Jeff Getty machte im Dezember 1995 Schlagzeilen, als ihm zur Wiederherstellung seines zerstörten Immunsystems das Knochenmark eines Pavianes übertragen wurde. Das Knochenmark blieb nicht lange im Körper von Getty erhalten, doch entgegen den Befürchtungen vieler Experten überlebte Getty und führt heute, fast fünf Jahre später, ein relativ beschwerdefreies Leben. Dennoch - bevor die Xenotransplantation den Schritt vom Risiko hin zur Routine in den Operationssälen macht, muß eine ganze Reihe medizinischer und ethischer Probleme gelöst werden.




      Entwicklung rekombinanter Xenotransplantate am Beispiel Schwein
      Mit freundlicher Genehmigung von Novartis.


      Gentechnologie am Schwein soll Abstoßung verhindern

      Eines der Hauptprobleme ist die unmittelbare "hyperakute" Abstoßung des transplantierten Organes. Ursächlich beteiligt daran sind Eiweißmoleküle auf den tierischen Zellen, sogenannte Rezeptoren. Ihr störender Effekt kann gentechnologisch jedoch ausgetrickst werden: In die Tiere eingeschleustes menschliches Genmaterial bewirkt die Bildung von sehr vielen humanen Rezeptoren auf dem Transplantat, die damit die tierischen Rezeptoren zahlenmäßig ‚übertönen`.

      Der menschliche Organismus, so die Strategie der Forscher, soll das Schweineorgan auf diese Weise nicht mehr als Feind, sondern als Freund, ansehen. Die Abstoßungsreaktion soll ausbleiben. An diesem Ziel arbeiten Forschergruppen an einer ganzen Reihe von Instituten, in Deutschland unter anderem in der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Mariensee und im Universitätsklinikum Großhadern in München. Auch in Forschungszentren der pharmazeutischen Industrie wird an einer Verbesserung der Xenotransplantation gearbeitet. Unternehmen wie Imutran (eine Tochter von Novartis), Baxter oder Alexion Pharmaceuticals haben transgene Schweine entwickelt, deren Organe zumindest in tierexperimentellen Xenotransplantationen weniger schnell abgestoßen werden als Organe aus normalen Schweinen.

      Das Risiko der Übertragung tierischer Pathogene wird streng überwacht
      Die Übertragung potentiell humanpathogener Erreger auf den Menschen gilt als weiteres Problem bei der Xenotransplantation. Das Risiko liegt hier vor allem in der Übertragung noch unbekannter Erreger. So haben Wissenschaftler am Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin vor kurzem neue Herpesviren beim Schwein entdeckt - genau aus der Spezies, die für Organspenden bevorzugt wird. Das RKI ist neben dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Langen ein wichtiges unabhängiges Kontrollorgan bei der Entwicklung neuer medizinischer Heilverfahren und Medikamente. Vor allem das PEI nimmt unmittelbare Einsichten in die Studienergebnisse der Forschungsgruppen bezüglich einer mögliche Übertragung pathogener Organismen bei der Xenotransplantation. Firmen wie Imutran schalten darüberhinaus unabhängige externe Beraterkommitees zur Begutachtung ihrer Forschungsstrategien ein. Dadurch soll die potentielle Gefahr der Übertragung bekannter Pathogene auf den Menschen minimiert und die Zielsetzung der Transplantationsforschung optimiert werden. Auch auf internationaler Ebene besteht der Ruf nach gesetzlicher Kontrolle der Qualitätssicherung und Verwendung tierischen Organmaterials, zum Beispiel durch einheitliche und kontrollierte Tierzucht.

      Deshalb - bevor alles Gute wirklich vom Schwein kommt, sind viele Hürden zu überwinden. Parallel zur Xenotransplantation wird an verschiedenen anderen Strategien gearbeitet, wie die Knappheit an Spenderorganen in Zukunft überwunden werden könnte, etwa durch künstliche Organe.
      Avatar
      schrieb am 27.10.00 11:25:42
      Beitrag Nr. 94 ()
      DNA-Impfstoffe

      Forscher nutzen Erbsubstanz als Vakzine der Zukunft gegen Aids, Krebs & Co.

      1990 hatten Genforscher erstmals die innovative Idee, Versuchsmäusen ein fremdes Plasmid in den Muskel zu injizieren. Die eingeschleuste Erbsubstanz kodierte ein bestimmtes Viren-Hüllprotein. Die mit der fremden "Bauanleitung" ausgestatteten Tiere fingen an, in ihren Zellen die Virenhülle selbst zu produzieren. Das Prinzip neuartiger DNA-Vakzine war entdeckt. DNA-Impfstoffe sind eine Form der Gentherapie.


      Mimikry für das Immunsystem

      Tatsächlich gelten DNA-Vakzine heute als vielversprechendes Mittel im Kampf gegen Malaria, Aids, Krebs und andere, genetisch gesteuerte Leiden oder virale Infekte. Das Prinzip ist, wie das Mäusexperiment immer noch belegt, einfach: Mit eingeschleusten DNA-Fragmenten wird der Organismus dazu angeregt, Teile der Krankheitserreger für einen Zeitraum von einigen Wochen selbst herzustellen. Das Abwehrsystem des Körpers, das Immunsystem, "merkt" sich die neuen Eiweiße als Feindmoleküle und reagiert bei einem späteren Befall durch echte Erreger. Besitzen diese nämlich die gleichen Hüllenproteine wie die DNA-codierten Eiweiße, setzt der "vorgewarnte" Organismus die nötigen Antikörper und Abwehrzellen innerhalb kürzester Zeit frei - die Eindringlinge gehen unter.

      Schweizer Forscher beispielsweise stellen sich vor, eines Tages jeden HIV-Patienten mit DNA-Impfungen therapieren zu können. "Sein Körper wird sozusagen selbst zur Impffabrik, indem er mit seiner Zellmaschinerie die fehlerhaften Eiweiße selber produziert. Diese lagern an der Einstichstelle im Muskel wie in einem Depot und trainieren vorbeikommende Botenzellen des Immunsystems, solche Moleküle abzuwehren", erläutert Prof. Karin Mölling, Direktorin am Instituts für Medizinische Virologie der Universität Zürich, das Prinzip. Zum Beispiel läßt sich das sogenannte env-Hüllprotein des tödlichen Aids-Erregers (env steht für envelope = Hülle) direkt in den Muskel der Patienten spritzen. Dort wird weiteres env hergestellt, welches von der Zelle wie ein echter Erreger behandelt wird. Sie transportiert das env-Protein zur Zelloberfläche, dort angekommen stimuliert sie die zelluläre Immunantwort.


      Erste Erfolge im Tierexperiment

      Während erfolgreiche Impfungen mit Erbfragmenten beim Menschen außerhalb klinischer Studien noch nicht angewendet werden, zeigen Tierexperimente bereits deutliche Erfolge. Forschern der Rocky Mountain Laboratories im US-amerikanischen Hamilton, Montana., einem Forschungsinstitut des National Institute of Allergy and Infectious Diseases, gelang die Entwicklung eines DNA-Vakzins gegen die Tollwut. Die eingesetzten Genpakete kodieren dabei ein Glykoprotein des Tollwutvirus. In einem Test an zwölf Versuchsaffen zeigte sich das genetische Vakzin ebenso wirksam wie sein herkömmlich hergestelltes Pendant. Zudem wiesen die DNA-geimpften Tiere nach sechs Monaten eine stärkere Immunität gegen das Virus auf. Tatsächlich liegt darin ein entscheidender Vorteil der kleinen Genpakete: Die geimpften Zellen produzieren die neuen Eiweiße über einen Zeitraum von mehreren Wochen, das Immunsystem hat erheblich mehr Zeit, die "gefährlichen" Molekularstrukturen in seinem "Gedächtnis" zu speichern.


      Mit DNA-Impfstoffen an die Börse

      Das Geschäft mit den kommenden DNA-Impfstoffen hat bereits vor deren Bewährung jenseits des klinischen Alltags begonnen. So ging 1998 die erste deutsche Biotechnologiefirma mit genetischen Impfstoffen im Produkt-Portfolio, die Mologen Holding AG, an die Börse.
      Avatar
      schrieb am 27.10.00 12:03:13
      Beitrag Nr. 95 ()
      Der erste Einsatz von Gentherapie
      Potentielle Anwendungen der Gentherapie
      Gentherapie-Arten


      Gen-Taxi in die Zelle
      Gentherapie - wozu?

      Mit Pillen, Spritzen oder Krankengymnastik lassen sich meist nicht die eigentlichen Krankheitsursachen, sondern eigentlich nur deren Symptome bekämpfen. Besonders, wenn ein Gendefekt die Ursache der Krankheit ist, bleibt mit konventionellen Therapieformen eine wirkliche Heilung unmöglich. Das heißt für viele Patienten, daß sie ein Leben lang Medikamente zu sich nehmen müssen. Seit den 70er Jahren wird nun an der direkten Therapie der Gene, das heißt den Ersatz des defekten Genes durch ein gesundes, geforscht.


      Der erste Einsatz von Gentherapie

      Ashanti DaSilva hat ein krankes Gen. Wäre es gesund, würde dieses Gen das Enzym Adenosindesaminase (ADA) herstellen, das eine wichtige Rolle im Stoffwechsel des Immunsystems spielt. Aufgrund ihres ADA-Mangels ist Ashanti überempfindlich für Infektionen aller Art. Nur wenn sie das Enzym ADA künstlich aufnimmt, kann sie sich in öffentlichen Räumen aufhalten, in die Schule gehen.

      Damit sie nicht permanent ADA von außen braucht, sondern ihr Körper den Stoff selbst produziert, wurde 1986 an Ashanti erstmals ein gentherapeutischer Ansatz getestet. Entschärfte Viren halfen dabei, in Zellen von ihr ein gesundes ADA-Gen einzuschleusen. Mit anscheinendem Erfolg: Durch die Gentherapie verbesserte sich Ashantis Krankheitsbild. Bei genauerem Hinsehen stellt sich allerdings heraus, daß die Ärzte außer Gentherapie noch andere Medikamente einsetzten. Niemand vermag nun genau zu sagen, ob die Verbesserung von Ashantis Zustand wirklich der Gentherapie zuzuschreiben ist - ein gutes Beispiel für die heutzutage vorherrschende Skepsis in Bezug auf Nutzen und Wirkung der Gentherapie, die sich momentan noch in der Testphase befindet und nicht als offizielle Therapieform zugelassen ist.


      Potentielle Anwendungen der Gentherapie

      ADA-Mangel, Mukoviszidose oder Hypercholesterinämie, eine Fettstoffwechselstörung, sind Beispiele für Erbkrankheiten, die von einem einzigen defekten Gen verursacht werden. Diese Krankheiten haben, aufgrund des genau definierten genetischen Defektes, die besten Chancen auf Heilung durch Gentherapie. Ein anderer wichtiger Anwendungsbereich sind erworbene Erkrankungen wie Tumoren, Herzinfarkt oder Viruserkrankungen, bei denen man die genetische Steuerung des Krankheitsverlaufes kennt.

      Gentherapie-Arten

      In der Testphase befindet sich derzeit nur die somatische Gentherapie. Dabei werden therapeutische Gene in betroffene Organe oder Körperzellen eingeschleust. Im Gegensatz dazu würde bei der Keimbahn-Gentherapie das Gen in die Eizelle oder Spermien eingebracht werden und sich damit auf die Nachkommen übertragen. Obwohl der Transfer von Genen in Forpflanzungszellen bei Tieren regelmäßig angewandt wird (zum Beispiel beim Pharming oder bei der Herstellung transgener Mäuse), ist er beim Menschen verboten und mit Haftstrafen belegt.





      Die ex-vivo Strategie bei der somatischen Gentherapie
      Therapeutische Gene werden im Labor mittels Vektoren in zuvor entnommene Körperzellen des Patienten eingeschleust. Die so behandelten Zellen werden dem Patienten wieder zugeführt.
      Mit freundlicher Genehmigung des VCI.


      Bei der ersten Methode entnimmt der Arzt dem Patienten körpereigene Zellen (Autosomen), schleust das therapeutische Gen mit Hilfe von Vektoren ein, vermehrt die Zellen daraufhin im Labor und führt sie dem Patienten wieder zu. Diese sogenannte ex-vivo Strategie ist zum Beipiel zur Bekämpfung von Blut- oder Knochenmarkskrebs oder AIDS denkbar.



      In-vivo Gentherapie für Mukoviszidose-Patienten
      Bei der Inhalationstherapie der Mukoviszidose soll mit Hilfe von viralen Gentaxis das rettende Gen in die Lunge der Patienten eingeschleust werden, um dort den für die Krankheit typischen zähflüssigen Schleim abzubauen.

      Bei der in-vivo-Strategie wird das Gen durch sogenannte Gentaxis direkt zum Zielort im Körper transportiert. Diese Gentaxis oder Genfähren können, wie bei Ashanti DaSilva, entschärfte Viren sein, die Zellen zwar infizieren können und das therapeutische Gen dabei einschleusen, sich selber aber nicht mehr vermehren oder ausbreiten können.

      Auch Liposomen, eine Art Fettkügelchen, die leicht mit Zellmembranen verschmelzen können, dienen als Gentaxis. Zur Anwendung könnte das in-vivo-Prinzip unter anderem bei der Bekämpfung von Tumoren wie dem Gehirntumor Glioblastom kommen. Allerdings sind die meisten der heute bekannten Vektorsysteme noch nicht ausgereift genug, um einen zuverlässigen Gentransfer zu gewährleisten. Sowohl die Pharmaindustrie als auch die Biomedizin versucht hier, bessere Grundlagen zu schaffen.
      Avatar
      schrieb am 27.10.00 12:35:38
      Beitrag Nr. 96 ()
      Hallo Shaky,

      danke für die umfangreiche Wochenendlektüre!!

      und den Eurofins-Bericht

      Grusch eschi - der sich über seine Erofins freut
      Avatar
      schrieb am 27.10.00 17:34:46
      Beitrag Nr. 97 ()
      Hallo Leute,

      auf Wunsch mehrerer Leute, setze ich die Kopie des "Werkes" hier herein.
      Denke shaky ist auch ganz froh darüber, das hier mal ein anderes posting erscheint.

      Also, viel Spass beim lesen.

      Was ist Biotechnologie?

      Häufig löst der Gedanke Überraschung aus, Daß biotechnologische Verfahren bereits seit Jahrtausenden Anwendung finden. Das Aufblühen zivilisatorischer Hochkulturen ist eng mit der Anwendung von Verfahren zur Nahrungsmittelproduktion verbunden, die biotechnologischen Ursprungs sind.
      In der alkoholischen Gärung, bei Backvorgängen und in der Käseherstellung machten sich Menschen schon früh die Hilfe von Mikroorganismen zunutze. Erste Ursorten unserer heutigen Getreidearten sind im östlichen Mittelmeerraum nachgewiesen worden- mit den heute verwendeten Getreidesaaten haben sie kaum mehr was gemeinsam. Dafür verantwortlich ist die über Jahrtausende getroffene Zuchtauswahl, die wachsende Erträge in der Landwirtschaft ermöglichte. Diese Weiterentwicklung der vorhandenen Tierarten und Pflanzen zu Nutztieren und Nutzpflanzen folgte dem Zufall und der scharfen Beobachtung. Dabei machte sich der Mensch einen besonderen Umstand zunutze: Auf natürlichem Wege treten immer wieder zufällig Mutationen auf. Diese haben eine wichtige Funktion in der Evolution der Arten. Sie sind der Variantenpool, dessen Inhalt beständig an den vorhandenen Umweltbedingungen „getestet“ und aus dem die zur Weiterentwicklung bestimmten Erbanlagen gewählt werden. Nur die an die vorhandenen Umweltbedingungen optimal angepaßten Gene werden zur Weiterentwicklung bestimmt.
      Im Verlauf der Evolution spielen nicht nur solche „Testreihen“ eine wichtige Rolle. In der Natur selbst kommt es millionenfach zu Genmanipulationen. Ein solcher Manipulationsspezialist ist das Bodenbakterium „Agrobacterium tumefaciens“, das sich der Methode des Gentranfers bedient, um die eigene Ernährungsgrundlage zu sichern. Dazu schiebt das Bakterium die transportfähig verpackte Variante der eigenen DNS-Erbinformation, die sogenannte T-DNS, in den genetischen Vorrat seiner Wirtspflanze. Das auf diese Weise geänderte genetische Programm der Pflanze bewirkt eine Umstellung der Stoffproduktion.
      Die Pflanze beginnt die vom Agrobakterium bevorzugte Lieblingsspeise , ein besonderes Eiweißmolekül, zu erzeugen. In der Gentechnik bedient sich die Wissenschaft heute solcher sogenannter „vektorieller“ Übertragungsverfahren, um fremdes Genmaterial in einen Organismus einzuschleusen.
      Nicht in jedem Fall allerdings ist mit der Anwendung biotechnnologischer Verfahren ein Gentransfer bzw. die sogenannte „Genmanipulation“, also der Eingriff ins Erbgut, verbunden. Vielmehr bedient sich die Biotechnologie auch anderer Techniken und Wissensgebiete. Sie nutzt die Informatik, die medizinische Laborgerätetechnologie, die Mikroelektronik und andere Bereiche zur Erzeugung neuer Produkte und zur Bildung ganzer Wertschöpfungsketten. Die von der Biotechnologie benutzten Organismen können durchaus auch in ihrer von der Natur gegebenen evolutionären „Laufbahn“ verbleiben.
      Zweifelsohne jedoch ist gerade die Gentechnik ein wichtiges Werkzeug der Biotechnologie. Sie erst verleiht der Biotechnologie die weitreichenden Möglichkeiten, die es ihr erlauben, viele Wirtschaftsbereiche zu revolutionieren. Die Saatguterzeugung, die Agrochemie, die Feinchemie, die Nahrungsmittelerzeugung sowie natürlich die medizinische Prävention, Therapie und Diagnostik werden ihr Gesicht unter dem Wirken dieser Querschnittstechnologie völlig verändern.
      Biotechnologie bedeutet also, daß sich die Menschheit wie früher auch des Wirkens kleiner und grosser Organismen zur Produktion und Umwandlung von Stoffen bedient – heute allerdings mit einem bisher noch nicht gekannten Ausmaß.



































      Warum die Pharmaunternehmen die Biotechnologie brauchen

      Das Mammut ist am Ende der Eiszeit ausgestorben, denn ihm ist die Anpassung an die veränderten klimatischen Bedingungen der Warmzeit nicht gelungen. Mit dem Einatz der Biootechnologie ist eben falls eine gewaltige Veränderung der „klimatischen“ Bedingungen für die Pharmariesen verbunden, die mancher dieser Dickhäuter nicht überleben dürfte. Das neue Wissen macht eine neue Fitness erforderlich. Die Erfolgsparameter im Markt werden neu definiert. Mit dem Erfolg der jungen Unternehmen der Gentechnologie sehen sich die „Dickhäuter“ des Pharmasektors nicht allein zu schnellerer Gangart gezwungen. Auch die Art und Weise ihrer Nahrungssuche ist grundlegenden Änderungen unterworfen: Im genomischen Zeitalter ist das Geschäft der Pharmaunternehmen schwieriger geworden. Schwer tragen die grossen Pharmaunternehmen an den Lasten der hohen Kosten, die immer weiter steigen. In den vergangenen Jahrzehnten ist eine gewaltige Kostensteigerung zu verzeichnen gewesen. 1999 schlagen die Kosten für F& E eines neuen Medikamentes mit 800 Millionen US-Dollar zu Buche.
      Mit der Pharmaentwicklung sind naturgemäss hohe finanzielle Risiken verbunden, weil das Ergebnis der Entwicklungsarbeit stets ungewiss ist: Von zehn in der klinische Erprobung genommenen Wirkstoffen besteht ein einziger alle klinischen Erprobungsphasen und gelangt auf den Markt.
      Immer wieder müssen die Entwicklungskosten eines Medikaments beizeiten abgeschrieben werden. Das Problem liegt in der geringen Aussagekraft von Reagenzglastests. Selbst Tests an Tieren erlauben nur bedingt verläßliche Aussagen, ob ein Wirkstoff im menschlichen Organismus eine überzeugende Wirkung entfaltet – erst mit Abschluss der Erprobung ist das endgültige Urteil gefällt und die Wirksamkeit steht mehr oder weniger zweifelsfrei fest.
      Entsprechend aufwendig gestaltet sich die Arzneimittelforschung. Schon die präklinische Gewinnung neuer Wirkstoffe ist mühsam und mit vielen Rückschlägen verbunden: Nur ein einziger von 5000 anfänglich untersuchten Wirkstoffen gelangt vom ersten frühen Stadium des Screening zur Tablettenform für den Patienten. Alle anderen untersuchten Wirkstoffe sind zuvor in den erforderlichen drei klinischen Testphasen gescheitert oder haben die klinischen Test aufgrund mangelhafter Wirksamkeit erst gar nicht erreicht.

      Eine von 5000 Wirkstoffen erreicht die Marktreife

      Anzahl der Substanzen in der Entwicklung
      5000à Screening
      50 àOptimierung
      12 à Toxikologie
      4,8 à Phase I
      3,4 à Phase II
      1,8 à Phase III
      1,1 à Registrierung
      1,o à Zulassung
      Oft schlägt das Mißgeschick ganz unerwartet- und besonders teuer- in späten
      Phasen der Entwicklung zu: beispielsweise hatten Finanzanalysten Idoxifene,
      einem von SmithKlineBeecham gegen Osteoporose entwickeltem
      Medikament, Spitzenverkäufe von 450 Millionen Dollar zugetraut. Diese
      Prognose ist längst Makulatur. Unerwartet starke Nebenwirkungen in der
      klinischen Erprobung machten alle Hoffnungen zunichte und führten
      schliesslich zur Einstellung der Tests.
      Nicht in jedem Fall erreichen die Entwicklungskosten die stolze Höhe von
      440 Millionen Euro, wie beim Fettsenker Xenical der Roche AG.
      Die Besitzer der Roche Papiere- die doch eher zu den gelassenen Anlegern
      zählen- gerieten ins Schwitzen, als in den USA bei der Markteinführung
      Verzögerungen waren und der Börsenwert der Roche zeitweise unter
      Druck geriet. Im Pharmaportfolio der Roche kommt Xenical als künftigen
      Blockbuster eine wichtige Rolle zu. Im Jahr 2004 läuft der Patent-
      schutz für den Millardenseller Rocephin, ein, Antibiotikum, aus. Roche muß
      deshalb auf dem umkämpften US- Markt einen Blockbuster als Ersatz auf-
      bauen. Dies ist beileibe keine einfache Aufgabe, wie wir bei der Betrach-
      tung der rigiden amerikanischen Zulassungspraxis noch sehen werden.
      Aus heutiger Sicht sind die 1970 für ein neues Medikament auszulegenden
      500000 US-Dollar geradezu bescheiden zu nennen angesichts der mehreren
      hundert Millionen US-Dollar, die heute für ein neues Medikament gezahlt
      werden. Kostentreibend wirkt sich neben den reinen Entwicklungskosten
      die Zulassung aus. Obwohl sich die FDA um schnellere Zulassungszeiten
      bemüht, sind die Phasen der Entwicklung und der Tests des neuen Wirkstoffs
      sehr lang. Während dieser Zeit müssen die Pharmakonzerne, deren Börsen-
      wert maßgeblich von der Füllung ihrer Produktpipeline bestimmt wird,
      immer wieder befürchten, daß die in der Pipeline steckenden Produkte
      scheitern. Die grossen Forschungserfolge der wendigen und kreativen
      Kleinen aus der Biotechnologie lenken die Aufmerksamkeit der Pharma-
      hersteller verstärkt auf den Sektor: die Übernahme von Biotechnologie-
      firmen wird zu einer interessanten Option. Der Kauf eines Unternehmens
      mit einem in der Entwicklung weit fortgeschrittenen Projekt ist eine Abkür-
      zung auf dem Weg zum Markt. Ein Pharmakonzern, der ein Biotechnologie-
      unternehmen mit einem „reifen“ Produkt aufkauft, spart kostbare Entwick-
      lungszeit und kann sich unverzüglich in einer fortgeschrittenen Entwicklungs
      phase positionieren- Vertrieb und Umsatz durch das Produkt können so bei-
      zeiten beginnen. Überdies kann die gekaufte Zeitersparnis den entscheidenen
      Vorsprung am Markt, in einigen Fällen sogar ein echtes Vermarktungs-
      monopol bedeuten. Es ist sicherlich nicht allzu gewagt, dem Biotechnologie-
      sektor noch viele Übernahmen vorauszusagen.
      Zeit zählt im Pharmasektor. Immer wieder kommt es vor, das Konkurrenten
      fast zeitgleich mit einem neuen Produkt an den Markt kommen. Dies ist
      unlängst in den USA bei der Einführung einer neuen Generation von Schmer
      zmitteln geschehen. Als das Schmerzmittel Vioxx von Merck&Co. im April
      1999 grünes Licht von der FDA erhielt, hatte drei Monate zuvor Monsanto
      mit seinem Cox-2 Inhibitor die Zulassung erhalten. Beide Medikamente
      sollen akute Schmerzerscheinungen lindern- ein mehr als 6 Milliarden $
      Volumen mächtiger Markt, der sich mit Zulassung der eingeführten Mittel
      sogar noch erweitern könnte. Die fast zeitgleiche Einführung von ähnlichen
      Produkten geht allerdings meist mit einer Verteuerung der Markteinführung
      einher, da ein erbitterter Kampf um die Erstverwender geführt wird, die
      möglicherweise eine Markentreue herausbilden.
      Nach dem Abschluß der Entwicklungsarbeit und dem Erhalt der Zulassung
      muß der Vertrieb auf das neue Produkt vorbereitet werden. Das ist ein
      kostenträchtiges Unterfangen. Eine härter werdende Konkurrenz erlaubt es
      nicht, an den Ausgaben der Markteinführung zu sparen. Denn es soll nicht
      nur die Aufmerksamkeit der Ärzte errungen werden, sondern sie sollen auch
      zur Verordnung des neuen Produktes veranlaßt werden. Die Vertriebskosten
      neuer Medikamente verzeichneten in den letzten Jahren eine ähnliche
      Steigerung wie die Entwicklungskosten. Bislang führt für die Pharmaher-
      steller aber kein Weg an einem gut ausgebauten Vertrieb vorbei. Die Zukunft
      für mittelgrosse Pharmahersteller, die über keinen schlagkräftigen Vertrieb
      verfügen, sieht alles andere als günstig aus. Sollten solche Unternehmen sich
      nicht erfolgreich in einer Nische im Markt etablieren können, scheint das
      Verschwinden oder die Übernahme solcher Unternehmen unausweichlich.
      Übernahmen und Fusionen werden sicherlich auch weiterhin die Tagesord-
      nung der pharmazeutischen Branche bestimmen. Auch die überwiegende
      Zahl der deutschen Pharmaunternehmen wird angesichts ihrer mangelnden
      Masse nicht um eine Partnersuche herumkommen. Zu weit ist den deutschen
      Konzernen in den letzten Jahren die US-Konkurrenz enteilt. Vor allem Kon-
      zerne wie Warner Lambert und Pfizer lagen inihren Zuwächsen über dem
      Wachstum des US-Pharmamarktes- obwohl der mit einer geschätzten Zu-
      nahme von nicht weniger als 15,6% im Jahr 1998 schon szark wuchs.
      Auch bei den erzielten Renditen müssen die ausländischen Unternehmen
      sich gegenüber den großen amerikanischen Vertretern der Arzneimittelzunft
      geschlagen geben. Die innovative amerikanische Konkurrenz hatte ihren
      Renditevorsprung auf 10-15% ausbauen können. Die Pharmebranche ins-
      gesamt sitzt in einer Wachstumsfalle, folgert PriceWaterhoudeCoopers im
      Industriereport „Pharma 2005“, der sich mit den Marktentwicklungen in der
      Pharmaindustrie befasst. Von den 20 grossen Unternehmen im Pharmasektor
      sollen, so PriceWaterhouseCoopers, im Jahr 2005 nur noch 13 als eigen-
      ständige Unternehmen am Markt sein. Allein ausreichendes Wachstum und
      reichlich neue Produkte können die prognostizierte Entwicklung abwenden.
      Dazu allerdings müssten die 20 führenden Unternehmen ein Wachstum von
      nicht weniger als 7 % jährlich erzielen. Das würde in den kommenden fünf
      Jahren zwischen 24 und 34 Blockbuster erforderlich machen.
      Dazu sieht sich die Pharmaindustrie einem weiteren drückenden Problem
      ausgesetzt: Wegen auslaufendem Patentschutz wird so manche Cash-Cow in
      den nächsten Jahren von der Bestsellerliste der Konzerne verschwinden.
      Dazu zählen beispielsweise so bekannte Medikamente wie das Antidepress-
      ivum Prozac von Eli Lilly, das aller Voraussicht nach im Jahr 2002 seinen
      Patentschutz einbüssen wird. Die schon fast legendäre Erfolgsgeschichte
      eines Arzneimittels dürfte dann ein Ende finden: Prozac schrieb allein 1997
      von gewltigen 2,6 Millarden US-Dollar. Erfahrungsgemäß drängen die Pro-
      duzenten von Generika gerade ein solches Erfolgsprodukt besonders massiv.
      Der Hersteller rechnet ab diesen Zeitpunkt mit einem Rückgang der Umsätze
      von Prozac von 90 % !! Auch das erfolgreiche Herzmedikament Vasotec der
      Merck wird seinen Erfolg bald mit Trittbrettfahrern teilen müssen. Im Falle
      erfolgreicher Megaseller wie Cardiziem der Hoechst/Aventis Tochter HMR,
      von Schering-Ploughs Claritin und des Topsellers Prilosec von Astra sieht es
      nicht anders aus- die Hersteller generischer Wirkstoffe werden nach dem
      Ablauf des Patentschutzes einen wichtigen Anteil des Marktes übernehmen.
      Aber: bei der Suche nach Ersatz für die auslaufenden Patentrechte und nach
      neuen Spitzenmedikamenten winkt Rettung! Die forschungsstarken Biotech-
      nologieunternehmen empfehlen sich als Partner für die Großen. Es ist zu er-
      warten,daß künftig das „Outsourcing“ der Forschung und Entwicklung
      erheblich zunehmen wird. Schon jetzt ist dieser Weg für die Arzneimittel-
      riesen verlockend und wird immer häufiger beschritten, um die Kosten der
      Entwicklung von Arzneimitteln in den Griff zu bekommen. Attraktiv ist
      allerdings auch der durch Outsourcing erworbene Zeitgewinn beim Aufbau
      eines möglichst großen, die Zukunft des Unternehmens sichernden Wirkstoff
      repertoires.
      Aus Sicht der Pharmaunternehmen ist die hohe Motivation und Wendigkeit
      der Biotechfirmen beneidenswert. Große Pharmafirmen verfügen in der
      Regel nicht über solche Trümpfe, was in den starren und unübersichtlich
      großen Organisationseinheiten begründet liegt. Für die Großen ist es deshalb
      reizvoll, sich die flexiblen kleinen Unternehmen einzuverleiben und sich auf
      diese Weise Flexibilität und Innovationspotential einfach zu kaufen. Hier
      müssen die Pharmaunternehmen jedoch darauf achten, daß sie nach einer
      erfolgreichen Übernahme die kleinen Unternehmen nicht zu sehr einengen.
      Sonst droht eben dieser Bonus der Biotechunternehmen verlorenzugehen,
      etwa wenn sich ausgehend vom Großunternehmen auch im kleinen Biotech-
      unternehmen plötzlich Bürokratisierungstendenzen zeigen. Dies hätte
      möglicherweise auch negative Auswirkungen auf die Forschung. Der Typus
      des kreativen und hochmotivierten Forschers entfaltet sich besser in den
      schlanken und unbürokratischen Strukturen kleiner Unternehmen. Zur Sich-
      erung der innovationsfreundlichen Atmosphäre sind deshalb strategische
      Allianzen und Forschungskooperationen zwischen den innovationsstarken
      kleineren Unternehmen des biotechnologischen Sektors und den Pharma-
      konzernen ein oft gewählter Weg der Zusammenarbeit.
      Längst hat so die pharmazeutische Industrie begonnen, die Potentiale des
      Bio-Sektors für sich zu erschließen. Durch umfangreiches Outsourcing von
      Forschungsprojekten versucht sie, die hohen Kostenblöcke des Forschungs-
      und Entwicklungsbereiches in den Griff zu bekommen. Häufig gehen die
      Pharmagruppen viele- mehr oder weniger eng ausgestaltete- vertragliche
      Kooperationen mit Biotechfirmen ein. Im Rahmen solcher Verträge treten die
      Pharmakonzerne quasi als Sponsoren von Entwicklung und Erforschung
      dieser Unternehmen auf und genießen im Gegenzug das Recht auf die
      Verwertung der Ergebnisse. Der britische Pharmakonzern Glaxo-Wellcome
      unterhält mehr als 50 solcher Kooperationen mit biotechnischen Firmen,
      diese Kooperationen sind integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie.
      Immer wieder werden die kleineren Biotechunternehmen durch sogenannte
      Milestone-Payments (Zahlungen, die den Abschluß bestimmter, zuvor ver-
      traglich festgelegter Forschungs- und Entwicklungsabschnitte honorieren)
      in der Forschung unterstützt. Auch die Biotechunternehmen profitieren von
      dieser symbiotischen Lebensform: Eine oder gleich mehrere Kooperationen
      entheben sie nicht selten ihrer finanziellen Existenznöte und im Falle von
      Schwierigkeiten ist der Rat des grossen Partners durchaus geschätzt.




























      Pharmaunternehmen auf dem Weg zur Biotechnologie

      Beispiel Bayer AG

      Pharmaunternehmen sin das wert, so lautet eine einfache Faustformel der Analysten, was in ihrer Produktpipeline steckt. Im Falle der Bayer AG verhieß die gestellte Diagnose wenig erfreuliches: Ursprünglich war für das Jahr 2002 die Vermarktung eines Krebsmittels vorgesehen. Die Entwicklung dieses Medikamentes wurde im Jahr 1999 ebenso eingestellt wie die Tests an einem Therapeutikum gegen Herz- und Kreislaufleiden. Zwei Arzneimittel, mit denen sich erhebliche Umsatzerwartungen verknüpften, waren plötzlich kein Bestand-
      teil der Zukunftssicherung der Bayer AG mehr. Viele Konzerne würden in einer ähnlichen Situation versuchen, sich durch Übernahmen oder den Zusammenschluß mit einem geeigneten Partner zu stärken. Eine solche Lösung hielt die Konzernleitung von Bayer, die Großübernahmen und Fusionen generell als problematisch einstufte, nicht für ein geeignetes Mittel zur Lösung ihrer Probleme. Der Kauf eines Pharmaherstellers würde sich zudem als ein teurer Schritt erweisen, obwohl es sem Konzern mit einer gut gefüllten Kasse von mehr als 10 Millarden Euro nicht an den nötigen Mitteln fehlte- diese Summe wäre auch für eine größere Übernahme ausreichend gewesen. Es war die Bio-
      technologie, die Bayer auf den Weg aus der Wachstumsfalle bringen konnte. Durch die Entdeckung möglichst vieler neuer Gentargets würde das Unter-
      nehmen Ansatzpunkte zur Entwicklung vieler Spitzenmedikamente gewinnen.
      Bayer begann, die in Berkeley/USA und in Wuppertal angesiedelten konzereigenen biotechnologischen Einrichtungen auszubauen. Allein in Berkeley wurden in den Jahren 1992 bis 1997 von Bayer 260 Millionen US-Dollar investiert, die hauptsächlich der Pharmaforschung, aber auch dem Bau einer neuen Produktionsanlage sowie den entsprechenden Reinigungs- und Fermentationsanlagen zugute kam. Der Dreh- und Angelpunkt der Bayer-Stra-
      tegie waren jedoch die Entwicklungspartnerschaften, die mit innovativen Unter-
      nehmen der Biotechnologie, darunter indbesondere Unternehmen der Genomik
      gesucht und geschlossen wurden. Diese nicht immer preisgünstigen Partner-
      schaften boten einen schnelleren Weg zu den Gentargets, die es vergleichsweise rasch ermöglichen, aussichtsreiche Produkte zu generieren. Eine erste Weichen-
      stellung in Richtung Biotechnologie war bei Bayer bereits im Jahr 1979 erfolgt, als der Konzern aus Leverkusen- zu diesem Zeitpunkt noch der zweitgrößte Arzneimittelkonzern der Welt- die Miles Inc. in den USA übernahm. Weitere Schritte in Richtung der neuen Technologie folgten in den nächsten Jahren im Bereich Pflanzenschutz. Die Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln/Vogelsang im Jahr 1982 war einer dieser noch zaghaften Schritte, der dem Konzern die neun biologischen Möglichkeiten in der Pflanzentechnologie eröffnete.
      Eine weitere Station auf dem Weg zur biotechnologischen Expertise war die Gründung des Firmen-Duos Molecular Diagnostics und Molecular Therapeu-
      tics unter Beteiligung der amerikanischen Yale-Universität. Noch immer fehlte es allerdings an eigenen biotechnologischen Produkten. Der Kauf einer Produkt-
      lizenz sollte für Abhilfe sorgen. Aus diesem Grund wurde die Bayer AG einer der Kunden von Genentech und erwarb 1984 die Lizenz für den Faktor VIII, der nun in Berkeley produziert und unter dem Namen Kogenate vertrieben wird.. Weitere Kooperationen der Bayer in den neunziger Jahren betreffen wichtige Unternehmen der US-Biotechszene: Im Jahre 1994 wurden Kooperationen geschlossen mit Onyx ( M´mit dem Ziel, Gentargets für die Krebsbekämpfung zu gewinnen, insbesondere das sogenannte Ras-Onkogen) sowie mit Arris ( hier wurde die Lieferung von Targets für die Asthmatherapie vereinbart). Ein Jahr später wurde mit Myriad Genetics ein Vertrag geschlossen.Myriad Genetics ist in der Gendetektion zue Entschlüsselung der Ursache bedeutender Erbkrank-
      heiten tätig und und verfolgt genetische Zusammenhänge, die als Basis zur Entwicklung von Diagnostika und Therapeutika dienen. Dabei verfügt dieses Genomikunternehmen über eine besonders interessante Technikbasis: Seine Datenbanken enthalten die weit verzweigten Stammbäume von Familien mit Erbkrankheiten und die entsprechenden fehlerhaften DNS-Stücke.Myriad kann so den Pfad verfolgen, den diese Krankheiten in das Erbgut der Generationen nehmen.
      Doch bei diesen Kooperationen wollte es Bayer nicht belassen. Weitere bio-
      technologische Allianzen der Bayer AG folgten, darunter im Jahr 1997 die Verträge mit dem US-Unternehmen Genome Therapeutics und Genetics Institute, die Lieferungen weiteren genomischen Datenmaterials von Bakterien bzw. von Proteinstrukturen zum Gegenstand hatten.
      Im Herbst des darauffolgenden Jahres schloss Bayer mit Millennium Pharma-
      ceuticals einen aufsehenerregenden Vertrag über eine Summe von bis zu 465 Millionen US-Dollar ab, die allerdings an die Performance des Lieferanten geknüpft war. Damit schloß Bayer den höchstdotierten Forschungsvertrag in der Geschichte der Biotechnologie ab, der sogar den bisherigen Rekord-Deal von Monsanto mit Millennium überstieg (dieser hatte über 5 Jahre verteilt die Zahlung von insgesamt 218 Millionen US-Dollar vorgesehen). Bayer gewann im Zuge des Geschäfts auch eine Beteiligung an Millennium in Höhe von 14 % und soll 225 Targets von Millennium erhalten.
      Nur Monate später wurde ein weiterer großvolumiger Forschungsvertrag, dieses Mal mit dem deutschen Genomikunternehmen Lion Bioscience, hinzugefügt. Und schließlich konnte sich der Konzern sogar zu einer Übernahme entschließen, als er Ende 1998 zum Preis von 971 Millionen Euro das Diagnos-tikgeschäft des Biotechriesen Chiron übernahm- dies war eine der größten von Bayer je getätigten Übernahmen überhaupt.





      Was Anleger über
      Arzneimittelzulassungsverfahren wissen müssen

      Die Unvollkommenheit der Welt zeigt sich in ihren Krankheiten, glaubte Paracelsus (1493-1541). Die Zubereitung der Heilmittel legte dieser Universal-
      gelehrte in die Hände des rechtschaffenen und ehrlichen Arztes. Fünfhundert Jahre später gestaltet sich der Prozeß der Entwicklung neuer Arzneimittel ungleich komplexer. Die Prüfverfahren von Medikamenten vor der Marktzu-
      lassung sind streng und folgen einem detailliert kodifiziertem Regelwerk. Schon vor dem Eintritt in die klinische Phase der Erprobung müssen pharmakologische Wirkstoffe langwierige Tests und Prüfungen überstehen. Diese sogenannte präklinische Phase kann sich in der Praxis über 3 bis 4 Jahre hinziehen. Sie beinhaltet Tests an Zellkulturen und an isolierten tierischen Organen, die zumeist durch eine eingehende chemische Überprüfung ergänzt werden. Eine toxikologische Verträglichkeitsprüfung, die im Reagenzglas oder auch im Tierversuch vorgenommen wird, soll eventuelle Gefährdungen in der klinischen Erprobungsphase ausschließen, wenn der Wirkstoff erstmals an einer größeren Anzahl von Menschengetestet wird. Um die Nachahmung zu verhindern, findet die patenzrechtliche Sicherung des Stoffes oft schon vor Abschluß der präkli-
      nischen Phase statt.
      Die klinische Erprobung kann viele Überraschungen beinhalten, denn die Tätig-
      keit der Wirkstoffgewinnung und –entdeckung ist tückisch. Oft erweisen sich Wirkstoffe, die im Reagenzglasversuch kläglich versagt haben, im lebenden Or-
      ganismus als durchaus therapeutisch wirksam. Der umgekehrte Fall, das sich Wirkstoffe nach positiven „in-vitro-Ergebnissen“ erst in späteren Testphasen als woirkungslos oder in ihren Nebenwirkungen als problematisch erweisen, ist noch häufiger anzutreffen.
      Nach Abschluss der umfangreichen Vorarbeiten in der präklinischen Phase kann der Antrag bei der Zulassungsbehörde für die klinischen Testphase I erfolgen. Die Wirkung des Stoffes und seine Dosierung werden am Menschen genau geprüft und das Bioverteilungs-, Ausscheidungs- und Stoffwechselverhalten untersucht. Üblicherweise wird in dieser Phase an 10 bis 100 gesunden Freiwilligen getestet.

      In der klinischen Phase II stehen ebenfalls Fragen der Dosierung und der Wirk-
      samkeit des Stoffes im Zentrum der Untersuchung. Allerdings wird das poten-
      tielle Medikament jetzt zum ersten Mal an kranken Menschen (zwischen 50 uns 200 Personen) getestet. Nach einer zeitlich begrenzten Anwendungsdauer, die in der Regel zwischen 4 und 6 Wochen beträgt, saoll als Ergebnis der Testphase II
      die wirksame und verträgliche Dosierung des Stoffes feststehen.

      In der Phase III der klinischen Erprobung steigen die Anforderungen erneut. Eine deutlich erweiterte Testgruppe von bis zu 2000 Personen soll eine höhere statistische Sicherheit der Ergebnisse feststellen. Auchhier regelt ein umfangreicher Kriterienkatalog die genauen Erfordernisse dieser kritischen Testphase, die den Abschluß der Erprobung markiert. Die Unbedenklichkeit des Stoffes selbst nach seiner längeren Anwendung, die Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Stoffen sind durch eine detaillierte Dokumen-
      tation zu belegen. Neben der Sicherheit des Wirkstoffes steht der therapeutische Nutzen des Aezneimittels in spe- auch im Vergleich mit anderen schon auf dem Markt vertretenen Standardpräparaten- im Zentrum des Interesses und ist statistisch zuverlässig zu dokumentieren.

      Erst nach Durchlaufen aller drei Phasen der klinischen Erprobung kann die Zulassung beantragt werden. Die Genehmigung desamerikanischen Zulassungs-
      amtes für Arzneimittel (FDA) ist von enormer Wichtigkeit für die Pharma-
      hersteller, da sie den Verkauf am amerikanischen Pharmamarkt erlaubt, der mit 42 % Anteil am gesamten Weltmarkt und einem Umsatzvolumen von 102 Millarden US-Dollar weltweit eine wichtige Leitfunktion hat. So braucht sich kein Pharmahersteller, gegen dessen Medikament von Seiten der FDA Bedenken bestehen, auf große Absatzerfolge einzurichten.
      Zwei Wege führen zum Erfolg auf dem amerikanischen Markt. Einer von ihnen ist der Antrag auf Zulassung einer neuen Substanz ( New Drug Application: NDA ). Die zweite Möglichkeit ist ein Antrag auf Erteilung einer Produkt-
      lizenz (Product Licence Applikation. PLA).
      Beide sind mit einem hohen bürokratischen und finanziellen Aufwand verbunden, der im Regelfall hohe Anforderungen an die Organisation und Ab-
      wicklung im Unternehmen stellt.
      Das zeigt bereits ein Blick auf die bürokratischen Erfordernisse eines solche Zulassungverfahrens: Der Start der klinischen Phase setzt die Ausfertigung eines sogenannten Investigational New-Drug Antrages (IND) voraus. Erst nach erfolgter Freigabe dürfen die klinischen Versuche beginnen und unter den wachsamen Augen der FDA fortgesetzt werden, solange die Genehmigungs-
      behörde nicht Gründe für eine Unterbrechung findet und den Stop verfügt. Das Fortschreiten der einzelnen Phasen und Teilabschnitte des Verfahrens wird gleichzeitig von einem Strom an Formularen, Dokumentationen und Berichte zwischen dem Unternehmen und der FDA begleitet, die der Erhalt des hohen Sicherheitsstandard der FDA erfordert. Aus diesem Grund sind unerwartete Vorkommnisse und Ereignisse außerhalb des gewöhnlichen Ablaufs der Erprobung der FDA binnen kurzer Frist mitzuteilen- sie können den unver-
      züglichen Stop der Versuche nach sich ziehen.Hohe Ansprüche gelten bei der statistischen Aufbereitung der Ergebnisse, die in einer genau festgelegten und validen Art und Weise zu geschehen hat.
      Die Kosten von ca. 300 Millionen US-Dollar für ein neuentwickeltes Medika-
      ment werden so schnell erreicht. Der Prozeß der Arzneimittelentwicklung ist außerdem äußerst zeitraubend. Trotz verkürzter Genehmigungsverfahren und verbesserter Methoden der Medikamentenforschung werden auch in den komm-
      enden Jahren 7 und mehr Jahre nötig sein, bis ein neuer Wirkstoff die Apotheken und Krankenhäuser erreicht.
      Erscherend kommt hinzu, daß für die Erteilung der Marktzulassung in den Vereinigten Staaten nicht nur die Daten aus den klinischen Phasen von Bedeu-
      tung sind. Die von der FDA eingeforderten Daten betreffen auch die Ergebnisse der präklinischen Phase der erprobung. Selbst das angewandte Herstellungsver-
      fahren beschäftigt die Kontrolleure der FDA. Die Angaben des Unternehmens werden von einer Gutachterkommission geprüft, die nach Abschluss der Prü-
      fungsphase eine Empfehlung an die FDA ausspricht. In der Regel folgt die FDA in ihrer Entscheidung dieser Empfehlung. Nicht allein die FDA, sondern auch das National Institute of Health (NIH), das in der amerikanischen Gesundheits-
      politik eine wichtige Rolle spielt, ist mit der Überprüfung von klinischen Test-
      verfahren betraut. Nach dem Erhalt der Zulassung ist die Forschungsarbeit nicht beendet. In der klinischen Verwendung des jsetzt zum Arzneimittel avancierten Wirkstoffes fallen eine Vielzahl von Daten an, die seiner fortlaufenden Verbesserung dienen und gesammelt werden.
      In begründeten Fällen können von den Pharmaproduzenten jedoch Ausnahme-
      regelungen in Anspruch genommen werden, die der Anleger auch kennen sollte.
      Diese betreffen beispielsweise die Entwicklung von Therapeutika gegen selten auftretende Krankheiten mit niedrigen Fallzahlen bis 200000. Da ein solch kleiner Markt Großunternehmen der Pharmaindustrie kaum zur Entwicklung von Medikamenten veranlassen kann, hat sich die FDA ein besonderes „Förder-
      programm“ einfallen lassen. Auf die „Waisen und Findelkinder“ des Marktes zielt die so bezeichnete Orphan Drug Indication, die in der Praxis insbesondere den kleineren Unternehmen der Biotechnologie entgegenkommt. Seit 1983 in Kraft, stellt sie Produkte- die exakt definierte Voraussetzungen erfüllen müssen- sieben Jahre lang unter den Schutz eines Exklusivrechtes zur Vermarktung und gewährt ihnen so de facto ein zeitlich begrenztes Monopol. Den Entwicklern sichert sie außerdem attraktive Steuervorteile.
      Neben der Orphan Drug Indication, die durchaus ein generelles Wohlwollen der Regulatoren gegenüber den Möglichkeiten des Biotechnologiesektors erkennen lässt, sind weitere Ausnahmebestimmungen wirksam. Obwohl die Arbeitsweise der amerikanischen Regulatoren auf den ersten Blick sehr bürokratisch erschei-
      nen mag, wird dennoch deren Bemühen immer wieder erkennbar, wichtigen Inn-
      ovationen eine Chance auf schnellere Marktzulassung einzuräumen. Auch bei neuartigen Produkten, wie beispielsweise die der Gewebe- und Organspezia-
      listen der Tissue Sciences, reagiert die FDA flexibel in ihren Genehmigungs- und Prüfverfahren.
      Eine Abkürzung auf dem Weg zum Patienten gewährt unter bestimmten Voraus-
      setzungen das von der FDA eigens eingerichtete beschleunigte Zulassungsver-
      fahren. Es Findet aber nur bei Medikamenten Anwendung, für die aufgrund ihrer Bedeutung für das Leben der Patienten ein besonders dringender Bedarf besteht. Das verkürzte Test und Zulassungsverfahren führt durch die schnellere Erteilung einer Genehmigung zur frühen Marktverfügbarkeit des Heilmittels. Die erforderlichen umfangreichen Versuche der Erprobung werden dadurch aber nur aufgeschoben, denn die vorgeschriebenen Tests sind nach Erteilung der Marktzulassung nachzuholen.
      Die Zulassungs- und Genehmigungspraxis ist ein Kompromi, der die Interessen der Patienten in bezug auf Sicherheit und Wirkung des Arzneimittels ebenso be-rücksichtigen muß, wie er auch die Entwicklung innovativer Medizin nicht behindern, sondern ermutigen soll.
      International laufen zahlreiche Bemühungen zur Harmonisierung der Zulassung-verfahren.



































      Produktpipeline und Entwicklungsstand am Beipiel Vertex

      ProduktTargetPartner research präkl. PhaseI PhaseII PhaseIII NDA Markt
      Antivirals
      Agenerase (amprenavir)/HIVGlaxo Wellcome ex far eastKissei (far east) x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x
      Amprenavir (New Form.)Glaxo wellcome ex far east x x x x x x x x
      3rd GenerationHIV Protease InhibitorsGlaxo Wellcome(worldwide) x x x x x
      VX-497/ HCV x x x x x x x x x x x x
      HCV Protease InhibitorEli Lilly (worldwide) x x x x
      HCV Helicase Inhibitor x x x x
      cancer
      Incel Biochem Pharma (Canada) x x x x x x x x x x x x x
      VX-853 x x x x x x x x x x
      Autoimmune&Inflammation
      VX-497/Autoimmune x x x x x x x x x x x x
      VX- 740/InflammationAventis (Europe) x x x x x x x x x
      VX-745 / InflammationKissei (Far East) x x x x x x x x x
      Neurological Disease
      Timcodar/NeurophilinsSchering AG (worldwide) x x x x x x x x x x x x x
      Caspase Inhibitors x x x x
      MAP Kinase Inhibitors x x x










      In welche Phase investiere ich?
      Selbstpositionierung des Anlegers

      Anleger müssen entscheiden, in welche Entwicklungsphase biotechnologischer Unternehmen sie sich engagieren möchten. Grob lassen sich drei Unternehmens-
      klassen unterscheiden:
      Die erste Liga ist die Königsklasse der Unternehmen wie Amgen oder Biogen. In der zweiten Gruppe versammeln sich die mittelgrossen Aufsteiger und auf Platz drei rangieren die kleinen und mittelgrossen Forschungsunternehmen, denen es noch nicht gelungen ist, eigene Produkte auf den Markt unterzubringen

      Die reifen Unternehmen

      Die Unternehmen der ersten Liga werden von der Firma Amgen angeführt, die all das erreicht hat, was andere Unternehmen der Branche erst anstreben. Mit Produkten wie Epogen gegen Blutarmut und Neupogen zur Stärkung des Immun
      systems erzielt das Unternehmen große Markterfolge. In der Entwicklungspipe-
      line sind viele Produkte, die zu großen Hoffnungen berechtigen. Die potential-
      starke Amgen wird am Markt entsprechend hoch bewertet: Anfang 1999 lag der Börsenwert dieses Biotechstars, der mit 2500 Beschäftigten 2,5 Milliarden US-
      Dollar Umsatz erwirtschaftet, bei über 30 Millarden Dollar. Damit ist Amgen mit Abstand im Sektor führend und als größtes Unternehmen der Branche eigen-
      tlich ein vollwertiges Pharmaunternehmen. Die Unterschiede zwischen den Pharma- und Biotechunternehmen sind ohnehin nicht eindeutig zu benennen. Viele Pharmaunternehmen „klassischen Zuschnitts“ investieren massiv in den Bereich der Biotechnologie, so daß sie auch diesem Sektor zugeordnet werden können. So gehören auch Pharmaunternehmen der ersten Liga der Biotechnologi
      an und stellen für defensiv eingestellte Anleger eine interessante Möglichkeit der Beteiligung an den Wachstumsmöglichkeiten in diesem Bereich dar. Noch aber macht die Börse zwischen pharmazeutischen und biotechnologischen Unternehmen gewichtige Unterschiede.
      „Echte“ Biotechnologieunternehmen werden ein gutes Stück höher bewertet als die Pharmaklassiker. Das müssen beispielsweise die Aktionäre der Schering AG zur Kenntnis nehmen. Die Schering AG muß sich in ihrem Börsenwert gegenüber Biotechnologiewerten, die nur ein Drittel ihres Umsatzes erreichen,
      deutlich geschlagen geben- obwohl auch Schering über viele Biotechnologie-
      aktivitäten verfügt. An der Börse existiert also ein Biotechbonus, der offenbar nicht allein aus der Anwendung biotechnischer Verfahren sondern auch aus der
      Etikettierung der Unternehmen mit dem Label „ Biotechnologie“ herrührt.
      Die Biotechnologiebranche profitiert massiv von den Investments der großen Pharmaunternehmen, deren Transformation zu Biotechnologieunternehmen erhebliche Beträge verschlingt und die Pharmaunternehmen zu wahre Gold-
      eseln für den Sektor werden läßt.
      Ablesbar ist dies am Kursabstieg der Pharmaunternehmen, der sich bemerkens-
      werterweise parallel zu den Kursgewinnen im Jahr 1999 der großen Unterneh-
      men der Biotechnologie vollzieht.
      Engagements in die Biotechnologie sind teuer. Die Pharmaunternehmen zahlen schweigend und finden sich zuerst einmal auf der Verliererbank wieder, während sich immer mehr Unternehmen der Biotechnologie zu „Mehrprodukt-
      Pharmaunternehmen“ entwickeln und auf die vorderen Rang- und Wachstums-
      plätze der Industrie drängen.
      Nachdem jahrelang die Performance der Large-Caps nicht überzeugen konnte, änderte sich 1998 die Situation. Jetzt lagen die Large-Caps auch in ihrer Börsen-performance vor den Aktien der Small-Caps, der kleinen Unternehmen der Bio-
      technologie.
      Auch in einem anderen Bereich markierte das Jahr 1998 einen wichtigen Wendepunkt: Vier Medikamente mit Blockbuster-Potential aus Biotechher-
      kunft erhielten die Marktfreigabe durch die FDA. Darunter befand sich Synagis
      von MedImmune , das schon sechs Monate nach der Markteinführung mehr als 200 Millionen US-Dollar Umsatz erzielte- eine neue Rekordarke für ein bio-
      technologisch erzeugtes Medikament.
      Erfolgreiche Akzien von Unternehmen mit Kassenschlagern herauszufiltern, ist
      klassisches, sogenanntes „late stage investing“. Investments in gereifte Biotech-
      Unternehmen unterscheiden sich kaum von denen in große Firmen anderer Branchen: Auch sie arbeiten in der Gewinnzone.
      Ansonsten richten sich die maßgeblichen Kriterien für Unternehmen der Königsklasse an der Größe aus: Dazu zählen die Mrktkapitalisierung von mehr als einer Millarde US-Dollar sowie ein gut ausgebautes Produktportfolio, zu dem bereits am Markt eingeführte Produkte gehören wie auch solche, die sich in fortgeschrittenen Phasen der Entwicklung und Erprobung befinden.
      Hier winken Einsteigern in die Biotechnologie durch „late stage investing“ bei relativ geringem Risiko erste Erfolge.


      Die Suche nach den Aufsteigern

      Biotechpapiere von Firmen wie Amgen sind entsprechend dem erfolg dieser Unternehmen relativ teuer. Für Anleger ist es aus diesem Grund reizvoll, ihr Interesse auf die mittelgrossen Aufsteiger mit einer Marktkapitalisierung von 500 Millionen- 1 Milliarde US-Dollar zu richten. Es gilt hier jene Unternehmen zu identifizieren, die das Potential zum Aufstieg in die Oberklasse haben. Auch diese Methode gehört noch zum late stage investing- ein Investmentstil, der sich um Unternehmen in späten Entwicklungsphasen kümmert. Biotechnologieunter-
      nehmen mit mehreren Produkten vorzugsweise in fortgeschrittenen Phasen der Erprobung oder mit bereits bestätigter Marktzulassung machen die Anlagerisiken kalkulierbar und eröffnen dennoch höhere Chancen und Kurs-
      potentiale als die arrivierten Unternehmen.
      Ein guter Zeitpunkt für den Einstieg ist beispielsweise nach Abschluß von PhaseIII der klinischen Erprobung oder nach erteilung der Marktzulassung für das entwickelte Produkt gegeben. Viele der risiken und Unwägbarkeiten der kli-
      nischen Erprobung sind dann bereits aus der Aktie entwichen. Gefährliche Alleingänge von Unternehmen bei der Vermarktung unterbleiben, wenn Koop-
      erationsverträge mit Pharmaunternehmen für eine gesicherte Vermarktung sorgen.
      Unternehmen der zweiten Liga der Biotechnologie befindencsich so in einer außerordentlich interessanten Phase für Investments.
      Es besteht hier die Möglichkeit, immer wieder aufsteigende „Values“ zu entdecken, deren Aufnahme ins Depot keine unvertretbaren Risiken mit sich bringen.


      Small is beautiful- and undervalued!

      Am verlauf der Chartkurven ist erkennbar, ob es sich um größere Unternehmen der Biotechnologie oder um einen Small Cap handelt.
      Die Unternehmen der dritten Größenklasse, die biotechnischen Kleinunterneh-
      men weisen eine geringe Marktliquidität auf. Mit einer zudem ausgesprochen niedrigen Marktkapitalisierung von 200 bis 500 Millionen US-Dollar sind sie für spezialisierte Anleger geeignet, die folgendes Ziel haben: Schon in frühen Phasen der Forschung wollen sie aussichtsreiche Produktentwicklungen und Forschungsansätze identifizieren und erkennen. Das ist keine einfache Aufgabe, aber dennoch sehr attraktiv aufgrund der niedrigen Bewertung solcher Unterneh-
      men, die bisweilen sogar unter dem Wert ihres liquiden Vermögens liegt. Für Fondunternehmen und Banken sind diese „Winzlinge“ erst einmal kaum interessant. Zu schwierig und zu riskant- sowie eine zu niedrige Marktkap-
      italisierung sind die hierfür maßgeblichen Gründe.
      Bemerkenswerte Forschungserfolge oder Kooperationen mit großen Pharma-
      unternehmen können allerdings die Aufmerksamkeit der großen Analysten und Fondsmanager für die Small Caps wecken. Das wiederum bedeutet Bewegung im Aktienkurs. Auch die Großunternehmen der Pharmazeutik beobachten diesen Bereich ständig, denn auf biotechnologischem Weg erzeugte Medikamente werden in den kommenden Jahren den Pharmamarkt völlig bestimmen. Eine Höherbewertung des Small Cap-Sektors, der so viele Produktinnovationen verbirgt, erscheint somit als wahrscheinlich.
      Dann würde sich für risikobereite Anleger, die sich durch eine disziplinierte und strategische Vorgehensweise auszeichnen, ein chancenreiches Aktionsfeld eröffnen. Noch ein weiterer Umstand deutet darauf hin, daß sich in den Kleinen große Chancen verbergen:
      In den Vereinigten Staaten findet der sogenannte Real-Options Ansatz im Managment zunehmend Verbreitung. Das moderen Entscheidungsverfahren, das auf einem Modell der Optionsbewertung basiert, kann die Entscheidungsprozesse von Unternehmen revolutionieren. Jenseits der Ergebnisse konventioneller Verfahren rät das Real-Optionsmodell dem Ent-
      scheider bisweilen, selbst über längere Zeit verlustbringende Investitonspro-
      jekte oder Unternehmensbeteiligungen zu tätigen. Denn unter bestimmten Um-
      ständen kann ein Investitionsprojekt für dir gesamte Unternehmenseinheit in Zukunft gewinnbringend sein.
      Es ist wichtig, so rät das in US Unternehmen erprobte Entscheidungsmodell, eine möglichst groß Anzahl „Lose“ zu ziehen, um den künftigen Gesamterfolg des Unternehmens durch möglichst viele Hauptgewinne zu sichern. Für die Bewertung kleiner Biotechunternehmen kommt dies einer Revolution gleich. Gerade für Pharmaunternehmen, die Investitions- und Beteiligungsmöglich-
      keiten in der Biotechnologie zu evaluieren haben, scheint dieser Entscheidungs-
      ansatz maßgeschneidert. Mit dem Real-Options-Ansatz getroffene Entschei-
      dungen stellen dem Sektor der Biotechnologie vermehrt Ünternehmensüber-
      nahmen in Aussicht- auch in jenen Fällen, in denen die traditionellen Entschei-
      dungsverfahren davon abraten würden.
      Das Ziel- ganz unten in die Forschung einzusteigen und im „Kursfahrstuhl“ nach oben zu fahren, gute Gewinne zu erzielen und dann auszusteigen- könnte sich in Zukunft für immer mehr Investorn von Small Caps der Biotechnologie erfüllen.
      Ein solcher Erfolg ist natürlich mit harter analytischer Arbeit und einiger Ner-
      venanspannung verbunden. Echte Biotechanleger können von solchem Zeit-
      vertreib dennoch nicht lassen. Nicht selten führt das Interesse an Wissenschaft und biotechnologischer Forschung dazu, daß die Anleger zu „ihren“ Unterneh-
      men und deren Forschungsanstrengungen eine enge Bindung entwickeln.



















      Begriffserklärungen

      Adipositas:
      Stoffwechselstörung

      Antibiotika:
      Stoffe, die Mikroorganismen abtöten oder in ihrer Entfaltung hemmen

      Anti-Angiogenese:
      Bekämpfung von Krebs mit Hilfe von Wirkstoffen, die die krankhafte Bildung neuer Blutgefäße in Krebstumoren hemmen und so den Tumor vom Blutstrom abschneiden.

      Antikörper:
      Proteine, die vom Immunsystem synthetisiert werden und an spezifische Ziel-
      moleküle andocken.

      Antikörper, Monoklonale:
      Abkürzung Mak. Gentechnisch hergestellte, naturidentische Antikörper, die nach dem Schlüssel-Schloß-Prinzip Oberflächenstrukturen von Krebszellen erkennen und gezielt angreifen können.

      Antisense-Technologie:
      Basiert im wesentlichen auf der Erkenntnis, Daß sich viele Krankheitsphäno-
      meine auf der Ebene des Proteingeschehens vollziehen. Die Ursache eines un-
      korrekten, meist zu hohen Ausstoßes an Proteinen liegt in den Genen, genauer:
      in der DNS. Dort sind bei kranken Menschen „falsch formulierte“ Anweisungen eingelagert, die vom Informationsagenten, der sogenannten Boten-RNS kopiert und an die Zelle weitergegeben werden. Die Antisense-Medikamente interve-
      nieren gezielt während des Prozesses der Übertragung der Information durch den Agenten. Dieser wird blockiert und so die Zelle an der Nutzung der falschen Information gehindert.

      Apoptose:
      Das Selbstzerstörungsprogramm von gesunden Zellen, das nach einer genetisch festgelegten Zahl von Zellteilungen durchgeführt wird.








      Bakterien:
      Einzellige Mikroorganismen ohne Zellkern

      Biotechnologie:
      Technologie, die natürliche Lebensvorgänge für medizinische Zwecke nutzbar macht.

      Bio-pharming:
      Die Erzeugung medizinisch wichtiger Eiweißbestandteile durch genetisch verän-
      derte Säugetiere.

      Blockbuster:
      Bezeichnung für ein Präparat mit hohem Umsatz. (mehr als 1 Mrd. $ pro Jahr)

      Bluterkrankung:
      auch Hämophilie. Verebter Mangel an Gerinnungsfaktoren wie z.B. dem Eiweiß Faktor VIII. Blutgerinnungsstörungen sind die Folge.

      Boten-RNS=Messenger RNA:
      Molekül der Ribonukleinsäure, das die Abschrift eines DNS-Abschnittes (Gen) darstellt, dessen genetische Information in die Aminosäuresequenz eines Proteins umgesetzt werden kann.

      Chemotherapie:
      Heute gängige Behandlungsmethode von Krebspatienten mit Substanzen, die Krebszellen töten, indem sie die Zellteilung unterwandern.

      Chorea-Huntington:
      auch Veitstanz genannt. Gekennzeichnet durch arhythmische Bewegung, Veränderungen in der Muskulatur und bisweilen Demenz (Geistesschwäche), die auf einen Defekt auf Chromosom 4 zurückgehen.
      D NA:
      Abkürzung für „desoxyribonucleic acid“, zu Deutsch: Desoxyribonukleinsäure (DNS). Winzige Fadengebilde im Innern einer Zelle, aus denen alle Gene bestehen. Die D NA speichert alle Erbinformationen.

      DNS-Sequenz:
      Abfolge der vier Nukleotid-Bausteine der DNS.

      DNS-Sequenzierung:
      Bestimmung der Reihenfolge der Bausteine der Nukleotide in der DNS.

      Enzyme:
      Proteine, die als Katalysatoren biochemischer Prozesse auf Zellebene fungieren.
      Erbkrankheit:
      Durch genetische Defekte hervorgerufene Erkrankungen. Unterscheiden lassen sich polygenetische, d.h. durch die Defekte mehrerer Gene hervorgerufenen Er-
      krankungen und monogenetischen Erkrankungen, die nur auf einem einzigen Gen-Defekt basieren. Bis heute sind nur ungefähr 3000 monogenetische Erkran-
      kungen bekannt.

      Fabry-Krankheit:
      Seltene Erbkrankheit mit Funktionsstörungen in Nieren und im Herz-Kreislauf-
      System als Folge von Ablagerungen in den Gefäßwänden.

      Gauchersche Krankheit:
      Seltene Erkrankung einer angeborenen Stoffwechselstörung durch Lipidakku-
      mulationen, die Erschöpfungszustände, Blutarmut und Knochenschmerz zu Folge hat.

      Gen:
      Einheit im Bauplan eines Lebewesens, auf dem eine einzige Erbinformation verschlüsselt ist.

      Genom:
      Gesamtheit der Erbinformationen in einem Organismus.

      Genomics (Genomik):
      Forschungszweig, der sich mit Genomen, also der kompletten Erbsubstanz eines Organismus befaßt.

      Gentherapie:
      Behandlung von genetisch bedingten Krankheiten durch das Einschleusen von Genen, die bei einem Patienten fehlen, oder defekt sind. Ziel ist es, entweder eine Zelle zu heilen, sie zum Selbstmord aufzufordern oder sie für eine Chemotherapie empfindlicher zu machen.

      GVO= Gentechnisch veränderter Organismus

      High-Throughput-Screening bzw. Hochdurchsatzsystem:
      Automat zur schnellen Durchsuchung einer großen Zahl biochemischer Vorgänge in miniaturisierten Reaktionsgefäßen.

      Indikationserweiterung:
      Zulassungspolitik der sukzessiven erweiterung der Anwendung schon bewährter Wirkstoffe durch Erweiterung der Marktzulassung auf andere Krankheitsphä-
      nomene mit verwandten Ursachen. Gut geführte Biotechnologiefirmen suchen für ihre Produkte, wo immer nur möglich, die Indikationserweiterung zu erreichen und betreiben auf diese Weise konsequent die Ausschöpfung der vorhandenden Potentiale.

      Interferone:
      Körpereigene Eiweißstoffe, die als Hauptabwehrmechanismus gegen Viren fungieren.

      Krebs:
      Sammelbegriff für mehr als 100 verschiedene Krankheiten, die ein Mekmal teilen: ungebremstes Zellwachstum.

      Milestone Payment:
      „Meilensteinzahlung“. Eine meist in Tranchen gestaffelte Erfolgszahlung eines Unternehmen an ein anderes, nachdem ein zuvor festgelegtes Forschungsziel erreicht worden ist.

      Monoklonale Antikörper:
      In ihrer Struktur identische Proteine, die als Klon von derselben Mutterzelle abstammen.

      Nukleinsäure:
      Bestandteil aller lebender Zellen, der entweder als DNS oder RNS vorliegt.

      Nutraceuticals (Nutrazeutika):
      auch „novel food“ oder „functional food“: Kunstwort, das „Pharmaceuticals“
      ( Pharmazeutische Produkte) und „Nutriton“ (Nahrung) zusammenführt, und „Lebensmittel mit gesundheitsförderlichen bzw. auch medizinischen Eigenschaften“ ausdrücken soll. Wirtschaftlich würde dies das Zusammen-
      wachsen der pharmazeutischen Industrie mit der Nahrungsmittelindustrie bedeuten.

      Oligonukleotide:
      Kurzes, genau definiertes, einsträngiges Nukleinsäuremolekül, das in der DNS
      Analyse Verwendung findet.

      PCR( Polymerase chain reaction= Polymerasekettenreaktion):
      Grundlegendes Verfahren der Gentechnik. Da sich vorliegende Proben von Erb-
      gut oft als zu klein für die weitere Untersuchung erweisen, muß mittels des Ver-
      fahrens der Polymerasekettenreaktion das Erbgut solange vervielfältigt werden, bis die Menge zur weiteren Bestimmung ausreicht. Die PCR spielt beispiels-
      weise eine wichtige Rolle in der Kriminalistik, wo oft nur kleine Erbgutmengen vorgefunden werden und diese zum Gentest mengenmäßig erweitert werden müssen.

      Peptide:
      Bestehen wie Proteine aus einer Kette von einzelnen Aminosäuremolekülen von geringer Länge. Peptide können mittels gentechnischer Methoden erzeugt werden, indem ein bestimmtes Gen in die Erbinformation etwa eines Hefepilzes eingebracht wird. Manche Peptide verfügen über antibiotische Wirkung, deshalb sind sie eine wichtige Basis zur Entwicklung pharmazeutischer Produkte.

      Pipeline:
      Im Jargon der Pharma- und Biotechnologiebranche wird damit die Liste der in der Entwicklung befindlichen Wirkstoffe bezeichnet.

      Protease Inhibitor (Protease Hemmer):
      Anti-HIV-Wirkprinzip, das wichtige Virus-Proteasen blockiert.

      Protease:
      Enzyme, die Eiweißstoffe spalten.

      Proteine:
      Eiweißstoffe, die aus Aminosäuren aufgebaut sind. Proteine sind die „Arbeits-
      pferde“ des Organismus und als solche von großer Bedeutung für den Stoff-
      wechsel und den Aufbau des Körpers: Ohne sie wäre das Entstehen von Muskeln, Haut, Haaren und Knochen nicht denkbar- das Lebewesen wäre gestaltlos.

      Retrovirus:
      Ein Virus mit der Ribonukleinsäure, das seine Erbinformationen in Desoxy-
      ribonukleinsäure umschreiben kann, um sie in das Genom einer infizierten
      Zelle einzubauen.

      RSV (Respiratory Syncytial Virus):
      Virale Atemwegserkrankung bei Kleinkindern, die bei Frühgeborenen zur Lungenentzündung und zum Tod führen kann. Allein in den Vereinigten Staaten
      sind 300.000 solcher RSV-Fälle jährlich zu behandeln.

      Screening:
      Suche nach neuen Targets oder Molekülen einer bestimmten Struktur, die mit einem Target reagiert.

      Target:
      Molekularer Ansatzpunkt für ein neues therapeutisches Produkt.

      Telomerase:
      Enzym, das verkürzte Telomere immer wieder verlängert. Telomerase-Hemmer oder –inhibitoren blockieren die Wirkdamkeit dieses Enzyms.
      Telomere:
      Endstück von Chromosomen, die keine Gene enthalten und die Chromosomen vor einer „Zerfaserung“ schützen. Bei jeder Teilung einer gesunden Zelle werden sie kürzer; bei der Teilung einer Krebszelle-dank Telomerase-nicht.

      Terminator-Gen:
      Umstrittenes Entwicklungsprojekt von Monsanto, bei dem ein genetischer Schalter eine zweite, nicht vertragsgemäße Verwendung von Saatgut ausschließt

      TNF (Tumor Nekrose Faktor):
      Spielt bei entzündlichen Prozessen und Autoimmunerkrankungen eine große Rolle. An entzündlichen Prozessen sind weiße Blutkörperchen beteiligt, die Leukozyten und Lymphozyten. Diese suchen mittels chemischer Botenstoffe, sogenannte Zytokine, untereinander die Verständigung. Eines der Zytokine ist der Tumor Nekrose Faktor (TNF-Alpha). Von ihm geht, so haben Untersuch-
      ungen ermitteln können, das Angriffsignal aus, indem TNF bestimmte Zellen zur Bildung von Enzymen anregt, die den entzündlichen Prozess hervorrufen und etwa zur Gelenkzerstörung bei der rheumatoiden Athritis führen können. Wirkstoffe modernen Zuschnitts wie Enbrel der Immunex versuchen die durch das Zytokin vermittelte Kommunikation zwischen den Leukozyten zu unter-
      brechen, indem sie das TNF blockieren.

      Viren:
      Krankheitserreger ohne eigenen Stoffwechsel, die auf Wirtszellen von Mensch, Tier oder Pflanze angewiesen sind.




      Quellen:
      Die BiotechAktie
      Finanzen




      So, das war es. Das Original hat mir besser gefallen. ;-)


      Cu, Gnomi
      Avatar
      schrieb am 29.10.00 09:49:50
      Beitrag Nr. 98 ()
      Interferon

      Durchbruch an Heiligabend
      Interferon kennt man bereits seit über 40 Jahren. Trotzdem hat es bis zum Heiligabend des Jahres 1979 gedauert, bis es Charles Weissman und seinen Mitarbeitern an der Universität Zürich gelang, größere Mengen dieser Biomoleküle gentechnisch herzustellen und als Medikament zu testen.

      Ursprünglich wurde Interferon (das Wort bedeutet soviel wie „eine Substanz, die sich einmischt") entdeckt, weil es von Zellen hergestellt wird, die versuchen, sich gegen eine Infektion durch bestimmte Viren zu wehren. Die Vermutung lag nahe, daß es sich dabei um eine Substanz handeln könnte, die - früh genug und in entsprechenden Mengen verabreicht - nicht nur die Zelle, sondern vielleicht sogar den ganzen Menschen vor einer Virusinfektion schützen könnte.

      Mittlerweile kennt man verschiedene Arten von Interferonen, die jeweils unterschiedliche Anwendungsgebiete in der Medizin besitzen. Man weiß außerdem, daß Interferone nicht nur Viren bekämpfen, sondern auch bei Entzündungsreaktionen eine wichtige Rolle spielen. Als Botenstoffe des Immunsystems dirigieren sie verschiedene Typen von Abwehrzellen.

      Drei verschiedene Klassen von Interferonen kennen die Wissenschafler heute: Die Alpha-Interferone mit den bekanntesten Subtypen alpha-2-a und alpha-2-b sind die wirksamsten Waffen der Ärzte gegen die weit verbreiteten Hepatitis-Viren B und C. Weltweit sterben jedes Jahr etwa 2 Millionen Menschen an Hepatitis, etwa 300 Millionen insgesamt sind infiziert. Auch zur Behandlung bestimmter Geschlechtskrankheiten werden die Alpha-Interferone eingesetzt und - nach anfänglichen Enttäuschungen - in Kombination mit anderen Medikamenten zur Behandlung mancher Krebsleiden.

      Das ABC der der Interferone


      Das ABC der Interferone. Alpha- Beta- und Gamma-Interferon (von links).Quelle: Fraunhofer-Gesellschaft


      Das Beta-Interferon ist ein naher Verwandter, kommt aber hauptsächlich in der Therapie der Multiplen Sklerose (MS) zum Einsatz. Obwohl der genaue Mechanismus der Entstehung von MS noch nicht bekannt ist, weiß man doch, daß fehlgeleitete Immunzellen das Immunsystem die Isolierungsschicht (Myelin) um die Nervenzellen zerstören. Beta-Interferon kann diesen Prozess und damit das Fortschreiten der Erkrankung bei den meisten Patienten verzögern.

      Das Gamma-Interferon kann als einziges Interferon eine ganz bestimmte Sorte von weißen Blutkörperchen aktivieren, die Phagozyten.Phagozyten sind die Müllschlucker des Immunsystems, wichtig unter anderem bei der Bekämpfung bakterieller Infektionen. Bei der chronischen Granulomatose, einer seltenen Erbkrankheit, scheinen die Phagozyten jedoch zu schlafen. Mit einer Gamma-Interferon-Spritze lassen sich sich „aufwecken", es werden dann deutlich mehr Bakterien vernichtet.
      Avatar
      schrieb am 29.10.00 09:56:42
      Beitrag Nr. 99 ()
      Malaria


      Neue Strategien gegen die Plage

      Alle 15 Sekunden stirbt weltweit ein Mensch an den Folgen eines Mückenstichs. Über 2,5 Millionen Tote jedes Jahr, die Mehrzahl davon ist Kinder. Dazu kommen über 500 Millionen Erkrankte, meist in den tropischen Ländern. Die Zahl der Malariaopfer macht deutlich: Einen effektiven Schutz gegen die Krankheit gibt es bislang nicht. Das soll sich dank neuartiger Impfstoffe ändern. Rekombinante Vakzine und DNA-Impfstoffe gelten derzeit als aussichtsreichste Mittel der Zukunft.

      Tatsächlich verzeichnen Wissenschaftler Fortschritte im Kampf gegen den Erreger der tropischen Malaria, Plasmodium falciparum. Der mikroskopisch kleine Parasit wird über die Anopheles-Mücke auf den Menschen übertragen. Im Blut angelangt, wandern die Plasmodien zur Leber. Dort bilden sich neue Parasitenformen, die zurück in den Blutstrom wandern und dabei die roten Blutkörperchen zerstören. Dieser recht komplexe Zyklus diente Forschern des National Institute of Allergy and Infectious Diseases und des Centers of Disease Control and Prevention (CDC) als Ansatz für die Entwicklung eines sogenannten rekombinanten Vakzins.

      Anopheles-Mücke

      Dazu "mixten" die Wissenschaftler 21 verschiedene P. falciparum Proteine zu einem einzigen, rekombinanten Protein zusammen. Der Clou: Jeder der ursprünglich 21 Eiweißstoffe tritt im Laufe der Plasmodienentwicklung irgendwann im befallenen Organismus auf. Das Immunsystem erkennt dadurch zwar die einzelnen Verwandlungsphasen des Erregers. Doch noch bevor die Immunantwort einsetzt verwandeln sich die Parasiten zu einer neuen Form. Indem das Vakzin alle 21 bekannten Proteine auf einmal enthält, lernt das Immunsystem alle kommenden "Verwandlungsphasen" des Erregers von Anfang an erkennen. Im Mix "trainieren" rekombinante Vakzine daher eine ganze Armada an Zellen des Immunsystems: B-Zellen, T-Zellen und zytotoxische T-Lymphozyten, die Killerzellen des Organismus. Erste Tierversuche verliefen vielversprechend. Der Organismus der Tiere bildete in den verschiedenen Entwicklungsphasen Antikörper gegen die Eindringlinge.

      Einen anderen Weg beschreiten Mediziner mit Hilfe von DNA-Impfungen. Damit, so die Hoffnung der Forscher, ließe sich die Immunreaktion des Körpers gezielt stimulieren. Speziell auf Eiweiße des Erregers "abgerichtete" Killerzellen, sogenannte T-Lymphozyten, sind die Folge des Gen-Vakzins.
      Ein solches neues Vakzin testeten Mediziner bereits an 20 Patienten. Mit speziellen Impfpistolen spritzten dabei sie die "nackte" Erbsubstanz des Erregers in die Muskeln der Freiwilligen. Die Folge: Elf Menschen entwickelten daraufhin, wie erhofft, die hochspezialisierten Killerzellen des Immumsystems. Diese sind in der Lage, die von Plasmodien befallenen Leberzellen samt Erreger aufzuspüren und zu zerstören.



      Verbreitung Chloroquin-resistenter Malariaerreger weltweit
      Quelle: NIH



      Eines der am meisten verbreiteten, herkömmlichen Antimalariamittel ist Chloroquin. Bereits in den 40er Jahren entwickelt, greift das Mittel die Erreger in den befallenen, roten Blutkörperchen an. Plasmodien "verdauen" nämlich das darin enthaltene Hämoglobin. Dabei entsteht ein für die Erreger giftiges Nebenprodukt, das die Parasiten jedoch auf noch unbekannte Weise detoxifizieren. Chloroquin verhindert diesen Neutralisierungsmechanismus - und führt damit zum Tod der Erreger. Durch Mutationen im Genom der Plasmodien entstanden jedoch resistente Formen (Abbildung s. gelbe Pfeile), die sich weltweit verbreiteten (Abbildung s. rote Pfeile)
      Avatar
      schrieb am 29.10.00 14:25:39
      Beitrag Nr. 100 ()
      Habe etwas grundsätzliches zum Thema Gentechnik gefunden, was ich Euch nicht vorenthalten möchte. Das Pamphlet stammt von Jim Melzig:


      Einleitung-nogene


      I. Was ist Gentechnik?
      Alle Bücher zu diesem Thema fangen mit einer Einleitung über den Bau der
      DNA an. Da wird auf den ersten zwanzig Seiten genau erklärt, was die
      Abkürzung DNA zu bedeuten hat und es fallen Begriffe wie Nukleotid,
      Desoxyribose, Thymin, Codon und noch eine ganze Menge anderer, die man
      dann sofort wieder nach fünf Minuten vergessen hat. Der
      Informationsbehalt ist damit gleich Null. Wer es dennoch genau wissen
      will, dem empfehle ich entweder in einem Biologieschulbuch nachzuschlagen
      oder in die Bibliothek zu gehen und dort die zwei wichtigsten und recht
      interessanten Originalpublikationen der Beschreibung der DNA in ihrer
      Struktur und Funktion zu lesen (Avery et al., 1946, Watson und Crick,
      1953a). Deshalb hier nur zwei vereinfachte Definitionen. DNA ist die
      Erbsubstanz, die Trägerin der Gene, und zur Vererbung verpackt wird sie
      in Chromosomen. Das reicht völlig zum Verständnis des Themas.
      Und was ist ein Gen? Das ist mit eine der fiesesten Fragen, die man einem
      Biologiestudenten in der Diplomprüfung stellen kann und ich vermute, daß
      sie etwa von 90% der Kandidaten nicht völlig richtig beantwortet wird.
      Woran liegt das? Es gibt Lehrbuch-Definitionen des Gens so zahlreich wie
      es Lehrbücher gibt und kaum eine vermag diesen ganz besonderen Begriff in
      seiner umfassenden Bedeutung befriedigend zu erklären. Ich maße mir jetzt
      nicht an, eine neue Definition zu erfinden oder wie die meisten eine
      abzuschreiben, die mir besonders gut gefällt, sondern empfehle dem Surfer
      einfach, diese in diesem Projekt vorgestellten Aufsätze aufmerksam zu
      studieren. Es werden so viele verschiedene Gene vorgestellt, daß er dann
      am Ende eine gute Idee davon gewonnen hat, was ein Gen wirklich bedeutet.
      Das ist besser als jede dumpf auswendig gelernte abstrakte Definition.

      Eine Anmerkung kann ich mir nicht verkneifen. In den meisten Büchern
      werden auch James Watson und Francis Crick als die Entdecker der
      DNA-Struktur verehrt. Daß sie ihr Modell der DNA mit teilweise äußerst
      unfairen Mitteln entworfen haben wird allerdings verschwiegen. Die
      Leistung des "ehrlichen Jim" bestand nämlich hauptsächlich darin, sich
      viele Daten für das Modell von aller Welt, hauptsächlich aber von der
      Wissenschaftlerin Rosalind Franklin besorgt und zu einem Ganzen gefügt zu
      haben (DiTrochio, 1995). In der Originalpublikation kann man das auch
      zwischen den Zeilen der letzten paar Sätze herauslesen: "we have also
      been stimulated by a knowledge...and ideas of...Dr. R.E. Franklin (Watson
      und Crick, 1953b). Ein Skandal ist das nicht. Das merkt man schon daran,
      daß diese Affäre in Wissenschaftskreisen bekannt ist, sich aber niemand
      sonderlich darüber aufgeregt hat. (Spektrum 12/98). Um die Anekdote zu
      Ende zu bringen, Watson und Crick bekamen 1962 den Nobelpreis und
      Rosalind Franklin starb 1958 im Alter von 37 Jahren an Krebs.

      Also, DNA ist das Material aus dem die Gene sind und was ist dann
      Gentechnik? Ganz einfach: Herumgebastle mit DNA. Auf wissenschaftlich:
      Manipulative Rekombination von DNA. Manipulativ deshalb, weil DNA in der
      Natur ständig rekombiniert (neu geordnet) wird und diese natürlich
      auftretende Rekombination, wie sie zum Beispiel beim Menschen in der
      Eizellenbildung auftritt, ganz deutlich von den teilweise moreauschen
      Kunstgriffen der Wissenschaftler unterschieden werden muß. Eigentümlich
      für die Gentechnik ist, daß sie meist von Leuten gemacht wird, die nicht
      sonderlich viel davon verstehen und somit das ganze Herumgebastle
      ziemlich sinnlos ist und Millionen an Forschungsgeldern völlig zweckfrei
      verbraten werden. Aber wenigstens ist das nicht gefährlich. Der Spaß hört
      allerdings dann auf, wenn Leute mit Genen rummachen, die wirklich Ahnung
      davon haben und das kann dann auch gefährlich werden, wie dieses Projekt
      zeigen wird.




      transgene Organismen-nogene


      II. Was sind transgene Organismen und wie macht man sie?
      Transgene Organismen sind Bakterien, Pilze, Tiere oder Pflanzen, denen
      irgendeine Fremd-DNA zusätzlich eingebaut wurde. Diese kann von derselben
      Art stammen oder aber von einer ganz anderen und auch noch verändert
      sein. Da der genetische Code nahezu universell ist (Santos und Tuite,
      1995), kann im Prinzip fast alles mit allem vermischt werden, so daß zum
      Beispiel transgene Fliegen möglich sind, die ein Konglomerat aus einem
      bakteriellen Gen, einem Hefegen, einem Menschengen und einem Quallengen
      tragen. Das neu eingebrachte Gen kann auch absichtlich verändert worden
      sein, so daß es nach Einbringen in den Wirtsorganismus dessen noch
      funktionierende Kopie zerstört. Dies wird zum Beispiel bei Mäusen gerne
      gemacht. Eine andere Strategie mit dem gleichen Resultat zielt darauf ab,
      die noch funktionierende Kopie eines Gens durch ein Anti-Gen zu hemmen.
      Dies wird gerne bei Pflanzen gemacht und wird an anderer Stelle an
      einigen Beispielen genauer erklärt. Es sei noch folgendes kurz angemerkt.
      Wenn mal die Gentherapie ihre Kinderkrankheiten überwunden hat, dann
      werden auch transgene Menschen möglich sein.
      Zur Kreation von transgenen Organismen gibt es ganz verschiedene Wege,
      die sich jeweils nach der Art des Organismus richten. Zuerst werde ich
      erklären, wie man sie macht und in den Aufsätzen III, IV und V für was
      man sie zu brauchen glaubt.

      1. Bakterien
      Bakterien sind die Sklaven der Gentechniker. Sie werden meist nur als
      Kopierautomaten für DNA verwendet und dazu muß man die zu kopierende DNA
      erstmal in sie reinbekommen. Transgene Bakterien macht man zum Beispiel
      am einfachsten dadurch, daß man die Fremd-DNA mit ihnen vermischt und
      dann für ein paar Millisekunden mit 2000Volt elektroschockt; man nennt
      das Elektroporation. Das macht Löcher in die Zellmembran der Bakterien
      und durch diese Löcher schlüpft dann die Fremd-DNA, auf bisher allerdings
      völlig geheimnisvolle Weise. Wenn man an die Fremd-DNA zuvor ein
      Antibiotikum-Resistenzgen gekoppelt hat, kann man erfolgreich
      transformierte Bakterien durch Auslese im antibiotikumhaltigen Medium
      selektieren.

      2. Fliegen
      Transgene Fliegen macht man mit sogenannten P-Elementen. Das sind
      springende Gene, in die man seine Fremd-DNA einbaut und in Fliegeneier
      spritzt. Wenn man viel Glück hat oder viele Fliegeneier mit diesen
      P-Elementen spritzt, dann springt eines davon in eine Keimzelle der
      Fliege, und läßt damit die Züchtung eines transgenen Stammes zu. Ob das
      P-Element in die Fliege reingesprungen ist, erkennt man an bestimmten
      äußerlichen Markern, wie zum Beispiel der Augenfarbe. Dazu koppelt man an
      das P-Element das Gen für rote Augenfarbe und spritzt es in die Eier von
      weißäugigen Fliegen (Rubin und Spradling, 1982). Diese P-Elemente sind
      dann keineswegs für immer festgenagelt, sondern lassen sich wieder
      remobilisieren und die entsprechenden Fliegen haben dann
      weiß-rot-gescheckte Augen.
      Die springenden Gene sind übrigens von Barbara McClintock schon in den
      40er Jahren bei Mais entdeckt worden und in der Natur weit verbreitet.
      1983 bekam Barbara McClintock den Nobelpreis dafür.
      Auf die springenden Gene werde ich später noch einmal bei der Besprechung
      von transgenen Nutzpflanzen in einem anderen Zusammenhang darauf
      zurückkommen.

      3. Mäuse
      Transgene Mäuse zu machen ist nicht ganz so trivial wie die beiden obigen
      Methoden. Da braucht man schon mehr Zeit, Geduld und
      Frustrationstoleranz. Deshalb werden an dieser Aufgabe auch gerne
      Doktoranden verschossen. Viel öfter angewandt wird hier eine allerdings
      genauso mühevolle Methode, die zur Ausschaltung bestimmter Gene führt.
      Man nennt diese Methode homologe Rekombination. Den dahintersteckenden
      Mechanismus in allen Einzelheiten jetzt zu erklären übersteigt bei weitem
      die Absicht des Projekts. Im wesentlichen geht es nur darum: Man schleust
      eine gentechnisch veränderte Version eines beliebigen Mausgens in
      embryonale Mäusezellen. Diese veränderte Version des Gens lagert sich
      dann an sein unverändertes Pendant auf einem Chromosom an. Aufgrund der
      homologen Rekombination wird dann das unveränderte gegen das veränderte
      Gen ausgetauscht. Die embryonale Zelle, bei der der Genaustausch geklappt
      hat, läßt sich ähnlich wie bei den Bakterien von den Nieten durch
      Antibiotikaresistenzgene unterscheiden, die man dem künstlichen
      Genkonstrukt angehängt hat. Die derart manipulierten Embryonen läßt man
      dann von Leihmüttern austragen. Durch geschicktes Verpaaren des
      erwachsenen Tieres mit Mäusen, die zum Beispiel eine andere Fellfarbe
      besitzen, und erneutes Verpaaren der Nachkommen untereinander erhält man
      dann sogenannte knock-out-Mäuse, also Tiere, die keine funktionsfähige
      Kopie des gewählten Gens mehr besitzen (Capechi, 1989). Mit Hilfe neuer
      entwickelter Methoden ist es mittlerweile möglich, die knock-outs nur auf
      bestimmte Gewebe oder Organe zu beschränken. Das hat den makabren
      Vorteil, daß man lebensfähige transgene Tiere erzeugen kann, die bei
      einem Totalausfall des Gens schon embryonal sterben würden (Tsien et al.,
      1996).

      4. Pflanzen
      Zur Herstellung transgener Pflanzen, bedient man sich im wesentlichen
      dreier Methoden. Entwickelt wurde die erste Methode von Wissenschaftlern
      des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung in Köln und der Firma
      Monsanto. Sie transferierten Fremd-DNA über ein im Boden lebendes
      Bakterium namens Agrobacterium tumefaciens in die Pflanze. Diese
      Bakterien leben im Boden, besiedeln den Wurzel-Bereich der Pflanzen und
      können diese über verwundete Gewebe infizieren. Dadurch werden auch
      morphologische Änderungen bewirkt wie die Ausbildung einer sogenannten
      Wurzelhalsgalle, die im Prinzip ein Pflanzentumor darstellt. Die
      Bakterien machen das deshalb, weil sie damit die Pflanze für sie
      brauchbare Stoffe synthetisieren lassen, die ihnen dann als Kohlen- und
      Stickstoffquelle dienen. Die Pflanze hat davon nichts, deshalb sind diese
      Bakterien reine Parasiten. Das Agrobakterium dringt bei diesen Vorgängen
      nicht selbst in die Pflanze ein, sondern läßt das ein einzig dafür
      bestimmtes DNA-Molekül machen. Was die Wissenschaftler nun machen, ist
      simpel. Sie hängen ihre Fremd-DNA an dieses Molekül im Reagenzglas dran,
      schaffen das ganze zurück ins Bakterium und lassen dieses den Rest machen
      (Shaw et al., 1983; Zampryski et al., 1989). Die Infektion erfolgt dabei
      über mit einem Locher gestanzte Blattscheiben, die dann anschließend in
      Pflanzengewebekulturen auf die erfolgreiche Transformation durchgemustert
      werden. Dies geschieht meist wieder durch Selektion auf ein
      Antibiotikaresistenzgen, das an die Fremd-DNA angehängt wurde. Pflanzen,
      die also erfolgreich transformiert wurden, können auf Antibiotikum-Medium
      wachsen, andere nicht. Diese Selektion durch Antibiotikaresistenzgene
      birgt natürlich erheblichen Zündstoff, doch mehr dazu später.

      Die Transformation von Getreidesorten ist nach dieser Methode sehr
      schwierig, da bei dieser Pflanzengruppe die bei Verwundung auftretenden
      spezifischen Wundreaktionen unterbleiben und statt dessen Verbindungen
      angereichert werden, die zum Absterben der betreffenden Zellen führen.
      Aus diesem Grund benutzt man hier die Protoplasten-Methode. Protoplasten
      sind zellwandlose Pflanzenzellen, die in Kultur bei Anwesenheit
      bestimmter Chemikalien oder auch bei Elektroporation die Fremd-DNA
      aufnehmen (Rhodes et al., 1989; Shimamoto, et al., 1989). Aus diesen
      Protoplasten kann man dann wieder eine ganze Pflanze züchten, was
      allerdings auch nur bei manchen Arten funktioniert. Es gibt also einmal
      das Problem der begrenzten Wirte und zum zweiten das
      Regenerationsproblem. Deshalb hat man eine dritte Methode ersonnen, bei
      der die DNA einfach in Pflanzenteile reingeschossen wird. Hier
      beschichtet man 10µm große Goldkügelchen mit der Fremd-DNA und treibt sie
      dann mit hohem Druck in pflanzliche Embryonen. Beim Durchtritt durch das
      Gewebe verlieren die Partikel teilweise ihre DNA, die dann in die Pflanze
      integriert wird (Klein et al., 1987). Mit denselben Methoden wie bereits
      oben beschrieben findet dann die Selektion nach erfolgreich
      transformierten Pflanzen statt.





      transgene Tiere-nogene


      III. Transgene Tiere

      a) harmlose Monsterfliegen
      Furore gemacht hat hier vor einigen Jahren die kleine Taufliege
      Drosophila, als Bilder durch die Presse zogen, auf denen es Fliegen mit
      kleinen roten Komplexaugen an den Flügeln, an den Beinen und den Fühlern
      zu bestaunen gab. Das waren natürlich Mutanten. Was aber genau sind
      Mutanten?Mutanten sind Organismen, deren DNA, meist sehr geringfügig,
      verändert ist, was sich dann in irgendeiner Form auch äußert. Entweder
      sehen Mutanten anders als ihre Artgenossen aus, zum Beispiel ein weißer
      Albino-Gorilla oder irgendwas funktioniert nicht mehr richtig, wie zum
      Beispiel bei der menschlichen Rot-Grün-Blindheit. Wie die
      Rot-Grün-Blindheit richten viele Mutationen aber keinen großen Schaden
      an, manche sind aber verheerend, wie zum Beispiel die Mucoviszidose. Die
      allerschlimmsten Mutationen sind gar nicht lebensfähig.
      Die oben erwähnten Fliegen waren richtige Monstermutanten und verändert
      war eine Genfunktion namens eyeless (Halder et al., 1995). Viele
      Mutantennamen beziehen sich auf ein Erscheinungsbild und wenn man das für
      dieses Merkmal zugrunde liegende Gen kaputt macht, dann tritt eben dieses
      Erscheinungsbild zutage. Macht man in unserem Beispiel das Taufliegengen
      eyeless kaputt, dann haben die Fliegen keine Augen mehr. Bei wingless,
      keine Flügel, bei white weißen statt rote Augen, bei antennapedia, Beine
      statt Fühler am Kopf und so weiter. Nun hatten die Monsterfliegen aber
      statt gar keinen Augen, ganz viele und die auch noch dort wo sie gar
      nicht hingehörten. Man hat hier also das eyeless-Gen nicht einfach nur
      kaputt gemacht, sondern da angeschaltet, wo es normalerweise nicht
      angeschaltet wird. Dazu wurde das Gen im Reagenzglas unter die Kontrolle
      eines Überall-Anschalters gestellt, zurück in die Fliege gebracht und
      während der Entwicklung der Fliege vom Ei, über Larve und Puppe zu
      bestimmten Zeitpunkten angeschaltet. Nun hatten ein paar Zellen, die zu
      diesem Zeitpunkt normalerweise Beine machen sollten, plötzlich die
      Information "mach ein Auge" und das machten sie dann auch. Ich möchte
      jetzt nicht den wissenschaftlichen Sinn, der hinter diesen Experimenten
      steckt erläutern, das verfehlte das Thema. Aber ich kann dem Leser
      getrost versichern, es gab tatsächlich einen Sinn, auch wenn der ganze
      Versuch den Eindruck erwecken könnte, aus einem kranken und perversen
      Hirn entsprungen zu sein. Noch ein kleiner Hinweis für Biologie-Lehrer,
      die ihren Schülern mal zeigen wollen, was eine Harke ist: Derartige
      transgene Monsterfliegen sind online bei der Flybase bestellbar.
      Übrigens habe ich seinerzeit einem Vortrag einem der an diesem Experiment
      beteiligten Wissenschaftlern gelauscht. Am Ende solcher Vorträge findet
      immer eine kurze Diskussion statt, bei der Gelegenheit gegeben wird,
      Fragen zu stellen. Die Bemerkenswerteste an diesem Abend: "Können die
      Fliegen mit diesen zusätzlichen Augen auch was sehen?" Die Antwort: "Wir
      testen das gerade".



      b) gequälte Mäuse
      Mäuse kann man mit der Gentechnik wirklich auf ganz perfide Art und Weise
      quälen. Da ist das Paradebeispiel der "Krebsmaus". Wissenschaftler aus
      Harvard haben diesen Mäusen Mitte der 80er Jahre ein Krebsgen (myc)
      eingepflanzt, was diese Tiere anfällig gegenüber Krebs macht (Stewart et
      al., 1984). Diese Maus war übrigens das erste patentierte gentechnisch
      veränderte Tier. Ich werde auf das Problem der Patentierung später noch
      zurückkommen. An dieser Stelle möchte ich nur das kanadische Urteil
      begrüßen, welches eine Patentierung dieser Krebsmaus in Kanada nicht
      erlaubt hat. Mit der Begründung, die Forscher hätten zwar ein Verfahren
      zur Herstellung dieser Mäuse entwickelt, aber nicht die Maus erfunden
      (Spurgeon 1998), hat der Richter wohl vielen Gentechnikgegnern aus der
      Seele gesprochen. Mittlerweile sind auch andere Krebsmäuse entwickelt
      worden, wie zum Beispiel Mäuse mit einem defekten p53-Gen. Das hat zur
      Folge, daß diese Tiere schon in ihrer Jugend ziemlich viele Krebsarten
      kriegen und daran auch krepieren (Finlay et al., 1992; Kemp et al.,
      1993). Das auch diese Tiere sich quälen sieht man ihnen schon von außen
      an. Sie sehen wie der Glöckner Quasimodo aus, nur das die ganzen Beulen
      und Höcker auf ihrem Körper Tumore sind. Der Sinn solcher gentechnischen
      Quälereien liegt darin, zu sehen was die Maus so quält und dann
      Rückschlüsse auf die Funktion des Gens, meist durch sein Fehlen, zu
      ziehen. Man nennt das auch Tiermodell. Hier scheiden sich die Geister der
      Wissenschaft. Einerseits erscheint es unerläßlich Gene kaputt zu machen,
      um dann anhand der Fehlfunktionen herauszufinden, für was sie eigentlich
      gut waren, ggf. Therapien zu entwickeln, Medikamente zu testen und
      andererseits sind dann die betroffenenen Lebewesen derart krank,
      mißgestaltet und leidend, das sensiblere Menschen das Kotzen anfangen.
      Abhilfe schafft hier eine gewisse Abstumpfung der Wissenschaftler, sich
      eben davor zu hüten, sich in die Pein dieses Lebewesens hineinzuversetzen
      und damit sein eigenes Treiben immer wieder in Frage zu stellen. Doch
      dann muß man eventuell auf eine tolle Publikation verzichten und das ist
      ein ziemlich hoher Preis für einen Wissenschaftler. Ich kann mich
      erinneren mal einem Mediziner-Vortrag beigewohnt zu haben, bei dem
      verschiedene Gene in Mäusen zerstört wurden, diese dann mit Krebszellen
      sozusagen geimpft und dann der Schweregrad der Lungenkarzinome
      ausgewertet wurde. Auf Dias zu sehen gab es dann die präparierten kleinen
      Mäuselungen, die über und über mit Tumoren behaftet waren. Da konnte
      einem richtig schlecht werden. Der Sinn dieser Experimente indes ist mir
      entweder vor lauter Ekel entgangen oder was wahrscheinlicher ist, es
      wurde nur mal wieder wie so oft herumgespielt, um mal zu sehen was so
      passiert. Es ist hier sehr schwierig zwischen Sinn und Unsinn zu
      unterscheiden, aber unzweifelhaft sind zum Beispiel mit Mausmodellen für
      Mucoviszidose oder neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer durchaus
      wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen, die den Betroffenen zumindest
      Linderung für ihre qualvolle und aussichtslose Krankheit bringen
      können(Price et al., 1998).



      c) große Fische
      Wenn es nach dem Willen der Gentechnikindustrie geht, wird es nicht mehr
      lange dauern und transgene Fische stehen auf unserem Speiseplan. Ich
      nehme es gleich vorweg. Wir werden davon nichts haben, außer vielleicht
      mit dem Verzehr verbundene völlig unkalkulierbare Risiken hinnehmen
      müssen.
      Die Herstellung transgener Fische zielt darauf ab, sie schneller wachsen,
      größer werden zu lassen, resistenter gegen allerlei Unbill wie
      Krankheitserreger oder Kälte zu machen, auch mit schlechtem und daher
      billigem Futter zufrieden zu sein, mehr Nachkommen zu haben, weniger
      Gräten dafür mehr Fleisch auszubilden, besser zu schmecken -vielleicht
      nicht mehr so nach Fisch, sondern nach Banane-, schöner auszusehen und
      ein besseres Mundgefühl hervorzubringen. Idealerweise sucht die Industrie
      also einen fischartigen Organismus, der super schmeckt, nicht mehr krank
      dafür riesengroß wird, Müll frißt, nett aussieht und sich dabei noch
      expotentiell vermehrt.

      Deartige Vorstellungen sind wirklich was für die Klapse. Leider verhalten
      sich meine Exkollegen im außerberuflichen Leben meist zu normal, um sie
      dort einzuliefern, so daß man demnach mit dem oben gesagten durchaus
      rechnen sollte. Transgene Fische benötigt also nur die Industrie, um
      damit mehr Geld zu verdienen.

      Was ist schon jetzt möglich? Steigerungen von Wuchsrate und Gewicht
      wurden durch die Übertragung von Wachstumshormon-Genen erreicht. So ist
      dies bereits bei Lachs, Forelle und Tilapias gelungen (Devlin, et al.,
      1994; Devlin, et al., 1995; Martinez et al., 1996 ). Manche Fische der
      arktischen und antarktischen Meere können sich mit Hilfe von
      Gefrierschutzproteinen gegen eiskaltes Seewasser schützen. Viele
      Fischarten wie zum Beispiel der Lachs und die Regenbogenforelle besitzen
      die dafür notwendigen Gene aber nicht, was eine Züchtung in kälteren
      Regionen nicht zuläßt. Deshalb wurden zwecks einer Erhöhung der
      Kältetoleranz die Gene für Gefrierschutzproteine aus der Winterflunder
      zum Beispiel in den Lachs übertragen, allerdings nur mit mäßigem Erfolg
      (Hew et al., 1995). Um hier Nebeneffekte durch die übertragenen
      Wachstumshormone bei Verzehr derartiger Fische in Menschen zu vermeiden,
      benutzt man heute nur noch Gene die aus Fischen selbst stammen
      -sogenannte Fischkassetten-, stellt sie dafür aber unter starke
      Aktivatoren, die eine genügend hohe Aktivität des Transgens
      gewährleisten. Manche Forscher besitzen diesbezüglich aber weniger
      Berührungsängste. So wurden zum Beispiel in China Karpfen durch Insertion
      eines menschlichen Wachstumsfaktor-Gens vergrößert (Fu et al., 1998).
      Vielleicht hoffen die Wissenschaftler mit dem Verzehr dieser Fische auch
      größer, hübscher und stärker zu werden oder ihr Müllproblem zu lösen.
      Ob sich mit den Fischgenen eventuelle Nebeneffekte vermeiden lassen, wird
      sich zeigen. Es ist sicherlich äußerst naiv zu glauben, man könne einfach
      ein Fremdgen aktivieren ohne den Gesamtstoffwechsel des Fisches zu
      beeinflussen. Diesbezügliche Untersuchungen bei transgenen Karpfen haben
      bereits deutliche Unterschiede in der Stoffzusammensetzung gezeigt
      (Chatakondi et al., 1995). Die Möglichkeit, daß hier schädliche oder
      giftige Stoffe entstehen können, finde ich nicht abwegig. Für Allergiker,
      die zum Beispiel Gefrierschutzproteine nicht vertragen, steht jedenfalls
      jetzt schon fest, daß sich mit solchen Maßnahmen ihr Vermeidungsspektrum
      erhöhen wird. Vorausgesetzt allerdings, die transgenen Fische werden auch
      gekennzeichnet.

      Interessanterweise haben diese genetischen Manipulationen an den Fischen
      zu Änderungen ihrer Verhaltensweisen geführt. So wurde gezeigt, daß
      Wachstumshormon-Gen behandelte Forellen aggressiver in ihrem
      Jagdverhalten sind und auch mehr Risiken eingehen, um an Beute zu
      gelangen. Diese Tiere jagten zum Beispiel öfter nahe der Wasseroberfläche
      als ihre unmanipulierten Artgenossen, was sie anfälliger gegenüber
      Raubvögeln machte (Jonsson et al., 1996). Eine andere Studie zeigte, daß
      ähnlich manipulierte Lachse wesentlich langsamer schwammen, als ihre
      wildtypischen Freunde (Farrell et al., 1997). Ob sie durch den
      Gentransfer nur fetter und fauler geworden sind oder einfach nicht
      schneller können, bleibt abzuwarten. Da mit derartigen Manipulationen
      also einschneidende Verhaltensänderungen der betroffenen Tiere verbunden
      sind, stellen sie eine enorme Bedrohung von Wildfischen dar. Es gibt wohl
      keinen Fischzüchter, dem nicht das eine oder andere Exemplar mal
      ausgebüchst ist. Aber nicht nur für ihre Artgenossen sind sie eine
      Bedrohung. Man kann nicht einfach eine aggressive, bisher nicht
      dagewesene Fischvariante, in die Umwelt entkommen lassen, ohne
      gravierende Effekte auf das entsprechende Ökosystem auszuschließen. In
      diesem Zusammenhang klingen markige Aphorismen wie "Gentechnik ist
      notwendig und sittlich geboten, um die Schöpfung vor Zerstörung zu
      retten" paradox. Derlei zu behaupten wäre nicht weiter schlimm, wenn es
      nicht ausgerechnet der Biologe und Präsident der Max-Planck-Gesellschaft
      Hubert Markl tun würde (Spiegel, 48, 1995).

      Was noch für die Aquarienfreunde interessant ist: Es gibt bereits den
      trangenen kälteresistenten Goldfisch (Wang et al., 1995) -Goldfisch on
      the rocks. Es wundert mich sowieso, daß die Aquarienindustrie bisher noch
      nicht auf die Idee gekommen ist, aus der Gentechnik Kapital zu schlagen.
      Im Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen stehen zum
      Beispiel enorm viele Aquarien mit Zebrafischen herum. Da die
      Wissenschaftler die Entwicklung dieser Tiere erforschen, sind natürlich
      Tiere mit Fehlentwicklungen besonders interessant und deshalb gibt es
      schon ein ganz ansehnliches Horrorkabinett an Zebrafischmutanten. Ich
      schlage deshalb der Aquarienindustrie vor, mit den Leuten vom MPI einen
      Deal auszuhandeln und die Mutanten als Monsterfische zu vermarkten. Es
      gibt sicherlich genügend Leute, die auf so etwas stehen. Sollte mich
      wundern, wenn es mittlerweile nicht auch transgene Zebrafische mit einem
      leuchtenden Quallenprotein gäbe. Wenn man diese Tiere mit Licht der
      Wellenlänge 488nm bestrahlt, dann leuchten sie hübsch grün. Wäre doch ein
      toller Partygag oder ein ganz possierliches Mitbringsel.

      Im übrigen: Guten Appetit!



      d) mißbrauchtes Vieh
      Auch mit größeren Tieren als mit Mäusen und Fliegen wird eine Menge
      Schindluder getrieben, dazu gehören Kühe, Schafe, Schweine und Ziegen. Es
      genügt offensichtlich nicht, daß wir diese Tiere schon mit
      Haltungsbedingungen malträtieren, die jeder Beschreibung spotten. Seit
      ein paar Jahren ist die Industrie auch noch auf die Idee gekommen, sie
      als "Bioreaktoren" umzufunktionieren -die endgültige Mißachtung des
      Lebens. Im folgenden werde ich versuchen, die Gedanken, die hinter diesem
      Mißbrauch stecken, nachzuvollziehen. Dazu gehört jedoch nicht die
      eigentliche Absicht, denn es ist von vornherein klar, daß es nur um den
      Profit geht. Keinem Pharmaunternehmen, daß transgene Großtiere dazu
      benutzen will Medikamente herzustellen, geht es um das Wohlergehen der
      Menschheit. Es geht nur darum, Wirkstoffe entweder billiger herzustellen
      oder bisher nicht synthetisierbare zu fabrizieren, was in einigen
      Bereichen allerdings durchaus Sinn macht.

      Die Entwicklung von transgenen Tieren für den Bauernhof konzentriert sich
      hauptsächlich auf verlängerte Haltbarkeit und steckt noch in den
      Anfängen. Mit verlängerter Haltbarkeit meine ich hier in erster Linie
      Resistenz gegenüber bestimmten Viehseuchen. Ich verbinde damit nicht wie
      manch andere das Wohlbefinden des Tieres (Müller und Brem, 1996); das ist
      blanker Hohn. Statt also die Bedingungen im Stall so zu verbessern, daß
      man das Krankheitsrisiko minimiert, soll die Gesundheit der Tiere über
      verschiedene Immunisierungsmechanismen, Einbringung von Resistenzgenen
      und ähnlichem aufrechterhalten werden (Müller und Brem, 1998). Die sich
      dahinter verbergende gentechnische Maschinerie genauer zu erläutern wäre
      für den Leser zu langweilig. Verbunden mit diesen Maßnahmen sind ähnliche
      Risiken der Resistenzentwicklung wie ich sie im Kapitel der transgenen
      Nutzpflanzen diskutieren werde. Die Vorstellung der Entwicklung eines
      gegen alles resistenten Krankheitserregers, der auch noch durch die
      Gewinnung einer neuen Qualität über Artgrenzen hinweg sein verheerendes
      Potential entfalten kann, ist keine Fiktion.
      Aber auch erhöhtes Wachstum mit einer Erhöhung des Magerfleischanteils,
      verbesserte Futterverwertung, veränderte Zusammensetzung der Milch und
      verbesserte Wollproduktion sind geschäftsträchtige Möglichkeiten (Damak
      et al., 1996a, b). Die Veränderung der Milchzusammensetzung soll zum
      Beispiel fettarme Milch hervorbringen. Also Kühe, die nur noch
      sogenannten blauen Heinrich hergeben. Wäre das Thema nicht so ernsthaft,
      könnte man über derartige Grotesken nur lachen. Das vergeht einem
      spätestens bei den pathologischen Begleiterscheinungen die mit
      gentechnisch induziertem Wachstum verbunden sind. Dazu gehören zum
      Beispiel Gelenk- und Nierenschäden und Magengeschwüre der transgenen
      Tiere.

      Auf die eingehende Besprechung weiterer Anwendungen wie zum Beispiel
      transgene Schweine zur Züchtung menschlicher Organe zu generieren
      verzichte ich, da sich diese noch in der Entwicklungsphase befinden. Hier
      wird versucht mittels der Gentechnik dem Immunsystem einen Streich zu
      spielen, damit die Ersatzteile vom Empfänger nicht mehr abgestoßen
      werden. Diese Technik könnte durchaus helfen den bestehenden Mangel an
      menschlichen Spenderorganen auszugleichen und teure Behandlungskosten wie
      sie zum Beispiel bei der Dialyse auftreten zu senken. Gentechnikkritiker,
      die hier etwas einzuwenden haben, leiden meist nicht unter diabetischer
      Niereninsuffizienz. Verbunden mit tierischen Spenderorganen sind
      allerdings Risiken der Übertragung von Viehseuchen wie BSE oder Scrapie
      auf den Menschen, weshalb hier größte Vorsicht geboten ist (Prusiner,
      1997; Chesebro, 1998).

      Bei der Herstellung von Pharmaka ist die Idee, die mit herkömmlichen
      Methoden unmögliche oder zu teure Synthese seltener menschlicher
      Wirkstoffe in Tiere zu verlegen und dann mit der Milch gleichsam auf
      billige und effektive Art zu ernten (Janne et al., 1994; Houdebine,
      1994). Der geschätzte Markt für diese Produkte beträgt 3 Milliarden US$
      pro Jahr (Wall et al., 1997). Auch hierzu gibt es bereits Alternativen.
      So ist es durchaus möglich, eine Reihe dieser Substanzen wie zum Beispiel
      den menschlichen Blutgerinnungsfaktor VIII, der Patienten mit Hämophilie
      A fehlt, in Zellkulturen zu synthetisieren oder aus Spenderblut zu
      gewinnen. Das ganze ist nur sehr teuer, sehr ineffektiv und für die
      Haltung solcher Zellkulturen benötigt man fetales Kälberserum. Was das
      bedeutet, kann sich der Leser selbst ausmalen. Da ist es natürlich um
      10er Potenzen billiger, das ganze ein Schwein machen zu lassen (Paleyanda
      et al., 1997). Man wandelt hier einen schmalen Grat entlang, wo Sinn und
      Unsinn derartiger transgener Tier aufeinander treffen. Die Verlängerung
      der Haltbarkeit, oder der "blaue Heinrich" ist dumpf, aber die Synthese
      von Faktor VIII, von dem 1 Gramm derzeit 1,5 Millionen Dollar kostet,
      oder des blutgerinnungsfördernden Proteins C hingegen, sind durchaus
      absolut sinnvolle, ethisch unbedenkliche Alternativen; sofern diese nicht
      mit Quälerei der transgenen Tiere verbunden sind. Auf diese Art kann man
      auch das Risiko zum Beispiel AIDS oder Hepatitis C durch verseuchte
      Blutkonserven zu übertragen eliminieren. Andererseits besteht dann
      natürlich die Möglichkeit Viehseuchen auch auf den Menschen zu
      übertragen, man denke hierbei wieder an BSE.

      Noch stehen diesen Anwendungen eine ganze Reihe technischer
      Schwierigkeiten entgegen, die aber nicht unüberwindbar sind (Colman
      1996). Probleme bereiten zur Zeit noch niedrige Raten an erfolgreicher
      Transgenintegration, unvorhersagbares Verhalten des Transgens und
      kümmerliche Überlebensrate der Embryonen. Ein menschliches Protein, das
      bereits auf diese Art gewonnen wird, befindet sich schon in der
      klinischen Erprobung. Es handelt sich um den Blutgerinnungshemmstoff
      Antithrombin III, den die amerikanische Firma Genzyme Transgenics in
      Ziegen machen läßt. Transgene Schafe, die den menschlichen
      Blutgerinnungfaktor IX herstellen, wurden ebenfalls vor kurzem entwickelt
      (Schnieke et al., 1997).

      Gottseidank ist das Verständnis für die angesprochenen blödsinnigen
      Anwendungen Großtiere gentechnisch zu verändern, bei weiten Teilen der
      Bevölkerung zur Zeit derart unterentwickelt, daß die Einführung solcher
      Monster in naher Zukunft nicht zu erwarten ist. Ich befürchte aber fast
      eine schleichende Gewöhnung, begleitet von Abnutzungserscheinungen der
      Widerständler, die schließlich auch den Mißbrauch dieser Techniken den
      Weg ebnen werden.





      transgene PflanzenI-nogene


      IV. Genormte Pflanzen Teil I

      1. Herbizid-tolerante Pflanzen und das Gespenst des horizontalen
      Gentransfers
      a) gegen Bromoxynil
      b) gegen Basta
      c) gegen Roundup
      d) gegen Sulphonylharnstoff
      e) Doch kein Gespenst?

      2. Virenresistenzen und der Alptraum der Transkapsidierung
      3. Resistenz gegen Insekten und resistente Insekten
      4. Weitere Resistenzen
      a) Pilze
      b) Bakterien
      c) Fadenwürmer


      Vier gewinnbringenden Zielen haben sich die Schöpfer von transgenen
      Nutzpflanzen verschrieben. Einer Steigerung des physiologischen
      Nährwertes, entweder durch Erhöhung des Anteils an gewünschten
      Komponenten oder durch Reduktion unerwünschter Inhaltsstoffe. Der
      Entwicklung ertragreicherer Sorten. Einer Ertragssteigerung durch
      Eliminierung ertragschädigender Faktoren wie zum Beispiel Unkräuter und
      Schadinsekten. Und schließlich die Entwicklung einer verbesserten
      Lagerungsfähigkeit, wie sie uns zum Beispiel schon heute in der
      Anti-Matsch-Tomate begegnet. Aus diesen Absichten geht klar hervor, wem
      diese Ziele Gewinn bringen sollen. Ob hier das Profitstreben der
      Industrie größer ist, als das edle Ziel, den Hunger in der Welt zu
      lindern, betrachte ich als eine rein rhetorische Frage.
      Genormte Pflanzen sind also Pflanzen, deren Erbgut den Bedürfnissen
      bestimmter Menschen zu entsprechen verändert wurde. Und die Bedürfnisse
      bestimmter Menschen liegen hauptsächlich darin, Geld zu horten. Das ist
      alles, nicht mehr und nicht weniger. Der Verbraucher hat davon nichts und
      damit ist die Ablehnung der grünen Gentechnik von weiten Teilen der
      Bevölkerung völlig gerechtfertigt und hat nichts mit Ignoranz oder
      "intellektueller Armut" zu tun, wie manche behaupten mögen (Gassen,
      1995). Die Normung von Pflanzen kann mit Hilfe tradierter
      Züchtungsmethoden oder, und das ist für dieses Buch interessant, mit
      Hilfe der Gentechnik geschehen.

      Das Kaleidoskop an Manipulationsmöglichkeiten das die moderne
      Pflanzengenetik heute bietet, wurde erst in den letzten Jahren durch die
      Investition von Unsummen in die Etablierung eines gewaltigen
      Forschungsapparates möglich. Trotz dieser enormen finanziellen und
      personellen Anstrengungen ist bei all diesem Treiben zu meiner großen
      Freude erst erstaunlich wenig bei herausgekommen. Die Ergebnisse sind
      ähnlich wie bei der Gentherapie weit hinter den Erwartungen
      zurückgeblieben (siehe entsprechendes Kapitel). Es ist wohl ein seltsames
      Gesetz in der Forschung, daß je mehr Leute, Geld und Zeit in ein Projekt
      gesteckt werden, desto weniger dabei herauskommt. Ein Phänomen, das ich
      aus eigener schadenfreudiger Erfahrung kenne. Trotzdem, auch die paar
      transgenen Pflanzen, die heute auf dem Markt sind, geben genug Anlaß zu
      tiefer Besorgnis. Erst recht wenn man an die gegenwärtigen Entwicklungen
      in den Labors der Industrie und einschlägigen Institute denkt. Da im
      Gegensatz zu Monsterfliegen und knock-out-Mäusen, gentechnisch veränderte
      Pflanzen uns alle betreffen, ja da viele sogar vor der Haustüre wachsen
      oder in irgendeiner Form auf dem Teller landen, soll dieses Thema im
      folgenden besonders intensiv beachtet und an zahlreichen Beispielen
      erläutert werden.

      Seitens der Industrie gibt es so viele und unterschiedliche Bedürfnisse
      an transgene Nutzpflanzen, daß mir hier eine Gliederung nach diesen
      Ansprüchen zweckdienlich scheint.



      1. Herbizid-tolerante Pflanzen und das Gespenst des horizontalen
      Gentransfers

      Unkräuter konkurrieren mit den Nutzpflanzen um Dünger, Licht, Wasser und
      Platz. Sie können den Ertrag eines Feldes auf 30% reduzieren, sind eine
      Brutstätte für Schädlinge und können die geernteten Feldfrüchte so
      verunreinigen, daß zu ihrer Abtrennung kostspielige Maßnahmen eingeleitet
      werden müssen. Diese belaufen sich auf mehrere Milliarden US-Dollar pro
      Jahr, uneingerechnet der Forschungsgelder, die in die Entwicklung
      unproblematischer Herbizide investiert werden müssen.
      Herbizid-Toleranz ist aus diesen Gründen einer der wichtigsten Aspekte in
      der Generierung von transgenen Nutzpflanzen. Die mit der
      Charakterisierung der Herbizidwirkungen gewonnenen Kenntnisse ihrer
      biochemischen Wirkung auf die Pflanzen und ihrer Abbaumechanismen,
      liefern wertvolle Hinweise für Ansatzpunkte genetischer Manipulationen.
      Es gibt hier prinzipiell drei Wege mit denen man eine Herbizid-Toleranz
      in Pflanzen erreichen kann. Die eine Möglichkeit ist die Sensitivität
      gegenüber dem verwendeten Herbizid zu minimieren. Gentechnisch ist dies
      möglich durch ständige Neusynthese des Angriffsziel, meist irgendein
      Protein der Pflanze, so daß noch immer genügend synthetisiert wird, um
      die Wirkung des Herbizids zu unterlaufen. Man kann auch das Angriffsziel
      gentechnisch so modifizieren, daß es seine Funktion trotz Herbizidkontakt
      beibehält; im Prinzip also eine Mutante kreieren. Die zweite Möglichkeit
      ist, das Herbizid in der Pflanze rasch in harmlosere Verbindungen
      abzubauen. Die dritte Möglichkeit besteht darin, die Aufnahme des
      Herbizids zu verhindern oder aufgenommenes in Teile der Pflanzenzelle zu
      transportieren, wo es keinen Schaden anrichten kann. Die beiden ersten
      Strategien sind bereits in transgenen Pflanzen verwirklicht, an der
      dritten wird noch rumgeforscht. Auskunft darüber, für welche transgenen
      herbizidresistenten Pflanzen eine Genehmigung für ein Inverkehrbringen in
      allen Staaten der EU und in den USA vorliegt oder ein Genehmigungsantrag
      für alle Staaten der EU gestellt wurde, sind übrigens im Internet beim
      Robert-Koch-Instituts (RKI) und beim United States Department of
      Agriculture abrufbar (USDA).

      Die Entwicklungen schreiten auch hier natürlich in dramatischem Tempo
      voran, so daß diese Angaben nur eine Momentaufnahme darstellen, die in
      zwei bis drei Monaten schon wieder völlig veraltet ist. Die Forschungen
      jetzt hier im einzelnen zu erläutern, gleicht einer Sisyphusarbeit und
      würden zudem des Lesers Geduld zu sehr strapazieren. Alleine die Menge
      der in den USA bereits gestellten Genehmigungsanträge würde hier ein paar
      Seiten füllen. Statt hier also Briefmarken zu sammeln, verweise ich auf
      die Internetseite vom Federal Register des Government Printing Office in
      den USA (GPO). Hier wird der Eingang aller Genehmigungsanträge für ein
      Inverkehrbringen von transgenen Organismen kommentiert und dokumentiert.
      Man gibt in das dort zu sehende Formular am besten als Stichwort
      "determination" oder "availability" und den Namen der Pflanze, also
      "Canola" für Raps oder "Corn" für Mais ein. Man kann auch statt letzterem
      den Namen einer Firma wie zum Beispiel "Monsanto" eingeben. Die
      interessanten Dokumente erscheinen jedenfalls unter der Überschrift:
      "Receipt of Petition for Determination of Nonregulated Status for..."
      oder "Availability of Determination of Nonregulated Status for...".
      Ähnliches gibt es auch bei der EU (EU) oder im Online Plant Biotechnology
      Office der Canadian Food Inspection Agency (CFIA). Man kann sich auch
      über den gegenwärtigen Stand der in den USA gestellten Anträge für ein
      Inverkehrbringen von transgenen Pflanzen online bei dem Animal and Plant
      Health Inspection Service informieren (APHIS).
      Um einen kleinen Überblick der schon heute auf dem Markt verwirklichten
      Möglichkeiten zu geben, werde ich im folgenden einige Beispiele von
      transgenen Nutzpflanzen erläutern.


      a) gegen Bromoxynil
      Bromoxynil (3,5-Dibromo-4-hydroxybenzonitril) ist ein Herbizid, daß die
      Photosynthese mancher Pflanzen stört. Die Entwicklungen transgener
      Pflanzen konzentrieren sich hier auf den raschen Abbau der Chemikalie.
      Ein Bodenbakterium namens Klebsiella ozaenae vermag mit Hilfe eines
      Enzyms, einer Nitrilase, Bromoxynil in eine inaktive Form umzuwandeln.
      Das dazugehörige Gen (bxn, Stalker et al.,1988a) wurde zum Beispiel
      bereits erfolgreich in Baumwolle transformiert und diese von der Firma
      Calgene vermarktet.

      b) gegen Basta
      Phosphinothricin oder auch Glufosinat
      (DL-Homoalanin-4-methyl-phosphinsäure) ist die wirksame Komponente des
      Herbizids Basta. Dieses im Boden schnell abbaubare Herbizid hemmt
      spezifisch ein Enzym in der Pflanze, was zur Folge hat, das die Zellen
      ein giftiges Stoffwechselprodukt anhäufen und daran zugrunde gehen. Ganz
      analog wie bei Bromoxynil hat man hier Bodenbakterien gefunden
      (Streptomyces spec.), die mit Hilfe eines Enzyms
      (Phosphinothricin-N-Acetyltransferase) den Wirkstoff abbauen können. Die
      zugrunde liegenden Gene (bar, pat) hat man ebenfalls erfolgreich in
      zahlreiche Pflanzen transformiert, die dadurch das Herbizid tolerieren
      können (Tsaftaris, 1996; ; Keller, 1997). Da Bakteriengene aber in
      Pflanzen nicht so wirken wie man das gerne hätte, wurden teilweise
      synthetische Versionen transformiert. Diese erlauben eine den Wünschen
      entsprechende effiziente Synthese. Mit Mais wurde das zum Beispiel von
      den Firmen AgrEvo und Ciba-Geigy gemacht. Solche rein synthetischen
      Konstrukte ähneln der Ursprungs-DNA des Bakteriums kaum, so daß man hier
      auf Probleme stößt, wenn man den Gentransfer nachweisen will.


      c) gegen Roundup
      Glyphosat (N-Phosphonomethylglycin) ist die wirksame Komponente des
      Herbizids Roundup und tötet sowohl Gräser als auch krautige Blattgewächse
      durch Hemmung eines wichtigen pflanzlichen Schlüsselenzyms, das diese für
      ihr Gedeihen unbedingt brauchen. Dieses Schlüsselenzym hat einen ganz
      furchtbaren Namen, mit dem nur die allerwenigsten was anfangen können und
      deshalb benutze ich hier die Abkürzung EPSPS. Glyphosat soll nicht
      toxisch für Tiere sein und von im Boden lebenden Mikroorganismen schnell
      abgebaut werden. Daher wird Roundup gerne auf fast alles draufgekippt,
      was die Entwicklung transgener Pflanzen die das aushalten, wirtschaftlich
      besonders interessant macht. Die hier verfolgte Strategie ist, EPSPS
      dermaßen in den Pflanzen anzureichern, daß ihnen die ausgebrachten
      Herbizidmengen nichts mehr ausmachen. Es gibt aber auch Bakterien, die
      eine Glyphosat-resistente Version der EPSPS synthetisieren. Hier wurde
      das dazugehörige Gen isoliert und in verschiedene Pflanzen erfolgreich
      transformiert (Mannerlof et al., 1997; Saroha et al., 1998).


      d) gegen Sulphonylharnstoff
      Diese Chemikalie hemmt ein für den Aminosäurestoffwechsel der Pflanzen
      wichtiges Enzym namens Acetolactatsynthase. Du Pont vertreibt bereits
      gegen Sulphonylharnstoff tolerante Baumwolle. Gebastelt wurde die
      transgene Baumwolle durch Transformierung der gegen Sulphonylharnstoff
      unempfindlichen Acetolactatsynthase-Mutante des Tabaks.


      e) Doch kein Gespenst?
      Die Hauptbefürchtung der Gentechnikkritiker, transgene herbizidresistente
      Pflanzen würden einen vermehrten Einsatz von Herbiziden provozieren, da
      man ja nun ohne die Nutzpflanze zu schädigen, voll draufkübeln könne, ist
      nicht eingetreten. Was ist aber, wenn das Herbizidresistenzgen der
      Nutzpflanze durch irgendeinen Mechanismus auf das Unkraut übertragen wird
      und dieses dann ebenfalls herbizidresistent macht und sich ungehemmt
      ausbreitet? Das wäre eine Katastrophe. Vielleicht würde dann nicht einmal
      mehr Agent Orange helfen und man müßte den Einsatz von thermonuklearen
      Waffen in Erwägung ziehen. Ohne Zynismus: Solche herbizidresistenten
      Unkräuter könnten eine neue Qualtität erlangen, durch ein noch völlig
      unerforschtes Phänomen namens Kreuzresistenz. So ist es denkbar, daß
      aufgrund der verschlungenen Stoffwechselwege Pflanzen, die gegen ein
      bestimmtes Unkrautvernichtungsmittel resistent sind, durch das gleiche
      Gen auch Dürre tolerieren können oder einen kürzeren Generationszyklus
      erlangen und sich dadurch schneller ausbreiten können oder ihren
      Hauptfeinden -irgendeiner Schnecke- plötzlich nicht mehr schmecken. Bevor
      hier nicht genügend Forschungsarbeit investiert wurde, muß man, da nun
      Millionen von transgenen Pflanzen einfach in die Umwelt gesetzt werden,
      mit dem schlimmsten rechnen. Da helfen auch Freisetzungsversuche nichts,
      die in ihrer geradezu naiv anmutenden Sorglosigkeit eher als fahrlässig
      denn gemeingefährlich einzustufen sind. Abgesehen davon sind sie auch
      einfach biologischer Nonsens, das sie aufgrund ihrer Konzipierung die
      gewünschten Daten zwangsläufig gar nicht erbringen können.

      Die Frage ist, ob solch ein horizontaler Gentransfer, also eine
      Genübertragung zwischen verschiedenen Arten möglich ist? Bakterien und
      das ist schon lange kein Geheimnis mehr, können Gene austauschen, wie
      sieht es aber mit höheren Lebewesen aus? Derartige Gentransfers von
      Pflanzen auf Bakerien sind, wenn auch ziemlich selten, beobachtet worden
      (Doolittle et al., 1990; Droge et al., 1998; Nielsen et al., 1998).
      Interessanterweise konnte unter experimentellen Bedingungen sogar direkt
      horizontaler Gentransfer zwischen einer transgenen Kartoffel und dem
      Kartoffelpathogen Erwinia nachgewiesen werden (siehe unten, Schluter et
      al., 1995).
      Da also horizontale Gentransfers prinzipiell möglich sind, könnte man
      sich ohne große Gehirnakrobatik einen Mechanismus vorstellen, bei dem ein
      Herbizidresistenzgen auch über Umwege in das Bodenbakterium Agrobacterium
      tumefaciens gelangt und da diese Bakterien wie oben erwähnt Pflanzen
      infizieren können, auf andere Pflanzen übertragen wird.
      Ein horizontaler Gentransfer durch saugende Insekten, die mehrere
      Nahrungsquellen beanspruchen, ist ebenfalls keine sonderlich abstruse
      Vorstellung. Selbst wenn solche Fälle extrem selten sind, steigt die
      Wahrscheinlichkeit, daß es doch mal passiert mit der Anzahl der
      gentechnisch veränderten freigesetzten Pflanzen. Man mag sich jetzt über
      Wahrscheinlichkeiten streiten, wie oft so ein horizontaler Gentransfer
      vorkäme. Das hilft aber nicht weiter. Alleine die Tatsache, daß er
      prinzipiell möglich ist, sollte genügen, damit aufzuhören.
      Unabhängig wie man das mit dem horizontalen Gentransfer sehen mag. Das
      Risiko eines Gentransfers innerhalb von Arten oder auf verwandte Arten,
      ist nicht mal eine Frage der Häufigkeit, sondern sogar sehr
      wahrscheinlich und obendrein schnell (Mikkelsen et al., 1996; Timmons et
      al., 1996). Dieser kann zum Beispiel durch Pollenverbreitung über den
      Wind, Bienen, Ameisen oder Menschen von Transgenen auf die wildtypischen
      Formen erfolgen. Sollten diese dann in die Kulturformen einwandern, ist
      die Konfusion perfekt. Genverschmutzung läßt sich nicht abwaschen und
      dieser Tatsache sind sich offensichtlich die wenigsten Risikobewerter
      bewußt.
      Die Unmöglichkeit des Abwaschens kommt auch beim Verzehr zum Tragen.
      Sobald die Produktion des Herbizids in die Pflanze selbst verlegt wird,
      gelangt es auch in den Magen. Problematisch erscheint mir in diesem
      Zusammenhang die Möglichkeit, daß bei der Strategie das Angriffsziel des
      Herbizids in der Pflanze zu mutieren oder das Angriffsziel vermehrt zu
      synthetisieren, um die Wirkung des Herbizids zu unterlaufen, eine
      Akkumulation des Herbizids erfolgen kann. Solche Akkumulationen von
      Herbiziden können fatale Folgen haben. Im Tierversuch konnten zum
      Beispiel bei Bromoxynil-Behandlung Abnormitäten in der
      Embryonalentwicklung beobachtet werden (Rogers, 1991). Begleitend hierzu
      könnte durch die vermehrte Synthese des Angriffsziels, meist ein Enzym,
      unbeabsichtigte Nebenreaktionen ablaufen, die wiederum zur Akkumulation
      von schädlichen Substanzen führen (Metz, 1998). Wenn man hingegen die
      Strategie des schnellen Abbaus verfolgt, dann muß unter allen Umständen
      vorher geklärt sein, zu welchen Substanzen das Herbizid eigentlich
      abgebaut wird, ob diese Substanzen an sich schädlich sein können oder
      ihrerseits wieder andere Stoffwechselwege beeinflussen, was auch zur
      Akkumulation von Schadstoffen führen könnte. Kurz gesagt, erscheinen mir
      die Verhältnisse der möglichen Nebenwirkungen dermaßen kompliziert und
      mannigfaltig, daß ich den verdungenen Wissenschaftlern nicht zutraue,
      diese aufzuklären. Abgesehen davon habe ich auch Zweifel, ob sie an
      derartigen umfangreichen und kostspieligen Aufklärungen überhaupt
      interessiert sind.

      Herbizidresistente Pflanzen sind keine Alternative zur chemischen
      Unkrautbekämpfung. Hier werden nur Gewinne von der chemischen Industrie
      zur gentechnischen verlagert mit demselben Resultat. Statt mit einem
      riesigen finanziellen Aufwand Leute zu beschäftigen, die sich derlei
      Sachen ausdenken -was im übrigen, wenn man ein bißchen Ahnung hat, nicht
      allzu knifflig ist- sollten diese Gelder sinnvoller in die Erforschung
      wirklicher Alternativen wie neue mechanische Methoden der
      Unkrauteindämmung, Entwicklung von neuen Anbaumethoden oder biologische
      Unkrautbekämpfung gesteckt werden. Aber damit läßt sich halt kein Geld
      verdienen. Es gibt natürlich noch einen ganzen Haufen ökologischer Gründe
      für die Erhaltung der Ackerunkräuter, aber die sind nicht Thema des
      Aufsatzes (Hammer und Gladis, 1993; Zoldan, 1993).



      2. Virenresistenzen und der Alptraum der Transkapsidierung

      Die intensive Agrarbewirtschaftung, verbunden mit ökonomisch geprägten
      Vorlieben zur Monokultur, begünstigt das Ausbreiten von Krankheiten, die
      durch Viren, Insekten, Pilze oder Bakterien übertragen werden. Die
      bereits bei der Entwicklung herkömmlicher Mittel wie Insektizide oder
      Fungizide gewonnenen Kenntnisse über die Mechanismen der Infektion, ihre
      schädigende Wirkung und Bekämpfung, sind auch hier wertvoll für die
      Entwicklung gentechnischer Methoden des Schutzes. Da jeweils völlig
      andere Strategien angewandt werden, habe ich die einzelnen Resistenzen
      getrennt.

      Viren sind im Prinzip RNA- oder DNA-Moleküle, die in eine Proteinhülle
      eingepackt sind. RNA ist so etwas ähnliches wie DNA -sagt ja schon die
      Abkürzung- und mehr braucht der Leser für das Verständnis des folgenden
      auch gar nicht zu wissen. Um etwaigen Wissensdurst zu bändigen, empfehle
      ich wieder irgendein Biologie-Schulbuch.
      Die Zahl der Pflanzenviren ist so mannigfaltig wie die Pflanzenwelt
      selbst. Es gibt Viren, die es zum Beispiel auf Blumenkohl, Tomaten, Soja,
      Kartoffeln, Mais, Raps, Gurken, Zucchini, Zuckerrübe, Wassermelone,
      Papaya und sogar auf Orchideen abgesehen haben. Viele Viren sind dabei
      nicht einmal sehr wählerisch, sondern infizieren auch unterschiedliche
      Pflanzen. Übertragen werden die Pflanzenviren unter anderem durch
      Blattläuse, Fadenwürmer, Pilze oder mechanische Beschädigungen. Die
      Wirkung dieser Viren für die Pflanze ist verheerend. So verursacht zum
      Beispiel der Kartoffel-leafroll-Virus einen Ausfall der Kartoffelernte in
      einer Höhe von weltweit jährlich 20 Millionen Tonnen. Insofern erkennt
      man, daß hier in der Entwicklung von transgenen virusresistenten Pflanzen
      ein gigantisches wirtschaftliches Potential steckt.

      Um Pflanzen gegen Viren resistent zu machen, kamen Roger Beachy und seine
      Mitarbeiter Mitte der 80er Jahe auf die Idee, die viralen Gene, die für
      die Synthese der Hülle verantwortlich sind, in Pflanzen zu
      transformieren. Diese transgenen Pflanzen machen dann selber Virushüllen,
      die natürlich für die Pflanze ungefährlich sind und werden damit aus
      irgendwelchen obskuren Gründen gegen Virenbefall resistent (Abel et al.,
      1986).
      Gottseidank gibt es zum jetzigen Zeitpunkt erst eine in China und drei in
      den USA zugelassene transgene Pflanzen, die auf diese Art gegen Viren
      resistent gemacht wurden. Gottseidank deshalb, weil hier wie noch erklärt
      werden muß, auf dummdreiste Weise mit unkalkulierbaren Risiken geradezu
      gemeingefährlich herumgespielt wird. In absehbarer Zeit wird es jedoch
      auch hier dramatische Entwicklungen geben. Neben der oben genannten
      Resistenz gegen einen Kartoffelvirus ist die Vermarktung einer transgenen
      Zuckerrübe, die gegen den Rüben-necrosis-yellow-vein-Virus, den
      Verursacher einer Rhizomania genannten Krankheit wirtschaftlich von
      großer Bedeutung. Die betroffenen Pflanzen machen statt Zucker mehr
      Wurzeln. Paradoxerweise funktionieren diese Virenresistenzen nicht mal
      besonders gut. Es gibt Hinweise aus Freisetzungsversuchen, die eindeutig
      belegen, daß manche der transgenen Linien unter Freilandbedingungen
      verminderte Erträge aufweisen oder nur geringfügig resistent sind (Nelson
      et al., 1988; Beachy et al., 1990; Kaniewski et al., 1990). Kurios nennen
      möchte ich das Ergebnis eines Feldversuches mit gegen den
      Tomatenmosaikvirus resistent gemachten Tomaten. Hier zeigte sich trotz
      100%igem Virusbefall der nicht veränderten Kontrollpflanzen und nur
      20%igem Befall der Transgenen, kein höherer Ernteverlust bei den
      Kontrollpflanzen (Sanders et al., 1992). Gurken, die resistent gegen den
      Gurkenmosaikvirus gemacht wurden, erwiesen sich im Freilandexperiment
      nicht resistenter gegen diese Viren als die konventionelle zur Resistenz
      gezüchtete Sorte (Gonsalves et al., 1992).
      Mir drängt sich der starke Verdacht auf, daß aus kommerziellen Gründen
      erhobene Daten, die solche Ernteverluste vergleichen, zumindest teilweise
      zu einem statistischen signifikanten Unterschied hin geschönt werden,
      wenn nicht gar gefälscht, um das Zeug trotzdem zu verkaufen. Die
      Fälschung oder Schönung von Versuchsdaten in der Wissenschaft ist leider
      keine Seltenheit -ich kenne da auch so ein paar Pappenheimer- und ich
      kann mir vorstellen, daß die Verlockung, sobald Geld ins Spiel kommt,
      besonders groß ist. Trotzdem wird diese Strategie hin- und wieder
      funktionieren, weshalb Anstrengungen in dieser Richtung nicht
      unterbleiben werden.

      Transcapsidierung heißt auf wissenschaftlich der mit Entwicklung solcher
      Virusresistenzen verbundene Alptraum. Als Capsid bezeichnet man die Hülle
      eines Virus und als Transcapsidierung die Eigenschaft, daß Viren in der
      Lage sind, auf bisher völlig unbekannten Wegen die Hülle einer anderen
      Virenspezies zu übernehmen. Wenn also nun eine transgene Pflanze von
      einem neuen Virus infiziert wird, besteht die Möglichkeit, daß dieser die
      eingebauten transgenen Hüllproteine eines anderen Virus übernimmt. Da die
      Eigenschaften der Hülle wesentlich für die Infektionsfähigkeit des Virus
      und für seine Übertragbarkeit über Zwischenwirte sind, vermag der Prozeß
      der Transkapsidierung also alte Viren in neuer Hülle mit neuem
      Wirtsspektrum und neuen Übertragungsmöglichkeiten hervorzubringen. So
      wurde zum Beispiel beobachtet, daß ein zuvor nicht über Blattläuse
      übertragbarer Zucchini-Virus nach Coinfektion mit einem Papaya-Virus nun
      auch durch Blattläuse übertragen werden konnte (Bourdin und Lecoq, 1991).
      Das gleiche ist bei einem Bohnenvirus beobachtet worden, der nach
      Mischinfektionen mit einem Erbsen-Virus ebenfalls durch Blattläuse
      übertragbar wurde (Hobbs und Mclaughlin, 1990) und transgene Pflanzen,
      die ein Hüllprotein des Pflaumenpocken-Virus trugen, machten einen
      Zucchini-Virus für die Blattlausübertragung scharf (Jacquet et al.,
      1998). Transkapsidierung im Zusammenhang mit transgenen Pflanzen wurde
      auch bei Gersten- und Gurkenviren festgestellt (Wen und Lister, 1991;
      Candelier-Harvey, 1993).
      Je zahlreicher die verschiedenen virusresistenten transgenen Pflanzen
      sind, desto wahrscheinlicher wird eine Transkapsidierung und desto größer
      wird die Gefahr der Etablierung eines wahren Horrorpanoptikums an
      pflanzeninfizierenden Viren. Ich habe leider gar keine Probleme, mir eine
      durch die Profitgier mancher Menschen verursachte Evolution eines
      omni-invasiven Virus vorzustellen, eines Pathogens also, daß alle
      Nutzpflanzen infiziert und nicht vernünftig bekämpft werden kann und ich
      wundere mich deswegen überhaupt nicht, wenn manche Gentechnik-Gegner
      Versuchsfelder heimsuchen. Transkapsidierung ist keine
      unwissenschaftliche Horror-Fiktion der Gentechnikkritiker, sondern eine
      höchst merkwürdige, nahezu unerforschte und absolut gefährliche Realität,
      die nur allzu gern von der Industrie und leider auch von den
      Genehmigungsbehörden ignoriert wird. Es besteht hier ein gewaltiger
      Nachholbedarf in Fragen der biologischen Sicherheit (Robinson 1996) und
      mich erschreckt die Tatsache, daß hier mit einer arglosen
      Selbstverständlichkeit Dinge als harmlos eingestuft werden, deren
      potentielle Risiken noch nicht einmal angeforscht sind.

      Um Pflanzen gentechnisch gegen Viren resistent zu machen, werden auch
      noch andere hochgradig riskante Strategien verfolgt, die jetzt zu
      erläutern, zu kompliziert wären und den Rahmen des Aufsatzes sprengten.
      Dazu nur eine persönliche Meinung. Ich halte dieses Herumgespiele mit
      transgenen Pflanzen, die gegen Viren resistent sein sollen für extrem
      gefährlich und würde mich freuen, wenn die Wissenschaftler die Finger
      davon lassen würden. Doch leider steht dem eine gewaltige Selbst- und
      völlig verblödete Profilierungssucht auf Seiten der Forscher und ebenso
      gewaltige Profitgier auf Seiten der Industrie entgegen.




      3. Resistenz gegen Insekten und resistente Insekten

      Schätzungsweise werden pro Jahr mindestens 10% der angebauten
      Kulturpflanzen von Insekten so zugerichtet, daß sie zu nichts mehr zu
      gebrauchen sind. Um den Schaden nicht noch größer werden zu lassen, wird
      jährlich eine Chemikalienmenge von mehreren Milliarden Dollarn versprüht,
      verkippt oder verstreut. Insofern hat die Gentechindustrie großes
      Interesse daran, transgene Pflanzen zu produzieren, die gegen
      Insektenbefall resistent sind. Im wesentlichen hat sich bisher eine
      Strategie durchgesetzt. Bestimmte im Boden lebende Bakterien (Bacillus
      thuringiensis) synthetisieren Toxine, die Darmzellen von Schmetterlingen,
      Fliegen, Käfer und Fadenwürmer absterben lassen (Gill et al., 1992). Seit
      den 60er Jahren hat man diese Bt-Toxine aus den Bakterien durch Zucht
      gewonnen und dann über die zu schützenden Kulturen versprüht. Das war
      möglich, weil diese Toxine nur gegen Insekten verheerend wirken. Heute
      hat die gentechnische Industrie einen Teil der zugrunde liegenden Gene
      isoliert, modifiziert und erfolgreich in verschiedene Pflanzen wie zum
      Beispiel in die Tomate, den Mais oder den Reis transformiert (Fischoff et
      al., 1987; Koziel et al., 1993; Cheng et al., 1998). Im Mais wirkt das
      Bt-Toxin ganz besonders gegen einen kleinen Falter mit einer
      Flügelspannweite von 3 Zentimetern. Der Übeltäter heißt Maiszünsler
      (Ostrinia nubilalis) Die Weibchen legen so um die 30 Eier auf die
      Blattunterseiten der Pflanzen ab, eine Woche später schlüpfen die Raupen,
      die dann Blätter, Stengel und Kolben anfressen und den Mais damit für
      alles weitere unbrauchbar machen.
      Die große Vielfalt der Bt-Toxingene -an die 100 sind bereits
      identifiziert (Estruch et al., 1997)- erlaubt natürlich eine ganze Reihe
      an Anwendungen. So konnte damit auch Baumwolle gegen die
      Baumwollkapselwurm genannte Larve einer Falterart und Kartoffeln gegen
      den Colorado-Kartoffelkäfer resistent gemacht werden (Perlak et al.,
      1990; Perlak et al., 1993). Doch trotz ihrer Vielzahl sind die Bt-Toxine
      nicht gegen alle schädlichen Schmetterlingslarven wirksam, so daß auch
      hier andere Strategien entwickelt werden müssen.
      Was auch hier den Nachweis der transgenen Bt-Pflanzen erschwert, ist eine
      synthetische Veränderung der Bt-Toxingene. Diese erwies sich jedoch als
      notwendig, da die nativen Formen in den transgenen Pflanzen nicht
      genügend aktiv waren. Synthetische Gen-Versionen sind gezielt für die
      Pflanzen gestaltet und damit wesentlich effizienter.

      Derartige gentechnische Resistenzen sind jedoch nicht von allzu langer
      Dauer, da die Insekten wie es zum Beispiel vor ein paar Jahren in den USA
      mit Eulenfalter-Raupen passiert ist, ihrerseits rasch Resistenzen gegen
      das Bt-Toxin entwickeln. Mit dem Auftreten der resistenten
      Eulenfalter-Raupen hatte keiner gerechnet und damit gelang ihnen die
      Heimsuchung von ein paar tausend Morgen Bt-Baumwolle der Firma Monsanto
      (Macilwain, 1996). Für diese Erfahrung durften die Farmer dann auch noch
      32 $/Morgen Lizenzgebüren an Monsanto zahlen, ganz zu schweigen von den
      paar Millionen Dollars, die die Firma in die Entwicklung desselben
      gesteckt hat. Die von den Insekten erlangte Resistenz beruht auf
      Mutationen der betroffenen Darmzellen, die die Falter gegen das Bt-Toxin
      unempfindlich machen. Innerhalb von ein paar Generationen können sich
      solche Mutationen in der Insektenpopulation durchgesetzt haben, wodurch
      das Wettrüsten erneut gestartet werden muß (Gould und Anderson, 1991).
      Der Verlust der Wirksamkeit erfolgt um so schneller, je reifer die
      insektenresistenten Pflanzen sind, da mit zunehmender Reife der
      Toxingehalt in den Pflanzen vermutlich sinkt (Onstad und Gould, 1998a und
      b). Besondere Brisanz gewinnt dieser Umstand durch das plötziche
      Erscheinen einer Motte, die eine Resistenz gleich gegen vier Bt-Toxine
      entwickelt hat (Tabashnik et al, 1997).

      Parallel zu den Bt-Toxinen laufen auch Anstrengungen andere biochemische
      Insektizide wie zum Beispiel Verdauungshemmstoffe oder Chitinasen
      einzusetzen, die in der Lage sind, den Körperpanzer von Insekten
      anzugreifen (Kramer und Muthu, 1997; Schuler et al., 1998; Gatehouse und
      Gatehouse, 1998). Ich frage mich gerade, ob das nur für Schadinsekten
      oder zum Beispiel auch für Bienen gilt. Abgesehen davon haben die
      Insekten schon längst bewiesen, daß sie auch diese Ansätze zu unterlaufen
      vermögen (Jongsma et al., 1995), was mir solche Forschungansätze
      besonders absurd erscheinen läßt.

      Im Gegensatz zu dem anscheinend harmlosen Bt-Toxin wird auch mit weniger
      harmlosen Giften herumgespielt. So sind zum Beispiel jüngst transgene
      Kartoffeln, die als Insektizid ein Schneeglöckchengift (Lectin)
      synthetisierten, in die Schlagzeilen geraten. Man hatte herausgefunden,
      daß zum Beispiel Blattläuse, die mit diesem Lectin gefüttert wurden,
      schon bei relativ geringen Konzentrationen hohe Sterblichkeitsraten
      aufweisen (Sauvion et al., 1996), was das Schneeglöckchen-Lectin
      attraktiv für den gentechnischen Pflanzenschutz machte. Zur gleichen Zeit
      stellten sich aber im Tierversuch erste Anzeichen für merkwürdige
      Nebenwirkungen des Lectins auf Darmenzyme heraus, die die daran
      beteiligten Wissenschaftler zur Vorsicht mahnen ließen (Pusztai et al.,
      1996). Ratten die in weiteren Versuchen mit diesen Kartoffeln gefüttert
      wurden, schrumpften anscheinend die Gehirne. Was von dieser Meldung zu
      halten ist, weiß ich nicht. Ernstnehmen würde ich sie aber
      vorsichtshalber, zumal der Wissenschaftler, der das nachgewiesen hatte,
      von seiner Fakultät kurzerhand in den Ruhestand befördert wurde (Masood,
      1999). Daß Schneeglöckchen-Lectine nicht nur bei Insekten wirken, hätte
      man sich im übrigen denken können, denn welches Tier frißt schon
      Schneeglöckchen? Dies ist jedoch mal wieder ein Paradebeispiel dafür wie
      borniert manche Wissenschaftler sein können. Ich empfehle daher die
      Verwendung von Abrin, das ist ein Lectin der Paternoster-Erbse mit
      durchschlagender Wirkungskraft. Es wurde nach dem zweiten Weltkrieg als
      chemischer Kampfstoff diskutiert (Martinetz, 1995).



      4. Weitere Resistenzen
      a) Pilze
      Ähnlich wie bei den Viren ist die Zahl der Pilze, die es auf bestimmte
      Pflanzen abgesehen haben gewaltig. Gegenwärtig befinden sich allerdings
      noch keine transgenen Nutzpflanzen auf dem Markt, die resistent gegen
      Pilzbefall sind. Eine grundlegende Strategie zielt auf einer Hemmung des
      Pilzwachstums ab. Da die Zellwand der Pilze hauptsächlich aus Chitin
      besteht, bietet sich hier die Möglichkeit Pflanzen vor Pilzbefall, durch
      eine transgen gesteuerte Synthese von chitinabbauenden Enzymen zu
      schützen. Da jedoch mit pflanzlichen Chitinasen allein kaum Erfolge
      erzielt werden konnten (Broglie et al., 1991), befinden sich nun entweder
      Kombinationen mit anderen Schutzgenen in Entwicklung oder es werden zum
      Beispiel Pilzabwehrgene aus anderen Pflanzen (Wein) ausprobiert (Jach et
      al., 1995; Hain, et al., 1993; Leckband und Loerz, 1998).


      b) Bakterien

      Bakterien sind im gesamten Obst- und Ackerbau eine große Bedrohung. Mitte
      der 80er Jahre wurden in Florida zum Beispiel über 20 Millionen
      Orangenbäume verbrannt, da man eine Epidemie befürchtete.

      Ein ganz berüchtigter Bösewicht ist Erwinia carotovora. Dieses Bakterium
      ruft bei Kartoffeln die Naßfäule oder Schwarzbeinigkeit hervor; nicht zu
      verwechseln mit der Kraut- und Knollenfäule, die von dem Pilz
      Phytophthora infestans hervorgerufen wird, der auch für die große
      Hungersnot in Irland vergangenes Jahrhundert verantwortlich war. Über
      mechanische Beschädigungen dringt Erwinia in die Kartoffelpflanze ein,
      verbreitet sich und richtet die Pflanze systematisch durch Abbau
      zugrunde. Man hat resistente Kartoffeln erzeugt, indem man in sie das Gen
      für ein bakterienverdauendes Enzym namens Lysozym eingeschleußt hat
      (Düring et al., 1993).

      Neben Kartoffeln ist Reis eine der wichtigsten Kulturpflanzen der Welt.
      Pro Jahr werden auf 145 Millionen Hektar 560 Millionen Tonnen davon
      geerntet. Gäbe es nicht ein Bakterium namens Xanthomas oryzae wäre der
      Ertrag noch wesentlich höher. Dieses Bakterium bewirkt in den infizierten
      Pflanzen ein Ausbleichen der Blätter, wodurch die jungen Pflanzen
      entweder eingehen oder der Ertrag der älteren drastisch gemindert wird.
      Übertragen wird das Bakterium durch mechanische Läsionen. Wie bei allen
      anderen Pflanzen gibt es auch bei Reis Sorten, die gegen dieses Bakterium
      von Natur aus resistent sind, doch verweigern diese Sorten entweder einen
      hohen Ertrag oder schmecken nicht besonders gut. Mit züchterischen
      Methoden ließe sich zwar auch die Bakterienresistenz von der einen auf
      die andere Reissorte übertragen, doch würde ein solcher Ansatz Jahre
      dauern. Mit der Gentechnik geht das natürlich schneller, vorausgesetzt
      man kann das zugrunde liegende Resistenzgen identifizieren. Und das ist
      bei Reis gelungen (Wen-Yuan et al. 1995; Tu et al., 1998). Nun, kritisch
      anzumerken ist hier, daß eine derartige Massenverbreitung eines natürlich
      auftretenden Resistenzgenes durch transgene Nutzpflanzen ein ungeheuerer
      Schwachsinn ist. Denn wenn man einen Großteil der Wirtspflanzen durch
      derartige Resistenzgene schützt, dann treibt man den Selektionsdruck zur
      Entwicklung resistenter Bakterien entsprechend nach oben. Es ist nur eine
      Frage der Zeit, bis sich in den Bakterienpopulationen die entsprechenden
      Mutationen durchgesetzt haben und damit der gesamte Schutz unterlaufen
      wird. Dann muß man mit Hilfe der Gentechnik wieder was Neues basteln und
      die ganze Prozedur kann wieder von vorne beginnen. Warum die einen Leute
      das trotzdem machen, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Vermutl
      Avatar
      schrieb am 29.10.00 14:40:53
      Beitrag Nr. 101 ()
      Habe gerade gesehen, dass nicht der gesamte Beitrag angenommen wurde.
      Es geht also beim letzten Absatz noch mal los:

      Neben Kartoffeln ist Reis eine der wichtigsten Kulturpflanzen der Welt.
      Pro Jahr werden auf 145 Millionen Hektar 560 Millionen Tonnen davon
      geerntet. Gäbe es nicht ein Bakterium namens Xanthomas oryzae wäre der
      Ertrag noch wesentlich höher. Dieses Bakterium bewirkt in den infizierten
      Pflanzen ein Ausbleichen der Blätter, wodurch die jungen Pflanzen
      entweder eingehen oder der Ertrag der älteren drastisch gemindert wird.
      Übertragen wird das Bakterium durch mechanische Läsionen. Wie bei allen
      anderen Pflanzen gibt es auch bei Reis Sorten, die gegen dieses Bakterium
      von Natur aus resistent sind, doch verweigern diese Sorten entweder einen
      hohen Ertrag oder schmecken nicht besonders gut. Mit züchterischen
      Methoden ließe sich zwar auch die Bakterienresistenz von der einen auf
      die andere Reissorte übertragen, doch würde ein solcher Ansatz Jahre
      dauern. Mit der Gentechnik geht das natürlich schneller, vorausgesetzt
      man kann das zugrunde liegende Resistenzgen identifizieren. Und das ist
      bei Reis gelungen (Wen-Yuan et al. 1995; Tu et al., 1998). Nun, kritisch
      anzumerken ist hier, daß eine derartige Massenverbreitung eines natürlich
      auftretenden Resistenzgenes durch transgene Nutzpflanzen ein ungeheuerer
      Schwachsinn ist. Denn wenn man einen Großteil der Wirtspflanzen durch
      derartige Resistenzgene schützt, dann treibt man den Selektionsdruck zur
      Entwicklung resistenter Bakterien entsprechend nach oben. Es ist nur eine
      Frage der Zeit, bis sich in den Bakterienpopulationen die entsprechenden
      Mutationen durchgesetzt haben und damit der gesamte Schutz unterlaufen
      wird. Dann muß man mit Hilfe der Gentechnik wieder was Neues basteln und
      die ganze Prozedur kann wieder von vorne beginnen. Warum die einen Leute
      das trotzdem machen, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Vermutlich
      nutzen sie die Unwissenheit der anderen Leute aus, verkaufen ihnen ein
      Heilmittel gegen die eine Krankheit, um, sobald dies unwirksam geworden,
      ein während dessen entwickeltes zweites verkaufen zu können. Es ist gut
      möglich, daß wir uns durch diese Art Geschäftemacherei, gewaltige
      Probleme schaffen werden, in dem wir uns ähnlich wie bei der übermäßigen
      Verschreibung von Antibiotika durch ungenügend ausgebildete Mediziner,
      Bakterienstämme heranzüchten, die gegen alles resistent sind (Levy,
      1998). Besonders verwerflich finde ich die Tatsache, daß die Forscher,
      die diese Risiken eigentlich genau kennen sollten, ihre Ideen auch noch
      patentieren lassen, um sie zu vermarkten und damit Geld für die Umsetzung
      von neuen suspekten Vorstellungen verdienen (Ronald., 1998). Mittlerweile
      befinden sich noch eine Menge anderer Mechanismen in Erprobung, um
      bakterielle Resistenzen in Pflanzen auf gentechnischem Wege zu induzieren
      (Panapoulos et al., 1996), doch stellen auch diese keine Lösung des oben
      angesprochenen Problems dar.


      c) Fadenwürmer
      Nematoden (Fadenwürmer) sind gefräßige Tiere, die gern in Massen
      auftreten und es ganz besonders auf einige Kulturpflanzen, wie zum
      Beispiel die Zuckerrübe oder Kartoffel abgesehen haben. Um die Pflanzen
      vor Nematodenbefall zu schützen sind ähnliche Entwicklungen im Gange wie
      bei den Insekten-Resistenzen. Hier zielt die Strategie ebenfalls auf
      transgene Pflanzen ab, die bestimmte Varianten des Bt-Toxingens besitzen.
      Aber auch andere Ansätze wie zum Beispiel die Anwendung von spezifischen
      Verdauungshemmern, die die Weibchen nicht groß genug werden lassen, um
      Eier zu legen, sind im Gange (Urwin et al., 1997; Vain et al., 1998).
      Doch wie bei den Insekten-Resistenzen ist die Gefahr Nematoden-Stämme zu
      evolvieren, die ihrerseits wieder resistent sind, enorm (Grundler 1996).
      Fairerweise muß ich hinzufügen, daß die bisher verwendeten chemischen
      Nematodenkiller (Nematicide) ziemlich toxisch sind.Eigentlich sollen ja
      mit der Gentechnik Kosten und Giftigkeit der verwendeten
      Pflanzenschutzmittel reduziert werden. Ein bedeutendes Argument der
      Gentechnikbefürworter ist die Reduzierung der Kosten und Giftigkeit der
      verwendeten Pflanzenschutzmittel, die die Umwelt entlasten und den Mensch
      vor Anreicherung dieser Toxine schützen soll. Die bisher gegen die
      Nematoden eingesetzten toxischen Substanzen zeigen deutlich, wie schwer
      diesen Tieren beizukommen ist. Ob die Gentechnik sie mit milderen Waffen
      zermürben kann, bleibt abzuwarten. Paradox erscheint mir jedenfalls die
      Entwicklung von transgenen, nematodenresistenten Pflanzen, die Lectine
      als Nematicide produzieren (Burrows et al., 1998).
      Obwohl derzeit noch keine Pflanzen mit den obengenannten Resistenzen auf
      dem Markt sind, schreitet die Entwicklung derart dramatisch voran, daß es
      nur noch wenige Jahre dauern kann, bis die Biotechindustrie auch solche
      Kreaturen in die Waagschale wirft. Da der Einfallsreichtum der
      Wissenschaftler geradezu manisch sein kann, die Skrupel der
      Biotechindustrie ganz im Gegensatz zu ihrer Profitsucht unterentwickelt
      sein mögen und die Kompetenz der Genehmigungsbehörden von vielen
      angezweifelt wird, sehe ich den neuen Entwicklungen mit Bangen entgegen.


      Das es auch wunderbare Alternativen zum gentechnischen Pflanzenschutz
      gibt, ist schon seit langem bekannt. Diese Alternativen jetzt aufzuzählen
      und zu kommentieren, würden den Webspace dieses Projekts bei weitem
      sprengen. An dieser Stelle möchte ich deshalb nur auf einige
      bemerkenswerte Artikel verweisen, die in der 1998er Mai Ausgabe von
      Spektrum der Wissenschaft unter der Rubrik "Pflanzenschutz mit
      Organismen" erschienen sind. Ein wirklich beeindruckendes Beispiel möchte
      ich dennoch kurz wiedergeben.
      Schlupfwespen der Gattung Trichogramma zum Beispiel haben eine Vorliebe
      für die Raupen des Maiszünslers und anderer Schadschmetterlinge. Die
      durch den Maiszünsler hervorgerufenen Schäden habe ich bereits bei der
      Beschreibung des Bt-Maises erwähnt. Hier wurde ja von zahlreichen
      Gentechfirmen transgene Mais-Pflanzen geschaffen, die ein Toxingen eines
      Bakteriums synthetisieren und damit resistent gegen den Maiszünsler sind.
      Trichogramma legt nun ihre Eier in die des Falters. Die Larven der
      Schlupfwespen fressen das Ei des Wirtes von innen auf, verpuppen sich in
      der übriggebliebenen Eihülle und schlüpfen dann. Die Schlupfwespen sind
      sehr gut im Maiszünslerkillen, denn wenn man ihr Ausbringen mit der
      Flugzeit des Maiszünslers zeitlich abstimmt, dann kann man damit bis zu
      80% der Schmetterlinge vernichten. Diese Schlupfwespen gibt es bereits im
      Handel zu kaufen, ihr Einsatz, und das ist der Hemmschuh, ist etwa 100 DM
      pro Hektar teuerer als andere Mittel. Beispiele wie dieses sind
      zahlreich. So gibt es unter anderem noch viele Raubkäfer, Raubmilben und
      Raubfliegen, die einen großen Appetit auf Blattläuse, andere Milben und
      Fliegen haben. Das Arsenal der parasitären Pilze, die für einige
      Schadinsekten verhängnisvoll sind, umfaßt mehr als 700 Arten. Es
      existieren also brauchbare Alternativen und statt Millionen von
      Forschungsgeldern in Highgen-Organisationen wie zum Beispiel in das
      Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln zu pumpen (Report to
      the advisory board), sollten statt dessen auch mal Forscher, die der
      Natur einfach nur auf die Finger gucken, ohne gleich alles besser machen
      zu wollen und die im oben genannten Artikel zu Wort kommen, gefördert
      werden.





      transgene Pflanzen II-nogene


      V. Genormte Pflanzen Teil II

      5. Toleranz gegen Kälte, Hitze, Trockenheit, Salz, Vulkanausbrüche,
      Bürgerkriege und Nuklearkatastrophen
      6. Speicherstoffe nach Belieben
      a) Stärke
      b) Fette
      c) Proteine
      d) Reduzierung ungünstiger oder schädlicher Inhaltsstoffe
      e) Bioreaktoren
      7. Veränderung der Fruchtreife, FlavrSavr und anderer Unsinn
      8. Männliche Sterilität
      9. Ertragreichere Sorten - immer mehr
      10. Antibiotikaresistenzgene
      11. Transgenspezifität
      5. Toleranz gegen Kälte, Hitze, Trockenheit, Salz, Vulkanausbrüche,
      Bürgerkriege und Nuklearkatastrophen.

      An der Überschrift merkt man schon, daß hier die Grenze zwischen
      Phantasie und Phantasterei verschwimmt. Lösungen für die Beherrschung
      einiger derartiger Umweltwidrigkeiten, bieten sich aber den
      Pflanzengenetikern durch Abschauen bereits existierender Toleranzen an.
      Andere Möglichkeiten zu entwickeln halte ich für sehr unwahrscheinlich.
      Pflanzen die zum Beispiel extreme Hitze tolerieren, haben für die
      Entwicklung dieser Eigenschaft Millionen von Jahren Zeit gehabt. Jetzt
      sind sie perfekt angepaßt, aber dies war nur möglich durch die
      Entwicklung eines genau abgestimmten Zusammenspiels mehrerer Gene. Will
      man diese Art Toleranzen jetzt auf Kulturpflanzen übertragen, kann man
      das meist nicht nur mit einem Transgen erreichen, sondern man braucht ein
      komplexes Regelwerk an Genen, einschließlich ihrer
      Regulationsmechanismen, die gewährleisten, daß sie sowohl räumlich,
      zeitlich als auch quantitativ abgestimmt an- und abgeschaltet werden. Um
      dieses Regelwerk dann in Pflanzen einzuschleusen, muß man es erst
      analysiert und die Zusammenhänge verstanden haben. De novo und auf die
      Schnelle läßt sich so etwas überhaupt nicht machen. Kaum einer ist so
      naiv, zu glauben, dasjenige innerhalb kurzer Zeit nachzumachen, wofür die
      Natur Millionen von Jahren Entwicklungszeit investiert hat. Eine Ausnahme
      sind vielleicht die KI-Forscher.
      Doch zurück zu den Pflanzen. Selbst wenn es in den kommenden Jahren
      gelingen sollte, daß komplexe Regelwerk verstanden zu haben, dann ist der
      technische Aufwand für die Konstruktion von Transgenen immer noch eine
      große Hürde. Eines Tages wird man auch sie nehmen, da bin ich mir sicher.
      Es ist nur eine Frage der Zeit und der investierten Forschungsgelder.
      Schon jetzt zeichnen sich erste Erfolge ab, manche Pflanzen zum Beispiel
      toleranter gegen Salz, Kälte, Wassermangel, bestimmte Schwermetalle wie
      Cadmium und Quecksilber oder Ozon zu machen (Tarczynski et al., 1993;
      Murata et al., 1992; Pan et al., 1994; Bowler, 1991, Xu et al., 1996,
      Rugh et al., 1996; Roxas et al., 1997). Warum sollte es also nicht auch
      eines Tages Pflanzen geben, die selbst gegen härteste g-Strahlung
      tolerant sind? Und wann entwickelt man den transgenen Menschen der das
      auch alles aushält?



      6. Speicherstoffe nach Belieben
      a) Stärke
      An oberster Stelle der für die menschliche Ernährung wichtigen
      Energiequellen stehen die Kohlenhydrate. Diese werden zum Beispiel von
      Mais, Weizen, Reis und Kartoffeln hauptsächlich in Form von Stärke
      gespeichert. Stärke ist jedoch nicht nur eine Nahrungsquelle für Mensch
      und Tier, sondern auch ein wichtiger Rohstoff für die Industrie. Da
      natürliche Stärke jedoch aus zwei Stoffen, dem Amylopektin und der
      Amylose besteht, ist sie nicht für alle Anwendungen geeignet. So kann man
      zum Beispiel mit Amylose keinen Stärkekleister anrühren. Kartoffelstärke
      setzt sich aus etwa 80% Amylopektin und zu 20% aus Amylose zusammen. Da
      die Trennung der beiden Komponenten aufwendig ist, wäre für die
      Kleisterproduktion eine Kartoffelstärke vorteilhaft, die keine Amylose
      enthält. Mit einem Bedarf der stärkeverarbeitenden Industrie von 50000
      Tonnen pro Jahr an solchen Knollen, ist die Entwicklung derartiger
      transgener Pflanzen auch ein Riesengeschäft. Durch Hemmung des für die
      Amylosesynthese verantwortlichen Gens (gbss) ist es gelungen, die
      Amylose-Synthese völlig lahmzulegen (Visser et al., 1991). Diese
      Inhibierung beruht hier auf der Aktivierung eines Anti-Gens, wodurch die
      Wirkung des eigentlichen Gens auf bisher nicht geklärte Weise aufgehoben
      wird. Es ist nicht notwendig, dies genauer zu erklären und ich verweise
      statt dessen auf die beiden grundlegenden Publikationen (Izant und
      Weintraub, 1984; Zamecnik und Stephenson, 1978). Man kann sich das aber
      wie zwei identische Sinusschwingungen vorstellen, die jeweils um eine
      halbe Periode verschoben und dann addiert werden. Dabei kommt dann auch
      Null raus. Transgene Kartoffeln, die eine veränderte Zusammensetzung der
      Stärke haben, sind bereits für die Marktzulassung in der Europäischen
      Union von den Firmen AVEBE und Amylogen beantragt.



      Bisher waren alle transgenen Pflanzen für die Bedürfnisse der Industrie
      gestaltet. Der Konsument hat von Pflanzen, die gegen irgendwas resistent
      oder tolerant sind, gar nichts und stellt sich zu recht die Frage, wofür
      er das alles eigentlich brauchen kann. Das geht aber auch anders. Mit
      Hilfe der Gentechnik lassen sich ganz bestimmte wertvolle Speicherstoffe
      in Pflanzen anreichern oder die Synthese bestimmter allergien-auslösende
      Substanzen verhindern. Manchmal passiert freilich ein Mißgeschick und
      durch die gentechnischen Veränderungen werden die Pflanzen erst recht
      allergen. Doch dazu später mehr.


      b) Fette
      Zielorganismen für die Fettsäuremanipulation sind hauptsächlich Raps,
      Sonnenblumen und Soja. Angestrebt sind hier Gleichgewichtsverschiebungen
      der Fettsäuresynthese zugunsten bestimmter ernährungsphysiologisch
      wertvoller Fettsäuren, wie zum Beispiel die bei Cholesterinproblemen
      empfohlene g-Linolensäure (GLA), auf Kosten nicht benötigter Fettsäuren
      (Reddy und Thomas, 1996). Aber auch hier gibt es Bemühungen transgene
      Pflanzen zu erzeugen, die lediglich für die Industrie (Pharma, Kosmetik)
      relevante Fettsäuren synthetisieren (Murphy, 1996). Die Methoden mit
      denen diese Gleichgewichte verschoben werden, bedienen sich wieder der
      Anti-Gene. So gelingt zum Beispiel in Raps die Verschiebung des
      Stearinsäureanteils zu ungunsten der Ölsäure, durch Anti-Gen induzierte
      Synthesehemmung eines an der Einstellung des Gleichgewichts beteiligten
      Enzyms (Hamada et al., 1996). Andere Ansätze zielen auf die Haltbarkeit
      der Öle ab. So kann man zum Beispiel durch eine Steigerung des Anteils
      der Ölsäure gegenüber der mehrfach ungesättigten Linolensäure die
      Haltbarkeit von Ölen verlängern. Auch dies geschieht wieder mit
      Anti-Gen-Konstrukten, die bestimmte Enzymsynthesen unterdrücken (Knutzon
      et al., 1992). Warum man dieses oder jenes Fettsäuregleichgewicht in die
      eine oder andere Richtung verschiebt, zu erklären, erscheint mir zu
      langweilig. Die Hintergründe sind kompliziert und vielfältig (Gibson et
      al., 1994). Wer sich dennoch dafür interessiert, dem empfehle ich die
      Lektüre eines kleinen Lehrbuchs der Lebensmittelchemie (Baltes, 1995).
      Sicher ist, daß auch hier rein kommerzielle Interessen die Triebfeder
      dieser Entwicklungen sind. In Europa sind zur Zeit keine Pflanzen mit
      gentechnisch veränderter Zusammensetzung der Fette zugelassen. In Amerika
      ist das allerdings anders. Hier befindet sich zum Beispiel schon Raps der
      Firma Calgene auf dem Markt, bei dem mittels eines Enzyms aus einer
      anderen Pflanze die Fettsäuresynthese verschoben wurde (Knutzon et al.,
      1992).
      c) Proteine
      Proteine bestehen aus Aminosäuren und der menschliche Organismus ist
      nicht in der Lage alle Aminosäuren zu synthetisieren. Man bezeichnet
      solche Aminosäuren deshalb als essentiell. Mit abwechslungsreicher
      Ernährung kann man seinen Bedarf an essentiellen Aminosäuren durchaus
      decken, nur können sich nicht alle Menschen abwechslungsreich ernähren.
      Zu diesem Zweck ist es attraktiv, den Proteingehalt bestimmter
      Pflanzensorten dahingehend zu verändern, so daß durch ihren Verzehr der
      Bedarf an essentiellen Aminosäuren gestillt werden kann und diese
      Pflanzen der dritten Welt zu verkaufen. Das damit alleine die Probleme
      des Hungers und der Unterernährung nicht gelöst werden können ist
      entgegen anderer Verlautbarungen der Gentechnikbefürworter reiner Unsinn.
      Ich werde weiter unten noch mal kurz auf dieses Argument eingehen.
      Strategien, die Pflanzen nach diesen Bedingungen zu verändern, zielen
      entweder auf die Übertragung der Synthesemaschinerie bestimmter
      wertvoller Proteine aus anderen Pflanzen oder auf die Einführung eines
      Synthesemechanismus von völlig künstlichen Proteinen ab, die
      hauptsächlich aus essentiellen Aminosäuren bestehen (Altenbach et al.,
      1992; Tabe et al., 1993). Interessant in diesem Zusammenhang ist das
      erste wirklich total mißlungene Experiment mit transgenen Nutzpflanzen.
      Obwohl das allergene Potential von Paranuß-Proteinen bekannt war (Arshad
      et al., 1991), bastelten ein paar Wissenschaftler transgenen Soja, der
      ein bestimmtes Paranuß-Protein mit seltenen Aminosäuren synthetisiert. In
      Tests löste dieser prompt Allergien aus (Nordlee et al., 1996).
      Paranuß-Allergien können sich in Erbrechen, Durchfall und Bewußtlosigkeit
      äußern (Bartolome et al., 1997). Die potentiellen Auswirkungen dieses
      Transgen-Experiments zeigen deutlich die mit transgenen Nutzpflanzen
      verbundenen Risiken. Hier verlief alles noch glimpflich, da diese
      Sojabohnen nur für Tierfutter bestimmt waren und nie in den Handel
      gelangten. Das war aber nur der schnellen schädlichen Wirkung zu
      verdanken. Es ist durchaus möglich, daß die Auswirkungen von zum Beispiel
      synthetischen Proteinen in unserem Organismus wesentlich subtiler sind
      und erst eine langfristige Akkumulation benötigen, bevor die
      verhängnisvollen Folgen sichtbar zu Tage treten. Da fallen mir die sehr
      gefährlichen infektiösen Proteine ein, Prione genannt, die allem Anschein
      nach für die Ausbildung neurodegenerativer Erkrankungen wie
      Creutzfeld-Jakob oder Kuru verantwortlich sind (Chesebro, 1998).
      Zugegeben, das Beispiel ist ziemlich weit hergeholt und plakativ, doch
      der Zweck ist, eindringlich davor zu warnen, mit Dingen zu hantieren,
      deren Folgen wir nicht absehen können. Wenn man schon unbedingt mit
      Proteinen in Lebensmitteln herumspielen muß, dann sollte man sich
      wenigstens auf die schon bekannten und harmlosen beschränken und die
      Finger davon lassen, sich selbst welche auszudenken.
      Zur Zeit sind noch keine Pflanzen mit veränderter Zusammensetzung der
      Proteine für ein Inverkehrbringen zugelassen.
      d) Reduzierung ungünstiger oder schädlicher Inhaltsstoffe
      Die Nährstoffe von manchen Pflanzen sind für uns nicht zugänglich, da sie
      von Allergenen oder Toxinen begleitet werden. Wünschenswert wäre also
      eine Eliminierung des allergenen oder toxischen Potentials. Mit
      klassischen Züchtungsmethoden ist dies zum Beispiel schon bei der
      Züchtung der von bitteren Alkaloiden befreiten Süß-Lupine gelungen. Mit
      Hilfe der Gentechnik ließe sich das auch bei anderen Pflanzen aber
      wesentlich effektiver und schneller durchführen. Derartige Bestrebungen
      sind bereits im Gange. Bei Reis wurde zum Beispiel ein Teil des
      allergenen Potentials mit Hilfe der Anti-Gen-Methode reduziert (Nakamura
      und Matsuda, 1996; Tada et al., 1996). Damit ist der Sake-Kater nicht
      mehr so furchtbar.
      e) Bioreaktoren
      Theoretisch ließen sich Pflanzen auch zur Synthese von fremden
      (unpflanzlichen) Produkten benutzen, also ähnlich wie es bei Bakterien
      schon zum Beispiel seit Jahren mit Insulin gemacht wird, als
      Bioreaktoren. Hier laufen zum Beispiel Anstrengungen zur Synthese von
      Antikörpern für medizinische Zwecke (Conrad und Fiedler, 1998). Allzu
      leichtfertig erscheint es mir hier auch, sich auf die Universalität des
      genetischen Codes blind zu verlassen. Erstens ist der gar nicht so
      universell und zweitens gibt es auch Fälle, bei denen die Information der
      DNA von Bestandteilen der Zellmaschinerie umkodiert wird (Santos und
      Tuite, 1995; Gesteland, et al., 1992; Gesteland und Atkins, 1995).
      Da Fremd-Proteine aus transgenen Nutzpflanzen Allergien auslösen können
      und diese Fremd-Proteine kochbeständig sein können sind (Lehrer et al.,
      1996), muß bei solchen Pflanzen streng darauf geachtet werden, daß diese
      weder auf unseren Tellern landen, noch sich mit Artgenossen kreuzen und
      damit ihre Eigenschaften auf die Wildpflanzen und diese wieder zurück auf
      nicht gentechnisch veränderte Kulturpflanzen übertragen. Diese Maßnahmen
      sind sehr anfällig für Schlamperei, weshalb ich stark befürchte, daß hier
      Sorglosigkeit und vielleicht auch Unwissenheit zu großen Problemen führen
      werden.

      7. Veränderung der Fruchtreife, FlavrSavr und anderer Unsinn
      Je reifer die meisten Früchte werden, desto matschiger und damit
      anfälliger bei Transport oder Überlagerung werden sie. Aus einleuchtenden
      Gründen haben die Erzeuger kein Interesse daran, Verluste an Früchten
      durch Transportschädigung oder Lagerung hinzunehmen und großes Interesse
      daran, ihre Früchte vollreif und makellos dem Kunden zu präsentieren. Wer
      kauft zum Beispiel schon matschige Tomaten, auf denen dann auch noch die
      Fliegen sitzen? Zugrunde liegt dem Reifungsprozeß unter anderem ein
      Vorgang, bei dem ein Enzym namens Polygalacturonase (PG) den
      Zellwandabbau unterstützt. Will man also den Reifungsvorgang von diesen
      unbequemen Begleitvorgängen entkoppeln, böte sich hier ein Schalter zum
      drücken. Gelungen ist dies ein paar verwegenen Forschern im Falle der
      Tomaten schon 1988 (Smith et al., 1988) und zwar mit der schon bei den
      transgenen Kartoffeln beschriebenen Methode des Anti-Gens. Es hat nicht
      lange gedauert und diese Tomaten gelangten auf den Markt unter dem
      tiefsinnigen Markennamen FlavrSavr. Mittlerweile sind auch andere
      Methoden der Reifungsveränderung entwickelt worden, die zum Beispiel in
      die biochemische Synthese eines Reifungshormons eingreifen (Klee et al.,
      1991, Oeller et al., 1991). Die Hintergründe dieser Mechanismen jetzt
      hier zu erklären wäre zu langweilig, und stattdessen möchte ich auf einen
      Übersichtsartikel hinweisen (Fray und Grierson, 1993). Der Konsument hat
      von dieser veränderten Fruchtreife jedenfalls mal wieder gar nichts. Ob
      die Tomaten besser oder schlechter schmecken, weiß ich auch nicht, da ich
      mittlerweile aus agrarrevolutionären Gründen verlernt habe wie Tomaten
      überhaupt schmecken sollen. Ich empfehle den Selbstanbau auf dem Balkon.



      8. Männliche Sterilität

      Ein genetisches Phänomen, welches unter dem wissenschaftlichen Namen
      Heterosis bekannt ist, bewirkt, daß Kreuzungsvorgänge zwischen bestimmten
      Inzuchtlinien oder Sorten in der ersten Nachwuchsgeneration (Hybride) zu
      einer erheblichen Ertragssteigerung führen können. Diese
      Inzucht-Heterosis-Züchtung wird in großem Umfange bei Mais, Zuckerrübe,
      Sonnenblume und anderen Kulturpflanzen betrieben. Das Problem hierbei
      ist, daß der Heterosiseffekt nicht fixierbar ist. Das heißt die
      Nachkommen der Nachkommen liefern wieder normale Erträge und für neue
      Heterosis muß man erst wieder umständlich Hybridsaatgut durch Inzucht
      gewinnen. Entscheidend für diese Gewinnung ist dabei eine Verhinderung
      der Selbstbefruchtung und diese läßt sich durch männliche Sterilität
      erreichen. Das geschah bisher entweder durch die Verwendung von Mutanten,
      die männlich steril waren oder durch die Entfernung der männlichen
      Blütenstände wie es beim Mais erfolgte. Eleganter lösen läßt sich dieses
      Problem aber mit Hilfe der Gentechnik. Durch die Einführung eines
      bakteriellen Totmachergens (barnase) unter einem pollenspezifischen
      Promoter in Maispflanzen, gelang es den Pollen zu eliminieren (Mariani et
      al., 1990). Diese Transgene können dann mit Pollen der anderen
      Inzuchtlinie bestäubt werden und entwickeln so das Hybridsaatgut.
      Gewitzter Weise entwickelten dieselben Leute auch wieder eine transgene
      Maispflanze (barstar), mit der die Wirkung des Totmachergens wieder
      gehemmt werden kann. Das bedeutet, daß nach Rückkreuzung des
      barnase-Maise mit der barstar-Linie die männliche Sterilität wieder
      aufgehoben ist, was für weitere Züchtungen notwendig ist (Mariani et al.,
      1992).

      Hier hat man ein gutes Beispiel vor Augen, was alles möglich ist, wenn
      man Leute Gentechnik machen läßt, die ihr Handwerk verstehen und das ist
      es, was mir Angst macht. Nicht die zahllosen planlosen Herumbastler in
      den zahllosen planlosen Universitätsinstituten mit ihren platten
      Anti-Gen-Methoden sind die Protagonisten der Gentechnik, nein kluge Köpfe
      wie die oben genannten Wissenschaftler sind es, die der Gentechnik die
      Impulse verpassen und mit einer Geschwindigkeit in Richtungen treiben,
      die in keiner Weise vorhersehbar sind. Einige Nutzpflanzen wurden bereits
      mit dem barnase/barstar-System ausgestattet und befinden sich auf dem
      Markt.



      9. Ertragreichere Sorten - immer mehr

      Es gibt tatsächlich Pflanzengenetiker, die sich damit beschäftigen,
      Pflanzen zu entwickeln, die mehr von den für uns relevanten Strukturen
      -also zum Beispiel mehr Früchte oder Körner- ausbilden und damit
      ertragreicher sind (Meyerowitz, 1995). Auf den ersten Blick mag dieser
      Ansatz ja ganz vernünftig sein, aber die Logik, die dahintersteckt ist
      beim zweiten Blick geradezu atemberaubend. Die neue, ertragreichere
      Pflanze würde ja über das gleiche Photosynthesesystem wir ihr
      wildtypisches Pendant verfügen, könnte also keine höhere
      Photosyntheseleistung und somit keine höhere Nettoassimilation erbringen.
      Das bedeutet, daß alles was nun in die Ausbildung von mehr Früchten
      gesteckt wird, woanders abgezogen werden muß. Das geht natürlich auf
      Kosten anderer Pflanzenteile. Das Dilemma besteht heute schon, denn die
      modernen Hochleistungssorten unserer Kulturpflanzen produzieren nicht
      mehr organische Substanz, sie verteilen nur anders und das zu Lasten
      eines komplexen Wurzelsystems und kräftiger Halme, was sie anfällig gegen
      Unwetter und Schädlinge macht. Wenn der Pflanzengenetiker erst mal diese
      ökologischen Zusammenhänge verstanden hat, kommt er vielleicht auf die
      Idee, sein Heil in der Optimierung des Photosynthesesystems zu suchen, um
      dann später festzustellen, daß er den Mehrertrag nur mit mehr Dünger
      aufrecht erhalten kann, was mehr kostet und damit die ganzen
      Optimierungsversuche ad absurdum führt. Eine Ausbildung der mehr für uns
      relevanten Strukturen ist also Unsinn. Anzumerken ist hier noch, daß die
      Fürsprecher der Gentechnik gerade die neuen Hochleistungssorten als
      Welternährer für die ständig wachsende Weltbevölkerung propagieren
      (Gassen, 1995; Wenzel, 1997; Müller-Röber und Riesmeier, 1997). Dieses
      Argument ist so wenig stichhaltig, daß ich nur bedingt Lust habe
      überhaupt darauf einzugehen. Deshalb nur ein paar Pseudo-Fragen: Was hat
      die Etablierung der neuen Hochleistungssorten Mitte der Fünfziger Jahre
      der 3.Welt gebracht? Was soll also die Etablierung neuer
      Hochleistungssorten für die Armen bringen ohne Einstellung des
      Bevölkerungswachstums? Die Ernährungsprobleme der Menschheit werden sich
      jedenfalls nicht mit der grünen Gentechnik lösen lassen. Klaus Hahlbrock
      vom Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln fordert sinngemäß,
      daß Gentechnik nur dann zur Züchtung von Nahrungspflanzen angewendet
      werden sollte, wenn auf diese Weise der Schutz unseres Lebensraumes, die
      Ernährung der Weltbevölkerung oder beides erreicht werden kann
      (Hahlbrock, 1993). Recht so, Herr Hahlbrock! Die bemerkenswerteste
      Eigenschaft der mommentan betriebenen grünen Gentechnik ist also ihre
      Überflüssigkeit.
      10. Antibiotikaresistenzgene
      Gerade einer der größten Kritikpunkte der Gentechnikgegner, nämlich die
      Verwendung von Antibiotikaresistenzgenen bei der Herstellung transgener
      Nutzpflanzen bereitet mir am wenigsten Kopfzerbrechen. Doch zunächst
      möchte ich erklären, warum man überhaupt Antibiotikaresistenzgene
      benutzt, wenn man doch die Pflanzen gegen Insekten oder Viren resistent
      machen möchte. Daß Antibiotikaresistenzgene in der Generierung von
      transgenen Pflanzen verwendet werden, habe ich bereits im entsprechenden
      Kapitel angedeutet. Wenn man Fremd-DNA in eine pflanzliche Zelle
      transformiert, dann muß man in der Lage sein, alle anderen Zellen, bei
      denen die Transformation nicht geklappt hat zu diskriminieren. Dazu
      benutzt man Markergene. Diese Markergene werden an die Fremd-DNA
      gekoppelt und bei der Transformation in die Pflanze miteingeschleust. Nun
      hat man mit dem Markergen einen Indikator, mit dem man die erfolgreiche
      Integration der Fremd-DNA in der Zelle nachweisen kann. Da man bei
      solchen Experimenten sehr viele Zellen transformiert und nur sehr wenige
      erfolgreich (eine von 1000) bietet sich als Markergen ein
      Antibiotikaresistenzgen an. Mit seiner Aktivität kann man die erfolgreich
      transformierten Pflanzenzellen auf antibiotikumhaltigem Medium
      weiterzüchten, alle anderen sterben. Viele Gentechnikgegner befürchten
      nun eine ungehemmte Ausbreitung dieser Antibiotikaresistenzgene. So wäre
      es zum Beispiel denkbar, daß mit der Nahrung aufgenommene Resistenzgene
      in unsere Darmbakterien gelangen und diese dann gleichsam immun gegen
      Antibiotika machen, oder diese Gene dann ihrerseits auf gefährliche
      Bakterien übertragen, die sich dann nicht mehr mit Antibiotika bekämpfen
      lassen. Das sind keine Phantasieszenarien sondern reale Möglichkeiten.
      Ich habe bereits erwähnt, daß der horizontale Gentransfer -Austausch von
      Genen über Artgrenzen hinweg- innerhalb von Bakterienarten überhaupt kein
      Problem ist. Horizontaler Gentransfer von Pflanzen auf Bakterien und
      umgekehrt geht auch, ja er funktioniert sogar von Bakterien auf
      menschliche Zellen (Grillot-Courvalin, et al., 1998). Was uns letzteres
      noch bescheren wird, bleibt abzuwarten. Ein bisher wenig beachteter
      Aspekt ist die Möglichkeit der Ausbreitung mittels Viren. Es gibt Viren
      die verschiedene Bakterienarten infizieren und manchmal nehmen sie dabei
      ein Stückchen DNA mit und können dieses somit weit verbreiten (Miller,
      1998). Nun, man steitet sich hier kräftig über Zahlen, wie wahrscheinlich
      solche Ausbreitungen sind, was einem aber nicht viel weiter hilft. Es ist
      möglich, und das reicht. Im übrigen konnte ich in Internetdatenbanken wie
      der Medline keine Publikationen finden, die Aufschluß darüber geben,
      welche horizontalen Gen-Übertragungsraten in der menschlichen Darmflora
      herrschen. Solange dies noch unerforscht ist, sollte man diesbezüglich
      mit dem schlimmsten rechnen. Die Befürworter der Gentechnik halten
      entgegen, daß die für transgene Nutzpflanzen verwendeten
      Antibiotikaresistenzgene in Bakterien nicht funktionieren würden und auch
      in der Humanmedizin keine Rolle spielen. Das Versagen der Funktion eines
      aus einer transgenen Nutzpflanze stammenden Antibiotikumresistenzgens in
      einer bakteriellen Umgebung stimmt bis zu einem gewissen Grad. Die für
      die Aktivität in der Pflanze verwendeten Anlasser (Promoteren)
      funktionieren in den Bakterien nicht. Erstmal. Aber, und das macht die
      Sache bedenklich, haben Bakterien immense Teilungs- und hohe
      Mutationsraten. Ich halte es daher für sehr wahrscheinlich, daß Bakterien
      innerhalb von ein paar hundert Generationen -manche verdoppeln sich unter
      Idealbedingungen alle halbe Stunde- durchaus in der Lage sein können, daß
      Antibiotikumresistenzgen zu aktivieren, erst recht, wenn durch die
      Anwesenheit des Antibiotikums zum Beispiel durch Pilze ein
      Selektionsdruck auferlegt wird.

      Und wie sieht es mit der Humanmedizin aus? Bei der Herstellung
      transgener Pflanzen werden hauptsächlich die Resistenzgene nptII
      (Neomycinphosphotransferase) und bla (beta-Lactamase), verwendet. Sie
      machen die Pflanze resistent gegen die Antibiotika Neomycin, Kanamycin
      und Ampicillin. Diese spielen in der Humanmedizin tatsächlich kaum eine
      Rolle, da sie zum Beispiel Nierenschäden verursachen können. Es ist klar,
      daß mit dem Konsum dieser Pflanzen nicht nur die
      Antibiotikaresistenzgene, sondern auch deren Produkte aufgenommen werden.
      In Tierversuchen haben sich diese allerdings als nicht schädlich
      herausgestellt, trotz Einsatzes enormer Mengen. Diesbezüglich besteht
      also anscheinend nur die Gefahr einer Allergieentwicklung. Auch hier wird
      wieder kontrovers herumdiskutiert und zu keinem Ergebnis gefunden. Ich
      möchte stattdessen auf das Beispiel des mit dem Paranuß-Protein
      gentechnisch veränderten Soja hinweisen. Wie hoch nun tatsächlich das
      Risiko einer Ausbreitung von Antibiotikaresistenzgenen ist, weiß keiner.
      Greenpeace warnt, das Robert-Koch-Institut entwarnt und der Rest zerreibt
      sich in völliger Konfusion. Ich werde diesen Spekulationen keine mehr
      hinzufügen.

      Die Verwendung von Antibiotikaresistenzgenen wird nicht mehr lange ein
      Thema sein, denn im Gegensatz zu Behauptungen der Gentechniklobby, die
      Verwendung dieser Antibiotikaresistenzgene sei harmlos, entwickelt sie
      trotzdem Verfahren um diese zu umgehen. So werden in Zukunft zum Beispiel
      Rekombinationssysteme benutzt werden, die eine nachträgliche Entfernung
      der Markergene erlauben (Dale und Ow, 1991; Bar et al., 1993). Weiterhin
      besteht auch die Möglichkeit, Marker in springende Gene einzubauen und
      sie dann vor dem kommerziellen Anbau wieder aus den Pflanzen rausspringen
      zu lassen. Ich habe diese Technik bereits bei der Erzeugung transgener
      Fliegen erwähnt.
      Das weitaus gefährlichere Potential für die Züchtung resistenter
      Bakterienstämme sehe ich daher eher wie schon gesagt im übermäßigen
      Verschreiben von Antibiotika durch mangelhaft ausgebildete Mediziner, die
      einen Schnupfen mit Breitspektrumantibiotika ausrotten wollen.



      11. Transgenspezifität

      Zum Schuß dieses Kapitels noch ein paar Worte zum Thema Spezifität der
      Transgenaktivität.
      Die Spezifität der Fremdgenaktivität in transgenen Pflanzen ist ein nicht
      unerhebliches Problem. Was nützt einem zum Beispiel schon die Aktivität
      eines Toxingens gegen einen maisfressenden Schmetterling in den Wurzeln
      des gentechnisch veränderten Mais? Gar nichts, die ist dort total
      überflüssig, weil die Maiszünslerraupen ja nicht die Wurzeln auffressen.
      Das mag ja in diesem Beispiel zwar unsinnig aber harmlos sein. Was ist
      mit dem Totmachergen, daß man zur Herstellung männlich steriler Pflanzen
      benutzt? Hier würde eine Aktivität, die sich auf die ganze Pflanze
      erstreckt, auch die gesamte Pflanze totmachen. Man muß also die Aktivität
      auf das Gewebe beschränken, das den Pollen produziert, oder nach Schilda
      auswandern. Wäre es nicht auch interessant, ein Transgen nur zu ganz
      bestimmten Zeiten anzuschalten. Beim Mais das Toxingen zum Beispiel nur
      in der Jahreszeit, wenn der Maiszünsler gerade besonders gefräßig ist.
      Und da wäre es doch ganz besonders toll, wenn man gleichsam die Hand am
      Schalter hätte und ganz kurzfristig das Gen auf bestimmte
      Umweltbedingungen hin anschalten könnte. Etwas überspitzt: Bei einem
      fiktiven Heuschreckenkillergen zum Beispiel genau dann, wenn man am
      Horizont die dunkle Wolke des Heuschreckenschwarms heraufziehen sieht und
      genau weiß, daß sie in ein paar Tagen da sein werden. Nun, das ist alles
      keine Science Fiction. Die Lösung ist die gewebespezifische Steuerung der
      Transgene unter Kontrolle eines gewebespezifischen Promoters. Promotoren
      sind Genanschalter und es gibt ihrer so viele verschiedene, daß man mit
      Hilfe dieser Auswahl sich fast jeden Wunsch bezüglich Spezifität der
      Genaktivität erfüllen kann. Im Beispiel des Mais ist der Promoter ein
      Teil eines Virus, der 35S-Promoter. Dieser ist immer und überall aktiv
      und wird deshalb gerne verwendet. Zur Zeit sind etwa 80% aller transgenen
      Pflanzen mit diesem Promoter ausgestattet. Statt dessen kann man auch
      Promotoren nehmen, die nur in Blättern, Wurzeln, Blüten oder Samen aktiv
      sind, wie es ja mit dem Pollenkillergen bei der Herstellung von
      Hybridsaatgut gemacht wird. An der zeitlichen Spezifität wird derzeit
      noch rumgeforscht, aber man hat schon jetzt Promoteren gefunden, die nur
      bei bestimmten Bedingungen aktiv werden, bei Trockenheit oder in
      Abhängigkeit des Tag-und-Nacht-Rhythmus (Edwards und Coruzzi., 1990). Mit
      menschlichen Zellen hab ich das sogar selbst mal gemacht. Hier stellt man
      das Transgen unter die Kontrolle eines hormoninduzierbaren Promoters. Das
      Transgen ist immer abgeschaltet und erst wenn man das entsprechende
      Hormon auf die Zellen kübelt, wird es aktiv (No et al., 1996). Da fällt
      mir noch ein, daß man das auch so ähnlich mit Fliegen machen kann. Hier
      stellt man das Transgen unter die Kontrolle eines sogenannten
      Hitzeschockpromoters. Um das Transgen dann einzuschalten, stellt man Sie
      kurzfristig in die Sauna, verabreicht sozusagen einen Hitzeschock. Nun,
      was mit Menschenzellen geht, sollte auch mit Pflanzen gehen und warum
      soll man nicht auch noch das ein oder andere Feld mit synthetischen
      Hormonen besprühen oder die transgenen Konstrukte von hitzetoleranten
      Pflanzen unter die Kontrolle von Hitzeschockpromoteren stellen, die dann
      zur Mittagszeit Gene aktivieren, die die Blätter aus der Sonne drehen?
      Und was ist wenn man Kartoffeln haben will, die statt Amylopektin
      hauptsächlich Amylose machen sollen, das dafür verantwortliche Anti-Gen
      zwar im Zellplasma aktiv ist, die Synthese von Amylose und Amylopektin
      aber in den Chloroplasten stattfindet? Auch für diese Probleme hat die
      Wissenschaft eine Lösung gefunden. Da hängt man einfach an das Transgen
      ein Signal dran, das bewirkt, daß das Genprodukt während oder kurz nach
      seiner Synthese an den Ort transportiert wird, wo man es haben will. Das
      ist wie ein Gepäckanhänger, den die Pflanzenzelle erkennt und an den
      richtigen Ort dirigiert. Es gibt heute für alle wichtigen Kompartimente
      in der Pflanze diese Signal-Elemente, die das Produkt eines Transgens an
      jeden gewünschten Ort transportieren.

      Es wird also möglich sein, innerhalb einer Pflanze ein x-beliebiges
      Transgen an einem x-beliebigen Ort, zu einer x-beliebigen Zeit seine
      Wirkung entfalten zu lassen. Und mit diesen Möglichkeiten ist das
      Potential der Gentechnik bei weitem noch nicht ausgeschöpft.

      novelfood-nogene



      VI. Novel Food

      Die Nahrung, die man aus transgenen Organismen gewinnt, bezeichnet man
      als novel food. Diese Bezeichnung behalte ich im folgenden bei, denn die
      gerne verwendeten Begriffe wie "Genfraß" klingen zu rassistisch und
      "Gen-Nahrung" hat den gleichen Informationsgehalt wie
      "Elektronik-Computer" oder noch dämlicher wie "Sonne-Sonnensystem".
      Die meist gestellten Fragen über novel food sind: "Macht das krank?",
      "Kann ich mich da anstecken?" oder "Mutier ich da?". Wer jetzt lacht, dem
      wird es gleich wieder vergehen, wenn er nur weiter liest.

      In Europa begann das Dilemma im Februar 1996, als die britischen
      Supermarktketten Sainsbury und Safeway ihre Tomatenpürees aus
      gentechnisch veränderten Tomaten auf den Markt schoben. Verlangt hatte
      das keiner, gebraucht auch nicht und trotzdem war das nur der Anfang. Der
      FlavrSavr-Tomate folgte der Bt-Mais und dem die RoundupReady-Sojabohne.
      Wenn die novel food Industrie recht behält, dann darf man in den
      kommenden Jahren einen Umsatz von mehreren Milliarden Dollarn erwarten.
      Da werden dann nicht nur FlavrSavr-Tomaten angeboten, sondern in den
      Regalen werden auch aus schmutziger Phantasie geborene ThickrBigr-Bananen
      oder DümmrBlödr-Lychees auftauchen.

      Schon seit langem verwendet man biotechnologische Verfahren zu
      Herstellung von Lebensmittelzusatzstoffen oder Lebensmitteln. Ich möchte
      jetzt aber nicht mit den bierbrauenden Germanen oder erbsenzählenden
      Augustinermönchen und derlei daherkommen. Derartig einlullende Beispiele
      bringen immer die Befürworter, um uns die Furcht vor der Biotechnologie
      auszureden (Grüne Gentechnik, 1997). Mit moderner Biotechnologie haben
      diese Verfahren nämlich soviel zu tun wie ein Pappflieger mit dem Stealth
      Bomber. Ich werde mich also statt in Historie zu üben, mit den wirklich
      brisanten Dingen beschäftigen. Dazu gehören aber zum großen Teil nicht
      die gentechnisch veränderten Organismen, die zur Herstellung von
      Lebensmittelbestandteilen eingesetzt werden. Diese befinden sich meist in
      irgendwelchen Gärkesseln und werden nicht in der Umwelt verteilt
      -behaupten zumindest die Leute, die diese Kessel überwachen. Desweiteren
      erfolgt hier bis auf wenige Ausnahmen eine strikte Trennung von
      gentechnisch verändertem Organismus und dem hervorgebrachten Produkt. Das
      bedeutet ersteres landet in der Regel auch nicht auf unserem Teller. Ein
      Narr indes wäre, wer nicht die vielen Vorteile und Nutzen dieser Art
      Produktion erkannte. So vermeidet man beispielsweise durch gentechnisch
      hergestelltes Chymosin, ein für die Käseherstellung benötigtes Ferment,
      das Schlachten noch junger säugender Kälber, aus denen dieses Enzym sonst
      gewonnen wird. Hier muß man nur im Hinterkopf behalten, daß durch die
      Übertragung von Enzymaktivitäten, die bisher in bestimmten Organismen
      keine Rolle spielten, zur Synthese oder Akkumulation unbekannter oder dem
      gewünschten Produkt sehr ähnlicher aber giftiger Substanzen führen
      können. Aber wirklich riskant sind ganz andere Dinge. Um bei den
      gentechnisch veränderten Mikroorganismen zunächst zu bleiben. Viele
      Bakterien- und Hefearten werden als sogenannte Starterkulturen bei der
      Herstellung bestimmter Lebensmittel eingesetzt. Ihre Aufgabe besteht
      hauptsächlich darin, die Herstellung dieser Lebensmittel billiger und
      schneller zu machen, ihren Nährwert zu steigern und bestimmte
      Eigenschaften wie zum Beispiel Geschmack auszubilden. Diese Eigenschaften
      zu optimieren ist einerseits durch klassische Züchtungsgenetik aber
      natürlich viel schneller und weit variantenreicher durch gentechnische
      Methoden möglich. In vielen Fällen würden die transgenen Organismen
      allerdings als lebendige Kreaturen in den fertigen Lebensmitteln
      vorliegen. Dies ist zum Beispiel bei der Herstellung von Sauerteigbroten,
      Milchprodukten, Rohwürsten und Sauerkraut der Fall. Mit dem Verzehr
      dieser Lebensmittel würden die gentechnisch veränderten Organismen damit
      in unseren gelangen. Die Frage ist nun: Macht das was? Im Gegensatz zu
      den Beschwichtigungs-Antworten der Transgenlobby oder gar in Genetik nur
      unzureichend ausgebildeten Lebensmittelchemikern, glaube ich, daß man
      nicht vorhersagen kann, was oder ob was passieren wird. Bei der
      Besprechung der transgenen Nutzpflanzen habe ich bereits ausführlich die
      Möglichkeiten des horizontanlen Gentransfers erläutert. Bei solchen
      Übertragungen könnten bisher als unbedenklich eingestufte Mikroorganismen
      neue Qualitäten gewinnen, unseren Darm besiedeln und das dort herrschende
      Gleichgewicht gehörig durcheinanderbringen. Die Mikrowelt in unserem Darm
      hat sich während der Menschwerdung evolutionär als stabiles System zu
      beiderseitigem Nutzen etabliert, geringfügige Störungen dieses
      Gleichgewichts haben üble Folgen. Jeder der an seinem ersten Urlaubstag
      mal Ayran oder ähnliches getrunken hat, weiß wovon ich rede. Richtig
      schlimm wird es dann, wenn diese Mikroorganismen auch noch
      antibiotikaresistent sind.
      Ebenfalls erwähnt habe ich bereits, daß sogar ein Gentransfer von
      Bakterien auf unsere Zellen möglich ist. Dieser Übertragungsmechanismus
      könnte dazu führen -wenn auch sicherlich mit geringer Wahrscheinlichkeit-
      daß unsere Darmzellen nun Phosphinotricin-N-Acetyltransferase oder
      ähnliches Zeug produzieren, was sie eigentlich gar nicht sollten. Die
      Stoffwechselwege und Signaltransduktionsmechanismen im Inneren unserer
      Zellen sind dermaßen kompliziert, verschlungen, vernetzt und zum
      allergrößten Teil noch derart unverstanden, daß Auswirkungen von Null bis
      zum Supergau (Krebs) denkbar sind. Die einzige Möglichkeit das Problem zu
      lösen, besteht einfach darin, die Finger davon zu lassen, damit man erst
      gar nicht ein Problem schafft, das man hinterher lösen müßte.
      Das durch transgene Nutzpflanzen Allergien induziert werden können, zeigt
      der Soja-Paranußfall, daß manche auch mehr Schaden anrichten können,
      zeigt der Lectin-Karoffelfall. Die Auslöser von Lebensmittelallergien
      konzentrieren sich im pflanzlichen Bereich bisher hauptsächlich auf Nüsse
      und Hülsenfrüchte. Wenn man jetzt hier anfängt rumzumischen und zum
      Beispiel Erbsengene auf Mais überträgt, dann besteht das Risiko der
      Mitübertragung des allergenen Potentials. Für die Allergiker bedeutet
      das, daß sie in Zukunft auch darauf achten werden müssen, welche
      Inhaltsstoffe in einem bisher unbedenklichen Produkt enthalten sind. Das
      bedeutet wieder genaue Angaben des Herstellers nicht nur dessen, was drin
      ist, sondern ob es gentechnisch verändert wurde. Nun, es gibt ja eine
      Kennzeichnungspflicht, aber die bietet Platz genug für
      Unterlassungssünden. So muß zum Beispiel der gentechnisch veränderte
      Bestandteil nachweisbar sein. Zusatzstoffe von gentechnisch veränderten
      Lebensmitteln in stark verarbeiteten Produkten zu detektieren ist gar
      nicht so trivial, was zusätzlich Raum für Verschleierung verschafft. Ich
      habe zum Beispiel mal versucht, gentechnisch veränderten Soja in einem
      prozessierten und gebratenen Lebensmittel nachzuweisen und hatte damit
      erhebliche Schwierigkeiten. Da ich zu diesem Zeitpunkt bereits vier Jahre
      mit verschiedenen DNA-Analyse Methoden gearbeitet hatte, glaube ich
      nicht, das diese Schwierigkeiten auf Mangel an Erfahrung beruhten. Und
      außerdem, wer soll das alles denn kontrollieren, wenn die Maßnahmen dafür
      so aufwendig und vor allem fehleranfällig sind? Die Handvoll privater
      Labors? Deren Testergebnissen würde ich bei der Fehleranfälligkeit der
      bisher einzig möglichen Methode nicht einen Finger breit über den Weg
      trauen. Auch die bisher vom Bundesinstitut für gesundheitlichen
      Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BGVV) herausgegebenen Methoden
      zur Detektion von gentechnisch veränderten Produkten sind viel zu
      umständlich und dadurch fehleranfällig (Zagon et al., 1998). Wer hier
      wenigstens das Gröbste vermeiden will, dem empfehle ich den regelmäßigen
      Besuch einiger Internetseiten von Greenpeace. Hier finden sich zum
      Beispiel sogenannte "schwarze Listen", denen die Lebensmittelhersteller
      zu entnehmen sind, die bewußt gentechnisch veränderte Produkte einsetzen.
      Es gibt auch Listen, auf denen sich die Hersteller bereit erklärt haben,
      auf novel food zu verzichten und Listen von Herstellern, die sich vor
      einem eindeutigen Bekenntnis drücken (Link siehe Surfwut). Wer wissen
      will, wo eindeutig gentechnisch veränderte Produkte enhalten sind, findet
      unter der angegebenen Adresse ebenfalls eine Aufstellung. Ich jedenfalls
      verzichte auf Produkte mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln.

      Wenn man jetzt auch noch mit der Gentechnik Stoffe in Pflanzen trägt, die
      bis dato darin überhaupt nicht vorgekommen sind, können also bisher
      gefahrlose Produkte allergen werden. Das Risiko erhöht sich durch die
      Übertragung von Enzymen, die in den transgenen Pflanzen eine Vielzahl an
      neuen Umsetzungsprodukten entstehen lassen können. Die bisher
      angemeldeten gentechnisch veränderten Lebensmittelbestandteile finden
      sich ebenfalls auf der Homepage des BGVV. Es bleibt natürlich jedem
      selbst überlassen, das Zeug zu essen. Eine Notwendigkeit dafür gibt es
      jedenfalls nicht und wird es auch nie geben. Selbst wenn es den
      Gentechniker gelingen sollte, den Geschmack von novel food zu verbessern
      oder wie ich es einmal in einem Lustigen Taschenbuch gelesen habe, eine
      Vierfruchtbanane -eine Banane die nach vier Früchten schmeckt- zu
      kreieren, halte ich solche Manipulationen für ziemlich zweckfrei. Es gibt
      wirklich genügend Lebensmittel in reichhaltiger Auswahl, die eine gesunde
      und ausgewogene Ernährung erlauben. Diesen Bestand auch noch mit novel
      food anzureichern, ist überflüssig wie ein Kropf und wird uns nur auf
      anderen schon angesprochenen Sektoren massive Probleme bereiten. Ganz zu
      schweigen von den schon angesprochenen großen Fischen. Wer so etwas noch
      mit gesundem Appetit Essen kann, ist entweder furchtbar hungrig oder
      pervers.
      Und gentechnisch hergestelltes Bier, transgener Wein? Prost!


      gentherapie-nogene


      VII. Gentherapie, Genkosmetik, Genrassismus und Geld

      Im Gegensatz zu allen euphorischen Prognosen der Mediziner ist die
      Gentherapie bisher nicht wesentlich über Entwicklungsstadien
      hinausgekommen (Anderson, 1998). Um den bisherigen Phantasmagorien keine
      neuen hinzuzufügen, wird dieses Thema im folgenden sehr knapp behandelt.
      Da Gentherapie auch ein Bestandteil der Gentechnik ist, lege ich deshalb
      größeren Wert auf die Hintergründe, die ich am Beispiel der Erbkrankheit
      Mucoviszidose erklären möchte. Bei Patienten mit Mucoviszidose ist ein
      Gen defekt, daß für die Synthese eines Ionenkanals verantwortlich ist
      (Kerem et al., 1989). Dieser Defekt äußert sich dadurch, daß der
      normalerweise von Lungenepithelzellen produzierte dünnflüssige Schleim in
      den Betroffenen zäh und dick ist, in der Lunge die Bronchien und ihre
      feinen Verästelungen, die Bronchiolen verstopft und die feinen
      Transporthärchen, die normalerweise in die Atemwege eingedrungene
      Partikel wieder hinausbefördern würden, verklebt. Dies verursacht Atemnot
      und da die Bakterien in den Atemwegen verbleiben ein erhöhtes
      Infektionsrisiko. Durch diese immer wieder auftretenden Infektionen,
      werden die Bronchien schließlich zerstört und die Betroffenen sterben an
      Lungenversagen. In Deutschland ist eines von 3000-4000 Neugeborenen von
      dieser Krankheit betroffen. Eine Heilung gibt es nicht. Die Betroffenen
      werden durch Abklopfen der Brust und des Rückens behandelt, was den
      Schleim lösen hilft und Infektionen der Lunge werden mit Antibiotika
      bekämpft. Seit einiger Zeit wird auch mit Inhalation von Enzymen
      therapiert, die den Schleim dünnflüssiger machen. Trotz dieser Ansätze
      werden die Kranken selten älter als 30 Jahre. Eine Heilung dieser
      Krankheit wäre nur mit einer Gentherapie möglich. Die Idee, die
      dahintersteckt, wäre ein funktionstüchtiges Gen - im Falle der
      Mucoviszidose das Gen für einen funktionierenden Chlorid-Kanal- in die
      Patienten zu schleußen, das dann die durch die Mutation
      verlorengegangenen Eigenschaften des defekten Gens wiederherstellt. Die
      Frage ist, wie man das Ersatzgen in den Patienten transferiert und zwar
      in diejenigen Zellen, die vom Ausfall des Gens besonders betroffen sind.
      Im Falle der Mucoviszidose sollte also das Ersatzgen wenn möglich in
      Lungenzellen implantiert werden. Als Vehikel würden sich Viren anbieten,
      da diese Zellen infizieren und dabei ihre eigene Erbsubstanz oder eine
      Kopie davon in die DNA des Wirts einbauen. Man müßte nur zuvor einen Teil
      der für den Organismus schädlichen Virus-DNA oder -RNA entfernen und
      durch die gesunde Genkopie ersetzen. Bei der Mucoviszidose wären
      Adenoviren als Vehikel zu bevorzugen, da diese menschliche Atemwege
      infizieren können. Sich die DNA für die Genfähre zurechtzubasteln und in
      einem Virus zu verpacken ist nicht das Problem, auch nicht die Infektion.
      Das Problem ist der Integrationsort der Fremd-DNA auf den Chromosomen des
      Patienten, der völlig zufällig ist. Wenn auch die Gefahr zunächst relativ
      gering anmutet, daß man beim Einbau der Fremd-DNA andere Gene zerstört
      -97% der menschlichen DNA sind keine Gene- so nimmt sie mit steigender
      Transfektionszahl zu. Wenn man also zum Beispiel komplexe Organe mit
      einer Milliarde Zellen gentherapieren will, benötigt man mindestens eine
      Milliarde Viren und hat damit eine Milliarde völlig zufällige
      Insertionen. Man kann sich nun selbst ausrechnen, wie hoch die
      Wahrscheinlichkeit ist, daß man bei Transfektionen dieses Umfangs ein Gen
      trifft und zerstört. Eine weitere Schwierigkeit ist, daß die Aktivität
      des integrierten Fremdgens nicht hoch genug ist, um die Funktionen des
      defekten Gens vollkommen zu ersetzen. Die chromosomale Umgebung des
      Insertionsortes übt einen nachhaltigen Einfluß auf die Aktivität des
      Fremd-Gens aus, mitgelieferte regulatorische Elemente können schnell
      deaktiviert werden. Im schlimmsten Fall wird das Fremdgen überhaupt nicht
      angeschaltet. Abhilfe könnte eine gezielte Insertion in chromosomale
      Bereiche sein, die mit Sicherheit eine hinreichend hohe Aktivität des
      Fremdgens gewährleisten. Man könnte diese Problem allerdings auch durch
      die Einführung künstlicher Chromosomen umgehen. Derartige Entwicklungen
      sind bereits im Gange (Harrington et al., 1997). Mit hoher Aktivität
      alleine ist es jedoch nicht getan. Die allermeisten Gene werden in
      bestimmten zeitlichen und räumlichen Mustern reguliert, reagieren wieder
      auf die Aktivität anderer Gene und sind damit Bestandteil eines komplexen
      Netzwerkes an gegenseitiger Regulation. Würde man einfach das Fremdgen
      unter die Kontrolle eines starken Aktivators (Promoters) stellen, dann
      schieße man vielleicht mit Kanonen auf Spatzen und brächte das Zellmilieu
      derart durcheinander, daß die Folgen für den Betroffenen noch schlimmer
      wären, als wenn man alles beim alten belassen hätte. Im Falle der
      Mucoviszidose gibt es mindestens noch zwei weitere Probleme, die
      überwunden werden müssen, bevor eine Gentherapie Erfolg verspricht.
      Epithelzellen erneuern sich alle paar Wochen oder Monate und wenn es
      nicht gelingt, die Fremd-DNA auch in deren Mutterzellen einzubauen, dann
      verschwindet mit dem Auftauchen neuer Generationen von Epithelzellen auch
      die funktionstüchtige Kopie. Das würde eine erneute Gentherapie bedeuten.
      Nur hat der Organismus bis zu diesem Zeitpunkt bereits eine Immunreaktion
      auf die erneute Infektion aufgebaut, was eine neuerliche Gentherapie
      völlig wirkungslos machte. Deswegen müßte man die Viren irgendwie tarnen.
      Nicht unbedenklich ist auch die Möglichkeit, daß sich zur Therapie
      eingesetzten Viren verändern und plötzlich gefährlich werden. Deshalb
      sind auch schon andere Methoden des DNA-Transfers entwickelt worden, wie
      zum Beispiel das Einschließen der Fremd-DNA in Fettröpfchen, sogenannte
      Lipoplexe (Scherman et al., 1998). Das Auftauchen weiterer
      Schwierigkeiten mit denen in den letzten Jahren bisher keiner gerechnet
      hatte, lassen eine wirklich funktionierende Gentherapie jedoch noch in
      weite Ferne rücken. Da aber auf Seiten der Pharmaindustrie aus
      kommerziellen Gründen starke Anstrengungen laufen, diese Schwierigkeiten
      zu überwinden, bin ich mir sehr sicher, daß man in ein paar Jahrzehnten
      die Methoden entwickelt hat, neben den klassischen Erbkrankheiten wie
      Mucoviszidose auch Krebs (Blaese, 1997) oder neurodegenerative
      Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer mittels Gentransfer zu
      therapieren (Ho und Sapolsky, 1998; Hardy und Gwinn-Hardy, 1998).

      Gentherapeutische Behandlung von genetischen Erbkrankheiten oder anderen
      Erkrankungen -sollte sie einmal möglich sein- ist sicherlich frei von
      ethischen Bedenken. Ganz anders verhält es sich aber mit
      gentherapeutischen Maßnahmen für Gesunde. Ein noch harmloses Beispiel ist
      die gentechnische Behandlung von Haarausfall; Entwicklungen diesbezüglich
      sind bereits im Gange (Li und Hoffman, 1995). Kahlköpfigkeit zu behandeln
      ist nur eine von unzähligen Möglichkeiten kosmetischer Gentherapie.
      Attraktiv für Besucher des Body Building Centers wäre zum Beispiel eine
      gentechnische Veränderung, die verstärktes Muskelwachstum bewirkt. Da
      müßten sie sich dann nicht so herschinden und könnten auch auf ihre
      Anabolika-Cocktails verzichten. Speerwerfer könnten sich den linken oder
      rechten Arm - je nach Belieben- aufmotzen lassen, kleine Menschen sich
      auf 1,80m verlängern, Frauen mit zu kleinen Brüsten könnten auf Silikon
      verzichten und so weiter, der Phantasie sind eigentlich keine Grenzen
      gesetzt. Der Übergang zwischen Therapie und Manie ist hier nicht klar
      definierbar und plötzlich sind wir, ohne uns dessen richtig bewußt zu
      sein, bei genveränderten Maßnahmen -ich verzichte auf den Begriff der
      Gentherapie-, deren Auswirkungen auf die Gesellschaft bizarre Formen
      annehmen könnte. Trotz genügend kritischer Stimmen (z.B. Anderson, 1989),
      wird - und da bin ich mir sicher- eines Tages auch erheblicher Mißbrauch
      mit den Methoden der Gentherapie getrieben. Der Grund dafür ist simpel:
      Geld, man kann unendlich viel Geld damit verdienen. Wirklich kriminell
      werden gentherapeutische Techniken in Verbindung mit Klonierung. Ich
      werde diese bei dem entsprechenden Kapitel erklären.

      Gentherapie ist trotzdem noch Zukunftsmusik, doch bietet der rasende
      Fortschritt des Human-Genom-Projekts, die rasante Entschlüsselung der
      gesamten menschlichen DNA bis zum Jahr 2005, die Identifizierung
      sämtlicher Erbkrankheiten des Menschen. Informieren über den neuesten
      Stand der Entschlüsselung der menschlichen DNA kann man sich im Internet.
      Sind einmal erst die Mutationstypen von genetischen Erkrankungen
      charakterisiert, dann können sich Eltern testen lassen, ob sie Überträger
      einer bestimmten Krankheit sind und dann entscheiden, ob sie auf die
      Zeugung eines Kindes verzichten wollen. Dies ist für viele Krankheiten
      schon heute möglich. Beispiele hierfür finden sich im Internet auf der
      Homepage des Würzburger Instituts für Humangenetik. Möglich ist auch eine
      Schwangerschaftsuntersuchung ob der Embryo einen genetischen Defekt
      geerbt hat. Dertige Entscheidungen, auf Kinder zu verzichten oder einen
      Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen, sind äußerst schwer zu
      treffen. Ich möchte mich jetzt deshalb nicht in die Diskussion um
      Schwangerschaftsabbrüche einmischen, sondern meine Absicht lag darin, nur
      die Konsequenzen aufzuzeigen, die wir aus den rasanten Fortschritten der
      Gentechnik und des Human-Genom-Projekts ziehen werden müssen und mit
      denen wir teilweise auch schon jetzt konfrontiert werden. Die
      US-amerikanische Firma Myriad Genetics bietet zum Beispiel einen Gentest
      zur Feststellung der Veranlagung für Brust- und Eierstockkrebs an. Falls
      ein solcher Test positiv ausfällt, muß das nicht unbedingt bedeuten, daß
      die Betroffene tatsächlich an Krebs erkranken wird, sondern ein dafür
      erhöhtes Risiko besteht. Umgekehrt, wenn der Test negativ ausfällt, dann
      hat das auch nicht zu bedeuteten, daß die Frau nie an Brustkrebs
      erkranken wird. Nun hat das bei Betroffenen tatsächlich dazu geführt, daß
      sie sich aufgrund eines positiven Testergebnisses vorsichtshalber und
      teilweise auch auf den Rat ihrer Mediziner hin, die Brüste amputieren
      ließen, was sehr unsinnig sein kann, da es mindestens 100 verschiedene
      Mutationen in den entsprechenden Genen (BRCA1/2 = Breast Cancer) gibt,
      die wahrscheinlich alle ein unterschiedliches Risiko Brustkrebs
      auszulösen bergen. Eine so hohe Variabilität findet man auch bei der
      Mucoviszidose. Es gibt hier Hunderte von Mutationen, die auf der Skala in
      der Manifestierung ihres Schweregrads von mild bis katastrophal reichen.
      Bevor nicht genaue Genmutationsanalysen durchgeführt worden sind, ist es
      fatal leichtfertig nach einem positiven Testergebnis zur Brustamputation
      zu raten. Bevor sich hier nicht die Lehre im Medizinstudium auf die neue
      Situation eingestellt hat, sind solche Tests auf dem Markt deplaziert
      oder dienen allenfalls dazu, eine besonders intensive Vorsorgeüberwachung
      einzuleiten.
      Das Human-Genom-Projekt wird noch viele Tests dieser Art gebären, zumal
      damit wirklich viel Geld zu verdienen ist. Solche Unsitten sind
      allerdings nur möglich durch völlig bescheuerte mega-kapitalistische
      Patent-Gesetze, die eine Patentierung von Genfunktionen und ihren
      Anwendungen zulassen, was, wie bei BRCA geschehen, sogar zum Streit vor
      Gericht führen kann (Marshall, 1997).

      Besonders besorgniserregend sind diese Entwicklungen genetischer Tests
      noch aus ganz anderen Gründen. Es gibt zum Beispiel dynamische Mutationen
      wie die myotone Dystrophie, eine Muskelschwunderkrankung, oder den
      Veitstanz, eine von motorischen Störungen begleitete fortschreitende
      Demenz, die sich erst im Erwachsenenalter ausprägen. Detektierbar werden
      solche Mutationen allerdings schon vor ihrem Ausbruch sein. In Familien
      in denen derartige Erkrankungen aufgetreten sind, wird deshalb ein
      Interesse bestehen, sich einer Genanalyse zu unterziehen oder genau das
      Gegenteil zu machen, um gleichsam das Abwarten in der Todeszelle auf die
      unvorhersehbare Vollstreckung des Urteils zu vermeiden. Was geschieht mit
      solchen Informationen? Wird eine Kranken- oder Lebensversicherung Träger
      solcher Gendefekte überhaupt aufnehmen, werden sie nicht zuvor auf
      Gentests bestehen? Werden Betriebe die Merkmalsträger einstellen oder
      werden auch sie zuvor den Erbgesundheits-Paß verlangen? In den USA sind
      bereits diesbezüglich Leute entlassen oder erst gar nicht eingestellt
      worden. Was geschieht mit Embryonen, bei denen im Mutterleib schon eine
      genetische Erkrankung festgestellt werden kann, die Mutter sich aber
      weigert das Kind abzutreiben? Werden diese Embryonen zwangsabgetrieben
      oder der Mutter alle Unterstützungsgelder versagt, da sie wider besseres
      Wissen gehandelt hat? Müssen wir uns alle einem von den Krankenkassen
      geforderen Pflichttest auf genetisches Krebsrisiko unterziehen und wenn
      der ungünstig ausfällt, werden wir dann nicht weiterversichert? In den
      USA nehmen schon jetzt die privaten Krankenversicherungen keine Kunden
      mehr auf, in deren Familien Krebsfälle gehäuft sind. Das gleiche gilt für
      zahllose andere auf genetischen Ursachen basierende Krankheiten. Ich habe
      absichtlich den Begriff "Erbgesundheits-Paß" benutzt, da ich hier die
      Gefahr sehe, in eine genetische Diskriminierung abzudriften, die den
      Rassismus auf ein ganz anderes Niveau und in eine ganz andere Dimension
      hebt, eine vollendete Reinkarnation der Nazi-Eugenik. Nur eine absolut
      rigorose Gesetzgebung kann hier das schlimmste verhüten, doch hinkt die
      den dramatischen Entwicklungen auf diesem Gebiet hilflos hampelnd
      hinterher. Aber selbst wenn es gelingen sollte, gute Gesetze zu machen,
      dann werden solche Regelungen von kommerziellen Interessen langsam aber
      stetig unterhöhlt werden. Ich sehe schwarz.
      Eine ganz absonderliche Blüte, die das Human-Genom-Projekt hervorgebracht
      hat, ist das Human-Genom-Diversitäts-Projekt von Luigi Cavalli-Sforza
      (Lehrmann, 1996). Dieser kreative Wissenschaftler möchte damit die
      Unterschiede in den Genen zwischen den einzelnen Menschenrassen
      herauskitzeln. Was das allerdings bringen soll, ist mir nicht so recht
      klar geworden, auf alle Fälle wird damit sicherlich Material in die Hände
      von Rassisten gearbeitet.
      Doch nicht nur die Industrie ist der Buhmann, denn ohne potentielle
      Käufer gäbe es diese Entwicklungen ja nicht. Und die Dumpfheit mancher
      reicher Menschen reicht sicherlich für folgendes Szenario aus: Mit dem
      Forschungsstreben, den Grundbauplan des menschlichen Lebens zu verstehen,
      wird man auch dahin gelangen durch genetische Vergleiche manche
      Charaktereigenschaften zumindest zu einem Teil auf Gen-Ebene festnageln
      zu können. Vielleicht gibt es bestimmte Genzustände für musische oder
      mathematische Begabung - so genau weiß das nämlich keiner- und da wäre es
      für manche Debile, die es aus eigener Kraft nicht schaffen können, aber
      das nötige Geld dafür haben, verlockend, sich ihre Kinder ihren
      Anforderungen und Wünschen gemäß gentechnisch stylen zu lassen. Solche
      Designer-Kinder dürfen dann stolz auf ihre vermögenden und weitblickenden
      Eltern sein. Andererseits bestünde dann natürlich auch die vielleicht
      etwas kostengünstigere Möglichkeit, den Embryo genetisch nach bestimmten
      Eigenschaften hin zu scannen, und wenn diese nicht in der erwarteten
      Ausprägung aufträten, ihn kurzerhand abzusaugen.




      I´m a 21st century digital boy
      I don´t know how to read
      but I´ve got a lot of toys
      (BAD RELIGION)

      Ich denke, es ist deutlich geworden, welchen Nutzen die Gentechnik
      bringen kann, welche ungeheuren Gefahren und Risiken sie aber auch birgt.
      Es ging mir auch wirklich nicht um ein Ja oder Nein zur Gentechnik, dafür
      ist es erstens schon zu spät und zweitens sind die mit ihr verbundenen
      Chancen in der Humanmedizin zu vielversprechend, um sie einfach zu
      ignorieren. Die Frage ist, wie wir mit diesem Wissen umgehen werden und
      ich traue hier der Menschheit ein gewaltiges Potential zu, es zu
      mißbrauchen. Beängstigend in diesem Zusammenhang ist die patentrechtliche
      Aufteilung der menschlichen Gene. 1996 waren bereits 1175 DNA-Sequenzen
      patentiert, davon 76% in Händen der Industrie und 40% wiederum davon im
      Besitz eines halben Dutzends japanischer Firmen (Thomas et al., 1996).
      Ein Gesetz, daß die Patentierung von Genen für ihre kommerzielle
      Ausbeutung zuläßt, ist schlicht indiskutabel und kann nicht im Sinne der
      Öffentlichkeit liegen, da hier die Interessen der Allgemeinheit den
      Interessen von Einzelnen untergeordnet werden. Gerade in diesen
      unsinnigen Patentgesetzen steckt eine der dicksten Wurzeln des Mißbrauchs
      und die Verabschiedung solcher Gesetze zeigt, wie wenig über die
      Konsequenzen nachgedacht wird.

      Wünschenswert wäre eine vernünftige und von allen Gesellschaftschichten
      getragene Diskussion. Leider vergiften manche Umweltverbände mit ihren
      polemischen Zornesausbrüchen das Klima. Ihre oft haltlosen und nicht
      richtig durchdachten Argumente tragen nicht zu einer Aufklärung bei. Sie
      verhärten die Fronten zur Industrie und verwirren diejenigen, die Angst
      vor der Gentechnik haben. Umgekehrt sind uneingeschränkt befürwortende
      und ermunternde Artikel, die Gentechnik als Wundermittel anpreisen
      (Gassen, 1995; Willmitzer, 1995) genauso fragwürdig wie etwa folgende
      imaginäre Zeitungsschlagzeile: Genverseuchtes Hundefutter - Ottos Mops
      kotzt!
      Ich hoffe dieses Projekt ist nicht ebenso überflüssig, sondern macht
      deutlich wo der Sinn und Unsinn der Gentechnik liegt.

      Die Biotechindustrie ist wie jede Industrie darauf aus, Gewinne zu
      erzielen. Unter diesem Gesichtspunkt sind also ihre Bemühungen durchaus
      zu verstehen. In die Schranken gewiesen wird sie leider nur von
      halbherzigen Gentechnik- und Patentgesetzen und was in Deutschland
      verboten ist, wird halt unterhalb des Äquators oder am Nordpol oder
      sonstwo gemacht. Doch auch das, was in Deutschland erlaubt wird, ist wie
      ich gezeigt habe, teilweise waghalsig genug. Man tröstet uns mit dem
      Robert-Koch-Institut, das ja all diese Dinge unter Kontrolle habe und
      letzten Endes nur das genehmige, was wirklich narrensicher sei. Dieser
      Meinung kann ich mich überhaupt nicht anschließen. Die entscheidenden
      Leute im R
      Avatar
      schrieb am 29.10.00 14:47:13
      Beitrag Nr. 102 ()
      Schon wieder die Hälfte unterwes hängengeblieben.
      Also beim letzten Absatz weiter:

      Die Biotechindustrie ist wie jede Industrie darauf aus, Gewinne zu
      erzielen. Unter diesem Gesichtspunkt sind also ihre Bemühungen durchaus
      zu verstehen. In die Schranken gewiesen wird sie leider nur von
      halbherzigen Gentechnik- und Patentgesetzen und was in Deutschland
      verboten ist, wird halt unterhalb des Äquators oder am Nordpol oder
      sonstwo gemacht. Doch auch das, was in Deutschland erlaubt wird, ist wie
      ich gezeigt habe, teilweise waghalsig genug. Man tröstet uns mit dem
      Robert-Koch-Institut, das ja all diese Dinge unter Kontrolle habe und
      letzten Endes nur das genehmige, was wirklich narrensicher sei. Dieser
      Meinung kann ich mich überhaupt nicht anschließen. Die entscheidenden
      Leute im Robert-Koch-Institut mögen zwar recht gut ausgebildete
      Wissenschaftler sein, trotzdem sind sie nur insofern kompetent Risiken
      abzuschätzen, wie sie aus Lehrbuchwissen kalkulierbar sind. Schließlich
      haben auch sie nur Biologie studiert und schöpfen ihr Wissen nicht aus
      mystischem Befühlen der Externsteine? Gerade aber die Genetik und die
      Gentechnik machen deutlich daß naturwissenschaftliche Lehrdogmen
      innerhalb kurzer Zeit revidiert werden müssen, weil neue Experimente
      gezeigt haben, daß doch alles ganz anders ist und die Dinge in Wahrheit
      komplizierter und unverständlicher sind, als wir sie uns vorgestellt
      haben. Ich denke hierbei an die erwähnten Beispiele der seltsamen
      Transkapsidierungphänomene, an den doch nicht universellen genetischen
      Code, an die Kreuzresistenz oder die Umkodierung.
      Die Befürworter besänftigen die Kritiker mit dem Argument, die neue
      Technologie hätte bis jetzt keine durch sie selbst hervorgerufenen
      Schäden oder unkontrollierbare Nebenwirkungen erkennen lassen. Daß das
      nur zum Teil stimmt, wird mit diesem Projekt gezeigt. Ansonsten befinden
      wir uns auch erst am Anfang der Anwendungen dieser Technologie und bis
      jetzt ist wirklich nicht abzusehen, was noch kommen und welche
      Auswirkungen das haben wird. Ich kann mich nur wiederholen und diejenigen
      als Narren bezeichnen, die glauben, die Mechanismen innerhalb weniger
      Jahre verstehen zu lernen, die die Natur in drei Milliarden Jahren
      entwickelt hat und ich möchte nur davor warnen, Dinge als harmlos zu
      beurteilen, die wir nicht wirklich verstanden haben.

      wart´s nur ab!




      schrifttum projekt nogene


      Schrifttum
      Hier finden sich die in den einzelnen Aufsätzen zitierten Publikationen


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      Grüße

      Torsten
      Avatar
      schrieb am 30.10.00 08:55:05
      Beitrag Nr. 103 ()
      Nanotechnologie meets Biotechnologie


      Muskelprotze im Miniformat

      Wer von Mikro- und Nanotechnologie spricht, denkt an kleine Rotoren aus Silizium, die mit Laserstrahlen geformt wurden, an U-Boote mit einem Durchmesser von rund einem halben Millimeter und andere moderne Meisterwerke im Miniformat. Solche Maschinen sind keineswegs nur im technischen Bereich zu finden, sondern arbeiten auch in natürlichen Körperzellen, egal ob von Mensch, Tier oder Pflanze.



      Gerade 0,6 mm im Durchmesser.
      Das kleinste U-Boot der Welt von der MicroTec GmbH in Duisburg


      Transportsysteme in der Zelle

      Solche molekularen Minimaschinen transportieren zum Beispiel die Chromosomen in der Zelle. Bei jeder Zellteilung müssen sie in die Tochterzellen verteilt werden. Dies geschieht über eine Art Schienensystem, dem Cytoskelett, das aus winzigen Eiweißstäbchen besteht, den sogenannten Mikrotubuli.




      Ein Netzwerk aus Mikrotubuli in der Zelle des Schleimpilzes Dictyostelium
      Foto: Adolf-Butenandt-Institut
      Ein zweites Eiweiß oder Enzym mit dem Namen Kinesin ist der Biomotor, der die genetische Last auf den Schienen bewegt. Die Energie dazu liefert der Treibstoff von Zellen, die energiereiche Verbindung ATP (Adenosintriphosphat).


      Nanotechnologie meets Biotechnologie

      Nanotechnologen sich zunehmend für die natürlichen molekularen Minimaschinen. Bisher bauten sie, meist aus Silizium oder Metallen winzige Pumpen oder Zahnräder im Nanometerbereich. Diese Größenordnung ist mit dem bloßen Auge nicht mehr zu erkennen, denn ein Nanometer mißt gerade mal ein Millionstel Millimeter.

      Nun bauen die Forscher mit Hilfe der Gentechnik in Bakterien molekulare Minimaschienen, etwa das Schienensystem der Mikrotubuli. Dazu werden zunächst die DNA-Stücke ausgewählt, die Informationen über diesen Molekülmotor tragen. Diese Information kann gentechnisch nach den Wünschen der Forscher verfeinert werden. Mit einem Virus als Genfähre (Vektor) wird der Erbgutschnipsel in eine Bakterienzelle injiziert. Wenn sich die so behandelte Bakterienzelle vermehrt, produziert sie gleichzeitig die Minimaschine.

      Das Transportsystem besteht aus 5 Nanometer großen Köpfchen, die an den Mikrotubuli-Schienen hängen und einem Stil, an dem sich die Lasten befestigen lassen: im Experiment etwa 200 bis 300 Mikrometer große Latex- oder Glasstücke mit einer Farbmarkierung, mit denen sich dann die Bewegung unter dem Fluorenszenzmikroskop sichbar machen läßt. Mit einer Geschwindigkeit von eins bis zwei Tausendstel Millimeter pro Sekunde eilen sie die Gleise entlang, hat J.K. Heinrich Hörber vom European Molecular Biology Laboratory in Heidelberg festgestellt. Je nach Maschinentyp und Eiweißsystem bewegen sich die Motoren auf unterschiedliche Weise. Das Eiweiß Dynein etwa stellt einen einen rotierenden Propellerantrieb dar.


      Minimaschinen für Therapien

      Noch dienen die Muskelprotze im Miniformat ausschließlich der Grundlagenforschung, doch die Forscher haben schon die ersten Anwendungsziele ins Auge gefaßt. So könnten auf diesem Weg einzelne Wirkstoffmoleküle gezielt in bestimmte Gewebe oder einzelne Körperzellen hineingebracht werden, z.B. Krebsmittel bei der Tumortherapie. Es könnten aber auch Sensorstrukturen zusammengebaut werden oder - eine rein technische Anwendung - winzige lithografische Oberflächen geätzt werden.

      Enzyme, die praktisch alle Lebensprozesse beschleunigen, kann man ebenfalls als Nanomaschinen bezeichnen. Die Optimierung der Enzymstrukturen wird in der Biotechnologie bereits auf biochemischem und gentechnischem Wege vorangetrieben. Verstärkt forschen Bio- und Nanotechnologen gemeinsam daran, wie sie diese natürlichen Prozesse für medizinisch-pharmazeutische Zwecke umbauen und nutzen können. Wir dürfen gespannt sein, was die Heirat dieser beiden Schlüsseltechnologien des nächsten Jahrhundert hervorbringt. Erste Visionen gibt es bereits. Krankheiten etwa sollen von kleinen Molekularmaschinen repariert werden, die in den Körpern der Patienten leben.
      Avatar
      schrieb am 31.10.00 22:20:07
      Beitrag Nr. 104 ()
      hallo,

      ich habe heute aufgrund eines Tipps diesen Thread entdeckt.
      Super toll. Vielen Dank für die klasse Ausführungen. Habe zwar noch nicht alles gelesen, da es einfach sehr viel auf einmal ist,
      aber einen Tipp werde ich vielleicht auch los.
      Probiert mal die Seite www.biospace.com aus. Sie bietet aktuelle Infos zu den Entwicklungsständen bei Forschungsvorhaben so ziemlich aller Biotech-Firmen sowie wichtige News allgemeiner Art. Interessant sind auch die immer wieder eingeschobenen Erklärungen.
      Die Amerikaner scheinen diesbezüglich weiter zu sein. Alles soll für möglichst viele verständlich sein.

      Falls shakesbier irgendwo schon mal auf diese Seite hingewiesen haben sollte, sorry, aber ich hab`s noch nicht gelesen und eventuell einige andere auch noch nicht. Nichts für ungut in dem Fall.;)

      Ein Gutenachtküsschen an alle,
      kuss13 (die von einem der Investment-Clubs)
      Avatar
      schrieb am 01.11.00 09:47:59
      Beitrag Nr. 105 ()
      Hallo Shaky

      Erlaube mir auch einmal einen Beitrag in diesen Thread zu stellen. Was meinst du von diesem Therapieansatz und vorallem interessiert mich deine Meinung zu den beiden genannten Biotechfirmen "Avax und Antigenics".

      Impfen gegen Krebs
      Sackgasse oder Therapie mit Zukunft?
      «Biologische» Therapien versprechen eine gezielte und nebenwirkungsarme Krebsbekämpfung. Mittels immunologischer Stimulation versucht man, die «Aufmerksamkeit» der körpereigenen Abwehr auf Krebszellen zu lenken. Obwohl die theoretische Basis dieser Ansätze überzeugt, haben sich die Erwartungen bis heute nicht erfüllt.

      bwe. Eine Liste des US-amerikanischen National Cancer Institute führt in den USA rund 100 laufende klinische Versuche mit Krebsimpfstoffen auf. Diese Zahl, zusammen mit euphorischen Schlagzeilen, die immer wieder vom Durchbruch im Kampf gegen bösartige Tumoren berichten, verleitet zu der Annahme, Krebs-Vakzine seien bereits ausgereift und würden nächstens als Routinetherapie zum Einsatz kommen. Tatsächlichsind in den letzten Jahren im Bereich der immunologischen Krebsbehandlung Fortschritte erzieltworden, und Resultate von experimentellen Anwendungen vor allem beim malignen Melanom oder beim Nierenzell-Karzinom berechtigen zu Hoffnung. Die postulierten immunologischen Wirkungsmechanismen überzeugen theoretisch und lassen sich in Tierversuchen zumindest teilweise umsetzen. Beim Menschen jedoch beschränkt sich der Erfolg zu oft auf eine nachweisbare Immunantwort auf die Vakzine - häufig ohne messbares Ansprechen des Tumors.

      Überwinden der Toleranz
      Trotz Verfeinerung der konventionellen Krebsbehandlung - chirurgische Verfahren, Chemotherapie und Bestrahlung - sind in den letzten Jahrzehnten nur geringe Fortschritte in Bezug auf die Überlebensdauer von Tumorpatienten erzielt worden, insbesondere bei fortgeschrittenem Leiden. Zudem sind die heutigen Krebsmedikamente toxisch und ziehen auch gesundes Gewebe in Mitleidenschaft. Grosse Hoffnung wird daher in «biologische», immunologische Ansätze gesetzt.

      Die experimentellen Grundlagen zur biologischen Krebsbekämpfung wurden in den sechziger Jahren gelegt, als erkannt wurde, dass Tumoren spezifische Oberflächeneiweisse tragen und somit vom Immunsystem erkannt werden. Allerdings gelang es erst vor rund zehn Jahren, diese tumorassoziierten Antigene zu identifizieren - unterdessen sind mehr als 700 derartige Proteine und Peptide bekannt. Das grosse Rätsel aber blieb weiterhin ungelöst: Weshalb werden Tumorzellen vom Immunsystem nicht wie beispielsweise Viren oder Bakterien eliminiert? Heute glaubt man, dass der Grund für diese fatale Toleranz gegenüber Krebszellen nicht in einer generellen Schwächung des Immunsystems liegt (wie man früher vermutete), sondern dass vielmehr die Krebszell-Marker dem Immunsystem nicht genügend effizient präsentiert werden. Denn die veränderten Zellen haben äusserst raffinierte Strategien entwickelt, um sich den Angriffen des Immunsystems zu entziehen: Einerseits tragen sie auf ihrer Oberfläche Moleküle, die typischerweise auch auf benachbarten, gesunden Zellen sitzen. Andererseits sind die tumorspezifischen Antigene, falls überhaupt vorhanden, sehr wenig «immunogen» - erregen also die Aufmerksamkeit von Abwehrzellen kaum. Gleichzeitig können Tumorzellen bestimmte Botenstoffe - sogenannte Zytokine - abgegeben, die eine Immunantwort ebenfalls hemmen.

      Wie man aus In-vitro-Versuchen weiss, ist das menschliche Immunsystem durchaus in der Lage, bösartige Zellen zu zerstören. Nur ist diese wirksame Antitumor-Antwort äusserst schwierig auszulösen. Sogenannte Krebs-Impfstoffe zielen daher darauf ab, eine Reaktion des Immunsystemsanzuregen, die genügend stark ist, um die Toleranz gegenüber den Krebszellen zu überwinden.

      Optimale Präsentation der Antigene
      Es ist naheliegend, den Abwehrzellen die Oberflächenmoleküle des zu bekämpfenden Tumors vorzusetzen. Da von aussen zugeführte Peptide und Eiweisse aber vom Körper sofort abgebaut werden, wendet man verschiedene Tricks an: Gewisse Forscher - so auch die Gruppe um Thomas Kündig von der dermatologischen Klinik des Universitätsspitals Zürich - spritzen die immunogenen Eiweisse direkt in die Lymphknoten. Denn hier sitzen die sogenannten dendritischen Zellen - diejenigen Zellen des Immunsystems, die Antigene am effektivsten präsentieren. Dadurch werden die T-Killer-Zellen des Abwehrsystems zueiner kräftigen Immunantwort stimuliert und können die Krebszellen direkt zerstören. Gleichzeitig geben dendritische Zellen Substanzen ab, die das lokale «immunologische Klima» verbessern. Kündig hat fünf Patienten mit fortgeschrittenem Melanom - dem schwarzen Hautkrebs - auf diese Weise behandelt und bei allen eine günstige Wirkung, bei einer Person sogar das Verschwindender Tumormassen beobachtet. - Noch öfter werden die Oberflächeneiweisse nicht isoliert verabreicht, sondern zuerst im Reagenzglas mit dendritischen Zellen inkubiert. Anschliessend werden die nun mit den Antigenen beladenen Zellen dem Patienten injiziert.

      Da die Antigene nicht bei allen Tumortypen so gut charakterisiert sind wie beim Melanom, wählen gewisse Forscher-Gruppen einen anderenWeg: Mit Hilfe eines Stromstosses oder von Chemikalien wird eine inaktivierte Krebszelle in vitro mit einer dendritischen Zelle zur Verschmelzung gebracht. Mit dieser technisch einfachen Methode, so die Vorreiter dieser «hybrid cell vaccination method », könne erreicht werden, dass das gesamte Repertoire der Oberflächenantigene einer Krebszelle optimal präsentiert werde. Erst kürzlich hat eine deutsche Gruppe ihre erstaunlichen Resultate mit dieser Technik präsentiert: Nach einer Impfung mit solchen Hybrid-Zellen zeigten 7 von 17 Patienten mit metastasierendem Nierenzell-Karzinom bis zu zwei Jahre lang ein Ansprechen des Tumors, bei 4 Personen sollen gar alle Metastasen verschwunden sein - fast zu schön, um wahr zu sein, wenden Kritiker ein, liegt doch der Erfolg von konventionellen Therapien bei dieser Tumorart - bei ausgedehntem Befall - unter zehn Prozent.

      Gentechnisch veränderte Viren sind eine weitere Art, um die gewünschten Antigene in denKörper zu bringen. Viren lösen die stärkstmögliche Immunantwort aus - die Erreger werden jedoch, wenn man sie ein zweites Mal verabreicht, sofort von Antikörpern abgefangen. Um dies zu umgehen, kommen immer häufiger Impfstoffe aus reiner DNA zum Einsatz, die von Antikörpern unbehelligt bleiben. Auch Kündig plant,seine Versuche in Zukunft mit dieser einfach anwendbaren und günstigen Technik durchzuführen. Anstelle des Tumor-Antigens wird dessen genetische Information verabreicht - meistens in Form von Plasmiden (ringförmige DNA-Sequenzen). Diese Plasmide «infizieren» die Wirtszelle und bringen sie dazu, mit ihrer Maschinerie die codierten Eiweisse zu produzieren. Diese Proteine werden in Fragmente gespalten und anschliessend auf der Zelloberfläche präsentiert. Dadurch werden sowohl Antikörper gebildet als auch eine zelluläre Immunantwort provoziert.

      «Personalized cancer vaccines»
      Auch isolierte Tumorzellen sind eine Möglichkeit, das Immunsystem zu stimulieren. Dazu wird Gewebe, das aus dem Tumor entfernt worden ist, mit Hilfe von Enzymen in Einzelzellen aufgespalten. Die Zellen werden bestrahlt, damit siesich nicht mehr vermehren können, teilweise gentechnisch verändert und anschliessend demPatienten wieder eingespritzt. Verschiedene derartige «zelluläre» Krebsimpfstoffe werden zurzeit vor allem in den USA, Kanada, Australien und Holland an Patienten getestet, einige haben die klinische Prüfung bereits durchlaufen. So ist beispielsweise das Melanom-Therapeutikum M-Vax des amerikanischen Biotech-Unternehmens Avax, das aus den Tumorzellen des jeweiligen Patienten hergestellt wird, in Australien schon zugelassen, in den USA läuft mit dieser Vakzine zurzeit eine Phase-III-Studie.

      Avax und weitere, vor allem amerikanische Biotech-Firmen setzen, mit teilweise gigantischen Budgets, auf den neuen Zweig der sogenannten «personalized cancer vaccines» - d. h. auf individuell auf den einzelnen Patienten zugeschnitteneTherapeutika, die aus dem Material des zu bekämpfenden Tumors hergestellt werden. Auchdas amerikanische Biotech-Unternehmen Antigenics treibt mit grossem Werbe- und riesigem finanziellem Aufwand einen individuellen Ansatz voran. Pramod Shrivastava, Professor für Immunologie an der University of Connecticut, der das Unternehmen vor erst vier Jahren gegründet hat, setzt auf die sogenannten «heat shock proteins», kurz HSP. Diese Eiweisse, die in allen Zellen, von den Bakterien bis zu den Säugern, vorkommen, können allein keine Immunreaktion auslösen. Shrivastava zeigte aber, dass diese HSP mit dem gesamten Repertoire der in einer Zelle synthetisierten Eiweisse und Peptide - und dazu gehören auch die Oberflächenmarker - gekoppelt sind. Denn neben der schon bekannten Aufgabe der HSP - sie verhelfen den frisch hergestellten Eiweissen zur richtigen Faltung - begleiten sie die neuen Eiweisse einer Zelle auch zum Ort des Einsatzes.

      Diese HSP-Peptid-Komplexe bilden die Basis der von Antigenics auf den einzelnen Patienten zugeschnittenen Tumor-Vakzine. Mindestens zwei Gramm Tumormaterial benötigt die Firma, um über Nacht die HSP-Peptid-Komplexe zu isolieren. Am folgenden Morgen wird das Medikament zurückgeschickt und dem Patienten ohne weitere Zusatzstoffe unter die Haut injiziert. Diese Komplexe sind in der Lage, eine kräftige, durch T-Lymphozyten vermittelte Immunantwort zu generieren.

      Viele Firmen sehen für diese individuellen Medikamente allerdings keinerlei Zukunft - diese Art von Impfstoffen könne niemals im grossen Rahmen hergestellt werden, zudem seien die Herstellungsverfahren kaum ausreichend zu standardisieren, um den Qualitätsansprüchen der FDA zu genügen. Ein weiterer Punkt ist der Preis: Die Angaben für eine Behandlung schwanken von 2000 US-$ bis 80 000 US-$, wobei zu bedenken ist, dass auch eine Interferontherapie, wie sie zurzeit beim fortgeschrittenen Melanom üblich ist, rund 75 000 US-$ kostet.

      Einsatz in frühem Stadium
      Auch die Krebsimpfstoffe haben den lang ersehnten Durchbruch in der Behandlung bösartiger Tumoren bisher nicht geschafft, und ihre Anwendung ist bis heute experimentell. Trotz oft kräftiger Immunantwort wird nur bei einem Teil der behandelten Personen mit fortgeschrittenem Leiden für eine gewisse Zeit ein Stillstand der Krankheit erreicht - Metastasen bilden sich in den seltensten Fällen zurück, das Überleben wird kaum je verlängert.

      Tumoren sind genetisch äusserst instabil, sie verändern sich dauernd. Daher gibt es zahlreiche Klone, die sich auf Grund von Mutationen dem Angriff einer Therapie entziehen und ungestört weiterwuchern. Diese Tatsache dürfte ein wichtiger Grund für die enttäuschenden Resultate der bisherigen Versuche sein, in die ausschliesslich Patienten mit ausgedehntem Befall eingeschlossen worden sind. Denn je grösser die Tumormasse, desto mehr Zellen entkommen einer Therapie. Aussichtsreicher dagegen - da sind sich alle Experten einig - ist möglicherweise eine Impfung in einem frühen Stadium eines Krebsleidens, wenn nach einer ersten, konventionellen Therapie makroskopisch kein Tumor mehr nachweisbar ist. Dann würde sich eine Vakzinierung - anstelle einer Chemotherapie - zur Vorbeugung eines Rückfalls anbieten, um die wenigen noch vorhandenen Tumorzellen zu vernichten. Denn biologische Krebsmedikamente haben gegenüber Chemotherapeutika einen gewichtigen Vorteil: Siesind, bis auf Reizungen im Bereich der Einstichstelle und milde, grippeähnliche Symptome, nahezu nebenwirkungsfrei.


      Gruss Ruedi :cool:
      Avatar
      schrieb am 01.11.00 12:37:49
      Beitrag Nr. 106 ()
      Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR)

      1993 erhielt Kary Mullis für die Entwicklung der Polymerase Chain Reaction (PCR) den Nobelpreis für Chemie. Die Polymerase-Kettenreaktion, die Mullis und die US-Firma Cetus (heute Chiron) 1988 entwickelt hatte, ist eine fundamentale Technik zur Vervielfältigung (Amplifikation) bestimmter Abschnitte von DNA und mit Hilfe von Enzymen im Reagenzglas.


      Kary Mullis


      Diese schnelle und sehr effektive Methode wird heute in zahlreichen Fragestellungen der molekularen Biologie routinemäßig genutzt und hat überdies in zahlreichen anderen Gebieten Eingang gefunden (Medizin, Diagnostik, Archäologie, Kriminalistik usw). Einelne DNA-Fragmente liegen nach 20 bis 40 Vermehrungszyklen in milliardenfacher Kopie vor. Sind die Ausgangsmengen DNA auch noch so klein: mit der PCR kann genügend Material für weitere Untersuchungen hergestellt werden. Als Vorlage wird ein DNA-Fragment benötigt, dessen Sequenzen an beiden Enden möglichst genau bekannt sind. Zu diesen Randsequenzen müssen passende komplementäre Startsequenzen (sog. Primer) synthetisiert werden, die wenigstens 15 Nucleotide lang sind.

      Wenn als Matrize genomische DNA-Fragmentgemische eingesetzt werden, sollte die Ausgangsmenge rund ein Tausendstel Gramm DNA betragen. Die PCR wird in kleinen Reaktionsgefäßen in üblicherweise höchstens 50 µl Reaktionsvolumen durchgeführt und ist in drei Schritte gegliedert:

      "Aufschmelzen" der DNA-Vorlage bei 94 Grad Celsius (Bildung einzelsträngiger DNA),

      Hybridisierung ("Annealing") der Primer bei höchstens 60 Grad Celsius

      Polymerisation des komplementären DNA-Stranges bei 72 Grad Celsius. Zur Polymerisation des komplementären Stranges wird meist das Enzym Taq-DNA-Polymerase eingesetzt, welches aus dem hitzeliebenden Bakterium Thermus aquaticus YT1 stammt.



      Die Polymerase-Kettenreaktion:
      Das Vermehrungsprinzip
      Mit freundlicher Genehmigung des VCI.


      Wie in der Abbildung dargestellt, werden diese drei Schritte mehrfach ohne irgendeine Reagenzzugabe wiederholt, wobei die Ursprungssequenz exponentiell vermehrt wird. Mehr als etwa 40 Zyklen werden jedoch nicht in einem Ansatz durchgeführt, da die Enzymaktivität langsam verlorengeht. Bei sehr geringer DNA-Ausgangsmenge, bzw. bei zu geringer Reaktionsausbeute, kann man durch erneute Enzymzugabe in weiteren Zyklen die DNA vermehren.

      Zur Durchführung der PCR werden kleine Laborautomaten angeboten, in denen Reaktionszyklen für mehrere Dutzend Parallelansätze vollautomatisch ablaufen können. Mit modifizierten Arbeitsprotokollen lassen sich mit der PCR auch gemischte Primer einsetzen, um ähnliche Sequenzen zu vermehren. Durch gezielten Nucleotidaustausch in den Primern können Mutationen schnell und einfach eingeführt werden. Mit speziellen Primern lassen sich auch cDNA-Sequenzen vermehren und anschließend klonieren, um seltene Transkripte leichter nachweisen zu können.
      Avatar
      schrieb am 03.11.00 01:59:45
      Beitrag Nr. 107 ()
      Mal was ganz interessantes habe gehört die giga zocker haben was vor
      mit der aktie WKN:923890
      weiß einer mehr ?
      die haben schon ein paar dinger gepuscht und das net knapp
      leute laß mich auch teilnehmen !!
      danke
      Avatar
      schrieb am 04.11.00 06:30:59
      Beitrag Nr. 108 ()
      Alternative zum "Therapeutischen Klonen" in Sicht

      Berlin. Im Streit um die Freigabe des "Therapeutischen Klonens" mit Embryonalen Stammzellen zeichnet sich eine Lösung ab. Auf dem internationalen Kongress "Biotechnologie 2000", der vom 3. bis 8. September in Berlin stattfand, wurden alternative Wege zur Stammzellgewinnung, -lagerung und -vermehrung vorgestellt.

      Auch ohne die Option des therapeutischen Klones werden Stammzellen des blutbildenden Systems bereits seit vielen Jahren in der Behandlung verschiedener Krebsleiden erfolgreich eingesetzt. Sie werden aus dem Knochenmark von Spendern gewonnen. Als relativ neue und vielseitige Quelle verschiedener Stammzellen stellten Wissenschaftler die Isolierung und Vermehrung aus Nabelschnurblut vor. Fast alle der Ziele, die man sich von der Züchtung embryonaler Stammzellen verspricht, sind auch mit denen aus Nabelschnurblut erreichbar. Prof. E. Papoutsakis von der Northwestern University in Evanston (USA), sieht allein für diesen Stammzelltyp bereits für die nahe Zukunft fast unbegrenzte Anwendungsmöglichkeiten. Als Beispiele nannte er die Züchtung von roten Blutkörperchen für Eigenblutspenden bei Operationen, die Gewinnung eigener Blutplättchen bei Störungen der Blutgerinnung, oder die Möglichkeit der Korrektur von Erbfehlern des blutbildenden Systems im Rahmen einer Gentherapie. Stammzellen könnten auch in spezialisierte Immunzellen zur Behandlung schwerster viraler Infektionserkrankungen wie z.B AIDS verwandelt werden. "Nabelschnurblut ist die Zukunft der Stammzelltherapie", so Papoutsakis.

      Dabei scheinen die sich jetzt abzeichnenden Therapiemöglichkeiten mit Blutzellen lediglich die Spitze des Eisbergs zu sein: "Nabelschnurblut enthält auch Stammzellen anderer Gewebearten, z.B. von Nerven, Muskeln, Knochen und Leber", so der Leipziger Stammzellforscher Eberhard Lampeter. Der Durchbruch in der Isolierung, Vermehrung und therapeutischen Anwendung ist ihm zufolge bereits in den kommenden Jahren zu erwarten. Die Nutzung der zukünftigen Techniken des so genannten Tissue Engineering, also der Regeneration von verletztem oder krankhaft verändertem Gewebe, setze allerdings die Einlagerung der eigenen Stammzellen voraus – und dies könne nur zum Zeitpunkt der Geburt geschehen. Was in den USA schon seit Jahren gängige Praxis sei, biete nun das forschende Leipziger Unternehmen Vita34 auch in Deutschland an: die individuelle Einlagerung von Nabelschnurblut im Sinne einer biologischen Lebensversicherung, so Lampeter.



      Kontakt:

      Deutsches Grünes Kreuz e.V.
      Schuhmarkt 4
      35037 Marburg
      Dr. Ingolf Dürr
      Tel.: 0 64 21 / 29 31 36
      Fax: 0 64 21 / 2 29 10
      ingolf.duerr@kilian.de

      Grüße

      Torsten
      Avatar
      schrieb am 05.11.00 07:07:43
      Beitrag Nr. 109 ()
      NAchdem sich hier einige für Tularik interessiert haben...

      Man kann über Mitarbeiterstatements unterschiedlicher Ansicht sein - für mich ist Gen-/Biotech so schwierig zu überschauen, daß ich auch für atmosphärisch Angehauchtes dankbar bin.

      Eine Freundin von mir (Biologin) arbeitet seit Jahren bei Tularik (Forschung und Entwicklung, also an der Front, sozusagen) und ich traue ihr einen gewissen Überblick über ihr Fach und den Markt zu.

      Sie hat natürlich Tularik-Aktien, da nach US-Prinzip bezahlt (wenig cash, viele Aktienoptionen)- würde sie aber selber derzeit nicht mehr kaufen (muß allerdings ihre weiterhalten).

      Was in Diskussionen gemeinhin als Hinweis auf eine Bewertung gilt(Anzahl der Produkte in der pipeline, Fortschritte in der Zulassung usw.) hält sie in diesem Bereich für gar nicht so relevant.

      Es gäbe derartig viele Gen-/Bio-Firmen in den USA (mehrere Hundert, nur z.T. börsennotiert), von denen einige (einige viele, nicht einige wenige) in der LAge seien, ein Produkt marktreif zu bekommen - und das könnte eben Tularik so gut sein wie eine der anderen Firmen.

      WEr da nun das Rennen macht, sei völlig offen und selbst für Fachleute kaum zu überschauen. Vorsprung für Tularik sieht sie jedenfalls zur Zeit nicht - aber das könne sich auch schnell wieder ändern.

      Die MAterie sei so komplex und verändere sich so rasch, daß Fachleute eben sehr spezialisiert seien und sich untereinander schon schwer verständigen könnten. Letztendlich hätte momentan die Firma die besten MArktchancen, die am geschicktesten kommuniziert, was sie eigentlich macht - weil es eben meiner mehr versteht - also mehr eine Frage des MArketing als des Inhalts.

      Aber das kennt man ja auch aus anderen Sektoren. MArketing sei keine Stärke von Tularik, die Mitarbeiter allerdings dafür sehr qualifiziert.

      Fazit: Könne man ebensogut kaufen wie andere Aktien, hochspekulativ sei schamlos untertrieben.

      Ja, soweit mal das statement - ich muß gestehen, daß ich aufgrund dieses Kontaktes natürlich gut über Tularik informiert war und deshalb auch ordentlich daran verdient habe- im Moment bin ich unsicher, ob ich sie nochmal kaufen soll...einerseits geht`s beim derzeitigen Bio-Hype ja mehr um Psychologie als um Produkte (wenigstens kurzfristig), andererseits sagt ja wohl Kosto, daß die ganze Börse Psychologie sei (irgendwie so was, jedenfalls)

      Also, wenn ich neue Infos aus dem Labor bekomme, folgt der post auf dem Fuße

      Artemisia - ich geh jetzt frühstücken.
      Avatar
      schrieb am 13.11.00 22:22:15
      !
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      Avatar
      schrieb am 14.11.00 19:23:13
      Beitrag Nr. 111 ()
      Revolutionäre Diagnose- und Therapieansätze in der Medizin
      Tests zur Früherkennung von Zwangsneurosen und die Erforschung neuer Therapieansätze in der HIV-Bekämpfung

      von Steffi Rapp

      (13.11.2000) Dem US-amerikanischen Biotech-Unternehmen Callisto Pharmaceuticals, Inc. gelang mit der Erforschung neuartiger Therapieansätze in der HIV -Bekämpfung und der Entwicklung des weltweit ersten Labortests zur Früherkennung von Zwangsneurosen ein beachtlicher Durchbruch in der Medizin.

      Therapie-Ansatz bei HIV

      HIV greift menschliche Abwehrzellen, die T-Helferzellen (CD4-Zellen), an und zerstört sie. Eine HIV-Infektion beginnt mit einem hohen Anstieg der Virusanzahl im Blut, die Zahl der CD-4-T-Helferzellen nimmt kontinuierlich ab.

      Wenn in einem Kubikmillimeter Blut weniger als 200 CD4-T-Helferzellen vorhanden sind, wird Aids diagnostiziert. Bisherige HIV-Medikamente gehen gegen das Virus vor, indem sie durch Hemmung wichtiger Enzyme versuchen, die Vermehrung des Virus innerhalb der Zelle zu verhindern. Ö beispielsweise (Reverse Transcriptasehemmer oder Protease-Hemmer).

      Fusions-Inhibitoren arbeiten direkt gegen das HIV, das Eindringen von HIV in die Zielzelle soll verhindert werden.

      Eindringen in die Zelle unterbinden

      Callisto-Wissenschaftler hätten mit einem speziellen Peptid eine neuen Therapie-Ansatz entwickelt.

      Der Eiweißstoff bindet sich an die Zelle (an MHC-Klasse-II-Moleküle) selbst und nicht an das HI-Virus. Das Peptid hemmt ein spezielles Protein des HI-Virus, das NEF- Protein ist für das Eindringen in die Zielzelle notwendig.

      NEF bindet sich an die T-Zelle und ermöglicht es so dem HI-Virus, in die Zelle einzudringen. In der Zelle kann sich das Virus vermehren, die Zelle verlassen und andere T-Zellen zu infizieren.

      Das nun entwickelte Peptid arbeitet als Schutzschild.
      Es hemme das NEF-Protein und dadurch werde die Bindung des HI-Virus an die T-Zellen verhindert, berichtet Callisto.

      Virus-Vermehrung für mehrere Tage gestoppt

      In Labortests habe sich dieser Ansatz bewährt. Für neun Tage habe die HIV-Vermehrung komplett gestoppt werden können. Bei diesem Therapie-Ansatz könne zudem eine raschen Resistenz-Entwicklung vermieden werden.

      Es seinen Studien mit Makakenaffen eingeleitet, die die Wirksamkeit der Substanz prüfen sollen. Die Untersuchung finde im Deutschen Primatenzentrum in Göttingen statt.

      Zwangsneurosen

      Die andere Ergungenschaft des Pharmakonzerns ist ein Diagnose-Test, mit dem eine Zwangsneurose diagnostiziert werden kann.

      Eine Untersuchung in Deutschland ergab, dass 2,3 Prozent der Frauen und 1,8 Prozent der Männer an krankhaften Zwangsneurosen leiden, so eine Pressemittelung des Pharma-Konzerns. Die Symptome der Erkrankung treten meist im frühen Erwachsenenalter auch. Allerdings sind auch oft Kinder betroffen.

      Leider werden die Symptome selten richtig eingeschätzt. Dadurch verringern sich die Chancen auf eine Heilung, die im Kindesalter am höchsten sind.

      Die Forschungsarbeit von Dr. John B. Zabriskie und seinem Team an der Rockefeller University habe Callisto Pharmaceuticals nun einen Test zur Früherkennung von Patienten mit Zwangsneurosen patentiert.
      Im kommenden Jahr werde der Test auf dem Markt eingeführt werden, so die Pressemitteilung weiter. Bislang stehe kein Labortest zur Diagnose von Zwangsneurosen zur Verfügung.

      Bedeutung der Streptokokken

      Ansatz der Forschungsarbeit ist die Tatsache, dass die Zwangsstörungen mit einer harmlosen Erkältung im Kindesalter beginnen kann. Streptokokken , die bei einer Erkältung im Mund und Rachen Entzündungen auslösen können, werden mit der körpereigenen Abwehr mit Antikörpern bekämpft.

      Ist die Erkältung überwunden, fährt der Organismus Aktivitäten der Antikörper in der Regel wieder herunter.

      Falsches Ziel der Antikörper

      In einigen Fällen jedoch setzen die Antikörper allerdings ihre Attacke fort. Ziel sind nun nicht mehr die Bakterien sondern die schwanzförmigen Gliazellen des Gehirns. Diese Stütz-Zellen sind den Streptokokken sehr ähnlich. Durch diesen Angriff können die Betroffenen Symptome entwickeln. Dazu zählen nervöser Ticks und Bewegungsstörungen. Bei diesen Patienten tritt ein bestimmtes Protein auf der Oberfläche spezieller Abwehrzellen weitaus häufiger auf als bei der gesunden Bevölkerung.

      Die Rolle des Oberflächenproteins

      Forscher hätten festgestellt, dass diese Symptome und das vermehrte Vorkommen dieser Oberflächenproteine auch bei Personen mit Zwangsneurosen bestehen.
      Der von der Firma Callisto Pharmaceuticals entwickelte D8/17-Test könne dieses Oberflächenprotein identifizieren.

      Durch die Immunofluoreszenz-Methode wird die Anzahl der Bindungen von markierten D8/17-Antikörpern an ebenfalls farbig gekennzeichneten B-Zellen gemessen. Je mehr B-Zelloberflächenproteine vorhanden sind, desto mehr D8/17-Bindungen werden festgestellt.

      Vielversprechende Untersuchungen

      Im Blut eines Autoimmun-Patienten werde eine vier bis sieben mal höhere D8/17-Bindung nachgewiesen. Die Ergebnisse einer Untersuchung würden zeigen, dass 85 Prozent der an Zwangsneurosen erkrankten Kinder positiv für den D8/17-Marker gewesen seinen.
      In der Kontroll-Gruppen reagierten waren gegenüber 17 Prozent der gesunden Kinder auf den Marker.
      Diese Ergebnisse seien in einer weiteren Studien bestätigt worden.

      Vorteil in der Therapie-Phase

      Der Test könne zudem während der Therapie eine Hilfe darstellen. Bei der Dosis-Einstellung und für die Überprüfung der Wirksamkeit dieser Medikamente könne der Test ein Hilfreiches Werkzeug sein.

      Ursprünglich wurden D8/17-Antikörper benutzt, um das ebenfalls durch eine „infektinduzierte Autoimmunreaktion“ hervorgerufene und in Entwicklungsländern stark verbreitete Rheumatische Fieber zu erkennen.


      Zu HIV:

      Lediglich neun Gene reichen aus, um das Immunsystem eines Menschen vollständig zu zerstören und ihn zu töten. Diese neun Gene sind auf zwei identischen RNA-Strängen (Ribonucleinsäuren) mit 9749 Bausteinen (Nucleotiden) angeordnet, wie in den vergangenen Jahren mit gentechnischen Methoden festgestellt wurde. Sie sind das Erbgut des HI-Virus, kurz HIV. Er zählt zu den Retroviren, genauer zu der Gruppe der Lentiviren. HIV ist der Erreger von der Immunschwächekrankheit AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome).

      Man unterscheidet heute zwei Familien: HIV-1, der am weitesten verbreitete Erreger mit mehreren Subtypen in verschiedenen Verbreitungsgebieten, und HIV-2. Entdeckt wurde HIV erstmals 1983 von Luc Montagnier am Pasteurinstitut in Paris, dicht gefolgt von Robert Gallo am National Cancer Institut in Bethesda, USA.


      Ursprung des HIV geklärt

      Nach langer Suche nun scheint seit Februar 1999 auch der Ursprung der Seuche geklärt. Das Virus ist weder aus einem Geheimlabor des Militärs noch einem schlampigen Genforscher entfleucht, sondern wurde wahrscheinlich von Affenjägern aus den Wäldern Zentralafrikas in die Zivilisation verschleppt, wie das Fachblatt "Nature" berichtete. Die deutsche Virologin Beatrice Hahn an der Universität von Alabama in Birmingham (USA) entdeckte einen nahen Verwandten des HIV-1 Virus im Blut einer Schimpansen-Unterart im westlichen Zentralafrika.

      Seit 1989 weiß man bereits, daß auch das HIV-2 Virus seinen Ursprung in Affen hat, in den meerkatzenartigen Halsband-Mangaben. Diese Affenart ist in manchen Gegenden Afrikas ein beliebtes Haustier, das bisweilen auch auf dem Teller landet. Vermutlich ist HIV mehrmals auf den Menschen übergesprungen, erstmals schon vor mehreren hundert Jahren. "Die Affen hatten bereits Zehntausende von Jahren Zeit sich mit dem Erreger auseinanderzusetzen", sagt Reinhard Kurth, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts in Langen. Das verhalf ihnen zu einem entscheidenden evolutionären Vorsprung: Das HI-Virus macht sie nicht mehr krank. Nun wollen die Genforscher von den Affen lernen, mit welchem Trick ihr Immunsystem das Virus unschädlich macht.


      Chemische Bekämpfung

      Im Moment müssen HIV-Infizierte ihr Virus noch mit chemischen Substanzen bekämpfen. Unmittelbar nach der Entdeckung von HIV sahen Wissenschaftler in den viralen Enzymen die verwundbarsten Stellen des Virus. In den 15 Jahren seit seiner Entdeckung konnten Gentechniker und Virologen bereits einen großen Teil des Lebenszyklus von HIV entschlüsseln und entsprechende Blockade-Moleküle entwickeln.

      Der Vermehrungszyklus und Bekämpfungsstrategien

      Infektion und Kopieren von HIV

      Nachdem das Virus eine Immunzelle, meist eine T-Zelle, infiziert hat, kopiert die reverse Transkriptase seine Erbsubstanz von einer RNA in eine DNA, so daß sie in das Genom der infizierten Zelle eingebaut werden kann. Die reverse Transkriptase kannte man bereits von anderen Retroviren, so daß man schnell (1987) den ersten Hemmstoff AZT entwickeln konnte. Wie die meisten reversen Transkriptasehemmer verhindert er den korrekten Kopiervorgang, indem falsche Bausteine in die Virus-DNA eingebaut werden. Neuere Medikamente wie Efavirenz (Sustiva) blockieren direkt das Enzym.

      Integration ins Erbgut der Zelle
      Um sich optimal zu vermehren, integriert das Virus sein Erbgut mit Hilfe des Enzyms Integrase in die Chromosomen der T-Zelle. Ein neues Medikament (Zintevir), das diese Integrase blockieren soll, wird bereits an Patienten getestet.

      Virusproduktion:
      Einige der HIV-Gene instruieren die Zelle sogar, bei der tödlichen Produktion neuer Viren mitzuhelfen. Die Zelle verwandelt sich in eine Virusfabrik. Eine neue Generation von Medikamenten soll diese Produktionsbefehle unterbinden.

      Zusammensetzen der Virusbauteile
      Am Ende des Vermehrungszyklus müssen die vorgefertigten Virusbauteile nur noch zurechtgeschnitten und zusammengebaut werden. Das ist der Job des Virusenzyms Protease. Ende 1995 wurde Saquinavir (Roche), der erste hochwirksame Protease-Inhibitor in den USA zugelassen und eine hoffnungsvolle Erfolgsstory begann.

      Erfolgsstory Kombinationstherapie
      In der Kombinationstherapie mit einem oder zwei reverse Transkriptase-Hemmern konnte der Proteasehemmer das Virus bis unter die Nachweisgrenze zurückdrängen. So konnte sich selbst das Immunsystem von Aidspatienten im Endstadium wieder erholen. Inzwischen sind vier weitere Proteasehemmer auf dem Markt und - im Wettlauf mit der Resistenzbildung - einige mehr in der Entwicklung. Die Zahl der Todesfälle durch Aids sank seit Einführung der Kombinationstherapien um über 70 Prozent. Viele Sekundärerkrankungen, wie etwa das Karposi-Sarkom sind heute eine Seltenheit geworden.

      In jüngster Zeit widmen sich die Pharmaforscher auch den Ein- und Austrittspforten des Virus aus der Zelle. Eine neue Art von Medikament (T20 der Firma Trimeris) soll zum Beispiel das Verschmelzen des Virus mit der Zelle verhindern.

      Langfristig versuchen Wissenschaftler und Ärzte auch mit Antisense-Molekülen, mit Gentherapien und vor allem einer spezifischen Stimulation des Immunsystems wie etwa durch eine Impfung, dem Virus beizukommen.

      Stark betroffen: Entwicklungsländer
      Dies wäre vor allem für die Entwicklungsländer, in denen 95 Prozent aller HIV-Infizierten leben die einzige Chance, die Seuche zu stoppen. Allein im letzten Jahr ist die Zahl der Infizierten weltweit um 10 Prozent gestiegen. Jede Minute infizieren sich elf Männer, Frauen und Kinder, errechnete UNAIDS, "wir stehen einer Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes gegenüber", so ein Sprecher des Aidsprogramms der Vereinten Nationen.

      An Schrecken verloren hat Aids nur in den reichen Ländern Nordamerikas und Westeuropas, wo sich die Infizierten die teuren Medikamente der Kombinationstherapien leisten können und deshalb die Todeszahlen zurückgingen. Die Folge: Auch hierzulande leben immer mehr Menschen - 1998 waren es nach Angaben des Berliner Robert-Koch-Instituts 37 000 - mit HIV. Denn die Zahl der Neuinfektionen hat keineswegs abgenommen, sondern stagniert - trotz jahrelanger Aufklärungskampagnen.
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      schrieb am 14.11.00 19:37:59
      Beitrag Nr. 112 ()
      Parkinson durch Pestizide?
      Pestizide als Ursache für Parkinson diskutiert/ Erste Hinweise vorerst nur im Tierversuch

      (06.11.2000) Die Parkinsonsche Krankheit kann nach einer Tierstudie möglicherweise durch Pestizide gefördert werden. Die Studie zeigt, dass ein weit verbreitetes Insektenvernichtungsmittel in niedriger Dosierung über längere Zeit bei Ratten die typischen Symptome der Parkinsonschen Krankheit auslöst. Dazu gehören Zittern und steife, stark eingeschränkte Bewegungen. Parkinson ist in Deutschland das am häufigsten vorkommende Nervenleiden. Die Krankheit trifft etwa ein Prozent der Bevölkerung im Alter über 60 Jahren.

      Das unbekannte Risiko

      Forscher wissen seit Jahren von einem Erbrisiko für Parkinson. Doch für die anderen so genannten sporadischen Fälle der Erkrankung, die nach Erkenntnis einiger Wissenschaftler gehäuft in ländlichen Gebieten auftreten, gab es bisher keine Erklärung. Um einen möglichen Zusammenhang aufzudecken, injizierte ein Team um Tim Greenamyre von der Emory Universität (US-Staat Georgia) Ratten mehrere Wochen lang das als relativ harmlos eingestufte organische Pestizid Rotenone in niedrigen Dosen. Das Ergebnis stellen die Forscher in der November- Ausgabe der Zeitschrift „Nature Neuroscience“ vom Montag vor.

      Greenamyre und Kollegen beobachteten im Verlauf der Rotenone-Gabe bei den Ratten einen graduellen Verfall von Nervenzellen im Gehirn mit der Überträgersubstanz Dopamin. Außerdem entwickelten die Tiere die gleichen mikroskopischen Eiweißablagerungen in der Substantia nigra im Mittelhirn, die von Alzheimer-Patienten bekannt sind. Die Forscher vermuten, dass das Pestizid die Produktion von so genannten freien Radikalen anregt, die oxidativen Schaden an Zellen verursachen und als Auslöser einer Reihe degenerativer Krankheiten verdächtigt werden.

      Vorerst nur im Tierversuch

      Rotenone ist nach dem Bericht der US-Forscher ein bevorzugtes Pestizid, das auch Fische tötet und zur Regulierung von Gewässern eingesetzt wird. Die Studie beweise nicht, dass Rotenone auch bei Menschen zu der Parkinsonschen Krankheit führt, sagt das Team. Aber sie mahne zur Vorsicht beim Umgang mit dem Mittel und werfe außerdem die Frage auf, ob Umweltgifte generell, Pestizide eingeschlossen, nicht doch auf Dauer bestimmte Krankheiten fördern. (dpa)



      Parkinson-Studie
      Wer Kaffee trinkt, leidet seltener unter Parkinson

      (25.05.2000) Wer viel Kaffe trinkt, leidet einer Studie zufolge weitaus seltener unter der Parkinsonschen Krankheit. Wie die Frankfurter „Ärzte-Zeitung“ in ihrer Donnerstagsausgabe berichtet, haben Forscher in Hawaii einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Lähmungs-Leiden und Kaffee-Genuss entdeckt. Verächter des schwarzen Getränks haben der Studie zufolge ein fünf Mal so hohes Risiko, an Parkinson zu erkranken, als Menschen, die täglich sieben Tassen zu sich nehmen. Zu diesen Ergebnissen kamen Forscher aus Honolulu anhand der Daten von mehr als 8 000 Männern, die sie seit 1965 begleiteten.

      Bei Beginn der Langzeitstudie waren die Testpersonen durchschnittlich 53 Jahre alt. Der Rückschluss „Kaffee schützt vor Parkinson“ sei dennoch falsch, betonten die Wissenschaftler laut „Ärzte-Zeitung“. Die Verbindung zwischen den beiden Phänomenen sei vermutlich viel komplexer: Möglicherweise hätten Menschen mit der Veranlagung für Parkinson zugleich eine Kaffee-Unverträglichkeit, so dass sie von sich aus der „schwarzen Brühe“ aus dem Weg gehen. (dpa)
      Avatar
      schrieb am 14.11.00 19:46:36
      Beitrag Nr. 113 ()
      Altbekannte Vitaminspritzen aus der Natur
      Sanddorn und Schlehe zählen seit Jahrhunderten zu den besten Fitmachern aus der Natur


      10.11.2000

      Wenn die ersten Herbstfröste nahen, wird so mancher Spaziergang zum kulinarischen Beutezug. Ausdauer gehört allerdings dazu, um bei der Suche nach der Schlehe erfolgreich zu sein - Angst vor Dornen dagegen besser nicht. Anders als die blauschwarze Wildfrucht leidet die orangegelbe bis korrallenrote Sanddornbeere geschmacklich unter klirrender Kälte. Ihre geballte Vitaminkraft ist für den Winter einfacher zu haben - Sanddornprodukte gibt es aus Plantagenanbau zu kaufen.

      Die Schlehe , auch Schwarzdorn oder Schlehenpflaume genannt, wird bereits in der germanischen Mythologie erwähnt. Prunus spinosa, so ihr botanischer Name, zählt wie Mirabellen oder Renekloden zu den Pflaumen. Die kirschgroßen Steinfrüchte, die im Herbst reifen, sind mit ihrem sehr herben Fruchtfleisch allerdings erst nach mehrmaligem Frost genießbar. Die Samen enthalten nach Angaben des Ernährungs-Informationsdienstes aid in Bonn Blausäureglykoside und dürfen nicht verzehrt werden.

      Schlehen wachsen an stark verzweigten und mit spitzen Sprossdornen bewehrten Sträuchern, die in Zentraleuropa über Vorderasien bis nach Sibirien beheimatet sind. Vereinzelt findet sich das Gewächs auch in Afrika. An Feldwegen und lichten Laubwaldrändern sind die dichtbuschigen und undurchdringlichen Hecken ein beliebter Schutz für Vögel.

      Uraltes Heilmittel

      Die Benediktinerin Hildegard von Bingen nannte im zwölften Jahrhundert Schlehen als Mittel gegen Gicht und Magenleiden. Botaniker des 16. Jahrhunderts wie Hieronymus Bock empfahlen die Schwarzdornbeeren bei vielerlei äußeren und inneren Leiden. Nach wie vor gelten Blüten und Früchte des Schlehdorns in der Volksmedizin als heilsam. Ihnen wird eine abführende, Blut und Nieren reinigende sowie kräftigende Wirkung nachgesagt. Nach stärkerem Frost enthalten die Steinfrüchte neben reichlich Zucker viel Vitamin B und Vitamin C .

      Wer Schlehen genießen will, muss selbst ans dornige Sammeln gehen. Wegen der aufwendigen Handarbeit werden sie noch nicht kommerziell angebaut und nur äußerst selten auf Wochenmärkten angeboten. Die wilden Früchtchen sind allerdings kein Frischobst zum Naschen zwischendurch. Aber aus ihnen lassen sich Konfitüre, Gelee, Mus oder Saft zaubern. Eine köstliche Überraschung für Gäste sind hausgemachte Spirituosen wie Schlehenlikör.

      Die spitzen Dornen des Echten Sanddorns, mancherorts auch Seedorn oder Korallenstrauch genannt, machen es dem Sammler ebenfalls nicht leicht. Das Ölbaumgewächs - wissenschaftlich Hippophae rharinoides genannt - mit den silbrig glänzenden kurzen Blättern und den leuchtend roten Scheinfrüchten wächst an Nord- und Ostsee. Mancherorts hilft der Strauch mit seinen bis zu zehn Meter langen Wurzeln, Dünen zu befestigen. Kontinentale Unterarten sind im Gebirge und in Flusstälern von den Pyrenäen über die Alpen, Karpaten, den Kaukasus bis nach Tibet verbreitet.
      Die bei Vögeln und Wild gleichermaßen beliebte und bis zum Herbst gereifte Sanddornbeere hat es in sich. Schwarzen Johannisbeeren und Hagebutten darin weit voraus, kann die Scheinbeere in höheren Lagen einen Vitamin-C-Gehalt von bis zu 13 Gramm pro 100 Gramm erreichen.

      Vitamin-Bombe

      Sanddorn, die Vitaminspritze für den Winter, enthält darüber hinaus neun weitere Vitamine wie Provitamin A, Vitamin E und solche aus dem B-Komplex. Außerdem kommen in der Frucht die Mineralstoffe Kalzium, Magnesium, Mangan, Eisen und etliche sekundäre Pflanzenstoffe der Flavon-Gruppe vor, so der aid. Letztere haben eine antioxidative Wirkung. Saft und Mus lassen sich gut mit Joghurt, Quark oder Müsli mischen und schützen vor Erkältungskrankheiten.

      Anbaufrucht

      Wegen seines hohen ernährungsphysiologischen Wertes wurde schon 1934 in der Sowjetunion mit der gezielten Zucht von Sanddorn begonnen. Mitte der sechziger Jahre fanden die Arbeiten in der DDR ihre Fortsetzung. Noch mehr Vitamin C, weniger Dornenwuchs und hohe Ertragsleistung war das Zuchtziel bei Sorten wie Leikora, Frugana oder Hergo.

      So baut der Obsthof Sanddorn-Storchennest in Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern die pflegeleichten Kultursorten seit 1980 in Plantagen an - mittlerweile auf 120 Hektar. „Da uns die Apfelernte immer kaputt ging, haben wir uns wegen des Klimas und der wenig ertragreichen Böden auf Sanddorn spezialisiert“, sagt der Versandleiter Lars Krischke. Die günstige Witterung brachte in diesem Jahr bis Ende September eine Ernte von rund 120 Tonnen.

      Um die Beeren unversehrt vom Ast zu bekommen, werden die fruchttragenden Äste heruntergeschnitten, zerkleinert und auf minus 40 Grad schockgefrostet, so Krischke. Durch Rütteln fallen die gefrosteten Beeren dann leicht ab. „Sonst bekommt man sie kaum vom Ast. Sanddorn hat eine sieben Mal stärkere Haltekraft am Ast als ein Apfel“, erklärt der Experte.

      Von Rohware über Saftkonzentrat, Konfitüre, Kekse, Nudeln bis hin zu Sanddorntee - die vielfältige Produktpalette wird im Hofladen des Ökobetriebes regional wie überregional vertrieben.

      Sammler hingegen müssen die wilden Früchte Beere für Beere sammeln. Äste abschneiden oder brechen, ist Raubbau an der Natur. „Es gelten die üblichen Verhaltensregeln beim Betreten der Natur“, sagt Jürgen Maaß von Naturschutzbund Deutschland (NABU) in Bonn. „In Naturschutzgebieten darf nicht gesammelt werden. Nur in Maßen sollten die Eimer gefüllt werden. „Solche Beeren sind im Winter eine wichtige Nahrung für die Tiere“, gibt der Naturschützer zu bedenken. dpa
      Avatar
      schrieb am 14.11.00 19:55:47
      Beitrag Nr. 114 ()
      Krebs
      Neuartige Protonenbestrahlung stoppt Wachstum von Tumoren

      (14.11.2000) Das Schweizer Paul Scherrer Institut http://www.psi.ch hat mit einer neuartigen Krebs-Therapie, der Protonenbestrahlung, vielversprechende Erfolge erzielt. Nun soll die Behandlungsmethode für den Einsatz in Krankenhäusern vorbereitet werden, teilte das Forschungsinstitut am Dienstag in Villigen mit. Dafür seien 23 Millionen Franken (rd. 27,6 Mio Mark) nötig, für die Geldgeber gesucht werden.

      Seit 1996 seien mehr als 60 Patienten mit tief liegenden Tumoren etwa im Gehirn mit der weltweit einmaligen Protonenbestrahlung behandelt worden. Dabei werden die positiv geladenen Kerne des Wasserstoffs gezielt auf den Tumor gelenkt, wo sie die Krebszellen zerstören. Das umliegende Gewebe wird geschont. In 95 Prozent der Fälle sei das Tumorwachstum gestoppt worden, teilte das Institut mit. Obwohl noch keine Langzeitergebnisse vorlägen, ließen die Ergebnisse darauf schließen, dass bestimmte Tumore damit besser behandelt werden können als mit der konventionellen Strahlentherapie mit Photonen.

      Das Paul Scherrer Institut ist ein interdisziplinäres Forschungszentrum für Naturwissenschaften und Technologie. Es unterhält in Zusammenarbeit mit führenden Forschern aus aller Welt komplexe Forschungsanlagen für institutsübergreifende Arbeiten. (dpa)
      Avatar
      schrieb am 14.11.00 20:58:12
      Beitrag Nr. 115 ()
      Hi shaky,

      Kompliment!Ich wußte,daß du uns nicht einfach so im Stich läßt.-Und
      wir müssen uns mal ernsthaft überlegen,wie wir uns für deine Arbeit erkenntlich zeigen können...

      Viele Grüße Hornwatz
      Avatar
      schrieb am 14.11.00 22:45:08
      Beitrag Nr. 116 ()
      horni,

      meine empfehlung ein fässchen vom feinsten...ich sach nur KÖLSCH...was will er mehr?

      lg. ute
      Avatar
      schrieb am 14.11.00 23:03:58
      Beitrag Nr. 117 ()
      Hi Ute,

      nicht daß es da Mißverständnisse gibt:Ich wollte mich bei shaky bedanken,nicht ihn bestrafen,auch wenn meine Aktien in den letzten
      Tagen nur bedingt gut gelaufen sind.Dafür mache ich shaky nicht ver-
      antwortlich:D
      Ich finde,man sollte das von den Ureinwohnern der Wüste Köln "Kölsch"
      genannte Gebräu mal dringend einer biochemischen Analyse unterziehen..Die armen Touristen,die sich in die Wüste Köln verirren,
      gehören über die Risiken und Nebenwirkungen ihres Durstgefühls zumindestens ansatzweise aufgeklärt!

      Viele Grüße Hornwatz
      Avatar
      schrieb am 15.11.00 07:03:46
      Beitrag Nr. 118 ()
      morgen horni,

      du kannst es ja nicht wissen, aber die "touris" fahren/fliegen/gehen viel gesünder nach hause als sie kommen :p.
      normalerweise würde ich in diesem thread solche unwichtigkeiten nicht posten, aber ich finde kölsch gehört auf jeden fall in die bioecke!

      zum wohle

      ute
      Avatar
      schrieb am 15.11.00 08:14:38
      Beitrag Nr. 119 ()
      Königswahn
      BSE tritt bei Löwen im britischen Zoo auf

      (15.11.2000) Der Rinderwahnsinn hat nun auch den König der Tiere getroffen: Im Zoo von Newquay im südenglischen Cornwall wurde ein Löwe Opfer einer BSE-Variante, wie die Leitung des Tierparks am Dienstag mitteilte. Bei einer Autopsie der zwölfjährigen Raubkatze namens "Major" stellte ein Tierarzt des Londoner Landwirtschaftsministerium fest, dass das Rückenleiden des Löwen auf FSE, einer Variante des Rinderwahnsinns, zurückzuführen sei.

      Der Zoo hatte eigenen Angaben zufolge alles versucht, um dem gelähmten Tier zu helfen. Schulmediziner seien genauso wie Wunderheiler bemüht worden. Als nichts half, wurde "Major" im August eingeschläfert. Für den Zoo sei die Nachricht vom FSE-Tod "Majors" ein Schock gewesen, sagte Geschäftsführer Mike Thomas.

      Die "verwitwete" Löwin "Lizzie" habe inzwischen mit "Majors" Bruder "Ronnie" einen neuen Gefährten bekommen. Wärter würden die beiden nun genau beobachten.

      FSE war vor gut zehn Jahren in Großbritannien entdeckt worden. Seitdem wurden dort 87 Fälle bekannt. Unter den zahlreichen erkrankten Raubkatzen befanden sich bislang zwei Löwen. Der Rinderwahn BSE gilt auch als möglicher Verursacher einer der für den Menschen tödlichen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit


      BSE-Fleisch gerät immer noch in Nahrungskette
      Lückenhafte Kontrollen gefährden Verbraucher

      Mit BSE verseuchtes Rindfleisch kann nach Ansicht britischer Experten immer noch in die Nahrungskette gelangen. Der Vorsitzende der britischen Behörde für Lebensmittelstandards, Sir John Krebs, warnte am Dienstag im BBC-Radio vor unzureichenden Kontrollen auf Schlachthöfen und Farmen. Es gebe in der Kontrollkette eine Lücke, durch die verseuchtes Fleisch bis zum Verbraucher gelangen könne, sagte Krebs.

      Unter den gegenwärtigen Regeln sei Rindfleisch dann von einer strengen Überprüfung ausgenommen, wenn ein Bauer oder Schlachthofbesitzer das Rind zum rein privaten Verzehr töte. Krebs forderte rigorose Kontrollen, um auszuschließen, dass solches Fleisch doch an die Konsumenten weitergegeben werde.

      Krebs sagte weiter, es gebe bei privaten Schlachtungen derzeit keine Möglichkeit zu überprüfen, ob die bei BSE-Erkrankungen kritischen Teile des Rinds wie Hirn und Rückengewebe vollständig entfernt worden seien. Unterstützung erhielt der Experte von der tierärztlichen Beratungsgruppe am Royal College. Deren Vorsitze Jill Newt äußerte sich gegenüber der BBC überzeugt, dass Fleisch aus privaten Schlachtungen immer noch in die Nahrungskette gelange.

      Verbot privater Schlachtungen gefordert

      Die Verbraucher bräuchten genaue Informationen, woher ihr Fleisch stamme und wie es geschlachtet worden sei, betonte sie. Der Präsident des britischen Fleischverbands, Peter Scott, forderte hingegen ein vollständiges Verbot privater Schlachtungen. Großbritannien gilt als das von BSE am härtesten getroffene Land.

      Bis heute sind dort 75 Menschen an einer Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit gestorben, die sie sich vermutlich durch Verzehr von BSE-verseuchtem Fleisch zugezogen hatten. Bis Ende Oktober will die britische Regierung den Bericht einer unabhängigen Kommission veröffentlichen, der die Ursachen und Verbreitung des Rinderwahnsinns darstellt.

      Die EU-Länder hatten im August 1999 ein dreijähriges Embargo gegen den Export von britischem Rindfleisch aufgehoben. Grund waren die nach Ansicht der EU-Kommission zufriedenstellenden britischen Maßnahmen zum Ausschluss von BSE-Fleisch aus der Nahrungskette. (afp)




      BSE, Creutzfeldt-Jakob-Krankheit

      Verbraucherschutz: Zwischen Erfolg und minimalem Risiko
      Wenn Minister die Aufnahme von Nahrung zu einem Presse-Event stilisieren, kann das auch kräftig daneben gehen. Noch 1990 streichelte der frühere britische Landwirtschaftsminister John Gummer seiner damals vierjährigen Tochter über den Kopf, um sie sanft zum Verzehr eines Hamburgers zu zwingen. Heute dürften Gummer eher Alpträume plagen. Denn mittlerweile ist erwiesen, daß sich der Mensch durch den Verzehr verseuchter Tierprodukte mit BSE (Abk. für "Bovine Spongiforme Enzephalopathie") infizieren und daran sterben kann. Rund 40 Patienten sind in Großbritannien bis ins Frühjahr 1999 dieser neuen Form der CJD, der vCJD ("variant Creutzfeldt-Jakob-Disease") zum Opfer gefallen.




      BSE-infiziertes Rind

      Entwarnung
      "Ich habe keine Probleme heute in London ein Rindersteak zu essen", sagt der Molekularbiologe vom St. Mary´s Krankenhaus und Regierungsberater in Sachen BSE und CJD, John Collinge (s. Interview). Alle über 30 Monate alten Rinder wurden getötet, so argumentiert er, als Rinderseuche sei BSE nur noch Historie. Die meisten Forscher gehen davon aus, daß sich die menschlichen BSE-Opfer noch vor 1989 infizierten. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden Rinderinnereien unkontrolliert verbreitet - in zahllosen Tierprodukten wie Hamburger-Buletten, gedämpften Puddings oder etwa Kutteln. Trotzdem kann kein Wissenschaftler noch Gesundheitspolitiker mit 100prozentiger Sicherheit davon ausgehen, daß alle Produkte in Europa, von denen eine potentielle Gefahr ausgeht, aus der Nahrungskette vollständig entfernt sind. Das Risiko stufen Experten derzeit als äußerst gering ein. Wie hoch es wirklich noch ist, darüber streiten sich die Gelehrten noch.

      Wer ganz auf Nummer sicher gehen will: welche Produkte sind betroffen?
      Innereien oder Gehirn erhalten den BSE-Erreger in den höchsten bislang ermittelten Konzentrationen. Fleisch oder Milch gelten dagegen als vergleichsweise unverdächtig. Das läßt sich am einfachsten durch eine Herkunftskontrolle minimieren. Da ungenügend erhitztes Fleisch- und Knochenmehl als Ursache der BSE gilt, geht sicher, wer nur Tierprodukte kauft, deren Herkunft deutlich ausgewiesen ist. Im Zweifel immer nachfragen! Das gilt auch für Dosenprodukte oder Suppenwürze, die keine eindeutige Deklaration auf der Packung hat. Gelatine in Deutschland besteht dagegen zu über 99 Prozent aus Schweineschwarten. Auch bei Medikamenten muß sich niemand Sorgen machen. Die Verwendung von Rind ist bei ihrer Herstellung untersagt.

      Welche Gewebe und Dosen sind entscheidend?
      Noch ist jedoch nicht endgültig geklärt, welche Gewebeart den Erreger in welcher Konzentration enthalten. Alle Angaben über die Gefährlichkeit beruhen bisher auf einem unspezifischen Tierversuch: Mäusen wird verdächtiges Gewebe gespritzt, etwa von BSE-Rindern. Erkranken sie, läßt sich folgern, daß das Gewebe verseucht ist. Die Nachweisgrenze dieses Verfahrens liegt bei 1000 Erregern pro Gramm, denn Rind und Maus sind nicht eng verwandt. Auch das ist noch unklar. Da die Erreger nur wenig beweglich sind, ist enger Kontakt erforderlich. Etwa bei einer Schmierinfektion von Schleimhäuten. Diesen Infektionsweg halten die Forscher jedoch für weitaus weniger effektiv als den Verzehr verseuchter Produkte. Dabei könnte sich der Erreger über Nervenenden in der Mundhöhle Zugang verschaffen. Von dort oder vom Darm aus findet er schließlich in Nerven- und Lymphbahnen seinen Weg ins Gehirn.

      Verbraucherschutz durch neuartige BSE-Tests
      Direkt nachweisbar sind die kranken Proteine bislang nicht. Denn Antikörper binden auch an die gesunde Form und sind daher für die Sofort-Diagnose wertlos. Zur Zeit werden einige Tests auf dem Markt geprüft, die es ermöglichen, frisch entnommenen Gewebeproben auf eine Prionen-Erkrankung zu prüfen. Alle diese Verfahren setzen zwei Schritte ein: Am Anfang steht die Zerstörung der gesunden Proteine mit Enzymen, welche die krankhaften Formen, wie gesagt, nichts anhaben können. Erst danach folgt ein direkter Nachweis der verbliebenen Prionen mit einem Antikörper. Weil diese zweistufige Verfahren für Fehler anfällig ist, müssen sie erst in der Praxis mit konventionellen Diagnose-Verfahren überprüft werden. Im Rahmen eines Feldversuchs in der Schweiz fanden Wissenschaftler mit Hilfe eines neuen Testverfahrens der Züricher Biotech-Firma Prionics BSE-infiziertes Fleisch aus dem Verkehr ziehen, das bereit war für den Abtransport in die Metzgerei. Die Forscher untersuchten insgesamt 3000 Rinder. Damit hatte sich erstmals die Befürchtung bestätigt, daß auch heute BSE-infizierte Rinder unerkannt in die menschliche Nahrungskette eingehen können.

      Warum finden keine Reihenuntersuchungen statt?
      Trotz der Erfolge reagieren die Gesundheitsbehörden bislang zurückhaltend auf Forderung, den Prionics-Test routinemäßig und flächendeckend einzusetzen. Das Britische Landwirtschaftsministerium (MAFF) beschied, der Tests sei "überflüssig", da im Notschlachtungsprogramm ohnehin alle mehr als 30 Monate alten Rinder getötet würden. Auch das BgVV (Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin) in Berlin, will von Massentests nichts wissen, denn "wir haben BSE-freie Bestände." Einzig die EU-Kommission scheint derzeit ernsthaft zu prüfen, ob das Prionics-Verfahren verbindlich vorzuschreiben ist. Die Gründe für die Zurückhaltung liegen auf der Hand: Wer den Test flächendeckend einsetzt, der kann nur verlieren. Der Schnelltest könnte den den Beleg erbringen, daß die Maßnahmen zur Ausrottung der Seuche nicht ausreichen.

      Wie viele Menschen werden an vCJD sterben?
      Aufgrund der steigenden Zahl der vCJD-Fälle in Großbritannien macht sich der Londoner Molekularbiologe John Collinge große Sorgen. Zwar ließe die Statistik noch keine eindeutigen Interpretationen zu. "Doch befürchte ich", sagte Collinge, "daß wir in Großbritannien am Anfang einer vCJD-Epidemie stehen". Eine seriöse Rechnung des britischen CJD-Epidemiologen Robert Will nennt 80 000 mögliche Opfer der BSE. Die meisten haben sich vermutlich vor 1990 angesteckt, denn bis zu diesem Zeitpunkt gingen zahlreiche kranke Tiere in die Nahrungskette des Menschen ein. Manche Berechnungen gehen von rund 400.000 Rindern aus. Nach Auskunft des Neuropathologen Hans Kretzschmar an der Universität Göttingen wurden in Deutschland bislang keine keine Opfer der vCJD registriert. Und auch die Zahl der gewöhnlichen CJD bewegt sich innerhalb der bisher bekannten statistischen Werte.


      Interview mit John Collinge: Ausbreitung gebannt - droht jetzt eine Epidemie?

      BSE Krise überwunden? Auf der Suche nach Medikamenten gegen die mögliche Epidemie


      Die BSE-Gefahr sei Geschichte, meint John Collinge von der Imperial College School of Medicine at St. Mary`s in London. Als Erbschaft der BSE-Krise drohe allerdings in Großbritannien in einigen Jahren eine Seuche mit der BSE-Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit (vCJD) beim Menschen. Jetzt ist der Wettlauf um moderne Medikamente gegen die unheilbare Krankheit das vordringliche Ziel der Wissenschaftler.

      Herr Collinge, ist BSE noch eine Gefahr?

      Collinge:BSE hat epidemiologisch betrachtet seinen Höhepunkt überschritten. Jedes Tier, das älter als 30 Monate ist, wurde in Großbritannien getötet. Die Tierseuche ist dank solcher Maßnahmen Geschichte. Aus den gemachten Fehlern haben alle Beteiligten gelernt. Ich habe daher auch keine Probleme, heutzutage in London ein Rindersteak zu essen. Aber die Entwarnung gilt nur für BSE, nicht jedoch für vCJD, die Creutzfeld-Jacob-Krankheit des Menschen.

      Bislang gab es zwar 40 Todesfälle in Großbritannien. Damit sei jedoch der Höhepunkt der vCJD-Erkrankungen schon überschritten, meinen einige Forscher.

      Collinge: Es wäre naiv, das anzunehmen. Leider liegen uns noch zu wenige statistische Zahlen vor, um den epidemiologischen Verlauf zuverlässig vorauszusagen. Wir können also nur spekulieren. Aber ich persönlich befürchte, daß wir erst am Anfang einer vCJD -Epidemie in Großbritannien stehen.

      Was spricht dafür?

      Collinge:Der Krankheitsverlauf. Allein die Inkubationszeit beträgt rund zwei Jahrzehnte. Wir haben es also im Vergleich zu anderen Seuchen mit völlig verschiedenen Zeitdimensionen zu tun. Wo sonst drei Monate bis zum Erreichen des epidemischen Ausmaßes ausreichen, werden hier Jahrzehnte vergehen.

      Den direkten Zusammenhang zwischen BSE und CJD haben Sie als erster 1996 nachweisen können. Jetzt kamen Sie in der Erforschung der Erreger, den sogenannten Prionen, wieder einen Schritt voran. Um was geht es?

      Collinge:Bislang war bekannt, daß sich gesunde Prionen in krankmachende Formen umwandeln können. Unklar aber blieb, wie es überhaupt so viele unterschiedliche Strukturen von Prionen geben kann, etwa für jede Tierart eine eigene. Jetzt wissen wir es zumindest für zwei Fälle: Erst Kupfer-Ionen im Organismus ermöglichen diese fatale Verwandlung, indem sie bestimmte Stellen der Prionproteine besetzen und aktivieren.

      Das klingt eher nach reiner Grundlagenforschung....

      Collinge:Keinesfalls. Denn unsere Ergebnisse eröffnen möglicherweise den Weg zu neuen Therapeutika. Es müßten Substanzen sein, die den Kupfermetabolismus des Körpers beeinflussen. Auf diese Weise könnte - selbst nach der Infektion - die Umwandlung der Prionen und damit die spätere Erkrankung verhindert werden.

      Doch zuverlässige diagnostische Methoden für den klinischen Alltag fehlen. Woher also wissen, wer die künftigen Medikamente braucht?

      Collinge:Wir haben eine Methode entwickelt, um die Erkrankung frühzeitig festzustellen. Dabei entnehmen wir Gewebeproben von Gaumenmandeln lebender Menschen. Darin finden wir die verräterischen Prionproteine. Wir müssen demnach nicht mehr warten, bis das tote Gehirn für die Analyse zur Verfügung steht. Aber Ziel unserer Bemühungen muß sein, einen einfachen und zuverlässigen Nachweis über das Blut zu bekommen. Nur dann können wir im Alltag den Erreger erkennen, bevor das Gehirn der Betroffenen schon halb zerfallen ist.

      Für solche Forschung stellt der britische Medical Research Council jährlich umgerechnet rund vier Millionen Mark zur Verfügung und gründete das Forschungszentrum für CJD, dessen Leiter Sie sind. Ist das ein Zeichen aufkommender Sorge in Großbritannien?

      Collinge:Es geht vielmehr um eine grundlegende Überlegung. Nur wenn wir die Mechanismen der BSE-verwandten Erkrankungen verstehen, werden effektive Testmethoden und Medikamente eine Chance haben. Das betrifft nicht unser Land allein. Aus diesem Grunde arbeiten wir mit internationalen Forschern zusammen.


      Interview: Vlad Georgescu


      @horni: wenn schon, dann was gscheites:

      Avatar
      schrieb am 15.11.00 08:38:33
      Beitrag Nr. 120 ()
      Verhütungsmittel
      Neue Anti-Baby-Pille "Yasmin" macht laut Wissenschaftler nicht dicker

      (14.11.2000) „Erstmals ist es gelungen, eine Pille zu entwickeln, mit der Frauen nicht dicker werden“, sagt Prof. Thomas Rabe vom Universitätsklinikum Heidelberg, der das Präparat für die Schering Deutschland GmbH mitentwickelt und getestet hat. Gerade junge Mädchen hätten ein Schönheitsideal, bei dem das Gewicht eine große Rolle spiele, meint Rabe. Bei bisherigen Kontrazeptiva legten viele Frauen dauerhaft ein bis zwei Kilo zu und seien darüber unzufrieden.

      Für immerhin rund 13 Prozent der Frauen, die per Pille eine ungewollte Schwangerschaft verhindern wollen, sei dies bislang ein Grund gewesen, verschriebene Präparate wieder abzusetzen, ergänzt Katrin Gessner-Ulrich von der im Auftrag von Schering arbeitenden Kommunikations-Agentur ABC. „Der prominenteste Effekt von Yasmin ist zunächst die Gewichtsabnahme“, sagt Wissenschaftler Rabe. Nach etwa einem Jahr sei der Körper aber wieder auf Normalgewicht eingepegelt. „Yasmin“, geeignet für alle Altersgruppen, komme als Schlankheitsmittel jedoch nicht in Betracht, warnt Rabe vor falschen Erwartungen. Das Gewicht könne aber stabil bleiben und müsse durch die Pilleneinnahme nicht nach oben gehen. Auch Schering-Sprecherin Petra Fox-Kuchenbecker dämpft: „Die neue Pille führt nicht zur Fettreduktion und verbrennt keine Kalorien.“

      Verantwortlich für die positive Wirkung auf die Figur sei der neuentwickelte Wirkstoff Drospirenon, der der Einlagerung von Wasser im Gewebe im Gegensatz zu anderen Anti-Baby-Pillen entgegenwirkt, erläutert Gessner. Die synthetische Verbindung gehört zu den Gestagenen, die neben Östrogen hormoneller Bestandteil jeder Pille seien. Das neue Mittel soll nach Unternehmensangaben auch Menstruationsbeschwerden wie Brustspannen oder Völlegefühl senken und zudem bei Hautproblemen helfen. Seit Jahren wurde an „Yasmin“ geforscht. Gut 3 000 Frauen testeten laut Schering die Dragees unter wissenschaftlicher Kontrolle. Negative Wirkungen seien nicht aufgetreten, erklärt Rabe. Die Tablette sei als gut verträglich eingeschätzt worden, sagt auch Fox- Kuchenbecker.

      Vor 40 Jahren brachte Schering in Deutschland die erste Pille namens „Anovlar“ heraus. Mit der Neuentwicklung „Yasmin“ will das Unternehmen jetzt wieder von sich reden machen. Frauen in Deutschland können laut Gessner derzeit zwischen rund 60 Sorten wählen. Am Mittwoch will Schering nun in Berlin die neue Pillengeneration der Öffentlichkeit vorstellen. Eine Monatspackung mit 21 Tabletten soll rund 24 Mark kosten. (dpa)
      Avatar
      schrieb am 15.11.00 08:41:34
      Beitrag Nr. 121 ()
      Biolitec
      Neues Verfahren im Kampf gegen Killerbakterien

      (14.11.2000) Multi-antibiotikaresistenten Bakterien (so genannten Killerbakterien) soll jetzt mit einem gänzlich neuen Verfahren zu Leibe gerückt werden. In einem Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) wird die Photodynamische Therapie der biolitec AG als Waffe gegen die tödlichen Keime untersucht und weiterentwickelt. Für dieses Projekt unter dem Titel „Biotechnologische Systeme zur photodynamischen Inaktivierung von Problemkeimen in der Wundbehandlung“ werden von den Projektpartnern und dem BMBF mehr als vier Millionen DM aufgewendet. Der Anteil des BMBF beträgt etwa zwei Millionen DM. Beteiligt sind neben der biolitec AG auch das Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität und das Hans-Knöll-Institut für Naturstoff-Forschung e.V., Jena, sowie die Humboldt-Universität zu Berlin.

      Lange schon gibt es eine Art „Wettrüsten“ zwischen Pharmaindustrie und Natur, welches ständig neue Antibiotika und Bakterien hervorbringt. Je mehr Antibiotika gegen Krankheitserreger eingesetzt werden, desto größer wird die Zahl der Bakterienstämme, die gegen diese Mittel immun sind. Multiresistente Bakterien sind nicht nur für schlecht oder gar nicht heilende Wunden verantwortlich, sie stellen eine ernstzunehmende und wachsende Bedrohung dar. Ganze Klinik-Stationen mussten bereits geschlossen werden, wenn diese Keime auftraten.

      Bei der Photodynamischen Therapie werden spezielle Wirkstoffe (Photosensitizer) gezielt durch Laser-Licht aktiviert. Die Photosensitizer reichern sich in krankhaften Zellen und Bakterien an und zerstören diese, ohne benachbartes Gewebe zu schädigen. Bei dem Einsatz gegen Bakterien werden die Photosensitizer mit biotechnologisch veränderten Molekülen kombiniert, die als Sonden fungieren und sich gezielt an bestimmten Bakterien anlagern (so genanntes Targeting). Auf diese Weise reichert sich der Photosensitizer nur in den gefährlichen Bakterien an.

      In dem nun beginnenden Forschungsprojekt untersucht biolitec unterschiedliche Photosensitizer sowie verbesserte Targetingmechanismen, um wirksam gegen multiresistente Keime vorzugehen. (ots)
      Avatar
      schrieb am 15.11.00 09:17:06
      Beitrag Nr. 122 ()
      Die Alzheimer-Krankheit ist eine chronische, nicht ansteckende Erkrankung des Gehirns, bei der langsam aber stetig fortschreitend Nervenzellen untergehen. Diese Krankheit ist nach dem deutschen Neurologen Alois Alzheimer benannt, der 1907 als erster die Krankheitssymptome und die typischen krankhaften Veränderungen im Gehirn wie Plaques und Neurofibrillen beschrieben hat. Diese entstehen durch Ablagerung von fehlerhaft gebildeten Eiweißstrukturen innerhalb und außerhalb der Nervenzellen. Sie befällt vor allem die Schläfenlappen und Scheitellappen des Gehirns.
      Symptome
      Die Alzheimer-Krankheit führt zu Störungen des Gedächtnisses, der Sprache, des Denkvermögens, des Erkennens, der Handhabung von Gegenständen, sowie der örtlichen und zeitlichen Orientierung. Es können auch andere Symptome wie Verwirrung oder starke Stimmungsschwankungen auftreten.

      Hauptmerkmale
      Am Anfang werden Gedächtnisprobleme und eine Abnahme der geistigen Fähigkeiten weder vom Kranken noch von der Umwelt bemerkt.
      Nach und nach allerdings äußern sich diese auch im täglichen Leben durch verminderte Leistungsfähigkeit sowie durch Veränderung der zwischenmenschlichen Beziehungen. Schwierigkeiten bei täglichen Verrichtungen wie Waschen, Anziehen etc. können so schwerwiegend werden, daß der Kranke völlig von anderen abhängig wird.

      Die Gesamtheit der seelischen Veränderungen, die als Folge der Alzheimer-Krankheit auftreten, nennt man "Demenz" (lateinisch; etwa: Zustand der Geistlosigkeit).
      Die Alzheimer-Krankheit ist mit ca. 50-70% die häufigste Ursache einer Demenz.


      Die Symptome der Alzheimer-Krankheit können in ähnlicher Form auch durch viele andere Krankheiten des Gehirns hervorgerufen werden.

      Durchblutungsstörungen (vaskuläre Demenz)
      An zweiter Stelle der Häufigkeit stehen Durchblutungsstörungen.
      Akute vaskuläre Demenz
      Krankhafte Veränderungen der Gehirngefäße können dazu führen, daß Blutgefäße im Gehirn platzen oder durch Blutgerinnsel verstopft werden. In diesem Fall wird das betroffene Gehirngewebe absterben und der Patient unter Umständen einen Schlaganfall erleiden. Ungefähr ein Fünftel aller Personen, die einen Schlaganfall erleiden, entwickeln eine Demenz.
      Bislang gibt es noch keine einschlägige Behandlung. Es stehen allerdings Medikamente zur Kontrolle eines zu hohen Blutdruckes zur Verfügung, der als einer der Risikofaktoren bekannt ist.

      Frontalhirn-Demenz
      Diese Bezeichnung bezieht sich auf die Demenzformen, die zuerst die Stirnlappen des Gehirn befallen. Typische Symptome sind Veränderungen der Persönlichkeit, Verlust der Urteilskraft, impulsive Handlungen und Distanzlosigkeit.

      Parkinson-Krankheit
      Auch die Parkinson-Krankheit kann in 20% der Fälle zu einer Demenz führen. Sie ist körperlich durch zähflüssige Bewegungsabläufe, Steifigkeit, manchmal auch durch ein auffälliges Zittern charakterisiert.
      Die parkinsonsche Krankheit ist eine neurologische Störung und betrifft die für die Bewegungsabläufe zuständigen Regionen des Gehirns, wo ein Mangel des Botenstoff Dopamin besteht.
      (siehe auch bei Levy-Körperchen-Demenz).
      Depression
      Störungen von Gedächtnis, Konzentration und Denkvermögen treten nicht selten auch im Rahmen von Depressionen auf. Es ist ganz besonders wichtig, diese Gemütserkrankung zu erkennen, weil die Depression mit anderen Medikamten gut behandelbar ist.

      Levy-Körperchen-Demenz
      In Nervenzellen im Gehirn einer nicht unerheblichen Zahl von Demenz-Patienten wurden winzige, kugelförmige Strukturen gefunden - die sog. Levy-Körperchen. Man geht davon aus, daß diese Strukturen Nervenzellen zerstören.
      Es ist bislang allerdings unklar, ob die Levy-Körperchen-Demenz eine Untergruppe der Alzheimer- oder Parkinson- Krankheit ist oder eine eigene Krankheit darstellt.
      Die Symptome können in ihrer Ausprägung von Tag zu Tag sehr stark variieren. Sie umfassen u. a. Wahnvorstellungen, extreme Verwirrtheitszustände, Halluzinationen und Parkinson-ähnliches Zittern (Tremor). Zur Zeit gibt es keine geeignete Behandlung.

      Huntington-Krankheit
      Hier handelt es sich um eine Erbkrankheit, bei der ein Gendefekt auf Chromosom 4 zu einer Degeneration von Nervenzellen in bestimmten Hirnabschnitten führt.
      Diese Krankheit bricht normalerweise zwischen dem dreißigsten und fünfzigsten Lebensjahr aus, mit Symptomen wie Vergeßlichkeit, Depressionen und frühtypischen Bewegungsstörungen. Eine Demenz tritt in der Mehrheit der Fälle auf. Einige der Symptome können durch Medikamente vorübergehend gelindert werden.
      Down-Syndrom
      Bei Menschen mit dem Down-Syndrom treten circa ab dem vierzigsten Lebensjahr die gleichen Plaques und Neurofibrillen im Gehirn auf wie bei Alzheimer-Kranken.
      Die Forschung nimmt an, daß dieser Personenkreis besonders anfällig für eine Form von Alzheimer ist, deren Ursache mit einer Genmutation (spontane Änderung der Erbinformation) auf dem Chromosom 21 zusammenhängt (Menschen mit dem Down-Syndrom weisen ein zusätzliches Chromosom 21 auf).
      HIV
      Die HIV-Erkrankung beeinträchtigt das Gehirn in vielerlei Weise; ca. 8 bis 16 % der Menschen mit AIDS entwickeln eine HIV-bedingte Demenz in späteren Stadien der Krankheit.
      Als Symptome können Apathie, Verwirrtheit, Konzentrationsschwierigkeiten, ebenso Vergeßlichkeit, persönlicher Rückzug und emotionale Nivellierung auftreten. Die typischen Persönlichkeitsmerkmale bleiben jedoch meist bis zum Ende erhalten.

      Weitere Demenzformen
      Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit kann wahrscheinlich durch Infektion vom Tier auf den Menschen übertragen werden. Bei Tieren ist diese Krankheit bekannt als Scrapie beim Schaf und als BSE ("bovine spongiform encephalopathy") bei Kühen.
      Sie wird durch infektiöse Partikel verursacht, die nichts mit einem Bakterium oder Virus zu tun haben. Sie werden von Forschern als "Prionen" bezeichnet (deswegen werden diese Krankheiten auch manchmal Prionen-Krankheiten genannt).
      Diese Prionen wurden von Schafen auf Kühe durch die Verfütterung von infiziertem Schafsgehirn übertragen.
      Noch ist wissenschaftlich nicht abschließend geklärt, ob BSE durch den Verzehr von Rindfleisch oder Rindfleischprodukten auf den Menschen übertragen werden kann.
       Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
      Wie alle übertragbaren Demenzen, hat die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) eine lange Latenzzeit, schreitet aber sehr schnell voran, wenn die Symptome erstmals auftreten. Dabei können Verhaltensstörungen, Krämpfe, Unsicherheit und Zittern auftreten. Bis heute gibt es keine wirksame Behandlung, und meist tritt der Tod innerhalb von Monaten auf.
      Trotz der großen öffentlichen Aufmerksamkeit, ist die CJK nach wie vor eine extrem seltene Krankheit.
      Einige mögliche Ursachen der Krankheit sind mittlerweile bekannt. Dazu zählen eine genetische Veranlagung sowie auslösende Umweltfaktoren.
      Es gibt eine Kontroverse darüber, ob eine neue Form der CJD als Folge der BSE-Epidemie in Großbritannien entstanden ist, die besonders junge Leute betrifft.

      Andere Krankheitsbilder, die ähnliche Symptome wie die Alzheimer-Krankheit hervorrufen können, sind unter anderem:

      Hormonstörungen, besonders Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)
      Behandlung durch die Gabe von Schilddrüsenhormon (Thyroxin).

      Alkohol-Demenz
      Extremer Alkohol-Konsum kann direkt und indirekt infolge Vitaminmangels (besonders bei "Korsakow-Syndrom" verursacht durch Vitamin B1-Mangel ) zu Gehirnschäden führen.

      Vitaminmangel
      Ein Mangel an Vitamin B12 und Folsäure kann durch Bluttests festgestellt und mit entsprechenden Vitamingaben behandelt werden.

      Entzündliche oder ansteckende Leiden
      Körperliche Leiden wie der "systemische Lupus erythematodes", eine Erkrankung des Immunsystems, oder Infektionen wie Neurosyphilis können das Gehirn wie auch andere Organe beeinträchtigen.
      Durch Sauerstoffmangel hervorgerufene Leiden
      Wenn das Gehirn zu wenig Sauerstoff erhält, z. B. nach einem Herz- oder Atmungsversagen, können Symptome wie bei einer Demenz die Folge sein; diese Symptome können wieder zurückgehen.

      Wer kann erkranken
      Auf der Grundlage einer vergleichenden Untersuchung zwischen großen Gruppen von Alzheimer-Kranken und Nicht-Erkrankten sind Forscher der Ansicht, daß es eine ganze Anzahl von Risikofaktoren gibt und die Krankheit wahrscheinlich nicht auf eine einzige Ursache zurückgeführt werden kann.
      Es wird angenommen, daß eine Kombination verschiedener Faktoren zur Entwicklung von Alzheimer führt, wobei die Bedeutung einzelner Faktoren für den Ausbruch von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein kann.
      Häufigkeit
      Untersuchungen in vielen Ländern haben übereinstimmend ergeben, daß rund 3% der Bevölkerung über 60 Jahren an der Alzheimer-Krankheit leiden.
      In Deutschland sind das gegenwärtig rund 800.000 Menschen. Die Alzheimer-Krankheit tritt bevorzugt bei Personen im Alter von über 70 Jahren auf. Sie kann aber auch Menschen um das 50. Lebensjahr betreffen.
      Die Alzheimer-Krankheit ist also nicht ausschließlich ein Gesundheitsproblem des höheren Alters.
      Weil der Anteil der Hochbetagten in der Bevölkerung in westlichen Industrieländern künftig weiter ansteigt, wird es in den nächsten Jahrzehnten zu einer erheblichen Zunahme der Krankheitsfälle kommen.


      Risiko
       Alter
      Obwohl weniger als 0,1% der unter 65-jährigen, bis zu 10% der über 65-jährigen und mehr als 47% der über 85-jährigen an Alzheimer erkranken, löst das Alter alleine die Krankheit nicht aus. Vielmehr wird diskutiert, daß die im Alter verstärkt auftretende Arteriosklerose hier einen wichtigen, einflußreichen Faktor darstellt.

       Geschlecht
      Einige Studien belegen, daß Frauen zahlenmäßig häufiger von Alzheimer betroffen sind als Männer. Dies kann jedoch zu falschen Schlüssen für eine Geschlechtsverteilung führen, da Frauen im Allgemeinen eine höhere Lebenserwartung haben. Bei gleicher Lebenserwartung gäbe es wahrscheinlich keinen prozentualen Unterschied zwischen an Alzheimer erkrankten Frauen und Männern.

       Kopfverletzung
      Es gibt Hinweise darüber, daß Personen, nach schweren Kopfverletzungen, ein höheres Risiko tragen, an Alzheimer zu erkranken.

       Genetische Faktoren / Erblichkeit
      Bei einer sehr kleinen Anzahl von Familien, deren Angehörige früh an Alzheimer erkranken (zwischen 35 und 60 Jahren), ist eine genetische Ursache nachweisbar. Bei der Hälfte aller Kinder, deren Vater oder Mutter mit dieser Störung an Alzheimer erkrankt, kommt die Krankheit ebenfalls zum Ausbruch.
      Diese Störung liegt auf Chromosom 21, dem Chromosom, welches auch bei dem Down-Syndrom (Mongolismus) eine Anomalie aufweist. Viele Erwachsene im mittleren Alter, die an dem Down-Syndrom leiden, erkranken auch an Alzheimer, wobei sie nicht alle typischen Symptome aufweisen müssen.
      (siehe auch Ursachen/Erbfaktoren)

      Andere Faktoren
      Es gibt keinen endgültigen Beweis dafür, daß eine bestimmte Personengruppe ein größeres Risiko trägt, an Alzheimer zu erkranken. Weder Rasse, Beruf, Wohnort oder gesellschaftliche Stellung stellen Risikofaktoren dar. Es gibt jedoch Hinweise darauf, daß Menschen mit einem höheren Bildungsgrad ein geringeres Risiko haben, an Alzheimer zu erkranken (siehe auch Ursachen/Umwelteinflüsse

      Die Ursachen der Alzheimer-Krankheit sind bisher nur in ersten Ansätzen bekannt. Es gibt jedoch Hinweise darauf, daß an ihrer Entstehung mehrere Faktoren beteiligt sind. Dazu gehören:
       Plaques und Neurofibrillen
       Erbfaktoren,
       entzündliche Vorgänge und
       Umwelteinflüsse
      Ob und wie diese ursächlichen Faktoren bei der Entstehung der Krankheit zusammenwirken, ist noch nicht genau erforscht.
      Besser bekannt ist, welche Schäden diese Faktoren im Gehirn anrichten. Sie bewirken die Ablagerung krankhafter Substanzen in der Umgebung und im Inneren von Nervenzellen. Dadurch werden nach und nach wichtige Lebensvorgänge der Zellen lahm gelegt.
      Eine wichtige Folge davon ist, daß die betroffenen Nervenzellen weniger von den Botenstoffen erzeugen können, mit denen sie sich untereinander verständigen.
      Am stärksten betroffen ist der Signalüberträger Acetylcholin, der für die Gedächtnisfunktion besonders wichtig ist. Durch den Mangel an Acetylcholin wird die Speicherung und der Abruf von Information erheblich beeinträchtigt.
      Schließlich geht in bestimmten Abschnitten des Gehirns sogar ein großer Teil der Nervenzellen und der Nervenzellverbindungen völlig verloren. Die Folge sind tiefgreifende Störungen der Sprache, des Denkens, der räumlichen Orientierungsfähigkeit und des praktischen Handelns.

      Plaques und Neurofibrillen
      Plaques
      Plaques sind Ablagerungen im Gehirn, die überwiegend aus krankhaft verändertem Eiweiß bestehen. Diese werden von den Forschern als ursächlich oder maßgeblich beteiligt an der Entwicklung von Demenzen angesehen. Innerhalb dieser Ablagerungen findet sich ein Eiweißkern, der charakteristisch für verschiedene Krankheiten ist. Das Interesse der Forschung galt daher diesem Eiweißkern (Protein), da er Hinweise auf mögliche Ursachen der Krankheiten geben kann, sowie dem Genort, also dem Ort, an dem die Information zur Herstellung dieses Proteins gespeichert ist. In seltenen Fällen können spontane Änderungen dieses Gens, welches auf Chromosom 21 gefunden wurde, auftreten, die eventuell krankheitsauslösend sein können.
      Die Rolle dieses Proteins bei der Entstehung der Alzheimer-Krankheit, ist bis heute noch nicht genau geklärt. Mittlerweile geht die Forschung davon aus, daß viele Entwicklungsschritte im Zusammenhang mit Plaque-Ablagerungen im Gehirn zum Vollbild der Erkrankung führen.
      Neurofibrillen
      In den Gehirnen Alzheimer-Kranker treten neben Plaques eine große Zahl von "neurofibrillären Tangles" auf.
      Tangles lassen sich am besten als fadenartige Strukturen im Gehirn beschreiben. Bei Alzheimer-Kranken finden sich diese gehäuft in Gehirnregionen, die für das Gedächtnis und andere intellektuelle Funktionen zuständig sind.
      Diese Gebilde wurden bereits 1907 von Dr. Alzheimer beschrieben, ihre Struktur wurde jedoch erst in den 60er Jahren erforscht.
      Tangles können auch in den Gehirnen gesunder älterer Menschen vorhanden sein, allerdings nur in geringer Anzahl. Eine Ansammlung neurofibrillärer Tangles tritt auch bei Patienten mit verschiedenen anderen Krankheiten auf, wie amyotropher Lateralsklerose (Lou Gehrig`s Krankheit), Pick`s Krankheit, fortschreitender supranuklearer Lähmung und dem Down-Syndrom. Die fehlerhafte Zusammensetzung eines Proteins und das folgende Entstehen der neurofibrillären Tangles scheinen zum Zelltod zumindest beizutragen.
      Erbfaktoren
      Nur in sehr seltenen Fällen stellen erbliche Veränderungen des Erbgutes die einzige und ausreichende Ursache für die Entstehung der Alzheimer-Krankheit dar.
      Diese familiären Formen machen wahrscheinlich nur zwischen 1% und 5% aller Krankheitsfälle aus. Man erkennt sie daran, daß Familienmitglieder in mehreren Generationen betroffen sind und daß die ersten Symptome vor dem 60. Lebensjahr einsetzen.
      Wenn in einer Familie nur ein vereinzelter Fall von Alzheimer-Krankheit aufgetreten ist und wenn der Krankheitsbeginn im höheren Alter lag, ist kein erhöhtes erbliches Krankheitsrisiko zu befürchten.
      Im Unterschied zu den krankheitsverursachenden Erbfaktoren sind in den letzten Jahren auch genetische Einflüsse entdeckt worden, die lediglich eine krankheitsbegünstigende Wirkung haben.
      Der wichtigste davon ist die ganz normale Variante eines Erbfaktors, der an der Regulierung des Fettstoffwechsels beteiligt ist, zunächst also mit der Alzheimer-Krankheit gar nichts zu tun hat. Es zeigte sich aber, daß dieses Gen die Ablagerung von krankhaften Substanzen innerhalb und in der Umgebung von Nervenzellen begünstigt und auf diesem Weg zur Entstehung der Krankheitssymptome beitragen kann.

      Stand der Forschung
      Es wird zwischen einem frühen (30.-65. Lebensjahr) und einem späten (nach dem 65. Lebensjahr, überwiegende Mehrheit) Beginn der Alzheimer-Krankheit unterschieden:
       Frühes Auftreten der Alzheimer-Krankheit:
      Man entdeckte verschiedene Genmutationen, also genetische Änderungen (auf den Chromosomen 14 oder 21).
      Offen ist die Frage, welche Faktoren, ob Umwelteinflüsse oder weitere Gene, dazu führen, daß die Krankheit zu einem bestimmten Zeitpunkt auftritt.
       Spätes Auftreten der Alzheimer-Krankheit:
      Erst seit Anfang der 90er Jahre ist eine Genmutation auf Chromosom 19 bekannt. (Als Genmutation wird ein verändertes Gen bezeichnet, das die Information für ein gleichfalls funktionsfähiges Protein speichert.)
      Sie tritt bei älteren Alzheimer-Kranken dreimal häufiger als bei Gesunden auf, d. h. diese Genversion, als ApoE-e4 benannt, ist bei 15% der Bevölkerung vorhanden, aber immerhin bei 50% der spät an Alzheimer-Erkrankten.
      Mit diesem Risikofaktor ist die Wahrscheinlichkeit größer, an Alzheimer zu erkranken, führt aber nicht zwangsläufig zum Auftreten.
      Da es auch sehr viele alte und gesunde Menschen mit dem ApoE-e4-Gen gibt, werden wie bei Herzkrankheiten vielfache, sich gegenseitig beeinflussende Faktoren vermutet.
      Durch das Erforschen der verschiedenen ApoE-Formen und ihre unterschiedlichen Einwirkungen auf den Fettstoffwechsel hofft man, den Ausbruch der Krankheit durch eine gezielte Medikamentöse Therapie in Abhängigkeit von der jeweiligen ApoE-Form in Zukunft hinauszögern zu können.
      Entzündliche Vorgänge
      Am Untergang von Nervenzellen bei der Alzheimer-Krankheit sind entzündliche Vorgänge beteiligt. Dies bedeutet allerdings nicht, daß es sich um eine ansteckende Krankheit handelt. Bestimmte Zellen des Gehirns, die Abwehraufgaben erfüllen, sind überaktiv und sondern Substanzen ab, die man auch in anderen Organen des Körpers bei Entzündungen antrifft.
      Diese Erkenntnisse haben kürzlich eine große praktische Bedeutung erlangt.
      Man hat festgestellt, daß Personen, die über einen längeren Zeitraum mit entzündungshemmenden Medikamenten - beispielsweise mit Rheumamitteln - behandelt worden sind, die Alzheimer-Krankheit seltener bekommen als Personen, die niemals derartige Arzneimittel eingenommen haben. Daran knüpft sich die Hoffnung, mit entzündungshemmenden Stoffen die Entstehung der Alzheimer-Krankheit zu verzögern oder sogar ganz aufhalten zu können.

      Umwelteinflüsse
      Untersuchungen in mehreren Ländern haben eindeutige Hinweise darauf ergeben, daß Menschen mit einer geringen Schulbildung ein erhöhtes Risiko haben, die Alzheimer-Krankheit zu bekommen.
      Als ein weiterer Umwelteinfluß sind jahrelang oder sogar jahrzehntelang zurückliegende Schädelhirnverletzungen bekannt.
      Eine Zeitlang wurde außerdem vermutet, daß Aluminium, wie es sich u.a. im Trinkwasser findet, als Umweltgift an der Entstehung der Alzheimer-Krankheit beteiligt ist. Es hat sich aber herausgestellt, daß für diese Annahme Laborfehler verantwortlich waren. Aluminium im Trinkwasser gilt heute nicht mehr als schädlicher Umweltfaktor.

      Alzheimer-Patienten erleiden nicht alle die gleichen Symptome in der gleichen Abfolge oder in dem gleichen Ausmaß. Gewöhnlich werden drei Stadien der Alzheimer-Krankheit unterschieden, in denen bestimmte Symptome charakteristisch sind. Andere Symptome dagegen können in allen Stadien der Krankheit auftreten. Die Übergänge zwischen den Stadien sind fließend.

      Erstes Stadium
      Es bestehen leichtgradige, oft kaum bemerkte Symptome. Sie führen im täglichen Leben zu einer Beeinträchtigung komplexer Tätigkeiten und können folgende Bereiche betreffen:
       Gedächtnis, vor allem das Speichern von neuer Information (Kurzzeitgedächtnis, der Kranke wiederholt Sätze oder Tätigkeiten, die er gerade zuvor gesagt oder getan hat, vergißt Namen oder Telefonnummern)
       Durchführung komplexer Tätigkeiten
       Sprache, vor allem Wortfindung und Präzision des Ausdrucks (z. B. Benutzung von einfacheren Worten und kürzeren Sätzen)
       Denkvermögen, besonders Schlußfolgern und Urteilen
       Aufmerksamkeit / Konzentrationsfähigkeit (z. B. Probleme, einem Gesprächsfaden zu folgen)
       örtliche Orientierung, z. B. Zurechtfinden in unvertrauter, teilweise aber auch in vertrauter Umgebung
       Antriebsverhalten, z. B. Passivität oder Untätigkeit, teilweise Apathie ohne merkbare Augenbewegung
       leichte Störung der zeitlichen Orientierung (der Kranke weiß Datum und Uhrzeit nicht mehr).
       Abstraktes Vorstellungsvermögen und Denken (z. B. Geld verliert seine symbolische Bedeutung, Rechnungen werden mehrfach bezahlt)
      Die Patienten registrieren in diesem Stadium bewußt die Veränderungen. Deswegen reagieren viele auf diese ersten krankheitsbedingten Veränderungen mit Beschämung, Angst, Wut oder Niedergeschlagenheit und versuchen, die Probleme zu überspielen bzw. Situationen zu vermeiden, in denen diese Probleme auftauchen. Ebenso versuchen Angehörige die Bedeutung dieser Probleme herunterzuspielen, teilweise, weil sie glauben, dies sei ein normaler Alterungsprozess.
      Bei jüngeren Alzheimer-Kranken lassen sich diese Probleme schlechter übersehen, vor allem wenn sie noch beruflich aktiv sind.

      Zweites Stadium
      Die Symptome sind so stark ausgeprägt, daß der Beruf wie auch das Autofahren aufgegeben werden müssen. Die selbständige Lebensführung ist nur noch mit erheblichen Einschränkungen und mit Unterstützung durch andere Menschen möglich.
      Sie betreffen die Bereiche:
       Gedächtnis, z. B. Vergessen von Namen vertrauter Personen,
      ebenso werden Angehörige nicht mehr erkannt, da die Assoziation zwischen Gesicht und Name verloren geht.
      Auch glaubt der Kranke, Personen, die ihn vor kurzem besucht haben, schon lang nicht mehr gesehen zu haben. Erinnerungen, die weit zurückliegen, bleiben am längsten erhalten.
       Alltagsfunktionen, z. B. Schwierigkeiten beim Waschen und Ankleiden, im Bad, bei der Einnahme der Mahlzeiten oder bei der Benutzung der Toilette, die Bewegungen werden immer unpräziser und unkoordinierter .
       Örtliche Orientierung, z. B. Probleme in der Wohnung, die Zimmer zu finden, Verlaufen außerhalb des Hauses.
       Wahrnehmung, in der Form von Sinnestäuschungen oder illusionären Verkennungen. Die Patienten sehen z. B. nicht vorhandene Personen oder verkennen früher bekannte Personen
       Antrieb, oft besteht eine ausgeprägte Unruhe, die Patienten wandern ziellos umher und laufen weg. Eine Apathie ist ebenfalls sehr häufig.
       Verlorenes Zeitgefühl: der Kranke kann Vergangenheit und Gegenwart nicht mehr unterscheiden.
       Sinneseindrücke; Berührung, Geschmack, Sehen und Hören werden nicht mehr richtig interpretiert. Dies wirkt sich im täglichen Leben als Appetitverlust, als Unfähigkeit zum Lesen und in Halluzinationen beim Hören und Sehen aus.
      Ebenso verliert der Unterschied von Tag und Nacht an Bedeutung, so daß der Kranke oft tagsüber mehr schläft und nachts keinen Schlaf findet.
       häufige und plötzliche Stimmungswechsel, der Kranke ist zurückgezogen und lehnt Hilfe ab. Er kann auch beunruhigt und aggressiv sein.
      Drittes Stadium
      Im dritten klinischen Stadium der Alzheimer-Krankheit hat die Demenz ein so fortgeschrittenes Stadium erreicht, daß die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung völlig aufgehoben ist. Die Patienten sind vollständig von ihren Familienangehörigen oder von anderen Bezugspersonen abhängig, und ihre ständige Überwachung ist notwendig. Das Gedächtnis ist nicht mehr in der Lage, neue Informationen zu speichern. Die Sprache beschränkt sich auf wenige Wörter.
      Die Angehörigen werden häufig nicht mehr erkannt, dennoch reagiert der Kranke positiv auf Berührung und vertraute Stimmen. Zu den hochgradigen Störungen der geistigen Leistungen kommen jetzt körperliche Symptome hinzu. Im dritten Krankheitsstadium können auftreten:
       Vornübergeneigter, schleppender und kleinschrittiger Gang, später Gehen nicht mehr möglich
       Sturzgefahr
       Verlust der Kontrolle über Blase und Darm
       Verlust von Fähigkeiten wie Lächeln, Schlucken, etc.
       Probleme beim Essen, auch mit Hilfe
       Verändertes sexuelles Verhalten
       Zerebrale Krampfanfälle
       Unfähigkeit, Familienmitglieder zu erkennen
       schwere Sprachprobleme, mit Unfähigkeit, Sprache zu verstehen oder zu gebrauchen, Sprachzerfall.
      Im Endstadium der Alzheimer-Krankheit kommt es zu einem Verfall der körperlichen Kräfte. Die Patienten werden bettlägerig, die Gefahr von Infektionen nimmt zu. Die häufigste Todesursache ist eine Lungenentzündung.




      Die Symptome der Alzheimer-Krankheit sind nicht bei jedem Patienten völlig gleich. Sie hängen in gewissen Grenzen vom Ausmaß und von der Ausbreitung der Veränderungen im Gehirn ab, werden aber auch durch Persönlichkeit, Ausbildungsniveau, Lebensumstände und körperliche Verfassung beeinflußt. Dennoch zeigt die Alzheimer-Krankheit einige typische Erkennungsmerkmale. Der Arzt verwendet bei der Untersuchung bestimmte Testverfahren und Untersuchungen, um die Diagnose zu sichern.
      Warnzeichen:
       Vergessen von kurz zurückliegenden Ereignissen
       Schwierigkeit, sich in unvertrauter Umgebung zurechtzufinden
       Probleme bei der Ausführung gewohnter Tätigkeiten
       Nachlassendes Interesse an Arbeit oder Hobbys
       Entscheidungen bereiten Schwierigkeiten
      Diese Veränderungen können erste Hinweise auf die Alzheimer-Krankheit sein. Sie können auch viele andere Ursachen haben.
      Vielleicht haben sie bereits Ihren Arzt aufgesucht, weil Ihnen ein oder mehrere der genannten Verhaltensweisen bei einem Mitglied Ihrer Familie aufgefallen sind. Falls nicht, sollten Sie diesen Schritt jetzt unternehmen.

      10 Frühwarnsignale

      1. Erinnerungsprobleme, die sich im Beruf bemerkbar machen
      Jeder vergißt mal etwas und erinnert sich dann wieder. Alzheimer Patienten vergessen häufig, erinnern sich nicht mehr und fragen immer wieder dieselben Fragen, obwohl sie schon eine Antwort erhalten haben.

      2. Schwierigkeiten bei Routineaufgaben
      Betroffene können ein Essen kochen, vergessen aber dann, es zu servieren, und vergessen darüber auch noch, daß sie es je gekocht haben.

      3. Sprachprobleme
      Betroffene vergessen einfache Ausdrücke oder verwenden falsche Bezeichnungen, so daß Ihr Ausdruck unverständlich wird.

      4. Orientierungslosigkeit in Bezug auf Zeit und Ort
      Betroffene verirren sich in ihrer eigenen Straße und vergessen, wie sie dahin gekommen sind, und wie sie wieder nach Hause finden.

      5. Probleme in der Beurteilung von Situationen
      Auch ein normaler Erwachsener kann so abgelenkt sein, daß er für einen Moment vergißt, auf ein Kind unter seiner Obhut aufzupassen. Ein Alzheimer-Patient vergißt das Kind möglicherweise völlig und verläßt das Haus.

      6. Probleme beim abstrakten / rationalen Denken
      Jeder vergißt mal eine Telefonnummer, aber er kann sie in einem Verzeichnis nachschlagen. Ein Betroffener weiß nicht mehr, was diese Nummern bedeuten und was er mit ihnen machen kann (telefonieren).

      7. Konfuse Zerstreutheit
      Ein Betroffener wird Dinge an völlig ungeeignete Plätze "aufräumen", z.B. ein Bügeleisen in die Tiefkühltruhe oder eine Armbanduhr in die Zuckerdose - und wird sie nicht wieder finden.

      8. Stimmungs- und Verhaltensschwankungen
      Jeder hat mal einen schlechten Tag, aber Alzheimer-Patienten neigen ganz besonders zu abrupten Stimmungswechseln: Innerhalb weniger Minuten von Ausgeglichenheit über Tränen bis hin zu Wutausbrüchen.

      9. Veränderungen in der Persönlichkeit
      Ein Betroffener verändert sich dramatisch und reagiert oft der Lage unangemessen, leicht reizbar, ängstlich, mißtrauisch.

      10. Antriebslosigkeit
      Betroffene verlieren oft ihre Energie, werden inaktiv und nehmen nur noch widerwillig an Aktivitäten teil.

      An den gerade beschriebenen Symptomen und an ihrer zeitlichen Abfolge läßt sich die Alzheimer-Krankheit gut erkennen. Trotz eines beachtlichen Forschungsaufwands ist die Ursache dieser Krankheit noch nicht aufgeklärt (siehe auch unter "Ursachen").
      Die Krankheitszeichen setzen schleichend ein und verschlechtern sich allmählich.
      Zur Sicherung der Diagnose müssen mehrere Untersuchungen durchgeführt werden, die ausschließen, daß eine andere Erkrankung mit ähnlichen Symptomen, z.B. eine andere Form der Demenz, vorliegt.
      Zu den notwendigen Untersuchungen gehören:
       Körperliche und geistige Verfassung
      Ein Angehöriger oder jemand, der sich um den Patienten kümmert, sollte über den Patienten Auskunft geben.
      Dies kann das Verhalten des Patienten betreffen, sowie eventuelle Schwierigkeiten beim Anziehen, Waschen und in der Arbeit. Auch sind Auskünfte darüber interessant, wie Verabredungen eingehalten, Finanzangelegenheiten geregelt, das Alleinreisen oder auch der Umgang mit Hausgeräten bewältigt werden.
       Prüfung von Gedächtnis, Denken, Sprache, Aufmerksamkeit, Erkennen und Handhabung von Gegenständen anhand standardisierter Tests. Ein einfacher Test "Mini-Mental-State-Examination" wird oft durchgeführt. Bei leichtgradigen Störungen reichen die Untersuchungsmöglichkeiten des Arztes nicht aus, so daß ein Psychologe mit speziellen Erfahrungen hinzugezogen werden muß.
       Gründliche körperliche Untersuchung zum Ausschluß anderer Krankheiten (z.B. einer Schilddrüsenerkrankung).
       Laborbestimmungen (z.B. Blut-und Urinproben). Mit ihnen lassen sich entzündliche Erkrankungen sowie hormonelle Störungen oder Vitaminmangelzustände erkennen.
       Untersuchungen des Gehirns
      Es gibt verschiedene bildgebende Verfahren zur Darstellung des Gehirns. Der Nachweis typischer Gehirnveränderungen bei Alzheimer-Kranken kann die Sicherheit der Diagnose erhöhen.
      Es gibt verschiedene Techniken, mit denen Durchblutungsstörungen oder Tumore als Ursache ausgeschlossen werden können.
       Computer-Tomographie (CT), diese Methode dient z.B. zum Ausschluß von Durchblutungsstörungen oder Tumoren innerhalb des Gehirns
       Kernspin-Tomographie (MR) des Kopfes, diese Methode liefert eine äußerst detaillierte Darstellung der Gehirnstruktur. So lassen sich Gehirnveränderungen durch einen Vergleich von Bildern, aufgenommen im zeitlichen Abstand, schon in einem sehr frühen Stadium feststellen
       Positronen- Emissions- Tomographie (PET),
      diese Methode wird hauptsächlich für Forschungszwecke genutzt. Sie kann veränderte Stoffwechselvorgänge (durch Verabreichung von Glucose) im Gehirn festststellen
       "SPECT"(Single Photon Emission Computed Tomography), diese Methode wird benutzt, um die Durchblutung des Gehirns zu messen. Die Durchblutung und der Zuckerstoffwechsel im Gehirn ist üblicherweise bei Alzheimer-Patienten in bestimmten Bereichen verringert, da die Nervenzellen in ihrer Funktion beeinträchtigt sind. (siehe unter "Plaques und Neurofibrillen").
      Mit endgültiger Sicherheit läßt sich die Alzheimer-Krankheit nur durch eine Gewebeprobe des Gehirns oder durch die Untersuchung des Gehirns nach dem Tod feststellen. Die klinische Diagnose zu Lebzeiten des Patienten erreicht aber einen Sicherheitsgrad von 80 bis über 90%.
      Verschiedene Formen der Diagnose
      Es gibt drei Beurteilungen, wenn die Diagnose über einer möglichen Alzheimer-Krankheit gestellt wird:
      möglicherweise, wahrscheinlich oder mit Sicherheit erkrankt
       möglicherweise an Alzheimer erkrankt; diese Diagnose wird gestellt, wenn klinische Symptome beobachtet und mindestens zwei geistige Funktionen wie Gedächtnis, Sprache oder Denken sich verschlechtert haben. Zusätzlich leidet der Patient an einer zweiten Krankheit, die nicht als die Ursache der Demenz angesehen wird, eine Diagnose für die Alzheimer-Krankheit aber ungewisser macht.

       wahrscheinlich an Alzheimer erkrankt; diese Diagnose wird auf der Grundlage der gleichen Symptome wie beim obigen Fall gestellt, allerdings leidet der Patient an keiner zweiten Krankheit

       mit Sicherheit an Alzheimer erkrankt; die Bestimmung der Plaques und Neurofibrillen im Gehirn ist der einzige Weg, um mit Sicherheit eine Alzheimer-Krankheit zu bestimmen. Deswegen kann diese Diagnose in der Regel nur im Rahmen einer Obduktion gestellt werden .




      Bei der Alzheimer-Krankheit gehen Nervenzellen und Nervenzellverbindungen zugrunde, die nicht wiederhergestellt werden können. Aus diesem Grund ist eine Heilung nicht möglich. Dennoch gibt es wirksame und hilfreiche Behandlungsmöglichkeiten, die dazu beitragen können, die Lebensqualität des Betroffenen zu verbessern. Dazu gehören Medikamente, bestimmte psychologische Verfahren und die Anpassung der äußeren Lebensumstände.

      Medikamente
      Sprechen Sie bitte unbedingt mit Ihrem Arzt, bevor Sie die Behandlung mit einem Medikament beginnen. Mit den gegenwärtig zur Verfügung stehenden Arzneimitteln läßt sich für den Patienten und für seine Angehörigen viel erreichen:

      Psychische Leistungen wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Konzentrationsvermögen lassen sich steigern. Dadurch werden die Folgen der Hirnschädigung zumindest für einen gewissen Zeitraum ausgeglichen.
      Das Eintreten einer hochgradigen Pflegebedürftigkeit kann erheblich hinausgezögert werden.
      Begleitsymptome wie niedergedrückte Stimmung, Aggressivität oder Unruhe sind teilweise oder ganz behebbar.

      Sprechen Sie bitte unbedingt mit Ihrem Arzt, bevor Sie die Behandlung mit einem Medikament beginnen.
      Medikamente zur Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit
      Eine wichtige Folge des Untergangs von Nervenzellen in bestimmten Abschnitten des Gehirns ist, daß ein hochgradiger Mangel an dem Botenstoff Acetylcholin entsteht. Eine Gruppe von neuen Arzneimitteln - die Cholinesterase-Blocker - kann diesen Mangel zumindest teilweise ausgleichen.
      Dadurch wird die Informationsverarbeitung im Gehirn in gewissen Grenzen wiederhergestellt. Es kommt zu einer Verbesserung der Gedächtnisleistung und der Konzentrationsfähigkeit.

      Die Firmen Pfizer/EISAI sind schon seit längerem auf dem Gebiet der Alzheimerforschung, in der Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit der Cholinesterase-Blocker sehr eingehend erforscht werden, tätig.
      Man weiß, daß mit diesen Mitteln noch mehr erreicht werden kann als eine Steigerung bestimmter geistiger Leistungen. Die Therapie mit Cholinesterase-Blockern führt dazu, daß Alltagsfähigkeiten weniger rasch verloren gehen als bei unbehandelten Patienten und daß eine hochgradige Pflegebedürftigkeit später eintritt. Dadurch können die Patienten länger ein selbständiges Leben führen.


      Sprechen Sie bitte unbedingt mit Ihrem Arzt, bevor Sie die Behandlung mit einem Medikament beginnen.
      Begleitsymptome wie niedergeschlagene Stimmung, Ängstlichkeit, Aggressivität, Unruhe, Schlaflosigkeit, Wahngedanken oder Sinnestäuschungen können durch bewährte Medikamente wesentlich gemildert oder sogar völlig behoben werden.
      Auch diese Arzneimittel dürfen niemals ohne den Rat und ohne die Kontrolle des Arztes eingesetzt werden. Bei nicht sachgerechtem Gebrauch können sie mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen. Vor allem können sie die geistige Leistungsfähigkeit einschränken, Verwirrtheit hervorrufen, die Beweglichkeit einschränken mit Sturzgefahr, Krampfanfälle auslösen oder die Blasenfunktion beeinträchtigen.

      Zur Behandlung von unspezifischen Begleitsymptomen werden in erster Linie folgende Arzneimittel eingesetzt:
       Mittel zur Stimmungsaufhellung (Antidepressiva)
       Mittel gegen Unruhe, Wahngedanken und Sinnestäuschungen (Neuroleptika)
       Angstlösende Präparate (Anxiolytika)
       Substanzen zur Erleichterung der Beweglichkeit (Anti-Parkinson-Mittel)
      Denken Sie daran: Es ist wichtig, daß der Kranke nicht ruhig gestellt wird, damit er die Dinge oder Menschen, an die er sich noch erinnert, erleben kann.
      Bitte sprechen Sie mit Ihrem Arzt, wenn Sie Fragen zu einzelnen Arzneimitteln oder zu ihrer Anwendung haben.

      Die Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit, das Auftreten der erwähnten Begleitsymptome sowie die zunehmende Unselbständigkeit und Hilfsbedürftigkeit der Patienten machen das Zusammenleben in der Familie sehr kompliziert.
      Es kommt zu vielen Mißverständnissen, zu unfruchtbaren Auseinandersetzungen und zu wenig hilfreichen Gefühlsreaktionen. Durch die Beachtung von einigen einfachen Grundregeln können die Bezugspersonen in der Familie jedoch lernen, den Patienten besser zu verstehen, mit vielen Krankheitssymptomen reibungsloser zurechtzukommen und die verbliebenen Fähigkeiten des Patienten wirksamer zu nutzen.
      Angehörigen-Gruppen der lokalen Alzheimer Gesellschaften bieten neben einem wichtigen sozialen Rückhalt eine sehr gute Möglichkeit, sich diese psychologischen Verfahren anzueignen. Studien ergaben, daß eine intensive Beratung der pflegenden Angehörigen helfen kann, die familiäre Versorgung zu stabilisieren und vorzeitige Heimunterbringungen zu vermeiden.
      Tips:
       Erkennen Sie die Sichtweise des Patienten als für ihn gültig an.
       Vermeiden Sie fruchtlose Diskussionen
       Lenken Sie ab anstatt zu konfrontieren
       Nutzen Sie nichtsprachliche Verständigungsmöglichkeiten
       Erkennen und verstärken Sie verbliebene Fähigkeiten
      Die zwischenmenschlichen Beziehungen und die unmittelbare Wohnumgebung üben bei einem Alzheimer-Kranken einen viel stärkeren Einfluß auf das Verhalten aus als bei einem gesunden älteren Menschen. Der Kranke möchte in das Familienleben mit eingebunden sein, braucht aber auch eine geschützte Privatsphäre. Daneben ist es wichtig, bei der Gestaltung der Wohnräume nicht nur auf Orientierungshilfen und Beseitigung von Gefahrenquellen zu achten, sondern auch Farben, Lichtquellen und Materialien mit einzubeziehen

      Ein Training des Gedächtnisses oder der Konzentrationsfähigkeit, wie es unter dem Ausdruck "Hirnjogging" sehr populär geworden ist, bringt bei Alzheimer-Patienten in der Regel leider nicht den Erfolg, den man sich davon verspricht.
      Zur Erklärung muß man sich vor Augen halten, daß die Unfähigkeit zu lernen eines der Wesensmerkmale der Alzheimer-Krankheit ist.
      Ein Gedächtnis- oder Konzentrationstraining zielt aber darauf ab, neue Merkstrategien zu erlernen. Gerade diese Lernleistung ist für Alzheimer-Patienten nicht möglich. Deswegen führen solche Übungen den Patienten immer wieder ihre Mängel vor Augen und rufen Enttäuschung oder sogar Verärgerung hervor. In keinem Fall führen sie zu einer Verbesserung der Alltagsbewältigung.

      Während also Gedächtnisübungen bei Alzheimer-Patienten nicht angebracht sind, haben sich andere Verfahren der geistigen Aktivierung bewährt. Sie greifen auf Fähigkeiten zurück, die von der Alzheimer-Krankheit weniger stark berührt werden, als die Speicherung von neuer Information
      Durch die Nutzung dieser Fähigkeiten läßt sich die Lebenszufriedenheit der Patienten deutlich steigern.
      Verschiedene Trainingsformen:
       Unspezifisches Gedächtnistraining
      Mehrere Fähigkeiten werden gemeinsam trainiert (z. B. Sprache: durch Erzählungen von Geschichten aus der Vergangenheit, Bildergedächtnis: durch Malen von Bildern, Grafiken, Betrachtung von Fotoalben, Koordination: durch Bewegungsspiele mit Musik etc.)
      Dies ist ein besonders wirksames Training, das eine Steigerung der geistigen Aktivierung bewirken kann.
       Routinetraining
      Durch genaues Feststellen der noch gut erhaltenen Fähigkeiten und Training von Routineabläufen bei Denkvorgängen (z. B. wie benutze ich ein Telefon) aber vor allem auch bei körperlichen Tätigkeiten (z. B. Waschen).
       Verknüpfungstraining
      Man strebt damit an, Verknüpfungen zwischen Namen und Gesichtern, Gegenständen und Orten so lange wie möglich im Gedächtnis zu erhalten. Dies wird erreicht, indem dieselben Informationspaare (z. B. Name und Gesicht) in zunehmend langen zeitlichen Abständen abgefragt werden. Bei den Patienten läßt sich damit eine Verbesserung hinsichtlich des Informationsabrufs erzielen.
       Nutzung anderer Gedächtnisstützen
      Verwendung eines Notizbuches zur besseren Alltagsbewältigung, in dem Termine, Abläufe für den ganzen Tag festgehalten sind.
       Realitäts-Orientierungs-Therapie
      Im Prinzip wird dem Patienten eine praktische Orientierungshilfe dadurch gegeben, daß ihm allein oder in einer Gruppe immer wieder Informationen hinsichtlich der Tageszeit, des Wochentages, der Tagesabläufe und Aktivitäten vermittelt werden. Damit läßt sich eine Verbesserung der Orientierung und der Kommunikationsfähigkeit erreichen.
       Erinnerungstraining
      Hier geht es insbesondere darum, die persönliche Identität und Würde des Patienten aufrechtzuerhalten:
      durch Verwendung von Materialien aus der Vergangenheit des Patienten (z.B. Fotoalben, Musikstücke aus der damaligen Zeit, Filmausschnitte oder Buchtexte) werden Erinnerungen geweckt und ein Gespräch über diese Erinnerungen (auch in der Gruppe) angeregt.
      Dieses Training ist den Patienten oft angenehm und steigert ihre Stimmung und ihr Selbstwertgefühl, weil ihr Langzeitgedächtnis oft noch gut erhalten ist.
      Die Selbst-Erhaltungs-Therapie (SET) ist diesem Training nahe verwandt. Die SET ist bemüht, mit Hilfe der Bezugspersonen die Selbst-und Weltperspektive des Patienten zu entdecken und nach Möglichkeit zu unterstützen.
       Training nach Franziska Stengel
      Dieses spielerische Training, 1976 von der Wiener Chefärztin Dr. med. F. Stengel veröffentlicht, bietet 33 verschiedene Gedächtnistrainings-Spielarten an, die auf die Bedürfnisse älterer Menschen abgestimmt sind.
      Spielart, -tempo, -thema oder der Schwierigkeitsgrad sind frei wählbar.
      Durch das spielerische Gesprächstraining z.B. werden verschiedene Hirnfunktionen wie Konzentration, Wortfindung, Formulierung und Merkfähigkeit und die damit verbundenen Kategorien des Denkens trainiert. Hör-, Seh- und Tastübungen, aber auch Erinnerungen werden dabei mit einbezogen. Somit sind die Spiele eine Kombination mehrerer der oben erwähnten Trainingsarten.
      Neben dem Gesprächstraining sind auch ein sogenanntes Telefontraining, aber auch das alleinige Bearbeiten von gut lesbaren Arbeitsblättern möglich.
      Avatar
      schrieb am 15.11.00 10:12:42
      Beitrag Nr. 123 ()
      Hallo Shakes, @ Biotechinvestoren,

      Deine Einstiegsempfehlungen werden von der Analystenzunft bestätigt!!!

      War eine optimale Recherche von Deiner Seite, habe selbst am Montag den Titel in mein Langfristdepot genommen.

      siehe folgenden Text:
      Seit fünf Tagen fällt die Aktie von Millennium Pharmaceuticals (MLNM). Insiderverkäufe und ein kritischer Artikel im US-Börsenwochenblatt Barron’s, der auf die Risiken der hohen Bewertungen von Biotech-Aktien hinweist, zählen zu den Gründen des Kursverfalls.
      Für Anleger sind fallende Kurse von teuren Aktie oft Gelegenheit günstiger einzusteigen. Millennium Pharma zählt zu den Top-Titeln, von denen langfristig noch viel zu erwarten ist. So ist das Unternehmen zum Beispiel im Besitz wertvoller Patente und somit kommerzieller Gewinner einer Aufsehen erregenden Methode zur Früherkennung eines durch Erbanlagen erhöhten Risikos für Herzinfarkt und Arterienverkalkung bei relativ jungen Menschen.
      Namhafte Wissenschaftler führender US-Institute stellten die Ergebnisse erster Studien vor. Sie erwarten eine breite Anwendung des Verfahrens in der Vorsorge-Diagnostik. Üblicherweise wird ein erhöhtes Infarkt-Risiko erst bei Männern angenommen, die das 45. Lebensjahr vollendet haben. Bei Frauen gelten 50 Jahre als Grenze.
      Trotzdem erkranken auch zahlreiche jüngere Menschen aus bisher ungeklärter Ursache. Die These, dass eine genetische Vorbelastung schuld sein könnte, ist nun erhärtet. Die untersuchten Patienten wiesen Veränderungen an drei Genen (TSP-1, TSP-2 und TSP-4) aus der Familie der Thrombospondine auf, die unter anderem die Blutfettbildung regulieren.
      Nächste Stufe der Forschungsarbeit ist die Entwicklung gentechnischer Routine-Tests zur Früherkennung einer solchen Vorbelastung, um Risikopatienten frühzeitig zu behandeln.
      Die Patente für die dazu nötigen Gen-Mutanten und damit die kommerziellen Rechte für die Diagnoseverfahren lassen beträchtliche Lizenz-Einnahmen für das auf Gen-“Jagd“ spezialisierte Unternehmen Millennium Pharmaceuticals erwarten.
      Die Millennium-Aktien sind im Zuge der aktuellen Anleger-Skepsis gegenüber Biotechwerten trotz der vielversprechenden Forschungsberichte vom Hoch bei 89 auf jetzt 57 Dollar gefallen. Die nächste charttechnische Unterstützungszone liegt bei 54 Dollar.
      Ein günstiger Einstieg könnte sich ergeben, wenn der Kurs der Aktie bei hohem Handelsvolumen die Unterstützungszone erfolgreich testet und danach wieder ansteigt. Das Kursziel liegt bei 85 Dollar.


      Gruß Horst,mit seinem ersten Biotech-Langfristinvestment
      Avatar
      schrieb am 15.11.00 13:41:19
      Beitrag Nr. 124 ()
      @holser

      hier soll es weniger um einzelfirmen gehen, mehr um die grundlagen der biotechs. und wenn analysten das gleiche empfehlen, macht mich das eher skeptisch, bin ich doch mein eigener kontraindikator? ;)

      in den nächsten tagen/wochen werde ich mich mal um krebserkrankungen, stand der forschung etc. kümmern, das nur mal vorne weg.


      Krebs - was ist das eigentlich?

      Die Bezeichnung "Krebs" steht für eine große Gruppe ganz unterschiedlicher Erkrankungen, die eines gemeinsam haben: die unkontrollierte Teilung von Zellen eines Organs oder Gewebes. Was daraus entsteht, ist ein Tumor, zu deutsch Geschwulst. Bösartige Tumoren zeichnen sich dadurch aus, daß sie der normalen Wachstumskontrolle des Organismus entzogen sind. Die "entarteten" Zellen vermehren sich ungebremst. Sie wachsen in umliegendes Gewebe ein und zerstören es, können in Blutbahnen und Lymphgefäße eindringen und mit dem Blut- und Lymphstrom in andere Körperorgane gelangen. Dort können sie sich ansiedeln und sich weiter vermehren - es entstehen Tochtergeschwülste (Metastasen).

      Die Ursache für die Entstehung von Krebs liegt in einer Veränderung im Erbgut von Körperzellen, die zur Fehlsteuerung des Wachstums führt. In der Regel müssen viele Faktoren, äußere und innere, zusammenwirken, um eine Zelle in eine Krebszelle umzuwandeln. Sowenig es den Krebs gibt, sowenig kann man auch von der Krebsursache sprechen. Die gemeinsame Endstrecke dieser Schädigungen und Störungen ist eine Veränderung von Kontrollgenen des Zellwachstums, was zu ungeregelter Zellteilung und Verlust gewebetypischer Eigenschaften führt.

      Äußere Einflüsse, die zur Auslösung einer Krebserkrankung beitragen können, wie beispielsweise Tabakrauch, die ultravioletten Strahlen der Sonne, radioaktive Strahlung, bestimmte Schimmelpilze auf Lebensmitteln, Fehlernährung, einige Virusinfektionen oder manche Chemikalien, können nicht allein verantwortlich gemacht werden.

      Oft spielt auch eine erbliche Veranlagung eine Rolle, die sich äußert als erhöhte Empfindlichkeit der Zellen gegenüber schädigenden Einflüsse oder geringere Fähigkeit des Körpers, entstandene Schäden am Erbgut im Zellkern zu reparieren. Bei einigen Krebsarten ist es gelungen, "Risikogene" zu isolieren, deren Veränderung für die Erkrankung anfälliger macht. Nur bei sehr wenigen seltenen Krebsarten bedeutet jedoch die Vererbung eines bestimmten defekten Gens, daß die Krankheit sicher ausbricht - in den meisten Fällen ist lediglich das Erkrankungsrisiko stark erhöht, und viele Betroffene entwickeln trotz des Gendefektes keinen Krebs.

      Auch das Immunsystem, das für die Erkennung und Beseitigung körperfremder und abnormer Elemente - z.B. Bakterien, aber auch Krebszellen - verantwortlich ist, spielt eine Rolle bei Entstehung und Verlauf mancher Krebserkrankungen. Ist die Abwehr gestört, so können auch Krebszellen leichter wachsen.

      Bei einigen Krebserkrankungen spielen hormonelle Einflüsse eine Rolle. Körpereigene und/oder künstlich zugeführte Hormone können das Erkrankungsrisiko bei diesen Krebsformen erhöhen (Risikofaktoren).

      Wesentlich für die Schädlichkeit krebsfördernder Einflüsse ist auch die Dauer des Einwirkens. Zusammen mit der Abnahme der Reparaturfähigkeiten des menschlichen Organismus im Alter ist dies einer der Gründe dafür, daß Krebserkrankungen bei älteren Menschen wesentlich häufiger sind als im jüngeren Lebensalter.


      Krebserkrankungen der Brust

      Etwa drei Viertel der Brusttumoren (von lat. Tumor = Geschwulst) sind kein Krebs, sondern gutartig. Sie gehen häufig vom Bindegewebe (und heißen dann Fibrome) oder vom Fettgewebe (Lipome) aus; Zysten wiederum sind flüssigkeitsgefüllte Hohlräume. Diese gutartigen Veränderungen werden in dieser Broschüre nicht besprochen.

      Bösartige Tumoren der Brust (Mammakarzinome), gehen vom Drüsenanteil der Brust aus. Brustkrebs ist in Deutschland die häufigste Krebserkrankung der Frau, jeder vierte Krebs bei der Frau betrifft die Brust. Jährlich erkranken schätzungsweise 43.000 Frauen, von diesen sind etwa 15.000 zum Diagnosezeitpunkt jünger als 60 Jahre. Das Erkrankungsrisiko steigt ab dem vierten Lebensjahrzehnt mit zunehmendem Alter allmählich an. Insgesamt hat die Häufigkeit dieser Krebsform in Europa in den letzten 20 Jahren zugenommen.


      Genetische Einflüsse bei Brustkrebs:

      Es gibt Familien (Brustkrebsfamilien) in denen erbliche Genveränderungen vorkommen, die mit einem sehr hohen Erkrankungsrisiko für Brustkrebs verbunden sind. In den Körperzellen von Frauen mit einer angeborenen krebsbegünstigenden Genveränderung können im Laufe des Lebens weitere hinzukommen, die letztlich zur Entartung einer Zelle führen. Typisch für die familiären Brustkrebsformen ist, daß die Erkrankung bei mehreren Familienmitgliedern auftritt, - dies zeigt sich insbesondere bei großen Familien -, daß der Krebs bereits vor dem 40. bis 50. Lebensjahr dianostiziert wird und daß öfter beide Brüste betroffen sind. Als wichtigste Gene im Zusammenhang mit dem familiären Brustkrebs gelten heute BRCA-1 und BRCA-2. In ihrem normalen Zustand erfüllen die beiden Gene wichtige Funktionen in der Zelle. Durch eine Veränderung ihrer chemischen Struktur kann diese Funktion gestört werden: für die betroffene Zelle ist dies ein erster Schritt in Richtung bösartiger Veränderung.

      Eine Frau mit einer ererbten Veränderung im Gen BRCA-1 hat (statistisch gesehen) ein sehr hohes Risiko, im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs zu erkranken und auch ihr Risiko für Eierstockkrebs ist hoch. Bei angeborener Veränderung im BRCA-2 Gen ist das Erkrankungsrisiko für Brustkrebs sehr stark, für Eierstockkrebs mäßig erhöht. Auch männliche Träger der Veränderung im Gen BRCA-2 haben ein erhöhtes Brustkrebsrisiko. Verschiedene andere bösartige Erkrankungen treten in den betroffenen Familien ebenfalls etwas häufiger als gewöhnlich auf.
      Ob Gene verändert sind, kann im Labor untersucht werden. Dazu benötigt man Zellen mit deren Erbgut. Diese kann man aus dem Blut oder, wenn eine Krebserkrankung vorliegt, zusätzlich aus dem bösartigen Tumor gewinnen. Untersuchungen dieser Art (Molekulare Diagnostik oder Gendiagnostik ) können nur innerhalb von Brustkrebsfamilien eine Aussage zum persönlichen Erkrankungsrisiko machen. Da eine ausgeprägte familiäre Erkrankungsbereitschaft in Deutschland aber wegen der durchschnittlich geringen Zahl an Familienmitgliedern nicht immer deutlich zutage tritt, ist nicht allein die Erkrankungshäufigkeit ein Indiz. Wenn die folgenden Situationen vorliegen, besteht zumindest ein starker Verdacht, daß innerhalb der Familie ein Risikogen vererbt wird: In einer Familie sind mindestens zwei nah miteinander verwandte Frauen an Brust und/oder Eierstockkrebs erkrankt, und zumindest bei einer von beiden ist die Erkrankung vor dem 50. Lebensjahr aufgetreten oder eine Frau ist an mindestens zwei verschiedenen bösartigen Tumoren (Brust- oder Eierstockkrebs) erkrankt.

      Insgesamt werden etwa 5% bis 10% aller Brustkrebserkrankungen auf ererbte Genveränderungen innerhalb von Brustkrebsfamilien zurückgeführt.
      Zur Betreuung von Mitgliedern aus Familien mit deutlichem Hinweis auf bzw. Nachweis einer ererbten Erkrankungsbereitschaft wurden in Deutschland mehrere Beratungszentren eingerichtet. Dort arbeiten Fachleute aus verschiedenen Bereichen (Frauenheilkunde, Genetik, Psychologie) zusammen, um die Familien umfassend betreuen zu können. Maßnahmen zur frühzeitigen Entdeckung und Vorbeugung der Erkrankungen werden erprobt. Die Adressen können bei den im Abschnitt "Leben mit der Erkrankung" aufgeführten Einrichtungen erfragt werden.


      Risikofaktoren für Brustkrebs

      Die Mehrheit aller Patientinnen mit Brustkrebs, also etwa 90% bis 95% aller erkrankten Frauen, stammen nicht aus Brustkrebsfamilien. Angeborene Genveränderungen spielen für die Entstehung ihrer Erkrankung nur eine untergeordnete oder gar keine Rolle. Ein genetischer Test kann deshalb keine Aussage zur Höhe des Erkrankungsrisikos machen.

      Es wird angenommen, daß bei der Krankheitsentstehung viele verschiedene Einflüsse gemeinsam beteiligt sind. Wie dies genau geschieht, ist noch nicht bekannt. Es konnten aber eine Reihe von Faktoren aufgedeckt werden, die das persönliche Risiko erhöhen, an Brustkrebs zu erkranken (Risikofaktoren).

      Das Lebensalter kann als Risikofaktor angesehen werden, denn etwa ab dem 30. bis 75. Lebensjahr steigt das Erkrankungsrisiko stetig an.
      Ist die Mutter oder eine Schwester an Brustkrebs erkrankt, so ist das Risiko einer Frau durchschnittlich zwei bis dreimal höher als ohne eine solche.

      Ist eine Frau bereits an einer Brust erkrankt, so besteht ein erhöhtes Erkrankungsrisiko auch in der anderen Brust.

      Frauen mit früher erster Regelblutung, mit spätem Eintritt der Wechseljahre und Frauen mit später ersten oder keiner Geburt erkranken häufiger als der Durchschnitt.

      Gutartige Brusterkrankungen sind in der Regel nicht mit einem erhöhten Risiko verbunden. Eine Ausnahme bildet die stärker ausgeprägte Form der Mastopathie, einer häufig vorkommenden, eigentlich harmlosen Veränderung der Brustdrüse: Bei der Mastopathie mit Zellwucherungen (proliferierende Mastopathie), insbesondere wenn die Zellen vom üblichen Aussehen stark abweichen (Atypien), ist das Risiko erhöht.

      Auch die Ernährungsweise scheint für das Erkrankungsrisiko eine Rolle spielen zu können. Fettreiche Ernährung wird oft mit einem erhöhten Risiko in Zusammenhang gebracht, aber nicht alle wissenschaftlichen Untersuchungen kommen zu diesem Ergebnis. Regelmäßiger Alkoholkonsum ist mit einer erhöhten Erkrankungswahrscheinlichkeit verbunden. Frauen mit Übergewicht erkranken nach der Menopause etwas häufiger als der Durchschnitt.

      Häufig stellen Frauen die Frage nach den Risiken durch eine Hormoneinnahme. Hier muß man unterscheiden zwischen der Einnahme von weiblichen Hormonen, Östrogenen und/oder Gestagenen, zum Zweck der Empfängnisverhütung ("Pille") und jenem zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden. Die verwendeten Hormone unterscheiden sich sowohl im Feinbau (chemische Struktur) und auch die jeweils eingenommenen Mengen (Dosierungen) sind unterschiedlich.

      Während der Einnahme der empfängnisverhütenden Pille und bis zu 10 Jahre danach besteht ein geringfügig erhöhtes Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Danach ist das Erkrankungsrisiko gleich jenen Frauen, die niemals die Pille genommen haben.

      Gegen Wechseljahresbeschwerden helfen Östrogene. Werden Östrogene alleine oder in Kombination mit Gestagenen über mehr als 5 Jahre eingenommen, so kann ein geringfügig erhöhtes Risiko an Brustkrebs zu erkranken nicht sicher ausgeschlossen werden.


      Anzeichen und Früherkennungsmöglichkeiten

      Brustkrebs bereitet in seinem frühen Stadium keine Beschwerden oder Schmerzen. Es gibt aber einige Anzeichen, die auf einen Krebs hindeuten können (aber nicht müssen!), und die eine Frau deshalb immer zum Arzt führen sollten, um die genaue Ursache feststellen zu lassen:

      neu aufgetretene Knoten oder Verhärtungen in der Brust,
      eine neu aufgetretene Größendifferenz der Brüste,
      ein unterschiedliches Verhalten der Brüste beim Heben der Arme,
      Einziehung einer Brustwarze,
      Hautveränderungen einer Brustwarze,
      einseitige wasserklare oder blutige Absonderungen aus einer Brustwarze,
      eine plötzlich auftretende, nicht mehr abklingende Rötung einer Brust.
      Knoten in der Achselhöhle.
      Ein rechtzeitiges Erkennen von Brustkrebs verbessert die Erfolgsaussichten der Behandlung entscheidend. Vor allem durch regelmäßiges Abtasten der Brust auf neu aufgetretene knotige Veränderungen kann ein kleiner Brusttumor erkannt werden, noch bevor er zu sichtbaren Anzeichen führt. Daher zahlen die gesetzlichen Krankenkassen ab dem 30. Lebensjahr jährlich eine Früherkennungsuntersuchung der Brust, wobei der Arzt die Brust und die Achselhöhle sorgfältig abtastet (klinische Untersuchung). In diesem Rahmen wird auch die Abstrichuntersuchung des Gebärmutterhalses, die ab dem 20. Lebensjahr zum Früherkennungsprogramm gehört, durchgeführt.
      Brustkrebs kann sich schon innerhalb eines Jahres zu einem tastbaren Knoten entwickeln. Die Frau selbst kennt die "Drüsenlandschaft" ihrer Brust am besten und kann deshalb Veränderungen leichter erspüren als ihr Arzt. Aus diesen Gründen sollte sie die Brust jeden Monat selbst untersuchen. Die beste Zeit ist nach der Monatsblutung, denn dann ist die Brust am entspanntesten. Bei eingeseifter Haut zum Beispiel unter der Dusche lassen sich knotige Veränderungen besonders gut ertasten. Die geeignete Technik kann man sich entweder vom Arzt zeigen lassen oder in einer der zahlreichen bebilderten Broschüren zur Selbstuntersuchung nachlesen. Tastet eine Frau eine Veränderung, so sollte sie sofort zum Arzt gehen, um deren Natur klären zu lassen.

      Hinweise auf eine Krebserkrankung kann der Arzt auch aus einer Röntgenuntersuchung der Brust erhalten, der Mammographie. Die Aufnahme kann Knoten auch unterhalb der tastbaren Größe von etwa einem Zentimeter sichtbar machen. Kleine, in Grüppchen liegende Kalkherde (Mikrokalk) auf dem Röntgenbild sind Zeichen für Umbauvorgänge und können auch erste Hinweise auf eine Erkrankung sein. Mit der Mammographie kann man aber nicht mit letzter Sicherheit feststellen, ob eine auffällige Stelle Krebs ist oder nicht.

      Für die Häufigkeit und die Zeitpunkte einer Mammographie bei Frauen ohne verdächtigen Befund sind die Empfehlungen nicht ganz einheitlich. Die meisten Fachleute in Deutschland einigten sich darauf, daß eine Frau, die keiner Risikogruppe angehört, zwischen dem 30. und dem 40. Lebensjahr einmal eine "Basismammographie" durchführen lassen sollte, um später eine Vergleichsaufnahme zu haben, falls der Verdacht auf einen Brusttumor aufkommen sollte. Ab dem 40. Lebensjahr wird geraten, alle zwei Jahre eine Aufnahme machen zu lassen. Bei Frauen, die ein erhöhtes Brustkrebsrisiko haben, können häufigere Untersuchungen angebracht sein. Frauen aus Familien mit einer erblichen Veranlagung für Brustkrebs werden Beratung und intensive Untersuchungsprogramme in spezialisierten Zentren angeboten.

      Als Röntgenuntersuchung ist die Mammographie mit einer Belastung durch Röntgenstrahlen verbunden, die die Zellen schädigen können. Eine Untersuchung der Brust besteht in der Regel aus zwei Aufnahmen. Insgesamt soll dabei eine Dosis von 5 Milli-Sievert (mSv eine Einheit für diese Art von Strahlung), nicht überschritten werden. Bei Geräten mit dem Rasterverfahren, die heute als Standard gelten, und deren optimaler Anwendung liegt die Belastung deutlich darunter. Zum Vergleich beträgt die Menge an natürlicher gleichartiger Strahlung, die aus dem Weltraum oder aus der Erde stammt und der jeder ausgesetzt ist, pro Jahr etwa 2 Milli-Sievert. Die Mammographie bringt also nur eine vergleichweise geringe Strahlenbelastung mit sich. Viele Frauen befürchten, daß eine Brustkrebserkrankung durch die Einwirkung der Röntgenstrahlung der Mammographie begünstigt wird. Es ist nicht gänzlich auszuschließen, daß in sehr seltenen Fällen kleinste Strahlenmengen bei der Entstehung einer Krebserkrankung eine Rolle spielen könnten, jedoch ist dieses Risiko äußerst gering und nicht zu vergleichen mit der Gefahr, eine etwaige Krebserkrankung nicht oder zu spät zu erkennen. Dennoch sollte keine Aufnahme unnötig vorgenommen werden und jede Mammographie wie andere Röntgenuntersuchungen auch in einen Röntgenpaß eingetragen werden.



      Untersuchungen zur Sicherung der Diagnose

      Bei jedem Anzeichen, das auf Brustkrebs hindeuten könnte, muß in weiteren Untersuchungen geklärt werden, welcher Art die beobachteten Veränderungen sind und ob es sich tatsächlich um Krebs handelt.
      Die Mammographie ist die wichtigste Untersuchungsmethode bei einer verdächtigen Veränderung der Brust. Ergänzend zur Mammographie kann oft eine Ultraschalluntersuchung sinnvoll sein, mit der man vor allem Zysten sehr gut erkennen kann. Eine Kernspintomographie der Brust kann in speziellen Situationen erwogen werden.
      Da mit keinem der bildgebenden Verfahren sicher festgestellt werden, ob ein Knoten gutartig oder bösartig ist, müssen die Zellen aus dem verdächtigen Bezirk mittels mikroskopischer Untersuchungen begutachtet werden.

      Gewebeproben für solche Untersuchungen können durch eine Entnahme (Biopsie) mit Hilfe einer Hohlnadel (Feinnadelbiopsie) gewonnen werden. Finden sich in dem entnommenen Material Krebszellen, ist die Diagnose gesichert. Finden sich aber keine Krebszellen darin, so ist eine Krebserkrankung noch nicht ausgeschlossen, denn die bösartigen Zellen könnten sich neben der Stelle befinden, in die die Nadel geführt wurde. Die Feinnadelbiopsie erspart deshalb in der Regel nicht die Operation. Es kann allerdings in verschiedenen Situationen hilfreich sein, bereits vor der Operation einen bösartigen Tumor sicher zu erkennen, z.B. wenn der Tumor groß ist und deshalb die Entscheidung ansteht, ob er vor der Operation mittels einer Chemotherapie verkleinert werden soll.

      Bei der Operation wird das gesamte verdächtige Gewebe entnommen. Das Gewebestück wird nach der Entnahme in feinste Scheibchen geschnitten und von einem Pathologen, unter dem Mikroskop auf Krebszellen untersucht. Die feingewebliche Begutachtung des entfernten Gewebes (Fachausdruck histologische Untersuchung) ist die einzige, mit der ein Brustkrebs sicher erkannt oder ausgeschlossen werden kann. Alle anderen Untersuchungen können nur Hinweise, aber keine Beweise erbringen.

      Ist eine Krebserkrankung sicher festgestellt, dann müssen weitere Untersuchungen folgen. Vor allem wird untersucht, ob sich die Erkrankung schon ausgebreitet hat, also ob sich an anderer Stelle im Körper Tochtergeschwülste (Metastasen) gebildet haben. Es werden die Körperbereiche einbezogen, wo sich Metastasen bevorzugt absiedeln. Die Lunge wird geröntgt, das Knochengerüst mit Hilfe einer Knochenszintigraphie und die Leber durch Ultraschall untersucht. Bei unklaren Untersuchungsergebnissen kann ergänzend auch eine Schichtaufnahme mit Computertomographie oder Kernspintomographie zur Darstellung von Leber und anderen Organen des Bauchraums angewandt werden. Gegebenenfalls können im Blut die Tumormarker CEA und CA 15-3 bestimmt werden. Diese Stoffe werden oft von den Tumorzellen gebildet. Sind sie vor der Therapie erhöht, so kann aus ihrer Messung nach der Therapie ein Hinweis auf den Therapieerfolg gewonnen werden.



      Behandlungsmöglichkeiten

      Hinter dem Begriff Brustkrebs verbergen sich sehr unterschiedliche Tumoren und Krankheitssituationen. Die Brusttumoren haben unterschiedlich ausgeprägte Tendenzen, nach ihrer Behandlung am gleichen Ort wieder zu wachsen und/oder sich durch Tochtergeschwülste über den Körper auszubreiten. Anhand von detaillierten Charakteristika der Erkrankung wird versucht, diesen Grad der Bösartigkeit einzuschätzen und davon ausgehend einen maßgeschneiderten Therapieplan zu erstellen.

      Stützpfeiler der Therapie ist die Behandlung des Tumors in der Brust, in der Regel durch eine Operation. Zusätzlich werden Lymphknoten aus der Achselhöhle derselben Seite entfernt. Oft wird zusätzlich eine Strahlentherapie durchgeführt.

      Ob eine ergänzende Behandlung (adjuvante Therapie) mit Medikamenten - Hormontherapie oder Chemotherapie - Vorteile für die Betroffene erwarten läßt, versucht der Arzt aus dem Ergebnis der feingeweblichen Untersuchung des entfernten Brustgewebes und auch der entfernten Lymphknoten abzuschätzen.

      Durch die mikroskopische Untersuchung erhält der Arzt vor allem Kenntnis über die genaue Größe des Tumors, Tumorart, Entartungsgrad der Tumorzellen, Gehalt der Zellen an Hormonbindungstellen für weibliche Geschlechtshormone (Hormonrezeptoren) und über die Ausbreitung der Erkrankung in die Achsellymphknoten. Für die Wahl der ergänzenden medikamentösen Therapie ist neben dem Alter und dem allgemeinen gesundheitlichen Zustand auch bedeutsam, ob die Patientin noch Regelblutungen hat.

      Die Ausbreitung der Erkrankung wird in der sogenannten TNM-Klassifikation angegeben. T steht für Tumorgröße, N steht für Nodus (lat. = Lymphknoten), und M steht für Metastasen. Eine (vorläufige) Einstufung erfolgt vor der Operation, genaue Angaben erhält man aber erst durch die histologische Untersuchung des entnommenen Gewebes. Je nach Größe des Tumors und danach, wie viele der entfernten Lymphknoten Krebszellen enthalten, und ob er sich in andere Organe ausgebreitet hat, erfolgt die Beschreibung mit Hilfe von Zahlen (die Angaben können durch angehängte Buchstaben verfeinert werden). T1N0M0 bezeichnet zum Beispiel einen auf die Brustdrüse beschränkten Tumor ohne Lymphknotenbefall und Metastasen. Wurde die Einstufung nach der Operation durchgeführt, so wird zur Verdeutlichung jeweils ein p (für pathologische Beurteilung) vorangestellt, also z.B. pT, um die feingeweblich bestimmte Tumorgröße anzugeben.

      Der Grad der Ausreifung von Tumorzellen (engl. Grading) wird unter dem Mikroskop nach ihrem Aussehen beurteilt, die möglichen Werte dafür sind Grad 1 bis Grad 4. Der Wert beschreibt, wie stark die Krebszellen in ihrem Aussehen von den gesunden, reifen Zellen abweichen. Man schließt daraus auf die "Bösartigkeit" des Tumors. Zellen vom Grad 1 sind den normalen Zellen relativ ähnlich, während Tumorzellen vom Grad 4 kaum noch Gemeinsamkeiten mit den reifen Zellen aufweisen.


      Operative Therapie:

      Oft läßt sich vorab nicht sicher sagen, wie ausgedehnt die Operation sein wird. Meist wird als Therapie eine einzige Operation (einzeitiges Vorgehen) durchgeführt, wobei während der Operation oft eine vorläufige feingewebliche Untersuchung von entferntem Gewebe stattfindet. Es kann aber auch ein zweizeitiges Vorgehen vereinbart sein, wobei das nach der ersten Operation erstellte ausführliche feingewebliche Untersuchungsergebnis darüber entscheidet, ob eine zweite Operation nötig ist.

      Wenn die Krankheitssituation es zuläßt, wird nicht die Brust nicht vollständig entfernt, sondern nur der vom Tumor befallene Teil. Das ist heute bei der Mehrzahl der Patientinnen möglich. Diese Entwicklung kommt den Bedürfnissen der Frauen sehr entgegen, da die psychische Belastung meist geringer ist. Die Entfernung der Brust, bis vor wenigen Jahren übliches Vorgehen, ist nur dann angebracht, wenn die Erkrankungssituation gegen eine brusterhaltende Therapie spricht. Grundlage für diese Entwicklung ist die Erkenntnis, daß Lebenserwartung und Heilungschancen weniger vom Ausmaß der Brustoperation als vielmehr davon abhängt, ob sich Tochtergeschwülste in anderen Körperbereichen bilden.

      Prinzipiell geeignet für eine brusterhaltende Operation ist ein einzelner, örtlich begrenzt wachsender Tumor mit einer Größe bis zu zwei Zentimetern. Er darf nicht in die Brustwandmuskulatur oder in die Brusthaut eingewachsen sein. Auch größere Tumoren können, wenn die Situation günstig ist, brusterhaltend operiert werden. Zu berücksichtigen ist hierbei allerdings auch das Verhältnis zwischen Tumorgröße und Brustgröße, da sowohl das kosmetische Ergebnis als auch die Rückfallhäufigkeit davon abhängig ist. Wenn der Tumor zu groß für eine brusterhaltende Operation ist, kann gegebenenfalls auch versucht werden, ihn mit einer Chemotherapie so weit zu verkleinern, daß eine brusterhaltende Operation möglich wird, sogenannte neoadjuvante Chemotherapie vor der Operation. In einigen Erkrankungssituationen wird ein brusterhaltendes Vorgehen in der Regel als nicht geeignet angesehen, z.B. wenn gleichzeitig mehrere Tumoren in einer Brust vorhanden sind.

      Die Schnittführung bei der brusterhaltenden Operation wird so gewählt, daß für das Aussehen der Brust ein günstiges Ergebnis erzielt werden kann. Ziel des Eingriffs ist es, den Tumor mit einem ausreichenden Rand aus gesundem Gewebe zu entfernen. Während der Operation kann innerhalb kurzer Zeit eine vorläufige feingewebliche Untersuchung des entfernten Gewebes durchgeführt werden (Schnellschnittuntersuchung). Dadurch kann die Vollständigkeit der Tumorentfernung geprüft, sowie eine Unterscheidung zwischen gutartigem und bösartigem Tumor getroffen werden. Die zeitaufwendige gründliche Aufbereitung und feingewebliche Untersuchung des Gewebes findet im Anschluß an die Operation statt. Die endgültige Entscheidung darüber, ob eine brusterhaltende Operation ausreichend ist, kann erst getroffen werden, wenn das Ergebnis dieser Untersuchung vorliegt. Nur sie liefert genaue Angaben zu Art und Größe des Tumors und darüber, ob der Sicherheitssaum aus gesundem Gewebe überall ausreichend war.
      Wenn eine brusterhaltende Therapie nicht möglich ist, so ist in der Regel die Abnahme der Brust das geeignete Vorgehen. Die Chirurgen entfernen dabei den ganzen Drüsenkörper mit umgebendem Binde- und Fettgewebe sowie die bedeckende Haut, auch die Brustwarze. Sofern dies zur Vermeidung eines örtlichen Krankheitsrückfalls nötig ist, wird zusätzlich der kleine Brustmuskel entfernt. Diese Operation bietet ein hohes Maß an Sicherheit, daß der Tumor vollständig entfernt wurde. Während dieser Operation oder auch zu einem späteren Zeitpunkt kann auf Wunsch der Patientin die Wiederherstellung der Brust oder der erste Schritt dafür vorgenommen werden ("Brustprothese und Wiederaufbau").

      In der Regel werden zusätzlich zur Operation der Brust aus der Achselhöhle derselben Seite Lymphknoten entfernt und feingeweblich untersucht. Tastbare Lymphknoten können ein Hinweis auf einen Befall mit Tumorzellen sein, dies ist aber nicht zwangsläufig so. Andererseits können auch nicht-tastbare Lymphknoten, aber viel seltener, befallen sein. Die Operation verfolgt zwei Ziele: Der feingewebliche Befund der Lymphknoten gibt zum einen Hinweise auf die Ausbreitung von Tumorzellen im Körper, was bedeutsam für die weitere Therapie (adjuvante Therapie) sein kann. Zum anderen sollen die bereits sichtbaren Krebstumoren in Lymphknoten sowie die nur unter dem Mikroskop sichtbaren Tochterzellen, aus denen sich im Lauf der Zeit Tumore bilden können, entfernt werden. Die Lymphknoten der Achselhöhle werden vom Arzt nach ihrer Lage in die Gruppen I, II und III unterteilt. Sind die Lymphknoten bei der Diagnostik unauffällig, so ist die Entfernung von Lymphknoten der Gruppen I und II üblich, sie befinden sich in der unteren und mittleren "Etage" der Achselhöhle. Als Mindestzahl werden insgesamt 10 Lymphknoten angesehen. Die Lymphknoten der Gruppe III (obere "Etage") werden nur in bestimmten Erkrankungssituationen, insbesondere bei deutlichem Befall der anderen Lymphknotengruppen, mitentfernt.


      Bestrahlung:

      Bei der Strahlentherapie werden energiereiche elektromagnetische Wellen oder hochbeschleunigte Teilchen benutzt, um bösartige Zellen abzutöten. Meistens wird von außen durch die Haut bestrahlt (perkutane Strahlentherapie). Eine Strahlenquelle kann aber auch für eine kurze Frist in den Körper eingebracht werden (interstitielle Bestrahlung). Die Wirkung der Strahlen ist im wesentlichen auf den durchstrahlten tumortragenden Körperbereich beschränkt, umliegende Bezirke werden weitestgehend geschützt. Bei einer Bestrahlung von außen führt der Weg der Strahlung zu einem tieferliegenden Tumor zwangsläufig auch durch gesundes Gewebe. Damit sich gesundes Gewebe von einer Strahleneinwirkung erholen kann, erfolgt die Bestrahlung verteilt auf viele Sitzungen (fraktioniert) mit jeweils kleiner Strahlendosis. Bösartige Zellen erholen sich in den Bestrahlungspausen weniger gut als normales Gewebe.

      Wurde eine Brustentfernung durchgeführt, so ist nur bei Patientinnen mit hohem örtlichem Rückfallrisiko eine Nachbestrahlung notwendig. Dagegen schließt sich an die brusterhaltende Operation in der Regel eine perkutane Bestrahlung der gesamten Brust an. Diese Strahlenbehandlung beginnt zwei bis vier Wochen nach der Operation, wenn die Wundheilung abgeschlossen und eine mammographische Kontrolle erfolgt ist. Ziel der Nachbestrahlung ist die Abtötung von möglicherweise noch in der Brust vorhandenen, aber versteckt gebliebenen Tumorzellen.
      Eine Bestrahlung kann auch eingesetzt werden zur Behandlung von Tochtergeschwülsten, insbesondere wenn diese das Skelett befallen (Knochenmetastasen) und die Stabilität gefährden.


      Hormontherapie

      Östrogene sind weibliche Geschlechtshormone. Vor den Wechseljahren werden sie hauptsächlich in den Eierstöcken gebildet. Parallel mit dem allmählichen Ausbleiben der Regelblutung versiegt diese Quelle. Nach den Wechseljahren werden vom Körper an anderen Stellen, hauptsächlich in Muskeln und Fettgewebe, der Leber und der Brustdrüse, weiterhin geringe Mengen des Hormons hergestellt. Dies geschieht durch die Umwandlung der in den Nebennieren gebildeten männlichen Geschlechtshormone durch das Enzym Aromatase.

      Ein großer Teil der bösartigen Brusttumoren kann durch Östrogene im Wachstum angeregt werden: Je mehr Östrogene vorhanden sind, um so stärker wachsen sie. Umgekehrt können sie durch Entzug der Hormone in ihrem Wachstum gebremst werden. Zellen von Tumoren, die sich in ihrem Wachstum nicht von Hormonen beeinflussen lassen, haben in der Regel kaum Bindungsstellen für die Hormone (Hormonrezeptoren). Man kann den Gehalt an Hormonrezeptoren in Krebszellen durch Laboruntersuchungen bestimmen. Dabei werden sowohl Rezeptoren für Östrogene als auch solche für Gestagene gemessen. Gestagene sind ebenfalls weibliche Hormone, sie haben jedoch andere Aufgaben als Östrogene. Ist eine Mindestmenge einer der beiden Arten von Hormonbindungsstellen vorhanden, so bezeichnet der Arzt das entfernte Krebsgewebe als "Rezeptor-positiv". Bei 60 Prozent der bösartigen Brusttumoren von jüngeren Frauen (vor den Wechseljahren, praemenopausal) und 75 Prozent von älteren Frauen (nach den Wechseljahren, postmenopausal) trifft dies zu. Die Messung kann bei einer Therapieentscheidung von Bedeutung sein: Je höher der Gehalt eines Tumors an Hormonrezeptoren ist, um so wahrscheinlicher ist es, daß sein Wachstum durch eine Form der Hormontherapie gebremst werden kann. Die Hormontherapie kommt als Ergänzung zur Behandlung des bösartigen Tumors in der Brust und zur Behandlung von Tochtergeschwülsten in Frage.

      Alle bisher üblichen Formen der Hormontherapie versuchen auf unterschiedliche Weise, die Östrogenwirkung am Tumor aufzuheben. Die einfachste Therapieform besteht in der Ausschaltung der bedeutensten östrogenproduzierenden Organe, der Eierstöcke. Sie können operativ entfernt oder bestrahlt werden. Die Östrogenbildung in den Eierstöcken kann auch durch Medikamente verhindert werden: Die sogenannten GnRH-Agonisten greifen so in den Regulationshaushalt der Hormone ein, daß in den Eierstöcken keine Östrogene mehr gebildet werden. Desweiteren können zusätzliche Hormone oder antihormonell wirksame Substanzen (Antihormone) gegeben werden: Werden Gestagene in hohen Dosen eingenommen, so hemmen sie das Tumorwachstum über zwei Wege: Sie vermindern die Östrogenherstellung im Körper und behindern die Bildung von Östrogenrezeptoren in den Tumorzellen. Anti-Östrogene (bekanntestes Beispiel ist Tamoxifen) besetzen die Östrogenrezeptoren der Krebszelle und blockieren diese so für das Hormon Östrogen. Aromatasehemmer verhindern die Bildung von Östrogenen, indem sie die Umwandlung von männlichen Geschlechtshormonen zu Östrogenen blockieren.

      Da vor der Menopause das Keimdrüsenhormon Östrogen fast ausschließlich in den Eierstöcken gebildet wird, ist hier die Ausschaltung der Hormonproduktion in den Eierstöcken eine wirksame therapeutische Maßnahme. Wenn es angebracht ist, können andere hormonelle Therapieformen folgen. Mit den Wechseljahren versiegt allmählich die Hormonproduktion in den Eierstöcken und schließlich werden nur noch geringe Östrogenmengen im Körper über andere Herstellungswege (siehe oben) gebildet. Die Hormontherapie besteht dann meist aus der Gabe eines Anti-Östrogens. Bei Bedarf können Aromatasehemmer und Gestagene folgen.

      Die Hormonbehandlung hat den Vorteil einer sehr guten Verträglichkeit. Die Wirksamkeit der Therapie tritt erst nach Wochen ein, und die Medikamente müssen über mehrere Jahre eingenommen werden.


      Chemotherapie:

      Als Chemotherapie bezeichnet man die Gabe von Zytostatika - Medikamenten, welche die Zellteilung hemmen und Tumorzellen zum Absterben bringen. Sie wirken sehr gut gegen rasch wachsende Zellen, eine Eigenschaft insbesondere von Krebszellen. Bei bösartigen Tumoren der Brust kommt die Chemotherapie als Ergänzung zur Operation (ggf. mit Nachbestrahlung) und zur Behandlung von Tochtergeschwülsten in Frage.

      Das Medikament oder die Medikamentenkombination wird abhängig von der Erkrankungssituation und dem allgemeinen Gesundheitszustand der Erkrankten gewählt. Viele Zytostatika werden in Form von Infusionen verabreicht, manche als Tabletten. Sie werden meist an einem oder mehreren Tagen hintereinander gegeben. Der Fachausdruck für einen Behandlungsabschnitt dieser Art ist Chemotherapie-Zyklus. Die Medikamente werden nach einem erprobten Schema, in dem die Medikantenmengen und die zeitlichen Abstände festgelegt sind, verabreicht. Danach folgt eine Behandlungspause von 2 bis 4 Wochen, während der die Medikamente wirken sollen und sich der Körper von den Nebenwirkungen erholen kann. In der Regel folgen mehrere Zyklen aufeinander.

      Der Arzt hat verschiedene Möglichkeiten, um unangenehmen Nebenwirkungen vorzubeugen oder sie zumindest zu lindern. Auch reagieren Patientinnen sehr unterschiedlich auf die Chemotherapie. Bei manchen sind die Begleiterscheinungen stärker, bei anderen weniger stark ausgeprägt. Nebenwirkungen bei der Chemotherapie entstehen dadurch, daß das Medikament nicht nur die Krebszellen, sondern auch alle anderen Körperzellen angreift, die sich gerade teilen. Sie betreffen daher vor allem das Knochenmark, in dem die Blutzellen entstehen, und die Schleimhäute des Verdauungstraktes, denn diese Zellen teilen sich besonders häufig, wie eben auch Krebszellen. Die Medikamente verursachen in unterschiedlichem Maße Schwäche, Übelkeit und Erbrechen. Da sich auch die Zellen an den Haarwurzeln sehr oft teilen, kann es zu einem vorübergehenden Haarausfall, der bisweilen bis zum völligen Haarverlust reichen kann, kommen. Die Haare wachsen nach der Behandlung innerhalb von 3-6 Monaten wieder nach. Die belastende Zeit, bis die Haare nachgewachsen sind, kann auf Wunsch der Patientin mit einer Perücke überbrückt werden. Die Kosten für eine Kunsthaarperücke werden von der Krankenkasse übernommen.

      Art und Ausmaß der Nebenwirkungen bestimmen die noch zumutbare Menge eines Medikamentes und den zur Erholung nötigen zeitlichen Mindestabstand zwischen zwei Gaben. Schwerwiegende Nebenwirkungen, insbesondere eine starke Beeinträchtigung der Neubildung von Blutzellen, müssen vermieden werden. Durch die Entwicklung von Medikamenten, welche die Neubildung von Blutzellen anregen (Wachstumsfaktoren) sowie der Übertragung von Stammzellen der Blutbildung (Knochenmarktransplantation oder periphere Blutstammzelltransplantation) haben die Ärzte wirksame Mittel, um diese gefährliche Nebenwirkung besser zu behandeln oder zu vermeiden. Dadurch können Chemotherapie-Schemata heute intensiver (kürzere Abstände) gestaltet und/oder mit höheren Dosen von Medikamenten durchgeführt werden (intensivierte Chemotherapie, Hochdosischemotherapie). Diese Methoden sind in ausgewählten Situationen in der Erprobung, der Wert für verschiedene Gruppen von Patientinnen ist noch nicht abschließend geklärt.


      Bisphosphonate:

      Wenn Tochtergeschwülste auftreten, so ist am häufigsten das Skelett betroffen. Die Tumorzellen stören dort das Gleichgewicht von Knochenaufbau und Knochenabbau, indem sie knochenauflösende Zellen des Körpers zu vermehrter Aktivität anregen. Dadurch kommt es zum Abbau von Knochen in der nächsten Umgebung der Knochenmetastase. Hat der Knochenverlust ein größeres Ausmaß angenommen, so kann dadurch die Stabilität gefährdet sein. Durch den Abbau kann Kalzium, ein Hauptbestandteil des Knochens, vermehrt im Blut auftreten und sich schädlich auf verschiedene Körperfunktionen (zum Beispiel von Nieren und Herz) auswirken. Medikamente aus der Substanzgruppe der Bisphosphonate können Kalzium im Blut vermindern. Sie werden mit dem Ziel eingesetzt, knochenauflösenden Zellen zu hemmen, den Knochen widerstandsfähiger gegenüber Abbauversuchen zu machen und metastasenbedingte Knochenschmerzen zu lindern. Diese Medikamente gibt es als Tabletten oder Infusion.


      Immuntherapie und Gentherapie:

      Das menschliche Immunsystem ist ein kompliziertes Zusammenspiel vieler verschiedenartiger Elemente, von spezialisierten Zellen, Antikörpern und Botenstoffen. Seine Aufgabe ist die Abwehr körperfremder Substanzen und die Ausschaltung von körpereigenen Zellen, welche von der Norm abweichen, wie z.B. Krebszellen. Es hat sich zudem gezeigt, daß die gezielte Beeinflussung dieses komplizierten Systems bei manchen Krebserkrankungen sinnvoll sein kann. Einige Substanzen, die von Zellen des Immunsystems gebildet werden, wie Interferone, Interleukine verschiedene Impftechniken zur Anregung des Immunsystems wurden in klinischen Studien auf ihre Verwendbarkeit in der Krebstherapie geprüft. Bei Brustkrebs blieben die Bemühungen bislang meist ohne überzeugenden Erfolg.

      Das stetig zunehmende Detailwissen darüber, was im Innern von Zellen passiert, wie sie leben, wachsen und sich vermehren, wie die einzelnen Teile des Immunsystems zusammenwirken und die wachsenden Einsatzmöglichkeiten der Gentechnologie eröffnen eine Vielzahl völlig neuartiger Ansatzpunkte für die Krebstherapie. Die Entwicklungen auf diesem Gebiet vollziehen sich sehr rasch und lassen Hoffnung auf neue Krebstherapien wachwerden.


      Ergänzende (adjuvante) medikamentöse Therapie nach der Operation:

      Ist die Operation abgeschlossen und sind in den Untersuchungen keine Tochterabsiedelungen im Körper gefunden worden, so muß der Arzt abwägen, wie groß die Gefahr ist, daß im Körper noch Krebszellen vorhanden sind, die weiterwachsen und zu einem Rückfall führen könnten und ob deshalb eine zusätzliche Therapie mit Medikamenten angemessen ist. Da die Aussaat von Tochterzellen häufig über das Lymphsystem erfolgt, gibt die feingewebliche Untersuchung der Lymphknoten wichtige Hinweise: Bedeutsam ist hierbei, ob und wieviele Lymphknoten von Tumorzellen befallen sind. Mit der Anzahl befallener Lymphknoten steigt die Gefahr, daß sich ausgesäte Tumorzellen versteckt im Körper befinden (Mikrometastasen). Lymphknotenbefund und weitere Faktoren zur Einschätzung der Höhe des Rückfallrisikos nennt man in der Fachsprache Prognosefaktoren. Die Prognosefaktoren helfen dem Arzt dabei, den Nutzen einer ergänzenden Therapie abzuschätzen. Nach dem derzeitigen Wissensstand kann die adjuvante Therapie mit Zytostatika oder hormonell wirksamen Substanzen bewirken, daß viele Patientinnen länger ohne Anzeichen eines Erkrankungsrückfalls leben. Ob die Erkrankung damit auch vollständig aus dem Körper verbannt werden kann, läßt sich noch nicht beantworten. Der Nutzen einer adjuvanten Therapie ist je nach Erkrankungssituation unterschiedlich ausgeprägt: Vielen Patientinnen mit Tumorzellbefall der Lymphknoten kann die adjuvante Therapie deutlich helfen, von den Patientinnen ohne Befall der Lymphknoten haben weniger Patientinnen einen Vorteil. Der Grund ist, daß seltener versteckte Krebszellen im Körper vorhanden sind. Da aber nicht sicher beurteilt werden kann, welchen Patientinnen ohne Lymphknotenbefall die Therapie helfen wird und welchen nicht, besagen die internationalen Empfehlungen, daß alle Patientinnen, bis auf eine kleine Gruppe mit sehr guten Prognosefaktoren, eine adjuvante medikamentöse Therapie erhalten sollten. Hilfestellung für einen gezielteren Einsatz der adjuvanten Therapie erwartet man sich durch den Gebrauch von neueren Prognosefaktoren, die aber noch auf ihre Aussagekraft geprüft werden. Vor der Therapie ist in der Regel ein ausführliches Gespräch mit dem Arzt über den zu erwartetenden Nutzen einerseits und die möglichen Nebenwirkungen andererseits angebracht. Die Wahl der medikamentösen Therapie, Chemotherapie oder Hormontherapie, richtet sich vor allem nach dem feingeweblichen Untersuchungsbefund der Lymphknoten, dem Lebensalter, dem Gehalt des Tumors an Hormonrezeptoren, der Tumorgröße und dem Grading der Tumorzellen.


      Örtlicher Krankheitsrückfall:

      Bei etwa 10 Prozent der Patientinnen kommt es in den Jahren nach der Erstbehandlung zu einer Wiederkehr der Erkrankung in der verbliebenen Brust (nach brusterhaltender Operation) oder an der Brustkorbwand (nach Brustentfernung), der Fachausdruck dafür ist Lokalrezidiv. Anzeichen können knotige Veränderungen oder Rötungen an der operierten Brustseite sein.

      Die Behandlung des erneut gewachsenen Tumors an der Brustwand richtet sich nach seiner örtlichen Ausdehnung und der Vorbehandlung. In erster Linie kommen eine Operation und/oder Strahlentherapie in Frage. Wird die Gefahr einer weiteren Ausbreitung der Erkrankung im Körper hoch eingeschätzt, kann eine ergänzende Hormon- oder Chemotherapie bedacht werden.

      Bei einem erneuten bösartigen Tumor in der Brust nach brusterhaltender Therapie wird in der Regel die Brust entfernt. Im Einzelfall, insbesondere bei kleinen Tumoren, ist auch eine wiederholte brusterhaltende Therapie mit anschließender Bestrahlung möglich.


      Fernmetastasen (Tochtergeschwülste):

      Hat sich der Tumor durch Tochtergeschwülste über die nahe Umgebung der Brust hinaus im Körper ausgebreitet, so zielt die Behandlung hauptsächlich auf die Linderung von Beschwerden, die durch sie verursacht werden, oder auf deren Vorbeugung. Zwar ist eine dauerhafte Krankheitsfreiheit dann nicht mehr zu erreichen, aber in günstigen Situationen ist dennoch ein Leben mit der Erkrankung bis über Jahrzehnte möglich. Die Krankheitsverläufe sind sehr verschieden, ebenso werden die Belastungen durch die Erkrankung von Frau zu Frau sehr unterschiedlich empfunden. Der behandelnde Arzt paßt die Therapie diesen individuellen Gegebenheiten an. Mit Blut- oder Lymphstrom verschleppte Brustkrebszellen siedeln sich bevorzugt in den Knochen (Wirbelsäule, Rippen, Becken, Schädel), in der Lunge und das Rippenfell (Pleura), in Lymphknoten oberhalb des Schlüsselbeins und in der Leber an. Bei der Wahl der Therapie spielen neben Eigenschaften des Tumors und der Krankheitsausbreitung besonders die Wünsche der Patientin und ihr Allgemeinzustand eine entscheidende Rolle. Der erwartete Nutzen und die möglichen Nebenwirkungen müssen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden, bevor man sich zu einer Behandlung entschließt.
      Bei einer einzelnen Metastase, bei wenigen Tochtergeschwülsten in einem begrenzten Körperbereich oder wenn örtlich begrenzte Beschwerden im Vordergrund stehen, kann in geeigneten Fällen eine Bestrahlung und/oder eine Operation Linderung bringen. Sind die Tochtergeschwülste aber nicht auf einen engen Raum begrenzt, so sind Medikamente wirksamer. Handelt es sich um eine Erkrankungssituation, die ein schnelles Eingreifen erfordert, entweder weil die Beschwerden die Patientin sehr belasten oder das Tumorwachstum lebenswichtige Funktionen gefährdet, so wird der Arzt eine Chemotherapie vorschlagen. In günstigeren Fällen wird er eher eine Hormonbehandlung erwägen.


      Schmerzbehandlung

      In weit fortgeschrittenen Stadien einer Krebserkrankung stehen für die Patientin häufig die Schmerzen im Vordergrund und beeinflussen ihre Lebensqualität stärker als der Tumor selbst. Die wirksame Schmerzbekämpfung ist hier eine der wichtigsten Maßnahmen. Ein gute Schmerztherapie ist immer individuell auf die Schmerzsituation des Patienten abgestimmt.
      Mit den heute verfügbaren Medikamenten und Methoden lassen sich Tumorschmerzen in den meisten Fällen gut lindern. Im Vordergrund steht die Behandlung mit Tabletten. Je nach Schmerzstärke stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, die bei Bedarf kombiniert werden. Bei starken Schmerzen werden Opioide eingesetzt. Diese Abkömmlinge des Morphins sind die wirksamsten Schmerzmedikamente. Sie sind mittlerweile auch als Pflaster oder Nasenspray erhältlich. Bei der Schmerzbehandlung kommt es darauf an, daß die Medikamente nach einem festen Zeitplan eingenommen werden und nicht erst dann, wenn die Schmerzen wieder auftreten.
      Sind die Schmerzen so stark, daß Tabletten nicht mehr wirken, besteht die Möglichkeit, Opioide direkt in die Umgebung des Rückenmarks einzubringen. Das funktioniert über Katheter mit Pumpen oder die Einpflanzung von Reservoirsystemen, die eine kontinuierliche Opioidabgabe sicherstellen.
      Bei schmerzhaften Knochenmetastasen bringt eine gezielte Bestrahlung Linderung. Auch mit der Gabe von bestimmten radioaktiven Substanzen, die sich in erkranktem Knochengewebe anreichern und es von innen bestrahlen, können Rückbildungen von schmerzhaften Knochentumoren erreicht werden (Radionuklidtherapie).


      Brustprothesen und Wiederaufbau der Brust:

      Nach einer Brustentfernung haben die meisten Frauen den Wunsch, die fehlende Brust durch eine äußere Brustprothese oder durch einen Brustwiederaufbau zu ersetzen. Welche Methode die beste ist, richtet sich ganz wesentlich nach den Bedürfnissen der Frau und auch nach den medizinischen Möglichkeiten in jedem einzelnen Fall. So ist es beispielsweise von Bedeutung, wie dünn oder wie stark gespannt die Haut nach der Operation ist und ob bestrahlt wurde.

      Brustprothesen sind entweder außen getragene Büstenhalterprothesen oder solche, die durch eine Operation in den Körper eingelegt werden (Implantate). Büstenhalterprothesen können kurz nach der Operation schon getragen werden, zuerst eine sehr leichte Watteprothese, die das BH-Körbchen ausfüllt. Äußerliche Dauerprothesen bestehen aus gut verträglichem Silikon, einem Kunststoff. Sie sind in Gewicht und Beweglichkeit dem Brustgewebe ähnlich und können in der Form der verbliebenen Brust angepaßt werden. Hierdurch sind sie unauffällig und können auch unter einem Badeanzug getragen werden.

      Der Wiederaufbau der Brust kann durch das Einlegen einer inneren Prothese oder mit körpereigenem Gewebe erfolgen. Beide Methoden können auch miteinander kombiniert werden. Der erste Schritt sollte eine sorgfältige und ausführliche Beratung durch einen in solchen Operationstechniken erfahrenen Arzt sein. Dieser kann auch mit Bildern von Frauen vor und nach der Operation die Möglichkeiten veranschaulichen. Mögliche Risiken oder Komplikationen können mit dem Arzt besprochen werden.

      Eine Brustaufbauoperation bzw. deren erster Abschnitt ist prinzipiell jederzeit möglich. Im allgemeinen wird sie entweder gleichzeitig mit der Brustentfernung oder aber nach einem zeitlichen Abstand von mindestens 3-6 Monaten durchgeführt, da durch den ersten Eingriff bedingte Veränderungen der Haut sich bis dahin zurückgebildet haben.

      Innere Brustprothesen bestehen aus einem Kunststoffmantel mit Füllung. Die Füllmaterialien sind Silikongel, Salzwasser oder das sogenannte Hydrogel. Bislang meistgenutzt ist die Silikongelfüllung. Bei den üblichen zweikammrigen Silikonprothesen ist diese Silikongelfüllung zusätzlich von einem Wassermantel umgeben.

      Wenn genügend Hautmantel nach der Abnahme der Brust verblieben ist, kann die Prothese direkt eingelegt werden. Ist dies nicht der Fall, so wird zunächst ein Kunststoffbeutel, ein sogenannter Expander, unter den Brustmuskel eingefügt. Innerhalb weniger Wochen wird der Beutel allmählich mit Flüssigkeit, meist Kochsalzlösung, aufgefüllt, danach etwa 2-3 Monate belassen und schließlich, wenn die Haut ausreichend gedehnt ist, durch einen kurzen Eingriff gegen die endgültige Prothese ausgetauscht. Die inneren Brustprothesen werden vornehmlich unter den Brustmuskel, selten direkt unter die Haut, eingesetzt und verbleiben dort dauerhaft.

      Auch eine Brustwarze kann durch Hautverpflanzung, z.B. durch Übertragung eines Teils der gegenseitigen Brustwarze, nachgeahmt werden. Durch Tätowierung beispielsweise kann der Warzenhof nachgeahmt werden. Dies kann aber erst dann geschehen, wenn die neue Brust ihre endgültige Form erreicht hat.

      Manche Frauen lehnen eine innere Brustprothese ab, weil sie fürchten, man könnte einen neuen Tumor nicht erkennen, insbesondere wenn die Prothese vor dem Brustmuskel sitzt. Diese Annahme ist falsch, wie sich in wissenschaftlichen Studien gezeigt hat. Es besteht kein erhöhtes Rückfallrisiko durch den Wiederaufbau mit Prothese.

      Der Brustwiederaufbau mit Eigengewebe kann durch Verschiebung oder Verpflanzung von Haut- und Muskelgewebe erfolgen. Bei einer Verschiebung bleibt die Blutversorgung für das Gewebe über einen Stiel ständig erhalten, dagegen ist bei einer Verpflanzung die Blutzufuhr kurzfristig unterbrochen. Da bei Frauen das Hautfettgewebe im Bereich des Unterbauches recht stark ist, steht bei einer Verschiebung hier ausreichend Gewebe zur Bildung einer Brust zur Verfügung. Zur Gestaltung einer kleineren Brust kann Gewebe aus Haut, Fett und Muskel vom Rücken zur Brustwand verschoben werden. Für den Aufbau einer Brust durch Verpflanzung nutzt man einen Lappen aus Haut- und Muskelgewebe, der aus einer Gesäßbacke herausgeschnitten wird. Diese Operationen sind körperlich belastender als die Einlage einer Kunstoffprothese.

      Um ein ähnliches Aussehen beider Brüste zu erreichen, kann es angemessen sein, die gesunde Brust durch eine Operation der neuen Brust anzugleichen. Ist die gesunde Brust zu groß oder hängend, so kann sie verkleinert oder angehoben werden, um den Unterschied zur neuen Brust zu verringern. Das entfernte Drüsengewebe wird ebenfalls feingeweblich untersucht, um sicher zu sein, daß hier nicht auch Krebszellen wachsen.


      Wie geht es danach weiter?

      Nach Abschluß der intensiven medizinischen Behandlung beginnt eine Zeit, in der viele Patientinnen zunächst ratlos und unsicher sind, wie sie sich verhalten sollen. Wenn die Therapie mit heilender Absicht durchgeführt werden konnte, fragen sie sich, was sie tun können, um den weiteren Genesungsverlauf zu unterstützen und keinen Rückfall zu erleiden. Konnten mit der Therapie nicht alle Krebsherde auszuschalten, so fragt man sich, was auf einen zukommen wird, wie gegebenenfalls Beschwerden gelindert werden können, wer bei der Bewältigung dieser schwierigen Situation helfen kann. Der Begriff Nachsorge bezieht sich auf beide Situationen, er wird heute in umfassender Weise verstanden. Nachsorge beinhaltet die psychische sowie soziale Betreuung und Begleitung, die Rehabilitation sowie das Abwenden und Vermindern von erkrankungs- oder therapiebedingten Folgen.


      Nachsorgeuntersuchungen:

      Konnte durch die Operation der Tumor ganz entfernt werden, und ist keine weitere Therapie mehr erforderlich, so wird geraten, regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen durchführen zu lassen. Diese haben vor allem das Ziel, einen örtlichen Rückfall - falls er eintritt - möglichst früh zu erkennen, um ihn damit erfolgreicher behandeln zu können.

      Eine intensive Suche nach Fernmetastasen bringt für die Behandlungsmöglichkeiten in der Regel keinen Vorteil. Beim Umfang der Untersuchungen findet derzeit ein Umdenken statt, denn ein Mehr an Methoden scheint die Ziele der Nachsorge nicht besser erreichen zu können als wenige ausgewählte Untersuchungen. Zudem kann ein großer Untersuchungsaufwand auch belastend sein und abschreckend auf die Patientin wirken.

      Bei den Empfehlungen zur Art der Untersuchungen und den zeitlichen Abständen gibt es zwar große Übereinstimmungen zwischen den verschiedenen Kliniken, in den Details kann jedoch unterschiedlich vorgegangen werden. Außerdem kann der Arzt das individuelle Rückfallrisiko berücksichtigen und das Programm entsprechend anpassen. Es kann an dieser Stelle deshalb nur eine Orientierung gegeben werden, die Details zum Ablauf der Untersuchungen muß man jeweils beim behandelnden Arzt erfragen.

      In den ersten drei Jahren werden Untersuchungen in kurzfristigen, dann in mittelfristigen Abständen durchgeführt. Nach fünf Jahren ohne Rückfall genügen Kontrollen in längeren Abständen. Bei jedem Termin erkundigt sich der Arzt genau nach dem Befinden und führt eine körperliche Untersuchung durch. Dabei werden der Brustbereich, die Brustkorbwand und die Lymphabflußwege der Brust abgetastet. Es wird überprüft, ob der Arm der operierten Seite durch eine Lymphstauung angeschwollen ist und ob die Leber vergrößert ist. Werden durch das Abklopfen des Skelettes Schmerzen verursacht, so könnten Tochtergeschwülste in den Knochen die Ursache sein. Die Mammographie der brusterhaltend operierten sowie der Brust auf der Gegenseite ergänzen das Programm in den dafür vorgesehenen zeitlichen Abständen. Die betroffenen Frauen können sich vom Arzt in die Technik der Selbstuntersuchung einweisen lassen und diese regelmäßig durchführen. Kommt es zu einem verdächtigen Befund, so werden zusätzliche Untersuchungen zur Abklärung durchgeführt.


      Lymphödem:

      Ein besonderes Problem nach Brustkrebs kann das Anschwellen des Armes auf der operierten Seite sein. Wegen der Entfernung der Lymphknoten und der damit unterbrochenen Lymphwege ist der Abfluß behindert, und es kann zu einem Stau der Lymphflüssigkeit kommen (Lymphödem). Etwa zwei bis fünf von hundert Patientinnen sind davon schwerwiegend betroffen. Die Schwellung kann zu Ermüdbarkeit der Extremität, Gefahr von Wundinfektionen, Schmerzen und anderen Beschwerden führen. Das Ausmaß der Gefährdung für ein Lymphödem läßt sich für den Einzelfall nicht sicher vorhersagen. Die Art der Operation und die Anzahl der entfernten Lymphknoten haben einen Einfluß. Andererseits bildet der Körper in unterschiedlichem Ausmaß Ersatzlymphwege.

      Grundsätzlich ist es deshalb ratsam, daß zur Vorbeugung eines Lymphödems jede Patientin und auch ihr Arzt einige Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Dazu gehören eine Schonung des Armes bei Untersuchungen und Behandlungen (Blutdruckmessungen, Blutabnahme, intravenöse Medikamentengabe), bei der Arbeit (Verletzungen), und Schutz gegen große Hitzeeinwirkungen am Arm (lange heiße Bäder, langes Bügeln) und extreme Kälte.

      Beim Sonnen sollte der Arm zumindest anfänglich abgedeckt werden, Sonnen in Maßen ist nicht schädlich. Bestrahlte Hautbereiche vertragen die Sonne schlecht. Saunabenutzung kann, nach individueller Abklärung mit und Zustimmung vom Arzt, allmählich wieder begonnen werden.

      Leichte sportliche Betätigung schadet nicht, und es kann grundsätzlich jede Sportart ausgeübt werden, je nach Beanspruchung des Armes unterschiedlich intensiv.

      Kommt es zu einem Lymphödem, so muß zunächst untersucht werden, ob die Ursache nicht ein erneutes Krebswachstum in der Achselhöhle ist. Wenn nicht, kann die Schwellung zum Beispiel mit Hochlagerung des Arms, Wickeln oder Tragen eines Armstrumpfes, oder durch eine ganz spezielle Massagetechnik, die manuelle Lymphdrainage, behandelt werden.


      Unterstützende Maßnahmen:

      Nach der Entfernung von Lymphknoten aus der Achselhöhle kommt es zu einer anfänglichen Einschränkung der Beweglichkeit des Schultergelenkes. Daher sind krankengymnastische Übungen notwendig, die Schulter und Arm wieder beweglich machen. Speziell ausgebildete Krankengymnasten zeigen und machen mit den Patientinnen noch in der Klinik die ersten Übungen, die zu Hause fortgesetzt werden können.

      Viele Patientinnen wollen nach einer Brustkrebserkrankung nicht weiterleben wie zuvor, sie möchten etwas für sich tun und selbst zum Heilungsprozeß beitragen, zum Beispiel durch eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten. Wichtig ist: Es gibt keine Diätform oder spezielle Nahrungsergänzungsstoffe, für die nachgewiesen ist, daß sie Brustkrebs heilen oder eindämmen können. Auch ist nicht erwiesen, daß sich ein völliger Verzicht auf einzelne Lebensmittel, wie zum Beispiel Schweinefleisch, positiv auf den Heilungsprozeß auswirkt. Andererseits aber hat sich gezeigt, daß eine vollwertige und bedarfsgerechte Ernährung erheblich zur Verbesserung der allgemeinen gesundheitlichen Situation beitragen kann. Es handelt sich dabei nicht um eine "Diät", sondern eine Ernährungsweise, die alle Nährstoffe, die der Mensch zum Leben braucht, in entsprechender Menge enthält. Sofern man sich vorher bei der Ernährung nicht daran orientiert hat, ist eine Umstellung aus allgemein gesundheiltlichen Gründen sinnvoll.

      Über die beschriebenen erprobten Behandlungsverfahren wie Operation, Bestrahlung und Chemotherapie hinaus wird für die Therapie von Krebserkrankungen eine Vielzahl von Medikamenten und Methoden angeboten, deren Wirksamkeit gegen Krebs nicht mit den Mitteln der wissenschaftlich-klinischen Prüfung nachgewiesen wurde (Methoden mit unbewiesener Wirksamkeit). Die strenge Vorgehensweise bei der wissenschaftlich-klinischen Prüfung wurde entwickelt, um möglichst sicher entscheiden zu können, ob eine Methode wirksam ist oder nicht. Durch ihre Regeln können viele Irrtümer bei der Beurteilung vermieden werden.

      Einige dieser Methoden werden auch als "biologisch" oder "alternativ" bezeichnet. Den meisten davon wird zugeschrieben, daß sie die körpereigene Abwehr, das Immunsystem, "stärken" und damit auch gegen Krebszellen aktivieren sollen. Die Immunabwehr funktioniert aber in einem komplexen und komplizierten Zusammenspiel vieler Faktoren, das noch lange nicht vollständig untersucht und geklärt ist. Bei einigen Präparaten weiß man, daß sie tatsächlich Veränderungen im Immunsystem auslösen können. Aber ob sich diese Effekte günstig auf eine Krebserkrankung und die allgemeine Gesundheit auswirken, ist weit weniger klar. Auch unerwünschte Wirkungen sind nicht auszuschließen.

      Am verbreitetsten sind Zubereitungen aus der Mistel und aus tierischen Organen, oft aus der Thymusdrüse. Einige dieser Präparate gibt es schon sehr lange, und manche Ärzte haben damit gute Erfahrungen bei der Besserung des allgemeinen Wohlbefindens der Patienten gemacht. Ob die beobachteten positiven Wirkungen aber auf der Behandlung beruhen oder eher darauf, daß der Patient das Gefühl hat, es werde etwas für ihn getan (sogenannter Placeboeffekt), kann bis heute niemand mit Sicherheit sagen.

      Andere Methoden wiederum werden als schnelle und erfolgreiche Umsetzung neuester Forschungserkenntnisse angeboten. Hier kann eine Einschätzung sehr schwierig sein. Oft gründen sich solche Behandlungsmethoden auf Verfahren, die bisher nur an Zellkullturen oder bei Labortieren untersucht wurden und über deren Wirkungen beim Menschen noch zu wenig bekannt ist. Teilweise werden auch Behandlungsverfahren weiter eingesetzt, obwohl sie mangels überzeugender Wirksamkeit von der Mehrheit der damit beschäftigten Ärzte und Wissenschaftler bereits wieder aufgegeben wurden. Außerdem ist es mitunter schwierig, die für die Beurteilung notwendigen Einzelheiten solcher Methoden in Erfahrung zu bringen, da sie nirgendwo veröffentlicht wurden.

      Besondere Vorsicht ist immer dann geboten, wenn ein Mittel oder eine Methode nicht zusätzlich zur üblichen Therapie, sondern statt dieser empfohlen wird. Auch sollte man immer zuerst klären, ob die zum Teil hohen Kosten von den Krankenkassen übernommen werden.

      Für die meisten dieser Methoden wird auch damit geworben, daß sie nicht schadeten. Es ist richtig, daß, zumindest bei den seit langem verwendeten Mitteln, die Nebenwirkungen nicht so stark sind wie z. B. die einer Chemotherapie. Sie können aber sehr wohl bestimmte Laborwerte verändern oder grippeähnliche Krankheitszeichen hervorrufen. Deshalb sollte die Patientin zumindest über die Anwendung aller nicht verordneten Methoden den behandelnden Arzt informieren, damit er solche Symptome oder Veränderungen richtig interpretieren kann.


      Leben mit der Erkrankung

      Nach der Diagnose einer Krebserkrankung setzen sich fast alle Betroffenen mit einer Vielzahl von bedrohlichen Gefühlen und Gedanken auseinander. Die Erkrankung wird oft als massiver Einschnitt erlebt: alles bisher Gewohnte und viele zukünftigen Ziele scheinen zunächst in Frage gestellt. Ängste vor der Rückkehr in den Alltag und Befangenheit im Umgang mit anderen Menschen machen sich bemerkbar. Zweifel an der Wirksamkeit der Behandlung und Angst vor dem Fortschreiten der Erkrankung kommen immer wieder auf. Es gibt Zeiten der Hilflosigkeit und der Depression, aber auch Zeiten der Hoffnung und des intensiven Erlebens. Möglichst offene Gespräche können helfen, besser mit allem fertig zu werden.

      Zum persönlichen Krankheitsfall sollten Fragen an den behandelnden Arzt gestellt werden, dessen Aufgabe es ebenfalls ist, die Betroffene durch ihre Erkrankung zu begleiten und auf ihre Anliegen einzugehen.

      Das Zusammenleben in der Familie kann besonderen Belastungen ausgesetzt sein. Nicht nur die Betroffene, sondern die ganze Lebensgemeinschaft ist in ihrem Gleichgewicht erschüttert worden. Offene Gespräche über Sorgen und Befürchtungen ebenso wie über Erwartungen und Wünsche können auch hier den Weg für eine gemeinsame Bewältigung von Problemen ebnen. Dies gilt ganz besonders für den Bereich der Sexualität.

      Viele Patientinnen haben das Bedürfnis, mit anderen Frauen zusammenzukommen, denen es ähnlich geht, d.h. die sowohl Ängste als auch Alltagsprobleme aus dem eigenen Erleben kennen und deshalb Verständnis haben und manchmal auch Ratschläge geben. In der "Frauenselbsthilfe nach Krebs e.V." (Adresse des Bundesverbandes: B 6, 10/11, 68159 Mannheim, Tel. 0621/24434, FAX: 0621/154877) haben sich Frauen zu diesem Zweck zusammengeschlossen, Selbsthilfegruppen gibt es in vielen Orten des Bundesgebietes.

      Eine weitere Möglichkeit, etwas für sich zu tun, bietet sich in speziellen Sportgruppen der Krebsnachsorge, die von den Landessportbünden in zahlreichen Orten eingerichtet wurden. In einer Gruppe mit anderen betroffenen Frauen können unter geschulter Anleitung Nachwirkungen der Krebsbehandlung positiv beeinflußt und insgesamt Verbesserungen der Lebensqualität erreicht werden.

      In manchen Fällen ist es sinnvoll, fachkundige Unterstützung zu suchen. Psychosoziale Krebsberatungsstellen gibt es in vielen Städten und Gemeinden. Sie bieten Krebspatientinnen und ihren Angehörigen Information und Rat in allen praktischen Fragen der Nachsorge wie Klinikaufenthalte zur Rehabilitation als auch Rentenangelegenheiten oder Anerkennung einer Behinderung. Darüber hinaus sind sie auch bemüht, die betroffenen Frauen bei der Auseinandersetzung mit ihrer veränderten Lebenssituation zu unterstützen. Wo nötig, sind sie behilflich, Wege zur finanziellen Unterstützung zu finden.
      Avatar
      schrieb am 15.11.00 13:55:23
      Beitrag Nr. 125 ()
      Großes Kompliment, Shaky!
      Gruß, Hop Sing
      Avatar
      schrieb am 15.11.00 14:13:41
      Beitrag Nr. 126 ()
      Darmkrebs

      Lage und Aufgaben des Darms

      Der menschliche Darm gliedert sich in zwei wesentliche Teile: Dünndarm und Dickdarm. Nachdem die Nahrung den Magen passiert hat und dort durch die Magensäfte in ihre Bestandteile aufgelöst wurde, gelangt sie in den vier bis fünf Meter langen Dünndarm, der in vielen Schlingen im Bauchraum liegt. Dort werden die nützlichen Anteile weiter verdaut und durch die Darmschleimhaut in den Körper aufgenommen. Der Rest gelangt weiter in den Dickdarm (Kolon), der 1,50 bis 1,80 Meter lang und wie ein umgekehrtes U gelagert ist. Er beginnt rechts unten im Bauch (der Blinddarm ist ein sackartiger Darmanteil am Übergang zwischen Dünn- und Dickdarm), steigt nach oben, führt zur anderen Körperseite und dort wieder hinunter. Die letzten 15-20 cm sind noch einmal besonders abgegrenzt, man nennt diesen Abschnitt vor dem Darmausgang den Mastdarm (Rektum). Dieser wird durch ein System von Muskeln, darunter der Schließmuskel, nach außen verschlossen. Im Dick- und Mastdarm werden die nicht verdauten Teile der Nahrung durch Wasserentzug eingedickt und für die Entleerung gesammelt. Die zunehmende Füllung des Mastdarms schließlich löst den Drang für die Stuhlentleerung aus.

      Der Transport der Nahrung durch den Darm (Peristaltik) geschieht durch die autonom arbeitende Darmmuskulatur, die nicht willentlich bewegt werden kann und deren Funktion darauf angewiesen ist, daß der Darm bis zu einem gewissen Grad gefüllt ist. Aus diesem Grund benötigt der Mensch Ballaststoffe. Diese quellen auf und vermehren damit das Stuhlvolumen. Je mehr davon im Darm sind, desto besser kann die Darmmuskulatur arbeiten und desto schneller wird die Nahrung hindurchbefördert.


      Krebserkrankungen des Dick- und Mastdarms

      Spricht man von Darmkrebs, so ist damit fast immer eine Krebserkrankung des Dickdarms (Kolonkarzinom) oder des Mastdarms (Rektumkarzinom) gemeint. Der Krebs geht dabei meist von der Schleimhaut des Darmes aus, dies wird durch die Bezeichnung Karzinom ausgedrückt. Krebserkrankungen des Dünndarms kommen extrem selten vor. Ursachen und Therapie des Dünndarmkrebses sind verschieden von denen des Dick- und Mastdarms. Im folgenden wird nur von Dickdarm- und Mastdarmkrebs die Rede sein.

      Jährlich erkranken in der Bundesrepublik Deutschland schätzungsweise 23.000 Männer und 29.000 Frauen an Krebs des Dickdarms und Mastdarms. Das Erkrankungsrisiko steigt mit dem Lebensalter allmählich an.

      Wie es dazu kommt, daß normale Zellen des Darms oder solche von gutartigen Darmveränderungen sich in Krebszellen verwandeln, ist in den Einzelheiten noch nicht vollständig geklärt. Wissenschaftler konnten aber herausfinden, daß prinzipiell eine Anhäufung von Veränderungen im Erbgut dafür verantwortlich ist. Diese treten im Laufe des Lebens auf, aber bisweilen ist eine wichtige Veränderung des Erbguts bereits bei der Geburt vorhanden. Dann sind Darmkrebserkrankungen in der Familie sehr häufig. Solche Abwandlungen im Erbgut fördern das Auftreten verschiedener Erkrankungen, die oft dadurch gekennzeichnet sind, daß im Darm zahlreiche Polypen auftreten. Polypen sind gutartige Wucherungen der Darmschleimhaut, die in den Darmraum hineinwachsen und finger- oder pilzähnlich aussehen. Die Erkrankungen heißen erbliches nicht-polypöses kolorektales Krebssyndrom (HNPCC, Lynch-Syndrom), familiäre adenomatöse Polyposis (FAP), Gardner-Syndrom, Turcot-Syndrom, Peutz-Jeghers-Syndrom und familiäre juvenile Polyposis. Menschen mit diesen Erkrankungen haben ein sehr hohes Risiko, im Laufe ihres Lebens eine Anhäufung mehrerer bedeutsamer Schädigungen des Erbgutes in Darmzellen zu erfahren und dadurch an Darmkrebs zu erkranken. Beispielsweise beträgt das Darmkrebsrisiko bei einer nicht medizinisch betreuten Erkrankung an HNPCC 80-90%. Insgesamt sind etwa 10% aller Darmkrebserkrankungen Folge solcher erblichen Vorbelastungen.

      Bei den meisten Darmkrebserkrankungen läßt sich jedoch keine einzelne Ursache benennen, die eindeutig für die Entstehung verantwortlich ist. Wahrscheinlich haben viele Einflüsse dazu beigetragen, daß ein Umwandlungsprozeß einer normalen Zellen in eine Krebszelle stattgefunden hat. Die Forscher können aber Faktoren benennen, die das persönliche Risiko erhöhen, an Darmkrebs zu erkranken. Manche dieser Risikofaktoren haben mit der Ernährung zu tun. Wer viel Fett und wenig Ballaststoffe zu sich nimmt sowie vermehrt Alkohol trinkt und raucht ist gefährdeter als jemand, der fettarm und fleischarm ißt, viel Ballaststoffe durch Obst und Gemüse zuführt und den Alkoholgenuß beschränkt. Auch sehr stark übergewichtige Menschen bekommen häufiger Darmkrebs. Treten Polypen einzeln auf, so ist das Entartungsrisiko von ihrer unter dem Mikroskop sichtbaren feingeweblichen Beschaffenheit (z.B. Adenom) abhängig. Menschen mit Darmadenomen haben ein höheres Krebsrisiko. Auch bei chronischen Entzündungen der Darmschleimhaut (Colitis ulcerosa, weniger bei Morbus Crohn) sowie nach einer Krebserkrankung der Brust, der Eierstöcke oder der Gebärmutter ist das Erkrankungsrisiko höher. Bei Verwandten ersten Grades von Darmkrebspatienten ist das Risiko einer Erkrankung auf das zwei- bis vierfache erhöht.


      Symptome und Früherkennungsmöglichkeiten

      Ein Dick- und Mastdarmtumor wächst nicht von heute auf morgen, sondern ganz langsam im Laufe von Jahren oder sogar Jahrzehnten. Man spürt meist lange nichts davon. Ein Warnzeichen für Darmkrebs ist die Beimengung von Blut im Stuhl, das ihn rot oder schwarz färbt. Wer dies feststellt, sollte sofort einen Arzt aufsuchen, um die Ursache klären zu lassen. Auch Änderungen der Stuhlgewohnheiten, vor allem wenn sie langsam auftreten, können ein Zeichen für Darmkrebs sein. Schmerzen bereitet die Krankheit meist erst in einem fortgeschrittenen Stadium.

      Da man es selbst nicht oder erst spät merkt, wenn im Darm ein Tumor wächst, aber ein frühzeitiges Erkennen einer Erkrankung die Erfolgsaussichten und/oder die Möglichkeiten der Behandlung verbessert, gewähren die gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen des Krebsfrüherkennungsprogramms ab dem 45. Lebensjahr für Männer und Frauen eine jährliche Untersuchung des Darms. Die Untersuchung kann von jedem Arzt vorgenommen werden und umfaßt zum einen das Austasten des Mastdarms, zum anderen einen Labortest auf unsichtbares Blut im Stuhl. Beim Austasten der letzten Zentimeter des Darmes kann der Arzt knotige Veränderungen auf der normalerweise glatten Darmschleimhaut erspüren. Der Rest des Darms wird so nicht erfaßt. Etwa 60 % aller Darmtumoren entstehen relativ nahe zum Darmausgang, mit dem tastenden Finger erreichbar sind etwa ein Viertel aller Tumore. Der Labortest auf unsichtbares Blut im Stuhl wird Hämoccult-Test genannt (Häm = Blut, occult = verborgen) und kann zu Hause durchgeführt werden. Der Arzt gibt dem Patienten drei Testbriefchen mit. Zu Hause bringt man kleine Proben aus drei verschiedenen Stuhlgängen auf die Briefchen auf, verschließt sie und übergibt sie dem Arzt, der den Test in einem Labor auswerten läßt. Ist das Ergebnis positiv, wurde also Blut gefunden, so muß das nicht gleich Krebs bedeuten. In nur durchschnittlich 10% der positiven Fälle wird anschließend tatsächlich ein bösartiger Tumor gefunden, bei den übrigen 90% hat die Blutung andere Ursachen, z.B. Polypen oder Darmentzündungen. Andererseits sondert nicht jeder Tumor Blut ab, so daß auch bei einem negativen Testergebnis in seltenen Fällen eine Krebserkrankung vorliegen kann.

      Wenn der Arzt knotige Veränderungen ertastet oder wenn Blutbeimengungen im Stuhl gefunden wurden, so muß in weiteren Untersuchungen geklärt werden, um welche Art von Erkrankung es sich handelt. Menschen mit erhöhtem Krebsrisiko sollten mit ihrem Arzt klären, ob und inwieweit ein früherer Beginn oder eine Erweiterung der Früherkennungsuntersuchungen durch die Darmspiegelung (Rektoskopie ggf. auch Koloskopie, s.u.) sinnvoll ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine der oben genannten angeborenen Erkrankungen mit sehr hohem Darmkrebsrisiko vorliegt.


      Untersuchungen zur Sicherung der Diagnose

      Die aussagekräftigste Untersuchungsmethode ist die Darmspiegelung. Auch bei Tumoren des Mastdarms wird angestrebt, immer den gesamten Dickdarm zu untersuchen, da sich des öfteren gleichzeitig dort auch Tumore gebildet haben. Durch eine Spiegelung können Schleimhautveränderungen der Darmwand sehr sicher aufgespürt werden. Zur speziellen Untersuchung des Mastdarms wird ein starres Rohr eingeführt (Rektoskop). Diese Untersuchung ist wenig aufwendig oder belastend. Um Veränderungen im Dickdarm (und Mastdarm) aufzuspüren, wird eine Art Schlauch (Koloskop), in den eine Glasfaseroptik eingebaut ist, benutzt. Dazu muß der Darm vollständig entleert sein. Die Untersuchung ist unangenehm, aber nicht schmerzhaft. Der Arzt kann durch das Gerät die Darmschleimhaut vergrößert betrachten. Entdeckt er eine Veränderung, die Krebs sein könnte, so kann er während der Spiegelung sofort mit einer Zusatzeinrichtung eine Gewebeprobe (Biopsie) entnehmen. Dieses Gewebe wird nach der Entnahme in feinste Scheibchen geschnitten und von einem speziell dafür ausgebildeten Arzt, einem Pathologen, unter dem Mikroskop auf Krebszellen untersucht. Diese histologische Untersuchung ist die einzige, mit der Krebs sicher erkannt oder ausgeschlossen werden kann. Alle anderen Untersuchungen können nur Hinweise, aber keine Beweise bringen. Der Pathologe kann aber nicht nur die Frage "Krebs oder kein Krebs" beantworten, sondern auch feststellen, um welche Art von Krebs es sich handelt. Dies ist von Bedeutung für die Behandlung, da zum Beispiel bisweilen im Darm auch Krebsarten vorkommen, die nicht von der Darmschleimhaut ausgehen. Jede Krebsart wird ein wenig anders behandelt.

      Auch eine Röntgenuntersuchung mit Kontrastmitteleinlauf kann eine Geschwulst im Darm sichtbar machen. An dieser Stelle würde der Darm dünner erscheinen oder eine Verengung aufweisen. Hat der Arzt im Mastdarm eine Veränderung ertastet, kann meist schon eine Spiegelung dieses Teils des Darmes mit einer Gewebsentnahme Klarheit bringen.

      Wurde ein bösartiger Tumor im Darm gefunden, so folgen vor der Behandlung noch weitere Untersuchungen, um die Ausdehnung festzustellen und es werden einige Laborwerte bestimmt, die für Behandlung und Verlaufsbeurteilung von Bedeutung sind. Vor allem bei Tumoren im Mastdarmbereich ist für die Therapie das Erfassen der örtlichen Tumorausdehnung von wesentlicher Bedeutung. Zur Operationsplanung im Mastdarmbereich kann eine Ultraschalluntersuchung mithilfe eines in den Darm eingeführten Schallkopfes nützlich sein. So läßt sich gut die Eindringtiefe des Tumors in die Darmwand beurteilen. Die Computertomographie (kurz: CT), eine spezielle Röntgentechnik, und/oder die Kernspintomographie (kurz: MRT) gibt bei größeren Darmtumoren Auskunft über deren Ausdehnung.

      Wichtig ist auch zu untersuchen, ob sich an anderer Stelle im Körper schon Tochtergeschwülste gebildet haben. Hierzu wird die Lunge geröntgt, der Bauchraum mit Ultraschall und bei Verdacht auch mit einer Computertomographie untersucht. Mit Hilfe von Röntgenkontrastmitteln kann die Durchgängigkeit der Harnwege oder der Verlauf von Blutgefäßen bestimmt werden. Verengungen des Harnleiters zwischen Niere und Blase können zum Beispiel auf ein Einwachsen des Tumors hinweisen.

      Bei den Blutuntersuchungen werden auch Tumormarker bestimmt. Tumormarker sind Substanzen, die bei manchen Tumoren vermehrt auftreten. Insbesondere, aber nicht nur, wenn sie vor Beginn der Therapie erhöht sind, können sie in der Nachsorge Hinweis auf den Verlauf der Erkrankung geben. Bei Darmkrebs ist dies in erster Linie der Marker CEA (Carcinoembryonales Antigen). Manchmal ist der Tumormarker CA 19-9 (Cancer-Antigen 19-9) erhöht.


      Behandlungsmöglichkeiten


      Operation

      Mit Abstand die größte Bedeutung in der Behandlung von Darmkrebs hat die Operation: Der gesamte vom Tumor betroffene Darmabschnitt und die zugehörigen Lymphgefäße und Lymphknoten werden entfernt. Dabei muß ein Sicherheitssaum von einigen Zentimetern Darm mitentfernt werden, damit gewährleistet ist, daß keine winzigen, nicht erkennbaren Ausläufer der Geschwulst später weiterwachsen. Da der Dickdarm ein sehr langes Organ ist, bedeutet der Verlust eines Abschnitts für seine Funktion keine Beeinträchtigung. Im einfachsten Fall wird also ein Stück Darm herausgeschnitten, und die Enden werden wieder zusammengenäht oder -geklammert. Wenn das ganze Tumorgewebe entfernt werden konnte und sich in anderen Organen noch keine Metastasen gebildet haben, sind die Chancen, daß der Patient damit vollständig geheilt wird, sehr gut.

      Sitzt der Tumor so nahe am After, daß der Schließmuskel innerhalb des notwendigen Sicherheitsabstandes liegt, muß von verschiedenen Faktoren abhängig entschieden werden, ob eine der modernen Operationsmethoden zum Erhalt des Schließmuskels anwendbar ist. Insbesondere wenn der Tumor klein und noch nicht weit in die Darmwand eingewachsen ist, gelingt dies meist. Bei größeren Tumoren kann eine Kombination von Strahlentherapie und Chemotherapie bedacht werden, um damit den Tumor vor der Operation zu verkleinern. Oft ist es dann möglich, den Schließmuskel zu erhalten. Wenn der Schließmuskel nicht belassen werden konnte, dann erhält der Darm auf Dauer einen künstlichen Ausgang durch die Bauchdecke (Anus praeter naturalis oder Kolostoma, auch kurz Stoma).

      In bestimmten Fällen kann solch ein künstlicher Ausgang auch dann vorübergehend angelegt werden, wenn nur der tumortragende Darmabschnitt herausgeschnitten wurde, damit der Heilungsprozeß ungestört verlaufen kann. In diesen Fällen wird die normale Darmpassage mit Entleerung über den After nach einiger Zeit wieder hergestellt.

      Die Entfernung des kranken Darmteils mitsamt dem zugehörigen Lymphgebiet wird auch dann angestrebt, wenn Tochtergeschwülste (Metastasen) in anderen Körperbereichen vorhanden sind. Bei weit fortgeschrittener Erkrankungssituation steht als Ziel einer Operation allerdings der Erhalt der Ausscheidungsfunktion und der Lebensqualität im Vordergrund. Nach der Operation wird das entfernte Material genau untersucht.


      Biologische Eigenschaften und Ausbreitung des Tumor

      Ein Darmkrebs geht meist von Drüsenzellen aus (man spricht vom Adenokarzinom). Bei der mikroskopischen Untersuchung des entnommenen Gewebes kann der Pathologe die biologischen Eigenschaften des Tumors genauer bestimmen und Hinweise auf die Bösartigkeit des Tumors gewinnen.

      So beschreibt das Grading (engl.), wie stark sich die Tumorzellen mikroskopisch von normalen "ausgereiften" Zellen unterscheiden. Nach bestimmten Merkmalen teilt man in 4 Grade G1 bis G4 ein. Tumorzellen von Grad 1 (G1) sind gut differenziert, d.h. sie sind den normalen Zellen vergleichsweise ähnlich. Schlecht differenzierte Tumoren (G3 und G4) unterscheiden sich dagegen stark von normalen Zellen, wachsen besonders schnell und sind aggressiver als G1 und G2.

      Bei der Beurteilung des Tumorstadiums nach dem TNM-System werden Größe und örtliche Ausdehnung des Darmtumors (T), Lymphknotenbefall (N, von lat. Nodus: Knoten) und Metastasen (M) berücksichtigt. Ziffern hinter den Buchstaben stehen für Größe und Ausdehnung (T1-4), Zahl und Lage der befallenen Lymphknoten (N0-3) und das Vorhandensein oder Fehlen von entfernten Metastasen (M0 oder M1). T1 N0 M0 bezeichnet zum Beispiel einen kleinen Tumor ohne Lymphknotenbefall und Metastasen. Eine exakte Beurteilung des TNM-Stadiums ist erst nach der operativen Entfernung des Tumors möglich.

      Wurden Fernmetastasen festgestellt, so richten sich die therapeutischen Maßnahmen nach deren Zahl und nach dem Sitz. Sind nur eine oder wenige Tochtergeschwülste in der Leber oder in der Lunge vorhanden, so versucht man auch diese mit dem Ziel der Heilung chirurgisch vollständig zu entfernen. Sind aber beide oder eines der Organe mit vielen Metastasen befallen, kann eine Behandlung sinnvoll sein, die das Tumorgeschehen breiter angreift als eine Operation das kann: eine Behandlung mit Medikamenten.


      Chemotherapie

      Als Chemotherapie bezeichnet man die Gabe von bestimmten Medikamenten (Zytostatika), die das Zellwachstum und die Zellteilung hemmen. Bei bösartigen Tumoren des Dickdarms und des Mastdarms kommt die medikamentöse Therapie zur Behandlung von Tochtergeschwülsten und als Ergänzung zur Operation des Tumors im Darm in Frage.

      Darmkrebs ist relativ wenig empfindlich für Zytostatika. Der Wirkstoff, der im Vergleich zu anderen Substanzen die beste Wirksamkeit gezeigt hat, ist das 5-Fluorouracil, abgekürzt 5-FU. Häufig wird heute dazu Levamisol oder Folinsäure gegeben. Folinsäure ist selbst kein Zytostatikum, sondern eine dem Vitamin B2 verwandte Substanz. Die Wirksamkeit von 5-Fluorouracil wird durch Zugabe von Folinsäure verbessert. Auch eine Therapie in einer Kombination noch mit Oxaliplatin ist möglich.

      Eine Chemotherapie wirkt besonders gut gegen rasch wachsende Tumoren und wird meist in mehreren Zyklen verabreicht, das heißt, es folgen mehrere Behandlungsabschnitte in Abständen von drei bis vier Wochen aufeinander. Während eines Zyklus erhält der Patient eine Infusion mit dem zellwachstumshemmenden Medikament. Der Arzt hat verschiedene Möglichkeiten, um unangenehmen Nebenwirkungen vorzubeugen oder sie zumindest zu lindern. Auch reagieren Patienten sehr unterschiedlich auf die Chemotherapie, bei manchen sind die Begleiterscheinungen stärker, bei anderen weniger stark ausgeprägt. Nebenwirkungen bei der Chemotherapie kommen daher, daß das Medikament nicht nur die Krebszellen, sondern auch alle anderen Körperzellen angreift, die sich gerade teilen. Sie betreffen daher vor allem das Knochenmark, in dem die Blutzellen entstehen, und die Schleimhäute im Verdauungstrakt, denn diese Zellen teilen sich besonders häufig, wie eben auch Krebszellen. Die Medikamente fördern, unterschiedlich stark ausgeprägt, Schwäche, Übelkeit und Erbrechen. Da sich auch die Zellen an den Haarwurzeln sehr oft teilen, kann es zu einem vorübergehenden Haarausfall, der bisweilen bis zum völligen Haarverlust reichen kann, kommen.

      Wenn nur in der Leber Metastasen sitzen und diese nicht mehr operiert werden können, besteht auch die Möglichkeit der Verabreichung des Medikaments direkt in das zur Leber führende Blutgefäß (Leberarterie). Die Chemotherapie entfaltet ihre Wirkung dann vor allem lokal. Der Chirurg legt dazu einen Katheter in die Blutzufuhr der Leber, durch den später das Medikament direkt in das Organ geleitet wird. Diese Behandlung ermöglicht eine höhere Medikamentenkonzentration und damit eine stärkere Wirkung des Medikaments am Ort der Metastasierung. Das Verfahren ist allerdings sehr aufwendig und kann mit vielfältigen Komplikationen verbunden sein, weswegen es nur unter günstigen Voraussetzungen in Kliniken mit großer Erfahrung durchgeführt werden sollte. Der Wert der Methode ist derzeit noch nicht abschließend beurteilbar.


      Ergänzende (adjuvante bzw. neoadjuvante) Therapiemaßnahmen

      Nach kompletter Entfernung eines Dickdarmkrebses entscheidet sich das weitere Vorgehen danach, ob in den bei der Operation mitentfernten Lymphknoten Tumorzellen gefunden wurden oder nicht. Waren die Lymphknoten frei von Befall, so erfolgt in der Regel keine weitere Therapie. Wurden in den Lymphknoten Tumorzellen gefunden, so ist eine ergänzende Chemotherapie vorteilhaft. Der Fachausdruck für eine ergänzende Therapie nach vollständiger operativer Entfernung des Tumors ist adjuvante Therapie. Diese beinhaltet das zellwachstumshemmende Medikament 5-Fluorouracil in Kombination mit dem Medikament Levamisol oder mit Folinsäure. Bis zum Sommer 2000 war für diese Krankheitssituation auch ein Immunpräparat zugelassen: ein monoklonaler Antikörper. Er markierte die Krebszellen für die immunologische Abwehr. Seine Wirksamkeit in der adjuvanten Therapie stellte sich zunächst ähnlich den vorab aufgeführten Medikamentenkombinationen dar. Die Überprüfung im Vergleich zur Chemotherapie nach weiter entwickelten Richtlinien zeigte jedoch, daß die Antikörpertherapie allein nicht so gut wirkt. Das Medikament wurde deshalb im Sommer 2000 vom Markt genommen. Derzeit wird geprüft, ob eine Kombination Antikörper-Chemotherapie von Vorteil für die Patienten ist.

      Im Fall des Mastdarmkrebses ist bei kleineren Tumoren die Operation die alleinige Therapie. Bei größeren Tumoren und bei Befall der Lymphknoten mit Tumorzellen ist es von Vorteil, nach der Operation zur Beseitigung von eventuell verbliebenen Tumorzellen und damit zur Vorbeugung eines Rückfalls die ehemalige Tumorregion zu bestrahlen und eine Chemotherapie durchzuführen. Dabei kann die Bestrahlung das Risiko eines Wiederauftretens der Erkrankung am selben Ort verringern, die Chemotherapie wirkt auf die möglicherweise schon im Körper verstreuten Krebszellen. Bei größeren Mastdarmtumoren nahe des Schließmuskels kann man auch versuchen, die Tumormasse vor der Operation durch Bestrahlung und Chemotherapie so weit zu verkleinern, daß dadurch eine Operation mit Erhalt des Schließmuskels möglich wird. Wenn eine ergänzende Therapie vor der Operation durchgeführt wird, bezeichnet man sie als neoadjuvante Therapie.


      Lindernde Behandlungsmaßnahmen (palliative Therapie)

      Ist die Erkrankung sehr weit fortgeschritten, so daß mit einer vollständigen Heilung nicht mehr gerechnet werden kann, gibt es zur Linderung auftretender Beschwerden vielfältige Möglichkeiten. Kann der Tumor nicht mehr in seiner gesamten Ausdehnung operiert werden und droht ein Darmverschluß, so kann auch nur ein Teil entfernt werden, um den Darm offen zu halten. Zur Behandlung von Blutungen oder drohendem Darmverschluß kann eine Kältetherapie (Kryotherapie) eingesetzt werden, ebenso eine Laserbestrahlung zur Zerstörung von Tumorgewebe und Blutgefäßen.

      Schmerzbehandlung

      In fortgeschrittenen Stadien einer Darmkrebserkrankung stehen für den Patienten häufig die Schmerzen im Vordergrund und beeinflussen seine Lebensqualität stärker als der Tumor selbst. Die wirksame Schmerzbekämpfung ist hier eine der wichtigsten Maßnahmen. Ein gute Schmerztherapie ist immer individuell auf die Schmerzsituation des Patienten abgestimmt.

      Mit den heute verfügbaren Medikamenten und Methoden lassen sich Tumorschmerzen in den meisten Fällen gut lindern. Im Vordergrund steht die Behandlung mit Tabletten. Je nach Schmerzstärke stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, die bei Bedarf kombiniert werden. Bei starken Schmerzen werden Opioide eingesetzt. Diese Abkömmlinge des Morphins sind die wirksamsten Schmerzmedikamente. Sie sind mittlerweile auch als Pflaster oder Nasenspray erhältlich. Bei der Schmerzbehandlung kommt es darauf an, daß die Medikamente nach einem festen Zeitplan eingenommen werden und nicht erst dann, wenn die Schmerzen wieder auftreten.

      Sind die Schmerzen so stark, daß Tabletten nicht mehr wirken, besteht die Möglichkeit, Opioide direkt in die Umgebung des Rückenmarks einzubringen. Das funktioniert über Katheter mit Pumpen oder die Einpflanzung von Reservoirsystemen,die eine kontinuierliche Opioidabgabe sicherstellen.

      Bei schmerzhaften Knochenmetastasen bringt eine gezielte Bestrahlung Linderung. Schmerzen durch ausgedehnten Tumorbefall des Skeletts lassen sich auch durch Radionuklidbehandlung lindern.


      Immuntherapie und Gentherapie

      Das menschliche Immunsystem ist ein kompliziertes Zusammenspiel vieler verschiedenartiger Elemente, von speziellen Zellen, Antikörpern und Botenstoffen. Seine Aufgabe ist die Abwehr körperfremder Substanzen und die Ausschaltung von körpereigenen Zellen, welche von der Norm abweichen, wie z.B. Krebszellen. Es hat sich zudem gezeigt, daß die gezielte Beeinflussung dieses komplizierten Systems bei Krebserkrankungen sinnvoll sein kann. Einige Substanzen, die von Zellen des Immunsystems gebildet werden, wie Interferone, Interleukine und der Tumornekrosefaktor sowie verschiedene Impftechniken zur Anregung des Immunsystems wurden in klinischen Studien auf ihre Verwendbarkeit in der Krebstherapie geprüft. Bislang blieben die Bemühungen bei Darmkrebs meist ohne überzeugenden Erfolg. Lediglich der bereits erwähnte Antikörper 17-1A hat sich nach der Operation zur Abtötung von Resttumorzellen als wirksam erwiesen.

      In den letzten Jahren konnte die Forschung auf dem Gebiet der Tumorbiologie zahlreiche neue Erkenntnisse gewinnen. Das stetig zunehmende Detailwissen darüber, was im Innern von Zellen passiert, wie sie leben, wachsen und sich vermehren, wie die einzelnen Teile des Immunsystems zusammenwirken sowie die wachsenden Einsatzmöglichkeiten der Gentechnologie eröffnen eine Vielzahl völlig neuartiger Ansatzpunkte für die Krebstherapie. Die Entwicklungen auf diesem Gebiet vollziehen sich sehr rasch und lassen Hoffnung auf neue Krebstherapien entstehen.


      Therapie bei Wiederauftreten der Erkrankung

      Gerade bei spät entdeckten Tumoren kann es häufiger vorkommen, daß nach einer Erstbehandlung im Laufe der nächsten Jahre ein Rückfall (Rezidiv) auftritt. Die Behandlung des wiederauftretenden Tumors richtet sich nach der Erstbehandlung und dem Zeitpunkt seines Auftretens. Im Vordergrund steht jedoch auch hier - falls möglich - die Operation. Eine Bestrahlung kommt bei Mastdarmtumoren in Frage, deren Rezidiv nicht operierbar ist, ansonsten bleibt die Möglichkeit einer Chemotherapie.

      Wie geht es danach weiter?

      Nach Abschluß der intensiven medizinischen Behandlung beginnt die Zeit, die als Nachsorge bezeichnet wird. Jetzt sind viele Patienten erst einmal unsicher, wie sie sich verhalten sollen. Wenn die Therapie mit heilender Absicht durchgeführt werden konnte, fragen sie sich, was sie tun können, um den weiteren Genesungsverlauf zu unterstützen und keinen Rückfall zu erleiden. Konnte es nicht gelingen, mit der Therapie alle Krebsherde auszuschalten, so fragt man sich, was kommen wird, wie gegebenenfalls Beschwerden gelindert werden können, wer bei der Bewältigung dieser schwierigen Situation helfen kann. Nachsorge bezieht sich auf beide Situationen, sie wird heute in umfassender Weise verstanden. Sie beinhaltet die psychosoziale Betreuung und Begleitung, die Rehabilitation sowie das Abwenden und Vermindern von Erkrankungs- oder Therapiefolgen.


      Nachsorgeuntersuchungen

      Konnte durch die Operation der Tumor ganz entfernt werden, und ist keine weitere Therapie mehr erforderlich, so wird von den Ärzten in der Klinik geraten, sich zu bestimmten Zeitpunkten für Nachuntersuchungen einzufinden. Die Nachuntersuchungen haben vor allem das Ziel, einen Rückfall - falls er eintritt - möglichst früh zu erkennen, um ihn damit erfolgreicher behandeln zu können. Hierbei findet derzeit ein Umdenken statt, denn ein Mehr an Methoden scheint dieses Ziel nicht besser erreichen zu können als wenige ausgewählte und zudem kann ein großer Aufwand auch abschreckend wirken. Bei den Empfehlungen zu Art der Untersuchungen und den zeitlichen Abständen gibt es zwar große Übereinstimmungen zwischen den verschiedenen Kliniken, in den Details mag es jedoch Unterschiede geben. Außerdem kann der Arzt das individuelle Rückfallrisiko berücksichtigen und das Programm entsprechend anpassen. Es kann an dieser Stelle deshalb nur eine Orientierung gegeben werden, die Details der Untersuchungen legt der behandelnde Arzt fest.

      In den ersten zwei Jahren werden Untersuchungen in dreimonatigen Abständen durchgeführt. Nach fünf Jahren ohne Rückfall genügen Kontrollen in längeren Abständen. Bei jedem Termin erkundigt sich der Arzt genau nach dem Befinden und führt eine körperliche Untersuchung durch. Die Ultraschalluntersuchung der Leber, die Röntgenaufnahme des Brustraums sowie die Darmspiegelung ergänzen das Programm in den dafür vorgesehenen zeitlichen Abständen. Nach Entfernung eines Mastdarmkrebs unter Erhalt des natürlichen Darmausgangs kann eine Ultraschalluntersuchung des Mastdarms Teil der Nachsorge sein. Kommt es zu einem verdächtigen Befund, so werden die üblichen Untersuchungen zur Sicherung der Diagnose durchgeführt.

      Der Tumormarker CEA (carcinoembryonales Antigen) ist eine Substanz, die von Tumorzellen oft verstärkt produziert wird und deren Gehalt im Blut einen Hinweis auf den Verlauf der Erkrankung geben kann. Wichtig ist aber nicht der Absolutwert, sondern der Verlauf der Wertekurve. Bleibt der Wert innerhalb normaler Schwankungen gleich, besteht kein Anlaß zur Beunruhigung. Steigt er jedoch kontinuierlich an, so kann das ein Hinweis auf ein mögliches Fortschreiten der Erkrankung bzw. auf einen Rückfall sein. Ein Anstieg kann zwar auch andere Ursachen haben, z. B. gutartige Darmerkrankungen oder Erkrankungen der Leber und der Lunge. Allerdings muß man bei einem Darmtumor in der Vorgeschichte immer zuerst an die - wahrscheinlichste - Möglichkeit eines Wiederauftretens des Tumors im Operationsgebiet oder einer Metastasierung denken. Auch die Messung des Tumormarkers CA 19-9 kann in manchen Fällen sinnvoll sein.


      Unterstützende Maßnahmen

      Ernährung:

      Viele Patienten wollen nach einer Erkrankung an Darmkrebs etwas für sich tun und selbst zum Heilungsprozeß beitragen, zum Beispiel durch die Änderung ihrer Ernährungsgewohnheiten.

      Zwar läßt sich nach heutigem Kenntnisstand keine Krebserkrankung durch eine Diät oder eine Veränderung der Lebensmittelauswahl oder Zubereitung beeinflussen. Keine der in Broschüren, Büchern oder über das Internet propagierten Diäten gegen Krebs ist wissenschaftlich geprüft oder hat klinischen Studien standgehalten. Einige sind sogar deutlich gefährlich, weil sie zu einer Mangelernährung führen, die sich Krebspatienten nicht leisten können. Dazu gehören alle Formen von Fasten- oder Saftkuren. Auch viele Diäten, bei denen bestimmte Lebensmittel wie Fleisch, Fett oder Kaffee ganz verboten sind, gehen von wissenschaftlich nicht nachvollziehbaren Theorien zum Zusammenhang von Krebs und Ernährung aus. Lebensmittel, die für Krebspatienten regelrecht "giftig" sein sollen, gibt es schon gar nicht.

      Eine gesunde Ernährung kann jedoch den Allgemeinzustand günstig beeinflussen und trägt zur Verbesserung der Lebensqualität bei.

      Für Patienten, die durch die Erkrankung oder die Therapie an Gewicht verloren haben oder während der Behandlung nicht alles wie früher vertragen, halten Ärzte, Pflegende und Beratungsstellen individuell angepaßte Empfehlungen bereit. Sie helfen auch, mit den Ernährungsproblemen durch Operation, Chemotherapie oder Bestrahlung besser zurecht zu kommen.

      Hat sich der Gesundheitszustand nach Abschluß der Behandlung wieder stabilisiert und bestehen aus Sicht der behandelnden Ärzte keine Einschränkung bezüglich des Essens, können sich Krebspatienten wie ihre Familien an den Empfehlungen der internationalen Fachgesellschaften orientieren. Die Deutsche Krebsgesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung haben, unterstützt von Bundesministerien und vielen weiteren Institutionen, das "Fünf am Tag"-Programm ins Leben gerufen, das alle aktuellen wissenschaftlichen Ergebnisse zur gesunden Ernährung zusammenfaßt. Demnach macht alles richtig, wer fünfmal am Tag eine Portion Obst oder Gemüse ißt. Eine Portion ist dabei definiert als "eine Handvoll", auch ein Glas Saft darf dabei sein. Wer sich so ernährt, braucht nach Erkenntnissen der internationalen Fachgesellschaften weder zusätzliche Vitamine noch Spurenelemente.



      Methoden mit unbewiesener Wirksamkeit

      Über die beschriebenen erprobten Behandlungsverfahren wie Operation, Bestrahlung und Chemotherapie hinaus wird für die Therapie von Krebserkrankungen eine Vielzahl von Medikamenten und Methoden angeboten, deren Wirksamkeit gegen Krebs nicht mit den Mitteln der wissenschaftlich-klinischen Prüfung nachgewiesen wurde. Die Vorgehensweise bei der wissenschaftlich-klinischen Prüfung wurde entwickelt, um Irrtümer bei der Beurteilung über die Wirksamkeit einer Methode möglichst zu vermeiden. Einige dieser Methoden werden auch als "biologisch" oder "alternativ" bezeichnet. Den meisten davon wird zugeschrieben, daß sie die körpereigene Abwehr, das Immunsystem, "stärken" und damit auch gegen Krebszellen aktivieren sollen. Die Immunabwehr funktioniert aber in einem komplexen und komplizierten Zusammenspiel vieler Faktoren, die noch lange nicht vollständig untersucht und geklärt sind. Bei einigen Präparaten weiß man, daß sie verschiedene Veränderungen im Immunsystem auslösen können. Aber ob sich diese Effekte auch zwangsläufig günstig auf die Krebserkrankung auswirken, ist weit weniger klar.

      Am verbreitetsten sind Zubereitungen aus der Mistelpflanze und aus tierischen Organen, oft aus dem Thymus. Einige dieser Präparate gibt es schon sehr lange, und manche Ärzte haben damit gute Erfahrungen bei der Besserung des allgemeinen Wohlbefindens der Patienten gemacht. Ob die beobachteten positiven Wirkungen aber auf der Behandlung beruhen oder eher darauf, daß der Patient das Gefühl hat, es wird etwas für ihn getan (sogenannter Placeboeffekt), kann bis heute niemand mit Sicherheit sagen.

      Andere Methoden wiederum werden als schnelle und erfolgreiche Umsetzung neuester Forschungserkenntnisse angeboten. Hier kann eine Einschätzung aus unterschiedlichen Gründen sehr schwierig sein. Oft gründen sich solche Behandlungsmethoden auf Verfahren, die bisher nur an Zellkullturen oder bei Labortieren untersucht wurden und über deren Wirkungen beim Menschen noch zu wenig bekannt ist. Teilweise werden auch Behandlungsverfahren weiter eingesetzt, obwohl sie mangels überzeugender Wirksamkeit von der Mehrheit der damit beschäftigten Wissenschaftler bereits wieder aufgegeben wurden. Außerdem ist es mitunter schwierig, die für die Beurteilung notwendigen Einzelheiten solcher Methoden in Erfahrung zu bringen, da sie nirgendwo veröffentlicht wurden.

      Besondere Vorsicht ist immer dann geboten, wenn ein Mittel oder eine Methode nicht zusätzlich zur üblichen Therapie, sondern statt dieser empfohlen wird. Auch sollte man immer zuerst klären, ob die zum Teil hohen Kosten von den Krankenkassen übernommen werden.

      Für die meisten dieser Methoden wird auch damit geworben, daß sie nicht schadeten. Es ist richtig, daß, zumindest bei den seit langem verwendeten Mitteln, die Nebenwirkungen nicht so stark sind wie etwa die einer Chemotherapie. Sie können aber sehr wohl Laborwerte verändern oder zum Beispiel grippeähnliche Krankheitszeichen hervorrufen. Deshalb sollte der behandelnde Arzt zumindest über die Anwendung aller nicht verordneten Methoden informiert werden, damit er solche Symptome oder Veränderungen richtig interpretieren kann.


      Leben mit der Erkrankung



      Künstlicher Darmausgang - Stoma

      Leben mit einer Darmkrebserkrankung heißt für einen Teil der Betroffenen Leben mit dem Stoma. Der Darminhalt entleert sich durch den künstlichen Ausgang in der Bauchwand entweder kontinuierlich in einen Plastikbeutel oder nach einer täglich vom Patienten durchzuführenden Darmspülung (Irrigation). Nach der Operation, bei der das Stoma angelegt wird, sollte der Patient ganz genau mit dem Umgang und der Pflege seines künstlichen Darmausgangs vertraut gemacht werden. Dabei stehen heute in vielen Kliniken spezielle Stomatherapeuten dem Arzt zur Seite. Oft sind es frühere Krankenschwestern, die eigens dazu ausgebildet wurden, Patienten mit künstlichem Ausgang in der Klinik und auch später zu Hause zu helfen, sie zu unterrichten und bei der Auswahl der passenden Produkte zu beraten.

      Das Tragen eines Kolostomiebeutels ist heute eine saubere, hygienische und geruchsfreie Sache. Je nach Beutelgröße und Verdauung wird er in unterschiedlichen Abständen gewechselt. Für manche Patienten oder zu manchen Gelegenheiten kann auch ein Ausstreifbeutel hilfreich sein. Die Darmspülung erspart das Tragen eines Beutels, sie muß aber sorgfältig erlernt und regelmäßig durchgeführt werden. Dabei entleert sich der Darm nach einem Wassereinlauf vollständig, das Stoma kann durch eine unauffällige Kappe für die Zeit zwischen den Spülungen abgedeckt werden. Durch das Stoma wird die Funktion des Darms nicht beeinträchtigt. Wenn Patienten gelernt haben, damit umzugehen, können sie grundsätzlich ein normales und aktives Leben führen.


      Krankheitsbewältigung

      Nach der Diagnose einer Krebserkrankung setzen sich fast alle Betroffenen mit einer Vielzahl von bedrohlichen Gefühlen und Gedanken auseinander. Die Erkrankung wird oft als massiver Einschnitt erlebt: alles bisher Gewohnte und viele zukünftigen Ziele scheinen zunächst in Frage gestellt. Ängste vor der Rückkehr in den Alltag und Befangenheit im Umgang mit anderen Menschen machen sich bemerkbar, Zweifel an der Wirksamkeit der Behandlung und Angst vor dem Fortschreiten der Erkrankung kommen immer wieder auf. Es gibt Zeiten der Hilflosigkeit und der Depression, aber auch Zeiten der Hoffnung und des intensiven Erlebens. Möglichst offene Gespräche können helfen, besser mit der Situation fertig zu werden. Fragen zum persönlichen Krankheitsfall sollten dem behandelnden Arzt gestellt werden, der den Patienten im Erkrankungverlauf begleitet. Bei Fragen zur Pflege sind Pflegepersonal oder Stomatherapeut behilflich.

      Das Zusammenleben in der Familie ist nun besonderen Belastungen ausgesetzt. Nicht nur der Patient, sondern die ganze Lebensgemeinschaft ist in ihrem Gleichgewicht erschüttert worden. Offene Gespräche über Sorgen und Befürchtungen ebenso wie über Erwartungen und Wünsche können auch hier den Weg ebnen für eine gemeinsame Bewältigung von Problemen. Dies gilt ganz besonders für den Bereich der Sexualität.

      Viele Patienten haben darüber hinaus das Bedürfnis, mit Menschen zusammenzukommen, denen es ähnlich geht, d.h. die sowohl Ängste als auch Alltagsprobleme aus dem eigenen Erleben kennen und deshalb Verständnis und manchmal auch Ratschläge haben. Zu diesem Zweck betreut die "Deutsche ILCO e.V." viele Selbsthilfegruppen im ganzen Bundesgebiet, in denen sich Stomapatienten regelmäßig treffen:

      Adresse des Bundesverbandes:
      Deutsche ILCO e.V. (Ileostomie-Kolostomie-Vereinigung) Landshuter Str. 30
      85356 Freising
      Tel.: 0 81 61 / 93 43 - 01 und - 02
      Fax: 0 81 61 / 93 43 04
      http://www.ilco.de



      Krebs des Gebärmutterkörpers


      Lage, Aufbau und Funktion der Gebärmutter

      Die Gebärmutter (Uterus) liegt zwischen Harnblase und Enddarm im kleinen Becken der Frau. Sie hat etwa die Form einer Birne und ist bei erwachsenen Frauen 7 bis 10 cm lang und 80 bis 120 g schwer. Man unterscheidet zwei Organteile: Gebärmutterkörper (Corpus uteri) und Gebärmutterhals (Cervix uteri). Der unterste Teil des Gebärmutterhalses ragt als Gebärmuttermund (Portio vaginalis) in den oberen Teil der Scheide und ist dort für eine Untersuchung einfach zugänglich. Der Gebärmutterkörper ist üblicherweise gegenüber dem Gebärmutterhals nach vorne gekippt und liegt auf der Harnblase auf. Nach hinten grenzt der Uterus an den Enddarm. Seitlich am Uteruskörper münden die Eileiter; sie stellen die Verbindung zu den Eierstöcken her. Durch elastische Bänder, die von allen Seiten der Gebärmutter zur Beckenwand ziehen, wird sie in ihrer Lage gehalten. In solchen Bändern verlaufen auch Eileiter und Blutgefäße.

      Der Gebärmutterkörper besteht hauptsächlich aus Muskulatur (Myometrium), die außen von einer bindegewebigen Schicht (Perimetrium) umschlossen wird und innen mit drüsenreicher Schleimhaut (Endometrium) ausgekleidet ist. Die Schleimhaut verdickt sich während des Zyklus unter dem Einfluß weiblicher Geschlechtshormone und wird regelmäßig durch die Monatsblutung (Menstruation) abgestoßen. Die drüsenreiche Schleimhaut der Gebärmutter wird im Bereich des Muttermundes flacher und ähnelt dort normaler Schleimhaut, wie sie zum Beispiel in der Mundhöhle vorkommt (Plattenepithel).


      Krebserkrankungen der Gebärmutter

      Bösartige Tumoren können in allen Teilen des Organs entstehen. Die meisten Krebserkrankungen des Gebärmutterkörpers (Korpuskarzinome) gehen von der Schleimhaut (Endometrium) aus, weshalb auch der Begriff Endometriumkarzinom verwendet wird.

      Seltener sind die Gebärmuttersarkome, also Krebserkrankungen, die nicht von Schleimhautzellen ausgehen, sondern meist in der Muskelschicht der Gebärmutter entstehen. Im Bereich des Gebärmutterhalses entstehen bösartige Tumore aus dem flacheren Plattenepithel (Plattenepithelkarzinome). Die Tumoren des Gebärmutterhalses und des Gebärmuttermuskels unterscheiden sich im ihrem Verhalten von den Krebserkrankungen des Gebärmutterkörpers und werden anders behandelt. Hier soll nur von dem Endometriumkarzinom, dem bei weiten häufigsten bösartigen Tumor der Gebärmutter die Rede sein. Über Tumoren des Gebärmutterhalses bzw. der Cervix lesen Sie hier.


      Häufigkeit und Risikofaktoren

      Pro Jahr erkranken in Deutschland etwa 11.000 Frauen an einem Endometriumkarzinom. Es ist die häufigste Krebserkrankung der weiblichen Geschlechtsorgane und die dritthäufigste Krebs- erkrankung der Frau insgesamt. Zum Zeitpunkt der Diagnose sind die meisten Frauen über 60 Jahre alt; mit steigendem Alter wächst das Risiko, an einem Endometriumkarzinom zu erkranken.

      Die Ursachen des Endometriumkarzinoms sind noch nicht genau bekannt. Es gibt jedoch eine Reihe von Faktoren, die seine Entstehung begünstigen können. Eine wichtige Rolle spielt das körpereigene Hormon Östrogen. Es wird hauptsächlich in den Eierstöcken und zu einem geringen Anteil in den Nebennierenrinden und im Fettgewebe produziert. An der Gebärmutterschleimhaut bewirkt es ein Wachstum der Drüsenzellen. Während des weiblichen Monatszyklus wird die Östrogenwirkung durch das zweite weibliche Geschlechtshormon, das Gestagen oder auch Gelbkörperhormon, unterbrochen. Lang anhaltende Einwirkung von Östrogen auf die Gebärmutterschleimhaut kann die Entwicklung eines bösartigen Tumors begünstigen.

      Langfristige Untersuchungen zeigten, daß bei Frauen, die reine Östrogenpräparate als Medikament gegen Wechseljahresbeschwerden eingenommen hatten, häufiger Endometriumkarzinome auftraten. Wird hingegen Östrogen, wie heute üblich, mit Gestagen kombiniert, hat diese Hormonersatztherapie keinen fördernden Einfluß auf Krebserkrankungen der Gebärmutter. Es gibt im Gegenteil Hinweise darauf, daß Frauen, die in jüngeren Jahren zur Empfängnisverhütung Östrogen-Gestagen-Präparate (die "Pille") einnehmen, wesentlich seltener ein Endometriumkarzinom entwickeln als Frauen ohne Empfängnisverhütung. Der gleiche Effekt wurde bei der kombinierten Hormonersatztherapie in den Wechseljahren beobachtet.

      Die Erkrankung ist häufiger bei Frauen, die früh ihre erste Regel hatten und spät in die Wechseljahre kommen - wahrscheinlich weil bei ihnen die Einwirkungsdauer von Östrogen insgesamt verlängert ist.

      Übergewicht, häufig verbunden mit einer Zuckerkrankheit (Diabetes), erhöht ebenfalls das Erkrankungsrisiko, möglicherweise da auch im Fettgewebe geringen Mengen Östrogene gebildet werden, die auf die Gebärmutterschleimhaut einwirken.

      Bei Frauen, die keine Kinder geboren haben, ist das Erkrankungsrisiko ebenfalls erhöht.

      Da in manchen Familien das Endometriumkarzinom gehäuft vorkommt, werden auch erbliche Faktoren diskutiert. Offenbar besteht auch dann ein erhöhtes Risiko, wenn eine Frau bereits an Darmkrebs oder Brustkrebs erkrankt ist.

      Frauen, die wegen einer Brustkrebserkrankung mit dem Medikament Tamoxifen behandelt werden, haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko für Endometriumkarzinome - besonders dann wenn sie Tamoxifen länger als 5 Jahre eingenommen haben. Tamoxifen ist ein Antiöstrogen, das die Wirkung körpereigener Östrogene hemmt, indem es deren Bindungsstellen (Rezeptoren) in den Zellen blockiert. Es gibt nun aber verschiedene Typen von Östrogenrezeptoren, und Tamoxifen hat nicht an allen die gleiche Wirkung - auf manche wirkt es hemmend, auf andere stimulierend. Am Östrogenrezeptor der Gebärmutterschleimhaut wirkt Tamoxifen eher wie ein Östrogen, was das erhöhte Risiko für Tumoren des Endometriums erklärt. Trotzdem überwiegt eindeutig der Nutzen von Tamoxifen zur Behandlung des Brustkrebses. Allerdings sollte jede Frau, die wegen einer Brustkrebserkrankung Tamoxifen einnimmt, regelmäßig gynäkologisch untersucht werden.

      Die atypische Endometriumhyperplasie, eine krankhafte Gewebsveränderung der Gebärmutterschleimhaut, wird als Krebsvorstufe angesehen, da sie in etwa einem Drittel der Fälle in ein Endometriumkarzinom übergeht. Bei Frauen, die keine Kinder mehr bekommen wollen oder die bereits die Wechseljahre erreicht haben, sollte bei einer atypischen Hyperplasie des Endometriums vorsorglich die Gebärmutter entfernt werden. Frauen, die sich noch Kinder wünschen, können auch zunächst Gestagene einnehmen, um womöglich eine Rückbildung der atypischen Hyperplasie zu erreichen.


      Symptome und Früherkennungsmöglichkeiten

      Bei der empfohlenen jährlichen Krebsfrüherkennungsuntersuchung, entnimmt der Gynäkologe einen Zellabstrich vom Gebärmuttermund. Diese Untersuchung ist jedoch zur Erkennung eines Gebärmutterkörperkrebses nicht geeignet.

      Im Gegensatz zu den Krebserkrankungen des Gebärmutterhalses gibt es für das Endometriumkarzinom noch keine verbindlichen Empfehlungen zu Früherkennungsuntersuchungen. Es ist daher wichtig, daß Frauen selbst auf bestimmte Krankheitsanzeichen achten, da sie diese auch selbst am besten feststellen können.

      Das wichtigste Frühsymptom eines Endometriumkarzinoms ist eine ungewöhnliche Blutung aus der Scheide. Frauen über 35 Jahren sollten daher bei jeder Veränderung der Monatsblutungen wie außergewöhnlich starken Blutungen, Schmierblutungen oder Zwischenblutungen den Frauenarzt aufsuchen. Besonders verdächtig ist jede Blutung nach den Wechseljahren und dunkel gefärbter, übelriechender Ausfluß.

      Dank des Alarmsymptoms "abnorme Blutung" werden die meisten Endometriumkarzinome in frühen Stadien entdeckt. Tumoren, die dadurch erkannt werden, sind in den meisten Fällen noch auf das Organ begrenzt. Die Aussichten auf eine erfolgreiche Behandlung sind dann sehr gut. Wenn der Tumor bereits Schmerzen im kleinen Becken, Störungen beim Wasserlassen oder unregelmäßigen Stuhlgang verursacht, hat er meist die Grenzen des Organs überschritten und ist in angrenzende Gewebe eingewachsen.

      Bei Frauen mit erhöhtem Risiko für ein Endometriumkarzinom (z.B. frühe erste Monatsblutung, keine Geburten, starkes Übergewicht, Tamoxifenbehandlung) sollte anläßlich der jährlichen gynäkologischen Routineuntersuchung eine transvaginale Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden, auch wenn keine Krankheitszeichen vorhanden sind. Mit dieser Methode, bei der ein Ultraschallkopf in die Scheide eingeführt wird, läßt sich die Dicke der Gebärmutterschleimhaut sehr gut beurteilen. Wenn dabei keine Auffälligkeiten entdeckt werden, ist eine Krebserkrankung der Gebärmutterschleimhaut sehr unwahrscheinlich. Bei Frauen nach den Wechseljahren ist eine bösartige Erkrankung des Endometriums praktisch ausgeschlossen, wenn die Schleimhautschicht dünner als 4 mm ist.


      Untersuchungen zur Sicherung der Diagnose

      Besteht der Verdacht auf ein Endometriumkarzinom, ist die beste und sicherste Methode zur Abklärung die feingewebliche, mikroskopische Untersuchung der Gebärmutterschleimhaut.

      Zur Gewinnung von Gewebeproben erfolgt eine fraktionierte Kürettage: Unter Narkose wird die Gebärmutterschleimhaut ausgeschabt, wobei Schleimhautanteile von Gebärmutterhals und Gebärmutterkörper getrennt gewonnen werden. Dies ist wichtig, damit Zellen aus den unterschiedlichen Anteilen des Organs nicht vermischt werden.

      Die Gewebsentnahme kann mit einer Hysteroskopie, der Spiegelung der Gebärmutter, kombiniert werden, um gezielt Proben aus verdächtigen Bezirken entnehmen zu können (hysteroskopische Biopsie).

      Bei der Hysteroskopie wird eine Sonde, die mit einer Kameraoptik, einer Lichtquelle und einem Arbeitskanal versehen ist, durch die Scheide in den Gebärmutterhohlraum vorgeschoben. Um eine bessere Sicht auf die Schleimhaut zu erhalten, kann über das Hysteroskop Kohlendioxid mit leichtem Überdruck in den Uterus geblasen werden. Die Spiegelung ist kaum belastend und kann in der Regel ambulant durchgeführt werden.

      Durch die Kombination von Kürettage und Hysteroskopie können bösartige Tumoren praktisch mit 100%iger Sicherheit diagnostiziert oder ausgeschlossen werden.


      Weiterführende Diagnosemethoden

      Wenn bei der Untersuchung der Gewebeproben ein Endometriumkarzinom festgestellt wurde, muß durch weitere Untersuchungen die Ausbreitung der Erkrankung bestimmt werden:

      Bei einer sorgfältigen körperlichen Untersuchung achtet der Arzt besonders auf vergrößerte Lymphknoten. Mit Röntgenaufnahmen des Brustraumes können (selten) vorhandene Tochtergeschwülsten (Metastasen) der Lunge entdeckt werden.

      Die bereits erwähnte transvaginale Ultraschalluntersuchung gibt Aufschluß darüber, wie tief das Karzinom in die Muskelschicht der Gebärmutter eingewachsen ist und ob Eileiter und Eierstöcke befallen sind. Mit der gewöhnlichen Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes hingegen lassen sich vergrößerte Lymphknoten im Bereich des kleinen Beckens und der Bauchschlagader, außerdem auch Veränderungen an Leber und Nieren feststellen.

      Die Kontrastmitteldarstellung der Nieren und Harnwege, eventuell auch eine Blasenspiegelung (Zystoskopie) und eine Darmspiegelung (Rektoskopie) dienen dazu, einen möglichen Tumorbefall dieser Organe nachzuweisen. Zur genaueren Darstellung der Bauchorgane und des rückwärtigen Bauchraums (Retroperitoneum), können Computertomographie oder Kernspintomographie eingesetzt werden.

      Schließlich gehören zur Diagnostik Laboruntersuchungen des Blutes, bei denen auch Tumormarker bestimmt werden. Darunter versteht man Eiweiße, die bei Tumorerkrankungen im Blut vermehrt vorkommen. Beim Endometriumkarzinom werden die Marker CA-125 und CEA bestimmt. Da die Tumormarker auch bei anderen Krebsarten und gutartigen Erkrankungen erhöht sein können, eignen sie sich nicht zur Früherkennung sondern nur zur Beurteilung des Krankheitsverlaufs. Dazu ist es notwendig, den Wert des Tumormarkers vor einer Behandlung zu ermitteln, um ihn mit den Messungen in der Zeit nach der Behandlung zu vergleichen. Ein Anstieg nach zunächst erfolgreicher Therapie kann auf einen örtlichen Krankheitsrückfall oder das Wachstum von Metastasen hindeuten.


      Biologische Eigenschaften und Ausbreitung des Tumors

      Bei der mikroskopischen Untersuchung des entnommenen Gewebes kann der Pathologe den Gewebetyp und die biologischen Eigenschaften des Tumors genauer bestimmen und Hinweise auf den Grad der "Bösartigkeit" des Tumors gewinnen.

      Das Grading (engl.) beschreibt, wie stark sich die Tumorzellen mikroskopisch von normalen "ausgereiften" Zellen unterscheiden. Nach Merkmalen der Gewebearchitektur unterscheidet man drei Grade - G1 bis G3. Dabei wird auch berücksichtigt, ob auf der Oberfläche der Tumorzellen Rezeptoren für Östrogene oder Gestagene vorhanden sind. Tumorgewebe vom Grad 1 (G1) ist gut differenziert, d.h. es ist der normalen Schleimhaut vergleichsweise ähnlich. Schlecht differenzierte Tumoren (G3) unterscheiden sich dagegen stark von normalem Endometrium-Gewebe, wachsen besonders schnell und sind aggressiver als G1 und G2.

      Bei der Beurteilung des Tumorstadiums nach dem TNM-System werden Größe und örtliche Ausdehnung des Tumors (T), Lymphknotenbefall (N, von lat. Nodus: Knoten) und Metastasen (M) berücksichtigt. Ziffern hinter den Buchstaben stehen für Größe und Ausdehnung (T1-4), Zahl und Lage der befallenen Lymphknoten (N0-3) und das Vorhandensein oder Fehlen von entfernten Metastasen (M0 oder M1). T1 N0 M0 bezeichnet zum Beispiel einen Tumor, der auf den Gebärmutterkörper beschränkt ist, ohne Lymphknotenbefall und Metastasen. Eine exakte Beurteilung des TNM-Stadiums ist erst nach der operativen Entfernung des Tumors möglich. Neben dem TNM-System existiert für gynäkologische Krebserkrankungen eine weitere Stadieneinteilung, die FIGO-Klassifikation mit Stadien von 0 bis IVb, bei der ebenfalls die örtliche Tumorausdehnung, Befall benachbarter Organe und Lymphknoten, und Metastasen in entfernten Organen berücksichtigt werden.


      Behandlungsmöglichkeiten

      Allgemein gesprochen richtet sich die Behandlung nach der Ausbreitung des Tumors und nach dem Ergebnis der mikroskopischen Untersuchung (Histologie).

      Risikoeinschätzung

      Vor der Entscheidung über die geeignete Therapie wird für jede Patientin individuell eingeschätzt, wie hoch die Gefahr einer schnellen Krankheitsausbreitung ist. Diese Risikoeinschätzung kann meist erst während der Operation (siehe unten) abgeschlossen werden und orientiert sich am Tumorstadium. Außerdem berücksichtigt sie Gewebetyp und Grad des Tumors, also die biologischen Eigenschaften der Tumorzellen.

      Je tiefer der Tumor in die Muskelschicht der Gebärmutter eingewachsen ist und je stärker die Abweichung vom Normalgewebe (hoher Grad), desto höher das Risiko. Von den verschiedenen Tumortypen des Endometriumkarzinoms sind besonders die "serös-papillären" und die "hellzelligen" Karzinome mit einem erhöhten Risiko behaftet.

      Während bei Patientinnen mit niedrigem Risiko die operative Entfernung der Gebärmutter ausreicht, kann es in Fällen mit höherem Risiko notwendig sein, die ausgedehnter zu operieren und anschließend eine Strahlenbehandlung und/oder Chemotherapie einzuleiten.

      Operation

      Die vollständige chirurgische Entfernung des Tumorgewebes ist die wichtigste und entscheidende Behandlungsmaßnahme. Sie ist bei den meisten Patientinnen möglich. Bei diesem Eingriff wird der Bauch zunächst durch einen Längsschnitt eröffnet. Dann werden Bauchhöhle und Bauchorgane auf Tumorbefall untersucht, um die Tumorausbreitung möglichst sicher beurteilen zu können (Staging). Die Gebärmutter wird vollständig entfernt (Hysterektomie) und noch während der Operation vom Pathologen begutachtet und mikroskopisch untersucht. Da im Grenzbereich zwischen Scheide und Gebärmutterhals häufig Tumorzellen vorhanden sind, entfernt man in der Regel auch den oberen Anteil der Scheide in Form einer Manschette. Bei Tumorbefall tieferer Anteile der Vagina wird diese ganz herausgeschnitten. Die Eierstöcke und Eileiter werden ebenfalls entfernt, da auch dort häufig Tumorzellen vorhanden sind und außerdem die Östrogenproduktion unterbunden werden soll.

      Wenn ein erhöhtes Ausbreitungsrisiko besteht oder sich bei der Begutachtung der Gebärmutter herausstellt, daß der Tumor über die Grenzen des Gebärmutterkörpers hinausgewachsen ist, werden zusätzlich die Lymphknoten im Bereich des kleinen Beckens, eventuell auch entlang der Bauchschlagader, entfernt und ebenfalls sofort begutachtet.

      Obwohl heute die Tumorausbreitung bereits vor der Operation mit leistungsfähigen bildgebenden Diagnoseverfahren untersucht wird, läßt sich häufig erst während des Eingriffs sicher bestimmen, ob weitere Organe befallen sind. Sind Blase oder Enddarm mitbetroffen, kann es erforderlich sein auch diese Organe teilweise oder ganz zu entfernen (Exenteration). Dies wird aber in der Regel nur dann durchgeführt, wenn die Lymphknoten entlang der Bauchschlagader tumorfrei sind.


      Strahlentherapie

      Die Strahlentherapie kommt bei der Behandlung des Endometriumkarzinoms als alleinige Maßnahme oder als Zusatzbehandlung nach einer Operation in Frage.

      Wenn ein chirurgischer Eingriff aufgrund von Begleiterkrankungen oder des allgemeinen Zustandes einer Patientin nicht möglich ist oder sie die Operation ablehnt, kann die alleinige Strahlentherapie eine Alternative sein. Die Heilungsergebnisse sind jedoch nicht so gut wie bei der operativen Behandlung.

      Ziel einer zusätzlichen (adjuvanten) Bestrahlung nach der Operation ist es, die Wahrscheinlichkeit eines örtlichen Rückfalls zu senken. Ob sie angezeigt ist, hängt vom individuellen Rückfallrisiko der Patientin ab. Ist es hoch, wird eine adjuvanten Strahlentherapie durchgeführt. Dadurch läßt sich das Rückfallrisiko im Bereich des Beckens und der Vagina vermindern.

      Beim Endometriumkarzinom kommen zwei verschiedene Bestrahlungstechniken in Frage - in vielen Fällen kombiniert man beide Verfahren:

      Bei den meisten Patientinnen erfolgt zur Verhütung von Rückfällen im Scheidenbereich eine Kurzdistanzbestrahlung (Brachytherapie). Dabei werden eingekapselte Strahlenquellen (radioaktives Cäsium oder Iridium) in die Scheide eingeführt und im Scheidengewölbe oder - falls nicht operiert wurde - auch in der Gebärmutter plaziert. Heute wird praktisch immer mit dem Nachladeverfahren (Afterloading) gearbeitet: Die Strahlenquelle wird ferngesteuert über ein Schlauchsystem in den Körper hineingefahren und nach Erreichen der vorgesehenen Strahlendosis wieder in einen strahlendichten Behälter zurückgeholt. Diese Technik erlaubt es, die Dosis genau zu steuern und gesunde Organe in der Umgebung weitgehend zu schonen. Außerdem werden Ärzte und Pflegepersonal nicht unnötig mit Strahlen belastet.

      Im Gegensatz zur Brachytherapie wird bei der Bestrahlung von außen (externe oder perkutane Bestrahlung) der ganze Beckenraum mit energiereichen elektromagnetischen Wellen bestrahlt. Sie wird durchgeführt bei Patientinnen mit hohem Risiko für einen Rückfall im Bereich des Beckens und wenn während der Operation keine vollständige und sichere Beurteilung der Tumorausbreitung möglich war.

      Zusätzlich kann auch die Region entlang der Bauchschlagader mitbestrahlt werden. Dies kommt besonders dann in Frage, wenn Beckenlymphknoten befallen waren, wenn der Tumor schon weit in die Muskelschicht eingewachsen war und generell bei Tumoren des Grades 3.

      Bei der alleinigen Strahlentherapie des Endometriumkarzinoms kommt immer eine Kombination aus Kurzdistanzbestrahlung und externer Strahlentherapie zum Einsatz. Dadurch erhöht sich die auf Gebärmutter und Scheide abgegebene Strahlendosis, und auch Eierstöcke, Eileiter und Lymphknoten des kleinen Beckens werden mit in die Behandlung einbezogen.

      Bei weit fortgeschrittenen, nicht operierbaren Tumoren setzt man die externe Strahlentherapie und wenn möglich die Kurzdistanzbestrahlung zur Verkleinerung des Tumors und zur Linderung von Beschwerden ein.
      Bei Tumorbefall der Bauchhöhle kann evtl. eine Bestrahlung des gesamten Bauchraums sinnvoll sein. Diese Therapieform wird zur Zeit jedoch noch in klinischen Studien auf ihre Wirksamkeit überprüft.


      Chemotherapie

      Die meisten Patientinnen mit Endometriumkarzinomen in frühen Stadien werden durch die Operation und eventuell eine zusätzliche Strahlentherapie geheilt. Dies ist bei fortgeschrittenen Tumoren oft nicht möglich. Daher wird die Behandlung solcher Patientinnen mit zellwachstumshemmenden Medikamenten (Zytostatika) in klinischen Studien untersucht. Die Wirkung der bisher getesteten Medikamente ist allerdings begrenzt und keine Kombination hat so klare Vorteile gezeigt, daß generelle Empfehlungen möglich wären. Die Chemotherapie wird deshalb außerhalb klinischer Studien vor allem dann erwogen, wenn in fortgeschrittenen Krankheitsstadien durch andere Methoden keine Linderung der Beschwerden zu erwarten ist oder bereits bei der Erstdiagnose Metastasen vorhanden sind.

      Bei bestimmten Patientinnen mit hohem Rückfallrisiko könnte eine Chemotherapie auch nach vollständiger Entfernung des Tumors (adjuvant) von Vorteil sein. Dies wird zur Zeit ebenfalls in klinischen Studien weiter geprüft.

      Hormontherapie

      Wie beim gesunden Endometrium, finden sich in den Zellen der meisten Endometriumkarzinome Rezeptoren für Östrogene oder Gestagene. Während Östrogene die Schleimhautzellen zum Wachstum anregen, wirken Gestagene hemmend. Diese Wirkung von Gestagenen kann man sich in der Behandlung des Endometriumkarzinoms zu Nutze machen.

      Bei weit fortgeschrittenen Endometriumkarzinomen und Rückfällen (Rezidiven) kann mit Gestagenen manchmal ein Rückgang der Erkrankung und die Linderung von Beschwerden erreicht werden. Dies setzt natürlich voraus, daß die Tumorzellen Rezeptoren für Gestagene besitzen. Leider ist dies nur bei einem geringen Teil der Tumoren in fortgeschrittenen Stadien der Fall.

      Der Einsatz des Antiöstrogens Tamoxifen beim Endometriumkarzinom ist umstritten.


      Schmerzbehandlung

      In weit fortgeschrittenen Stadien einer Krebserkrankung stehen für die Patientin häufig die tumorbedingten Schmerzen im Vordergrund. Die wirksame Schmerzbekämpfung ist hier eine der wichtigsten Maßnahmen. Ein gute Schmerztherapie ist immer individuell auf die Schmerzsituation der Patientin abgestimmt.

      Mit den heute verfügbaren Medikamenten und Methoden lassen sich Tumorschmerzen in den meisten Fällen gut lindern. Im Vordergrund steht die Behandlung mit Tabletten. Je nach Schmerzstärke stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, die bei Bedarf kombiniert werden. Bei starken Schmerzen werden Opioide eingesetzt. Diese Abkömmlinge des Morphins sind die wirksamsten Schmerzmedikamente. Sie sind mittlerweile auch als Pflaster (TTS) oder Nasenspray erhältlich. Bei der Schmerzbehandlung kommt es darauf an, daß die Medikamente nach einem festen Zeitplan eingenommen werden und nicht erst dann, wenn die Schmerzen wieder auftreten.

      Sind die Schmerzen so stark, daß Tabletten nicht mehr wirken, besteht die Möglichkeit, Opioide direkt in die Umgebung des Rückenmarks einzubringen. Das funktioniert über Katheter mit Pumpen oder die Einpflanzung von Reservoirsystemen, die eine kontinuierliche Opioidabgabe sicherstellen.

      Bei schmerzhaften Knochenmetastasen bringt eine gezielte Bestrahlung Linderung. Auch mit der Gabe von bestimmten radioaktiven Substanzen, die sich in erkranktem Knochengewebe anreichern und es von innen bestrahlen, können Rückbildungen von schmerzhaften Knochentumoren erreicht werden (Radionuklidtherapie).


      Nebenwirkungen der Therapie

      Jede Therapieform kann unerwünschte Nebenwirkungen bzw. Spätfolgen haben, die individuell behandelt werden müssen.

      Operation: Wie ausgedehnt operiert werden muß, läßt sich häufig erst während des Eingriffs entscheiden. Eventuelle Spätfolgen sind davon abhängig. Nach dem Eingriff stehen vorübergehend Streßbelastung und Schmerzen im Vordergrund. Durch Irritation oder Verletzung von Nerven während der Operation können Entleerungsstörungen der Blase auftreten, die aber in der Regel nach einigen Wochen verschwinden. Während dieser Zeit muß die Blase mit Hilfe eines Katheters regelmäßig vollständig entleert werden. Der Katheter wird über die Harnröhre in die Blase eingeführt. Die Patientinnen können dies nach Anleitung selbst durchführen.

      Durch die Entfernung bzw. Bestrahlung der Eierstöcke im Rahmen der Gebärmutteroperation werden Patientinnen, die vor dem Eingriff noch Monatsblutungen hatten, in die Wechseljahre (Menopause) versetzt. Die Folge können typische Wechseljahresbeschwerden sein.

      Patientinnen, bei denen ein Endometriumkarzinom im frühen Stadium entfernt wurde, können gegen diese Beschwerden kombinierte Östrogen/Gestagen-Präparate einnehmen. Untersuchungen ergaben, daß das Rückfallrisiko dadurch nicht erhöht wird.

      Bei Patientinnen, deren Beckenlymphknoten vom Tumor befallen waren, ist allerdings noch unklar, ob das Rückfallrisiko durch die Hormongabe steigt. Bei der Entscheidung über eine Therapie der Wechseljahresbeschwerden muß daher die individuelle Tumorsituation vor der Operation berücksichtigt werden.

      Strahlentherapie: Wegen der schädigenden Wirkung der Strahlen auf die Schleimhäute sind vorübergehende Entzündungen der Blase und des Darms häufig. Sie klingen aber meist innerhalb weniger Wochen wieder ab. Bei einem Teil der Patienten entwickeln sich allerdings chronische "Strahlenentzündungen" vor allem des Enddarms und der Blase. In der Scheide kann es zu Entzündungen und Verklebungen sowie zum Verlust der Elastizität der Scheidenwand und zu Feuchtigkeitsverlust der Schleimhaut kommen. Spätere Operationen im bestrahlten Bereich sind mit einem erhöhten Risiko verbunden, da die Wundheilung beeinträchtigt ist.

      Die beschriebenen Nebenwirkungen werden mit schmerzlindernden, krampflösenden und entzündungshemmenden Medikamenten in Tablettenform oder auch örtlich mit Salben, Zäpfchen und Spülungen behandelt.

      Bakterielle Entzündungen im Bereich der Scheide oder der Blase können die Symptome verschlimmern. Nach Abschluß einer Strahlenbehandlung sollten Harnwege und Geschlechtsorgane daher anfangs einmal wöchentlich auf Infektionen untersucht werden.

      Zur Behandlung von chronischen Blasenentzündungen wird die Blase regelmäßig mit entzündungshemmenden Mitteln gespült. Die häufig vorhandenen oberflächlichen Geschwüre der Blasenschleimhaut können bei gefüllter Blase sehr schmerzhaft sein und bluten leicht. Schmerzmittel und krampflösende Medikamente schaffen hier Linderung. Bei Anzeichen einer Infektion sollten sofort Antibiotika verabreicht werden. Die chronische Blasenentzündung kann eine Schrumpfung der Blase verursachen. In ausgeprägten Fällen muß der Urin künstlich abgeleitet, unter Umständen die Blase operativ entfernt werden.

      Bei chronischer Entzündung des Enddarms (Proktitis) können sich ebenfalls Geschwüre, unter Umständen auch Fisteln bilden. Anfangs wird die Proktitis mit entzündungshemmenden Einläufen behandelt, später auch mit entsprechenden Tabletten.

      Chemotherapie: Unerwünschte Begleiterscheinungen der Chemotherapie resultieren daraus, daß nicht nur der Krebs, sondern auch normale Gewebe geschädigt werden. Besonders Gewebe, deren Zellen sich häufig teilen und erneuern sind betroffen - je nach Medikament in erster Linie die Schleimhäute von Magen und Darm, das blutbildende System im Knochenmark und die Haarwurzeln. Die Folgen sind Entzündung
      Avatar
      schrieb am 15.11.00 14:18:28
      Beitrag Nr. 127 ()
      @shaky:
      Nur mal zwischendurch: DANKE!!!

      Gruß

      duessel
      Avatar
      schrieb am 15.11.00 14:19:20
      Beitrag Nr. 128 ()
      es fehlt die hälfte, hier nochmals:


      Lage, Aufbau und Funktion der Gebärmutter

      Die Gebärmutter (Uterus) liegt zwischen Harnblase und Enddarm im kleinen Becken der Frau. Sie hat etwa die Form einer Birne und ist bei erwachsenen Frauen 7 bis 10 cm lang und 80 bis 120 g schwer. Man unterscheidet zwei Organteile: Gebärmutterkörper (Corpus uteri) und Gebärmutterhals (Cervix uteri). Der unterste Teil des Gebärmutterhalses ragt als Gebärmuttermund (Portio vaginalis) in den oberen Teil der Scheide und ist dort für eine Untersuchung einfach zugänglich. Der Gebärmutterkörper ist üblicherweise gegenüber dem Gebärmutterhals nach vorne gekippt und liegt auf der Harnblase auf. Nach hinten grenzt der Uterus an den Enddarm. Seitlich am Uteruskörper münden die Eileiter; sie stellen die Verbindung zu den Eierstöcken her. Durch elastische Bänder, die von allen Seiten der Gebärmutter zur Beckenwand ziehen, wird sie in ihrer Lage gehalten. In solchen Bändern verlaufen auch Eileiter und Blutgefäße.

      Der Gebärmutterkörper besteht hauptsächlich aus Muskulatur (Myometrium), die außen von einer bindegewebigen Schicht (Perimetrium) umschlossen wird und innen mit drüsenreicher Schleimhaut (Endometrium) ausgekleidet ist. Die Schleimhaut verdickt sich während des Zyklus unter dem Einfluß weiblicher Geschlechtshormone und wird regelmäßig durch die Monatsblutung (Menstruation) abgestoßen. Die drüsenreiche Schleimhaut der Gebärmutter wird im Bereich des Muttermundes flacher und ähnelt dort normaler Schleimhaut, wie sie zum Beispiel in der Mundhöhle vorkommt (Plattenepithel).


      Krebserkrankungen der Gebärmutter

      Bösartige Tumoren können in allen Teilen des Organs entstehen. Die meisten Krebserkrankungen des Gebärmutterkörpers (Korpuskarzinome) gehen von der Schleimhaut (Endometrium) aus, weshalb auch der Begriff Endometriumkarzinom verwendet wird.

      Seltener sind die Gebärmuttersarkome, also Krebserkrankungen, die nicht von Schleimhautzellen ausgehen, sondern meist in der Muskelschicht der Gebärmutter entstehen. Im Bereich des Gebärmutterhalses entstehen bösartige Tumore aus dem flacheren Plattenepithel (Plattenepithelkarzinome). Die Tumoren des Gebärmutterhalses und des Gebärmuttermuskels unterscheiden sich im ihrem Verhalten von den Krebserkrankungen des Gebärmutterkörpers und werden anders behandelt. Hier soll nur von dem Endometriumkarzinom, dem bei weiten häufigsten bösartigen Tumor der Gebärmutter die Rede sein. Über Tumoren des Gebärmutterhalses bzw. der Cervix lesen Sie hier.


      Häufigkeit und Risikofaktoren

      Pro Jahr erkranken in Deutschland etwa 11.000 Frauen an einem Endometriumkarzinom. Es ist die häufigste Krebserkrankung der weiblichen Geschlechtsorgane und die dritthäufigste Krebs- erkrankung der Frau insgesamt. Zum Zeitpunkt der Diagnose sind die meisten Frauen über 60 Jahre alt; mit steigendem Alter wächst das Risiko, an einem Endometriumkarzinom zu erkranken.

      Die Ursachen des Endometriumkarzinoms sind noch nicht genau bekannt. Es gibt jedoch eine Reihe von Faktoren, die seine Entstehung begünstigen können. Eine wichtige Rolle spielt das körpereigene Hormon Östrogen. Es wird hauptsächlich in den Eierstöcken und zu einem geringen Anteil in den Nebennierenrinden und im Fettgewebe produziert. An der Gebärmutterschleimhaut bewirkt es ein Wachstum der Drüsenzellen. Während des weiblichen Monatszyklus wird die Östrogenwirkung durch das zweite weibliche Geschlechtshormon, das Gestagen oder auch Gelbkörperhormon, unterbrochen. Lang anhaltende Einwirkung von Östrogen auf die Gebärmutterschleimhaut kann die Entwicklung eines bösartigen Tumors begünstigen.

      Langfristige Untersuchungen zeigten, daß bei Frauen, die reine Östrogenpräparate als Medikament gegen Wechseljahresbeschwerden eingenommen hatten, häufiger Endometriumkarzinome auftraten. Wird hingegen Östrogen, wie heute üblich, mit Gestagen kombiniert, hat diese Hormonersatztherapie keinen fördernden Einfluß auf Krebserkrankungen der Gebärmutter. Es gibt im Gegenteil Hinweise darauf, daß Frauen, die in jüngeren Jahren zur Empfängnisverhütung Östrogen-Gestagen-Präparate (die "Pille") einnehmen, wesentlich seltener ein Endometriumkarzinom entwickeln als Frauen ohne Empfängnisverhütung. Der gleiche Effekt wurde bei der kombinierten Hormonersatztherapie in den Wechseljahren beobachtet.

      Die Erkrankung ist häufiger bei Frauen, die früh ihre erste Regel hatten und spät in die Wechseljahre kommen - wahrscheinlich weil bei ihnen die Einwirkungsdauer von Östrogen insgesamt verlängert ist.

      Übergewicht, häufig verbunden mit einer Zuckerkrankheit (Diabetes), erhöht ebenfalls das Erkrankungsrisiko, möglicherweise da auch im Fettgewebe geringen Mengen Östrogene gebildet werden, die auf die Gebärmutterschleimhaut einwirken.

      Bei Frauen, die keine Kinder geboren haben, ist das Erkrankungsrisiko ebenfalls erhöht.

      Da in manchen Familien das Endometriumkarzinom gehäuft vorkommt, werden auch erbliche Faktoren diskutiert. Offenbar besteht auch dann ein erhöhtes Risiko, wenn eine Frau bereits an Darmkrebs oder Brustkrebs erkrankt ist.

      Frauen, die wegen einer Brustkrebserkrankung mit dem Medikament Tamoxifen behandelt werden, haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko für Endometriumkarzinome - besonders dann wenn sie Tamoxifen länger als 5 Jahre eingenommen haben. Tamoxifen ist ein Antiöstrogen, das die Wirkung körpereigener Östrogene hemmt, indem es deren Bindungsstellen (Rezeptoren) in den Zellen blockiert. Es gibt nun aber verschiedene Typen von Östrogenrezeptoren, und Tamoxifen hat nicht an allen die gleiche Wirkung - auf manche wirkt es hemmend, auf andere stimulierend. Am Östrogenrezeptor der Gebärmutterschleimhaut wirkt Tamoxifen eher wie ein Östrogen, was das erhöhte Risiko für Tumoren des Endometriums erklärt. Trotzdem überwiegt eindeutig der Nutzen von Tamoxifen zur Behandlung des Brustkrebses. Allerdings sollte jede Frau, die wegen einer Brustkrebserkrankung Tamoxifen einnimmt, regelmäßig gynäkologisch untersucht werden.

      Die atypische Endometriumhyperplasie, eine krankhafte Gewebsveränderung der Gebärmutterschleimhaut, wird als Krebsvorstufe angesehen, da sie in etwa einem Drittel der Fälle in ein Endometriumkarzinom übergeht. Bei Frauen, die keine Kinder mehr bekommen wollen oder die bereits die Wechseljahre erreicht haben, sollte bei einer atypischen Hyperplasie des Endometriums vorsorglich die Gebärmutter entfernt werden. Frauen, die sich noch Kinder wünschen, können auch zunächst Gestagene einnehmen, um womöglich eine Rückbildung der atypischen Hyperplasie zu erreichen.


      Symptome und Früherkennungsmöglichkeiten

      Bei der empfohlenen jährlichen Krebsfrüherkennungsuntersuchung, entnimmt der Gynäkologe einen Zellabstrich vom Gebärmuttermund. Diese Untersuchung ist jedoch zur Erkennung eines Gebärmutterkörperkrebses nicht geeignet.

      Im Gegensatz zu den Krebserkrankungen des Gebärmutterhalses gibt es für das Endometriumkarzinom noch keine verbindlichen Empfehlungen zu Früherkennungsuntersuchungen. Es ist daher wichtig, daß Frauen selbst auf bestimmte Krankheitsanzeichen achten, da sie diese auch selbst am besten feststellen können.

      Das wichtigste Frühsymptom eines Endometriumkarzinoms ist eine ungewöhnliche Blutung aus der Scheide. Frauen über 35 Jahren sollten daher bei jeder Veränderung der Monatsblutungen wie außergewöhnlich starken Blutungen, Schmierblutungen oder Zwischenblutungen den Frauenarzt aufsuchen. Besonders verdächtig ist jede Blutung nach den Wechseljahren und dunkel gefärbter, übelriechender Ausfluß.

      Dank des Alarmsymptoms "abnorme Blutung" werden die meisten Endometriumkarzinome in frühen Stadien entdeckt. Tumoren, die dadurch erkannt werden, sind in den meisten Fällen noch auf das Organ begrenzt. Die Aussichten auf eine erfolgreiche Behandlung sind dann sehr gut. Wenn der Tumor bereits Schmerzen im kleinen Becken, Störungen beim Wasserlassen oder unregelmäßigen Stuhlgang verursacht, hat er meist die Grenzen des Organs überschritten und ist in angrenzende Gewebe eingewachsen.

      Bei Frauen mit erhöhtem Risiko für ein Endometriumkarzinom (z.B. frühe erste Monatsblutung, keine Geburten, starkes Übergewicht, Tamoxifenbehandlung) sollte anläßlich der jährlichen gynäkologischen Routineuntersuchung eine transvaginale Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden, auch wenn keine Krankheitszeichen vorhanden sind. Mit dieser Methode, bei der ein Ultraschallkopf in die Scheide eingeführt wird, läßt sich die Dicke der Gebärmutterschleimhaut sehr gut beurteilen. Wenn dabei keine Auffälligkeiten entdeckt werden, ist eine Krebserkrankung der Gebärmutterschleimhaut sehr unwahrscheinlich. Bei Frauen nach den Wechseljahren ist eine bösartige Erkrankung des Endometriums praktisch ausgeschlossen, wenn die Schleimhautschicht dünner als 4 mm ist.


      Untersuchungen zur Sicherung der Diagnose

      Besteht der Verdacht auf ein Endometriumkarzinom, ist die beste und sicherste Methode zur Abklärung die feingewebliche, mikroskopische Untersuchung der Gebärmutterschleimhaut.

      Zur Gewinnung von Gewebeproben erfolgt eine fraktionierte Kürettage: Unter Narkose wird die Gebärmutterschleimhaut ausgeschabt, wobei Schleimhautanteile von Gebärmutterhals und Gebärmutterkörper getrennt gewonnen werden. Dies ist wichtig, damit Zellen aus den unterschiedlichen Anteilen des Organs nicht vermischt werden.

      Die Gewebsentnahme kann mit einer Hysteroskopie, der Spiegelung der Gebärmutter, kombiniert werden, um gezielt Proben aus verdächtigen Bezirken entnehmen zu können (hysteroskopische Biopsie).

      Bei der Hysteroskopie wird eine Sonde, die mit einer Kameraoptik, einer Lichtquelle und einem Arbeitskanal versehen ist, durch die Scheide in den Gebärmutterhohlraum vorgeschoben. Um eine bessere Sicht auf die Schleimhaut zu erhalten, kann über das Hysteroskop Kohlendioxid mit leichtem Überdruck in den Uterus geblasen werden. Die Spiegelung ist kaum belastend und kann in der Regel ambulant durchgeführt werden.

      Durch die Kombination von Kürettage und Hysteroskopie können bösartige Tumoren praktisch mit 100%iger Sicherheit diagnostiziert oder ausgeschlossen werden.


      Weiterführende Diagnosemethoden

      Wenn bei der Untersuchung der Gewebeproben ein Endometriumkarzinom festgestellt wurde, muß durch weitere Untersuchungen die Ausbreitung der Erkrankung bestimmt werden:

      Bei einer sorgfältigen körperlichen Untersuchung achtet der Arzt besonders auf vergrößerte Lymphknoten. Mit Röntgenaufnahmen des Brustraumes können (selten) vorhandene Tochtergeschwülsten (Metastasen) der Lunge entdeckt werden.

      Die bereits erwähnte transvaginale Ultraschalluntersuchung gibt Aufschluß darüber, wie tief das Karzinom in die Muskelschicht der Gebärmutter eingewachsen ist und ob Eileiter und Eierstöcke befallen sind. Mit der gewöhnlichen Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes hingegen lassen sich vergrößerte Lymphknoten im Bereich des kleinen Beckens und der Bauchschlagader, außerdem auch Veränderungen an Leber und Nieren feststellen.

      Die Kontrastmitteldarstellung der Nieren und Harnwege, eventuell auch eine Blasenspiegelung (Zystoskopie) und eine Darmspiegelung (Rektoskopie) dienen dazu, einen möglichen Tumorbefall dieser Organe nachzuweisen. Zur genaueren Darstellung der Bauchorgane und des rückwärtigen Bauchraums (Retroperitoneum), können Computertomographie oder Kernspintomographie eingesetzt werden.

      Schließlich gehören zur Diagnostik Laboruntersuchungen des Blutes, bei denen auch Tumormarker bestimmt werden. Darunter versteht man Eiweiße, die bei Tumorerkrankungen im Blut vermehrt vorkommen. Beim Endometriumkarzinom werden die Marker CA-125 und CEA bestimmt. Da die Tumormarker auch bei anderen Krebsarten und gutartigen Erkrankungen erhöht sein können, eignen sie sich nicht zur Früherkennung sondern nur zur Beurteilung des Krankheitsverlaufs. Dazu ist es notwendig, den Wert des Tumormarkers vor einer Behandlung zu ermitteln, um ihn mit den Messungen in der Zeit nach der Behandlung zu vergleichen. Ein Anstieg nach zunächst erfolgreicher Therapie kann auf einen örtlichen Krankheitsrückfall oder das Wachstum von Metastasen hindeuten.


      Biologische Eigenschaften und Ausbreitung des Tumors

      Bei der mikroskopischen Untersuchung des entnommenen Gewebes kann der Pathologe den Gewebetyp und die biologischen Eigenschaften des Tumors genauer bestimmen und Hinweise auf den Grad der "Bösartigkeit" des Tumors gewinnen.

      Das Grading (engl.) beschreibt, wie stark sich die Tumorzellen mikroskopisch von normalen "ausgereiften" Zellen unterscheiden. Nach Merkmalen der Gewebearchitektur unterscheidet man drei Grade - G1 bis G3. Dabei wird auch berücksichtigt, ob auf der Oberfläche der Tumorzellen Rezeptoren für Östrogene oder Gestagene vorhanden sind. Tumorgewebe vom Grad 1 (G1) ist gut differenziert, d.h. es ist der normalen Schleimhaut vergleichsweise ähnlich. Schlecht differenzierte Tumoren (G3) unterscheiden sich dagegen stark von normalem Endometrium-Gewebe, wachsen besonders schnell und sind aggressiver als G1 und G2.

      Bei der Beurteilung des Tumorstadiums nach dem TNM-System werden Größe und örtliche Ausdehnung des Tumors (T), Lymphknotenbefall (N, von lat. Nodus: Knoten) und Metastasen (M) berücksichtigt. Ziffern hinter den Buchstaben stehen für Größe und Ausdehnung (T1-4), Zahl und Lage der befallenen Lymphknoten (N0-3) und das Vorhandensein oder Fehlen von entfernten Metastasen (M0 oder M1). T1 N0 M0 bezeichnet zum Beispiel einen Tumor, der auf den Gebärmutterkörper beschränkt ist, ohne Lymphknotenbefall und Metastasen. Eine exakte Beurteilung des TNM-Stadiums ist erst nach der operativen Entfernung des Tumors möglich. Neben dem TNM-System existiert für gynäkologische Krebserkrankungen eine weitere Stadieneinteilung, die FIGO-Klassifikation mit Stadien von 0 bis IVb, bei der ebenfalls die örtliche Tumorausdehnung, Befall benachbarter Organe und Lymphknoten, und Metastasen in entfernten Organen berücksichtigt werden.


      Behandlungsmöglichkeiten

      Allgemein gesprochen richtet sich die Behandlung nach der Ausbreitung des Tumors und nach dem Ergebnis der mikroskopischen Untersuchung (Histologie).

      Risikoeinschätzung

      Vor der Entscheidung über die geeignete Therapie wird für jede Patientin individuell eingeschätzt, wie hoch die Gefahr einer schnellen Krankheitsausbreitung ist. Diese Risikoeinschätzung kann meist erst während der Operation (siehe unten) abgeschlossen werden und orientiert sich am Tumorstadium. Außerdem berücksichtigt sie Gewebetyp und Grad des Tumors, also die biologischen Eigenschaften der Tumorzellen.

      Je tiefer der Tumor in die Muskelschicht der Gebärmutter eingewachsen ist und je stärker die Abweichung vom Normalgewebe (hoher Grad), desto höher das Risiko. Von den verschiedenen Tumortypen des Endometriumkarzinoms sind besonders die "serös-papillären" und die "hellzelligen" Karzinome mit einem erhöhten Risiko behaftet.

      Während bei Patientinnen mit niedrigem Risiko die operative Entfernung der Gebärmutter ausreicht, kann es in Fällen mit höherem Risiko notwendig sein, die ausgedehnter zu operieren und anschließend eine Strahlenbehandlung und/oder Chemotherapie einzuleiten.

      Operation

      Die vollständige chirurgische Entfernung des Tumorgewebes ist die wichtigste und entscheidende Behandlungsmaßnahme. Sie ist bei den meisten Patientinnen möglich. Bei diesem Eingriff wird der Bauch zunächst durch einen Längsschnitt eröffnet. Dann werden Bauchhöhle und Bauchorgane auf Tumorbefall untersucht, um die Tumorausbreitung möglichst sicher beurteilen zu können (Staging). Die Gebärmutter wird vollständig entfernt (Hysterektomie) und noch während der Operation vom Pathologen begutachtet und mikroskopisch untersucht. Da im Grenzbereich zwischen Scheide und Gebärmutterhals häufig Tumorzellen vorhanden sind, entfernt man in der Regel auch den oberen Anteil der Scheide in Form einer Manschette. Bei Tumorbefall tieferer Anteile der Vagina wird diese ganz herausgeschnitten. Die Eierstöcke und Eileiter werden ebenfalls entfernt, da auch dort häufig Tumorzellen vorhanden sind und außerdem die Östrogenproduktion unterbunden werden soll.

      Wenn ein erhöhtes Ausbreitungsrisiko besteht oder sich bei der Begutachtung der Gebärmutter herausstellt, daß der Tumor über die Grenzen des Gebärmutterkörpers hinausgewachsen ist, werden zusätzlich die Lymphknoten im Bereich des kleinen Beckens, eventuell auch entlang der Bauchschlagader, entfernt und ebenfalls sofort begutachtet.

      Obwohl heute die Tumorausbreitung bereits vor der Operation mit leistungsfähigen bildgebenden Diagnoseverfahren untersucht wird, läßt sich häufig erst während des Eingriffs sicher bestimmen, ob weitere Organe befallen sind. Sind Blase oder Enddarm mitbetroffen, kann es erforderlich sein auch diese Organe teilweise oder ganz zu entfernen (Exenteration). Dies wird aber in der Regel nur dann durchgeführt, wenn die Lymphknoten entlang der Bauchschlagader tumorfrei sind.


      Strahlentherapie

      Die Strahlentherapie kommt bei der Behandlung des Endometriumkarzinoms als alleinige Maßnahme oder als Zusatzbehandlung nach einer Operation in Frage.

      Wenn ein chirurgischer Eingriff aufgrund von Begleiterkrankungen oder des allgemeinen Zustandes einer Patientin nicht möglich ist oder sie die Operation ablehnt, kann die alleinige Strahlentherapie eine Alternative sein. Die Heilungsergebnisse sind jedoch nicht so gut wie bei der operativen Behandlung.

      Ziel einer zusätzlichen (adjuvanten) Bestrahlung nach der Operation ist es, die Wahrscheinlichkeit eines örtlichen Rückfalls zu senken. Ob sie angezeigt ist, hängt vom individuellen Rückfallrisiko der Patientin ab. Ist es hoch, wird eine adjuvanten Strahlentherapie durchgeführt. Dadurch läßt sich das Rückfallrisiko im Bereich des Beckens und der Vagina vermindern.

      Beim Endometriumkarzinom kommen zwei verschiedene Bestrahlungstechniken in Frage - in vielen Fällen kombiniert man beide Verfahren:

      Bei den meisten Patientinnen erfolgt zur Verhütung von Rückfällen im Scheidenbereich eine Kurzdistanzbestrahlung (Brachytherapie). Dabei werden eingekapselte Strahlenquellen (radioaktives Cäsium oder Iridium) in die Scheide eingeführt und im Scheidengewölbe oder - falls nicht operiert wurde - auch in der Gebärmutter plaziert. Heute wird praktisch immer mit dem Nachladeverfahren (Afterloading) gearbeitet: Die Strahlenquelle wird ferngesteuert über ein Schlauchsystem in den Körper hineingefahren und nach Erreichen der vorgesehenen Strahlendosis wieder in einen strahlendichten Behälter zurückgeholt. Diese Technik erlaubt es, die Dosis genau zu steuern und gesunde Organe in der Umgebung weitgehend zu schonen. Außerdem werden Ärzte und Pflegepersonal nicht unnötig mit Strahlen belastet.

      Im Gegensatz zur Brachytherapie wird bei der Bestrahlung von außen (externe oder perkutane Bestrahlung) der ganze Beckenraum mit energiereichen elektromagnetischen Wellen bestrahlt. Sie wird durchgeführt bei Patientinnen mit hohem Risiko für einen Rückfall im Bereich des Beckens und wenn während der Operation keine vollständige und sichere Beurteilung der Tumorausbreitung möglich war.

      Zusätzlich kann auch die Region entlang der Bauchschlagader mitbestrahlt werden. Dies kommt besonders dann in Frage, wenn Beckenlymphknoten befallen waren, wenn der Tumor schon weit in die Muskelschicht eingewachsen war und generell bei Tumoren des Grades 3.

      Bei der alleinigen Strahlentherapie des Endometriumkarzinoms kommt immer eine Kombination aus Kurzdistanzbestrahlung und externer Strahlentherapie zum Einsatz. Dadurch erhöht sich die auf Gebärmutter und Scheide abgegebene Strahlendosis, und auch Eierstöcke, Eileiter und Lymphknoten des kleinen Beckens werden mit in die Behandlung einbezogen.

      Bei weit fortgeschrittenen, nicht operierbaren Tumoren setzt man die externe Strahlentherapie und wenn möglich die Kurzdistanzbestrahlung zur Verkleinerung des Tumors und zur Linderung von Beschwerden ein.
      Bei Tumorbefall der Bauchhöhle kann evtl. eine Bestrahlung des gesamten Bauchraums sinnvoll sein. Diese Therapieform wird zur Zeit jedoch noch in klinischen Studien auf ihre Wirksamkeit überprüft.


      Chemotherapie

      Die meisten Patientinnen mit Endometriumkarzinomen in frühen Stadien werden durch die Operation und eventuell eine zusätzliche Strahlentherapie geheilt. Dies ist bei fortgeschrittenen Tumoren oft nicht möglich. Daher wird die Behandlung solcher Patientinnen mit zellwachstumshemmenden Medikamenten (Zytostatika) in klinischen Studien untersucht. Die Wirkung der bisher getesteten Medikamente ist allerdings begrenzt und keine Kombination hat so klare Vorteile gezeigt, daß generelle Empfehlungen möglich wären. Die Chemotherapie wird deshalb außerhalb klinischer Studien vor allem dann erwogen, wenn in fortgeschrittenen Krankheitsstadien durch andere Methoden keine Linderung der Beschwerden zu erwarten ist oder bereits bei der Erstdiagnose Metastasen vorhanden sind.

      Bei bestimmten Patientinnen mit hohem Rückfallrisiko könnte eine Chemotherapie auch nach vollständiger Entfernung des Tumors (adjuvant) von Vorteil sein. Dies wird zur Zeit ebenfalls in klinischen Studien weiter geprüft.

      Hormontherapie

      Wie beim gesunden Endometrium, finden sich in den Zellen der meisten Endometriumkarzinome Rezeptoren für Östrogene oder Gestagene. Während Östrogene die Schleimhautzellen zum Wachstum anregen, wirken Gestagene hemmend. Diese Wirkung von Gestagenen kann man sich in der Behandlung des Endometriumkarzinoms zu Nutze machen.

      Bei weit fortgeschrittenen Endometriumkarzinomen und Rückfällen (Rezidiven) kann mit Gestagenen manchmal ein Rückgang der Erkrankung und die Linderung von Beschwerden erreicht werden. Dies setzt natürlich voraus, daß die Tumorzellen Rezeptoren für Gestagene besitzen. Leider ist dies nur bei einem geringen Teil der Tumoren in fortgeschrittenen Stadien der Fall.

      Der Einsatz des Antiöstrogens Tamoxifen beim Endometriumkarzinom ist umstritten.


      Schmerzbehandlung

      In weit fortgeschrittenen Stadien einer Krebserkrankung stehen für die Patientin häufig die tumorbedingten Schmerzen im Vordergrund. Die wirksame Schmerzbekämpfung ist hier eine der wichtigsten Maßnahmen. Ein gute Schmerztherapie ist immer individuell auf die Schmerzsituation der Patientin abgestimmt.

      Mit den heute verfügbaren Medikamenten und Methoden lassen sich Tumorschmerzen in den meisten Fällen gut lindern. Im Vordergrund steht die Behandlung mit Tabletten. Je nach Schmerzstärke stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, die bei Bedarf kombiniert werden. Bei starken Schmerzen werden Opioide eingesetzt. Diese Abkömmlinge des Morphins sind die wirksamsten Schmerzmedikamente. Sie sind mittlerweile auch als Pflaster (TTS) oder Nasenspray erhältlich. Bei der Schmerzbehandlung kommt es darauf an, daß die Medikamente nach einem festen Zeitplan eingenommen werden und nicht erst dann, wenn die Schmerzen wieder auftreten.

      Sind die Schmerzen so stark, daß Tabletten nicht mehr wirken, besteht die Möglichkeit, Opioide direkt in die Umgebung des Rückenmarks einzubringen. Das funktioniert über Katheter mit Pumpen oder die Einpflanzung von Reservoirsystemen, die eine kontinuierliche Opioidabgabe sicherstellen.

      Bei schmerzhaften Knochenmetastasen bringt eine gezielte Bestrahlung Linderung. Auch mit der Gabe von bestimmten radioaktiven Substanzen, die sich in erkranktem Knochengewebe anreichern und es von innen bestrahlen, können Rückbildungen von schmerzhaften Knochentumoren erreicht werden (Radionuklidtherapie).


      Nebenwirkungen der Therapie

      Jede Therapieform kann unerwünschte Nebenwirkungen bzw. Spätfolgen haben, die individuell behandelt werden müssen.

      Operation: Wie ausgedehnt operiert werden muß, läßt sich häufig erst während des Eingriffs entscheiden. Eventuelle Spätfolgen sind davon abhängig. Nach dem Eingriff stehen vorübergehend Streßbelastung und Schmerzen im Vordergrund. Durch Irritation oder Verletzung von Nerven während der Operation können Entleerungsstörungen der Blase auftreten, die aber in der Regel nach einigen Wochen verschwinden. Während dieser Zeit muß die Blase mit Hilfe eines Katheters regelmäßig vollständig entleert werden. Der Katheter wird über die Harnröhre in die Blase eingeführt. Die Patientinnen können dies nach Anleitung selbst durchführen.

      Durch die Entfernung bzw. Bestrahlung der Eierstöcke im Rahmen der Gebärmutteroperation werden Patientinnen, die vor dem Eingriff noch Monatsblutungen hatten, in die Wechseljahre (Menopause) versetzt. Die Folge können typische Wechseljahresbeschwerden sein.

      Patientinnen, bei denen ein Endometriumkarzinom im frühen Stadium entfernt wurde, können gegen diese Beschwerden kombinierte Östrogen/Gestagen-Präparate einnehmen. Untersuchungen ergaben, daß das Rückfallrisiko dadurch nicht erhöht wird.

      Bei Patientinnen, deren Beckenlymphknoten vom Tumor befallen waren, ist allerdings noch unklar, ob das Rückfallrisiko durch die Hormongabe steigt. Bei der Entscheidung über eine Therapie der Wechseljahresbeschwerden muß daher die individuelle Tumorsituation vor der Operation berücksichtigt werden.

      Strahlentherapie: Wegen der schädigenden Wirkung der Strahlen auf die Schleimhäute sind vorübergehende Entzündungen der Blase und des Darms häufig. Sie klingen aber meist innerhalb weniger Wochen wieder ab. Bei einem Teil der Patienten entwickeln sich allerdings chronische "Strahlenentzündungen" vor allem des Enddarms und der Blase. In der Scheide kann es zu Entzündungen und Verklebungen sowie zum Verlust der Elastizität der Scheidenwand und zu Feuchtigkeitsverlust der Schleimhaut kommen. Spätere Operationen im bestrahlten Bereich sind mit einem erhöhten Risiko verbunden, da die Wundheilung beeinträchtigt ist.

      Die beschriebenen Nebenwirkungen werden mit schmerzlindernden, krampflösenden und entzündungshemmenden Medikamenten in Tablettenform oder auch örtlich mit Salben, Zäpfchen und Spülungen behandelt.

      Bakterielle Entzündungen im Bereich der Scheide oder der Blase können die Symptome verschlimmern. Nach Abschluß einer Strahlenbehandlung sollten Harnwege und Geschlechtsorgane daher anfangs einmal wöchentlich auf Infektionen untersucht werden.

      Zur Behandlung von chronischen Blasenentzündungen wird die Blase regelmäßig mit entzündungshemmenden Mitteln gespült. Die häufig vorhandenen oberflächlichen Geschwüre der Blasenschleimhaut können bei gefüllter Blase sehr schmerzhaft sein und bluten leicht. Schmerzmittel und krampflösende Medikamente schaffen hier Linderung. Bei Anzeichen einer Infektion sollten sofort Antibiotika verabreicht werden. Die chronische Blasenentzündung kann eine Schrumpfung der Blase verursachen. In ausgeprägten Fällen muß der Urin künstlich abgeleitet, unter Umständen die Blase operativ entfernt werden.

      Bei chronischer Entzündung des Enddarms (Proktitis) können sich ebenfalls Geschwüre, unter Umständen auch Fisteln bilden. Anfangs wird die Proktitis mit entzündungshemmenden Einläufen behandelt, später auch mit entsprechenden Tabletten.

      Chemotherapie: Unerwünschte Begleiterscheinungen der Chemotherapie resultieren daraus, daß nicht nur der Krebs, sondern auch normale Gewebe geschädigt werden. Besonders Gewebe, deren Zellen sich häufig teilen und erneuern sind betroffen - je nach Medikament in erster Linie die Schleimhäute von Magen und Darm, das blutbildende System im Knochenmark und die Haarwurzeln. Die Folgen sind Entzündungen der Schleimhäute, Übelkeit, Erbrechen, Haarausfall und eine vorübergehende Abnahme an weißen Blutkörperchen und Blutplättchen. Mit zusätzlichen Medikamenten, wie z.B. Antiemetika gegen das Erbrechen, können diese Begleiterscheinungen, die individuell unterschiedlich ausgeprägt sein können, gelindert werden.

      Hormontherapie: Die Nebenwirkungen einer Hormontherapie mit Gestagenen sind weniger belastend als bei den anderen Therapieverfahren und bilden sich nach Therapieende zurück. Gewichtszunahme, Haarausfall und Übelkeit sind am häufigsten.


      Leben mit der Erkrankung


      Wie geht es nach der Behandlung weiter ?

      Nach Abschluß der Behandlung, das heißt in der Regel nach Operation und Bestrahlung, sind die Patientinnen im besten Fall dauerhaft von ihrem Tumor befreit. Die weitere medizinische Überwachung mit Nachsorgeuntersuchungen dient dazu, unerwünschte Folgen der Therapie, aber auch einen möglichen Rückfall, zu erkennen. Rückfälle entstehen am häufigsten in Bereich der oberen Scheide oder der Harnröhrenmündung und können bei rechtzeitiger Entdeckung in vielen Fällen operiert werden.

      Obwohl über die optimale Form der Nachsorge noch unterschiedliche Ansichten bestehen, gilt grundsätzlich: je höher das Rückfallrisiko desto kürzer die Abstände zwischen den Untersuchungen und desto umfänglicher das Programm. Da in den ersten zwei Jahren das Rückfallrisiko am höchsten ist, sollten die Nachuntersuchungen in dieser Zeit etwa vierteljährlich stattfinden. Nach zwei Jahren können die Abstände auf sechs Monate verlängert werden. Nach fünf Jahren werden Nachuntersuchungen nicht mehr für notwendig erachtet, wenn bis dahin keine auffälligen Befunde festgestellt wurden.

      Die üblichen gynäkologischen Früherkennungsuntersuchung sollten aber trotzdem weiterhin wahrgenommen werden, denn Frauen, die an einem Endometriumkarzinom erkrankt waren, haben auch ein höheres Risiko, Brustkrebs oder Darmkrebs zu bekommen.

      Zum Routineprogramm bei der Nachsorgeuntersuchungen zählen die Befragung nach Symptomen, Labortests von Blut und Urin, allgemeine körperliche Untersuchung und die Abtastung der Scheide, des Enddarmes und der Leistenlymphknoten. Bei Patientinnen mit hohem Risiko sollten zusätzlich Ultraschalluntersuchungen von Bauchraum und Geschlechtsorganen sowie halbjährlich eine Röntgenuntersuchung der Lunge durchgeführt werden.

      In den drei Jahren nach der ersten Behandlung können gesetzlich versicherte Patientinnen jährlich eine Nachsorgekur machen. Dort gibt es neben der medizinischen Rehabilitation meistens auch Angebote für Gruppen- oder Einzelgespräche mit Psychologen und Seelsorgern. Außerdem werden vielfach Entspannungstraining und meditative Techniken angeboten.


      Unterstützende Maßnahmen

      Ernährung:

      Viele Patientinnen wollen nach einer Erkrankung des Gebärmutterkörpers etwas für sich tun und selbst zum Heilungsprozeß beitragen, zum Beispiel durch die Änderung ihrer Ernährungsgewohnheiten .

      Zwar läßt sich nach heutigem Kenntnisstand keine Krebserkrankung durch eine Diät oder eine Veränderung der Lebensmittelauswahl oder Zubereitung beeinflussen. Keine der in Broschüren, Büchern oder über das Internet propagierten Diäten gegen Krebs ist wissenschaftlich geprüft oder hat klinischen Studien standgehalten. Einige sind sogar deutlich gefährlich, weil sie zu einer Mangelernährung führen, die sich Krebspatienten nicht leisten können. Dazu gehören alle Formen von Fasten- oder Saftkuren. Auch viele Diäten, bei denen bestimmte Lebensmittel wie Fleisch, Fett oder Kaffee ganz verboten sind, gehen von wissenschaftlich nicht nachvollziehbaren Theorien zum Zusammenhang von Krebs und Ernährung aus. Lebensmittel, die für Krebspatienten regelrecht "giftig" sein sollen, gibt es schon gar nicht.

      Eine gesunde Ernährung kann jedoch den Allgemeinzustand günstig beeinflussen und trägt zur Verbesserung der Lebensqualität bei.

      Für Patienten, die durch die Erkrankung oder die Therapie an Gewicht verloren haben oder während der Behandlung nicht alles wie früher vertragen, halten Ärzte, Pflegende und Beratungsstellen individuell angepaßte Empfehlungen bereit. Sie helfen auch, mit den Ernährungsproblemen durch Operation, Chemotherapie oder Bestrahlung besser zurecht zu kommen.

      Hat sich der Gesundheitszustand nach Abschluß der Behandlung wieder stabilisiert und bestehen aus Sicht der behandelnden Ärzte keine Einschränkung bezüglich des Essens, können sich Krebspatienten wie ihre Familien an den Empfehlungen der internationalen Fachgesellschaften orientieren. Die Deutsche Krebsgesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung haben, unterstützt von Bundesministerien und vielen weiteren Institutionen, das "Fünf am Tag"-Programm ins Leben gerufen, das alle aktuellen wissenschaftlichen Ergebnisse zur gesunden Ernährung zusammenfaßt. Demnach macht alles richtig, wer fünfmal am Tag eine Portion Obst oder Gemüse ißt. Eine Portion ist dabei definiert als "eine Handvoll", auch ein Glas Saft darf dabei sein. Wer sich so ernährt, braucht nach Erkenntnissen der internationalen Fachgesellschaften weder zusätzliche Vitamine noch Spurenelemente.



      Behandlungsmethoden mit unbewiesener Wirksamkeit: Über die beschriebenen erprobten Behandlungsverfahren wie Operation, Bestrahlung und Hormon- und Chemotherapie hinaus wird für die Therapie von Krebserkrankungen eine Vielzahl von Medikamenten und Methoden angeboten, deren Wirksamkeit gegen Krebs nicht mit den Mitteln der wissenschaftlich-klinischen Prüfung nachgewiesen wurde. Die strenge Vorgehensweise bei der wissenschaftlich-klinischen Prüfung wurde entwickelt, um Irrtümer bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Methode möglichst zu vermeiden.

      Einige der Methoden mit unbewiesener Wirksamkeit werden als "biologisch" oder "alternativ" bezeichnet. Den meisten davon wird zugeschrieben, daß sie die körpereigene Abwehr, das Immunsystem, "stärken" und damit auch gegen Krebszellen aktivieren sollen. Die Immunabwehr funktioniert aber in einem komplexen und komplizierten Zusammenspiel vieler Faktoren, die noch lange nicht vollständig bekant sind. Bei einigen Präparaten weiß man, daß sie Veränderungen im Immunsystem auslösen können. Aber ob sich diese Effekte auch wirklich günstig auf die Krebserkrankung auswirken, ist nicht geklärt. Und ob die beobachteten Wirkungen auf der Behandlung beruhen oder darauf, daß die Patientin das Gefühl hat, es würde etwas für sie getan (Placeboeffekt) ist bis heute nicht aussagefähig untersucht.

      Andere Methoden wiederum werden als schnelle und erfolgreiche Umsetzung neuester Forschungserkenntnisse angeboten. Hier kann eine Einschätzung aus unterschiedlichen Gründen sehr schwierig sein. Oft gründen sich solche Behandlungsmethoden auf Verfahren, die bisher nur an Zellkullturen oder bei Labortieren untersucht wurden und über deren Wirkungen beim Menschen noch zu wenig bekannt ist. Teilweise werden auch Behandlungsverfahren weiter eingesetzt, obwohl sie mangels überzeugender Wirksamkeit von der Mehrheit der damit beschäftigten Wissenschaftler bereits wieder aufgegeben wurden. Außerdem ist es mitunter schwierig, die für die Beurteilung notwendigen Einzelheiten solcher Methoden in Erfahrung zu bringen, da sie nirgendwo veröffentlicht wurden.

      Besondere Vorsicht ist immer dann geboten, wenn ein Mittel oder eine Methode nicht zusätzlich zur üblichen Therapie, sondern statt dieser empfohlen wird. Auch sollte man immer zuerst klären, ob die zum Teil hohen Kosten von den Krankenkassen übernommen werden. Denn für Behandlungen, die nicht allgemein anerkannt sind und deren Wirksamkeit nicht schlüssig nachgewiesen ist, müssen die Kassen nicht bezahlen.

      Für die meisten dieser Methoden wird damit geworben, daß sie zumindest nicht schadeten. Es ist richtig, daß, zumindest bei den seit langem verwendeten Mitteln, die Nebenwirkungen nicht so stark sind wie z. B. die einer Chemotherapie. Sie können aber sehr wohl Laborwerte verändern oder beispielsweise grippeähnliche Krankheitszeichen hervorrufen. Deshalb sollte der behandelnde Arzt über die Anwendung aller nicht verordneten Methoden informiert werden, damit er solche Symptome oder Veränderungen richtig interpretieren kann.


      Krankheitsbewältigung

      Nach der Diagnose einer Krebserkrankung erleben fast alle Betroffenen bedrohliche Gefühle und Gedanken. Die Krankheit wird oft als massiver Einschnitt erlebt: alles bisher gewohnte und vile zukünftige Ziel scheinen zunächst in Frage gestellt. Ängste vor der Rückkehr in den Alltag und Befangenheit im Umgang mit anderen Menschen machen sich bemerkbar. Zweifel an der Wirksamkeit der Therapie und Angst vor einem Fortschreiten der Krankheit kommen immer wieder auf. Es gibt Zeiten der Hilflosigkeit und Depression, aber auch der Hoffnung und des intensiven Erlebens.

      Bei manchen Patientinnen kann weder durch Operation oder Bestrahlung noch durch Medikamente der Tumor vollständig entfernt bzw. zerstört werden. Dies trifft besonders dann zu, wenn der Krebs zum Zeitpunkt der Erkennung schon fortgeschritten ist und bereits Absiedelungen in Lymphknoten oder entfernten Körperorganen gebildet hat. Trotzdem kann die Erkrankung mit den Methoden der modernen Medizin vielfach erfolgreich bekämpft werden. Der Krebs ist dann zwar nicht geheilt, verursacht aber auch nicht ständig Beschwerden.

      Man kann viele Krebserkrankungen heute als chronische Krankheiten auffassen. Das bedeutet, daß die Patientinnen lernen müssen, mit der Erkrankung zu leben, und natürlich auch mit den Einschränkungen durch die Therapie und deren Folgen.

      Die Bewältigung der Krankheitsfolgen braucht Zeit, eigenen Willen und eine verständnisvolle Umwelt. Wichtig ist, daß die Patientin über Ängste und Sorgen ebenso wie über Erwartungen und Wünsche offen sprechen kann, ganz besonders im Kreis der Familie. Angehörige sind oft unsicher, wie sie sich der Erkrankten gegenüber verhalten sollen und scheuen das Gespräch, um die Betroffene - und oft auch sich selbst - zu schonen. Aber erst die offene Aussprache kann Wege ebnen für eine gemeinsame Bewältigung.
      Avatar
      schrieb am 15.11.00 14:27:10
      Beitrag Nr. 129 ()
      Leukämie bei Erwachsenen

      Leukämien sind bösartige Erkrankungen von Blutzellen ("Blutkrebs"), die vom Knochenmark, wo sich die Blutbildung vollzieht, oder vom lymphatischen System ausgehen. Im Unterschied zu anderen Krebserkrankungen betreffen Leukämien von Anfang an den ganzen Körper, weshalb man sie als Systemerkrankungen bezeichnet. Ansonsten gelten aber auch für diese Erkrankungen die oben beschriebenen Merkmale von bösartigen Tumoren.


      Aufbau und Funktion des Knochenmarks und des blutbildenden Systems:

      Um die Natur der Leukämien besser verstehen zu können, ist es hilfreich, zunächst etwas über die normale Zusammensetzung und die Funktionen des Blutes und über das Knochenmark als Stätte der Blutbildung zu erfahren.

      In den Adern eines erwachsenen Menschen fließen je nach Körpergewicht 4 bis 6 Liter Blut. Es transportiert Sauerstoff, Hormone, Nährstoffe und viele andere Substanzen. Das Blut enthält verschiedene Zellarten mit lebenswichtigen Funktionen: rote und weiße Blutkörperchen, Blutplättchen und Freßzellen (Monozyten).

      Die roten Blutkörperchen oder Erythrozyten befördern den lebensnotwendigen Sauerstoff in die Organe und Gewebe des Körpers. In einem Mikroliter (= Millionstelliter oder Kubikmillimeter) Blut finden sich 4 bis 6 Millionen Erythrozyten. Bei einer starken Verringerung ihrer Zahl, Anämie genannt, kommt es zu Blässe, Leistungsminderung und Müdigkeit.

      Die weißen Blutkörperchen oder Leukozyten werden unterteilt in Granulozyten und Lymphozyten. Die Leukozyten sind für die körpereigene Abwehr verantwortlich, sie sind wesentliche Bestandteile des Immunsystems. Ihre Aufgabe besteht darin, körperfremde Elemente wie Bakterien, Viren oder Pilze zu erkennen und unschädlich zu machen. Sie dienen also ganz wesentlich der Infektionsabwehr, wobei Granulozyten und Lymphozyten unterschiedliche Mechanismen haben, gegen Krankheitserreger vorzugehen, und sich so gegenseitig ergänzen. Auch bei der Erkennung und Zerstörung veränderter Körperzellen, z.B. Krebszellen, spielt das Immunsystem eine Rolle. Normalerweise enthält ein Mikroliter Blut 5000 bis 8000 Leukozyten. Bei Leukozytenzahlen unter 1000 bis 2000 pro Mikroliter wächst die Infektionsanfälligkeit des Organismus. Bakterien, Viren und Pilze können dann nicht mehr wirkungsvoll abgewehrt werden.

      Die Blutplättchen oder Thrombozyten spielen eine wichtige Rolle in der Blutgerinnung und der Abdichtung von Blutgefäßen. Sinkt ihre Zahl - normalerweise 200 000 bis 300 000 pro Mikroliter - stark ab, so kommt es zu allgemeiner Blutungsneigung und verlängerter Blutungsdauer nach Verletzungen. Schon leichte Stöße führen zu blauen Flecken, und auch Blutungen in innere Organe können die Folge sein.

      Gebildet werden die Blutzellen im Knochenmark. Dieses netzartige, lockere und stark durchblutete Gewebe füllt die Hohlräume im Inneren der Knochen aus. Man unterscheidet rotes Mark und gelbes Fettmark. Im roten Mark vollzieht sich die Blutbildung. Beim Erwachsenen findet sich rotes Mark noch in den Enden der langen Röhrenknochen, in den Rippen und in den platten Knochen wie z.B. Schädel, Brustbein und Beckenkamm. Rote und weiße Blutkörperchen, Blutplättchen und Freßzellen (Monozyten) entwickeln sich aus gemeinsamen Vorläuferzellen, den sogenannten Stammzellen der Blutbildung. Sie reifen im Knochenmark heran und werden, sobald sie funktionsfähig sind, in die Blutbahn entlassen. Lediglich ein Teil der Lymphozyten reift erst im lymphatischen Gewebe des Körpers, dem Lymphknoten, Milz, Mandeln, Thymusdrüse und Darmschleimhaut angehören. Die reifen Blutzellen haben nur eine relativ kurze Lebensdauer. Bei Blutplättchen und Leukozyten beträgt sie nur 8 bis 12 Tage, bei roten Blutkörperchen immerhin 120 Tage. Das Knochenmark muß also ständig Nachschub produzieren, damit das Blut seine lebenswichtigen Funktionen erfüllen kann.


      Was sind Leukämien ?

      "Leukämie" bedeutet übersetzt "weißes Blut". Der Begriff kommt daher, daß bei diesen Erkrankungen die Zahl der weißen Blutkörperchen im Blut meist stark vermehrt ist. Er steht für eine Gruppe von Krebserkrankungen des blutbildenden Systems, die sich bezüglich Häufigkeit, Ursachen, Behandlungsmöglichkeiten und Heilungsaussichten zum Teil stark voneinander unterscheiden, je nachdem, welche Zellart von der Erkrankung betroffen ist.

      Man unterscheidet nach dem Verlauf chronische und akute Leukämien. Chronische Formen zeichnen sich durch einen eher schleichenden, symptomlosen Beginn und langsames Fortschreiten aus, während sich akute Leukämien rasch entwickeln, in der Regel mit schweren Krankheitssymptomen und Fieber einhergehen und unbehandelt innerhalb weniger Wochen oder Monate zum Tode führen.

      Die Zellen der chronischen Leukämien sind relativ ausgereift, während bei akuten Leukämien unreife oder undifferenzierte Zellen vorliegen, das heißt die Entartung hat auf einer früheren Stufe im Reifungsprozeß der Blutzellen stattgefunden.

      Nach der Art der Zellen, aus denen die Leukämiezellen hervorgegangen sind, werden die Erkrankungen in myeloische und lymphatische Formen eingeteilt.

      Myeloische Leukämien:

      Myeloische Leukämien gehen von Vorläuferzellen der Granulozyten aus. Die entarteten Zellen teilen sich unkontrolliert, verdrängen und zerstören das gesunde Knochenmark. Die Leukämiezellen treten in großer Zahl ins Blut über und können auf diesem Wege auch alle anderen Körperorgane und selbst das Gehirn erreichen und sich dort ansiedeln.

      Lymphatische Leukämien:

      Lymphatische Leukämien gehen von Vorläufern der Lymphozyten aus. Je nach dem, auf welcher Stufe der Zellreifung die Entartung stattgefunden hat, ist zunächst entweder das Knochenmark oder das lymphatische System betroffen. Im letzteren Fall kann sich die Erkrankung zunächst in Lymphknotenschwellungen äußern, die Folge der ungehemmten Zellteilung sind. Aber auch hier treten die Zellen ins Blut über (Leukämie!) und erreichen auf diesem Wege Knochenmark und andere Organe.

      Im wesentlichen unterscheidet man die folgenden vier Leukämieformen:

      akute myeloische Leukämie (AML)
      akute lymphatische Leukämie (ALL)
      chronisch myeloische Leukämie (CML)
      chronisch lymphatische Leukämie (CLL)
      Daneben gibt es noch verschiedene seltenere Leukämieformen und Vorstufen von Leukämien, die sogenannten myelodysplastischen Syndrome. Letztere können, müssen aber nicht in eine echte Leukämie übergehen. Im folgenden wird es nur um die oben genannten vier Erkrankungen gehen. Die Übergänge von der CLL zu malignen Lymphomen sind teilweise fließend, so daß diese Erkrankung häufig zu den malignen Lymphomen gerechnet wird.


      Häufigkeit

      Leukämien sind im Vergleich zu anderen Krebserkrankungen wie z.B. der Brust, des Dickdarms oder der Lunge eher selten. In Deutschland werden pro Jahr etwa 9000 Menschen von einer Leukämie betroffen, wobei fast drei Viertel zum Zeitpunkt der Diagnose über 60 Jahre alt sind. 500 bis 600 Patienten sind Kinder unter 15 Jahren.

      Die einzelnen Leukämieformen können zwar in jedem Lebensalter auftreten, sind aber jeweils in bestimmten Altersgruppen besonders häufig. So zeigen die Statistiken bei akuten Leukämien Erkrankungshäufungen im Kindes- und Jugendalter und im mittleren Lebensalter. Die ALL ist die häufigste bösartige Erkrankung bei Kindern (Akute Leukämien bei Kindern), die AML kommt überwiegend bei Erwachsenen vor.

      Die CML tritt vor allem bei Menschen im mittleren Lebensalter auf, während die CLL vor dem 50. Lebensjahr selten ist. Leukämien sind bei beiden Geschlechtern etwa gleich häufig, lediglich an CLL erkranken mehr Männer als Frauen.


      Wie können Leukämien entstehen ?

      Die Ursachen der Leukämieentstehung sind bisher nur teilweise bekannt. Als Risikofaktoren bekannt sind erbliche Veranlagung, radioaktive Strahlen, chemische Substanzen und bei einigen seltenen Leukämiearten auch Viren.

      Leukämien sind nicht im eigentlichen Sinne erblich. Allerdings deutet das gehäufte Auftreten in manchen Familien darauf hin, daß möglicherweise eine genetische Veranlagung für die Erkrankung eine Rolle spielt.

      Bei bestimmten Veränderungen der 46 Chromosomen , im Zellkern in Form oder Zahl werden ebenfalls vermehrt Erkrankungen an Leukämie beobachtet. So haben Menschen mit Down-Syndrom , bei denen das Chromosom 21 dreimal statt zweimal vorhanden ist, ein 20fach erhöhtes Risiko, an einer akuten myeloischen Leukämie zu erkranken. Weitere erbliche Erkrankungen mit erhöhtem Leukämierisiko sind die Fanconi-Anämie und das Li-Fraumeni-Syndrom.

      Regelmäßig sind in den Leukämiezellen genetische Veränderungen mit Brüchen und Neukombinationen von Chromosomen nachweisbar. Das bekannteste Beispiel ist das Philadelphia-Chromosom, das in den Leukämiezellen von Patienten mit CML in 90 % der Fälle vorkommt: Ein Stück von Chromosom 22 ist mit einem Stück von Chromosom 9 ausgetauscht. Das auf dem Chromosom 22 dadurch entstehende "Fusionsgen" ist maßgeblich dafür verantwortlich, daß aus der betroffenen Zelle eine Leukämiezelle wird. Dieser genetische "Fehler" ist jedoch nicht angeboren und wird auch nicht weitervererbt.

      Radioaktive Strahlen , können, wie von den Folgen der Atombombenkatastrophen von Hiroshima und Nagasaki bekannt, das Auftreten besonders von akuten Leukämien fördern. Die energiereiche Strahlung verursacht Schäden am Erbgut, die letztlich zur Entwicklung von Krebs führen können. Zellen, die sich häufig teilen, wie die des Knochenmarks, sind empfindlicher gegenüber Strahlenschäden und die Umwandlung in Krebszellen macht sich naturgemäß auch schneller bemerkbar. Deshalb traten in den verstrahlten Gebieten auch zunächst gehäuft Leukämien auf - im Schnitt etwa nach fünf Jahren. Das Risiko geringer Strahlenbelastungen, wie etwa bei Röntgenuntersuchungen, läßt sich nicht sicher abschätzen.

      Verschiedene chemische Substanzen können die Entstehung einer Leukämie fördern. Zunächst sind hier das in der Industrie häufig verwendete Lösungsmittel Benzol und verwandte Stoffe zu nennen. Aber auch manche Medikamente, die zur Behandlung von Krebserkrankungen eingesetzt werden (Zytostatika, vor allem Alkylantien), können langfristig die Entwicklung einer Leukämie begünstigen. Nutzen und Risiken der Anwendung solcher Medikamente müssen also von den Ärzten sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.

      Es ist schon seit längerem bekannt, daß bestimmte Viren bei Katzen, Hühnern, Mäusen und Affen Leukämien verursachen können. Beim Menschen allerdings ist der Zusammenhang zwischen einer Virusinfektion und der Erkrankung an Leukämie bisher nur für eine hierzulande extrem seltene, vorwiegend im japanischen Raum vorkommende Leukämieform gefunden worden: Die HTL-Viren I und II werden mit der Auslösung der sogenannten Humanen T-Zell-Leukämie in Zusammenhang gebracht. Bei allen anderen Leukämien gibt es bisher keine ausreichenden Anhaltspunkte, daß Viren oder andere Krankheitserreger ursächlich an der Erkrankung beteiligt wären.

      Mit Ausnahme der seltenen HTLV-bedingten Leukämie, wo die ursächliche Rolle der Virusinfektion bekannt ist, sind Leukämien nach dem derzeitigen Stand des Wissens nicht ansteckend oder übertragbar, weder durch Berührung noch durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten des Patienten.

      Da in der Mehrzahl der Fälle keine Ursache für die Entstehung einer Leukämie festgestellt werden kann, besteht die einzige Vorbeugungsmöglichkeit derzeit darin, die bekannten Risikofaktoren wie Benzol und hohe Dosen radioaktiver Strahlung zu vermeiden.


      Symptome

      Die Symptome von Leukämien werden großenteils durch die Verdrängung der normalen Blutbildung hervorgerufen und erst in zweiter Linie von den entarteten Zellen selbst.

      Die Symptome der akuten Leukämien sind sehr vielfältig. Sie beginnen meist aus völliger Gesundheit heraus mit schwerem Krankheitsgefühl, Blässe, Fieber, häufig mit einer hartnäckigen Infektion. In vielen Fällen klagen die Patienten auch über gehäuftes Nasen- oder Zahnfleischbluten und eine verstärkte Neigung zu blauen Flecken. Gelegentlich, besonders bei jüngeren Patienten, sind auch Knochenschmerzen die ersten Symptome einer akuten Leukämie. Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Müdigkeit, Nachtschweiß und "Leistungsknick" sind ebenfalls Zeichen der schweren Systemerkrankung.

      Bei der körperlichen Untersuchung finden sich in manchen Fällen vergrößerte Lymphknoten, etwa am Hals, in den Achselhöhlen oder in der Leiste. Leber und Milz sind manchmal vergrößert, was sich z.B. in einem Völlegefühl nach Mahlzeiten äußern kann.

      Charakteristisch für eine akute Leukämie ist allerdings keines dieser Symptome. Alle genannten Beschwerden oder Störungen können auch bei anderen Erkrankungen vorkommen. Die Diagnose wird allein aufgrund des Nachweises unreifer Zellen im Blut und im Knochenmark gestellt.

      Chronische Leukämien beginnen schleichend und werden oft zufällig durch eine Routineuntersuchung festgestellt. Auch hier können jedoch allgemeine und unspezifische Krankheitssymptome wie Müdigkeit, Leistungsminderung, Gewichtsverlust, allgemeines Unwohlsein, aber auch Fieber und Nachtschweiß erste Anzeichen sein. Bei CML findet sich oft eine starke Milzschwellung. Die CLL geht in den allermeisten Fällen mit Lymphknotenschwellungen einher, Hautjucken, Ausschläge und Infektionen sind nicht selten.

      Die Vielfältigkeit der möglichen Symptome, die für sich alle nicht "typisch" sind, weil sie auch bei vielen anderen Erkrankungen auftreten können, machen es auch hier nicht leicht, eine Leukämie auf Anhieb zu erkennen, und lassen zunächst nur eine Verdachtsdiagnose zu.


      Untersuchungen zur Sicherung der Diagnose

      Besteht der Verdacht auf eine Leukämie, so müssen zur Klärung Untersuchungen des Blutes und des Knochenmarks erfolgen.

      Zunächst wird ein sogenanntes Blutbild angefertigt. Dazu wird etwas Blut auf einem Objekträger aus Glas ausgestrichen. Die Zellen werden unter dem Mikroskop gezählt und begutachtet. Meist, aber nicht immer, ist die Zahl der weißen Blutkörperchen erhöht - bei der CML manchmal auf Werte um 200 000 bis 500 000 pro Mikroliter. Neben normalen, reifen Zellen sind auch solche Vorstufen von Leukozyten zu sehen, die normalerweise nur im Knochenmark vorkommen. Oft sind die roten Blutkörperchen und die Blutplättchen vermindert, weil deren Bildung durch die Überwucherung des Knochenmarks mit Leukämiezellen verdrängt wird.

      Da aber nicht bei allen Leukämien das Blutbild, also die Zusammensetzung des Blutes, deutlich verändert ist und Erhöhung oder Verminderung der Zahlen der einzelnen Blutzellen auch bei anderen Erkrankungen vorkommen, muß in jedem Fall auch das Knochenmark untersucht werden. Bei CLL kann die feingewebliche Untersuchung eines entfernten Lymphknotens wichtige Anhaltspunkte geben, die Knochenmarkuntersuchung ist aber trotzdem erforderlich.

      Eine Knochenmarkprobe wird in der Regel unter örtlicher Betäubung aus dem Beckenkamm oder gelegentlich auch aus dem Brustbein entnommen. Da das Knochenmark blutreich und flüssig ist, kann eine kleine Menge durch eine Nadel in eine Spritze gesaugt werden (Aspirationsbiopsie, Punktion). Der Patient spürt ein momentan unangenehmes Ziehen, das durch den Unterdruck beim Ansaugen des Marks hervorgerufen wird. Die schmerzempfindliche Knochenhaut wird jedoch zuvor örtlich betäubt.

      Entnommenes Knochenmark wird dann mikroskopisch begutachtet,. Der Nachweis von Lymphozyten in der Probe ist charakteristisch und beweisend für eine CLL, da diese Zellen normalerweise nicht im Knochenmark zu finden sind. Bei CML ist, wie das Blut, auch das Knochenmark zellreich, wobei unreife Vorstufen von Leukozyten überwiegen. Bei akuten Leukämien sieht man im Knochenmarkausstrich viele unreife und außerdem in ihrem Aussehen veränderte Zellen. Die Zahl normaler Blutzellen ist stark vermindert.

      Besonders bei den akuten Leukämien können die unreifen Zellen durch verschiedene Anfärbungen und aufgrund von Oberflächenmerkmalen (CD-Marker) noch weiter unterschieden werden (Immunzytochemie). Auch die mikroskopische Untersuchung des Zellkerns (Zytogenetik) ist aufschlußreich: Verschiedene typische Chromosomenveränderungen können Hinweise auf die Aggressivität der Erkrankung geben. Bei CML ist zum Beispiel in der Mehrzahl der Fälle in den Leukämiezellen das Philadelphia-Chromosom, nachweisbar. Diese Form ist weniger aggressiv als die CML ohne Philadelphia-Chromosom.

      Immer wichtiger wird die molekularbiologische Untersuchung, von Genveränderungen die mittlerweile auch zum Routineprogramm gehört. Ziel der Genuntersuchungen und der Forschung auf diesem Gebiet ist es, bei jedem Patienten die Behandlung möglichst individuell an Natur und Stadium der Erkrankung anzupassen.

      Zur genaueren Abschätzung des Knochenmarkbefalls durch Leukämiezellen und auch zur Beurteilung des Behandlungserfolgs ist manchmal die Entnahme einer etwas größeren Menge von Knochenmark erforderlich. Dazu wird mit einer speziellen dickeren Hohlnadel ein Zylinder aus dem Knochenmark gestanzt (Stanzbiopsie).

      Bei der ALL untersucht man neben Blut und Knochenmark auch die Rückenmarksflüssigkeit (Liquor), da ein Befall des Nervensystems durch die Leukämiezellen nicht selten ist. Dazu wird in lokaler Betäubung eine Nadel zwischen zwei Wirbeln der Lendenwirbelsäule in den Wirbelkanal gestochen (Lumbalpunktion). Etwas Flüssigkeit wird entnommen, die dann unter dem Mikroskop auf Leukämiezellen untersucht wird.


      Behandlungsmöglichkeiten

      Ziel ist es, die Leukämiezellen vollständig zu zerstören oder, falls dies nicht gelingt, möglichst weitgehend zurückzudrängen. Die Behandlung muß je nach Art und Ausmaß der Erkrankung geplant werden. Sie sollte bei akuten Leukämien auf jeden Fall in einem spezialisierten Zentrum erfolgen, bei chronischen Leukämien zumindest in Zusammenarbeit mit einer Spezialklinik begonnen werden.

      Da Leukämien den gesamten Organismus erfassen und von Anfang an nicht auf ein bestimmtes Organ beschränkt sind, ist hier keine Heilung durch Operation möglich. Die Behandlung erfolgt in erster Linie mit zellwachstumshemmenden Medikamenten (Zytostatika,). In manchen Fällen ist zusätzlich eine Bestrahlung, erforderlich.

      Behandlung akuter Leukämien:

      Akute Leukämien (AML und ALL) bedürfen sofortiger und intensiver Therapie. Um eine größtmögliche Wirkung gegen die Leukämiezellen zu erreichen, werden Kombinationen verschiedenartig wirkender Zytostatika eingesetzt. Unmittelbares Ziel der Behandlung ist zunächst eine vollständige Rückbildung der Leukämie (komplette Remission), ein Zustand, in dem die Zahl der Leukämiezellen so weit reduziert ist, daß sie weder in Knochenmark- noch Blutproben nachweisbar sind.

      AML: Bei der AML erfolgt zunächst eine Einleitungstherapie (Induktion) mit ein bis zwei Kursen intensiver Chemotherapie, dann eine ebenso intensive Festigungstherapie (Konsolidierung). Darauf folgt eine Erhaltungstherapie über mindestens eine Jahr zur Stabilisierung des Behandlungserfolgs. Ob eine intensivierte Konsolidierung mit höheren Medikamentendosen die Erhaltungstherapie ersetzen kann, ist noch offen. Große Studien, in die möglichst alle Patienten eingeschlossen werden sollten, dienen der Ermittlung der optimalen Art, Intensität und Dauer der Therapie.

      Bei der Sonderform der akuten Promyelozyten-Leukämie (APL) werden neuerdings gute Behandlungserfolge durch Kombinationen von Chemotherapie mit Vitamin-A-Säure, (ATRA) erzielt.

      ALL: Für die Behandlungsplanung der ALL unterscheidet man nach verschiedenen Unterformen und Risikogruppen. Bis auf die (seltene) B-ALL umfaßt die Behandlung zwei Blöcke Induktionstherapie, zwei Blöcke Konsolidierungstherapie (auch Reinduktion genannt) und im Anschluß daran eine Erhaltungstherapie über eineinhalb Jahre. Weil die Leukämiezellen bei der ALL häufig das Gehirn befallen, werden außerdem ein oder mehrere Medikamente direkt in den Flüssigkeitsraum gegeben, der Gehirn und Rückenmark umgibt. Zusätzlich erfolgt oft eine Bestrahlung des Schädels und der oberen Halswirbelsäule. Die gesamte Behandlung der ALL dauert etwa zweieinhalb Jahre.

      Tritt im weiteren Verlauf ein Rückfall (Rezidiv) auf oder konnte die Erkrankung schon bei der ersten Therapie nicht vollständig zur Rückbildung gebracht werden, so versucht man, mit einer weiteren, sehr intensiven Chemotherapie und eventuell einer Ganzkörperbestrahlung das Knochenmark als Ursprungsstätte der Erkrankung komplett zu zerstören - in der Hoffnung, damit auch alle Leukämiezellen zu vernichten. Danach werden dem Patienten zur Wiederherstellung der Blutbildung gesunde Blutstammzellen übertragen (Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation). Diesen Weg schlägt man bei Patienten mit besonders hohem Rückfallrisiko, das die Ärzte anhand von Merkmalen der Erkrankung abschätzen können, bereits in der ersten Rückbildungsphase ein.

      Therapie der chronischen Leukämien

      Auch bei den chronischen Leukämien (CML und CLL) werden zur Behandlung zellwachstumshemmende Medikamente (Zytostatika) eingesetzt.

      CML: Bei der CML ist die Kombination von hochdosierter Chemotherapie mit oder ohne Ganzkörperbestrahlung und nachfolgender Knochenmarktransplantation , von einem geeigneten Spender (siehe unten ,) die einzige Behandlungsform, die eine dauerhafte Heilung verspricht. Die Erfolgsaussichten sind um so größer, je früher im Krankheitsverlauf diese Therapie zum Einsatz kommt.

      Kommt eine Knochenmarktransplantation nicht in Betracht - weil kein Spender gefunden werden konnte oder weil der Patient diese intensive Therapie aufgrund von Begleiterkrankungen oder höheren Alters nicht verkraften würde -, wird die Erkrankung in der stabilen chronischen Phase vorzugsweise mit Interferon-alpha , behandelt. Patienten, die auf diese Therapie nicht ansprechen, erhalten eine Chemotherapie mit einem Einzelmedikament.

      Wenn die CML nicht durch Knochenmarktransplantation geheilt werden kann, besteht die Gefahr, daß die chronische Leukämie irgendwann in eine akute Leukämie mit massenhafter Ausschwemmung ganz unreifer Zellen aus dem Knochenmark übergeht (sogenannter Blastenschub). Dann gelten ähnliche Behandlungsprinzipien wie bei akuten Leukämien , allerdings mit weniger guten Erfolgschancen.

      CLL: Die CLL schreitet in der Regel auch unbehandelt nur langsam fort. Die meist älteren Patienten fühlen sich häufig über lange Zeiträume völlig wohl, und Krankheitszeichen fehlen. Eine Behandlung wird erst dann eingeleitet, wenn die Notwendigkeit besteht - etwa bei krankheitsbedingten Beschwerden wie Leistungsminderung oder Fieber, aber auch bei Symptomen durch Vergrößerung von Milz, Leber oder Lymphknoten oder bei starker Vermehrung der Leukozyten im Blut. Auch eine Verringerung der roten Blutkörperchen (Anämie) oder der Blutplättchen kann den Beginn einer Chemotherapie, erforderlich machen. Sie erfolgt mit einem einzelnen Medikament, häufig kombiniert mit einem Kortisonpräparat. Die Patienten können die meiste Zeit von ihrem Hausarzt betreut werden. Starke Lymphknotenschwellungen, die Beschwerden verursachen, werden örtlich bestrahlt. Die Behandlung wird solange fortgeführt, bis die Erkrankung unter Kontrolle gebracht ist - bei den meisten Patienten dauert dies etwa ein halbes Jahr - und kann dann zunächst beendet werden. Verschlechert sich die Krankheitssituation erneut, beginnt man wieder mit der Behandlung. Wenn die Standardtherapie nicht oder nicht mehr wirkt, stehen heute weitere wirksame Medikamente zur Verfügung, die nochmals bei einem großen Teil der Patienten zu einer Besserung führen.

      Mit der Chemotherapie gelingt es zunächst fast immer, die die Krankheitssymptome erfolgreich zurückzudrängen. Es lassen sich oft jahrelange beschwerdefreie Zeiten erreichen. Heilungen im Sinne eines völligen und dauerhaften Verschwindens aller Leukämiezellen sind allerdings damit nicht möglich.

      Welche Rolle eine Hochdosistherapie , mit nachfolgender Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation (siehe unten) im Behandlungskonzept der CLL spielen könnte, ist noch nicht geklärt. Bei den - sehr wenigen - jüngeren Patienten (unter 55 Jahre), die an einer CLL erkranken, bietet sie möglicherweise eine Aussicht auf dauerhafte Heilung. Dies könnte auch für solche Patienten gelten, deren Leukämiezellen besonders bösartig sind, was sich anhand verschiedener Merkmale der Zellen abschätzen läßt.

      Patienten mit CLL können ein hohes Alter erreichen. Viele der meist älteren Patienten sterben deshalb nicht an ihrer Erkrankung, sondern mit ihrer Erkrankung.


      Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation

      Mit den beschriebenen medikamentösen Behandlungsverfahren ist bei akuten Leukämien nur bei einem Teil der Patienten, bei chronischen Leukämien nie eine dauerhafte Heilung zu erreichen. Das liegt daran, daß die Mengen an Zytostatika, die der Patient gerade noch vertragen kann, nicht ausreichen, um alle Leukämiezellen abzutöten. Mit wesentlich intensiverer Behandlung können die Leukämiezellen und das Knochenmark als Krankheitsherd zwar besser zerstört werden, aber zugleich kommen auch die Blutbildung und die körpereigene Abwehr zum Erliegen. Ohne geeignete Gegenmaßnahmen würden die Patienten unweigerlich an den Folgen sterben.

      Hier existiert heute ein Verfahren, das es erlaubt, diese Dosisgrenze für Zytostatika, zu überschreiten und das bei einigen Patienten die Heilungschancen deutlich erhöhen kann: die Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation. Im Gegensatz zu anderen Transplantationen, etwa von Niere, Herz oder Leber, wird hier nicht ein Organ operativ verpflanzt, sondern es werden Zellen übertragen.

      Das Prinzip der Knochenmarktransplantation beruht darauf, daß der Patient mit Zytostatika und Ganzkörperbestrahlung mit solcher Intensität behandelt wird, daß sein gesamtes Knochenmark und im Idealfall auch alle Leukämiezellen zerstört werden. Dann werden ihm - als Ersatz für das zerstörte Knochenmark - gesunde Stammzellen der Blutbildung von einem geeigneten Spender - oder auch von ihm selbst - "transplantiert". Dabei wird dem Patienten das flüssige Knochenmark wie eine Infusion in eine Armvene gegeben. Die Stammzellen der Blutbildung finden von selbst ihren Weg in die Markhöhlen der Knochen, siedeln sich dort an und beginnen, neue funktionstüchtige Blutzellen zu bilden. Wenn die Transplantation erfolgreich ist, das heißt wenn die Blutbildung wieder in Gang kommt und tatsächlich keine Leukämiezellen die Vorbehandlung überlebt haben, ist der Patient dauerhaft geheilt.

      Um dieses Ziel zu erreichen, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst ist es entscheidend, einen geeigneten Spender zu finden. Bei Leukämieerkrankungen, die durch Knochenmarktransplantation möglicherweise geheilt werden können, sollte die Spendersuche, möglichst frühzeitig beginnen. Wichtig ist dabei die Gewebsverträglichkeit, mit dem Empfänger, die in Laboruntersuchungen ermittelt wird. Wäre diese nicht zumindest weitgehend gegeben, würden sich die bei der Transplantation mitübertragenen Immunzellen des Spenders gegen den Empfänger wenden, dessen Gewebemerkmale sie als "fremd" erkennen, und eine schwere immunologische Abwehrreaktion auslösen (Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion, eng. Graft-versus-host-Reaktion GvHR).

      Am größten ist die Chance der Gewebeverträglichkeit unter Geschwistern, aber auch hier beträgt sie nur 25 bis 30% - es sei denn, der Patient hätte ein eineiiges Zwillingsgeschwister. Wird kein passender verwandter Spender gefunden, kann man heute in nationalen und internationalen Knochenmarkspenderregistern , suchen, und dieser Weg führt dank der mittlerweile großen Zahl potentieller Spender heute in über 70% der Fälle zum Erfolg.

      Dem Spender wird in Narkose durch mehrere Punktionen am Beckenkamm ein knapper Liter Knochenmarkblut entnommen. Diese Menge ist notwendig, um eine ausreichende Zahl von Stammzellen für den Wiederaufbau der Blutbildung zu gewinnen. Abgesehen von normalem Narkoserisiko ist die Knochenmarkentnahme ungefährlich. Ein Knochenmarkspender sollte gesund und nicht älter als 50 bis 55 Jahre sein.

      Das entnommene Knochenmark kann bei einer Temperatur von minus 192 Grad Celsius in flüssigem Stickstoff beliebig lange tiefgefroren gelagert werden. Nachdem der Patient wie oben beschrieben vorbehandelt wurde (Konditionierung), erhält er das wiederaufgetaute Knochenmark des Spenders als Infusion in eine Armvene.

      Diese Form der Transplantation von Knochenmark eines anderen Menschen nennt man allogen. Eine andere Möglichkeit ist die autologe Transplantation. Der Patient ist dabei sein eigener Knochenmarkspender. Voraussetzung ist, daß zunächst einmal durch Chemotherapie die Leukämiezellen weitgehend vernichtet werden konnten. In dieser Phase der besten Rückbildung wird Knochenmark vom Patienten entnommen - die Prozedur ist dieselbe wie bei der Knochenmarkentnahme von einem Spender. Nach der folgenden Hochdosischemotherapie erhält der Patient sein eigenes Knochenmark zurück, wie bei der allogenen Methode als Infusion in eine Vene. Um das Risiko zu verringern, daß mit der Rückgabe des Marks auch noch überlebende Leukämiezellen in den Körper gelangen und möglicherweise die Erkrankung erneut zum Ausbruch bringen, kann das Knochenmark mit verschiedenen Methoden im Reagenzglas "gereinigt" werden ("Purging").

      Der Vorteil des autologen Verfahrens liegt darin, daß die Blutbildung schneller wieder in Gang kommt und daß keine Immunreaktionen gegen den Empfänger auftreten. Nachteil ist das Risiko der Rückübertragung von Leukämiezellen, die die Chemotherapie überlebt haben. Auch fehlt die "Transplantat-gegen-Leukämie-Reaktion", die bei allogener Transplantation durch mitübertragene Abwehrzellen des Spenders zur Bekämpfung restlicher Leukämiezellen beitragen.

      Eine Weiterentwicklung des Verfahrens der Blutstammzelltransplantation, die sich in den letzten Jahren zunehmend durchsetzt, besteht darin, nicht mehr Knochenmark zu übertragen, sondern Stammzellen der Blutbildung aus dem Blutkreislauf. Man nennt dies periphere Blutstammzelltransplantation. Durch Vorbehandlung mit einem Wachstumsfaktor , der Blutbildung (G-CSF) treten vermehrt Blutstammzellen aus dem Knochenmark in den Blutkreislauf über und können zusammen mit anderen weißen Blutzellen aus Venenblut gesammelt werden. Mit zwei bis drei solchen Sammlungen, man nennt sie Leukapheresen, läßt sich meist eine ausreichende Zahl von Stammzellen gewinnen. Diese Methode ist für den Spender weniger belastend, weil die Knochenmarkentnahme in Narkose wegfällt. Auch kommt beim Empfänger die Blutbildung nach der Transplantation von peripheren Stammzellen schneller wieder in Gang als nach Übertragung von Knochenmark, so daß sich die Phase der Infektionsgefährdung verkürzt.

      Bei der autologen Blutstammzelltransplantation haben Zellen aus der Blutbahn die Verwendung von Knochenmark weitgehend abgelöst, und auch bei der allogenen Methode geht die Entwicklung in diese Richtung. Die Spender erhalten zur Vorbereitung ebenfalls den Blutzellwachstumsfaktor G-CSF, um Stammzellen aus dem Knochenmark in die Blutbahn zu "mobilisieren".

      Die Verfahren der Stammzelltransplantation werden intensiv weiterentwickelt. So könnte bei leukämiekranken Kindern und Jugendlichen die Übertragung von Nabelschnurblut zukünftig an Bedeutung gewinnen. Entsprechende Nabelschnurblutbanken werden zur Zeit weltweit aufgebaut.

      So elegant das Verfahren der Knochenmark- und Stammzelltransplantation auch sein mag, ist es doch nicht ohne Risiken. Nach der intensiven Chemotherapie , manchmal mit zusätzlicher Ganzkörperbestrahlung, sind die Patienten für einige Zeit stark infektionsgefährdet, bis das übertragene Knochenmark wieder eine Blutbildung und die Produktion von Abwehrzellen in Gang gesetzt hat. Außerdem besteht immer eine - wenn auch geringe - Gefahr, daß das transplantierte Knochenmark nicht "anwächst". Häufiger tritt bei der allogenen Transplantation eine Immunreaktion der mitübertragenen Abwehrzellen des Spenders gegen den geschwächten Organismus des Patienten ein (Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion), die durch Medikamente unterdrückt werden muß. Bis sich aus den übertragenen Stammzellen wieder ein funktionsfähiges Immunsystem entwickelt hat, vergeht - sofern keine Komplikationen auftreten - etwa ein Jahr. Bei allogener Knochenmarktransplantation beträgt die Dauer des Krankenhausaufenthalts im Mittel 50 Tage, nach peripherer Stammzelltransplantation und nach autologen Transplantationen ist die Zeit kürzer.

      Aufgrund der Belastung durch die Therapie sollten die Patienten bei einer Knochenmarktransplantation nicht älter als 55 Jahre sein.

      Bei Patienten mit AML und ALL mit hohem Rückfallrisiko kommt die allogene Knochenmark- bzw. Stammzelltransplantation bereits nach der ersten intensiven Chemotherapie in Frage (erste Vollremission), in den übrigen Fällen in der Regel erst dann, wenn die Erkrankung wiederaufgetreten ist und erneut durch Chemotherapie zur Rückbildung gebracht wurde (zweite Vollremission). Das autologe Verfahren kommt derzeit vor allem dann zum Einsatz, wenn kein geeigneter Spender gefunden werden konnte.

      Bei CML bietet die allogene Knochenmarktransplantation die einzige echte Heilungschance. Sie sollte daher von Anfang an in die Überlegungen zur Behandlungsplanung einbezogen und möglichst schon während der frühen chronischen Phase der Erkrankung durchgeführt werden. Die autologe Transplantation kommt bei Patienten in Betracht, für die kein Spender gefunden werden konnte und bei denen die Behandlung mit Interferon-alpha nicht zu einem Verschwinden des Philadelphia-Chromosoms, und damit der Leukämiezellen führt. Ob sie ebenfalls eine Heilung bewirken kann, ist allerdings ungewiß.

      Welche Rolle hochdosierte Chemotherapie und Stammzelltransplantation bei jüngeren Patienten mit CLL spielen könnte, wird noch untersucht.

      Knochenmark- und Stammzelltransplantationen werden in Deutschland mittlerweile an vielen großen Kliniken, vor allem an Tumorzentren , durchgeführt, so daß alle Patienten diese Behandlung erhalten können, bei denen sie erfolgversprechend ist und für die - im Fall einer allogenen Transplantation - ein geeigneter Spender gefunden werden kann.


      Nebenwirkungen der Behandlung

      Die zellwachstumshemmenden Medikamente (Zytostatika), die zur Behandlung von Leukämien und anderen Krebserkrankungen eingesetzt werden, schädigen nicht nur Tumorzellen, sondern auch normale Körpergewebe, deren Zellen sich häufig und schnell teilen. Dazu gehören besonders die Schleimhäute von Magen und Darm, die Haarwurzeln und das blutbildende System, also das gesunde Knochenmark. Daraus ergeben sich die bekannten Nebenwirkungen einer Chemotherapie wie Übelkeit, Erbrechen, Haarausfall und einer weiteren Verschlechterung der bei Leukämien ohnehin beeinträchtigten normalen Blutbildung mit Infektionsgefährdung und Blutungsneigung.

      Die Nebenwirkungen an Magen und Darm sind in der Regel auf die Zeit der Chemotherapie begrenzt, sie treten also nur während der Gabe der Zytostatika oder unmittelbar danach auf. Übelkeit und Erbrechen lassen sich durch die Gabe von Medikamenten, sogenannten Antiemetika, heute in den meisten Fällen deutlich mildern oder ganz vermeiden. Wichtig ist dabei, daß die Medikamente bereits vorbeugend und nicht erst beim Einsetzen der Übelkeit verabreicht werden.

      Das Knochenmark erholt sich nach normalen Chemotherapien innerhalb von etwa drei bis vier Wochen meist von selbst wieder weitgehend. Insbesondere nach intensiven Chemotherapien mit starker Schädigung der Blutbildung und nach Knochenmark- oder Stammzelltransplantation kann diese Erholung mit Wachstumsfaktoren der Blutbildung , medikamentös unterstützt werden.

      Die Haare fallen nach der Chemotherapie mit Verzögerung aus, wachsen aber bei fast allen Patienten innerhalb von drei bis sechs Monaten wieder nach. Zur Überbrückung dieser Zeit kann auf Wunsch des Patienten eine Kunsthaarperücke angefertigt werden. Die Kosten dafür trägt die Krankenkasse.

      Die häufigsten Nebenwirkungen von Interferon-alpha, das in der Behandlung der CML eingesetzt wird, ähneln den Symptomen einer Grippe und sind zu Beginn der Behandlung am stärksten. Durch Gabe eines fiebersenkenden und schmerzlindernden Medikaments lassen sie sich abschwächen.

      Nach Knochenmarktransplantation kommt es bei einem Teil der Patienten sofort oder auch noch nach längerer Zeit zu Immunreaktionen, bei denen sich die übertragenen Abwehrzellen des Spenders gegen Organe und Gewebe des Empfängers richten und diese schädigen können (Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion, siehe oben). Vorbeugend werden deshalb Medikamente eingesetzt, die die Immunreaktion unterdrücken.

      Als Folge der intensiven Therapie vor der Knochenmark- bzw. Stammzelltransplantation besteht zudem ein gewisses Risiko, daß Jahre nach der Behandlung ein Zweitkrebs auftritt, denn Zytostatika, können durch ihre Schädigung der Erbsubstanz selbst krebserregend wirken. Angesichts des erhofften Nutzens der Behandlung, nämlich der Heilung von der Leukämie, nimmt man dieses Risiko jedoch in Kauf. Ohne Therapie würde die Leukämie zum Tode führen.

      Die beschriebenen Nebenwirkungen sind abhängig von Art und Intensität der Behandlung und treten nicht bei jedem Patienten in gleicher Stärke auf. Allerdings sind die intensive und langwierige Behandlung akuter Leukämien und die Hochdosistherapie vor Knochenmark- oder Stammzelltransplantation immer eine Belastung für die Patienten. Am Ende steht jedoch die Aussicht auf langfristige Heilung, und dies mag die Prozedur etwas erträglicher erscheinen lassen.

      Zu einer guten Behandlungsplanung gehört es auf jeden Fall, die unerwünschten Wirkungen für den Patienten durch vorbeugende und unterstützende Maßnahmen so gering wie möglich zu halten.


      Zusätzliche und unterstützende Behandlungsmaßnahmen

      Die schwerwiegendsten Nebenwirkungen der Chemotherapie betreffen das Knochenmark und damit die Bildung von Blutzellen. Die Verminderung der Blutplättchen führt zu erhöhter Blutungsgefahr, bei Absinken der Granulozytenzahl (weiße Blutkörperchen, die für die Abwehr von Bakterien zuständig sind; siehe Abschnitt über das blutbildende System) unter 1000 pro Mikroliter Blut besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko. Da eine erfolgreiche Therapie der Leukämie, besonders der akuten Formen, sehr hohe Dosen von Zytostatika erfordern, lassen sich schädliche Wirkungen auf die gesunden Knochenmarkzellen nicht vermeiden. Es kommt deshalb darauf an, diese Behandlungsfolgen zu bekämpfen und Komplikationen wie Blutungen oder Infektionen möglichst zu vermeiden.

      Zur Verhütung oder Stillung von Blutungen, die vor allem bei Blutplättchenzahlen unter 20 000 pro Mikroliter drohen, haben sich Thrombozytentransfusionen , bewährt. Grundsätzlich sollten nur gewebsverträgliche Thrombozyten transfundiert werden, um eine Aktivierung der körpereigenen Abwehr und die Zerstörung der übertragenen Blutplättchen zu vermeiden. Am günstigsten ist meist ein Spender aus der eigenen Familie, am besten Bruder oder Schwester. Die Gewebsverträglichkeit kann im Labor mit kleinen Mengen von Blut des Spenders und des Patienten festgestellt werden. Die Blutplättchen werden in einer Art von Blutwäsche aus dem Blut des Spenders herausgefiltert. Das ist nicht belastend und kann in Abständen wiederholt werden, da das Knochenmark des Spenders rasch wieder Blutplättchen nachbildet und den Verlust auffüllt.

      Bei Mangel an roten Blutkörperchen (Anämie) können ebenfalls Transfusionen von Konzentraten roter Blutzellen (Erythrozyten) notwendig sein.

      Die Infektionsgefährdung ist durch die Zerstörung der Abwehrzellen nach Hochdosistherapie , und Knochenmark- oder Stammzelltransplantation, besonders ausgeprägt. Die Patienten müssen deshalb zum einen so gut wie möglich vor Infektionen von außen geschützt werden, zum anderen muß man verhindern, daß die im Darm stets in großer Zahl vorhandenen und bei funktionierender Abwehr harmlosen Keime Schaden anrichten. Wichtig ist es vor allem, den Kontakt zu Personen zu meiden, die an ansteckenden Erkrankungen leiden. In der Klinik werden die Patienten in keimarmen Räumen untergebracht. Besucher, Ärzte und Pflegepersonal müssen vor dem Betreten des Zimmers ihre Hände desinfizieren, Schutzkleidung und einen Mundschutz anlegen. Schnittblumen und Topfpflanzen sollten nicht im Zimmer stehen, denn Blumenwasser und Erde sind bevorzugte Aufenthaltsorte von Bakterien und Pilzen, die Gesunden nichts anhaben können, aber bei stark geschwächter Abwehr Quelle von Infektionen sein können. Die Patienten sollen in der Phase der extremen Abwehrschwäche nur gekochte Speisen zu sich nehmen, keine Salate und nur gut gewaschenes und geschältes Obst. Um einer Infektion durch die eigenen Darmbakterien vorzubeugen, bekommen sie Antibiotikatabletten, die gezielt die Darmbakterien abtöten. Wichtig ist eine äußerst sorgfältige Körperhygiene, besonders die Mund- und Hautpflege. Kommt es trotz der Vorbeugungsmaßnahmen zu einer Infektion mit Bakterien oder Pilzen, so ist eine frühzeitige, gezielte Behandlung mit Antibiotikainfusionen erforderlich.

      Heute besteht auch die Möglichkeit, hormonähnliche Substanzen, die im Knochenmark die Bildung und Ausreifung von weißen Blutkörperchen regulieren, mit Hilfe der Gentechnologie in reiner und "menschenidentischer" Form herzustellen. Diese Substanzen, die auch als Wachstumsfaktoren der Blutbildung, bezeichnet werden, können nach einer intensiven Chemotherapie die Neubildung von weißen Blutzellen, besonders von Granulozyten, anregen und so die Erholung des Knochenmarks unterstützen. Verabreicht man einem Patienten nach der knochenmarkschädigenden Chemotherapie diese Wachstumsfaktoren - Granulozytenwachstumsfaktor (G-CSF) oder Granulozyten-Makrophagen-Wachstumsfaktor (GM-CSF) -, so läßt sich damit in vielen Fällen die Zeit der Infektionsgefährdung verkürzen, da die weißen Blutkörperchen schneller wieder nachgebildet werden. Auch nach Knochenmark- und Stammzelltransplantation beschleunigen sie das Wiedereinsetzen der Blutbildung.

      Bei CLL ist der Krankheitsverlauf häufig durch eine Abwehrschwäche gekennzeichnet, die sich in einer Anfälligkeit gegenüber Infektionen äußert. Der Grund liegt darin, daß die CLL eine Erkrankung von Zellen mit wichtigen Funktionen in der körpereigenen Abwehr ist, andererseits in der zusätzlichen Schädigung durch die Therapie. Betroffen ist dabei auch die Untergruppe von Lymphozyten, die normalerweise für die Bildung von Antikörpern zuständig sind, kleiner Eiweißkörper, die eine wesentliche Rolle in der Erkennung und Bekämpfung von Bakterien und Viren spielen. Bei einem Mangel an funktionstüchtigen Antikörpern können sich Erreger im Körper ungestörter vermehren. Treten als Folge dieser Störung bei einem Patienten gehäuft Infektionen auf, kann die Gabe von Antikörperkonzentraten (menschliche Immunglobuline) das Infektionsrisiko verringern.

      Impfungen mit lebenden Bakterien oder Viren sollten wegen der Abwehrschwäche bei dieser wie auch bei allen anderen Leukämieformen nicht vorgenommen werden.


      Beurteilung des Behandlungserfolgs und Verlaufskontrollen

      Wenn nach der Chemotherapie bei der Untersuchung von Blut und Knochenmark keine Leukämiezellen mehr nachweisbar sind und auch sonst keine Krankheitssymptome mehr bestehen, so spricht man von einer vollständigen Remission: Die Leukämie konnte erfolgreich zurückgedrängt werden. Manchmal gelingt durch die Therapie nur eine teilweise Remission, das heißt die Blutwerte und die Symptome bessern sich deutlich, aber nicht völlig. Falls die Leukämiezellen nur ungenügend oder gar nicht auf die Chemotherapie ansprechen, versucht man, mit einer anderen Kombination von Medikamenten oder gleich mit einer knochenmarkzerstörenden Hochdosistherapie ein Ansprechen zu erreichen.

      Bei vollständiger Remission können die Patienten nach einer Erholungsphase zu ihrem normalen Leben zurückkehren. Allerdings ist selbst eine komplette Remission nicht immer gleichbedeutend mit Heilung. Es besteht immer die Gefahr, daß doch einige Leukämiezellen die Therapie überlebt haben und die Erkrankung nach einiger Zeit wieder ausbricht. Untersuchungen des Blutes und des Knochenmarks in regelmäßigen Abständen machen es möglich, einen Rückfall der Leukämie zu erkennen. Aber auch die Patienten selbst spüren ein Wiederauftreten der Erkrankung oft an bestimmten Symptomen wie Leistungsknick, Blutungsneigung oder hartnäckigen Infekten. Solche Rückfälle oder Rezidive werden dann wieder mit einer Chemotherapie behandelt, wobei die Erfolgsaussichten auch davon abhängig sind, ob das Rezidiv schon sehr bald nach der ersten Behandlung auftritt oder erst nach längerer Zeit.

      Neben der Erkennung von Rückfällen dienen die Kontrolluntersuchungen auch der Feststellung von möglichen Behandlungsfolgen, die sich beispielsweise in Störungen von Organfunktionen äußern können.


      Erfolgsaussichten der Behandlung

      Mit den heute üblichen intensiven Chemotherapien ist bei akuten Leukämien in 60 bis 80% der Fälle eine vollständige Rückbildung (Remission) erreichbar. Damit sind theoretisch die Voraussetzungen für eine Heilung gegeben. Dennoch kommt es im weiteren Verlauf häufig zu einem Rückfall (Rezidiv): bei der AML in bis zu 80%, bei ALL in 50-60%. Die Rezidive treten meist schon im Verlauf der ersten ein bis zwei Jahre auf. Je länger die krankheitsfreie Zeit andauert, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls, aber er ist nie völlig ausgeschlossen. Eine erneute Chemotherapie führt dann zwar häufig nochmals zu vollständigen Remissionen, die aber speziell bei der ALL von kürzerer Dauer sind.

      Seit der Einführung der Knochenmark- bzw. Stammzelltransplantation , in das Behandlungskonzept bei akuten Leukämien haben sich die Chancen auf dauerhafte Heilung auch nach einem Rückfall deutlich verbessert: 40 bis 60% der Patienten bleiben nach dieser Behandlung, die je nach Situation entweder bereits in der ersten Remission oder beim ersten Rezidiv erfolgt, längerfristig rückfallfrei.

      Die chronischen Leukämien werden durch die medikamentöse Behandlung zwar häufig über längere Zeit in Schach gehalten, eine echte Heilung gelingt ohne Stammzelltransplantation jedoch so gut wie nie. Bei der CML, bietet die Transplantation die einzige sichere Chance der dauerhaften Heilung. Erfolgt sie in der frühen chronischen Phase der Erkrankung, so sind die Aussichten sehr gut: Nach fünf Jahren leben noch bis zu 70 % der Patienten, etwa die Hälfte davon kann als dauerhaft geheilt gelten. Nicht mehr so günstig sind die Ergebnisse, wenn die Transplantation erst zu Beginn der beschleunigten Phase der Erkrankung vorgenommen wird. Dann bleiben nur noch etwa 30 % der Patienten über drei Jahre rückfallfrei. Grundsätzlich kann man zwar davon ausgehen, daß die Aussicht auf Heilung um so größer ist, je länger nach Knochenmarktransplantation die Remission anhält, aber die Möglichkeit späterer Rezidive ist leider auch hier nie ganz ausgeschlossen.

      Die CLL, ist durch die bisher übliche Chemotherapie derzeit nicht heilbar, aber die Krankheit verläuft sehr langsam, und die Betroffenen leben meist viele Jahre mit ihrer Erkrankung. Ob und bei welchen Patienten die Hochdosistherapie mit Knochenmark- oder Stammzelltransplantation eine echte Heilung ermöglichen könnte, muß noch geprüft werden.

      Bei allen Zahlenangaben zur Prognose, also zur Abschätzung des Krankheitsverlaufs, muß man berücksichtigen, daß sie auf den Einzelfall nur begrenzt übertragbar sind. Sie stellen lediglich Mittelwerte bezogen auf die Behandlungsergebnisse bei einer großen Zahl von Patienten dar. Jede Erkrankung hat ihren individuellen Verlauf, der sich nie mit letzter Sicherheit voraussagen läßt.


      Leben mit der Erkrankung

      Auch bei den Patienten, deren Leukämiezellen nicht vollständig vernichtet werden können, läßt sich die Erkrankung durch die beschriebenen Behandlungsmaßnahmen vielfach für längere Zeit unter Kontrolle halten.

      Besonders die CLL ist, wie der Name schon sagt, eine chronische Erkrankung. Das bedeutet, daß die Patienten lernen müssen, mit der Krankheit und auch mit den daraus erwachsenden Einschränkungen durch dauernde oder zeitweise Behandlung, durch regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen und durch eventuelle Folgen der Therapie zu leben, oft viele Jahre lang.

      Die Bewältigung der Erkrankung und ihrer Konsequenzen braucht Zeit, eigenen Willen und eine verständnisvolle Umwelt. Es ist gut, wenn man offen über Ängste und Probleme sprechen kann, ganz besonders im Kreis der Familie. Angehörige sind oft unsicher, wie sie sich dem Patienten gegenüber verhalten sollen, und scheuen das Gespräch, um ihn zu schonen. Aber erst die offene Aussprache kann Wege ebnen für eine gemeinsame Bewältigung der Probleme.

      Fragen im Zusammenhang mit der Lebensführung tauchen immer wieder auf. Was kann man selbst zur Behandlung und zur Gesundung beitragen? Wie kann man sich verhalten, um Rückfällen vorzubeugen? Wie geht man am besten mit den verschiedenen Begleiterscheinungen um? Kein Patient sollte sich scheuen, solche Fragen an den behandelnden Arzt zu stellen. Neben der eigentliche Therapie gehört es auch zu seinen Aufgaben, den Patienten durch seine Erkrankung zu begleiten und gemeinsam mit ihm entstehende Probleme zu lösen und Fragen zu beantworten.

      Eine besondere und oft schwierige Situation ergibt sich für Patienten, die wegen einer akuten Leukämie behandelt werden. Aufgrund der langen Dauer der intensiven Therapie - bei ALL etwa zweieinhalb Jahre oder noch länger, falls eine Knochenmarktransplantation durchgeführt werden muß - werden die Patienten aus ihren beruflichen und sozialen Bezügen herausgerissen, und die Wiedereingliederung ist oft nicht einfach.
      Avatar
      schrieb am 15.11.00 21:22:36
      Beitrag Nr. 130 ()
      DANKE SHAKY, unvergleichlich gut!

      penny - tief beeindruckt :cool:
      Avatar
      schrieb am 25.11.00 15:28:46
      Beitrag Nr. 131 ()
      Kommt das Gen Food doch??? :confused: :confused:

      Fand diese Studie der Stiftung Gen Suisse "InterNutrition" im Internet unter http://www.internutrition.ch


      Ich stelle nur das Inhaltsverzeichnis hier ins Board. Die ganze Studie umfasst 70 Seiten. Zuviel, zum reinkopieren. Wer Interesse hat, kann diese interessante Studie im Internet nachlesen.

      Gruss Ruedi


      BIOLOGISCHE, KONVENTIONELLE UND GENTECHNISCHE ANWENDUNGEN IN DER LANDWIRTSCHAFT GESUNDHEITLICHE UND ÖKOLOGISCHE ASPEKTE


      Inhaltsverzeichnis

      1. Einleitung

      2. Fakten zum Bio-Landbau und zur grünen Gentechnik

      2.1 Geschichtliche Entwicklung des Bio-Landbaus
      3.2 Kurz-Definition des Bio-Landbaus
      2.3 Bio-Organisationen
      2.4 Rechtliche Grundlagen und Richtlinien
      2.4.1 Biologischer Landbau
      2.4.2 Gentechnik im ausserhumanen Bereich
      2.5 Entwicklung in der Schweiz
      2.5.1 Bio-Betriebe und Bio-Landwirtschaft
      2.5.2 Anbau von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen
      2.6 Entwicklungen im Ausland
      2.6.1 Ökologische Landwirtschaft
      2.6.2 Transgene Nutzpflanzen

      3. Bio-Produkte: Markt, Konsum und Öffentlichkeit

      3.1 Marktwirtschaftliche Entwicklung in der Schweiz
      3.2 Marktwirtschaftliche Entwicklung im Ausland
      3.3 Schweizer Bio-Labels
      3.4 Umfragen und Meinungsforschung zu Bio- und GVO-Produktion

      4. Nahrungsmittel und Gesundheit

      4.1 Sind Bio-Lebensmittel gesünder?
      4.2 Vergleich ernährungsrelevanter und Eigenschaften von biologischen und herkömmlichen Nahrungsmitteln
      4.3 Chemische und natürliche Pestizide
      4.4 Mykotoxine (Pilzgifte)
      4.4.1 Mykotoxingehalt bei biologischen und konventionellen Produkten
      4.4.2 Mykotoxingehalt bei gentechnischen und konventionellen Maisprodukten
      4.5 Bt-Toxine als Spritzmittel

      5. Futtermittel und Tierernährung

      5.1 Nutztiere und Futtermittel im Bio-Landbau
      5.2 Vergleich zu konventionellen und gentechnisch veränderten Futtermitteln
      5.3 Verbleib der "Fremd"-DNS im tierischen Organismus und in Lebensmittel tierischer Herkunt

      6 Landwirtschaft und Ökologie

      6.1 Agrarökologie und Nachhaltigkeit
      6.2 Vertikaler Gentransfer und Pollenflug
      6.2.1 Gentransfer auf verwandte Wildarten
      6.2.2 Gentransfer vom Gentech- aufs Bio-Feld
      6.3 Bt-Toxine in der Schädlingsbekämpfung
      6.3.1 Abbau im Boden
      6.3.2 Auswirkungen auf Nützlinge und Nicht-Ziel Oganismen
      6.4 Bekämpfung von Pilzkrankheiten
      6.4.1 Problematische Kupferanwendung im Bio-Landbau
      6.4.2 Gentechnische Strategien
      6.5 Ökologische Benefits der Gentechnik
      6.5.1 Insektenresistente Bt-Baumwolle
      6.5.2 Insektenresistenter Bt-Mais
      6.5.3 Herbizidtolerante Soja
      6.6 Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität
      6.7 Landwirtschaftliche Erträge, Stickstoffdüngung und Welternährung

      7. Zusammenfassung und Fazit
      8. Literatur
      Avatar
      schrieb am 25.11.00 19:05:18
      Beitrag Nr. 132 ()
      @Dr.Einstein

      vielen Dank, Ruedi, für diese Informationen. Das Thema interessiert mich zur Zeit sehr - insbesondere im Zusammenhang mit Veränderungen bei BASF, Dow Agro usw.

      Bist Du zufällig draufgekommen - oder recherchierst Du in dieser Richtung?

      Artemisia - die erfolgreich Mietgeminderte
      Avatar
      schrieb am 26.11.00 08:17:08
      Beitrag Nr. 133 ()
      einfach zum nachdenken:

      Was dürfen wir wollen?
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      Die Möglichkeiten der Biotechnologie und die Suche nach der verlorenen Moral


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      Michael Fleischhacker
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      Es wird kein Zufall gewesen sein, dass rund um die Bekanntgabe der fast vollständigen Sequenzierung des menschlichen Genoms im vergangenen Sommer der religiöse Sprachgebrauch eine wichtige Rolle spielte: US-Präsident Bill Clinton schwärmte, wir seien dabei, jene Sprache zu buchstabieren, in der Gott das Leben geschaffen hat.

      Die schier unendliche Buchstabenkombination aus A, T, G und C (für die Basen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin), mithilfe derer eine Gensequenz dargestellt werden kann, inspirierte auch den einen oder anderen Forscher auf religiöse Weise. Ein deutscher Genetiker fühlte sich etwa an den Prolog des Johannes-Evangeliums erinnert: "Im Anfang war das Wort." Und wo die Enthusiasten die Neuschöpfung des Menschen aus eigener Kraft bejubeln, verweisen die Skeptiker auf die Vertreibung aus dem Paradies. Man wisse ja, wozu es führt, wenn der Mensch vom Baum der Erkenntnis isst: zur Sterblichkeit des Menschen, zu Krankheit, Entbehrung, Schmutz und Leid.

      Die Menschheitsgeschichte ist eine Emanzipationsgeschichte. Der Mensch hat sich aus den Zwängen und Fängen der dunklen Natur befreit. Er hat nach und nach mit dem Licht der Aufklärung die finsteren Ecken seines Selbst ausgeleuchtet, die durch die schweren Vorhänge der überkommenen Moralvorstellungen abgedunkelt waren. Er hat das Geheimnis der Mythen und großen Erzählungen gelüftet und sich an die Verfassung einer Prosa des Fortschritts gemacht.

      Die Entschlüsselung des menschlichen "Bauplans" ist der End- und Höhepunkt dieses höchst erfolgreichen Emanzipationsprozesses: Der Mensch kehrt aus eigener Kraft ins Paradies zurück, er ist drauf und dran, dem Gott, der ihn wegen seines Erkenntnisdrangs vertrieben hat, ebenbürtig zu werden in der Kunst, sich asexuell zu vermehren.

      Die aktuellen Diskussionen rund um die Frage, ob es so etwas wie ein "Patent auf Leben" geben dürfe oder ob es moralisch zulässig sei, Mischwesen aus Tier und Mensch zu erzeugen, machen auch die Kehrseite des Emanzipationsprozesses deutlich: Der Rahmen eines gefestigten Weltbildes, der gesprengt werden musste, um die Geheimnisse der Natur und des Menschen zu entschlüsseln, war nicht nur Gefängnis, sondern auch Orientierung.

      So wenig ein vernünftiger Mensch daran denken kann, sich die alten Ordnungen zurückzuwünschen, so offensichtlich ist das Dilemma, das ihr Verlust uns bereitet. Wir wissen ziemlich genau darüber Bescheid, was wir können. Was wir nicht wissen, ist: Was dürfen wir wollen?

      Einfache Antworten verbieten sich: Wer sich darüber beklagt, dass die großen Biotech-Konzerne den Druck auf die Patentämter erhöhen, um die Früchte ihrer Investitionen zu ernten, muss sehen, dass ohne das Geld dieser Konzerne die medizinische Forschung, auf die wir im Kampf gegen unheilbare Krankheiten setzen, nicht wäre, wo sie heute ist.

      Wo die verbindlichen Erzählungen abhanden gekommen sind, muss sich der Mensch allein auf die Suche nach der verlorenen Moral machen. Wie sehr der Einzelne mit dieser Aufgabe überfordert sein kann, zeigen Beispiele aus allen Bereichen, nicht zuletzt aus der Literatur: Michel Houellebecq etwa, der trendige Prophet des Sinnlosen, zeigt in seinen Romanen "Elementarteilchen" und "Ausweitung der Kampfzone", wie gründlich und unrettbar sich das Individuum im Kosmos seines von allen Beschränkungen losgelösten Selbst verlaufen kann.

      Und doch scheint es, als ob der kalte, zynische Blick auf die Kehrseite der uneingeschränkten Individualität heute mehr an moralischer Kraftanstrengung mobilisieren kann als das liebenswürdig-pastorale Reden der altehrwürdigen Sinnstiftungsorganisationen.

      Auf die Entdeckung des Moral-Gens dürfen wir wohl nicht allzu sehr hoffen. Und selbst wenn: Was tun, wenn es sich die Forschergruppe sofort patentieren lässt?

      schöen sonntag euch allen,
      ulrike beim frühstückszeitunglesen (der standard)
      Avatar
      schrieb am 26.11.00 18:23:22
      Beitrag Nr. 134 ()
      Hallo Artemisia

      Ich interessiere mich seit längerem für die Biotech. Habe im meinem Depot unter anderem Aktien von Biotech-Unternehmen. Ich bin, wie Shaky überzeugt, dass dies die Branche ist, die in Zukunft am meisten bringt.

      Da ich seit Jahren bei meiner Ernährung darauf achte, Produkte zu verwenden, die nach biologischen Grundsätzen angebaut werden, jedoch weiss, dass auch die Bio Bauern mit Schädlingen zu kämpfen haben und nicht immer alle Produkte frei von Rückständen sind, bin ich überzeugt, dass nur der Weg zusammen zum erhofften Ziel führt: Nahrungsmittel herzustellen die gegen Schädlingen Widerstandsfähig sind und alle nötigen Vitamine und Mineralien beinhalten.

      Gruss Ruedi
      Avatar
      schrieb am 27.11.00 12:42:39
      Beitrag Nr. 135 ()
      Bau und Funktion der Atemorgane

      Die Körperzellen brauchen zur Energiegewinnung Sauerstoff. Das lebensnotwendige Gas gelangt über die Lungen in den Blutkreislauf, der es auf die Zellen verteilt. Dort wird beim Abbau von kohlenstoffhaltigen Nährstoffen mit Hilfe von Sauerstoff Energie freigesetzt und es entsteht Kohlendioxid. Dieses wird mit der ausgeatmeten Luft an die Umgebung abgegeben.
      Die über Nase und Mund eingeatmete Luft strömt durch den Rachen und Kehlkopf in die Luftröhre (Trachea), ein elastisches, etwa 12 cm langes Rohr, das von unterhalb des Kehlkopfes hinunter in den Brustkorb zieht. Dabei durchläuft sie den Raum zwischen rechtem und linken Lungenflügel, das Mediastinum. Hier verläuft auch die Speiseröhre und es finden sich das Herz mit großen Blutgefäßen, Thymus, Nerven und Lymphgefäße. Die Luftröhre teilt sich am unteren Ende in die zwei Hauptbronchien. Diese treten jeweils an der Lungenwurzel in einen der beiden Lungenflügel ein und teilen sich ihrerseits wie ein Baum in immer kleinere Äste, die Bronchiolen, und letzlich in die Lungenbläschen auf. Durch die Wände der ca. 300 Millionen Lungenbläschen, die zusammengenommen eine riesige Austauschfläche bilden, wird Sauerstoff ins Blut aufgenommen und umgekehrt Kohlendioxid aus den Blut in an die Luft abgegeben.

      Die Luftröhre und das Bronchialsystem sind von einer Schleimhaut ausgekleidet. Ihre Oberfläche ist bedeckt von einem schleimigen Sekret, das Schwebteilchen aus der Luft bindet. Ein dichter Besatz an beweglichen Flimmerhärchen sorgt für einen beständigen Sekretstrom in Richtung Rachen, der die Schwebstoffe aus den Luftwegen abtransportiert. Durch Hüsteln, kräftiges Husten, und das Schlucken von Schleim wird also letztlich die Lunge gereinigt.
      Die Lungenflügel ähneln in ihrer Form abgestumpften Kegeln. Sie sitzen auf der muskulösen Kuppel des Zwerchfells auf. Dieses trennt Brustraum und Bauchhöhle und ist der wichtigste Atemmuskel. Die Spitzen der Lungenflügel ragen etwas über die Schlüsselbeine empor. Die Lungenflügel sind weiter gegliedert in Lungenlappen, die jeweils von einem Bronchialast versorgt werden: den rechten Flügel teilen zwei tiefe Spalten in Ober-, Mittel- und Unterlappen. Der linke Lungenflügel ist wegen der linksverschobenen Lage des Herzens kleiner und daher nur in Ober- und Unterlappen gegliedert. Die Lungenlappen sind ihrerseits in insgesamt zehn Lungensegmente mit jeweils eigener Bronchialversorgung gegliedert.
      Das Äußere der Lunge ist von einer Schleimhaut, der Pleura bedeckt. Zwischen der Lungenoberfläche und der Brustwand, die innen ebenfalls von der Pleura überzogen ist, befindet sich ein dünner Spalt, der mit wenig Flüssigkeit gefüllt ist. Dadurch können sich bei der Atmung Lunge und Brustwand gegeneinander verschieben. Die Flüssigkeit im Pleuraspalt kann bei Entzündungen oder Tumorbefall der Pleura vermehrt sein.
      Neben Nerven und Blutgefäßen durchziehen auch Lymphbahnen die Lunge, diese sammeln sich in Lymphgefäßen und Lymphknoten. Die Lymphgefäße verlaufen von der Lungenwurzel entlang der Luftröhre und münden letztlich in das Blutgefäßsystem. Bei Krebserkrankungen können über die Lymphflüssigkeit auch Krebszellen verschleppt werden. Sie werden oft in den zwischengeschalteten Lymphknoten abgefangen. Normalerweise sind Lymphknoten bis erbsengroß. Bei Tumorerkrankungen, aber auch bei Entzündungen können sie vergrößert sein.


      Krebserkrankungen der Lunge

      Gutartige Geschwülste der Lunge kommen im Gegensatz zu den bösartigen mit weniger als 10% aller Tumoren nur selten vor. Kennzeichnend für gutartige Tumoren ist es, daß sie in der Regel langsam wachsen und gesundes Gewebe zwar verdrängen, aber nicht zerstören. Nach der Beschaffenheit ihres Gewebes werden sie z.B. als Fibrom (geht vom faserigen Bindegewebe aus), Chondrom (geht vom Knorpel aus), Hamartom (geht von fehlgebildetem Gewebe aus). Obwohl sie nur selten Beschwerden verursachen, werden sie häufig operativ entfernt. Der Eingriff dient dazu, die Gutartigkeit sicherzustellen und einer Entartung zum bösartigen Tumor vorzubeugen.
      Lungenkrebs, fachsprachlich Lungenkarzinom oder auch Bronchialkarzinom genannt, geht von den Zellen aus, welche die Atemwege in der Lunge auskleiden. Diese Krebsart ist in Deutschland die häufigste Krebserkrankung des Mannes. Bei Frauen liegt sie an fünfter Stelle. Im Jahr 1997 erkrankten 28.200 Männer und 8900 Frauen. Seit Mitte der achtziger Jahre nimmt die Anzahl der Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohnern bei Männern leicht ab. Bei Frauen hingegen steigt sie insbesondere in den westlichen Bundesländern stetig um etwa 3% pro Jahr an. Etwa ab dem vierzigsten Lebensjahr nimmt das Erkrankungsrisiko mit dem Alter zu; das Risiko korreliert außerdem direkt mit dem Tabakkonsum.



      Ursachen und Risikofaktoren

      Ererbte Faktoren scheinen bei der Entstehung von Lungenkrebs mit eine Rolle spielen zu können, wie bedeutsam sie sind und wie häufig sie an der Entwicklung von Lungkrebs beteiligt sind, ist noch nicht geklärt. In der Regel entsteht, wenn überhaupt, die erste lungenkrebsbegünstigende Genveränderung erst im Lauf des Lebens.

      Es wird angenommen, daß bei der Krankheitsentstehung viele verschiedene Einflüsse gemeinsam beteiligt sind. Wie dies genau geschieht, ist noch nicht genau bekannt. Es konnten aber eine Reihe Faktoren aufgedeckt werden, die das persönliche Risiko erhöhen, an Lungenkrebs zu erkranken (Risikofaktoren).

      In erster Linie sind dies schädigende Substanzen, die mit der Atemluft in die Lunge gelangen. Viele solcher Substanzen sind heute bekannt. Der mit weitem Abstand wichtigste Risikofaktor ist der Zigarettenrauch, der allein über 100 schädigenden Substanzen enthält. Das Risiko steigt in Abhängigkeit von der Anzahl der gerauchten Zigaretten pro Tag bis zum 20-30-fachen eines Nichtrauchers. Das Risiko nimmt außerdem zu mit der Zeit, während der eine Person in ihrem Leben raucht. Etwa jeder zehnte Raucher erkrankt im Laufe seines Lebens, im Durchschnitt 30-40 Jahre nach Beginn mit dem Rauchen. Auch durch das Passivrauchen wird das persönliche Risiko etwas erhöht (1,3-fach bis 1,4-fach). Zigarettenrauch ist die wesentliche Ursache von 80-90% der Lungenkrebserkrankungen bei Männern und von 30%-60% bei Frauen. Die oben erwähnte steigende Zahl erkrankender Frauen wird mit zunehmendem Zigarettenkosum in Verbindung gebracht. Bei Pfeifenrauchern oder Zigarrenrauchern ist das Risiko für Lungenkrebs etwas geringer als beim Zigarettenrauchen, aber noch extrem hoch im Vergleich zu dem des Nichtrauchers.

      Am Arbeitsplatz können mancherlei Substanzen eingeatmet werden, die besonders in Kombination mit dem Rauchen krebsfördernd sind. Beispielhaft seien einige wichtige erwähnt: Asbest, Arsen, Chrom, Nickel, aromatische Kohlenwasserstoffe und Radon.

      Eine hohe Schadstoffbelastung der Außenluft kann das Lungenkrebsrisiko etwas erhöhen (1,5fach), als ein bedeutsamer Faktor wird hierbei der Dieselruß eingestuft.

      Auch die Ernährung spielt eine Rolle. Ein geringer Konsum von Früchten und Gemüse erhöht das Erkrankungsrisko auf etwa das Doppelte, vor allem bei Rauchern. Künstliche Vitamine ersetzen Obst und Gemüse nicht.

      Durch die mikroskopische Untersuchung des Tumorgewebes unterscheidet der Arzt im wesentlichen vier verschiedene Arten von Bronchialkarzinomen. Das häufigste ist das Plattenepithelkarzinom (35%-45%), gefolgt vom Adenokarzinom (25%-35%), dem kleinzelligen Karzinom (20%-25%) und dem großzelligen Karzinom (10%-15%). Beim Adenokarzinom scheint, im Gegensatz zu den anderen Bronchialkarzomen, das Rauchen bei der Entstehung eine geringere Rolle zu spielen. Einige seltene Tumoren kommen zusammen bei etwa 10% bis 15% der Erkrankungen vor.
      Hinsichtlich der Wirksamkeit der verschiedenen Therapieformen und der Therapieplanung wird prinzipiell immer die Unterscheidung zwischen kleinzelligem Lungenkarzinom und der Gruppe der nicht-kleinzelligen, also der restlichen Lungenkarzinome, getroffen.

      Vor allem kleinzellige Lungenkarzinome haben manchmal die Eigenschaft, ähnlich wie Drüsen Botenstoffe (Hormone) herzustellen und in den Blutkreislauf abzugeben. Hormone werden von Drüsen nur in geringen Mengen und nur bei Bedarf produziert. Sie stimulieren oder drosseln Stoffwechselvorgänge im Körper. Der Tumor allerdings kann diese Hormone in einem Übermaße produzieren, so daß hormontypische Beschwerden (paraneoplastisches Syndrom) im Körper entstehen können, die manchmal auch das erste Zeichen der Erkrankung sind.

      Wie vorab beschrieben, sind die wesentlichen und gleichzeitig auch vermeidbare Risikofaktoren beim Lungenkrebs, im Gegensatz zu den meisten anderen bösartigen Erkrankungen, sehr gut bekannt. Entsprechende Verhaltensänderungen in der privaten Sphäre und Schutzmaßnahmen im industriellen Bereich können die persönliche Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung drastisch senken. Mit dem Beginn des Nichtrauchens fällt das relative Risiko eines vormalig starken Rauchers vom 15-fachen auf das 5-fache nach 10 Jahren und auf das doppelte eines Nichtrauches nach 15 Jahren. Bei Frauen scheint die Risikominderung schneller zu erfolgen. Da die Art der Ernährung einen Einfluß auf das Erkrankungsrisiko hat, lohnt es sich auch, über eine Bereicherung der Ernährung nachzudenken. Dies kann zum Beispiel allmählich vollzogen werden, in dem das Essen zunehmend um Obst und Gemüse bereichert wird. Die Grundsätze für eine gesunde Ernährung sind im Kapitel "Wie geht es weiter" bei "Unterstützende Maßnahmen" beschrieben.
      Risikovermeidung ist umso mehr von Bedeutung, da es derzeit keine ausreichend wirkungsvolle Früherkennungsuntersuchung gibt. Das Rauchertelefon des Deutschen Krebsforschungszentrums unterstützt und berät alle, die mit dem Rauchen aufhören wollen.



      Anzeichen und Früherkennungsmöglichkeiten

      Lungentumoren machen in der Regel bei ihrem Wachstum anfänglich nur selten Beschwerden. Deshalb werden sehr kleine Bronchialkarzinome fast immer nur zufällig entdeckt, z.B. bei Röntgenuntersuchungen aus anderem Anlaß. Ein neu eingesetzter Husten oder die Verschlimmerung eines chronischen Hustens sind die häufigsten Beschwerden, die zum Arztbesuch führen. Häufig wird auch über Auswurf mit oder ohne Blutbeimengungen, Schmerzen, Fieberschübe, Atemnot, Abgeschlagenheit oder Gewichtsverlust geklagt. Die Krankheitszeichen sind leider zudem oft so vieldeutig, daß sie häufig zuerst, insbesondere bei starken Rauchern, für eine chronische Lungenentzündung gehalten werden.

      Eine Früherkennungsuntersuchung für Personen, die keine Anzeichen einer Lungenerkrankung haben, um Lungenkrebs in einem noch gut behandelbaren und heilbaren Stadium aufzudecken, gibt es derzeit nicht.



      Untersuchungen zur Sicherung der Diagnose

      Da die genannten Beschwerden auch bei nicht-bösartigen Lungenerkrankungen auftreten können, muß eine Reihe von Untersuchungen durchgeführt werden, um sicher festzustellen, ob es sich um eine bösartige Erkrankung handelt oder nicht. Handelt es sich um Krebs, so ist die Bestimmung der Tumorart und die Erfassung der Tumorausbreitung erforderlich, um die angemessene Behandlung festlegen zu können. Die Belastbarkeit des Betroffenen wird ebenfalls untersucht, da zum einen davon abhängt, ob ggf. eingreifendere Untersuchungsverfahren in Frage kommen können und zum anderen auch wesentlich die Wahl der geeigneten Therapie dadurch beeinflußt wird.

      Zuerst wird der Arzt sich ausführlich nach den Beschwerden erkundigen und eine körperliche Untersuchung durchführen. Dadurch können schon einige wichtige Hinweise zur Erkrankung gewonnen werden.

      Die Röntgenübersichtsaufnahmen der Lungen zählen zu den wichtigsten Untersuchungsmethoden. Lungenkarzinome im äußeren Bereich der Lungen sind ab etwa 1 cm Größe häufig als runde Herde erkennbar, solche können aber auch bei anderen Lungenkrankheiten auftreten. Bronchialkarzinome sind nicht in allen Fällen durch charakteristische Veränderungen im Röntgenbild gekennzeichnet, sondern können bisweilen wie gutartige Lungenerkrankungen erscheinen. Die Interpretation der Bilder und richtige Einschätzung der Röntgenbefunde erfordern Erfahrung. Fehlbeurteilungen können dazu führen, daß die Erkrankung lange unbehandelt bleibt.

      Tumoren im zentralen Bereich der Lunge können im Röntgenbild oft nicht erkannt werden, da diese Region von anderen Strukturen des Brustraums überlagert ist. Mit der Computertomographie (CT) kann aber auch dieser Bereich in Schnittbildern gut dargestellt werden. Bei unklaren Röntgenbefunden sowie zur genauen Bestimmung der Ausbreitung eines Lungenkrebses ist die Computertomographie unverzichtbar. Mit den derzeit meistverbreiteten Geräten können Tumoren ab etwa 0,5 cm Durchmesser sichtbar gemacht werden.

      Die zentrale diagnostische Maßnahme ist die Bronchoskopie, d.h. die Untersuchung der Bronchien und ihrer Verzweigungen mit einem durch die Luftröhre eingeführten optischen Gerät (Bronchoskop). Heute werden in der Regel schlauchförmige biegsame Bronchoskope eingesetzt, die von den Patienten besser vertragen werden als ein starres Instrument. Die Sonde eines flexiblen Bronchoskops kann bis in Bronchialäste von nur wenigen Millimetern Durchmesser eingeführt werden. In der Regel erhalten die Patienten vor der Untersuchung ein leicht beruhigendes Medikament. Mit einem Spray wird die Schleimhaut des Nasen-Rachenraums, des Kehlkopfes und der großen Bronchien örtlich betäubt. Das Gerät wird durch die Nasenöffnung oder bisweilen auch durch die Mundöffnung eingeführt. In einigen Fällen ist die Untersuchung mit dem starren Instrument weiterhin angebracht, da der Arzt dabei eine bessere Übersicht erhält und dadurch Blutstillung und Lasertherapie erleichtert sind. Die Untersuchung mit dem starren Rohr bedarf einer Vollnarkose.

      Ein wichtiges Ziel der Bronchoskopie ist die Entnahme von Gewebeproben aus einem verdächtigen Bereich oder auch von vereinzelten Zellen, die durch Spülung (Brochiallavage) oder Bürstenabstrich gewonnen werden können. Ein entnommenes Gewebestück wird nach der Entnahme in feinste Scheibchen geschnitten und von einem speziell dafür ausgebildeten Arzt, einem Pathologen, unter dem Mikroskop auf Krebszellen untersucht. Die feingewebliche Begutachtung eines Gewebestückes heißt histologische Untersuchung. Sie kann sicher entscheiden, ob es sich bei dem entnommenen Material um Krebs handelt oder nicht und auch die Art des Tumors kann bestimmt werden. Die Untersuchung von einzelnen Zellen, in der Fachsprache zytologische Untersuchung, ist nicht ganz so sicher in der Urteilskraft. Bei mehr als 70% der Patienten läßt sich mithilfe des bei der Bronchoskopie entnommenen Materials eine Diagnose stellen. Nur die histologische oder ggf. auch die zytologische Untersuchung können sicher darüber Auskunft geben, ob ein verdächtiger Befund gutartig oder bösartig ist.

      Auswurf (Fachausdruck Sputum) kann unter dem Mikroskop auf das Vorhandensein von abnormen Zellen untersucht werden. Diese können auf Tumoren, vor allem zentral in der Lunge gelegene, hinweisen, die im Röntgenbild (noch) nicht darstellbar sind. Die zytologische Sputum-Untersuchung ist wenig aufwendig, hat aber nur eingeschränkte Beweiskraft. Falls der Befund unauffällig ist, so kann dadurch nicht sicher ein Tumor ausgeschlossen werden. Wenn auffällige Zellen gefunden werden, so sollte in der Regel durch eine feingewebliche Untersuchung von entnommenem Gewebe (z.B. durch Bronchoskopie) dieser Verdacht bestätigt werden. Es müssen, um eine hohe Aussagekraft zu erreichen, Sputumproben von drei verschiedenen Tagen untersucht werden. Am besten geeignet ist das morgens nach dem Ausspülen der Mundhöhle produzierte Sputum.

      Falls bei der Bronchoskopie keine aussagekräftigen Gewebeproben gewonnen werden konnten, beispielsweise weil der verdächtige Bezirk wegen seiner Lage in Randbereichen der Lunge durch die Bronchoskopie nicht erreichbar ist, kann eine Feinnadelbiopsie von außen (perkutan) durchgeführt werden. Unter computertomographischer Kontrolle wird eine lange, dünne Nadel durch die Brustwand in den verdächtigen Bezirk vorgeschoben, und es wird etwas Gewebe angesaugt. Diese Methode wird in jüngerer Zeit häufiger angewandt. Komplikationen treten bei fachgerechter Durchführung nur selten auf.

      Bronchialkarzinome verbreiten sich oft über die Lymphbahnen. Besonders häufig sind dabei die Lymphknoten des Mediastinums (Raum zwischen den Lungen) befallen. Wenn die Wahl der Therapie von einer möglichst sicheren Aussage über den Zustand dieser Lymphknoten abhängt, kann der Arzt zur Durchführung einer Mediastinoskopie raten. Dabei wird unter Narkose direkt oberhalb des Brustbeins ein kleiner Schnitt gesetzt, durch den der Arzt eine optische Sonde (Mediastinoskop) in den Raum zwischen den Lungenflügeln einführen und diesen auf Tumorbefall hin untersuchen kann.

      Handelt es sich um eine Krebserkrankung und ist die Art des Tumors histologisch (ausnahmesweise zytologisch, wenn histologisch nicht möglich) festgestellt, dann müssen weitere Untersuchungen folgen. Vor allem wird untersucht, ob sich die Erkrankung schon ausgebreitet hat, also ob sich an anderer Stelle im Körper Tochtergeschwülste gebildet haben. Es werden jene Körperbereiche einbezogen, wo sich Metastasen bevorzugt absiedeln. Das Knochengerüst wird mit Hilfe einer Knochenszintigraphie untersucht. Zur Darstellung von Leber und anderen Organen des oberen Bauchraums kommen Ultraschall und/oder eine spezielle Röntgentechnik, die Computertomographie zur Anwendung.

      Da kleinzellige Karzinome bereits früh im Wachstum Metastasen im Knochenmark bilden können, ist eine Untersuchung auf Befall mit Tumorzellen üblich. Meist wird es aus dem Beckenkamm entnommen. Zum Ausschluß von Hirnmetastasen, insbesondere beim kleinzelligen Lungenkrebs, kann eine Computertomographie des Gehirns angebracht sein.

      Die Blutwerte einiger Stoffe, der Tumormarker NSE, CYFRA 21-1 und CEA, sind zwar bei Lungenkrebs häufig erhöht, jedoch kommt dies auch bei anderen Erkrankungen vor. Für die Diagnosestellung sind sie deshalb von untergeordneter Bedeutung und nur in Verbindung mit allen anderen Untersuchungsergebnissen sinnvoll. In der Nachsorge werden sie des öfteren zur Verlaufskontrolle herangezogen.

      Falls eine Operation als Therapie erwogen wird, werden Untersuchungen durchgeführt, die feststellen können, ob der Gesundheitszustand des Betroffenen überhaupt eine Operation erlaubt und in welchem Ausmaß Lungengewebe maximal entfernt werden darf. Zu diesen Untersuchungen gehört zum Beispiel die Spirometrie. Mit den dabei verwendeten Geräten werden verschiedene Atemgrößen, wie beispielsweise das Atemzugsvolumen unter Ruhebedingungen sowie unter Belastung, ermittelt.



      Stadieneinteilung

      Anhand der Untersuchungsergebnisse wird die Ausbreitung der Erkrankung in Form von Krankheitsstadien beschrieben.

      Je nach Größe des Tumors und danach, welche der Lymphknoten Krebszellen enthalten, und ob er sich in andere Organe ausgebreitet hat, wird beim nicht-kleinzelligen Lungenkrebs das Stadium in der sogenannten TNM-Klassifikation angegeben. T steht für Tumorgröße, N steht für Nodus (= Lymphknoten), und M steht für Metastasen. Eine (vorläufige) Einstufung erfolgt vor der Operation, genaue Angaben erhält man aber erst durch die feingewebliche Untersuchung des bei der Operation entnommenen Gewebes. Je nach Größe des Tumors und danach, wie viele der entfernten Lymphknoten Krebszellen enthalten, und ob er sich in andere Organe ausgebreitet hat, erfolgt die Beschreibung mit Hilfe von. Wurde die Einstufung nach der Operation durchgeführt, so wird zur Verdeutlichung jeweils ein p (für pathologische Beurteilung) vorangestellt, also z.B. pT, um die feingeweblich bestimmte Tumorgröße anzugeben.

      Die Beschreibung der Krankheitsausdehnung bei kleinzelligen Bronchialkarzinomen kann auch mithilfe des TNM Systems erfolgen. Meist verwenden die Ärzte (derzeit noch) beim kleinzelligen Lungenkarzinom ein andere Klassifikation. Sie unterscheiden die auf einen Lungenflügel begrenzte Krankheitsausdehnung (limited disease) von der über diese Grenze hinausgehenden Tumorausbreitung (extensive disease). Beide Stadien können auch noch weiter unterteilt werden.



      Behandlungsmöglichkeiten

      Die Therapie richtet sich nach dem Ausbreitungsstadium der Erkrankung und dem feingeweblichen Typ des Lungenkarzinoms. Ausschlaggebend bei feingeweblichen Typ ist die Unterscheidung zwischen der Gruppe der nicht-kleinzelligen und dem kleinzelligen Lungenkarzinom. Da die Therapie Einfluß auf die Lungenfunktion hat, ist für die Therapieentscheidung das Alter und der Allgemeinzustand des Erkrankten mitentscheidend. Bei hohem Alter oder eingeschränktem Allgemeinzustand können bestimmte Therapieformen nur beschränkt oder gar nicht angewendet werden.



      Behandlung der nicht-kleinzelligen Lungenkarzinome

      Bei der Behandlung kleinerer Tumoren steht an erster Stelle die Operation. Sind die Tumoren im Wachstum weiter fortgeschritten, so hat die Strahlentherapie eine große Bedeutung.

      Wenn bei den diagnostischen Untersuchungen keine Tochtergeschwülste in anderen Körperregionen entdeckt wurden, wird eine Operation angestrebt. Die Entfernung von Lungengewebe und die damit verbundene Verminderung der Atemfläche kann bis zu einem bestimmten Grad durch die verbliebene Lunge wieder ausgeglichen werden. Eine insgesamt wenig geschädigte Lunge hat eine erhebliche Leistungsreserve. Dies zeigt sich deutlich unter körperlicher Belastung, hier kann die Sauerstoffaufnahme um ein Vielfaches zunehmen. Die verbliebenen Lungenanteile dehnen sich zur Kompensation auch etwas aus, so daß bei ausreichender Atemfunktion durch die Operation im allgemeinen keine schwerwiegenden Atembehinderung folgt. Dem Arzt stehen verschiedene Operationstechniken zur Verfügung. Die Auswahl der Operationsmethode richtet sich nach der Lage und der Ausdehnung des Tumors, dem Allgemeinbefinden und insbesondere nach der Atemfunktion und dem Alter des Patienten. Hier muß der Arzt bedenken, welche Folgen für Niere, Herz und die Atemfähigkeit durch die Belastung mit einer bestimmten Operation und den Verlust von Lungengewebe verbunden sind. Sind die zu erwartenden Belastungen und Einschränkungen zu groß, so muß eine andere Therapie gewählt werden.

      Ziel der Operation ist die vollständige Entfernung des Tumors und den von Tumorzellen befallenen Lymphknoten in der näheren Umgebung. Der Tumor wird mit einem Randsaum aus gesundem Lungengewebe entfernt. Der Verlust an Lungengewebe wird möglichst gering gehalten. Die üblichen Operationstechniken orientieren sich an der vorgegebenen Untergliederung der Lunge (siehe dazu Abschnitt "Bau und Funktion der Lunge"). Der häufigste Eingriff ist die Entfernung eines Lungenlappens (Fachausdruck Lobektomie). Überschreitet der Tumor die Grenze zweier Lungenlappen, so werden beide entnommen (Bilobektomie).

      Bei sehr großen Tumoren kann die Entfernung eines ganzen Lungenflügels in Frage kommen. Wegen der damit verbundenen verschiedenartigen Beeinträchtigungen des Befindens ist dies nur in sorgfältig ausgewählten Situationen angebracht. In vielen Fällen kann durch sogenannten organerhaltende Operationen mithilfe von Techniken der Wiederherstellung die Entfernung eines Lungenflügels vermieden werden. Es können Atemwegsverluste überbrückt oder ersetzt werden, so daß die infolge der Operation vom Luftweg abgeschnittenen gesunden Lungenanteile wieder belüftet werden. Ist der Tumor in umgebende Organe eingewachsen, so können bei der Operation die befallenen Organteile mitentfernt werden.

      Bei kleineren Tumoren ist nach einer vollständigen Entfernung in der Regel keine weitere Therapie angebracht. Eine zusätzliche Strahlentherapie wird durchgeführt, wenn ein meist größerer Tumor nicht ganz entfernt werden konnte oder wenn Tochtergeschwülste auf dem Lymphweg bis in die Lymphknoten des Mediastinums vorgedrungen sind. Bei größeren Tumoren kann auch nach vollständiger Entfernung zur Abtötung von möglicherweise verbliebenen Tumorzellen eine Strahlentherapie erwogen werden.

      Bei größeren Tumoren, die zur Operation geignet sind, wird geprüft, ob eine kombinierte Behandlung aus Chemotherapie und Strahlentherapie vor der Operation vorteilhaft ist.

      Bei den meisten Betroffenen hat sich jedoch der Tumor in der Lunge schon so weit ausgebreitet, daß durch die Operation eine vollständige Entfernung nicht möglich sein wird. Es kann eine Strahlentherapie mit heilender Absicht bedacht werden, deren Erfolgsaussicht aber sehr begrenzt ist. Die Gründe sind zum einen die sehr große Tumormasse, so daß häufig nicht alle Tumorzellen von der Strahlentherapie zerstört werden können und zum anderen gibt es oft schon außerhalb des Bestrahlungsbereiches versteckt kleinste Tumorabsiedelungen.

      Die Strahlentherapie erfolgt in der Regel mit energiereichen elektromagnetische Wellen, die von außen auf den Tumor eingestrahlt werden. Der Fachausdruck für eine Bestrahlung von außen ist perkutane Strahlentherapie Die Wirkung der Strahlen ist im wesentlichen auf den durchstrahlten tumortragenden Körperbereich beschränkt, umliegende Bezirke werden durch gezielte Maßnahmen geschützt. Der Weg der Strahlung zu einem tieferliegenden Tumor führt dabei zwangsläufig auch durch gesundes Gewebe. Damit sich das gesunde Gewebe von der Strahleneinwirkung erholen kann, erfolgt die Bestrahlung verteilt auf viele Sitzungen mit jeweils kleiner Strahlendosis (Fraktionierung). Bösartige Zellen können sich in den Bestrahlungspausen weniger gut erholen. Meist werden 4-5 Einzelbestrahlungen pro Woche durchgeführt.

      Untersucht wird, ob eine Kombination aus Strahlentherapie und einer Therapie mit zellwachstumshemmenden Medikamenten (Chemotherapie, siehe dazu auch: Behandlung des kleinzelligen Bronchialkarzinoms) besser auf die Erkrankung einwirken kann als die Bestrahlung alleine. Wenn der Tumor sich mit dieser Behandlung deutlich verkleinert hat, kann auch eine operative Entfernung erwogen werden. Ob durch diese veränderten Vorgehensweisen die Aussicht auf langfristige Freiheit von der Erkrankung deutlich verbessert wird, ist noch nicht geklärt.

      Mehr als die Hälfte der Patienten haben bereits zum Zeitpunkt der Krankheitsentdeckung in der Diagnostik nachweisbare Tochtergeschwülste in anderen Organen, häufig im Skelett (Knochenmetastasen) oder in der Leber. Beschwerden können durch den Tumor in der Lunge als auch von Seiten der Tochtergeschwülste auftreten. Die perkutane Strahlentherapie ist eine wirkungsvolle Methode, um Beschwerden in der Lunge wie Atemnot, Schmerzen und blutigen Auswurf zu lindern (zur Behandlung von Knochenmetasten).

      Der mögliche Nutzen einer Chemotherapie muß für jeden Erkrankten individuell und sorgfältig gegenüber den unangenehmen Begleiterscheinungen abgewogen werden. Dies gilt insbesondere, wenn der Erkrankte keine krankheitsbedingten Beschwerden hat. Sind Symptome aufgrund der Tumorausbreitung vorhanden, so kann abhängig von der Art der Beschwerden und auch den Wünschen des Patienten der Einsatz mit dem Ziel der Linderung erfolgen (palliative Therapie).



      Behandlung der kleinzelligen Lungenkarzinome

      Das kleinzellige Lungenkarzinom unterscheidet sich von den anderen Tumorarten dadurch, daß oft schon in einem frühen Stadium des Wachstums kleinste, mit der Diagnostik nicht sichtbare Tochtergeschwülste in der Umgebung oder gar in lungenfernen Organen entstehen. Aber es ist im Gegensatz zu den nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen sehr empfindlich gegenüber einer Chemotherapie mit zellwachstumshemmenden Medikamenten. Die Tumoren lassen sich damit rasch verkleinern. Die Chemotherapie hat bei der Behandlung eine sehr große Bedeutung.

      Bei einem kleinen, örtlich begrenzten Tumor ist oft eine operative Entfernung möglich. Zur Ausschaltung der möglicherweise vorhandener kleinster Tochterabsiedelungen wird immer auch eine Chemotherapie durchgeführt. Die Chemotherapie erfolgt oft nach der Operation, sie kann aber ebenfalls vor der Operation durchgeführt werden. Insbesondere abhängig davon, ob Lymphknoten befallen sind, wird der betroffene Lungenbereich, das Mediastinum und ggf. auch der oberhalb des Schlüsselbeins gelegene Bereich bestrahlt (Details zur Strahlentherapie siehe im Abschnitt: Behandlung der nicht-kleinzelligen Lungenkarzinome).

      Manchmal ist, obwohl der Tumor klein ist, eine Operation, z.B. wegen der Lage des Tumors, nicht möglich. Es erfolgt dann die gleiche Therapie wie bei Tumoren, die sich innerhalb eines Lungenflügels weiter ausgebreitet haben.

      Bei etwas größeren Tumoren, die aber im Wachstum innerhalb des Lungenflügels geblieben sind, wird in der Regel als erster Behandlungsschritt eine medikamentöse Kombinationstherapie Behandlung mit zwei bis drei unterschiedlich wirkenden zellwachstumshemmenden Medikamenten durchgeführt. Die Chemotherapie wirkt zum einen auf die Tumorerkrankung in der Lunge und zum anderen auch auf möglicherweise anderweitig in Körper versteckte Krebszellen. Ziel der Therapie ist, eine vollständige Tumorrückbildung (komplette Remission) zu erreichen. Zur Ergänzung wird im Anschluß an die Chemotherapie eine Bestrahlung des Tumorgebietes, des Mediastinums und ggf. des Bereichs oberhalb des Schlüsselbeins durchgeführt. Dadurch kann die Anzahl der Krankheitsrückfälle (Rezidive) im bestrahlten Bereich gesenkt werden, gleichzeitig wird vor allem bei jüngeren Patienten auch die Chance auf Heilung verbessert. Die Krankheitsrückbildungen sind meist zeitlich begrenzt, in einigen Fällen bleiben sie dauerhaft und eine Heilung ist erreicht.

      Ist der Tumor mit Abschluß der Chemotherapie so weit verkleinert worden, daß eine vollständige operative Entfernung möglich erscheint, so kann in Einzelfällen auch eine Operation bedacht werden. Ob dieses Vorgehen die Heilungsaussicht verbessert, ist noch nicht geklärt.

      Eine zusätzliche Bestrahlung des Gehirnes wird vor allem bei Patienten mit schnell erreichter vollständiger Krankheitsrückbildung zur Abtötung von möglichen Tochterzellen im Gehirn erwogen.

      Häufig hat die Erkrankung schon die Grenzen eines Lungenflügels überschritten. Der Tumor ist entweder in angrenzende Organe eingewachsen oder es haben sich Tochtergeschwülste in anderen Körperbereichen gebildet. Absiedelungen kommen bevorzugt in der Leber, dem Skelett, dem Gehirn und den Nebennieren vor. Das Ziel der Chemotherapie ist es dann, die Krankheit möglichst lange und vollständig zurückzubilden. Oft kann durch die Therapie eine Verlängerung der Lebenszeit erreicht werden, Heilungen sind nur in wenigen Fällen möglich.

      Als Chemotherapie bezeichnet man die Gabe von bestimmten Medikamenten (Zytostatika), die das Zellwachstum und die Zellteilung hemmen. Sie wirken sehr gut gegen rasch wachsende Zellen, eine Eigenschaft insbesondere von Krebszellen.

      Das Medikament oder die Medikamentenkombination wird abhängig von der Erkrankungssituation und dem allgemeinen Gesundheitszustand der Erkrankten gewählt. Viele werden in Form von Infusionen verabreicht, manche als Tabletten. Sie werden meist an einem oder mehreren Tagen hintereinander gegeben. Der Fachausdruck für einen Behandlungsabschnitt dieser Art ist Chemotherapie-Zyklus. Die Medikamente werden nach einem erprobten Schema, in dem die Medikamentenmengen und die zeitlichen Abstände festgelegt sind, verabreicht. Danach folgt eine Behandlungspause von 2 bis 4 Wochen, während der die Medikamente wirken sollen und sich der Körper von den Nebenwirkungen erholen kann. In der Regel folgen mehrere Zyklen aufeinander.

      Der Arzt hat verschiedene Möglichkeiten, um unangenehmen Nebenwirkungen vorzubeugen oder sie zumindest zu lindern. Auch reagieren Patienten sehr unterschiedlich auf die Chemotherapie. Bei manchen sind die Begleiterscheinungen stärker, bei anderen weniger stark ausgeprägt. Nebenwirkungen bei der Chemotherapie entstehen dadurch, daß das Medikament nicht nur die Krebszellen, sondern auch alle anderen Körperzellen angreift, die sich gerade teilen. Sie betreffen daher vor allem das Knochenmark, in dem die Blutzellen entstehen, und die Schleimhäute im Verdauungstrakt, denn diese Zellen teilen sich besonders häufig, wie eben auch Krebszellen. Die Medikamente fördern, unterschiedlich stark ausgeprägt, Schwäche, Übelkeit und Erbrechen. Da sich auch die Zellen an den Haarwurzeln sehr oft teilen, kann es zu einem vorübergehenden Haarausfall, der bisweilen bis zum völligen Haarverlust reichen kann, kommen. Die Haare wachsen nach der Behandlung innerhalb von 3-6 Monaten wieder nach. Die belastende Zeit, bis die Haare nachgewachsen sind, kann auf Wunsch des Patienten mit einer Perücke überbrückt werden. Die Kosten für eine Kunsthaarperücke werden von der Krankenkasse übernommen.

      Art und Ausmaß der Nebenwirkungen bestimmen die noch zumutbare Menge eines Medikamentes und den zur Erholung nötigen zeitlichen Mindestabstand zwischen zwei Gaben. Schwerwiegende Nebenwirkungen, insbesondere eine starke Beeinträchtigung der Neubildung von Blutzellen, müssen vermieden werden. Durch die Entwicklung von Medikamenten, welche die Neubildung von Blutzellen anregen sowie durch Techniken zur Übertragung der "Stammzellen" von Blutzellen (Knochenmarktransplantation oder periphere Blutstammzelltransplantation) haben die Ärzte wirksame Mittel erhalten, um diese gefährliche Nebenwirkung besser zu behandeln oder zu vermeiden. Dadurch können die Chemotherapien heute in speziellen Situationen intensiver (kürzere Abstände) gestaltet und/oder mit höheren Dosen von Medikamenten durchgeführt werden (intensivierte Chemotherapie, Hochdosischemotherapie). Diese Methoden sind in ausgewählten Situationen in der Erprobung, der Wert für die Patienten ist noch nicht geklärt.



      Immuntherapie und Gentherapie

      Das menschliche Immunsystem ist ein kompliziertes Zusammenspiel vieler verschiedenartiger Elemente, von spezialisierten Zellen, Antikörpern und Botenstoffen (Zytokinen). Seine Aufgabe ist die Abwehr körperfremder Substanzen und die Ausschaltung von körpereigenen Zellen, welche von der Norm abweichen, wie z.B. Krebszellen. Es hat sich zudem gezeigt, daß die gezielte Beeinflussung dieses komplizierten Systems bei manchen Krebserkrankungen sinnvoll sein kann. Einige Substanzen, die von Zellen des Immunsystems gebildet werden, wie z.B. Interleukin-2 oder Antikörper sowie verschiedene Impftechniken zur Anregung des Immunsystems wurden in klinischen Studien auf ihre Verwendbarkeit in der Lungenkrebstherapie geprüft. Die Bemühungen blieben bislang ohne überzeugenden Erfolg.

      In jüngster Zeit konnte die medizinische Forschung zahlreiche neue Erkenntnisse gewinnen. Das stetig zunehmende Detailwissen darüber, was im Innern von Zellen passiert, wie sie leben, wachsen und sich vermehren, wie die einzelnen Teile des Immunsystems zusammenwirken und die wachsenden Einsatzmöglichkeiten der Gentechnologie eröffnen eine Vielzahl völlig neuartiger Ansatzpunkte für die Krebstherapie. Die Entwicklungen auf diesem Gebiet vollziehen sich sehr rasch und lassen Hoffnung auf neue Krebstherapien entstehen.



      Behandlung von Knochenmetastasen

      Wenn Tochtergeschwülste auftreten, so sind häufig Knochen davon betroffen. Erstes Anzeichen ist oft, daß der betroffene Bereich zu schmerzen beginnt.

      Die Tumorzellen stören dort das Gleichgewicht von Knochenaufbau und Knochenabbau, indem sie knochenauflösende Zellen des Körpers zu vermehrter Aktivität anregen. Dadurch kommt es zur Auflösung von Knochen in der nächsten Umgebung der Tochtergeschwulst. Hat der Knochenverlust ein größeres Ausmaß angenommen, so kann dadurch die Knochenstabilität gefährdet sein.

      Eine perkutane Bestrahlung oder die Gabe von radioaktiven Substanzen, die sich im Knochen anreichern, kann zur Behandlung von Tochtergeschwülsten in den Knochen, wenn diese Schmerzen bereiten oder und die Stabilität gefährden, eingesetzt werden.

      In bestimmten Situationen kann eine Stabilisierung durch Operation angebracht sein.

      Durch den Abbau kann ein Baustein des Knochens, das Kalzium, vermehrt im Blut auftreten und sich dadurch schädlich auf verschiedene Körperabläufe auswirken. Medikamente aus der Substanzgruppe der Bisphosphonate können Kalzium im Blut vermindern. Sie werden des öfteren auch mit dem Ziel eingesetzt, knochenauflösenden Zellen zu hemmen, den Knochen widerstandsfähiger gegenüber Abbauversuchen zu machen und metastasenbedingte Knochenschmerzen zu lindern. Diese Medikamente gibt es als Tabletten oder Infusion.



      Behandlung von Atemwegsengstellen

      Wenn der Tumor in der Lunge den Atemweg verlegt oder durch Druck einengt (Stenose), so daß der Betroffen unter Atembeschwerden leidet und Operation, Chemotherapie oder Bestrahlung nicht anwendbar sind, so können andere Methode Linderung bringen.

      Mit dem Laser lassen sich für die Atmung hinderliche Engstellen ohne besondere Belastung für den Patienten beseitigen. Man nutzt dabei die Energie von Licht. Um die Behandlungswirkung zu verlängern, kann eine Kurzdistanzbestrahlung (Brachytherapie) im Anschluß daran durchgeführt werden.

      Die Brachytherapie ist eine räumlich eng begrenzt wirksame Strahlentherapie. Dabei wird ein radioaktiver Stoff zeitweise über ein Schlauchsystem in den befallenen Atemweg eingebracht (Afterloading). Die Wirkung tritt erst allmählich ein. Wenn keine ausgeprägte Atemnot eine schnelle Wirksamkeit erfordert, kann sie auch alleine zur Erweiterung einer Engstelle eingesetzt werden. Sie kann gleichfalls zum Einsatz kommen, wenn bereits von außen bestrahlt wurde und ihre Anwendung ist unter Umständen auch mehrmals an der gleichen Engstelle möglich.



      Schmerzbehandlung

      In fortgeschrittenen Stadien der Krebserkrankung können für den Patienten die Schmerzen im Vordergrund stehen und seine Lebensqualität stärker beeinflussen als der Tumor selbst. Die wirksame Schmerzbekämpfung ist hier eine der wichtigsten Maßnahmen. Ein gute Schmerztherapie ist immer individuell auf die Schmerzsituation des Patienten abgestimmt.
      Mit den heute verfügbaren Medikamenten und Methoden lassen sich Tumorschmerzen in den meisten Fällen gut lindern. Im Vordergrund steht die Behandlung mit Tabletten. Je nach Schmerzstärke stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, die bei Bedarf kombiniert werden. Bei starken Schmerzen werden Opioide eingesetzt. Diese Abkömmlinge des Morphins sind die wirksamsten Schmerzmedikamente. Sie sind mittlerweile auch als Pflaster oder Nasenspray erhältlich. Bei der Schmerzbehandlung kommt es darauf an, daß die Medikamente nach einem festen Zeitplan eingenommen werden und nicht erst dann, wenn die Schmerzen wieder auftreten.
      Sind die Schmerzen so stark, daß Tabletten nicht mehr wirken, besteht die Möglichkeit, Opioide direkt in die Umgebung des Rückenmarks einzubringen. Das funktioniert über Katheter mit Pumpen oder die Einpflanzung von Reservoirsystemen, die eine kontinuierliche Opioidabgabe sicherstellen.
      Bei schmerzhaften Knochenmetastasen bringt eine gezielte Bestrahlung Linderung. Bei ausgedehntem Tumorbefall des Skeletts lassen sich auch mit der Gabe von radioaktiven Substanzen, die sich in erkranktem Knochen anreichern und ihn von innen bestrahlen, Rückbildungen der Knochentumoren und damit Schmerzlinderung erreichen (Radionuklidtherapie).



      Wie geht es danach weiter

      Nach Abschluß der intensiven medizinischen Behandlung beginnt die Zeit, die als Nachsorge bezeichnet wird. Jetzt sind viele Patienten erst einmal ratlos und unsicher, wie sie sich verhalten sollen. Wenn die Therapie mit heilender Absicht durchgeführt werden konnte, fragen sie sich, was sie tun können, um den weiteren Genesungsverlauf zu unterstützen und keinen Rückfall zu erleiden. Konnte es nicht gelingen, mit der Therapie alle Krebsherde auszuschalten, so fragt man sich, was kommen wird, wie gegebenenfalls Beschwerden gelindert werden können, wer bei der Bewältigung dieser schwierigen Situation helfen kann. Nachsorge bezieht sich auf beide Situationen, sie wird heute in einer viele Bereiche umfassenden Weise verstanden. Sie beinhaltet die Nachsorgeuntersuchungen, die psychische sowie soziale Betreuung und Begleitung, das Abwenden und Vermindern von erkrankungs- oder therapiebedingten Folgen, sowie Rehabilitationsmaßnahmen.



      Nachsorgeuntersuchungen

      Ist nach der Behandlung kein Tumor mehr feststellbar, so wird von den Ärzten in der Klinik geraten, zu bestimmten Zeitpunkten Nachuntersuchungen durchführen zu lassen. Zum einen können dadurch mögliche unerwünschte Folgen der Therapie aufgedeckt und frühzeitig behandelt werden. Die Nachuntersuchungen haben aber zum anderen vor allem das Ziel, jene Art von Rückfall - falls er eintritt - bei dem eine wirkungsvolle Therapie zur Verfügung steht, möglichst früh zu erkennen, um ihn damit erfolgreicher behandeln zu können. Beim Umfang der Untersuchungen findet derzeit ein Umdenken statt, denn ein Mehr an Methoden scheint dieses Ziel nicht besser erreichen zu können als wenige ausgewählte. Zudem kann ein großer Untersuchungsaufwand auch sehr verunsichernd oder abschreckend auf den Betroffenen wirken.

      Bei den Empfehlungen zu Art der Untersuchungen und den zeitlichen Abständen gibt es zwar große Übereinstimmungen zwischen den verschiedenen Kliniken, in den Details mag es jedoch Unterschiede geben. Außerdem kann der Arzt das individuelle Rückfallrisiko berücksichtigen und das Programm entsprechend anpassen. Es kann an dieser Stelle deshalb nur eine Orientierung gegeben werden, die Details zum Ablauf der Untersuchungen muß man jeweils beim behandelnden Arzt erfragen.

      In den ersten zwei Jahren werden Untersuchungen in kurzfristigen, dann in mittelfristigen Abständen durchgeführt. Nach fünf Jahren ohne Rückfall genügen Kontrollen in längeren Abständen. Dabei erkundigt sich der Arzt nach dem allgemeinen Befinden und nach spezifischen Beschwerden wie Atemnot, Husten, Auswurf, Heiserkeit sowie Gewichtsverlust und Schmerzen. In die körperliche Untersuchung sind neben der Lunge das Herz-Kreislaufsystem und das Skelett miteinbezogen. Werden durch das Abklopfen des Skelettes Schmerzen verursacht, so könnten Tochtergeschwülste in den Knochen die Ursache sein. Die Lymphabflußwege am Hals, Schlüsselbein und in der Achselhöhle werden nach vergrößerten Lymphknoten abgetastet. Jeweils zwei Röntgenübersichtsaufnahmen in verschiedenen Ebenen sowie eine Computertomographie des Oberkörpers ergänzen das Programm in den dafür vorgesehenen zeitlichen Abständen. Abhängig von der Ausgangssituation können auch weitere Untersuchungen wie Bronchoskopie, Ultraschalluntersuchung der Leber oder Computertomographie angemessen sein.

      Bei einem verdächtigen Befund werden zusätzliche Untersuchungen zur Bestimmung der Diagnose durchgeführt.

      Es wird auch Blut entnommen, um den Gehalt an Blutzellen und bestimmten Stoffen zu bestimmen. Dazu gehören in manchen Fällen auch Tumormarker. Das sind Substanzen, die von Tumorzellen oft verstärkt produziert werden und deren Gehalt im Blut einen Hinweis auf den Verlauf der Erkrankung geben kann.

      Der Tumormarker trägt beim kleinzelligen Bronchialkarzinom den Namen NSE (Neuron spezifische Enolase) und bei nichtkleizelligen Lungenkarzinomen kommen CYFRA 21-1 und CEA (karzinoembryonales Antigen) in Frage. Die Bestimmung eines Tumormarkers ist vor allem dann sinnvoll, wenn vor der Behandlung eine Erhöhung gemessen wurde. Abweichungen der Blutwerte vom Üblichen können Hinweis auf ein Wiederauftreten des behandelten Tumors oder einer Metastasierung sein. Der Aussagewert der Tumormarker ist jedoch dadurch eingeschränkt, daß Erhöhungen auch bei gutartigen Erkrankungen und aus anderen Gründen vorkommen können und außerdem trotz Wiedererkrankung manchmal kein Anstieg beobachtet wird.

      Der Nachsorgetermin bietet auch die Gelegenheit, sich mit dem Arzt über sozialrechtliche und berufliche Aspekte der Erkrankung zu beraten. Es kann der eigene psychische Umgang und auch, wie enge Vertraute oder Familienmitglieder mit den Folgen der Erkrankung zurechtkommen, angesprochen werden.



      Unterstützende Maßnahmen

      Atemgymnastische Übungen können die Belüftung der Lunge und damit die Sauerstoffversorgung des Blutes verbessern. Allgemein dienen sie der Wiedererlangung und/oder Erhaltung des körperlichen und psychischen Wohlbefindens und der Leistungsfähigkeit. Eine ganze Reihe von Übungen stehen zur Verfügung, womit unterschiedliche Probleme nach der Tumortherapie oder im Verlauf der Erkrankung gezielt behandelt werden können. Sie helfen, Verspannungen zu lösen, die durch Angst vor Schmerzen verusacht wurden. Der Verlust an Lungengewebe oder eine Behinderung der Atmung kann durch das Erlernen spezieller Übungen in einem begrenzten Ausmaße wieder ausgeglichen werden. Da viele der Betroffenen wegen einer chronischen Lungenentzündung vorgeschädigte Bronchialwege haben, ist hier die Vorbeugung einer akute Lungentzündung durch Übungen besonders wichtig. Speziell ausgebildete Krankengymnastinnen zeigen und machen mit den Patienten noch in der Klinik die ersten Übungen, die zu Hause fortgesetzt werden können.



      Ernährung:

      Viele Patienten wollen nach einer Erkrankung an Lungenkrebs etwas für sich tun und selbst zum Heilungsprozeß beitragen, zum Beispiel durch die Änderung ihrer Ernährungsgewohnheiten.

      Zwar läßt sich nach heutigem Kenntnisstand keine Krebserkrankung durch eine Diät oder eine Veränderung der Lebensmittelauswahl oder Zubereitung beeinflussen. Keine der in Broschüren, Büchern oder über das Internet propagierten Diäten gegen Krebs ist wissenschaftlich geprüft oder hat klinischen Studien standgehalten. Einige sind sogar deutlich gefährlich, weil sie zu einer Mangelernährung führen, die sich Krebspatienten nicht leisten können. Dazu gehören alle Formen von Fasten- oder Saftkuren. Auch viele Diäten, bei denen bestimmte Lebensmittel wie Fleisch, Fett oder Kaffee ganz verboten sind, gehen von wissenschaftlich nicht nachvollziehbaren Theorien zum Zusammenhang von Krebs und Ernährung aus. Lebensmittel, die für Krebspatienten regelrecht "giftig" sein sollen, gibt es schon gar nicht.

      Eine gesunde Ernährung kann jedoch den Allgemeinzustand günstig beeinflussen und trägt zur Verbesserung der Lebensqualität bei.

      Für Patienten, die durch die Erkrankung oder die Therapie an Gewicht verloren haben oder während der Behandlung nicht alles wie früher vertragen, halten Ärzte, Pflegende und Beratungsstellen individuell angepaßte Empfehlungen bereit. Sie helfen auch, mit den Ernährungsproblemen durch Operation, Chemotherapie oder Bestrahlung besser zurecht zu kommen.

      Hat sich der Gesundheitszustand nach Abschluß der Behandlung wieder stabilisiert und bestehen aus Sicht der behandelnden Ärzte keine Einschränkung bezüglich des Essens, können sich Krebspatienten wie ihre Familien an den Empfehlungen der internationalen Fachgesellschaften orientieren. Die Deutsche Krebsgesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung haben, unterstützt von Bundesministerien und vielen weiteren Institutionen, das "Fünf am Tag"-Programm ins Leben gerufen, das alle aktuellen wissenschaftlichen Ergebnisse zur gesunden Ernährung zusammenfaßt. Demnach macht alles richtig, wer fünfmal am Tag eine Portion Obst oder Gemüse ißt. Eine Portion ist dabei definiert als "eine Handvoll", auch ein Glas Saft darf dabei sein. Wer sich so ernährt, braucht nach Erkenntnissen der internationalen Fachgesellschaften weder zusätzliche Vitamine noch Spurenelemente.




      Methoden mit nicht bewiesener Wirksamkeit

      Über die beschriebenen erprobten Behandlungsverfahren wie Operation, Bestrahlung und Chemotherapie hinaus wird für die Therapie von Krebserkrankungen eine Vielzahl von Medikamenten und Methoden angeboten, deren Wirksamkeit gegen Krebs nicht mit den Mitteln der wissenschaftlich-klinischen Prüfung nachgewiesen wurde (Methoden mit nicht bewiesener Wirksamkeit). Die strenge Vorgehensweise bei der wissenschaftlich-klinischen Prüfung wurde entwickelt, um möglichst sicher entscheiden zu können, ob eine Methode wirksam ist oder nicht. Durch ihre Regeln können viele Irrtümer bei der Beurteilung vermieden werden.

      Einige dieser Methoden werden auch als "biologisch" oder "alternativ" bezeichnet. Den meisten davon wird zugeschrieben, daß sie die körpereigene Abwehr, das Immunsystem, "stärken" und damit auch gegen Krebszellen aktivieren sollen. Die Immunabwehr funktioniert aber in einem komplexen und komplizierten Zusammenspiel vieler Faktoren, das noch lange nicht vollständig untersucht und geklärt ist. Bei einigen Präparaten weiß man, daß sie verschiedene Veränderungen im Immunsystem auslösen können. Aber ob sich diese Effekte auch zwangsläufig günstig auf die Krebserkrankung auswirken, ist weit weniger klar.

      Am verbreitetsten sind Zubereitungen aus der Mistelpflanze und aus tierischen Organen, oft aus der Thymusdrüse. Einige dieser Präparate gibt es schon sehr lange, und manche Ärzte haben damit gute Erfahrungen bei der Besserung des allgemeinen Wohlbefindens der Patienten gemacht. Ob die beobachteten positiven Wirkungen aber auf der Behandlung beruhen oder eher darauf, daß der Patient das Gefühl hat, es wird etwas für ihn getan (sogenannter Placeboeffekt), kann bis heute niemand mit Sicherheit sagen.

      Andere Methoden wiederum werden als schnelle und erfolgreiche Umsetzung neuester Forschungserkenntnisse angeboten. Hier kann eine Einschätzung aus unterschiedlichen Gründen sehr schwierig sein. Oft gründen sich solche Behandlungsmethoden auf Verfahren, die bisher nur an Zellkullturen oder bei Labortieren untersucht wurden und über deren Wirkungen beim Menschen noch zu wenig bekannt ist. Teilweise werden auch Behandlungsverfahren weiter eingesetzt, obwohl sie mangels überzeugender Wirksamkeit von der Mehrheit der damit beschäftigten Wissenschaftler bereits wieder aufgegeben wurden. Außerdem ist es mitunter schwierig, die für die Beurteilung notwendigen Einzelheiten solcher Methoden in Erfahrung zu bringen, da sie nirgendwo veröffentlicht wurden.

      Besondere Vorsicht ist immer dann geboten, wenn ein Mittel oder eine Methode nicht zusätzlich zur üblichen Therapie, sondern statt dieser empfohlen wird. Auch sollte man immer zuerst klären, ob die zum Teil hohen Kosten von den Krankenkassen übernommen werden.

      Für die meisten dieser Methoden wird auch damit geworben, daß sie nicht schadeten. Es ist richtig, daß, zumindest bei den seit langem verwendeten Mitteln, die Nebenwirkungen nicht so stark sind wie z. B. die einer Chemotherapie. Sie können aber sehr wohl bestimmte Laborwerte verändern oder grippeähnliche Krankheitszeichen hervorrufen. Deshalb sollte der behandelnde Arzt zumindest über die Anwendung aller nicht verordneten Methoden informiert werden, damit er solche Symptome oder Veränderungen richtig interpretieren kann.



      Leben mit der Erkrankung

      Nach der Diagnose einer Krebserkrankung setzen sich fast alle Betroffenen mit einer Vielzahl von bedrohlichen Gefühlen und Gedanken auseinander. Die Erkrankung wird oft als massiver Einschnitt erlebt: alles bisher Gewohnte und viele zukünftigen Ziele scheinen zunächst in Frage gestellt. Ängste vor der Rückkehr in den Alltag und Befangenheit im Umgang mit anderen Menschen machen sich bemerkbar. Zweifel an der Wirksamkeit der Behandlung und Angst vor dem Fortschreiten der Erkrankung kommen immer wieder auf. Es gibt Zeiten der Hilflosigkeit und der Niedergeschlagenheit, aber auch Zeiten der Hoffnung und des intensiven Erlebens. Möglichst offene Gespräche können helfen, besser mit allem fertig zu werden.



      Krankheitsbewältigung

      Bei vielen Patienten kann weder durch Operation oder Bestrahlung noch durch Medikamente der Tumor vollständig entfernt bzw. zerstört werden. Dies trifft besonders dann zu, wenn der Krebs zum Zeitpunkt der Erkennung schon fortgeschritten ist und möglicherweise bereits Absiedelungen in Lymphknoten oder entfernten Körperorganen gebildet hat. Trotzdem können die Symptome mit den Methoden der modernen Medizin vielfach erfolgreich bekämpft werden. Der Krebs ist dann zwar nicht geheilt, verursacht aber auch nicht ständig Beschwerden.

      Die Bewältigung der Krankheitsfolgen braucht Zeit, eigenen Willen und eine verständnisvolle Umwelt. Wichtig ist, daß der Patient über Ängste und Sorgen ebenso wie über Erwartungen und Wünsche offen sprechen kann, ganz besonders im Kreis der Familie. Angehörige sind oft unsicher, wie sie sich dem Erkrankten gegenüber verhalten sollen und scheuen das Gespräch, um den Betroffenen - und oft auch sich selbst - zu schonen. Aber erst die offene Aussprache kann Wege ebnen für eine gemeinsame Bewältigung.
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      schrieb am 28.11.00 14:05:13
      Beitrag Nr. 136 ()
      Aufbau und Funktion des Magens

      Der Magen ist Teil des Verdauungstraktes und liegt im linken Oberbauch unter dem Zwerchfell. Am oberen Ende mündet die Speiseröhre ein, am unteren Ende geht der Magen am sogenannten Pförtner, einen ringförmigen Schließmuskel, in den Zwölffingerdarm über. Im Inneren des Magens, der etwa eineinhalb Liter faßt, werden Nahrungsbissen durch den säure- und enzymhaltigen Magensaft chemisch aufgeschlossen. Der Speisebrei wird dann langsam und kontrolliert in den Dünndarm weiterbefördert, wo die Nährstoffe - Eiweiße, Kohlehydrate, Fette - und Vitamine durch die Schleimhaut ins Blut aufgenommen werden. Die wichtigste Aufgabe des Magens besteht also darin, die Nahrung so aufzuschließen, daß sie für den Körper verwertbar wird und sie wohldosiert in den Dünndarm weiterzubefördern.

      Der Magen liegt nach der linken Seite gekrümmt im Oberbauch. Man unterscheidet den Mageneingang im Bereich der Speiseröhrenmündung (Cardia); den Magenfundus, der sich kuppelartig nach oben unter das Zwerchfell wölbt; den Magenkörper (Corpus) und den Bereich des Antrums vor dem Pförtnermuskel (Pylorus). Die Magenwand ist aus verschiedenen Schichten aufgebaut: die von Falten durchzogene Schleimhautschicht mit Säure-, Enzym- und schleimbildenden Zellen, ist von zwei Muskelschichten und dem Bauchfell umschlossen. Die spezielle Anordnung von Längs- und Ringmuskeln ermöglicht die Durchmischung und Transport des Nahrungsbreis.


      Krebserkrankungen des Magens

      Bösartige Tumoren des Magens entwickeln sich meist in der Schleimhaut und gehen zu 95% vom Drüsengewebe aus (Adenokarzinome). Viel seltener sind Plattenepithelkarzinome, Lymphome - also Krebse des lymphatischen Gewebes - und Sarkome, die sich in der Muskulatur entwickeln. In diesem Text ist ausschließlich von Adenokarzinomen und verwandten Typen die Rede.

      Mit insgesamt rund 20.000 Neuerkrankungen pro Jahr ist das Magenkarzinom beim Mann der fünfthäufigste, bei der Frau der vierthäufigste bösartige Tumor. Die meisten Magenkarzinome entstehen bei über Siebzigjährigen. Die Zahl der Neuerkrankungen hat in den letzten beiden Jahrzehnten in Deutschland wie auch den anderen westlichen Industrieländern um etwa die Hälfte abgenommen. Nur in Japan ist das Magenkarzinom immer noch die häufigste Krebsart.



      Ursachen und Risikofaktoren

      Ernährungsgewohnheiten spielen ein wichtige Rolle bei der Entstehung von Magenkrebs.

      Gut belegte ernährungsbedingte Risikofaktoren sind: häufiger Verzehr stark gesalzener Speisen und geringer Konsum von frischen Gemüsen und Obst.

      Riskant könnte auch der häufige Verzehr von gegrillten, geräucherten und gepökelten Speisen sein. Beim Räuchern und Grillen entstehen krebserregende Substanzen (Kanzerogene) durch unvollständige Verbrennung. Beim Pökeln von Fleischwaren hingegen werden Nitrat- oder Nitritsalze verwendet, die zusammen mit Nahrungsbestandteilen beim Erwärmen oder im Magen Nitrosamine bilden - ihrerseits ebenfalls sehr starke Kanzerogene. Nitrosamine können auch bei Verunreinigung der Nahrung mit Bakterien und Pilzen entstehen..

      Der erwähnte Rückgang der Erkrankungszahlen des Magenkarzinoms ist wahrscheinlich auf die allgemeine Verbreitung von Kühl- und Gefrierschränken und die verbesserte Versorgung mit frischem Obst und Gemüse zurückzuführen. Konservierungsmethoden wie das Einsalzen traten in den letzten Jahrzehnten zugunsten von Gefrieren, Kühlen und/oder steriler Verpackung unter Luftabschluß in den Hintergrund.

      Magenkrebs steht auch im Zusammenhang mit einer Form der chronischen Magenschleimhautentzündung, der atrophischen Gastritis, die durch das bei Magengeschwüren häufig auftretende Bakterium Helicobacter pylori verursacht sein kann. Ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen der Helicobacter-Infektion und Magenkrebs gilt als sehr wahrscheinlich. Die Beseitigung des Keims im Erwachsenenalter führt aber nicht unbedingt zu einer Senkung des Risikos, da möglicherweise nur der langfristige Befall des Magens (Infektion bereits im Kindesalter) mit Helicobacter zu einem erhöhten Risiko führt.

      Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum gelten als Risikofaktoren, vermutlich weil dadurch Magenschleimhautentzündungen ausgelöst werden können.

      Adenomatöse Magenpolypen (zunächst gutartige Wucherungen der drüsigen Schleimhaut) sind ebenfalls Risikofaktoren für eine Magenkrebserkrankung.

      Auch nach einer (heute seltener vorgenommenen) Teilentfernung des Magens zum Beispiel wegen einer Geschwürserkrankung ist das Magenkrebsrisiko erhöht.

      Erbliche Vorbelastung kann die Entstehung eines Magenkrebses begünstigen. Hier muß allerdings zwischen zwei Typen von Magenkarzinomen unterschieden werden: dem sogenannten Intestinaltyp, der primär klar begrenzt wächst und dem diffusen Typ, der bösartiger ist und rasch das umgebende Gewebe durchsetzt. Während beim Intestinaltyp Ernährungsfaktoren im Vordergrund stehen, werden für den diffusen Typ genetische Faktoren verantwortlich gemacht.



      Symptome

      Wie bei vielen anderen Krebsarten gibt es keine typischen Frühsymptome: Das Magenkarzinom wächst lange Zeit, ohne charakteristische Krankheitserscheinungen, die sofort den Verdacht auf einen Tumor wecken würden. Rückblickend kann allerdings bei vielen Patienten eine lange Geschichte uncharakteristischer Beschwerden im Oberbauch erhoben werden.

      Verdächtig ist ein "empfindlicher Magen" mit ausgeprägten Abneigungen gegen verschiedene Speisen oder neu aufgetretenen Unverträglichkeiten. Druck- und Völlegefühl, Übelkeit, Aufstoßen, Appetitlosigkeit, Erbrechen und Schmerzen können Anzeichen eines Magenkrebses sein. Bluterbrechen und Teerstühle (von Blut schwarzgefärbt) weisen auf möglicherweise krebsbedingte Blutungen im Magen-Darmtrakt hin. Auch allgemeine Krankheitserscheinungen wie Gewichtsverlust und Leistungsminderung können auf eine Magenkrebserkrankung zurückgehen.

      Ein tastbarer Tumor im Oberbauch, Lymphknotenschwellungen oberhalb des Schlüsselbeins, Abmagerung oder Ansammlung von Gewebswasser in der Bauchhöhle (Aszites) treten in fortgeschrittenen Krebsstadien auf.

      Die sichere Erkennung von frühen Stadien des Magenkrebses ist nur durch eine Magenspiegelung mit dem Endoskop (Gastroskopie) möglich. Dabei werden Gewebeproben aus dem verdächtigen Areal entnommen (Biopsie) und später mikroskopisch untersucht. In Japan, wo Magenkrebs häufig auftritt, ist die Reihenuntersuchung (Screening) mittels Gastroskopie weit verbreitet. Wird dadurch ein Magenkarzinom entdeckt, ist es in 50-60% der Fälle noch im Frühstadium. Beim Magenkrebs hängen die Heilungschancen sehr wesentlich davon ab, ob das Tumorgewebe bei einer Operation wirklich vollständig entfernt werden kann. Die Behandlungsergebnisse sind am besten, wenn das Karzinom noch klein und vor allem noch nicht in die Muskelschichten der Magenwand eingewachsen ist.

      In Deutschland ist der Magenkrebs seltener, daher sieht das gesetzliche Krebsfrüherkennungsprogramm routinemäßige Gastroskopien nicht vor. Um so wichtiger ist es, die Ursache andauernder Beschwerden im Oberbauch und verdächtiger Symptome möglichst bald abzuklären.

      Auch ein Magengeschwür, das nach zwölf Wochen medikamentöser Behandlung nicht abheilt, ist krebsverdächtig. Bei Vorerkrankungen, die das Magenkrebsrisiko erhöhen oder wenn in der Familie bereits Magenkrebsfälle aufgetreten sind, können Gastroskopien in regelmäßigen Abständen angezeigt sein.



      Untersuchungen zur Sicherung der Diagnose

      Die sicherste und ausschlaggebende Untersuchung ist die bereits erwähnte Magenspiegelung, bei der Gewebeproben zur feingeweblichen Untersuchung mit dem Mikroskop (Histologie) entnommen werden. Proben vom Rand und aus der Tiefe des verdächtigen Bereichs dienen dazu, die Ausbreitung des möglichen Krebses in der Magenwand zu bestimmen. Auch eine zusätzliche Röntgenuntersuchung des Magen-Darm-Traktes mit Kontrastmittel erlaubt eine Begutachtung größerer Bereiche der Magenwand.

      Wenn feststeht, daß es sich um ein Karzinom handelt, sind weitere Untersuchungen erforderlich, die Hinweise auf die Ausdehnung der Krankheit geben: Wichtig ist hierbei unter anderem die Tiefenausdehnung des Tumors, das heißt welche Wandschichten des Magens das Krebsgewebe bereits durchdrungen hat. Bei der endoskopischen Ultraschalluntersuchung wird ein Schallkopf direkt in den Magen vorgeschoben. Dadurch können die Magenwand und benachbarte Lymphknoten beurteilt werden. Informationen über einen Krebsbefall der lokalen und entfernteren Lymphknoten sind wichtig, weil die Entscheidung über die geeignete Therapie wesentlich von der Ausbreitung des Karzinoms auf Lymphknoten und entfernte Organe (Metastasierung) abhängt.

      Tumorabsiedelungen treten beim Magenkrebs am häufigsten in Leber, Lunge und Knochen auf. Zur Suche nach möglichen Metastasen wird der Brustraum mit Röntgenaufnahmen, der Bauchraum mittels Ultraschall und Computertomographie oder Kernspintomographie untersucht. Mittels der Skelettzintigraphie läßt sich eine Befall der Knochen durch den Tumor nachweisen. Dazu werden geringe Mengen einer radioaktiven Substanz in die Blutbahn gespritzt, die sich bevorzugt in erkranktem Knochengewebe anreichert. Eine Kamera, die radioaktive Strahlung registriert, ortet metastasenverdächtige Bezirke. Die Untersuchung ist nicht belastend, und die Strahlung klingt sehr rasch ab.

      Die endoskopische Untersuchung der Bauchhöhle (Laparoskopie) kann bei großen Tumoren der Suche nach einem Tumorbefall des Bauchfells und der Leber dienen.

      Laboruntersuchungen haben beim Magenkrebs - abgesehen von den Routinetests zur Operationsvorbereitung - nur untergeordnete Bedeutung, und es gibt zur Zeit keine aussagefähigen Tumormarker.

      Das gesamte Programm an Voruntersuchungen ist bedeutsam für die Operationsplanung, da man bei lokal begrenzten Tumoren anders vorgeht als wenn bereits Metastasen in Organen oder weit entfernten Lymphknoten vorhanden sind. Auch die Lage des Tumors im Magen beeinflußt die Operation, Tumoren nahe der Speiseröhrenmündung werden anders operiert als solche in der Nähe des Magenausgangs. Die genauere Situation können die Chirurgen allerdings meist erst nach Eröffnung des Bauchraums beurteilen.



      Biologische Eigenschaften und Ausbreitung des Karzinoms

      Ein Magenkrebs geht meist von Drüsenzellen aus (man spricht vom Adenokarzinom). Bei der mikroskopischen Untersuchung des entnommenen Gewebes kann der Pathologe die biologischen Eigenschaften des Tumors genauer bestimmen und Hinweise auf die Bösartigkeit des Tumors gewinnen.

      Es wird zwischen zwei Typen von Magenkarzinomen unterschieden, dem sogenannten Intestinaltyp, der zunächst klar begrenzt wächst und dem diffusen Typ, der bösartiger ist und rasch das umgebende Gewebe durchsetzt.

      Das Grading (engl.) beschreibt, wie stark sich die Tumorzellen mikroskopisch von normalen "ausgereiften" Zellen unterscheiden. Nach bestimmten Merkmalen teilt man in 3 Grade - G1 bis G3 - ein. Tumorzellen von Grad 1 (G1) sind gut differenziert, d.h. sie sind den normalen Zellen vergleichsweise ähnlich. Schlecht differenzierte Tumoren (G3 ) unterscheiden sich dagegen stark von normalen Zellen, wachsen besonders schnell und sind aggressiver als G1 und G2.

      Bei der Beurteilung des Tumorstadiums nach dem TNM-System werden Größe und örtliche Ausdehnung des Magentumors (T), Lymphknotenbefall (N, von lat. Nodus: Knoten) und Metastasen (M) berücksichtigt. Ziffern hinter den Buchstaben stehen für Größe und Ausdehnung (T1-4), Lage und Zahl der befallenen Lymphknoten (N0-2) und das Vorhandensein oder Fehlen von entfernten Metastasen (M0 oder M1). T1 N0 M0 bezeichnet zum Beispiel einen kleinen Tumor ohne Lymphknotenbefall und Metastasen. Eine exakte Beurteilung des T-Stadiums ist erst nach der operativen Entfernung des Tumors möglich.



      Behandlungsmöglichkeiten

      Die Operation ist beim Magenkarzinom die wichtigste und entscheidende Behandlungsmaßnahme. Zusätzlich kommen Chemotherapie und in manchen Situationen auch Bestrahlung zur Anwendung.



      Operation

      Nur durch vollständige Entfernung des gesamten Tumorgewebes ist eine dauerhafte Heilung möglich. Über das erforderliche Ausmaß des Eingriffs gibt es allerdings noch keine vollständige Übereinstimmung. Meist wird der gesamte Magen einschließlich eines kleinen Teils des Zwölffingerdarms, der umliegenden Lymphknoten und des großen Netzes entfernt.

      Bei Tumoren nahe des Mageneingangs (Cardiakarzinom) wird zusätzlich der untere Teil der Speiseröhre entfernt. In diesem Fall muß sowohl vom Bauch- als auch vom Brustraum aus operiert werden, da die Speiseröhre oberhalb des Zwerchfells liegt.

      Nur bei kleinen Tumoren von intestinalen Typ, die auf die Schleimhaut oder zumindest die Magenwand begrenzt sind und im unteren Magendrittel liegen, reicht eine Teilentfernung des Magens (Teilresektion) aus.

      Über den Nutzen einer zusätzlichen Entfernung entfernterer Lymphknoten, der Milz oder von Teilen der Bauchspeicheldrüse besteht noch Unklarheit.

      Wenn der Magen vollständig entfernt ist, fehlt ein Speisereservoir. Die Nahrung gelangt zu rasch und kaum vorverdaut in den Dünndarm, was die weiteren Verdauungsfunktionen beeinträchtigt. Außerdem kann Speisebrei in die Speiseröhre zurückfließen (Reflux). Deshalb wurden Techniken entwickelt, aus Dünndarmanteilen eine Art Ersatzmagen zu bilden, der die Reservoirfunktion teilweise ersetzen kann.

      Zeigt sich bei den Voruntersuchungen oder auch erst nach Eröffnung des Bauchraumes, daß der Tumor schon zu weit fortgeschritten ist, um vollständig entfernt zu werden, kann man versuchen, den Tumor durch mehrere Zyklen einer Chemotherapie so weit zu verkleinern, daß er anschließend doch noch komplett herausgeschnitten werden kann (sog. neoadjuvante Chemotherapie).

      Bei nicht komplett operablen Tumoren besteht die Gefahr, daß durch weiteres Wachstum des Karzinoms irgendwann die Nahrungspassage versperrt wird. Außerdem kann es unter Umständen zu Blutungen und Magendurchbrüchen kommen. Um solchen Komplikationen vorzubeugen, kann je nach Sitz des Tumors der Magen teilweise entfernt und/oder der Dünndarm oberhalb des Karzinoms an den Magen angeschlossen werden (Umgehungsanastomose).

      Ist die Speiseröhrenmündung vom Verschluß bedroht, kann eine röhrenförmige Prothese (Tubus) oder ein elastisches Metallgeflecht (Stent) eingesetzt werden, um die Engstelle offenzuhalten. Diese Maßnahmen können helfen, trotz Tumorwachstum weiterhin die normale Nahrungsaufnahme zu ermöglichen.

      Bei Metastasen ist eine Operation generell nur in wenigen Fällen sinnvoll und dient auch hier der Vorbeugung oder Behandlung von Komplikationen (sog. palliative Chirurgie).



      Bestrahlung

      Der Wert einer Behandlung mit energiereichen Strahlen ist beim Magenkarzinom bisher nur für wenige Krankheitssituationen gesichert. Die Möglichkeiten der Strahlentherapie sind eingeschränkt durch die hohe erforderliche Strahlendosis, die hohe Strahlenempfindlichkeit der umgebenden Gewebe (Darm, Leber, Lunge, Niere) und die ständigen Lage- und Formänderungen des Magens, die eine exakte Plazierung des bestrahlten Feldes erschweren.

      Sowohl für die Strahlentherapie vor wie auch nach der Operation (neoadjuvante und adjuvante Bestrahlung) liegen bisher keine Wirksamkeitsnachweise vor, die einen Einsatz außerhalb von klinischen Studien rechtfertigen würden. Auch die Bestrahlung während der Operation (intraoperative Radiotherapie), die eine sehr gezielte Verabreichung mit geringeren Nebenwirkungen ermöglicht, ist zur Zeit noch ein experimentelles Verfahren.

      Bei nicht operierbaren Tumoren des Mageneingangs kann eine Strahlentherapie dazu beitragen, die Magenpassage offenzuhalten und dem Patienten ermöglichen sich weiterhin auf normalem Wege zu ernähren.

      Auch Metastasen können bestrahlt werden. Vor allem bei Knochenmetastasen, die Schmerzen (und auch Knochenbrüche) verursachen können, hat sich die Bestrahlung zur Linderung der Beschwerden bewährt.



      Chemotherapie

      Mit zellwachstumshemmenden Medikamenten, den Zytostatika, alleine kann ein Magenkarzinom zwar nicht geheilt werden. Dennoch hat die Chemotherapie einen wichtigen Platz in der Behandlung. Es gibt eine Reihe von wirksamen Medikamenten, die meist in Kombinationen eingesetzt werden. In den letzten Jahren kamen neue wirksame Substanzen hinzu, die in klinischen Studien geprüft werden.

      Ein Chemotherapie kommt im wesentlichen in zwei Situationen zum Einsatz: einerseits bei metastasierten und ausgedehnten, nicht operierbaren Tumoren - zur Linderung der Beschwerden und um das Tumorwachstum zumindest für einen begrenzten Zeitraum unter Kontrolle zu halten - und zum anderen bei örtlich fortgeschrittenen, großen Karzinomen. Die tatsächliche Tumorausdehnung kann allerdings oft erst beurteilt werden, wenn der Bauch bereits eröffnet wurde.

      Erscheint der Tumor nach der Eröffnung des Bauchraumes nicht operierbar, kann man versuchen, ihn zunächst durch eine Chemotherapie zu verkleinern. Nach einer solchen neoadjuvanten (d.h. vor der Operation durchgeführten) Kombinations-Chemotherapie ist in manchen Fällen die angestrebte vollständige Entfernung tatsächlich durchführbar. Das Verfahren wird in Studien weiter untersucht.

      Auch die adjuvante Chemotherapie im Anschluß an die vollständige Entfernung eines operierbaren Tumors ist derzeit noch Gegenstand der klinischen Forschung. Eine Verlängerung des Überlebens der behandelten Patienten ist allerdings nicht bewiesen.

      Da die Behandlung mit Zytostatika auch erhebliche Nebenwirkungen hat, müssen Nutzen und Risiko bei der Therapieentscheidung und bei der Auswahl der Medikamente sorgfältig abgewogen werden.

      "Aggressive" Kombinationsbehandlungen sind bei jüngeren Patienten in gutem allgemeinen Gesundheitszustand vertretbar, wenn man sich einen Erfolg verspricht. Bei älteren Patienten ist das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen für eine solch belastende Vorgehensweise zu hoch.

      Wird die Chemotherapie allein zur Symptomlinderung eingesetzt, so sollten möglichst nebenwirkungsarme Kombinationen oder Einzelsubstanzen verwandt werden, um das Befinden des Patienten nicht zu sehr zu beeinträchtigen.

      Bei Krebsbefall des Bauchfells (Peritonealkarzinose) mit Flüssigkeitsansammlungen in der Bauchhöhle (Aszites) kann die Gabe von Zytostatika in die Bauchhöhle Linderung bringen.

      Unerwünschte Begleiterscheinungen der Chemotherapie ergeben sich daraus, daß nicht nur Krebszellen, sondern auch normale Gewebe geschädigt werden. Besonders Gewebe, deren Zellen sich häufig teilen und erneuern sind betroffen - je nach Medikament in erster Linie die Schleimhäute von Magen und Darm, das blutbildende System im Knochenmark und die Haarwurzeln. Die Folgen sind Entzündungen der Schleimhäute, Übelkeit, Erbrechen, Haarausfall und eine vorübergehende Abnahme der weißen Blutkörperchen und Blutplättchen. Mit zusätzlichen Medikamenten können diese Begleiterscheinungen, die individuell unterschiedlich ausgeprägt sein können, gelindert werden.



      Leben mit der Erkrankung


      Wie geht es nach der Behandlung weiter ?

      Nach Abschluß der Behandlung, das heißt in der Regel nach der Operation, sind die Patienten im besten Fall dauerhaft von ihrem Tumor befreit. Die weitere medizinische Überwachung dient dazu, unerwünschte Folgen der Therapie, aber auch einen möglichen Rückfall, zu erkennen. In der Regel sind Nachsorgetermine zunächst alle 3 Monate, nach 2 Jahren alle 6 Monate erforderlich. Die Diagnostik umfaßt normalerweise körperlicher Untersuchung, Labortests, Röntgen- und Ultraschalluntersuchungen, nach Magenteilentfernung auch eine Gastroskopie.



      Mögliche Folgen der Operation

      Je nachdem, ob der Magen teilweise oder vollständig entfernt wurde, ob ein Ersatzmagen gebildet wurde und nach welchem Verfahren operiert wurde, können unterschiedliche Probleme auftreten. Sie betreffen vor allem den Nahrungstransport und die Verdauungsfunktion und sind durch die nach der Operation veränderten Verhältnisse im Verdauungstrakt und den Verlust von "verdauungsaktivem" Gewebe bedingt.

      Häufige Folgeerscheinungen der teilweisen und vor allem der vollständigen Magenentfernung sind die Dumping-Syndrome (Sturzentleerung des Magens). Dabei entleert sich der Inhalt des Rest- oder Ersatzmagens zu rasch in den Dünndarm. Beim sogenannten Frühdumping, das kurz nach der Mahlzeit auftritt, ziehen die in der Nahrung enthaltenen löslichen Stoffe Flüssigkeit aus der Blutbahn in der Darm ab und es kommt zu Kreislaufsymptomen wie Herzklopfen, Blutdruckabfall, Schwindel, Übelkeit und Schweißausbrüchen. Beim Spätdumping steigt der Blutzuckerspiegel durch das plötzliche Kohlehydrat-Überangebot vorübergehend schnell an und fällt kurz darauf stark ab. Dadurch kann es 2-3 Stunden nach dem Essen zur Unterzuckerung mit Unruhe, Zittern, Heißhunger und Bewußtseinstrübungen kommen.

      Wichtigste Gegenmaßnahmen sind, die Nahrungsaufnahme auf häufige kleine Mahlzeiten zu verteilen, zu den Mahlzeiten nichts zu trinken und keine freien Zucker (z.B. in Süßigkeiten) zu sich zunehmen. Auch die Einnahme von quellenden Ballaststoffen und von Medikamenten zur Regulierung der Kohlenhydrataufnahme kann sinnvoll sein. Unter Umständen ist aber auch eine Operation erforderlich, die den Anschluß des Dünndarms an den Restmagen verändert.

      Weitere mögliche Störungen sind Gewichtsabnahme, gestörte Aufnahme von Fetten und der fettlöslichen Vitamine A, D, E und K, die Durchfälle, fettigen Stuhlgang und Vitaminmangelerscheinungen zur Folge haben können. Daneben treten auch Appetitlosigkeit, Blähungen, Nahrungsunverträglichkeiten und Eisenmangel-Anämien auf. Neben den Verhältnissen im Verdauungstraktes nach der Operation spielt für einen Teil dieser Symptome, besonders für Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust, auch die seelische Verfassung eine Rolle.

      Zur individuellen Behandlung dieser Störungen müssen die Symptome und Mangelzustände sorgfältig erfaßt werden. Nach der vollständigen Entfernung des Magens kann der Körper zum Beispiel das für die Blutbildung wichtige Vitamin B12 nicht mehr aufnehmen. Dieses Vitamin muß daher in Abständen von 3-6 Monaten als Injektion verabreicht werden, ebenso die fettlöslichen Vitamine und Eisen, um entsprechendenMangelerscheinungen vorzubeugen. Auch der Ersatz von fettspaltenden Enzymen (Lipasen) der Bauchspeicheldrüse ist sinnvoll und kann einige der Symptome (z.B. fettigen Stuhlgang) lindern.

      Nach einer Magenteilentfernung kann der Verschluß des Magens zur Speiseröhre hin gestört sein. Dadurch kann Magensäure zurück in die Speiseröhre gelangen (Reflux) und dort Entzündungen und Schmerzen hervorrufen. Die Symptome können mit säureneutralisierenden Mitteln (Antacida) behandelt werden.

      Obwohl die Störungen nach einer Magenkrebsoperation zunächst erheblich sind, regulieren sie sich mit der Zeit teilweise sehr gut. Der Organismus gewöhnt sich an die veränderten Verhältnisse. Die Verdauungsfunktionen und das Körpergewicht normalisieren sich häufig wieder.

      Die Unterscheidung therapiebedingter Beschwerden von einem Tumorrückfall ist speziell nach einer Magenteilentfernung eine wichtige Aufgabe der Nachsorge. Manchmal ist bei örtlichen Rückfällen, besonders im Bereich der Verbindung zwischen Restmagen und Dünndarm, eine zweite Operation möglich. Deshalb sind nach Magenteilentfernung Magenspiegelungen in regelmäßigen Abständen sinnvoll.



      Ernährung

      Es gibt keine Diät, die eine bestehende Krebserkrankung beeinflussen oder gar heilen könnte, dies gilt auch für Magenkrebs. Die Frage nach der richtigen Ernährung stellt sich trotzdem allen Patienten nach einer Magenoperation.

      Abhängig vom angewandten Operationsverfahren müssen verschiedene Gesichtspunkte beachtet werden. Geschulte Ernährungsberaterinnen oder Diätassistentinnen helfen mit Beratungen weiter - in der Regel schon im Krankenhaus oder während des anschließenden Aufenthalts in einer Nachsorgeklinik.

      Wichtig ist eine vollwertige und kalorienreiche Ernährung, welche die persönlichen Vorlieben und Unverträglichkeiten des Patienten berücksichtigt. Häufig muß erst ausprobiert werden, welche Speisen in welchen Mengen gut verträglich sind. Weil die Nahrungsverwertung nach der Operation gestört ist, muß ein Magenkrebspatient mehr Kalorien zu sich nehmen als normalerweise nötig wäre. Es kommt aber nicht nur auf den absoluten Kaloriengehalt an, sondern auf Qualität und Zusammensetzung der Nahrung: Sie sollte generell viel Eiweiß und komplexe Kohlehydrate (d.h. wenig freie Zucker), Vitamine und Mineralstoffe enthalten. Ein höherer Gehalt an mittelkettigen Triglyceriden (Fette oder Öle mit Fettsäuren mittlerer Kettenlänge, z.B. aus Kokosnußöl) ist bei Fettverdauungsstörungen günstig.

      Zumindest anfänglich muß die Nahrungsaufnahme auf bis zu 10 kleine Mahlzeiten verteilt werden, weil der Magen als natürliches Speisereservoir ja nicht mehr vorhanden, deutlich verkleinert oder durch einen unvollkommenen Ersatzmagen aus Dünndarmschlingen ersetzt ist.

      Eine gute Richtlinie zur Ernährung bietet die "Magen-Darm-Variante" der Vollwerternährung, die besonders säurehaltige, sehr süße, scharfe, fettreiche und blähende Nahrungsmittel meidet und bei ausgewogener Zusammensetzung ausreichend Vitamine, Kalzium und Eisen enthält. Besonders nach totaler Entfernung des Magens ist unter Umständen die zusätzliche Einnahme von Kalziumtabletten und Vitamin D empfehlenswert. Geräuchertes und Gegrilltes sollte nur selten gegessen werden, dafür mehr gedünstete Speisen. Sofern verträglich, gibt es keine Einwände gegen mäßigen Alkoholgenuß; der hohe Kaloriengehalt und die mitunter appetitanregende Wirkung sind sogar günstig.

      Bei starker Gewichtsabnahme und Appetitlosigkeit kann vorübergehend zusätzlich "Astronautenkost" gegeben werden. Dies sind flüssige, hochkalorische Nahrungskonzentrate von definierter Zusammensetzung, die alle wichtigen Nährstoffe enthalten.

      Schreitet die Erkrankung fort und blockiert der Tumor die natürliche Nahrungspassage, kann Sondenernährung notwendig werden. Heute setzt man zur längerfristigen Sondenernährung statt der vergleichweise belastenden Nasen-Magen-Sonden bei Krebspatienten häufig dünne Dauerkatheter ein, die durch die Bauchhaut in den Magen (sog. PEG-Sonden) oder Dünndarm eingelegt werden. Die Sonden werden im allgemeinen gut vertragen. Örtliche Entzündungen und Irritationen der Haut sind die häufigsten Begleiterscheinungen.



      Schmerzbehandlung

      In fortgeschrittenen Stadien der Krebserkrankung können für den Patienten die Schmerzen im Vordergrund stehen und seine Lebensqualität stärker beeinflussen als der Tumor selbst. Die wirksame Schmerzbekämpfung ist hier eine der wichtigsten Maßnahmen. Ein gute Schmerztherapie ist immer individuell auf die Schmerzsituation des Patienten abgestimmt.

      Mit den heute verfügbaren Medikamenten und Methoden lassen sich Tumorschmerzen in den meisten Fällen gut lindern. Im Vordergrund steht die Behandlung mit Tabletten. Je nach Schmerzstärke stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, die bei Bedarf kombiniert werden. Bei starken Schmerzen werden Opioide eingesetzt. Diese Abkömmlinge des Morphins sind die wirksamsten Schmerzmedikamente. Sie sind mittlerweile auch als Pflaster oder Nasenspray erhältlich. Bei der Schmerzbehandlung kommt es darauf an, daß die Medikamente nach einem festen Zeitplan eingenommen werden und nicht erst dann, wenn die Schmerzen wieder auftreten.

      Sind die Schmerzen so stark, daß Tabletten nicht mehr wirken, besteht die Möglichkeit, Opioide direkt in die Umgebung des Rückenmarks einzubringen. Das funktioniert über Katheter mit Pumpen oder die Einpflanzung von Reservoirsystemen, die eine kontinuierliche Opioidabgabe sicherstellen.

      Die Schmerzleitung aus dem Bereich des Oberbauches kann unter Umständen auch durch Einspritzen von zellschädigenden Chemikalien (Alkohol) in ein Nervengeflecht im Oberbauch (Plexus coeliacus) unterbunden werden.

      Bei schmerzhaften Knochenmetastasen bringt eine gezielte Bestrahlung Linderung. Bei ausgedehntem Tumorbefall des Skeletts lassen sich auch mit der Gabe von radioaktiven Substanzen, die sich in erkranktem Knochen anreichern und ihn von innen bestrahlen, Rückbildungen der Knochentumoren und damit Schmerzlinderung erreichen (Radionuklidtherapie).



      Krankheitsbewältigung

      Bei vielen Patienten kann weder durch Operation oder Bestrahlung noch durch Medikamente der Tumor vollständig entfernt bzw. zerstört werden. Dies trifft besonders dann zu, wenn der Krebs zum Zeitpunkt der Erkennung schon fortgeschritten ist und möglicherweise bereits Absiedelungen in Lymphknoten oder entfernten Körperorganen gebildet hat. Trotzdem können in solchen Situationen die Symptome der Erkrankung mit den Methoden der modernen Medizin oft über längere Zeit gut kontrolliert werden. Der Krebs ist dann zwar nicht geheilt, verursacht aber auch nicht ständige Beschwerden.

      Patienten, bei denen ein örtlich begrenzter Tumor frühzeitig operiert wurde, sind in vielen Fällen dauerhaft von ihrem Krebs befreit. Sie müssen jedoch lernen, langfristig mit den Therapiefolgen und den dadurch bedingten Einschränkungen zurechtzukommen.
      Avatar
      schrieb am 28.11.00 14:11:33
      Beitrag Nr. 137 ()
      Die gesunde Prostata

      Die Prostata oder Vorsteherdrüse des Mannes hat normalerweise etwa die Form und Größe einer Kastanie. Sie sitzt vom Damm aus gesehen vor der Blase - daher ihr Name. Unmittelbar unterhalb des Blasenausgangs umschließt sie die Harnröhre, die also ein Stück weit durch die Prostata hindurch verläuft.

      Vom Enddarm aus kann die Oberfläche der Drüse leicht mit dem Finger abgetastet werden - ein Umstand, den sich der Arzt bei der digital-rektalen Untersuchung zunutze macht.

      Die Prostata bildet ein Sekret, das die Beweglichkeit und damit die Befruchtungsfähigkeit der Samenzellen gewährleistet. Über zahlreiche Ausführgänge gelangt es bei der Ejakulation in die Harnröhre und wird dem Samen beigemengt, der über die Samenleiter in die Harnröhre gelangt. Im Bereich der Prostata laufen also Harn- und Samenwege zusammen.

      Wachstum und Funktion der Prostata sind von dem männlichen Geschlechtshormon Testosteron abhängig, das hauptsächlich in den Hoden, zu einem geringen Teil aber auch in den Nebennieren gebildet wird. Ohne die Stimulation durch das Hormon bleibt die Drüse unterentwickelt und bildet kein Sekret.

      Der innere Anteil der Prostata umschließt die Harnröhre unmittelbar. In diesem Bereich können bei älteren Männern gutartige Wucherungen (Prostataadenome) entstehen, die eine Verengung der Harnröhre und Schwierigkeiten beim Wasserlassen verursachen.

      Der äußere Anteil der Drüse produziert das Sekret. In diesem Bereich entstehen auch die meisten bösartigen Tumoren - Prostatakarzinome -, in 90% der Fälle auf der dem Enddarm zugewandten Seite.



      Krebserkrankungen der Prostata

      Mit rund 25 000 Neuerkrankungen pro Jahr ist das Prostatakarzinom nach Lungenkrebs der zweithäufigste bösartige Tumor bei Männern. Prostatakrebs ist in der Regel eine Krankheit des älteren Mannes: Mehr als 90% der Patienten sind zum Zeitpunkt der Diagnose über 60 Jahre alt. Mit der Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung nimmt die Häufigkeit hierzulande zu.

      Etwa 30% der Männer über 70 Jahre haben ein latentes, das heißt verborgenes Prostatakarzinom. Nur ein geringer Teil dieser Tumoren beginnt irgendwann schneller zu wachsen und führt zu einer bedrohlichen Erkrankung, die behandelt werden muß.



      Ursachen und Risikofaktoren

      Die Ursachen der Erkrankung sind bisher weitgehend ungeklärt. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko, an einem Prostatakrebs zu erkranken. Die Erkrankung ist bei Männern schwarzafrikanischen Ursprungs häufiger als bei Weißen oder Asiaten. In Europa und Nordamerika ist die Erkrankung relativ häufig, in Ostasien dagegen eher selten. Lebensstil und Lebensumstände könnten daher Einfluß auf das Erkrankungsrisiko haben. Fettreiche und faserarme Ernährung begünstigt möglicherweise die Entstehung von Prostatakrebs.

      Ein erhöhtes Risiko besteht offenbar für Männer, die am Arbeitsplatz dem Schwermetall Cadmium ausgesetzt sind, etwa in der Gummiindustrie.

      Nahe Verwandte von Prostatakrebspatienten erkranken häufiger als die übrige Bevölkerung, genetische Faktoren und eine erbliche Veranlagung sind demnach offensichtlich von Bedeutung. Vor kurzem wurde auf dem Chromosom 1 ein Gen (HPC-1) lokalisiert, das mit familiären Häufungen von Prostatakrebs in Verbindung gebracht wird. Besonders bei Patienten, die vergleichsweise jung an einem Prostatakarzinom erkranken, und in Familien mit drei und mehr Fällen von Prostatakrebs scheint dieses Gen eine Rolle zu spielen. Das Gen wurde allerdings noch nicht entschlüsselt. Insgesamt wird der Anteil durch erbliche Veranlagung bedingter Prostatakarzinome auf etwa 10% geschätzt.

      Das männliche Geschlechtshormon Testosteron ist für die Funktion der Prostata notwendig. Es fördert allerdings auch das Wachstum von Prostatakrebszellen. Ohne ausreichende Funktion der Hoden entsteht kein Prostatakarzinom.

      Kein Risikofaktor ist dagegen die Sterilisation. Vermutungen, daß die Durchtrennung der Samenstränge (Vasektomie) eine erhöhte Gefährdung durch Prostatakrebs nach sich ziehen könnte, haben sich nicht bestätigt.

      Insgesamt liegen noch zu wenig gesicherte Daten zu Ursachen und Risikofaktoren vor, als daß daraus gezielte Möglichkeiten der Vorbeugung abzuleiten wären. Auch für die Tatsache, daß der Tumor gerade nach dem 65. Lebensjahr so gehäuft auftritt, konnte noch keine Erklärung gefunden werden.



      Symptome

      Wie bei vielen anderen Krebsarten gibt es keine typischen Frühsymptome: Der Betroffenen bemerkt zunächst gar nichts. Beschwerden macht die Erkrankung erst relativ spät. Schwierigkeiten beim Wasserlassen und gestörte Blasenentleerung, wie sie bei der gutartigen Vergrößerung der Prostata (Prostataadenom) häufig sind, treten beim Karzinom erst in fortgeschrittenen Stadien auf. Die Tumoren entstehen in den äußeren Anteilen der Drüse und beengen die Harnröhre erst dann, wenn sie schon recht groß sind.

      Örtliche Schmerzen, wie auch Blutbeimengungen in Urin oder Sperma können beim fortgeschrittenen Karzinom ebenfalls auftreten. Sie sind dann in der Regel ein Zeichen dafür, daß der Tumor bereits in umgebende Gewebe eingewachsen ist.

      Ischiasbeschwerden und Knochenschmerzen können von Tochtergeschwülsten (Metastasen) im Bereich des Beckens, der unteren Wirbelsäule oder des übrigen Skeletts herrühren, denn rund 60% der fortgeschrittenen Prostatakarzinome bilden Metastasen im Knochen. Manchmal sind dies die ersten Beschwerden, die der Tumor verursacht. Für Männer ab 45 gilt: Bei Ischias-Schmerzen sollte routinemäßig eine digital-rektale Untersuchung durchgeführt werden.



      Früherkennungsmöglichkeiten

      Je früher die Krankheit erkannt wird, um so besser kann sie behandelt werden. Ist der Krebs zum Zeitpunkt der Diagnose auf die Prostata beschränkt, so sind die Heilungsaussichten relativ günstig. Zwei einfache, wenig belastende Untersuchungsmethoden stehen dem Arzt zur Verfügung:

      Die Prostata ist vom Enddarm (Rektum) aus mit dem Finger gut tastbar und schon kleine Unregelmäßigkeiten der Oberfläche sind so festzustellen. Besonders Verhärtungen sind krebsverdächtig. Da die bösartigen Tumoren meist auf dieser Seite des Organs entstehen, bietet sich mit der digital-rektalen Untersuchung eine wenig belastende Möglichkeit der Früherkennung zumindest oberflächlich gelegener Karzinome.

      Jeder Mann ab 45 kann diese Untersuchung im Rahmen des gesetzlichen Früherkennungsprogramms einmal pro Jahr in Anspruch nehmen. Der einfache und unter Umständen lebensrettende Griff wird jedoch viel zu selten angewandt: nur etwa jeder sechste Berechtigte nutzt diese Möglichkeit regelmäßig.

      Weil sich nur oberflächliche kleine Tumoren ertasten lassen, sucht man nach ergänzenden Möglichkeiten, die die Früherkennung effektiver machen.
      Das prostataspezifische Antigen (PSA) ist ein Eiweißstoff, der von Zellen der Prostata gebildet wird. Es ist im Prostatasekret enthalten und dient der Verflüssigung des Samens. In geringen Mengen tritt es auch ins Blut über und kann dort mit einem Labortest nachgewiesen werden.

      Beim Prostatakarzinom ist die PSA-Konzentration im Blut erhöht, aber das kann auch bei gutartigen Prostataadenomen und bei Entzündungen der Prostata der Fall sein. Ein erhöhter PSA-Wert allein beweist daher nicht das Vorliegen eines Karzinoms. Mißt man "freies" und an Bluteiweiß gebundenes PSA getrennt und setzt diese Werte zueinander in Beziehung, läßt sich die Abgrenzung zu einem Prostataadenom verbessern. Die PSA-Bestimmung kann die Aussage der digital-rektalen Untersuchung ergänzen.



      Weiterführende Untersuchungen

      Findet der Arzt bei der digital-rektalen Untersuchung eine Verhärtung oder einen Knoten und ist der PSA-Test auffällig oder treten die oben geschilderten Symptome auf, müssen weitere Untersuchungen zur Klärung folgen.

      Eine Probeentnahme von Gewebe aus dem verdächtigen Bezirk (Biopsie) zur feingeweblichen Untersuchung schafft Klarheit. Dazu wird meist vom Enddarm, gelegentlich auch vom Damm aus eine feine Kanüle oder eine Stanze in das verdächtige Organareal eingestochen, gesteuert durch den tastenden Finger oder die Ultraschalldarstellung. Die Gewebeentnahme erfolgt in örtlicher Betäubung. Ein Krankenhausaufenthalt ist dazu nicht erforderlich. Nach dem Eingriff können Blutbeimengungen im Urin, Sperma oder Stuhl auftreten, die jedoch in aller Regel nach einigen Tagen verschwinden. In seltenen Fällen kann es aber auch zu Fieber oder einer örtlichen Infektion kommen. Die mikroskopische Untersuchung der entnommenen Gewebeproben durch den Pathologen gibt innerhalb weniger Tage Aufschluß darüber, ob ein Prostatakarzinom vorliegt und wie seine biologischen Eigenschaften sind.

      Vermutungen, die Biopsie könnte einen "ruhenden" Krebs zum Wachstum anregen, haben sich nicht bestätigt.

      Ergibt die Untersuchung des entnommenen Gewebes tatsächlich ein Prostatakarzinom, so folgen weitere Untersuchungen, um die örtliche Ausbreitung des Tumors zu bestimmen und festzustellen, ob sich Metastasen in anderen Körperregionen gebildet haben:

      Bei der transrektalen Ultraschalluntersuchung wird eine kleine Ultraschallsonde in den Enddarm eingeführt. Die Prostata und umliegende Gewebestrukturen lassen sich damit auf einem Bildschirm darstellen. Mit dieser Methode kann man gut beurteilen, ob der Tumor die die Prostata umgebende bindegewebige Kapsel durchbrochen hat oder bereits in die benachbarten Samenblasen eingewachsen ist.

      Eine Blasenspiegelung und eine Röntgenaufnahme der ableitenden Harnwege mit Kontrastmittel (Urogramm) gibt Aufschluß darüber, ob der Tumor Harnleiter, Blase oder Harnröhre befallen hat.

      Metastasen des Prostatakarzinoms bilden sich bevorzugt in Knochen, Lymphknoten und Lunge. Mittels der Skelettzintigraphie läßt sich eine Befall der Knochen durch den Tumor nachweisen. Dazu werden geringe Mengen einer radioaktiven Substanz in die Blutbahn gespritzt, die sich bevorzugt in erkranktem Knochen anreichert. Eine Kamera, die die radioaktive Strahlung registriert, ortet metastasenverdächtige Bezirke. Die Untersuchung ist nicht belastend, und die Strahlung klingt sehr rasch ab. Auch deutliche Erhöhungen der Konzentration des Enzyms alkalische Phosphatase (AP) und des Kalziumspiegels im Blut können auf Knochenmetastasen hinweisen.

      Röntgenaufnahmen des Brustkorbs dienen vor allem der Feststellung der Narkosefähigkeit.

      Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen der Höhe des PSA-Spiegels und der Größe des Tumors und seiner Metastasen. Der PSA-Test ist daher ein wertvolles Instrument zur Abschätzung der Tumorausbreitung.

      Für die Behandlungsplanung ist es von entscheidender Bedeutung, ob Lymphknoten im Beckenraum befallen sind oder nicht. Nur wenn dies nicht der Fall ist, kommt eine Operation in Frage. Allerdings läßt sich dies weder mit Röntgen- noch mit Schnittbilduntersuchungen (Röntgencomputertomographie oder Kernspintomographie) eindeutig feststellen. Falls also noch keine Metastasen in entfernten Organen oder im Skelettsystem vorliegen und der Tumor in der Prostata noch nicht zu groß ist, werden vor der eigentlichen Operation durch einen kleinen Bauchschnitt oberhalb des Schambeins einzelne Beckenlymphknoten entnommen und sofort mikroskopisch auf Tumorgewebe untersucht. Nur unter bestimmten Voraussetzungen - niedriger PSA-Wert, kleiner Tumor und geringe Bösartigkeit - kann man auf diese Untersuchung verzichten.



      Biologische Eigenschaften und Ausbreitung des Tumors

      Ein Prostatakrebs geht meist von Drüsenzellen aus (man spricht vom Adenokarzinom). Bei der mikroskopischen Untersuchung des entnommenen Gewebes kann der Pathologe die biologischen Eigenschaften des Tumors genauer bestimmen und Hinweise auf die Bösartigkeit des Tumors gewinnen.
      So beschreibt das Grading (engl.), wie stark sich die Tumorzellen mikroskopisch von normalen "ausgereiften" Zellen unterscheiden. Nach bestimmten Merkmalen teilt man in 4 Grade G1 bis G4 ein. Tumorzellen von Grad 1 (G1) sind gut differenziert, d.h. sie sind den normalen Zellen vergleichsweise ähnlich. Schlecht differenzierte Tumoren (G3 und G4) unterscheiden sich dagegen stark von normalen Zellen, wachsen besonders schnell und sind aggressiver als G1 und G2.

      Bei der Beurteilung des Tumorstadiums nach dem TNM-System werden Größe und örtliche Ausdehnung des Prostatatumors (T), Lymphknotenbefall (N, von lat. Nodus: Knoten) und Metastasen (M) berücksichtigt. Ziffern hinter den Buchstaben stehen für Größe und Ausdehnung (T1-4), Zahl und Lage der befallenen Lymphknoten (N0-3) und das Vorhandensein oder Fehlen von entfernten Metastasen (M0 oder M1). T1 N0 M0 bezeichnet zum Beispiel einen kleinen Tumor ohne Lymphknotenbefall und Metastasen. Eine exakte Beurteilung des T-Stadiums ist erst nach der operativen Entfernung des Tumors möglich.



      Behandlungsmöglichkeiten

      Die Behandlung richtet sich nach der Ausbreitung des Tumors und nach dem Ergebnis der feingeweblichen Untersuchung.

      Die wesentlichen Möglichkeiten sind Operation, Bestrahlung, antihormonelle Therapie und seltener Chemotherapie. Die Verfahren können auch kombiniert werden.

      Bei älteren Patienten mit kleinen, wenig bösartigen Tumoren kann es auch sinnvoll sein, zunächst keine Therapie durchzuführen, sondern abzuwarten, ob der Tumor überhaupt wächst und erst dann zu behandeln ("Abwarten und Beobachten"). Bei dieser Strategie werden in Abständen Gewebeproben entnommen und der PSA-Wert bestimmt.



      Operation

      Mit Ausnahme von sehr kleinen Tumoren, die auch durch Strahlenbehandlung sicher vernichtet werden können, ist eine dauerhafte Heilung am wahrscheinlichsten nach vollständiger Operation des Tumorgewebes. Die wichtigste chirurgische Behandlungsmethode ist die radikale Prostatatektomie, bei der neben der Prostata selbst auch die Samenbläschen entfernt werden. Diese Operation ist besonders erfolgversprechend, wenn das Karzinom auf die Drüse begrenzt ist. Es zeichnet sich in den vergangenen Jahren jedoch ab, daß sie auch dann noch sinnvoll sein kann, wenn der Tumor die Kapsel des Organs durchbrochen hat. Das Vorliegen von Fernmetastasen schließt die Operation aus.

      Der Eingriff ist nicht einfach und sollte deswegen an Zentren mit entsprechender Erfahrung erfolgen. Prostata und Samenblasen werden entweder vom Damm aus oder von oberhalb des Schambeins entfernt. Die dabei durchtrennte Harnröhre wird wieder mit dem Blasenausgang verbunden.

      Die Prostata liegt unmittelbar am Blasenausgang. In ihrer Nachbarschaft verlaufen Gefäß-Nerven-Bündel, die die Schwellkörper des Penis versorgen. Die häufigsten unerwünschten Folgen der Operation sind daher Verlust der Erektionsfähigkeit (Impotenz) und ungewolltes Wasserlassen (Harninkontinenz). Die Häufigkeit dieser belastenden Folgeerscheinungen ist in den letzten Jahren durch verbesserte Operationstechniken zurückgegangen. Werden die Gefäß-Nerven-Bündel entfernt, ist allerdings der Verlust der Erektionsfähigkeit nicht zu vermeiden. Selten kehrt die Erektionsfähigkeit nach einem bis eineinhalb Jahren durch Regeneration von Nervenfasern zurück.

      Wenn der Tumor sicher auf einen Seitenlappen der Prostata begrenzt ist - und das läßt sich vielfach erst im Rahmen der Operation sicher sagen -, kann durch eine ein- oder beidseitige Schonung der Nerven die Erektionsfähigkeit zumindest bei einem Teil der Patienten erhalten werden. Die Erhaltung der Potenz darf jedoch nicht auf Kosten einer unvollständigen Operation erfolgen, da sonst das Tumorwachstum wieder einsetzt und der Eingriff letztlich sinnlos gewesen wäre.

      Die Harninkontinenz ist durch Verletzung des Harnröhrenschließmuskels bedingt. Vorübergehende Inkontinenz ist relativ häufig, und es kann sechs Wochen bis zu einem Jahr dauern, bis der äußere Schließmuskel die Blasenverschlußfunktion übernimmt. Zu einer bleibenden Inkontinenz kommt es bei etwa 5 bis 10% der operierten Patienten. Konsequentes Training der Beckenbodenmuskulatur vor und nach der Operation senkt die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Inkontinenz.
      Wenn bereits Metastasen in Knochen oder entfernten Organen vorhanden sind oder der Tumor sehr groß und in die umliegenden Gewebe eingewachsen ist, so kann der Chirurg kann das Tumorgewebe nicht vollständig entfernen. Die Operation ist dann nicht sinnvoll. In diesen Fällen kommen vor allem Bestrahlung und/oder antihormonelle Behandlung in Frage.



      Bestrahlung

      Eine Nachbestrahlung nach der Operation (adjuvante Strahlentherapie) kann bei örtlich fortgeschrittenen Tumoren die Wahrscheinlichkeit erneuten Krebswachstums im Operationsgebiet senken.

      Die alleinige Strahlenbehandlung gilt bei sehr kleinen, aber auch bei örtlich fortgeschrittenen Tumoren, die die Grenze der Prostata überschritten haben, als Alternative zur Operation. Auch wenn eine Operation aufgrund von Begleiterkrankungen oder fortgeschrittenem Alter zu riskant wäre oder der Patient den Eingriff ablehnt, wählt man die Bestrahlung.

      In der Regel erfolgt die Bestrahlung der Tumorregion und unter Umständen auch der Lymphknoten im Beckenraum von außen (externe Bestrahlung). Alternativ kann man Strahlenquellen auch direkt an den Tumor heranbringen (interstitielle Bestrahlung oder Kurzdistanzbestrahlung=Brachytherapie). Hier unterscheidet man zwei Techniken: Beim sogenannten Nachladeverfahren (Afterloading) werden die radioaktiven Strahler wiederholt und für kurze Zeit ferngesteuert durch in den Tumor eingelegte Schläuche an ihren Wirkungsort gebracht. Die andere Möglichkeit besteht darin, Kapseln mit radioaktiven Substanzen (meist radioaktives Jod) direkt in den Tumor einzupflanzen. Diese "Seeds" bleiben im Gewebe und geben ihre Strahlenenergie dort langsam ab. Bei örtlich begrenzter Erkrankung ist die Brachytherapie der radikalen Prostatektomie etwa gleichwertig und besser als die Bestrahlung von außen.

      In jüngerer Zeit gibt es Hinweise aus klinischen Untersuchungen, daß die Bestrahlung mit einer besonders energiereichen Strahlenart, schnellen Neutronen, bei örtlich fortgeschrittenen, nicht operierbaren Tumoren Vorteile haben könnte. Dies muß allerdings weiter geprüft werden.

      Durch exakte Bestrahlungsplanung und Begrenzung des bestrahlten Bereiches versucht man, das gesunde Gewebe weitgehend zu schonen. Doch können auch bei der Bestrahlung Behandlungsfolgen auftreten.

      Wegen der schädigenden Wirkung der Strahlen auf die Schleimhäute sind vorübergehende Entzündungen der Blase und des Darms häufig, die meist innerhalb von vier Wochen wieder abklingen. Bei einem Teil der Patienten entwickeln sich allerdings chronische "Strahlenentzündungen" vor allem des Enddarms und der Blase. Spätere Operationen im bestrahlten Bereich sind mit einem erhöhten Risiko verbunden, da die Wundheilung beeinträchtigt ist.

      Völlige Impotenz ist nach alleiniger Strahlentherapie zwar seltener als nach der Operation, aber viele Patienten berichten dennoch über einen zeitlich verzögerten Rückgang der Erektionsstärke. Zu Harninkontinenz kommt es nach Strahlenbehandlung dagegen praktisch nie.



      Antihormonelle Therapie

      Wenn eine vollständige Entfernung bzw. Zerstörung des Tumorgewebes durch Operation oder Bestrahlung nicht möglich ist oder der Krebs bereits andere Organe befallen hat, kommen Behandlungsformen zum Einsatz, die im ganzen Körper wirksam sind. Die Hormontherapie steht hier im Vordergrund.

      Ein Abbauprodukt des männlichen Geschlechtshormons Testosteron ist nicht nur für die Funktion der gesunden Prostata erforderlich, sondern fördert auch das Wachstum des Karzinoms. Diese Hormonabhängigkeit des Prostatakarzinoms nutzt man in der Behandlung der fortgeschrittenen Erkrankung aus:

      Durch Ausschaltung der Testosteronbildung im Hoden und/oder durch Gabe von Substanzen, die die Wirkung des Hormons blockieren, läßt sich das Wachstum des Prostatakarzinoms in den meisten Fällen zumindest für einige Zeit - oft für Jahre - zum Stillstand bringen.

      Es gibt zwei Möglichkeiten, die Testosteronproduktion zu unterbinden: operative Entfernung des hormonproduzierenden Gewebes - also der Hoden - oder Medikamente.

      Die operative Entfernung der Hoden bedeutet besonders für jüngere Patienten oft eine erhebliche psychische Belastung. Um zumindest kosmetische Beeinträchtigungen zu vermeiden, können bei der Operation Prothesen in den Hodensack eingesetzt werden.

      Heute setzt man anstelle der Operation meist antihormonell wirksame Medikamente ein, die denselben Effekt haben: die Hemmung der Testosteronbildung in den Hoden. Das Zwischenhirnhormon LHRH regt auf dem Weg über die Hirnanhangsdrüse die Bildung von Testosteron in den Hoden an. LHRH-Analoga, dem natürlichen LHRH ähnliche synthetische Substanzen, bewirken, wenn sie als Medikament verabreicht werden, das Gegenteil: Sie bringen die Hormonproduktion zum erliegen. Die Wirkung hält nur so lange an, wie die Behandlung fortgeführt wird.

      Die LHRH-Analoga werden heute in der Regel als Depotpräparate verabreicht, die den Wirkstoff langsam und kontinuierlich abgeben. Eine Depotspritze unter die Haut in monatlichen bis dreimonatlichen Abständen ersetzt die früher nötige tägliche Anwendung als Nasenspray.

      Nebenwirkungen wie Hitzewallungen, Abnahme des sexuellen Antriebs und seltener Impotenz sind Folgen des Testosteronentzugs. Zu Beginn der Behandlung ist die Testosteronproduktion kurzfristig erhöht. In dieser Phase setzt man zusätzlich ein Antiandrogen (s. unten) ein, um die Hormonwirkung zu blockieren.

      Da auch die Nebennieren unabhängig von LHRH Hormone mit Testosteronwirkung (Androgene) bilden, sind trotz Hodenentfernung oder Behandlung mit LHRH-Analoga noch geringe Mengen von Geschlechtshormon im Körper vorhanden. Mit der zusätzlichen Gabe von Substanzen, die die Bindungsstellen (Rezeptoren) für Testosteron auf den Zellen blockieren (Antiandrogene) kann man den Krebs völlig unter Hormonentzug setzen. Bisher ist allerdings noch nicht gesichert, ob und in welchen Situationen diese maximale Androgenblockade dem Patienten mehr hilft als die Gabe von LHRH-Analoga allein.

      Die Hormonbehandlung bei fortgeschrittenen Tumoren ist eine Dauertherapie. Sie wird in der Regel so lange fortgeführt, wie sie Wirkung zeigt. Erst wenn die Nachuntersuchungen ergeben, daß der Tumor trotz Ausschöpfung der antihormonellen Maßnahmen weiterwächst oder sich neue Metastasen gebildet haben, muß die Strategie geändert werden.

      Bei dem neuen Konzept der intermittierenden Androgenblockade wechseln mehrmonatige Behandlungsphasen mit therapiefreien Intervallen. Steigt der PSA-Wert dann nach einiger Zeit wieder an, beginnt die Behandlung erneut. Man hofft, dadurch die Zeit bis zum Unwirksamwerden der Hormontherapie, das unweigerlich irgendwann eintritt, hinauszuzögern. Ob sich dieses Vorgehen in der Praxis bewährt, untersuchen derzeit klinische Studien. Ein Vorteil liegt sicher darin, daß der Patient in den therapiefreien Intervallen auch nicht unter den Nebenwirkungen des Hormonentzugs zu leiden hat.



      Behandlung des hormonunempfindlichen Prostatakarzinoms

      Prostatakarzinome werden früher oder später "taub" gegenüber der antihormonellen Behandlung, das heißt die Erkrankung schreitet trotz der Therapie fort.

      Bei manchen Patienten, die Antiandrogene erhalten, führt paradoxerweise bereits das Absetzen der Hormontherapie zu einem vorübergehenden Rückgang des PSA-Spiegels (Antiandrogen-Entzugssyndrom). Dieser Effekt ist allerdings unsicher und nicht von langer Dauer.

      Neuere Untersuchungen haben gezeigt, daß der Wechsel auf eine andere antihormonelle Therapie ebenfalls nochmals zu einem Ansprechen führen kann.

      Mit hochdosierten weiblichen Geschlechtshormonen (künstliche Östrogene) ist oft eine Linderung der Beschwerden zu erreichen. Östrogene haben allerdings erhebliche Nebenwirkungen auf das Herz-Kreislauf-System. Weil sie außerdem das Wachstum der Brustdrüsen stimulieren, müssen beim Mann vor Behandlungsbeginn die Brustdrüsen bestrahlt werden.

      Für eine Chemotherapie mit zellwachstumshemmenden Medikamenten (Zytostatika) ist das Prostatakarzinom nicht sehr empfindlich. Diese Medikamente wirken auf sich schnell teilende Zellen, während das Prostatakarzinom - zumindest über längere Zeit - vergleichsweise langsam wächst. Mit einem Kombinationspräparat aus einem Zytostatikum und Östrogen (Estramustiphosphat) lassen sich jedoch bei einem Teil der Patienten nochmals ein Wachstumsstop oder Tumorrückbildungen erreichen.

      Die Nebenwirkungen einer Chemotherapie durch Schädigung auch gesunder Gewebe müssen sorgfältig gegen den erhofften Nutzen der Behandlung abgewogen werden. Besonders für Patienten im höheren Alter und kann eine zytostatische Therapie eine erhebliche Belastung bedeuten.

      Die Suche nach neuen, wirksameren und verträglichen Medikamenten und Behandlungsmethoden für Patienten mit hormonunempfindlichen Prostatakarzinomen geht weiter. Viele Ansätze wurden und werden geprüft, aber bisher ohne den gewünschten durchschlagenden Erfolg.

      Knochenmetastasen, die beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom häufig sind, machen durch Schmerzen und auch durch Bruchgefahr Probleme. Letztere läßt sich durch Bestrahlung der Metastasen in der Regel abwenden, der Knochen verfestigt sich wieder. Auch mit der Gabe von bestimmten radioaktiven Substanzen, die sich in erkranktem Knochen anreichern und ihn von innen bestrahlen, können Rückbildungen der Knochentumoren erreicht werden (Radionuklidtherapie). Beide Methoden sind überdies effektive Mittel zur Schmerzbekämpfung. Im Bereich der Wirbelsäule ist unter Umständen eine Operation zu Stabilisierung des gefährdeten Bereichs und zur Druckentlastung des Rückenmarks notwendig.

      Bei knochenauflösenden Metastasen können Diphosphonate den Abbau gesunden Knochengewebes aufhalten. Diese Substanzen senken außerdem den bei Knochenmetastasen häufig erhöhten Kalziumspiegel und wirken zudem schmerzlindernd.

      Folgen des Tumorwachstums wie Druck auf Harnwege und Enddarm werden durch Schienung der Harnleiter oder durch Entfernung von Tumorgewebe durch die Harnröhre hindurch (transurethrale Resektion der Prostata: TURP) behandelt.



      Leben mit der Erkrankung

      Wie geht es nach der ersten Behandlung weiter?

      Nach Operation oder Strahlentherapie, aber auch nach der Einleitung eine antihormonellen Therapie, sind regelmäßige Nachuntersuchungen erforderlich, um Nebenwirkungen oder Folgen der Behandlung, aber auch ein erneutes Auftreten oder Fortschreiten der Tumorerkrankung zu erkennen.

      In den ersten beiden Jahren nach Operation oder Bestrahlung werden die Patienten in der Regel alle 3 Monate untersucht, später in halbjährlichen oder jährlichen Abständen. Die körperliche Untersuchung durch den Arzt mit Abtastung der Prostataregion über den Enddarm (digital-rektale Untersuchung) und die Bestimmung des PSA-Wertes gehören zum Routineprogramm. Nach Bestrahlung können auch Prostatabiopsien in längeren zeitlichen Abständen sinnvoll sein, die erste nach einem Jahr.

      Ergeben sich Hinweise auf ein Fortschreiten der Erkrankung, kommen zusätzlich Ultraschalldarstellungen, Biopsie, Röntgenuntersuchungen und Skelettszintigraphie zum Einsatz.

      Ähnlich gestaltet sich das Untersuchungsprogramm bei der Beoachtung von Patienten mit kleinen, wenig aggressiven Tumoren, die zunächst nicht behandelt wurden ("Abwarten und Beobachten").

      Das Wiederauftreten der Erkrankung nach radikaler Operation der Prostata kündigt sich in der Regel durch Anstieg des PSA-Wertes an, der bei vollständiger Entfernung von Prostata- und Tumorgewebe zunächst auf nicht meßbare Werte zurückgeht.

      Nach einer Strahlenbehandlung der Prostata bleibt oft Prostatagewebe erhalten. Die Aussagekraft des PSA-Wertes ist daher eingeschränkt. Auch hier weisen aber deutliche Anstiege des PSA-Spiegels im Blut auf ein mögliches Tumorwachstum hin.

      Bei der antihormonellen Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms ist die Nachsorge weniger schematisch und dient in erster Line der Vermeidung von Komplikationen, zum Beispiel durch Knochenmetastasen oder durch Druck des Tumors auf umgebende Organe und Gewebe. Die körperliche Untersuchung steht im Vordergrund. Die regelmäßige Bestimmung des PSA-Wertes hat hier keine Bedeutung, da PSA-produzierendes Tumorgewebe ohnehin im Körper vorhanden ist. Weitergehende Untersuchungen wie Röntgen, Szintigraphie und Ultraschall werden bei entsprechenden Beschwerden durchgeführt.

      Beim Auftreten von Knochenschmerzen oder "rheumatischen" Beschwerden sollte der Patient auch außerhalb der routinemäßigen Nachsorgetermine unbedingt den Arzt aufsuchen. Das Prostatakarzinom bildet nämlich in fortgeschrittenen Stadien häufig Tumorabsiedelungen im Skelett, die solche Beschwerden verursachen können. Neben den Schmerzen, die die Metastasen verursachen, besteht auch die Gefahr von Knochenbrüchen, die im Bereich der Wirbelsäule das Risiko von Lähmungen bergen.



      Behandlung von Therapiefolgen

      Inkontinenz. Die Harninkontinenz nach einer operativen Entfernung der Prostata bildet sich meist innerhalb von Wochen oder Monaten zurück, kann jedoch auch dauerhaft bestehen bleiben. Normalerweise treten relativ geringe Urinmengen unkontrolliert aus. Ursache ist das Versagen des Verschlußmechanismus am Blasenausgang. Der ungewollte Urinabgang tritt vor allem unter körperlicher Belastung, beim Husten, Nießen und Pressen auf, also wenn der Druck im Bauchraum erhöht ist. Man spricht von Streß- oder Belastungsinkontinenz.

      Wesentlicher Bestandteil der Behandlung ist eine konsequente Beckenbodengymnastik nach der Operation. Die Patienten erlernen die Übungen unter Anleitung eines Krankengymnasten und führen sie später selbständig aus. Auch die Elektrostimulation mit Reizstromelektroden kann die Beckenbodenmuskulatur aktivieren und wird zum Training der Schließfunktion eingesetzt.

      Der unwillkürlich abgehende Urin kann in saugfähigen Vorlagen oder in Kondomurinalen (haftfähiges Kondom mit Urinbeutel, der am Bein befestigt wird) aufgefangen werden. Erstes Ziel ist aber immer die Wiederherstellung der Schließmuskelfunktion durch aktives Beckenbodentraining, auch weil bei einer Inkontinenz immer das Risiko unangenehmer Hautreizungen, Ekzeme und Harnwegsinfekte besteht.

      In Fällen mit schwerer, bleibender Inkontinenz können verschiedene operative Verfahren möglicherweise Besserung bringen, so die Einspritzung von Kollagen um den Blasenhals oder die Anlage einer Manschette um die Harnröhre, die über ein Flüssigkeitsreservoir im Bauchraum und eine kleine Pumpe im Hodensack aufgepumpt oder entleert wird.

      Eine wirksame medikamentöse Behandlung der Streßinkontinenz gibt es nicht.

      Bei Fragen zum Thema Inkontinenz kann auch die Gesellschaft für Inkontinenzhilfe e.V. weiterhelfen. Sie versendet eine Adressenliste von spezialisierten Beratungsstellen.

      Impotenz. Die meisten Patienten verlieren nach der radikalen chirurgischen Entfernung der Prostata die Erektionsfähigkeit. Dies kann vor allem für jüngere Männer eine große Belastung sein. Sehr hilfreich ist ein offener und verständnisvoller Umgang mit dieser Situation in der Partnerschaft. Sexualität bedeutet nicht nur Geschlechtsverkehr, und viele Paare finden für sich auch weitere Möglichkeiten sexuellen Erlebens.

      Ist ein Patient nach einer nervenerhaltenden Operation trotzdem impotent, können auch psychische Faktoren dahinterstehen. Beeinträchtigungen des Sexuallebens sind nach Tumoroperationen keine Seltenheit. Besonders wenn nach der Operation eine Inkonzinenz besteht, kann dies Auswirkungen auf sexuellen Antrieb und Potenz haben.

      Mit einer Reihe von Methoden und Hilfsmitteln läßt sich auch nach Durchtrennung des Nervenbündels "künstlich" eine Erektion herbeiführen, die einen befriedigenden Geschlechtsverkehr ermöglicht.

      So bewirkt eine Vakuumpumpe den nötigen Bluteinstrom in die Schwellkörper des Penis. Sie besteht aus einem Plexiglaszylinder, der über den Penis gestülpt und in dem mittels einer Handpumpe ein Unterdruck erzeugt wird. Elastische Bänder an der Peniswurzel erhalten die Ereketion dann aufrecht. Nachteil dieses Systems ist die etwas aufwendige Prozedur, die die Spontaneität des Geschlechtsverkehrs bremst. Bei sachgemäßer Anwendung gibt es keine ernsten Komplikationen. Die Blutsperre sollte allerdings nach spätestens 30 Minuten wieder entfernt werden, um eine Gewebeschädigung zu vermeiden.

      Auch durch direkte Injektion von gefäßwirksamen Substanzen in die Schwellkörper läßt sich der Einstrom von Blut verstärken, was zu einer Erektion führt. Die Schwellkörper-Autoinjektionstherapie (SKAT) ist zuverlässig wirksam, kann aber Komplikationen mit sich bringen und bedarf einer sorgfältigen Einweisung. Übermäßig lange Erektionen müssen mit Gegenmitteln behandelt werden, um eine Schädigung des Schwellkörpers mit bindegewebiger Narbenbildung zu vermeiden (Schwellkörperfibrose). Auch Infektionen und Nebenwirkungen auf den Kreislauf können auftreten. Die Medikamente dürfen bei einer Reihe von chronischen Erkrankungen nicht verwendet werden.

      Wenn diese Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg haben, kann man alternativ eine Penisprothese einsetzen. Es gibt Prothesen in Gestalt biegsamer Stäbe. Der Penis ist dann aber ständig vergrößert und versteift, was lästig und kosmetisch störend sein kann. Deshalb bevorzugen viele Patienten hydraulische Implantate. Sie bestehen aus aufpumpbaren Zylindern, die die Schwellkörper ausfüllen, einem Flüssigkeitsreservoir in der Bauchhöhle und einer kleinen Handpumpe mit Ventil, die in den Hodensack eingesetzt wird. Diese Pumpprothesen sind in der Funktion den Stabprothesen überlegen. Allerdings kann es zu mechanischen Defekten am Implantat, zu Schmerzen und Infektionen kommen, was unter Umständen eine erneute Operation notwendig macht. Muß eine Prothese entfernt werden, so kann man nach etwa einem halben Jahr erneut ein Implantat einsetzen.

      Seit kurzem steht das Medikament Viagra® (Sildenafil) zur Behandlung von Erektionsstörungen zur Verfügung. Für seine Wirksamkeit ist Voraussetzung, daß die Nervenversorgung der Schwellkörper wenigstens teilweise erhalten ist. Bei vollständiger Durchtrennung der Nervenbündel ist Viagra unwirksam.

      Die Substanz unterstützt den Bluteinstrom in die Schwellkörper als Reaktion auf sexuelle Erregung. Viagra verursacht daher für sich genommen keine Erektion, Voraussetzung ist sexuelle Stimulation. Frühestens eine Stunde nach der Einnahme kann es zu einer Erektion kommen. Die Stimulierbarkeit hält bis zu vier Stunden an. Ist der sexuelle Antrieb aufgrund einer antihormonellen Therapie gestört, führt auch die Einnahme von Viagra nicht zu einer Erektion.

      Viagra ist von der Arneimittelbehörde zugelassen, jedoch nur auf Rezept erhältlich. Ob die Krankenkassen die Kosten für das Medikament übernehmen, sollte vor Behandlungsbeginn erfragt werden. Auch sollte jeder Patient vor der Einnahme von Viagra mit seinem Arzt besprechen, ob es gesundheitliche Bedenken dagegen gibt. So dürfen Patienten, die nitrathaltige Herzmedikamente brauchen, Viagra auf keinen Fall einnehmen, da es zu einem gefährlichen Blutdruckabfall kommen kann.

      Strahlenentzündungen von Blase und Enddarm. Zur Behandlung von chronischen Blasenentzündungen wird die Blase regelmäßig mit entzündungshemmenden Mitteln gespült. Die häufig vorhandenen oberflächlichen Geschwüre der Blasenschleimhaut können bei gefüllter Blase sehr schmerzhaft sein und bluten leicht. Schmerzmittel und krampflösende Medikamente schaffen hier Linderung. Bei Anzeichen einer Infektion sollten sofort Antibiotika verabreicht werden. Die chronische Blasenentzündung kann eine Schrumpfung der Blase verursachen. In ausgeprägten Fällen muß der Urin künstlich abgeleitet, unter Umständen die Blase operativ entfernt werden.

      Bei chronischer Entzündung des Enddarms (Proktitis) können sich ebenfalls Geschwüre, unter Umständen auch Fisteln bilden. Anfangs wird die Proktitis mit entzündungshemmenden Einläufen behandelt, später auch mit entsprechenden Tabletten.



      Schmerzbehandlung

      In fortgeschrittenen Stadien einer Prostatakrebserkrankung stehen für den Patienten häufig die Schmerzen im Vordergrund und beeinflussen seine Lebensqualität stärker als der Tumor selbst. Die wirksame Schmerzbekämpfung ist hier eine der wichtigsten Maßnahmen. Ein gute Schmerztherapie ist immer individuell auf die Schmerzsituation des Patienten abgestimmt.

      Mit den heute verfügbaren Medikamenten und Methoden lassen sich Tumorschmerzen in den meisten Fällen gut lindern. Im Vordergrund steht die Behandlung mit Tabletten. Je nach Schmerzstärke stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, die bei Bedarf kombiniert werden. Bei starken Schmerzen werden Opioide eingesetzt. Diese Abkömmlinge des Morphins sind die wirksamsten Schmerzmedikamente. Sie sind mittlerweile auch als Pflaster oder Nasenspray erhältlich. Bei der Schmerzbehandlung kommt es darauf an, daß die Medikamente nach einem festen Zeitplan eingenommen werden und nicht erst dann, wenn die Schmerzen wieder auftreten.

      Sind die Schmerzen so stark, daß Tabletten nicht mehr wirken, besteht die Möglichkeit, Opioide direkt in die Umgebung des Rückenmarks einzubringen. Das funktioniert über Katheter mit Pumpen oder die Einpflanzung von Reservoirsystemen, die eine kontinuierliche Opioidabgabe sicherstellen.

      Bei schmerzhaften Knochenmetastasen bringt eine gezielte Bestrahlung Linderung. Schmerzen durch ausgedehnten Tumorbefall des Skeletts lassen sich auch durch Radionuklidbehandlung oder Gabe von hochdosierten Östrogenen lindern.
      Avatar
      schrieb am 28.11.00 14:19:36
      Beitrag Nr. 138 ()
      Aufbau und Funktion des lymphatischen Systems

      Das lymphatische System ist kein einzelnes Organ sondern mit seinen Funktionen und Zellen über den ganzen Körper verteilt. Es steht in engem Zusammenhang mit dem Immunsystem und dem blutbildenden System im Knochenmark. Die wichtigsten lymphatischen Organe und Gewebe sind die Lymphknoten, die Milz, die lymphatischen Gewebe im Magen-Darm-Trakt und im Rachen sowie der hinter dem Brustbein gelegene Thymus.

      Die Zellen des lymphatischen Systems sind die Lymphozyten, eine Gruppe von weißen Blutkörperchen mit zentralen Aufgaben in der Immunabwehr. Sie können über Blut und Lymphbahnen den ganzen Körper durchwandern und tauschen untereinander und mit anderen Zellen Informationen aus.

      Man unterscheidet nach ihrer Funktion und Entwicklung zwei Hauptklassen von Lymphozyten: B-Lymphozyten und T-Lymphozyten. Die Ursprungszellen (Stammzellen) aller Lymphozyten entstehen im Knochenmark. Während die B-Lymphozyten dort zu funktionstüchtigen Abwehrzellen heranreifen, erfolgt bei T-Lymphozyten die Ausreifung im Thymus. B- und T-Zellen wirken in ihren Abwehraufgaben zusammen und kommunizieren über Zellhormone, die Lymphokine. Mit diesen Signalsubstanzen können sich die Zellen verständigen und gegenseitig aktivieren.

      Ein Teil der B-Lymphozyten, die Plasmazellen, bildet Immunglobuline (Antikörper), Eiweißmoleküle mit Abwehrfunktion gegen körperfremde Merkmale, zum Beispiel auf der Oberfläche von Bakterien und Viren. Die Antikörper binden sich an die als fremd erkannte Struktur und können so den Krankheitserreger direkt unschädlich machen oder ihn für die Zerstörung durch T-Lymphozyten (Killerzellen) oder Freßzellen (Makrophagen) markieren.

      Manche T-Lymphozyten (die erwähnten Killerzellen) können direkt gegen körperfremde Zellen wie Bakterien und Pilze aktiv werden und auch Krebszellen abtöten. Bestimmte Gruppen von T-Zellen, die T-Helfer- und T-Suppressorzellen aktivieren bzw. hemmen die Aktivität anderer Lymphozyten.

      Das lymphatische System ist also ein äußerst komplexes Netzwerk von Zellen, Geweben und Regulationsmechanismen im Dienst der körpereigenen Abwehr.


      Krebserkrankungen des lymphatischen Systems

      Wie jede Körperzelle können als Folge von bestimmten Veränderungen im Erbgut auch die Zellen der lymphatischen Gewebe entarten und Ausgangspunkt einer Krebserkrankung werden. Der Begriff "maligne Lymphome" bedeutet "bösartige Lymphknotengeschwulst". Man unterscheidet das Hodgkin-Lymphom (auch Lymphogranulomatose oder Morbus Hodgkin) von der großen Gruppe der Non-Hodgkin-Lymphome - das sind alle bösartigen Lymphome, die kein Hodgkin-Lymphom sind.

      Die Krebszellen dieser beiden Erkrankungsgruppen unterscheiden sich bei Betrachtung befallener Gewebe, vor allem der Lymphknoten, unter dem Mikroskop (feingewebliche oder histologische Untersuchung). Die verschiedenen Lymphomtypen zeigen außerdem wesentliche Unterschiede im Krankheitsverlauf.

      Das mikroskopische Erkennungzeichen des Hodgkin-Lymphoms sind die Sternberg-Riesenzellen, die bei Non-Hodgkin-Lymphomen nicht vorkommen. Diese mehrkernigen Zellen entstehen durch Zusammenschluß mehrerer "Hodgkin-Zellen", die entartete B-Lymphozyten darstellen.

      Aufgrund von Unterschieden im mikroskopischen Erscheinungsbild unterteilt man die Hodgkin-Lymphome in vier Hauptgruppen, die sich im Krankheitsverlauf teilweise unterscheiden:

      lymphozytenreicher Typ (5-10% der Fälle)
      nodulär-sklerosierender Typ (50-60%)
      Mischtyp (30%)
      lymphozytenarmer Typ (5-10%)
      Die Erkrankung beginnt meist in Lymphknoten der Hals- und Nackenregion und breitet sich über die Lymphknoten im Brustraum (mediastinale Lymphknoten) auf die Lymphknoten des Bauchraumes und die Milz aus. Über den Blutweg können Hodgkin-Zellen aber das lymphatische System auch verlassen und die Leber und andere Organe sowie das Knochenmark befallen.

      Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) gehen zu 90% von B-Zellen und zu 10% von T-Zellen aus. Nach Krankheitsverlauf und Prognose werden die Non-Hodgkin-Lymphome in zwei Hauptgruppen eingeteilt: niedrigmaligne und hochmaligne Lymphome. Dies ist für die Behandlungsplanung von Bedeutung.

      Zu den niedrigmalignen Non-Hodgkin-Lymphomen zählen auch die chronische lymphatische Leukämie (CLL), die Haarzellenleukämie und das Plasmozytom (auch Multiples Myelom, eine bösartige Erkrankung der antikörperproduzierenden Plasmazellen).

      Alle malignen Lymphome haben die Fähigkeit, sich von den zunächst betroffenen Lymphknoten über das gesamte lymphatische System auszubreiten und andere Körperorgane einschließlich der Haut und des Knochenmarks zu befallen. Non-Hodgkin-Lymphome können auch gelegentlich primär an inneren Organen - meist in der Magenwand (MALT-Lymphome) - oder an der Haut (kutane T-Zell-Lymphome) entstehen.


      Häufigkeit

      Maligne Lymphome sind im Vergleich zu Organtumoren wie Brustkrebs, Darmkrebs, Lungenkrebs und Prostatakrebs eher selten. Sie machen zusammen etwa 5% aller Krebsfälle aus.

      Jährlich erkranken in Deutschland etwa 9000 Menschen an Non-Hodgkin-Lymphomen. Die Non-Hodgkin-Lymphome sind Erkrankungen des höheren Alters - die meisten Patienten sind über 60 Jahre alt. In den letzten Jahrzehnten hat die Häufigkeit dieser Erkrankungen deutlich zugenommen; die Ursachen hierfür sind nicht bekannt.

      An Morbus Hodgkin erkranken jährlich etwa 2000 Menschen, Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Die Altersverteilung ist bei der Hodgkin´schen Krankheit anders als bei Non-Hodgkin-Lymphomen, denn eine erste Häufung besteht bereits im dritten Lebensjahrzehnt, die zweite zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr.


      Ursachen und Risikofaktoren

      Die Ursachen der Lymphomentstehung und die Risikofaktoren, die eine Erkrankung begünstigen, sind bisher nur teilweise aufgeklärt.

      Alter: Generell steigt mit zunehmendem Alter das Risiko, an einem Non-Hodgkin-Lymphom zu erkranken.

      Viren: Bei einigen Lymphomformen sind Viren an der Entstehung beteiligt. Der ursächliche Zusammenhang zwischen einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV, dem Erreger des Pfeiffer´schen Drüsenfiebers) und dem vorwiegend in Afrika auftretenden Burkitt-Lymphom, einem Non-Hodgkin-Lymphom, ist gesichert.

      Non-Hodgkin-Lymphome - vor allem mit Beteiligung des Zentralnervensystems - treten vermehrt bei immungeschwächten Patienten in fortgeschrittenen Stadien einer HIV-Infektion (AIDS) auf.
      T-Zell-Lymphome werden gehäuft bei Infektionen mit dem humanen T-Zell-Leukämievirus HTLV-I beobachtet.

      Auch bei anderen Lymphomen spielen Viren womöglich eine Rolle, der Zusammenhang ist aber nicht sicher bewiesen. Beim Morbus Hodgkin wird die Beteiligung von EBV und Retroviren diskutiert.

      Helicobacter pylori: Die chronische Entzündung der Magenschleimhaut durch Infektion mit dem Bakterium Helicobacter pylori (das auch Magengeschwüre verursacht) erhöht das Risiko, an einem malignen Lymphom der lymphatischen Gewebe in der Magenschleimhaut (MALT-Lymphom) zu erkranken.

      Chemikalien: Der häufige Umgang mit bestimmten Unkrautvernichtungsmitteln (2,4-Phenoxyverbindungen), Insektiziden auf der Basis organischer Phosphorsäureester, Pilzvernichtungsmitteln und einigen organischen Lösungsmitteln (Benzol, Styrol, Trichloräthylen) ist mit einem erhöhten Risiko für Non-Hodgkin-Lymphome verbunden.

      Rauchen: Das Tabakrauchen erhöht das Risiko für hochmaligne Non-Hodgkin-Lymphome.

      Strahlung: Radioaktive Bestrahlung kann maligne Lymphome auslösen.

      Erbliche Faktoren oder eine genetische Veranlagung für maligne Lymphome wurden bisher nicht nachgewiesen.


      Symptome und Erkennung

      Das Spektrum der möglichen Symptome ist bei allen malignen Lymphomen recht ähnlich. Je nach Grad der Bösartigkeit (Malignität) entwickeln sich die Beschwerden schleichend oder sehr rasch. Das zunächst uncharakteristische Beschwerdebild kann dem von nicht-bösartigen Erkrankungen, wie z.B. chronischen Infektionskrankheiten, ähneln.

      Charakteristische Frühsymptome gibt es nicht, und routinemäßige Früherkennungsuntersuchungen sind zur Zeit nicht verfügbar.

      Das häufigste Symptom sind zunächst schmerzlose Lymphknotenschwellungen (Lymphadenopathie). Sie können am Hals und Nacken (häufigster Sitz), unter der Achsel, in der Leiste oder an mehreren Stellen gleichzeitig auftreten. Auch ein Beginn der Erkrankung in Lymphknotenregionen, die von außen nicht sichtbar oder tastbar sind, zum Beispiel im Bauchraum, ist möglich.
      Vergrößerte Lymphknoten sind allerdings kein krankheitstypisches Symptom. Sie können bei einer Vielzahl von Krankheiten auftreten: bei lokalen Entzündungen (sehr oft im Hals- und Leistenbereich); bei verschiedenen Infektionskrankheiten; bei rheumatischen Erkrankungen und auch als Metastasen von Organtumoren (z.B. Lungenkrebs, Darmkrebs, Brustkrebs).

      Bei Non-Hodgkin-Lymphomen sind häufiger auch andere lymphatische Gewebe befallen, etwa im Rachen oder Magen-Darm-Trakt. Milz und Leber können vergrößert sein (Splenomegalie bzw. Hepatomegalie). Leistungsschwäche, Müdigkeit und Appetitlosigkeit sind unspezifische Anzeichen einer chronischen Erkrankung.

      Die Zahl der funktionsfähigen weißen Blutkörperchen ist vermindert; dadurch sind die Patienten vermehrt infektanfällig. Bei Befall des Knochenmarks kann auch die Zahl der roten Blutkörperchen und/oder Blutplättchen erniedrigt sein, was sich in Blutarmut (Anämie) bzw. Neigung zu punktförmigen Blutungen (Petechien) äußert. Zudem können Juckreiz, Hautrötungen und flache "plaqueartige" oder tumorartige Hautveränderungen auftreten.

      Große Lymphome können Organe und Leitungsbahnen (Nerven bzw. Blutgefäße) einengen oder verdrängen und dadurch Funktionsstörungen und Schmerzen verursachen. Rückenschmerzen können bei Vergrößerung von (retroperitonealen) Lymphknoten im hinteren Bauchraum auftreten.

      Selten, aber typisch für Morbus Hodgkin, ist der Schmerz in befallenen Lymphknotenregionen nach Alkoholgenuß (Alkoholschmerz).

      Allgemeinsymptome wie Fieber (>38°C), vermehrtes nächtliches Schwitzen oder ungewollter Gewichtsverlust über 10% des Körpergewichts innerhalb von 6 Monaten werden als B-Symptome bezeichnet. Sie werden in die Bewertung des Tumorstadiums einbezogen und gelten bei einer Lymphomerkrankung als ungünstiges Zeichen.


      Untersuchungen zur Sicherung der Diagnose

      Bei Verdacht auf ein malignes Lymphom sind relativ umfangreiche Untersuchungen erforderlich - zunächst um die Diagnose zu sichern, dann aber auch um festzustellen, welche Form der Erkrankung genau vorliegt und wie weit sie sich im Körper ausgebreitet hat.

      Zunächst wird der Arzt den Patienten über Vorgeschichte und Beschwerden befragen. Wichtig sind dabei die B-Symptome und die Frage, wie rasch sich die Lymphknotenvergrößerung und andere Beschwerden entwickelt haben. Bei den körperlichen Untersuchungen wird besonders auf Lymphknoten, lymphatische Gewebe im Nasen-Rachen-Raum (HNO-ärztliche Untersuchung) sowie auf Milz und Leber geachtet.

      Laboruntersuchungen umfassen unter anderem die Auszählung eines Blutzellausstrichs unter dem Mikroskop (Blutbild), Bestimmung der Bluteiweiße und Immunglobuline (Antikörper), die Messung der Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit (Blutsenkung) und die Suche nach Virusinfektionen, die auch vergrößerte Lymphknoten verursachen bzw. an der Lymphomentstehung ursächlich beteiligt sein können (Virusserologie).

      Die sichere Diagnose eines malignen Lymphoms ist nur mit mikroskopischer Untersuchung von Lymphknotengewebe möglich. In der Regel wird dazu mit einem kleinen Hautschnitt ein oberflächlich gelegener, vergrößerter Lymphknoten entfernt und von einem Pathologen feingeweblich untersucht (Histologie). Auch die Entnahme und Untersuchung von Knochenmarkproben aus beiden Beckenkammknochen (Biopsie) gehört zum Untersuchungsprogramm. In manchen Fällen werden auch Gewebeproben aus inneren Organen entnommen (Leberbiopsie).

      Bei einigen Lymphomformen wird eine Probe des Nervenwassers, das das Rückenmark umgibt (Liquor), durch Einstich in einem Zwischenwirbelraum der Lendenregion (Lumbalpunktion) entnommen und auf Tumorzellen untersucht. In seltenen Fällen ist zur Beurteilung von Lymphknoten und Organen im Bauchraum eine Spiegelung der Bauchhöhle mit einem Endoskop nötig (Laparoskopie). Auch dabei können Gewebeproben und/oder Lymphknoten entnommen werden.

      Die Gewebeproben werden zusätzlich mit Hilfe der Immunzytologie bzw. Immunhistologie untersucht. Dazu benutzt man Antikörper, die spezifische Eiweiße auf den Zellen erkennen, so daß man sehr genau bestimmen kann, um welchen Zelltyp es sich handelt. Die zytogenetische Untersuchung der Chromosomen erlaubt die Suche nach typischen Erbgutveränderungen der Lymphomzellen.

      Um ermessen zu können, wie weit sich die Erkrankung ausgebreitet hat, werden das primär betroffene Lymphknotengebiet, sowie Bauchraum und Brustkorb mit bildgebenden Verfahren wie Ultraschall, Computertomographie oder Kernspintomographie untersucht.

      Zur Untersuchung des Skeletts auf Tumorbefall dient die Skelettszintigraphie mit schwach radioaktiven Substanzen, die sich in stoffwechselaktivem Knochengewebe anreichern.
      Bei fraglichem Befall der Lymphknoten im Bauchraum können nach Verabreichung von Kontrastmitteln Röntgenbilder der Lymphbahnen (Lymphangiographie) angefertigt werden.


      Stadieneinteilung und Klassifikation

      Grundlage für eine dem Einzelfall optimal angepaßte Therapie ist die Einteilung der Lymphome nach Krankheitsstadien und nach ihrer feingeweblichen Art.

      Bei Hodgkin-Lymphomen und Non-Hodgkin-Lymphomen unterscheidet man die Krankheitsstadien I bis IV (Ann-Arbor-Stadienklassifikation). Berücksichtigt werden dabei:

      Zahl der befallenen Lymphknotenregionen
      Ausbreitung nur auf einer oder auf beiden Seiten des Zwerchfells (Diaphragma),
      Herde außerhalb der Lymphknoten (extranodal: Befall von Organen, Haut, Knochenmark, Leber oder Skelett)
      allgemeine Krankheitssymptome wie Fieber, Nachtschweiß und/oder Gewichtsabnahme um mehr als 10 % innerhalb von 6 Monaten (B-Symptome).

      Der Zusatz "A" zur Stadienangabe bedeutet: keine Allgemeinsymptome, "B" heißt: B-Symptome vorhanden.

      Für die Behandlungsplanung bei Non-Hodgkin-Lymphomen ist der Malignitätsgrad, d.h. der Grad der Bösartigkeit, von entscheidender Bedeutung. Man unterscheidet zwischen hochmalignen und niedrigmalignen Lymphomen und innerhalb dieser beiden Gruppen wiederum verschiedene feingewebliche Unterformen, je nachdem, aus welchem der zahlreichen Lymphozytentypen das Lymphom hervorgegangen ist.

      Diese Einteilung erfolgt heute nach der REAL-Klassifikation (Revidierte Europäisch-Amerikanische Lymphom-Klassifikation). Hochmaligne Lymphome wachsen zwar schnell, sprechen aber auch gerade deswegen besser auf eine Chemotherapie an als die niedrigmalignen Formen. Die Behandlung ist deshalb bei den beiden Gruppen etwas unterschiedlich.

      Vor allem bei niedrigmalignen Non-Hodgkin-Lymphomen können große Zahlen von Lymphomzellen ins Blut ausgeschwemmt werden, man spricht dann von einer leukämischen Form des Lymphoms.


      Behandlungsmöglichkeiten

      Zusammengenommen ergeben Untersuchungsergebnisse und Lymphom-Klassifikation letztlich ein genaues Bild von der Erkrankung und ihrer Ausbreitung im Körper. Dies ermöglicht eine der individuellen Situation angepaßte Therapie.

      In der Behandlung der malignen Lymphome stehen Strahlentherapie und Chemotherapie im Vordergrund. Die Chemotherapie mit zellwachstumshemmenden Medikamenten (Zytostatika) wirkt auf den ganzen Organismus, während die Strahlentherapie je nach Einstellung der Bestrahlungsfelder verschieden große Körperregionen erreicht.

      Die Therapie von Hodgkin-Lymphoms und Non-Hodgkin-Lymphomen unterscheidet sich, daher werden sie im folgenden getrennt dargestellt.


      Behandlung des Morbus Hodgkin

      Mit den heute für jedes Krankheitsstadium angepaßten, standardisierten Therapiemethoden kann die Mehrzahl der Hodgkin-Patienten dauerhaft geheilt werden, und dies ist in allen Krankheitsstadien das Ziel. Die Behandlung richtet sich nach der Ausbreitung der Erkrankung und bestimmten Risikofaktoren.

      Als Risikofaktoren für einen ungünstigen Krankheitsverlauf gelten:

      Allgemeinsymptome (B-Symptome),
      große Lymphome im Mediastinum (dem Brustraum zwischen den Lungen),
      drei oder mehr befallene Lymphknotenareale,
      Lymphomherde außerhalb der Lymphknoten (extranodal),
      starker Milzbefall und
      erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit.

      Da die Behandlungsmethoden nur in klinischen Therapiestudien weiterentwickelt und verbessert werden können, sollten alle Patienten mit Morbus Hodgkin im Rahmen von Studien behandelt werden.

      Bei örtlich begrenztem Befall (Stadien I und II: Lymphome nur auf einer Seite des Zwerchfells) ohne Risikofaktoren erfolgt in der Regel eine Bestrahlung. Nur im Rahmen von Studien wird der Wert einer zusätzlichen Chemotherapie geprüft. Liegen allerdings Risikofaktoren vor, so kommt grundsätzlich eine kombinierte Chemo- und Strahlentherapie zum Einsatz. Dies gilt auch für die mittleren (intermediären) Krankheitsstadien (Stadium III; Befall beidseits des Zwerchfells) ohne Risikofaktoren.

      Bei fortgeschrittener Erkrankung (generell bei B-Symptomen, bei Stadium III mit Risikofaktoren und bei Stadium IV, d.h. bei ausgedehnter Erkrankung mit verstreuter Ausbreitung in nicht-lymphatische Organe) wird sofort eine intensive Chemotherapie durchgeführt. Eine zusätzliche Strahlentherapie kann sinnvoll sein, wenn nach dieser Zytostatikabehandlung noch Tumorreste vorhanden sind.

      Strahlentherapie

      Bei der Strahlentherapie werden nachweisbar befallene Lymphknotenareale ("involved field") mit einer höheren Strahlendosis behandelt. Um eventuell vorhandene, nicht nachweisbare Lymphomzellnester in der Umgebung zu erfassen, werden auch die angrenzenden Regionen ("extended field") bestrahlt, allerdings mit geringeren Dosen.

      Chemotherapie

      Beim Morbus Hodgkin kommen immer Kombinationen mehrerer Zytostatika zum Einsatz. Wie auch die Strahlentherapie wird die Chemotherapie beim Morbus Hodgkin immer mit der Absicht durchgeführt, die Krankheit vollständig zu heilen (kurative Therapie). Daher handelt es sich um relativ intensive Therapien, mit denen sich in den meisten Fällen eine vollständige Rückbildung der Erkrankung erreichen läßt
      .
      Therapie bei Rückfällen

      Auch nach vollständiger Rückbildung der Erkrankung kann es doch in manchen Fällen zum Rückfall (Rezidiv) kommen.

      Bei örtlich begrenzten Rezidiven kann man unter Umständen auf eine Chemotherapie verzichten und lediglich erneut bestrahlen. Rezidive nach einer Strahlentherapie können mittels Chemotherapie mit guter Erfolgsaussicht behandelt werden.

      Kommt es nach einer Chemotherapie zu einem nicht örtlich begrenzten Rezidiv, so erfolgt eine erneute Chemotherapie mit anderen Zytostatikakombinationen und gesteigerter Dosis. Bei Patienten unter 60 Jahren kann eine Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Blutstammzelltransplantation durchgeführt werden. Die verabreichte Zytostatikadosis ist dabei so hoch, daß das blutbildende System weitgehend zerstört wird. Die Blutbildung wird mit Blutstammzellen des Patienten wiederhergestellt, die vor der Chemotherapie aus seinem Blut oder Knochenmark gewonnen wurden.


      Behandlung der Non-Hodgkin-Lymphome

      Im Gegensatz zum Morbus Hodgkin gibt es für die große und vielgestaltige Gruppe der Non-Hodgkin-Lymphome keine so stark standardisierten Therapierichtlinien. Auch hier stehen jedoch Chemotherapie und Strahlentherapie im Vordergrund - in einigen Fällen ergänzt durch Immuntherapie.

      Wichtig ist hier die Unterscheidung zwischen hoch- und niedrigmalignen Lymphomen. Sie ist nicht nur von Bedeutung für die Wahl der geeigneten Therapie, sondern auch für den zu erwartenden Therapieerfolg. Paradoxerweise sprechen die (selteneren) hochmalignen Lymphome besser auf die Behandlung an. Sie können mit einer Kombinationschemotherapie auch noch in fortgeschrittenen Stadien wirkungsvoll bekämpft werden.

      Bei den niedrigmalignen Lymphomen ist die Chemotherapie weniger gut wirksam, weil diese langsamer wachsenden Lymphome weniger "Angriffsfläche" für Zytostatika bieten. In frühen Stadien sind diese Erkrankungen hingegen durch Bestrahlung heilbar.


      Behandlung der hochmalignen Non-Hodgkin-Lymphome

      Hochmaligne Non-Hodgkin-Lymphome schreiten rasch fort und streuen schon in frühen Krankheitsstadien Lymphomzellen im Organismus aus. Nur bei einem Drittel der Patienten ist die Erkrankung zum Diagnosezeitpunkt noch örtlich begrenzt. Auch wenn es so scheint, als sei nur eine Lymphkotenregion oder ein Organ befallen, werden hochmaligen Lymphome werden immer mittels Kombinationschemotherapie behandelt, im Stadium I (örtlich begrenzte Erkrankung einer einzigen Lymphknotenregion oder eines anderen Organs oder Gewebes) in Kombination mit einer Strahlentherapie.

      Bei fortgeschritteneren Stadien (Stadium II bis IV: Befall mehrerer Lymphknotenregionen auf einer Seite des Zwerchfells, Befall auf beiden Seiten des Zwerchfells, Befall von Organen und Geweben außer der Lymphknoten) kommen die gleichen Kombinationen von Medikamenten zum Einsatz wie in örtlich begrenzten Stadien, aber die Zahl der Chemotherapiezyklen wird erhöht. Bei sehr großen Lymphomen oder wenn nach der Chemotherapie noch Tumorreste vorhanden sind, schließt sich eine Bestrahlung an.

      Ist durch die Chemotherapie die Blutbildung stark beeinträchtigt und der Patient durch Infektionen und Blutungen gefährdet, können unterstützend Wachstumsfaktoren der Blutbildung (G-CSF oder GM-CSF) gegeben werden.

      Einige Lymphomformen befallen häufig das Zentralnervensystem. Hier bestrahlt man den Gehirnschädel, evtl. auch das Rückenmark, und verabreicht Zytostatika und ein Kortisonpräparat direkt ins Hirnwasser (Liquor). Dies ist notwendig, weil die meisten Zytostatika die Barriere zwischen Blutbahn und Hirngewebe (Blut-Hirn-Schranke) nur schlecht durchdringen können.

      Durch die Chemotherapie bildet sich die Erkrankung in frühen Stadien praktisch bei allen und selbst in fortgeschritteneren Stadien bei rund 60 % der Patienten vollständig zurück.

      Kommt es im weiteren Verlauf doch zu einem Rückfall (Rezidiv), wird wenn möglich eine Hochdosis-Chemotherapie durchgeführt. Die verabreichte Zytostatikadosis ist dabei so hoch, daß sie das blutbildende System im Knochenmark weitgehend zerstört. Man hofft jedoch, mit dieser intensiven Behandlung auch die Tumorzellen besser vernichten zu können. Die Blutbildung läßt sich mit einer Blutstammzelltransplantation wiederherstellen. Dazu werden vor der Chemotherapie Stammzellen aus Blut oder Knochenmark des Patienten selbst gewonnen (autologe Stammzelltransplantation).

      Derzeit wird in klinischen Studien geprüft, ob bei bestimmten Patientengruppen eine solche Hochdosis-Chemotherapie bereits in der Erstbehandlung sinnvoll ist. Zu diesen zählen Patienten unter 60 Jahren mit Lymphomstadien III oder IV. Auch in Fällen, wo mit normal dosierter Chemotherapie keine komplette Rückbildung der Erkrankung erreicht werden konnte, kommt eine hochdosisierte Behandlung mit Stammzelltransplantation in Frage.

      Primäre hochmaligne Lymphome des Zentralnervensystems ohne Beteiligung anderer Körperregionen sind im allgemeinen selten, treten jedoch bei AIDS-Patienten gehäuft auf. Die Behandlung umfaßt Chemotherapie einschließlich Verabreichung in das Hirnwasser durch ein Kathetersystem und Bestrahlung des Zentralnervensystems.


      Behandlung der niedrigmalignen Non-Hodgkin-Lymphome

      Im Gegensatz zu den hochmalignen Lymphomen spielt bei den niedrigmalignen Formen die Strahlentherapie die Hauptrolle im Behandlungskonzept: Sie kann in frühen Stadien der Erkrankung zu einer Heilung führen.

      Bestrahlt werden die befallenen und angrenzende Lymphknotenregionen („extended field“) oder aber alle Lymphknotenregionen des Körpers („totalnodale Bestrahlung“).

      In fortgeschrittenen Stadien niedrigmaligner Non-Hodgkin-Lymphome ist eine Heilung meist nicht mehr möglich. Die Behandlung hat das Ziel, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen, die Symptome zu bekämpfen und Komplikationen zu verhüten (palliative Therapie). Sie wird in der Regel erst bei raschem Fortschreiten der Krankheit oder beim Auftreten belastender Symptome begonnen und besteht zunächst aus einer Chemotherapie zur Verringerung der Tumormasse. Durch anschließende „Erhaltungstherapie“ mit Interferon-alpha läßt sich das erneute Fortschreiten der Erkrankung verzögern.

      Bei jüngeren Patienten (unter 60 Jahre) wird derzeit geprüft, ob sich durch Hochdosischemotherapie in Kombination mit einer Ganzkörperbestrahlung die Erkrankung auch in fortgeschrittenen Stadien besser bekämpfen und möglicherweise heilen läßt.

      Niedrigmaligne Non-Hodgkin-Lymphome, deren Zellen ein bestimmtes Merkmal (das Protein CD20) auf der Oberfläche tragen, können im Fall eines Rezidivs auch mit einem neuen monoklonalen Antikörper behandelt werden, der bei einem Teil der Patienten die Erkrankung erneut zur Rückbildung bringt.

      Chronische lymphatische Leukämie (CLL)

      Bei der CLL kommt es neben Lymphomen zu Knochenmarkbefall und Ausschwemmung von Lymphomzellen ins Blut (daher die Bezeichnung "Leukämie"). Die Patienten sind besonders durch Infektionen gefährdet, außerdem können Blutarmut (Anämie) und Blutungsneigung auftreten.

      Die CLL ist eine Erkrankung des höheren Alters und entwickelt sich meist langsam. In Abhängigkeit von der Lymphozytenzahl im Blut, vom Ausmaß des Knochenmarksbefalls, der Zahl befallener Lymphknotenregionen und verschiedener Blutwerte teilt man die Erkrankung in drei Stadien ein: A, B und C (nach Binet).

      Im Stadium A ist noch keine Behandlung erforderlich. Erst bei Fortschreiten der Erkrankung bzw. bei allgemeinen Krankheitssymptomen, Beschwerden durch Lymphknotenbefall, Milzvergrößerung oder Verschlechterung der Blutwerte wird mit einer Therapie begonnen, die aus einer Chemotherapie mit einem einzelnen Zytostatikum in Kombination mit einem Kortisonpräparat besteht.

      Bei jüngeren Patienten wird derzeit untersucht, ob eine Hochdosischemotherapie mit anschließender Blutstammzelltransplantation zur Wiederherstellung der Blutbildung die Ergebnisse verbessern und die Überlebenszeit verlängern kann. Auch hier werden Blutstammzellen des Patienten selbst (autologe Transplantation) verwendet.

      Um die Rückübertragung von Lymphomzellen mit dem Transplantat weitestgehend auszuschließen, können die Blutstammzellen vorher aus dem entnommenen Zellmaterial angereichert werden (Purging). Ein Vorteil dieser Technik gegenüber der Verwendung "ungereinigter" Transplantate ist aber noch nicht erwiesen.


      Plasmozytom (Multiples Myelom)

      Das Plasmozytom (auch multiples Myelom) ist eine Tumorerkrankung, die von antikörperproduzierenden B-Lymphozyten (Plasmazellen) ausgeht. Sie befällt bevorzugt das Skelett. In fortgeschrittenen Stadien finden sich meist zahlreiche knochenauflösende Herde, vor allem in Wirbelsäule, Rippen, Schädel und Oberschenkelknochen.

      Die Symptome der Erkrankung sind zunächst uncharakteristisch.
      Am häufigsten treten diffuse Knochenschmerzen der Wirbelsäule auf, die anfangs als bandscheibenbedingte Rückenschmerzen verkannt werden können. Nierenfunktionsstörungen, Müdigkeit, Gewichtsverlust und Infektionen der Atem- und Harnwege können hinzukommen. Knochenbrüche ohne erkennbare Ursache (pathologische Frakturen oder Spontanfrakturen) sind oft das erste Symptom, das auf die Erkrankung hinweist.

      Plasmozytomzellen sind entartete antikörperbildende B-Lymphozyten eines einzigen Typs. Sie produzieren ebenfalls antikörperartige Eiweiße, die allerdings funktionslos sind, also keine Abwehrfunktion haben. Diese Eiweiße können im Blut (Myelomproteine oder Paraproteine) bzw. im Urin (Bence-Jones-Proteine) nachgewiesen werden und tragen zur Diagnosestellung bei.

      Die mengenmäßige Bestimmung dieser Tumorzellprodukte ist auch für die Verlaufsbeobachtung nach der ersten Therapie wichtig. Die Diagnostik umfaßt zudem Röntgenuntersuchungen (u.U. als Computertomographie) zur Aufdeckung von Tumorherden im Knochen sowie die mikroskopische und laborchemische Untersuchung von Tumorgewebsproben, Knochenmark- und Blutproben.

      Die Stadieneinteilung richtet sich nach der Tumorzellmasse, die anhand der Paraproteinmenge und verschiedener Blutwerte abgeschätzt werden kann.

      Die Therapie des Plasmozytoms richtet sich nach dem Tumorstadium und dem Alter des Patienten. Wird die Diagnose im Stadium I gestellt, ist in der Regel noch keine Behandlung erforderlich. Erst wenn die Erkrankung unter der Beobachtung fortschreitet oder die Nierenfunktion durch Anhäufung von Paraproteinen beeinträchtigt ist, wird eine Chemotherapie begonnen. Einzelne Plasmozytomherde (selten) können zunächst durch alleinige Bestrahlung behandelt werden.

      Als derzeit vielversprechendster Therapieansatz in den Stadien II und III gilt eine hochdosierte Chemotherapie mit Stammzelltransplantation. Die Blutstammzellen werden auch hier vor der Therapie vom Patienten selbst gewonnen. Diese Behandlungsform wird im Rahmen von Studien intensiv untersucht. Eine dauerhafte Heilung läßt sich auch dadurch wahrscheinlich nicht erreichen, wohl aber eine Verlängerung der Überlebenszeit.

      Besonders wichtig für die Lebensqualität der Plasmozytompatienten sind unterstützende Behandlungsmaßnahmen (supportive Therapie).

      Dazu zählen:

      medikamentöse Schmerztherapie bei schmerzhaften Knochenzerstörungen (Osteolysen),
      örtliche Bestrahlung und ggf. stabilisierende Operationen bei bruchgefährdeten Knochenherden,
      Behandlung des durch Knochenzerstörung erhöhten Kalziumspiegels (Hyperkalzämie),
      Gabe von Biphosphonaten zur Verlangsamung des Knochenabbaus,
      frühzeitige Infektbehandlung mit Antibiotika.

      Besteht durch Verdrängung der normalen Lymphozyten ein Antikörpermangel, so können Immunglobuline verabreicht werden.


      Seltenere Sonderformen von Non-Hodgkin-Lymphomen

      Hautlymphome: Niedrigmaligne Non-Hodgkin-Lymphome können auch zunächst die Haut befallen (kutane Lymphome). Die häufigste maligne Lymphomerkrankung der Haut ist die Mycosis fungoides. Solange sie auf die Haut beschränkt ist, können Zytostatika, Steroide oder Vitamin-A-Säurepräparate (Retinoide) rein äußerlich angewandt werden. Häufig wird eine Photochemotherapie durchgeführt: Nach der Gabe von Substanzen (Psoralenen), die die Körperzellen lichtempfindlich machen, wird die gesamte Haut mit UV-Licht bestrahlt.

      In fortgeschrittenen Stadien, wenn außer der Haut auch innere Organe betroffen sind, kommt eine systemische Chemotherapie mit Zytostatika, außerdem die Gabe von Interferon-alpha oder Kortisonpräparaten in Frage.

      MALT-Lymphome: Lymphome der Schleimhäute finden sich vor allem im Magen. Sie werden häufig ausgelöst durch chronische Entzündungsreize, etwa durch eine Infektion mit dem Bakterium Helicobacter pylori. Ist dies der Fall, wird zunächst die Infektion bekämpft und zwar mit Antibiotika und Hemmstoffen der Magensäurebildung. Dies führt in vielen Fällen zu einer Rückbildung des Lymphoms.

      Falls der Tumor weiter besteht, die Erkrankung schon fortgeschritten ist oder es sich um ein hochmalignes Lymphom handelt, müssen intensivere Therapieformen gewählt werden. Je nach Tumorart und Stadium kann zunächst der Tumor operativ entfernt werden. Falls dann noch Tumorreste zurückgeblieben sind, kommen Bestrahlung und/oder Chemotherapie als weiterführende Therapieformen in Frage.

      Bei hochmalignen Lymphomen und weit fortgeschrittenen niedrigmalignen Formen ist eine Operation oft nicht sinnvoll. Dann wird gleich zu Beginn der Behandlung bestrahlt oder mit Zytostatika therapiert.


      Leben mit der Erkrankung

      Wie geht es nach der ersten Behandlung weiter ?

      Nach der ersten Behandlung sind regelmäßige Nachuntersuchungen erforderlich, um Nebenwirkungen oder Folgen der Behandlung und auch ein erneutes Auftreten oder Fortschreiten der Lymphomerkrankung frühzeitig zu erkennen. Besonders die Chemotherapie des Morbus Hodgkin kann im späteren Leben einen "Zweitkrebs" verursachen, der durch die erbgutschädigende Wirkung der Therapie entsteht. Ein wichtiges Ziel der Nachsorge ist daher die frühzeitige Erkennung solcher Erkrankungen.

      In den ersten beiden Jahren werden die Patienten in der Regel alle drei Monate untersucht. Körperliche Untersuchung, Blutuntersuchungen, Röntgenbilder des Brustraumes und Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes gehören zum Standardprogramm, das bei Bedarf durch weitere Verfahren (z.B. Computertomographie) ergänzt wird.


      Unerwünschte Folgen der Therapie

      Unfruchtbarkeit

      Beeinträchtigungen der Zeugungs- und Empfängnisfähigkeit oder auch dauerhafte Unfruchtbarkeit sind häufige Folgeerscheinungen einer Lymphomtherapie. Bei Lymphomerkrankungen, die in jüngerem Alter auftreten - wie z.B. dem Morbus Hodgkin - ist dies ein wichtiges Problem. Chemotherapie und Bestrahlung schädigen die Keimzellen sowohl des Mannes als auch der Frau. Ausmaß der Schädigung und Dauer der Erholung sind abhängig von der verabreichten Dosis.

      Vor allem bei Frauen können neben den Keimzellen auch die hormonproduzierenden Zellen in den Eierstöcken zeitweise oder dauerhaft geschädigt werden. Dadurch kommt die Patientin entweder vorzeitig in die Menopause (Übergang in die Wechseljahre mit bleibender Unfruchtbarkeit), oder es treten nur vorübergehend "Wechseljahresbeschwerden" auf, und die Monatsblutung kehrt nach längerem Ausbleiben wieder zurück.

      Um die Strahlendosis auf die Geschlechtsorgane möglichst gering zu halten, wird beim Mann vor der Bestrahlung eine Hodenkapsel angelegt. Diese besteht aus Blei und schirmt die Hoden weitgehend ab. Die Strahlenschädigung ist aber nicht ganz zu vermeiden, da die Strahlung nicht nur direkt von außen auftrifft, sondern auch innerhalb des Körpers gestreut wird.

      Bei Frauen ist der Schutz der Geschlechtsorgane wesentlich schwieriger. Die Eierstöcke können operativ hinter den Uterus verlagert werden, um sie aus dem direkt bestrahlten Bereich zu bringen. Zusätzlich werden auch bei Patientinnen Bleiabdeckungen eingesetzt.

      Um auch nach einer Lymphomtherapie eigene Kinder haben zu können, nehmen viele männliche Patienten die Möglichkeit der Sperma-Kryokonservierung wahr: Eine Spermaprobe wird schockgefroren und in flüssigem Stickstoff bei -196°C aufbewahrt. Später können diese Spermien zur künstlichen Befruchtung in den Uterus der Partnerin eingebracht oder auch für eine Befruchtung von Eizellen im Reagenzglas (In-Vitro-Fertilisation) verwendet werden.

      Die Spermienzahl von Lymphompatienten ist allerdings aus unbekannten Gründen häufig schon vor Beginn der Therapie erniedrigt und nimmt außerdem durch das Einfrieren und Auftauen weiter ab, so daß die Spermienpräparate nicht immer befruchtungsfähig sind. Welche modernen Methoden der Fertilitätsmedizin hier eventuell Abhilfe schaffen können, erfahren Betroffene bei spezialisierten Fachärzten. Die Kostenübernahme für solche Behandlungen sollte mit den Kassen vorab geklärt werden.


      Sekundäre Leukämien und Tumoren nach Lymphomtherapie

      Chemo- und Strahlentherapie wirken nicht nur auf die Tumorzellen sondern auch auf normale Zellen erbgutschädigend. Daher kann es nach einer zunächst erfolgreichen Lymphombehandlung zu therapiebedingten bösartigen Zweiterkrankungen kommen.

      Am häufigsten handelt es sich um eine myeloische Leukämie, die sekundäre akute myeloische Leukämie (AML). Für Patienten mit Morbus Hodgkin ist das Risiko dieser Erkrankung in den ersten 10 Jahren nach der Lymphomtherapie deutlich erhöht - wie stark, hängt von den verwendeten Zytostatikakombinationen ab. Nach diesem Zeitraum entspricht das Risiko wieder dem der Normalbevölkerung.

      Die Behandlung der Sekundärleukämien entspricht im Prinzip der anderer Leukämien, wobei die vorangegangenen Strahlen- und Zytostatikabelastungen durch die Lymphomtherapie berücksichtigt werden müssen.

      Neben den Leukämien können vor allem durch die Strahlentherapie auch Erkrankungen an Organtumoren und anderen soliden Tumoren ausgelöst werden. Dazu zählen Lungenkrebs (besonders bei Rauchern), Magenkrebs sowie Knochen- und Weichteilsarkome, die in den ersten 15 Jahren nach der Lymphomtherapie auftreten können.

      Es muß ausdrücklich betont werden, daß trotz dieser zweifellos bedeutsamen Risiken der unmittelbare Nutzen der Lymphomtherapie mit Zytostatika und energiereichen Strahlen klar die möglichen späteren Folgeerscheinungen überwiegt.

      Schmerzbehandlung

      Bei den meisten Lymphomerkrankungen treten keine heftigen Schmerzen auf. In fortgeschrittenen Stadien eines Plasmozytoms mit Befall der Knochen können jedoch für den Patienten die Schmerzen im Vordergrund stehen und sein Wohlbefinden stärker beeinträchtigen als der Tumor selbst.

      Die wirksame Schmerzbekämpfung ist hier eine wichtige Maßnahmen. Ein gute Schmerztherapie ist immer individuell auf die Schmerzsituation des Patienten abgestimmt.

      Mit den heute verfügbaren Medikamenten und Methoden lassen sich Tumorschmerzen in den meisten Fällen gut lindern. Im Vordergrund steht die Behandlung mit Tabletten. Je nach Schmerzstärke stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, die bei Bedarf kombiniert werden.

      Bei starken Schmerzen werden Opioide eingesetzt. Diese Abkömmlinge des Morphins sind die wirksamsten Schmerzmedikamente. Sie sind mittlerweile auch als Pflaster oder Nasenspray erhältlich. Bei der Schmerzbehandlung kommt es darauf an, daß die Medikamente nach einem festen Zeitplan eingenommen werden und nicht erst dann, wenn die Schmerzen wieder auftreten.

      Sind die Schmerzen so stark, daß Tabletten nicht mehr wirken, besteht die Möglichkeit, Opioide direkt in die Umgebung des Rückenmarks einzubringen. Das funktioniert über Katheter mit Pumpen oder die Einpflanzung von Reservoirsystemen, die eine kontinuierliche Opioidabgabe sicherstellen.

      Bei schmerzhaften Knochenherden bringt auch eine gezielte Bestrahlung Linderung. Schmerzen durch ausgedehnten Tumorbefall des Skeletts lassen sich auch durch Radionuklidbehandlung oder Gabe von hochdosierten Östrogenen lindern.
      Avatar
      schrieb am 28.11.00 14:23:30
      Beitrag Nr. 139 ()
      Weichteilgewebe - Begriff und Funktion

      Der Körper des Menschen ist aus eine Vielzahl unterschiedlicher Zellen aufgebaut. Verschiedene Zellen haben unterschiedliche Aufgaben - es herrscht Arbeitsteilung. In Verbänden gruppierte Zellen, die einer gemeinsamen Aufgabe dienen, nennt man Gewebe.

      Gewebe des menschlichen Körpers

      Es werden vier Gewebeklassen unterschieden: Binde- und Stützgewebe (Bindegewebe, Fettgewebe, Knochen und Knorpel), Muskelgewebe, Nervengewebe und Deckgewebe (Epithelien). Grundsätzlich sind alle Organe wie Herz und Lunge und auch die Funktionssysteme wie Skelett-, Nerven- und Gefäßsystem aus Geweben dieser vier Klassen zusammengesetzt.

      Die Zellen des Epithelgewebes bedecken äußere und innere Körperoberflächen. Als Haut schützen sie den Körper nach außen, im Körperinneren kleiden sie als Schleimhäute z.B. Atemwege, Magen-Darm-Trakt und Harnwege aus. Auch Drüsen werden aus Epithelgewebe gebildet.

      Das Bindegewebe hält Teile des Körpers zusammen und bildet Organlager und Trennschichten.

      Zu den Weichteilen oder Weichgeweben werden im wesentlichen Bindegewebe, Fett- und Muskelgewebe und das Gewebe der peripheren Nerven (Nervensystem ohne Hirn und Rückenmark) gerechnet.


      Bösartige Erkrankungen der Weichteile

      Unter dem Begriff Weichgewebs- oder Weichteiltumoren wird eine Vielzahl sehr verschiedener Geschwülste zusammengefaßt. Gemeinsam ist ihnen lediglich, daß sie von Weichgeweben abstammen. Es gibt gutartige und bösartige (maligne) Weichteiltumoren, insgesamt etwa 200 Typen.

      Bösartige Weichgewebsgeschwülste werden insgesamt als Weichteil-Sarkome bezeichnet (von griech. sarkos = Fleisch). Diese Bezeichnung unterscheidet sie als Gruppe von den Karzinomen, also bösartigen Tumoren, die aus Epithelgewebe hervorgehen, und zu denen die häufigeren Krebsarten wie Lungen- und Darmkrebs gehören.

      Die verschiedenen Tumoren können am besten mit Hilfe mikroskopischer Untersuchungen des Tumorgewebes unterschieden werden. Die Bezeichnung des Tumors richtet sich danach, welchem Gewebe die Zellverbände des Tumors mikroskopisch ähneln. In der Regel hat der Tumor seinen Ursprung in diesem Gewebe. So werden Tumoren, die aus der Muskulatur hervorgehen mit der Vorsilbe "Myo-" versehen, Bindegewebstumoren mit "Fibro-" und Tumoren des Fettgewebes mit "Lipo-". Ein Fibrosarkom ist also ein bösartiger Tumor des Bindegewebes.



      Häufigkeit und Altersverteilung

      Weichteilsarkome sind im Vergleich zu vielen Karzinomen selten. Unter der Gesamtzahl der neuentdeckten bösartigen Erkrankungen stellen sie etwa ein Prozent. Jährlich erkranken in Deutschland etwa 850 Männer und 750 Frauen.

      Weichteilsarkome kommen meist bei Erwachsenen im höheren Alter aber auch vergleichsweise häufig bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren vor. Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer. Geschlechts- und Altersverteilung hängen aber von der genaueren Art des Tumors ab.

      Die Weichteilsarkome des Kindesalters unterscheiden sich in ihren Eigenschaften wesentlich von denen des Erwachsenen. Die Aussagen dieses Textes können daher nicht auf kindliche Sarkome übertragen werden.

      Beim Erwachsenen entstehen Weichteilsarkome am häufigsten in den Beinen (40%), es folgen Rumpf, hinterer Bauchinnenraum (Retroperitonealraum), Arme und Kopf-Hals-Bereich.



      Erkrankungsursachen und Risikofaktoren

      Die Entstehungsursachen der meisten Weichteilsarkome sind heute noch weitgehend ungeklärt. Es konnten jedoch für einige Sarkomarten Faktoren ermittelt werden, die das persönliche Risiko erhöhen.

      Beim Kaposi-Sarkom, einem Tumor, der relativ häufig bei AIDS-Kranken auftritt, ist wahrscheinlich ein Virus ursächlich beteiligt. Das humane Herpesvirus-7 (HHV-7) wurde bei Kaposi-Tumoren sowohl von AIDS-Patienten als auch von nicht HIV-Infizierten gefunden.

      Nach einer Strahlentherapie besteht ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Fibrosarkomen (und auch von bösartigen Knochentumoren).

      Asbestfasern in der Atemluft tragen erwiesenermaßen wesentlich zur Entstehung von Sarkomen des Brustfells bei (Pleuramesotheliom). Aufgrund strenger Sicherheitsvorschriften und den zunehmenden Ersatz von Asbest durch andere Stoffe kann dieses vorwiegend beruflich bedingte Risiko heute im allgemeinen ausgeschlossen werden.

      Beruflich bedingter Kontakt mit den bekanntermaßen krebserregenden Stoffe Arsen und Vinylchlorid (ein industriell verwendeter Vorläufer des PVC) kann das Risiko für ein Angiosarkom erhöhen, einem Tumor der aus der Wand von Blut- oder Lymphgefäßen hervorgeht.

      Ein Sarkom der Lymphgefäße (Lymphangiosarkom) kann als seltene Komplikation bei andauernden Lymphstauungen der Arme nach Brustkrebsoperationen auftreten.

      In seltenen Einzelfällen werden Sarkome im Bereich von operations- oder verletzungsbedingten Narben oder nach Verbrennungen beobachtet. Der ursächliche Zusammenhang ist aber umstritten.



      Erbliche Vorbelastung

      In seltenen Einzelfällen findet sich eine genetische Vorbelastung, wie zum Beispiel bei der erblichen Neurofibromatose (Recklinghausen´sche Krankheit). Die Betroffenen entwickeln viele gutartige, seltener auch bösartige Weichteiltumoren, die vom Nervengewebe ausgehen.

      In Familien von Kindern mit Sarkomen sind auch andere Krebserkrankungen häufiger.



      Symptome und Früherkennung

      Meist fällt dem Betroffenen als erstes Symptom eine schmerzlose Schwellung oder Verhärtung des Gewebes auf. Diese vergrößert sich allmählich, in manchen Fällen auch sehr rasch. Auch durch Druck des Tumors auf Organe oder Nerven und Gefäße kann es zu Beeinträchtigung von Körperfunktionen oder zu Schmerzen kommen, die den Patienten zum Arzt führen.

      Da Weichteilsarkome meist in tieferen Schichten des Körpers entstehen, können sie bei ihrer Entdeckung schon recht groß sein. Der Sitz des Tumors ist also für den Zeitpunkt der Diagnose mitentscheidend.

      Eine Untersuchung zur Früherkennung von Weichteiltumoren gibt es nicht. Es liegt also an jedem Einzelnen, sich an den Arzt zu wenden, sobald er an seinem Körper eine zunehmende Schwellung bemerkt.

      Je früher der Tumor erkannt wird, desto besser sind die Aussichten auf eine erfolgreiche Behandlung und damit auf Heilung.



      Untersuchungen zur Sicherung der Diagnose

      Bei Verdacht auf einen bösartigen Weichteiltumor müssen verschiedene Untersuchungen zur Abklärung durchgeführt werden. Das Vorgehen richtet sich dabei nach dem Sitz der Geschwulst.

      Die Schwellung selbst und die umgebende Körperregion einschließlich der Lymphknoten werden vom Arzt sorgfältig abgetastet und per Ultraschalluntersuchung dargestellt. Damit ist eine erste Orientierung über Lage und Ausdehnung der Geschwulst gegeben.

      In der Röntgenübersicht kann die Lage relativ zu angrenzenden Skelettabschnitten bestimmt werden. Sie erlaubt auch Aussagen, ob der Tumor in den Knochen eingewachsen ist. Schichtbildaufnahmen der Tumorregion mittels Computertomographie (CT) und besonders Kernspintomographie (MRT) erlauben eine genaue räumliche Zuordnung des Tumors.

      Mit keinem der bildgebenden Verfahren kann jedoch sicher festgestellt werden, ob der Tumor gut- oder bösartig ist. Dazu werden in einer kleinen Operation Gewebeproben aus dem Tumor entnommen (Inzisionsbiopsie). Selten werden kleine (< 3cm) und oberflächlich gelegene Tumoren auch sofort mit einem breiten Saum gesunden Gewebes ganz entfernt (Exzisionsbiopsie). Bei ungünstig gelegenen Tumoren kann auch unter Ultraschallkontrolle mit einer Nadel Gewebe angesaugt werden (Nadelbiopsie). Schnittstellen oder Stichkanäle müssen, falls der Tumor sich als bösartig erweist, bei der nachfolgenden Operation mitentfernt werden. Daher sollte jede Biopsie an sarkomverdächtigem Gewebe von einem Arzt mit Erfahrung in der Chirurgie von Sarkomen durchgeführt werden, um den späteren Eingriff nicht zu erschweren.

      Das entnommene Tumorgewebe wird anschließend von Pathologen mikroskopisch untersucht. Da Weichteiltumoren sehr vielgestaltig sind, kann die feingewebliche (histologische) Bestimmung der genauen Tumorart manchmal schwierig sein.

      Sarkome der Weichteile bilden häufig zunächst bindegewebige Kapseln, die sie aber im Gegensatz zu gutartigen Tumoren durchbrechen können. Sie breiten sich dann oft entlang anatomischer Strukturen aus, zum Beispiel entlang von Muskelscheiden, Bändern oder Gefäßen. Tumorabsiedelungen (Metastasen) entstehen bei Weichteilsarkomen entweder in unmittelbarer Umgebung des Tumors oder - bevorzugt durch Aussaat über die Blutbahn - in Lunge, Skelett, Leber und hinterem Bauchinnenraum, seltener im Gehirn. Manche Tumortypen metastasieren auch in Lymphknoten. Neben Lage und Ausdehnung des Tumors ist das Vorhandensein von Metastasen für die Therapieplanung entscheidend.

      Falls der Tumor bösartig ist, muß also nach Tochtergeschwülsten in Organen und Knochen gefahndet werden. Es sind Ultraschalldarstellungen des Bauchraums, Röntgenübersicht des Brustkorbs und u.U. auch eine Computertomographie von Bauch- und Brustraum erforderlich. Werden Metastasen in der Lunge gefunden, besteht die Möglichkeit, daß sich auch Hirnmetastasen entwickelt haben, daher werden zusätzlich CT oder kernspintomographische Darstellungen des Gehirns angefertigt.

      Mittels der Skelettzintigraphie läßt sich ein Tumorbefall der Knochen nachweisen. Dazu werden geringe Mengen einer radioaktiven Substanz in die Blutbahn gespritzt, die sich bevorzugt in erkranktem Knochen anreichert. Eine Kamera, die radioaktive Strahlung registriert, ortet metastasenverdächtige Bezirke. Die Untersuchung ist nicht belastend, und die Strahlung klingt sehr rasch ab.



      Biologische Eigenschaften und Tumorstadien

      Bei der mikroskopischen Untersuchung des entnommenen Gewebes kann der Pathologe die Herkunft und biologischen Eigenschaften des Tumors genauer bestimmen und Hinweise auf den Grad der "Bösartigkeit" des Tumors gewinnen. Dabei werden heute auch molekularbiologische Techniken zum Nachweis charakteristischer Erbgutveränderungen der Tumorzellen eingesetzt.

      Das Grading (engl.) untersucht, wie stark sich die Tumorzellen mikroskopisch von normalen "ausgereiften" Zellen unterscheiden und wie viele sich teilende Zellen vorhanden sind. Auch der Anteil abgestorbenen Tumorgewebes und Einblutungen in den Tumor sind von Bedeutung. Bei Weichteilsarkomen ist der Tumorgrad für den Krankheits- und Therapieverlauf oft wichtiger als die genaue Bestimmung des Herkunftsgewebes.

      Nach solchen Merkmalen teilt man in Grade G1 bis G3 ein. Tumorzellen von Grad 1 (G1) sind gut differenziert, d.h. sie sind den normalen Zellen vergleichsweise ähnlich. Die Gewebe schlecht differenzierter Tumoren (G3) unterscheiden sich dagegen stark von normalen Zellverbänden, wachsen besonders schnell und sind aggressiver als G1- und G2-Sarkome. Andere Einteilungssysteme verwenden vier Grade.

      Bei der Beurteilung des Tumorstadiums nach dem TNM-System werden Größe und örtliche Ausdehnung des Ersttumors (T), Lymphknotenbefall (N, von lat. Nodus: Knoten) und Metastasen (M) berücksichtigt. Ziffern hinter den Buchstaben stehen für Größe und Ausdehnung (T1-4), Vorhandensein und Ausmaß eines Lymphknotenbefalls (N0-2) und das Vorhandensein oder Fehlen von entfernten Metastasen (M1 oder M0). T1 N0 M0 bezeichnet zum Beispiel einen kleinen Tumor ohne Lymphknotenbefall und Metastasen. Eine exakte Beurteilung des T-Stadiums ist erst nach der operativen Entfernung des Tumors möglich.

      Da sowohl Tumorgrad als auch Tumorstadium in die Therapieentscheidung eingehen, werden sie in Krankheitsstadien von Stadium IA bis IVB zusammengefaßt.



      Behandlungsmöglichkeiten

      Weichteilsarkome sind eine vielfältige Gruppe von vergleichsweise seltenen Erkrankungen. Daher ist die Therapie noch nicht so standardisiert, wie dies bei anderen Tumorarten möglich ist. Die optimale Vorgehensweise ist weiterhin Gegenstand der Therapieforschung in klinischen Studien, die zur Zeit verstärkt bei Patienten mit Tumoren mittlerer Stadien (ohne Lymphknotenbefall und Metastasen, Grad 2-3) durchgeführt werden.

      Eine optimale Therapie nach den neuesten Erkenntnissen ist nur in Tumorzentren mit entsprechender Erfahrung möglich.

      Wichtigste Therapiemaßnahmen bei Weichteilsarkomen sind chirurgische Eingriffe. Dies gilt für den Ersttumor, örtliche Rückfälle und auch Metastasen. Generell bringt jedoch in vielen Krankheitssituationen die Kombination verschiedener Therapiemethoden günstigere Ergebnisse als eine einzelne Behandlungsform. An der Therapieplanung sollten daher Ärzte der Disziplinen Chirurgie, Strahlentherapie und Innere Medizin beteiligt werden.

      Patienten mit örtlich begrenzten Grad-1-Tumoren in günstiger Lage können häufig durch alleinige Operation geheilt werden. Bei großer Tumorausdehnung und/oder Metastasen und generell ab Grad 2 sind zusätzliche Maßnahmen wie Bestrahlung und/oder Chemotherapie mit zellwachstumshemmenden Medikamenten (Zytostatika) erforderlich.



      Operierbare Tumoren ohne Fernmetastasen

      Die Operationstechnik richtet sich nach Größe, Lage und Wachstumsverhalten des Tumors. Viele Weichteilsarkome respektieren in ihrem Wachstum über längere Zeit die natürlichen Raumgrenzen im Körper, wie zum Beispiel die Bindegewebshülle (Faszie) der Muskulatur. In einiger Distanz zum Tumor finden sich aber öfters mikroskopisch kleine Tochterzellnester. Deshalb wird oft der Tumor mit dem gesamten Gewebe des betroffenen Körperraumes einschließlich der Hülle entfernt (Kompartiment-resektion). Bei einem Sarkom eines Beinmuskels etwa wird dann die ganze Muskelgruppe einschließlich der durchlaufenden Blut- und Lymphgefäße und der Faszien herausoperiert.

      Diese Art der Operation ist - besonders bei Tumoren im Kopf-Halsbereich und am Rumpf - aufgrund ungünstiger Lage und Ausdehnung des Sarkoms oft nicht möglich. Außerdem bedeutet die Kompartimentresektion eine wesentliche Funktionseinbuße und kosmetische Beeinträchtigungen, die mit wiederherstellenden Eingriffen nur teilweise zu beheben sind.

      Daher wird heute der Tumor häufig mit einem weiten Saum gesunden Gewebes entfernt und die Region zusätzlich bestrahlt. Dadurch sollen kleinste Tumorzellnester in der Umgebung erfaßt werden, die Rückfälle verursachen können und durch bildgebende Diagnoseverfahren nicht nachweisbar sind. Nur bei kleinen Tumoren vom Grad 1 kann eine Entfernung weit im Gesunden alleine ausreichend sein.



      Nicht vollständig operierbare Tumoren ohne Fernmetastasen

      Ergeben die bildgebenden Untersuchungen, daß der Tumor nicht komplett entfernt werden kann, so kann vor der Operation mittels Bestrahlung und/oder Chemotherapie versucht werden, die Geschwulst so weit zu verkleinern, daß eine vollständige Operation möglich wird. Sitzt der Tumor in einer Gliedmaße, so kann zu diesem Zweck eine regionale Chemotherapie in Frage kommen: Dabei wird der Kreislauf der Extremität für die Dauer der Medikamentengabe vom übrigen Körper isoliert und mit dem Zytostatikum durchströmt (Extremitätenperfusion).

      Zusätzlich können Zellhormone wie Tumornekrosefaktor-Alpha und Interferon-Gamma beigegeben und die verwendeten Lösungen erwärmt werden (hypertherme Perfusion); man erhofft sich dadurch eine verstärkte Wirkung. Diese Methoden sind allerdings noch in der Erprobung.



      Zusätzliche Strahlen- und Chemotherapie nach vollständiger Tumorentfernung

      Von adjuvanter Strahlen- oder Chemotherapie spricht man, wenn nach kompletter Tumorentfernung zur Sicherheit zusätzlich bestrahlt oder medikamentös behandelt wird, um verstreute Tumorzellnester, die im Körper zurückgeblieben sind zu vernichten.

      Die adjuvante Strahlentherapie ist immer nötig, wenn nicht ganze Kompartimente entnommen werden (s.oben).

      Die Entscheidung zu einer adjuvanten Chemotherapie ist wegen der erheblichen Nebenwirkungen sorgfältig abzuwägen. Bisher ist nicht völlig geklärt, in welchen Krankheitssituationen die adjuvante Chemotherapie bei erwachsenen Sarkompatienten wesentliche Vorteile bringt. Deshalb sollte sie nur im Rahmen von klinischen Studien durchgeführt werden.



      Tumor mit Fernmetastasen

      Bei metastasierten Weichteilsarkomen sind mit Operationen des Ersttumors und der Metastasen unter Umständen langfristige tumorfreie Phasen zu erreichen. Dies gilt vor allem, wenn nur die Lunge von wenigen Tochtergeschwülsten befallen ist. Auch wiederholte Eingriffe bei erneutem Auftreten von Metastasen sind grundsätzlich möglich.

      Zusätzlich zur Operation wird eine Chemotherapie durchgeführt. Dies kann im Anschluß an den chirurgischen Eingriff oder bei ausgedehnten Tumoren in ungünstiger Lage auch (zusätzlich) vor der Operation geschehen. Sprechen Tumor und Metastasen dann auf die Zytostatika an, so werden sie nach Abschluß der Chemotherapie (in der Regel nach 4-6 Monaten) abhängig von Lage und Ausdehnung radikal entfernt.



      Örtlicher Tumorrückfall

      Falls keine Metastasen bestehen, kann auch ein erneut aufgetretener Tumor wieder radikal operiert werden. Bei Tumoren an den Extremitäten bedeutet dies häufig die Amputation. Kann die wieder aufgetretenen Geschwulst komplett entfernt werden, ist die Heilungschance gleich gut wie beim Ersttumor.



      Metastasen nach zunächst erfolgreicher Operation

      Sehr häufig bleiben Weichteilsarkom-Metastasen, die irgendwann nach kompletter Entfernung des Ersttumors auftreten, auf die Lunge beschränkt. Falls es eine oder wenige Metastasen sind, kann oft mit einer Operation nochmals eine langfristige Tumorfreiheit erreicht werden. Eine anschließende zusätzliche Chemotherapie ist zu erwägen, besonders bei Tumoren vom Grad 3. Alternativ ist eine Chemotherapie vor dem chirurgischen Eingriff möglich, ob dies Vorteile bringt, ist allerdings noch nicht geklärt .



      Behandlung der fortgeschrittenen Erkrankung mit vielfachen Metastasen

      Ist die Erkrankung schon fortgeschritten und bestehen bereits Metastasen außerhalb der Lunge, so kommt als Ersttherapie nur eine Behandlungsform in Frage, die den ganzen Körper erfaßt, also eine systemische Chemotherapie.

      "Aggressive" Behandlungen mit mehreren Substanzen sind bei jüngeren Patienten in gutem allgemeinen Gesundheitszustand vertretbar, wenn man sich einen Erfolg verspricht. Bei älteren Patienten ist das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen für eine solch belastende Vorgehensweise zu hoch.

      Wird die Chemotherapie allein zur Symptomlinderung (palliativ) eingesetzt, so sollten möglichst nebenwirkungsarme Kombinationen oder Einzelsubstanzen verwandt werden, um die Lebensqualität nicht weiter zu beeinträchtigen.

      Auch in Stadien der Erkrankung, die nicht mehr mit heilender Absicht zu behandeln sind, können Operationen und Bestrahlungen sinnvoll sein, vor allem bei Tumoren oder Metastasen, die Schmerzen verursachen, die Funktion von Organen beeinträchtigen oder entstellend wirken. Die Auswahl der geeigneten Maßnahmen ist von der individuellen Situation abhängig.

      Knochenmetastasen, die bei fortgeschrittenen Sarkomerkrankungen auftreten, können durch Schmerzen, Bruchgefahr und Freisetzung von Kalzium aus der Knochensubstanz Probleme bereiten. Diese Folgen lassen sich durch Bestrahlung der Metastasen häufig abwenden. Auch mit der Gabe von bestimmten radioaktiven Substanzen, die sich in erkranktem Knochen anreichern und ihn von innen bestrahlen, können Rückbildungen der Knochentumoren erreicht werden (Radionuklidtherapie).

      Beide Methoden sind überdies effektive Mittel zur Schmerzbekämpfung. Im Bereich der Wirbelsäule ist unter Umständen eine Operation zur Stabilisierung des gefährdeten Bereichs und zur Druckentlastung des Rückenmarks notwendig.



      Technik der Strahlentherapie

      Bei der Strahlentherapie von Sarkomen befindet sich die Strahlenquelle normalerweise außerhalb des Körpers. Durch Begrenzung des bestrahlten Feldes und durch gezielte Bewegung der Strahlenquelle wird das gesunde Gewebe so weit wie möglich geschont. Die gesamte Strahlendosis ist in eine Reihe von Einzelbestrahlungen aufgeteilt, in der Regel 4 bis 5 pro Woche.

      Neben energiereichen elektromagnetischen Strahlen können bei Sarkomen auch Teilchenstrahlen (Neutronen) zum Einsatz kommen. Hohe Strahlendosen können bei dieser Strahlungsart sehr genau auf den Tumorbereich begrenzt verabreicht werden. Das Verfahren ist allerdings noch in Entwicklung und wegen der technisch aufwendigen Erzeugung der Neutronenstrahlung nur begrenzt verfügbar.



      Weitere Therapieverfahren

      In klinischen Studien wird unter anderem die Kombination von Strahlentherapie mit Zytostatikagabe untersucht - vor allem bei Sarkomen die zunächst nicht operierbar erscheinen. Auch bei Rückfällen in vorbestrahlten Bereichen, wo keine vollen Strahlendosen mehr gegeben werden können, wurden mit der kombinierten "Radiochemotherapie" ermutigende Ergebnisse erzielt.

      In ähnlich gelagerten Fällen wird die Kombination aus Strahlentherapie und der Einspritzung von Interferon-Beta in den Tumor untersucht. Dieses Verfahren ist offenbar gut verträglich und hat in einzelnen Fällen gute Resultate erbracht.



      Nebenwirkungen der Chemotherapie

      Unerwünschte Begleiterscheinungen der Chemotherapie resultieren daraus, daß nicht nur der Krebs, sondern auch normale Gewebe geschädigt werden. Besonders Gewebe, deren Zellen sich häufig teilen und erneuern, sind betroffen - je nach Medikament in erster Linie die Schleimhäute von Magen und Darm, das blutbildende System im Knochenmark und die Haarwurzeln. Die Folgen sind Entzündungen der Schleimhäute, Übelkeit, Erbrechen, Haarausfall und eine vorübergehende Abnahme an weißen Blutkörperchen und Blutplättchen. Mit zusätzlichen Medikamenten können diese Begleiterscheinungen, die individuell unterschiedlich ausgeprägt sein können, gelindert werden.

      Bei der lokalen Chemotherapie durch Extremitätenperfusion (siehe oben) sind wesentlich weniger ausgeprägte Nebenwirkungen zu erwarten.



      Wiederherstellende Operationen

      Die Operationen von Weichteilsarkomen sind technisch anspruchsvoll, da oft große Gewebebereiche entfernt werden müssen, ohne die Funktion der benachbarten Strukturen zu sehr zu beeinträchtigen.

      Ziel der Wiederherstellungschirurgie und der plastischen Chirurgie ist es, größere Gewebedefekte auszugleichen und die Funktion so weit wie möglich wiederherzustellen. Dies kann entweder schon während der ersten Operation unmittelbar im Anschluß an die Tumorentfernung geschehen, oder in einem zweiten Eingriff eventuell nach weiteren Therapiemaßnahmen wie Bestrahlung und Chemotherapie.

      Gewebeverluste können ausgeglichen werden, indem Hautmuskellappen oder reine Muskellappen am Körper verschoben werden, wobei die Blutversorgung ständig erhalten bleibt. Auch eine frei Verpflanzung von Gewebe ist möglich. Dies bedingt natürlich eine kurzfristige Unterbrechung der Blutzufuhr. Am Zielort werden Blutgefäße des verpflanzten Gewebes mittels feiner Nähte unter dem Operationsmikroskop an Arterien und Venen der Umgebung angeschlossen; auch Nerven können neu vernäht werden. Mit dieser Technik werden Haut, Muskeln, Knochen oder sogar ganze Gliedmaßenteile verpflanzt, wobei unter Umständen auch Empfindung und/oder Muskelkontraktion im versetzten Gewebe ermöglicht werden können. Auch reine Nerventransplantationen werden durchgeführt, allerdings mit begrenztem Erfolg. Der Verlust von Knochen und Gelenken kann durch Metall- oder Keramikteile kompensiert werden.



      Amputation und Prothesen

      Trotz fortgeschrittener Operations- und Behandlungsmethoden sind Amputationen nicht immer vermeidbar. Der Verlust einer Gliedmaße oder eines Teils davon belastet den Patienten in verschiedener Hinsicht: durch Verlust der körperlichen "Ganzheit" und Reaktionen des sozialen Umfelds und natürlich durch die entstandene Behinderung.

      Prothesen-Versorgung und Rehabilitation sollten daher möglichst frühzeitig beginnen. Bei der Frühversorgung wird nach Abschluß der Wundheilung, ca. 2 Wochen nach der Operation, ein vorläufige Prothese angepaßt. Da der Gliedmaßenstumpf erst nach drei bis sechs Monaten seine endgültige Form hat, kann erst dann die bleibende Prothese hergestellt werden. Prothesen können starr oder beweglich sein, manche können durch Muskelzug oder motorischen Antrieb bewegt werden.

      Der Umgang mit der Prothese ist anfangs natürlich ungewohnt und bedarf der Eingewöhnung. Bewegungs- und Kräftigungsübungen sowie Gangschulung können im Rahmen der Krankengymnastik betrieben und gelernt werden. Auch Tätigkeiten aus Alltag un Beruf werden in der Rehabilitation gezielt geübt.



      Schmerzbehandlung

      In fortgeschrittenen Stadien der Krebserkrankung können für den Patienten die Schmerzen im Vordergrund stehen und seine Lebensqualität stärker beeinflussen als der Tumor selbst. Die wirksame Schmerzbekämpfung ist hier eine der wichtigsten Maßnahmen. Ein gute Schmerztherapie ist immer individuell auf die Schmerzsituation des Patienten abgestimmt.

      Mit den heute verfügbaren Medikamenten und Methoden lassen sich Tumorschmerzen in den meisten Fällen gut lindern. Im Vordergrund steht die Behandlung mit Tabletten. Je nach Schmerzstärke stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, die bei Bedarf kombiniert werden. Bei starken Schmerzen werden Opioide eingesetzt. Diese Abkömmlinge des Morphins sind die wirksamsten Schmerzmedikamente. Sie sind mittlerweile auch als Pflaster oder Nasenspray erhältlich. Bei der Schmerzbehandlung kommt es darauf an, daß die Medikamente nach einem festen Zeitplan eingenommen werden und nicht erst dann, wenn die Schmerzen wieder auftreten.

      Sind die Schmerzen so stark, daß Tabletten nicht mehr wirken, besteht die Möglichkeit, Opioide direkt in die Umgebung des Rückenmarks einzubringen. Das funktioniert über Katheter mit Pumpen oder die Einpflanzung von Reservoirsystemen, die eine kontinuierliche Opioidabgabe sicherstellen.

      Bei schmerzhaften Knochenmetastasen bringt eine gezielte Bestrahlung Linderung. Bei ausgedehntem Tumorbefall des Skeletts lassen sich auch mit der Gabe von radioaktiven Substanzen, die sich in erkranktem Knochen anreichern und ihn von innen bestrahlen, Rückbildungen der Knochentumoren und damit Schmerzlinderung erreichen (Radionuklidtherapie).



      Leben mit der Erkrankung


      Wie geht es nach der Behandlung weiter ?

      Nach Abschluß der Behandlung ist der Patient im besten Fall dauerhaft von seinem Tumor befreit. Die weitere medizinische Betreuung dient dazu, unerwünschte Folgen der Therapie, aber auch einen möglichen Rückfall, zu erkennen und zu behandeln. Je früher eine erneutes Auftreten der Erkrankung entdeckt wird, desto besser sind die Behandlungschancen.

      Bei Patienten mit Funktionsverlusten, besonders nach Amputationen, kann der Arzt die Fortschritte der Rehabilitation beurteilen und wenn nötig weitere Maßnahmen einleiten.

      In der Regel sind Untersuchungstermine im Rahmen der Nachsorge zunächst alle drei Monate später etwa alle sechs Monate erforderlich. Die Diagnostik umfaßt normalerweise körperliche Untersuchung, Labortests, und je nach ursprünglichem Sitz des Tumors bildgebende Untersuchungen mit Röntgen, Ultraschall, Computertomographie oder Kernspintomographie.
      Avatar
      schrieb am 28.11.00 14:40:56
      Beitrag Nr. 140 ()
      Krebsvorbeugung und Früherkennung

      Bei verschiedenen Krebsarten kann das Erkrankungsrisiko durch eine gesundheitsbewußte Lebensweise entscheidend gesenkt werden. Außerdem sind bei vielen Krebserkrankungen die Aussichten auf erfolgreiche Behandlung wesentlich höher, wenn sie frühzeitig erkannt werden.
      Im Rahmen des Programms "Europa gegen den Krebs" der Europäischen Kommission hat ein Gremium von Krebsexperten den "Europäische Kodex zur Krebsbekämpfung" formuliert.

      Die 10 Empfehlungen des Kodex zeigen auf, welche Verhaltensweisen im täglichen Leben das persönliche Krebsrisiko senken können, welche körperlichen Anzeichen auf eine Krebserkrankung hinweisen können und welche Methoden der Krebsfrüherkennung europaweit angewendet werden.


      Europäischer Kodex zur Krebsbekämpfung

      Bestimmte Krebskrankheiten können vermieden werden, und der allgemeine Gesundheitszustand läßt sich verbessern, wenn Sie gesundheitsbewußter leben.


      1.
      Rauchen Sie nicht! Raucher sollten so schnell wie möglich aufhören und schon gar nicht in Anwesenheit anderer rauchen

      2.
      Verringern Sie Ihren Alkoholkonsum! Das gilt für Bier, Wein und Spirituosen.

      3.
      Erhöhen Sie Ihren täglichen Verzehr an frischem Obst und Gemüse sowie an ballaststoffreichen Getreideprodukten.

      4.
      Vermeiden Sie Übergewicht, sorgen Sie für mehr körperliche Bewegung und begrenzen Sie die Aufnahme fettreicher Nahrungsmittel.

      5.
      Vermeiden Sie übermäßige Sonnenbestrahlung und Sonnenbrände; dies gilt insbesondere für Kinder

      6.
      Halten Sie genauestens die Vorschriften ein, durch die Sie vor einem Kontakt mit krebserregenden Stoffen geschützt werden sollen. Folgen Sie genau den Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften über Substanzen, die Krebs verursachen können.

      Es ließen sich mehr Krebskrankheiten heilen, wenn sie früher erkannt würden.

      7.
      Gehen Sie zum Arzt, wenn Sie eine ungewohnte Schwellung bemerken, eine Wunde (auch im Mund), die nicht abheilt, eine Veränderung der Form, Größe oder Farbe an einem Hautmal oder eine abnorme Blutung.

      8.
      Gehen Sie zum Arzt, wenn Sie andauernde Beschwerden haben wie chronischen Husten oder anhaltende Heiserkeit, eine Veränderung beim Stuhlgang oder beim Urinieren feststellen oder wenn Sie unerklärlichen Gewichtsverlust bemerken.

      Für Frauen

      9.
      Lassen Sie regelmäßig einen Abstrich vom Gebärmutterhals machen. Nutzen Sie die systematischen Früherkennungsuntersuchungen auf Gebärmutterhalskrebs.

      10.
      Untersuchen Sie regelmäßig Ihre Brüste. Nutzen Sie die Früherkennungsuntersuchungen auf Brustkrebs, wen Sie über 30 sind. Wenn Sie über 50 sind, besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob Mammographieuntersuchungen für Sie notwendig sind.


      Gesetzliches Krebsfrüherkennungsprogramm in Deutschland:

      Über die Empfehlungen des Kodex hinaus existiert in Deutschland ein breiteres gesetzliches Früherkennungsprogramm für Frauen und Männer, das folgende Untersuchungen einschließt.

      Untersuchte Organe:


      Frauen ab 20 Jahre

      ab 30 Jahre


      ab 45 Jahre


      Männerab 45 Jahre


      Innere und äußere Geschlechtsorgane
      Brust und Haut


      Enddarm / Mastdarm


      Enddarm / Mastdarm, Prostata



      Methode
      Gezielte Fragen nach Vorgeschichte und Krankheitserscheinungen (Blutungen, Hautveränderungen, Blut oder Schleim im Stuhl)

      Körperliche Untersuchung

      Test auf verstecktes Blut im Stuhlgang

      Abtastung der Brüste, Anleitung zur Selbstuntersuchung der Brust,
      für Risikogruppen: Mammographie

      Die Kosten der jährlichen Untersuchungen werden von den Krankenkassen übernommen.


      Tumorzentren in Deutschland

      Hier aufgeführt sind in alphabetischer Reihenfolge die Internet-Adressen der Geschäftstellen deutscher Tumorzentren und onkologischer Schwerpunkte, die Informationen zur Behandlung und Versorgung für Krebspatienten und ihre Angehörigen bieten.

      Die onkologischen Abteilungen vieler Universitätskliniken, onkologischer Schwerpunkte und andere wichtige Einrichtungen der Krebstherapie haben inzwischen auch eigene Internetseiten mit Informationen zur Krebsdiagnose und -therapie eingerichtet. Sie können meist nach dem Muster http://www.uni-NamederStadt.de oder http://www.NamederStadt.de im Internet gesucht werden.
      Diese Seiten wurden zuletzt im August 2000 aktualisiert.


      Augsburg
      Tumorzentrum Augsburg, Pathologisches Institut des Krankenhaus-Zweckverbandes
      www.klinikum-augsburg.de/kliniken/zentralklinikum/default.htm

      Berlin
      Tumorzentrum Berlin e.V.
      Dachverband der Berliner Tumorzentren
      www.tzb.de

      Bonn
      Tumorzentrum Bonn der Medizinischen Universitätsklinik
      www.osp-bonn.de/

      Cottbus
      Brandenburgisches Tumorzentrum – Onkologischer Schwerpunkt Cottbus
      www.CTk.de/

      Dessau
      Tumorzentrum Anhalt am Städtischen Klinikum Dessau e.V.
      www.klinikum-dessau.de/tumorz.htm

      Dresden
      Tumorzentrum Dresden e.V.
      www.imib.med.tu-dresden.de/tzd/index.html

      Erfurt
      Klinikum Erfurt GmbH
      www.klinikum-erfurt.de

      Erlangen - Nürnberg
      Tumorzentrum der Universität Erlangen-Nürnberg
      www.uni-erlangen.de/tumorzentrum/

      Essen
      Westdeutsches Tumorzentrum Essen e.V.
      www.uni-essen.de/wtze/

      Frankfurt
      Tumorzentrum Rhein-Main e.V. der Universitätskinderklinik
      www.klinik.uni-frankfurt.de/Tumorzentrum

      Freiburg
      Tumorzentrum Freiburg
      www.ukl.uni-freiburg.de/zentral/tumorzen/homede.html

      Göttingen
      Tumorzentrum Göttingen e.V.
      www.mi.med.uni-goettingen.de/Tumorzentrum/

      Greifswald
      Tumorzentrum Vorpommern e.V.
      www.medizin.uni-greifswald.de/tzentrum/

      Halle
      Tumorzentrum Halle
      www.medizin.uni-halle.de/tumorzentrum/

      Hannover
      Tumorzentrum Hannover
      www.mh-hannover.de/institut/tumorzentrum/index.html

      Heidelberg/Mannheim
      Tumorzentrum Heidelberg/Mannheim
      http://tumorzentrum-hdma.de

      Homburg/Saar
      Universitätskliniken des Saarlandes
      Tumorzentrum Homburg
      www.med-rz.uni-sb.de/med_fak/skz/index.html

      Jena
      Tumorzentrum Jena e.V.
      www.med.uni-jena.de/tumor/

      Kiel
      Tumorzentrum Kiel
      www.uni-kiel.de/tzk/

      Leipzig
      Tumorzentrum am Universitätsklinikum Leipzig e.V.
      www.uni-Leipzig.de/~tuz/index.htm

      Mainz
      Tumorzentrum Rheinland-Pfalz e.V.
      http://info.imsd.uni-mainz.de/TUZ.


      München
      Tumorzentrum München
      www.med.uni-muenchen.de/tzm/index-frame.html

      Münster
      Krebsberatungsstelle des Tumorzentrum Münsterland e.V.
      www.krebsberatung-muenster.de


      Nürnberg - Erlangen
      Tumorzentrum der Universität Erlangen-Nürnberg
      www.uni-erlangen.de/tumorzentrum/

      Oldenburg
      Regionales Tumorzentrum Weser-Ems
      www.tuz-weser-ems.de/

      Regensburg
      Tumorzentrum Regensburg e.V.
      www.uni-regensburg.de/Einrichtungen/Klinikum/Tumorzentrum/

      Stuttgart
      Onkologischer Schwerpunkt Stuttgart e.V.
      www.osp-stuttgart.de

      Suhl
      Regionales Tumorzentrum Suhl e.V.
      www.tumorzentrum-suhl.de/

      Tübingen
      Interdisziplinäres Tumorzentrum Tübingen
      www.medizin.uni-tuebingen.de/itz/

      Ulm
      Universitätsklinikum Ulm
      www.uni-ulm.de/klinik/tzu/

      Wiesbaden
      Onkologischer Schwerpunkt HSK,
      Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken GmbH, Wiesbaden
      www.hsk-wiesbaden.de/osp_start.htm

      Würzburg
      Interdisziplinäres Tumorzentrum Würzburg
      http://www.uni-wuerzburg.de/tumorzentrum/

      Zwickau
      Südwestsächsisches Tumorzentrum Zwickau e.V.
      www.zwickau.de/zFrame/Soziales.htm
      Avatar
      schrieb am 28.11.00 15:03:02
      Beitrag Nr. 141 ()
      BSE, Creutzfeldt-Jakob & Co. oder: Ist Wahnsinn übertragbar?

      Kaum ein Thema hat in letzter Zeit in Wissenschaft und Öffentlichkeit soviel Aufsehen, Angst und kontroverse Diskussionen ausgelöst wie die übertragbaren spongiformen Enzephalopathien (TSE), also schwammartige Veränderungen des Gehirns.
      Obwohl diese Krankheitsform bei Schafen schon seit 200 Jahren bekannt ist, hatte lange Zeit niemand eine Bedrohung für den Menschen gesehen.
      In der Forschung führte die Suche nach dem Erreger immer ein Schattendasein und wurde bis zum Beginn dieses Jahrzehnts auch nie als Forschungsschwerpunkt angesehen.
      Als es dann Anfang der 90er Jahre zu einer Epidemie unter Rindern (BSE) kam, wurden diese Erkrankungen von heute auf morgen wirtschaftspolitisch wichtig.
      Forschungsgelder begannen zu fließen und die Medien wurden aufmerksam. Als dann die Befürchtung, daß spongiforme Enzephalopathien auf den Menschen übertragen werden könnte, immer wahrscheinlicher wurde, wurde dieses Forschungsgebiet sofort zu einem Hauptthema auf der politischen Tagesordnung.

      Was sind spongiforme Enzephalopathien?

      Übertragbare spongiforme Enzephalopathien sind degenerative Hirnerkrankungen, bei denen durch Proteinablagerungen (Plaquebildung) die Nervenzellen zugrunde gehen und ein löchriges, schwammartiges Hirn zurücklassen.
      Diese Krankheitsform ist seit langer Zeit bei den unterschiedlichsten Spezies bekannt. So gibt es Scrapie bei Schafen, FSE (Feline Spongiforme Enzephalopahtie) bei Katzen sowie Kuru, CJD (Creutzfeldt-Jakob-Krankheit) und andere Erkrankungen beim Menschen.
      Bei Scrapie hat man schon vor 200 Jahren herausgefunden, daß diese Krankheit in befallenen Herden von Tier zu Tier übertragen wird und daß man erkrankte Tiere aussondern muß.
      Beim Menschen sind verschiedene Krankheiten bekannt.
      Zu diesen gehören das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS) und die Fatale Familiäre Insomnie (FFI), die beide auf eine genetische Disposition zurückzuführen sind und die vererbt werden. Bei CJD hingegen trifft man zusätzlich auf willkürlich verteilte Fälle, denen man noch kein allgemeingültiges Schema zuordnen kann.
      Man spricht deshalb von sporadischer CJD. Einen solchen Fall hat es wohl auch einmal in Papua-Neuguinea gegeben, wo diese Krankheit aber plötzlich ungeahnten Nährboden fand. Der dortige Stamm hat aus rituellen Gründen die Hirne der Verstorbenen gegessen.
      Dabei wurde auch die Krankheit übertragen und verbreitet. Im Gegensatz zu der sporadischen Form von CJD hat diese Krankheit, auch Kuru genannt, junge Menschen und Kinder genauso getroffen wie ältere. Als der Wissenschaftler C. Gajdusek diese Krankheit erforschte und den Eingeborenen der rituelle Kanibalismus untersagt wurde, konnte die Kuru eingedämmt und schließlich ganz ausgelöscht werden. Für die Forscher bleibt beim Vergleich von dieser Krankheit und Scrapie ein wichtiger Unterschied festzuhalten.
      Während es über die Jahrhunderte, in denen Menschen Scrapie-infizierte Schafe verzehrten, zu keiner Epidemie beim Menschen kam, reichte der gelegentliche Verzehr von Gehirn infizierter Menschen aus, in Papua-Neuguinea eine Kuru-Epidemie auszulösen.
      Es gibt also offensichtlich in Bezug auf die Ansteckungsgefahr für den Menschen einen gewaltigen Unterschied zwischen den unterschiedlichen mit spongiformen Enzephalopathien infizierten Nahrungsmitteln, was es ganz schwierig macht, die Ansteckungsgefahr abzuschätzen.

      Die Epidemie beim Rind - eine Epidemie beim Menschen?

      So war auch der Ausbruch der „Rinderseuche“ BSE (Bovine Spongiforme Enzephalopathie) nicht vorherzusehen, die seit Mitte der 80er Jahre in Großbritannien mehrere hunderttausend Rinder erfaßt hat.
      Ausgelöst wurde diese Epidemie durch große Mengen Tiermehl von Schafen, die an Rinder seit Anfang der 80er Jahre in Großbritannien verfüttert wurden, um die Milch- und Fleischerträge zu steigern.
      In der modernen Konsumgesellschaft verlangt der Verbraucher immer mehr nach billigeren, aber qualitativ hochwertigen Produkten, auch beim Fleisch.
      Um dieses zu erreichen, wurden und werden bei Schlachttieren Manipulationen vorgenommen. So gibt man Kälbern Hormonpräparate oder mischt dem Grünfutter proteinhaltige Beimengungen zu.
      Das billigste und nahrhafteste Produkt ist hierbei Tiermehl, das man aus den Körpern toter Tiere gewinnt. Hierbei kommt es teilweise zum vom Menschen verursachten Kanibalismus, das heißt, Tiere bekommen die Überbleibsel toter Artgenossen zu fressen. Andererseits ist unbestreitbar, daß es sich hierbei um ein kostengünstiges und effektives Kraftfutter handelt. Wenn dieses Tiermehl entsprechend behandelt wurde, besteht es fast ausschließlich aus Proteinen, die dem Wachstum der Tiere sehr förderlich sind.
      Tiermehl wird aufwendig hergestellt, um Infektionsgefahren auszuschließen; es ist kein chemisches Produkt, sondern stammt aus natürlichen Quellen.
      In Großbritannien hatte man versucht, dieses an sich schon billige Zusatznahrungsmittel durch eine reduzierte Behandlung mit Hitze und chemischen Lösungsmitteln noch günstiger zu machen.
      Auch bei diesem Verfahren war zu erwarten, daß die meisten Erreger im Tiermehl abgetötet werden, was aber im Fall des BSE-Erregers nicht zutraf.
      Die BSE-Epidemie unter den Rindern, an die das Tiermehl verfüttert wurde, war nicht zu erwarten gewesen, da man mit einem so resistenten Erreger wie diesem nicht rechnete.
      Es war also kein gewolltes Verbrechen oder einkalkuliertes Risiko, es war Unwissenheit, bzw. Unvorsichtigkeit, die zur BSE-Epidemie führte.
      Während es durch Scrapie-infizierten Schafe in der Nahrungskette bisher zu keiner Epidemie beim Menschen kam, ließ die BSE-Seuche die Öffentlichkeit aufschrecken: Würde das BSE-belastete Rindfleisch beim Menschen nun ebenfalls spongiforme Enzephalopathien hervorrufen?
      Bisher ist noch keine große Epidemie beim Menschen ausgebrochen, aber einige Creutzfeldt-Jakob-Patienten in Großbritannien mit einer neuen Variante der Krankheit lassen Beunruhigung aufkommen. Sind sie die ersten Opfer einer Epidemie, die gerade den Anfang nimmt, sozusagen die Spitze des Eisbergs?
      Da bei den meisten spongiformen Enzephalopathien mehrjährige Inkubationszeiten beobachtet werden, bleibt abzuwarten ob beim Menschen eine große Epidemie in der nächsten Zeit ausbrechen, oder ob es bei den wenigen ungewöhnlichen Creutzfeldt-Jako-Fällen in Großbritannien bleiben wird.

      Der Erreger
      Im Gegensatz zur gängigen Meinung ist derzeit der Erreger der spongiformen Enzephalopatien nicht gefunden.
      Man weiß, daß bei der schwammartigen Verformung des Gehirns ein falsch gefaltetes Protein eine Rolle spielt. Das sogenannte körpereigene Prionenprotein PrPc (von cellular), dessen normale Funktion bisher ungeklärt ist, faltet sich plötzlich um.
      Diese veränderte Form PrPSc (von Scrapie, der ersten erforschen Krankheit) lagert sich zusammen und bildet die Ablagerungen (Plaques), die das Absterben der Nervenzellen bewirken.
      Verfechter der sogenannten Prionentheorie vermuten, daß die falsch gefaltete Form des Prionenprotein selbst der Erreger ist.
      Diese Theorie widerspricht allen bisher bekannten Tatsachen. Jeder bis heute identifizierte Krankheitserreger enthält als Erbinformation DNA oder RNA.
      Eine solche Nukleinsäure, die bei der Infektion eine Rolle spielt, konnte aber in dem Fall der spongiformen Enzephalopathien bisher nicht gefunden werden.
      Das infektiöse Gewebe aus Hirn von erkrankten Tieren enthält zum größten Teil die falsch gefaltete und sehr stabile Form des Prionenproteins PrPSc.
      Stanley Prusiner hat eine Theorie entwickelt, nach der dieses Protein der eigentliche Erreger ist.
      Der an der Universtität Düsseldorf tätige Prof. Detlev Riesner ist der gleichen Auffassung, da seine Versuche zur Identifizierung einer Nukleinsäure fehlgeschlagen sind und er gezeigt hat, daß infektiöses Gewebe nur sehr geringe Mengen an Nukleinsäuren enthält.
      Demgegenüber stehen andere Arbeitsgruppen, die behaupten, daß die eigentliche Nukleinsäure aufgrund des riesigen Proteinüberschusses bisher nicht klar identifiziert werden konnten.
      Zu dieser Gruppe gehört auch Prof. Heino Diringer vom Robert-Koch-Institut in Berlin, der mit neuen Aufreinigungsmethoden den Erreger isolieren will.
      In der Öffentlichkeit wird seit einigen Jahren die vormals belächelte Prionen- oder Protein-Only-Theorie bevorzugt.
      So hat ihr populärster Verfechter, Stanley Prusiner, für diese Hypothese den Nobelpreis für Medizin 1997 erhalten.
      Dennoch fehlt der Theorie immer noch ein experimenteller Beweis. Bisher sind alle Versuche gescheitert, spongiforme Enzephalopathien bei Versuchtieren mit einer künstlich (molekularbiologisch) hergestellten PrPSc-Form des Prions auszulösen.
      Aufgrund dieser Befunde postuliert Prusiner inzwischen einen unbekannten Faktor X, der bisher nicht identifiziert werden konnte, aber für die Übertragung von Bedeutung sein soll.
      Eventuell findet an dieser Stelle doch noch eine Nukleinsäure Eingang in die Prionentheorie.
      Zweifelsfrei steht fest, daß das Prionenprotein an der Krankheit beteiligt ist, es ist aber weiterhin fraglich, ob es der Auslöser ist.

      Ausblick

      Es bleibt zu hoffen, daß der Erreger der spongiformen Enzephalopathien bald eindeutig identifiziert wird, damit diese Krankheiten in Zukunft verstanden und behandelt werden können.
      Egal, wer letztlich diesen Disput für sich entscheidet und welche Theorie bestätigt wird, der Verbraucher und seine Gesundheit müssen im Vordergrund stehen.
      Avatar
      schrieb am 28.11.00 15:10:26
      Beitrag Nr. 142 ()
      Ausschnitt aus dem Stammhirn eines kranken Rindes

      Die Abkürzung BSE steht für bovine spongiforme Enzephalopathie, was sich mit "schwammartige Hirnerkrankung bei Rindern" übersetzen lößt. Sie äußert sich anfangs durch Verhaltensstörungen (Aggressivität, Torkeln, Einknicken) und führt nach etwa sechs Monaten zum Tod. In den Gehirnen der erkrankten Tiere findet man kleine Löcher, die von abgestorbenen Nervenzellen stammen. Deshalb sieht das Gewebe unter dem Mikroskop "schwammartig" aus. Das Krankheitsbild und die Übertragbarkeit der Rinderseuche ähneln dabei Gehirnerkrankungen von anderen Tieren, z.B. Schafe und Ziegen (Traberkrankeit oder Scrapie), aber auch von Menschen (Creutzfeldt-Jakob-Demenz, Kuru, tödliche Schlaflosigkeit).


      Jede Krankheit schädigt bestimmte Regionen des menschlichen Gehirns


      Obwohl die Ursache der Krankheit noch umstritten ist, können nicht nur Rinder mit BSE infiziert werden, sondern auch Schafe, Ziegen, Schweine, Katzen und Affen. Neurere Untersuchungen an Mäusen (Nature, 02.10.97) haben eindeutig Indizien dafür geliefert, dass die Rinderseuche grundsätzlich auch auf den Menschen übertragbar ist.
      Innerhalb der letzten zwei Jahre sind 23 Menschen (22 Briten, 1 Franzose) an einer neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Demenz (vCJD) gestorben, die sich durch die Krankheitsdauer und das Alter der Patienten wesentlich von der klassischen Form unterschied: Während normale CJD-Patienten im Mittel mit 60 Jahren erkrankten, lag das Durchnittsalter bei der neuen Variante bei 29 Jahren! Glücklicherweise ist BSE keine Krankheit, die durch Tröpfcheninfektion (wie z.B. beim Schnupfen) übertragen wird. Damit die Rinderseuche weitergereicht wird, muss infektiöses Material (v.a. Gehirn, Rückenmark, und Innereien) aufgenommen werden. Die Dosis der Erreger entscheidet dabei über das Risiko an BSE (= vCJD) zu erkranken.


      Während verschiedene Innereien hochinfektiös sein können, ist der Erreger in Muskelfleisch und Milch kaum nachweisbar


      Was tun?
      Das Risiko, dass Sie sich unwissentlich mit BSE-haltigem Material in Deutschland infiziert haben ist wahrscheinlich sehr gering. Trotzdem sind sich die Experten unsicher, weil die Inkubationszeiten 5-10 Jahre betragen. Die Schätzungen reichen von wenigen bis 20.000 Patienten, die an der neuen CJD-Variante in den nächsten Jahren weltweit erkranken könnten.
      Trotzdem ist es nicht verkehrt, nach der Herkunft seines Steaks oder seiner Wurst zu fragen und vorläufig den Verzehr von Rinderinnereien einzuschränken. Viele Menschen haben aus dem mangelnden Verbraucherschutz bereits Konsequenzen gezogen und ihren Rindfleischkonsum verringert.


      Verbrauch von Rindfleisch und Geflügel in den letzten 12 Jahren


      Literatur und Links

      Klubertanz, Alex
      Risiko Rindfleisch - der BSE Ratgeber
      Südwest Verlag, München 1996
      http://www.sciencemag.org/feature/data/prusiner/245.html

      Hervorragender Übersichtsartikel des Nobelpreisträgers für alle, die sich für die Wissenschaft vom Prion interessieren. Kleine Animation im Internet.

      Bruce, Moira E. u.a.
      Transmissions to mice indicate that "new variant" CJD is caused by the BSE agent
      (1997) Nature, Band 389, Seite 498

      Wichtiger Fachartikel, der trotz vorsichtiger Formulierung für Furore gesorgt hat.

      Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
      http://www.dainet.de/bml/tiergesundheit/tiergesundheit.htm

      Guter Fragen- und Antwort-Katalog - leider nicht mehr ganz aktuell. Übersicht der gesetzlichen Maßnahmen zum Verbraucherschutz.

      BSE Creutzfeldt-Jakob&Co - oder "Ist Wahnsinn übertragbar?"
      Kletsmeier, 1998

      Gute, allgemein verständliche, wissenschaftliche Abhandlung. Leider gibt es kaum Abbildungen.


      Internationale BSE-Links
      http://www.uni-giessen.de/nutriinfo/bseextra.htm
      Avatar
      schrieb am 28.11.00 15:25:56
      Beitrag Nr. 143 ()
      so leute

      das soll`s mal von mir gewesen sein. wer interessantes findet, soll ruhig weiter posten.

      bzgl. bse und die naivität der verbraucher, die jahrelange täuschung der politiker etc. könnte man sicher einen eigenen thread aufmachen.

      heute bin ich froh, seit 12 jahren auf rindfleisch verzichtet zu haben, sicher fühle ich mich dadurch keineswegs.

      wünsche euch trotzdem eine schöne zeit und vielleicht mache ich irgendwann hier weiter.

      herzliche grüsse und schluss für dieses jahr

      shaky shakesbier
      Avatar
      schrieb am 28.11.00 17:54:31
      Beitrag Nr. 144 ()
      Hallo Shaky,

      natürlich werden wir weiter machen.

      Vielen Dank für Deine Arbeit.

      Grüße

      Torsten
      Avatar
      schrieb am 28.11.00 18:36:11
      Beitrag Nr. 145 ()
      Hallo Shaky, diese Krankheiten, die du in Deinem letzten posting beschreibst, sind Enzephalopathien. Sie können bei allen Säugetieren auftreten.


      Hier mal ein Auszug einer von mir besuchten Vorlesung aus der Uni:

      Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE)

      1. Formen transmissibler neurodegenerativer Erkrankungen des ZNS

      Bsp. Mensch:
      -Creutzfeld-Jakob-Krankheit
      -Gerstmann-Sträußler-Scheinker Syndrom
      Nerz:
      -Transmissible Enzephalolopathie
      Schaf
      -Scrapie
      Rind
      -BSE

      Prionen sind körpereigene Eiweiße(Proteine), die nicht abbaubar sind, da sich ihre Struktur verändert hat.
      Um diese Prionen im ZNS sterben die Neuronen (das sind Nervenzellen im Hirn) nach und nach ab, es bilden sich diese in dem von Shaky reingestellten artikel "Löcher"
      Wie ist BSE "entstanden"? Ende 80er gab es in Australien eine verheerende Seuche unter den schafen, Scrapie. Man wußte damals mit den Kadavermassen nix besseres anzufangen, als Tiermehl draus herzustellen und dieses dann an britische rinder zu verfüttern. Was dann passiert ist, wißt ihr sicher selber.

      Ich möchte noch etwas hinzufügen: Bevor Ihr in aller Panik "Vegetarier" werdet, überlegt euch bitte mal, was sich z.B. hinter Emulgator Lecithin und Gelantin usw. verbirgt...

      Nur diese beiden Stoffe sind fast überall drin, sei es nur eure Pille oder Nutella oder oder oder.... Diese Stoffe werden aus Schlachtabfällen (vom Rind!) gewonnen.

      Noch was: BSE ist nur im fortgeschrittenen stadium nachweisbar, frühestens erst nach 15 Monaten. Also wird BSE nicht in der Kalbsleberwurst nachweisbar sein, auch nicht von der ielgelobten Eurofins. Das beste, was man tun kann ist, die gesetzt rapide zu verschärfen.

      Dieses in allen Medien angepriesene Verfütterungsverbot von Tiermehl besteht zumindest in Deutschland schon seit Jahren (an Kühe zumindest seit ca. 1996?)! Nur wird (oft illegal) Tiermehl in Proteinfutter reingemischt.
      Avatar
      schrieb am 29.11.00 09:40:27
      Beitrag Nr. 146 ()
      Hallo shakesbier,

      vielen Dank für Deine sehr gute Arbeit die Du hier geleistet hast. Ich werde Deine Ausführungen an den hoffentlich bald kommenden Winterabenden lesen.

      Nimm Dir eine Auszeit (Südafrika?), entspann Dich ganz heftig und lass dann wieder Deine qualifizierten Äusserungen auf uns los.

      Auf ein Wiederlesen hofft
      Alpenkaeptn
      Avatar
      schrieb am 11.12.00 14:42:41
      Beitrag Nr. 147 ()
      Hallo Leute,
      heute mal wieder etwas neues von der Gentech-Front.

      Es ist immer wieder erstaunlich, welcher erfindungsreichtum und welches Potential hinter der Gentechnologie steckt.
      Hier eine weitere Anwndung, über die ich gerade Zufällig gestolpert bin und von der ich noch nie etwas gehört hatte.

      DNA-Schnipsel im Autolack überführen Unfallverursacher

      Bioinformatik : Biomarker kennzeichnen wertvolle Kunstschätze
      VDI nachrichten, 8.12.2000
      Mit DNA, dem biologischer Träger der Erbinformation, können auch technische Daten verschlüsselt
      werden. Wissenschaftler aus Köln und Dortmund codierten kurze Nachrichten aus synthetischer DNA -
      ähnlich wie die Folge von Nullen und Einsen im Computer. "Markierte DNA könnte künftig gemeinsam mit
      dem Lack auf Autos gesprüht werden. Sie dient dann als Seriennummer und künstlicher Fingerabdruck,
      beispielsweise nach einer Unfallflucht", sagt der Dortmunder Bioinformatiker Hilmar Rauhe, "die kleinste
      Menge Lack würde da ausreichen, den Täter zu überführen." Die synthetische DNA ist in Farbe und Öl gut
      aufgehoben. Selbst mit Terpentin kann sie unbeschadet ausgewaschen und dann molekularbiologisch
      gelesen werden.

      Die Forscher bieten noch eine weitere Variante an: Auch Kunstschätze können geheim und sicher
      gekennzeichnet werden. Dazu werden markierte DNA-Stränge unter Milliarden unmarkierten Abschnitten
      "versteckt". Nur der Empfänger, der den passenden molekularen Schlüssel besitzt, kann die Stecknadel im
      Heuhaufen finden. Mit der Polymerase--Kettenreaktion, der üblichen molekularbiologischen Methode, können
      dann die digitalen DNA-Nachrichten gelesen werden. "Die so empfangenen geheimen Informationen erfüllen
      die Sicherheitskriterien für computerbasierte Systeme", erklärt Hilmar Rauhe. Das junge Forschungsgebiet der
      Bioinformatik ist wegen der minimalen Größe und der extrem hohen Speicherkapazität von DNA auch für die
      Nanotechnologie interessant. sun


      Gruß,
      MarkV
      Avatar
      schrieb am 14.12.00 16:37:11
      Beitrag Nr. 148 ()
      Da wir ja versprochen haben, weiterzumachen, hier mal
      wieder etwas zu den Grundlagen der Gentechnik:


      Grundlagen: Methoden der Gentechnik
      von: Dr. S. Thor und Prof. Kl.-D. Jany (review)
      30.07.2000

      Mit Hilfe gentechnischer Verfahren werden bestimmte Abschnitte aus dem im Zellkern befindlichen Träger der Erbinformation, der Desoxyribonukleinsäure (DNS) `herausgeschnitten` und in das Genom (Gesamtheit aller Gene eines Lebewesens) eines anderen Organismus eingesetzt.

      Häufig werden im Genlabor einzelne Gene isoliert und in Mikroorganismen, wie Bakterien oder Pilzen vermehrt, um so genauer auf ihre Eigenschaften hin untersucht werden zu können. Das Ziel der Forscher kann jedoch auch sein, aus Mikroorganismen lediglich das Genprodukt, also das entsprechende Eiweiß, in größeren Mengen zu gewinnen. Bakterien, in die das menschliche Insulin-Gen eingesetzt wurde, stellen beispielsweise auf diese Weise menschliches Insulin her.

      Zur Übertragung und beim Vermehren von ganzen Genen oder Gen-Abschnitten werden häufig Plasmide und Viren als sogenannte Träger (=Vektoren) verwandt.

      Plasmide sind spezielle DNS-Moleküle in Mikrolebewesen, die nicht zum eigentlichen Erbgut gezählt werden. Sie statten den betreffenden Organismus zwar mit zusätzlichen Eigenschaften aus, vermehren sich jedoch unabhängig vom Erbgut der Wirtszellen.

      Viren besitzen keinen eigenen Stoffwechsel, sind alleine nicht lebensfähig und von daher auf den Stoffwechsel anderer Zellen angewiesen. Wird eine Zelle befallen, produziert sie bevorzugt Viren und vermehrt damit deren Erbgut. Indem die Gentechniker dem Virengenom das zu vermehrende Gen hinzufügen, produziert die Zelle große Mengen dieser Viren-Erbinformation, diesmal aber zusammen mit dem neu hinzugefügten Gen.

      Erbmaterial, in das DNS aus einem anderen Organismus eingefügt wurde, wird als rekombinant bezeichnet. Organismen, denen ein oder mehrere Gene aus einer anderen Art eingesetzt wurden, nennt man transgen.

      Die im folgenden dargestellten Verfahren sind die wichtigsten für die Genübertragung von einem Organismus auf Pflanzenzellen


      Fremde DNS kann unter anderem durch folgende Mechanismen in das Genmaterial der Pflanze eingebaut werden: 1. Einschleusen von Plasmiden (= kleine, ringförmige DNS), über Bakterien als „DNS-Fähren“. 2. Einschleusen von DNS durch Viren. 3. „Beschuss“ der Pflanzenzelle mit Goldkügelchen, an denen DNS haftet. 4. Elektroporation, das heißt ein Stromstoß macht die Pflanzenzellwand für kurze Zeit für DNS durchlässig.

      Übertragung durch Plasmide
      Beim direkten Kontakt der Zellen, z.B. zweier Bakterien, wird DNS in Form von kleinen ringförmigen DNS-Stücken (Plasmiden) von einer Spender- auf eine Empfängerzelle übertragen. Manche Plasmide übertragen Gene auch von Bakterien auf andere Organismen. Die ersten gentechnischen Veränderungen an Pflanzen wurden z.B. mit Hilfe des Bodenbakteriums Agrobakterium tumefaciens vorgenommen. Es enthält ein Plasmid, das in der Natur vermehrtes Zellwachstum bei verwundeten Pflanzen hervorruft. Die winzigen Organismen übertragen nun das Gen für eine neue Eigenschaft, das die Forscher zuvor in die Plasmid-DNS dieses Bodenbakteriums eingebaut und gegen die ursprünglichen tumorauslösenden Gene ausgetauscht haben. Während der „Infektion“ der Pflanzenzelle wird ein Teil der Plasmid-DNS aus dem Bakterium auf die Pflanzenzelle übertragen. Ist die Genübertragung gelungen, bildet die Pflanze jedoch nicht wie sonst bei der Infektion mit diesem im Boden lebenden Mikroorganismus Pflanzenzellgeschwülste, sondern die von den Gentechnikern gewünschte Eigenschaft aus.

      Übertragung durch Viren
      Bakterien-Viren, sogenannte Phagen, können, wenn sie sich in der befallenen Zelle vermehren, einen Teil des Chromosoms der Wirtszelle in ihr eigenes Genom einbauen und dies in eine neue Zelle einschleusen. Einige Viren eigenen sich jedoch nicht nur zur Vermehrung von DNS, sondern können auch für die Übertragung von Genen auf andere Organismen genutzt werden. Die Viren werden zu diesem Zweck so manipuliert, dass sie nicht länger den Stoffwechsel der infizierten Zelle kontrollieren und sich somit auch nicht mehr vermehren können. Die Zelle kann jedoch die Eigenschaft des neu eingefügten Gens ausbilden. Aus ihr wächst schließlich eine neue Pflanze heran. Die Übertragung neuer Gene durch Viren wird bei Pflanzen nicht durchgeführt.

      Die „Gen-Kanone“
      Dieses Verfahren wurde entwickelt, weil nicht bei allen Pflanzen eine Gen-Übertragung durch Plasmide oder Viren möglich ist. Die Erbsubstanz des Gens, das die Wissenschaftler übertragen möchten, wird hier an winzige Goldkügelchen aufgebracht und die Pflanzenzellen werden damit „beschossen“. Die Zellkerne nehmen dann die an den Goldkügelchen haftende DNS auf. Wie bei den anderen Verfahren wachsen auch diese Pflanzen dann zu vollständigen Pflanzen heran, deren Zellen dann alle über das neue Gen verfügen.

      Elektroporation
      Die Bakterien nehmen lose DNS direkt auf. Durch Anlegen eines elektrischen Stroms können Zellmembranen, die ansonsten für bestimmte Stoffe undurchlässig sind, vorübergehend durchlässig gemacht werden. Befindet sich außen an der Zellwand fremde DNS, kann sie durch die nun porösen Zellwände in die Zellen eindringen.

      Übertragung fremder Erbsubstanz auf Tiere durch Mikroinjektion
      Um ein Tier mit fremder Erbinformation aufwachsen zu lassen, wird die von den Gen-Technikern gewünschte Erbinformation mit einer sehr feinen Mikropipette direkt in den Zellkern einer bereits befruchteten weiblichen Eizelle gespritzt. Die so behandelten Eizellen werden dann in die Gebärmutter des Spendertiers eingebracht. Die heranwachsenden Nachkommen enthalten die neue genetische Information in jeder ihrer Körperzellen. Jedoch nur ein verschwindend kleiner Teil der auf diese Weise veränderten, befruchteten Eizellen entwickelt sich zum lebendigen Tier, das die neuen Erbinformationen auch in der von den Forschern gewünschten Art und Weise ausprägt.

      Bei den vier ersten Verfahren erfolgt der „Einbau“ des neuen Gens in das Genom der Wirtszelle zufällig, und die Forscher können nicht vorherbestimmen, an welchem Ort innerhalb der DNA das Gen eingebaut wird.

      So müssen sie in mühseliger Kleinarbeit die Zellen herausfischen, die zum einen die neue Erbsubstanz aufgenommen haben, sie jedoch gleichzeitig so in ihr übriges Erbgut eingefügt haben, dass dabei kein Schaden entstanden ist – das heißt, dass sie gleichzeitig keine ihrer bereits vorhandenen Eigenschaften verloren haben.

      Springende Gene
      Die Methode der Springenden Gene könnte in Zukunft eventuell die Chance bieten, Gene an einem vorhersehbaren Ort in das Erbmaterial fremder Arten einzugliedern. Mit „springenden Genen“ sind DNS-Abschnitte gemeint, die innerhalb des DNS-Stranges ihre Position verändern können oder sogar das DNS-Molekül verlassen und sich später wieder selbst einfügen. Diese „springenden Gene“ können die Forscher ebenfalls isolieren und ihnen im Reagenzglas neue Gene hinzufügen. Wird das auf diese Weise neubeladene Gen wieder in eine Zelle gebracht, „springt“ es wieder an seinen angestammten Platz in der langen Reihe des DNS-Moleküls. Damit ist dann auch das neue Gen in die Erbsubstanz integriert.


      Grüße

      Torsten
      Avatar
      schrieb am 14.12.00 18:30:14
      Beitrag Nr. 149 ()
      Erbkrankheiten

      I. Einführung


      Erbkrankheiten, durch Veränderungen des Erbguts verursachte Krankheiten, die an Nachkommen vererbt werden können. Einige genetische Defekte treten bereits bei der Geburt als Geburtsfehler zutage, während sich andere erst im Lauf der Kindheit oder im Erwachsenenalter zeigen. Neben der genetischen Ursache können bei einigen dieser Störungen auch Umwelteinflüsse wie Ernährung oder Lebensweise für den Ausbruch der Krankheit eine Rolle spielen. Genetische Veränderungen, die nicht an die Nachkommen weitergegeben werden (somatische Mutationen), können Erkrankungen wie Krebs verursachen oder zu ihrer Entwicklung beitragen. Einige Erbkrankheiten sind möglicherweise der Gentherapie zugänglich, die durch Entwicklungen der modernen Gentechnik ermöglicht wurde.


      II. Monogene Schäden


      Einige Erbkrankheiten werden durch die Mutation eines einzelnen Gens hervorgerufen. Eine solche Mutation hat in der Regel eine fehlerhafte Synthese des durch das Gen codierten Proteins zur Folge. Eine derartige Veränderung kann Stoffwechsel- oder Entwicklungsprozesse stören und eine Erkrankung verursachen. Die meisten monogenen Erbkrankheiten werden rezessiv vererbt, d. h., sie treten erst in Erscheinung, wenn sie homozygot vorliegen (also von beiden Eltern übertragen wurden). In diesen Fällen sind beide Eltern Träger des defekten Gens, auch wenn die Krankheit bei ihnen nicht offenbar ist. Ein Beispiel für einen rezessiven Erbdefekt ist Mukoviszidose. Monogene Defekte, die dominant vererbt werden, treten bei den Betroffenen immer in Erscheinung. Die Übertragung des schadhaften Gens eines Elternteils ist für den Ausbruch der Krankheit ausreichend, z. B. bei Chorea. Rezessive Erbdefekte, die auf einer Veränderung des X-Chromosoms beruhen, sind bei Männern häufiger als bei Frauen, da Frauen zwei X-Chromosomen besitzen. Tragen Frauen die Allele heterozygot, manifestiert sich die Krankheit nicht, da ein nicht mutiertes Allel auf dem zweiten X-Chromosom liegt. Beispiele für X-chromosomengebundene Erbkrankheiten sind Farbenblindheit, Duchenne-Muskeldystrophie und Hämophilie A. Mit Hilfe von genetischen Testverfahren können Mutationen bestimmter Gene nachgewiesen werden. Sie ermöglichen daher eine genaue Diagnose für Patienten mit monogenen Schäden. Durch diese Tests lässt sich auch bei Gesunden feststellen, ob sie Träger einer monogenen Erbkrankheit sind.

      Eine besondere Art monogener Störungen liegt vor, wenn die Mutation ein Gen betrifft, das sich in den Mitochondrien der Zelle befindet. Mitochondrien sind kleine Zellorganellen, die innerhalb der Zelle ihr eigenes Erbmaterial tragen. Ein Embryo erhält alle Mitochondrien von der Eizelle (also von der Mutter) und keine von der Samenzelle (vom Vater). Gendefekte, die durch Mitochondrien übertragen werden, werden daher auf alle Kinder einer betroffenen Frau vererbt. Männer geben solche Gendefekte nicht an ihre Nachkommen weiter. Ein Beispiel für eine mitochondrial vererbte Krankheit ist die Leber-Optikusatrophie. Bei dieser Krankheit tritt etwa ab dem 20. Lebensjahr Gewebeschwund am Sehnerv ein, was schließlich zur Erblindung führt.


      III. Chromosomenschäden

      Einige genetische Veränderungen betreffen nicht nur einzelne Gene, sondern ganze Chromosomen oder Chromosomenabschnitte. Beim Down-Syndrom ist beispielsweise das Chromosom 21 dreifach vorhanden. Chromosomale Störungen können durch Verdoppelung, Verlust, Bruch oder veränderte Anordnung des genetischen Materials innerhalb eines Chromosoms entstehen. Etwa 0,7 Prozent aller lebend geborenen Säuglinge sind von Chromosomenschäden betroffen. Die Hälfte aller spontanen Fehlgeburten (Aborte) in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten ist auf chromosomale Störungen zurückzuführen. Für Schwangere wird ein einfacher Bluttest erprobt, mit dessen Hilfe sich Gendefekte wie das Down-Syndrom nachweisen lassen.


      IV. Multifaktorielle Störungen


      Viele Erkrankungen werden erst durch das Zusammentreffen mehrerer Faktoren ausgelöst. Oft wird nur die Neigung zu bestimmten Krankheiten vererbt, die dann durch äußere, oft noch unverstandene Einflüsse wie Ernährung oder Lebensweise zur Entwicklung solcher Erkrankungen führen. Beispiele multifaktoriell bedingter Erkrankungen sind Diabetes mellitus und Erkrankungen der Herzkranzgefäße.



      Fortsetzung folgt...

      Torsten
      Avatar
      schrieb am 14.12.00 19:08:09
      Beitrag Nr. 150 ()
      Geburtsfehler, jegliche auch als angeborene Missbildungen bezeichneten ungewöhnlichen Strukturen oder Funktionsstörungen, die von Geburt an vorhanden sind. Der Vorgang der Embryonalentwicklung kann durch eine Vielzahl äußerer Faktoren gestört werden, etwa durch Strahlung, Hitze, Chemikalien, infektiöse Stoffe oder mütterliche Krankheiten. Ein äußeres Agens, das die Embryonalentwicklung verändert, bezeichnet man als Teratogen (griechisch teratos: Ungeheuer; genes: erzeugen). Missbildungen während der Entwicklung können auch eine Folge von Abnormitäten in der genetischen Ausstattung des Fetus sein oder durch eine Kombination von genetischen und Umwelteinflüssen verursacht werden.

      Bei 20 Prozent oder mehr der missgebildeten Feten kommt es zu spontanen Aborten (Fehlgeburten); die übrigen kommen mit einem Geburtsfehler zur Welt. Obwohl jede einzelne Form angeborener Fehlbildungen selten ist, machen sie zusammen fast fünf Prozent aller Lebendgeburten aus und sind die Ursache für etwa 20 Prozent der Kindstodesfälle unmittelbar nach der Geburt. Etwa eine von zehn Fehlbildungen ist vererbt und entsteht durch eine Anomalie eines einzelnes Genes. Weitere fünf Prozent der Geburtsfehler entstehen durch Chromosomenanomalien.


      II. Genetische Ursachen


      Einige Erbkrankheiten zeigen Symptome, die bereits bei der Geburt erkennbar sind. Diese Fehlbildungen können aus Mutationen eines einzelnen Genes oder aus allgemeineren Chromosomenanomalien resultieren. Zahlreiche Krankheiten und Zustände werden rezessiv vererbt: Mitunter ist bei keinem der Eltern der Defekt ausgeprägt, obgleich sie beide das verursachende Gen tragen. Besitzen beide Elternteile von einem Gen ein dominantes Allel A und ein rezessives Allel a, dann können ihre Nachkommen eine von vier verschiedenen Kombinationen erben: AA, Aa, aA oder aa. Ist das rezessive Allel a defekt, dann wird nach der statistischen Wahrscheinlichkeit eines von vier Nachkommen das schadhafte Merkmal tragen. Bei anderen angeborenen Missbildungen reicht das Vorhandensein lediglich einer Kopie des rezessiven Allels, um den Zustand hervorzurufen.


      III. Äußere Ursachen


      Nahezu einer von zehn Geburtsfehlern ist das Ergebnis irgendeines Faktors, der von außerhalb des menschlichen Körpers einwirkt. Wie sich Strahlung auswirken kann, zeigte sich beispielsweise durch die zunehmenden Fälle von angeborenen Fehlbildungen bei Kindern japanischer Frauen, die während ihrer Schwangerschaft den Atombombenexplosionen 1945 ausgesetzt waren, und von amerikanischen Frauen, die sich während ihrer Schwangerschaft einer Strahlentherapie unterzogen hatten. Auch wenn das Risiko bei einer diagnostischen Röntgenuntersuchung gering ist, empfehlen Radiologen, während einer Schwangerschaft nur unmittelbar notwendige Röntgenuntersuchungen durchführen zu lassen. Auch erhöhte Temperaturen (wie etwa ein heißes Bad) können bei Schwangeren zu Geburtsfehlern führen.

      Die Ansicht, die Plazenta (der Mutterkuchen), die den Fetus mit der mütterlichen Gebärmutter vereint, sei eine Schutzbarriere gegen chemische Substanzen im Blut der Mutter, erwies sich Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre als tragischer Irrtum. In vielen Ländern wurden Kinder ohne Gliedmaßen oder mit gehemmter Entwicklung geboren, nachdem ihre Mütter das Schlafmittel Thalidomid (Contergan) genommen hatten. Weitere Teratogene sind u. a. Alkohol, Antiepileptika, chemotherapeutische Mittel, Kokain, Retinoesäure (Tretionin, ein Mittel gegen Akne) sowie die Antibiotika Streptomycin und Tetracyclin. Im Jahre 1955 wurden Fälle angeborener Gehirnlähmung in Japan darauf zurückgeführt, dass die Schwangeren Fisch verzehrt hatten, der mit der industriell verwendeten Chemikalie Methylquecksilber kontaminiert war.

      Eine Reihe von Infektionskrankheiten können das ungeborene Kind gefährden, wenn die Schwangere daran erkrankt. Eine davon sind Röteln; sie können zu geistiger Unterentwicklung und Anomalien im Seh- und Hörvermögen des Neugeborenen führen. Eine Impfung von Mädchen während der Kindheit oder Pubertät kann eine spätere Infektion während einer Schwangerschaft verhindern. Weitere mütterliche Infektionskrankheiten, die beim Auftreten während einer Schwangerschaft den Fetus schädigen können, sind die erworbene Immunschwäche AIDS, Windpocken, Toxoplasmose und die Viruserkrankung Zytomegalie.

      Frauen mit insulinabhängiger Diabetes mellitus, die während der Schwangerschaft nicht entsprechend behandelt werden, sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, ein Kind mit Herzfehlern und einer Vielzahl anderer Gesundheitsprobleme zu bekommen. Eine nur unzureichend bekämpfte Phenylketonurie (eine Stoffwechselkrankheit) bei einer schwangeren Frau kann ebenfalls zu Geburtsfehlern und geistiger Minderentwicklung des Kindes führen.


      IV. Polygenische und multifaktorielle Ursachen

      Für etwa zwei Drittel der angeborenen Fehlbildungen ist bisher noch keine eindeutige Ursache bekannt. Einige Missbildungen der Wirbelsäule und des Herzens sind vermutlich polygenisch, d. h. das Ergebnis mehrerer gleichzeitig vorhandener abnormer Gene. Andere scheinen multifaktoriell zu sein und aus der Wechselwirkung von defekten Genen mit schädlichen Umwelteinflüssen zu resultieren. Manche Geburtsfehler treten häufiger bei Kindern älterer Eltern auf. Wie man herausfand, steigt beispielsweise das Risiko des Down-Syndroms mit zunehmendem Alter der Mutter.


      V. Feststellung


      Wissenschaftler haben mehrere Tests zur Feststellung defekter Gene und fetaler Missbildungen entwickelt. Für einige Erbkrankheiten, wie das Tay-Sachs-Syndrom und Sichelzellenanämie, sind Tests verfügbar, um bei gesunden Eltern defekte Gene zu entdecken.

      Zahlreiche Krankheiten beim Fetus lassen sich diagnostizieren, indem man eine Probe des Fruchtwassers entnimmt, das den Fetus umgibt, und fetale Zellen kultiviert oder die Flüssigkeit selbst analysiert (ein Vorgang, den man als Fruchtwasseruntersuchung oder Amniozentese bezeichnet). Eine weitere Methode, um in der Frühschwangerschaft fetale Zellen zur Untersuchung zu erhalten, nennt man Chorionbiopsie. Die Zellen des Fetus kann man auf das Vorhandensein einer bestimmten Funktion testen oder ihre DNA zum Nachweis einer genetischen Fehlbildung überprüfen. Für weitere Tests kann man auch direkt aus der Nabelschnur eine Blutprobe des Fetus entnehmen; das könnte in Fällen notwendig sein, in denen eine Diagnose anhand der DNA nicht möglich ist.

      Einige Tests auf angeborene Fehlbildungen kann man an der Mutter durchführen, ohne Eingriffe wie eine Amniozentese, eine Chorionbiopsie oder die Entnahme von fetalem Blut durchführen zu müssen. Eine dieser Methoden ist die Ultraschalluntersuchung; mit ihrer Hilfe lassen sich zahlreiche Missbildungen ans Licht bringen wie auch genaue Altersbestimmungen des Fetus durchführen sowie Mehrlingsschwangerschaften und selbst das Geschlecht des Ungeborenen feststellen. Erhöhte Mengen von Alphafetoprotein im Blut einer Schwangeren können auf das Vorhandensein einer Spina bifida (ein angeborenes Offenbleiben des Wirbelkanals) hindeuten; erniedrigte Mengen weisen mitunter auf das Down-Syndrom hin. Bei Feten mit Down-Syndrom fand man auch ungewöhnliche Konzentrationen zweier anderer Substanzen im mütterlichen Serum: von unkonjugiertem Östriol und Choriongonadotropin.

      Viele körperliche Fehlbildungen, die aus gehemmter oder unvollständiger Entwicklung resultieren, lassen sich chirurgisch korrigieren. Hierzu gehören eine Lippen- und Gaumenspalte, mangelnde Ausbildung von Teilen des Verdauungstraktes sowie Öffnungen zwischen den Herzkammern. Die Behandlung von Erbkrankheiten mit Methoden der Gentechnologie ist ein neuartiger, für die Zukunft viel versprechender Ansatz, der bereits das klinische Versuchsstadium erreicht hat. Nach einer kalifornischen Untersuchung bekommen Frauen, die in den Monaten um die Empfängnis Multivitaminpräparate einnehmen, in denen Folsäure enthalten ist, seltener Kinder mit Lippen- oder Gaumenspalten.
      Avatar
      schrieb am 14.12.00 19:11:30
      Beitrag Nr. 151 ()
      Mendel`sche Regeln



      Mendel`sche Regeln, Prinzipien für die Vererbung körperlicher Merkmale, die 1865 von dem Augustinermönch Gregor Johann Mendel formuliert wurden. Er experimentierte mit sieben unterschiedlichen Merkmalen reinrassiger Erbsenlinien und fasste die Ergebnisse seiner Kreuzungsversuche zu drei Grundregeln zusammen:

      1. Mendel`sche Regel (Uniformitätsregel, Reziprozitätsregel): In seinen ersten Experimenten kreuzte Mendel reinerbige Erbsenlinien, die sich in einem Merkmal unterschieden, z. B. große und zwergwüchsige Linien. Als Nachkommen erhielt er Hybride, die keine Mischung beider Eigenschaften aufwiesen, sondern äußerlich dem großwüchsigen Elternteil entsprachen. Als Erklärung postulierte er Erbeinheiten, die wir heute Gene nennen und die häufig in unterschiedlichen Zustandsformen (Allelen) auftreten. Man unterscheidet dominante (A) und rezessive (a) Zustandsformen eines Gens, wobei das dominante Allel die Wirkung des rezessiven Allels unterdrückt und äußerlich in Erscheinung tritt. Mendel erkannte, dass Gene in normalen Körperzellen gewöhnlich paarweise vorkommen, sich aber bei der Entstehung der Geschlechtszellen (Ei- und Samenzellen) aufteilen. Jedes Gen aus einem solchen Paar gelangt dabei in eine andere Geschlechtszelle. Bei der Vereinigung von Ei- und Samenzelle entsteht wieder ein Genpaar, in dem das dominante Allel (in dem genannten Fall für die Großwüchsigkeit) die Wirkung des rezessiven (für Zwergwuchs) überdeckt. Diese Ergebnisse liefern die Grundlage für die 1. Mendel`sche Regel, nach der eine Kreuzung zweier reinerbiger Eltern, die sich in einem oder mehreren Merkmalen unterscheiden, eine gleichförmige (uniforme), mischerbige (Aa) Tochtergeneration hervorbringt. Die Uniformität der Tochtergeneration wird nicht beeinflusst, wenn der jeweils andere Elter das betreffende Merkmal aufweist (reziproke Kreuzung).

      2. Mendel`sche Regel (Spaltungsregel, Dominanzregel): Um zu beweisen, dass es solche Erbeinheiten gibt, kreuzte Mendel die erste Generation der großwüchsigen Hybriderbsen (Aa×Aa) untereinander. Wie sich dabei herausstellte, tauchten in der ersten Tochtergeneration wieder kleinwüchsige Erbsenpflanzen (aa) auf, und zwar kleinwüchsige und großwüchsige im Verhältnis eins zu drei. Daraus zog er den Schluss, dass sich die Gene zu den Paaren AA, Aa und aa zusammengefunden hatten. Wie er bei weiteren Kreuzungsexperimenten feststellte, gingen aus den reinerbigen AA-Pflanzen bei Selbstbestäubung nur große Nachkommen hervor, und die Nachkommen der aa-Exemplare waren stets klein. Bei der Kreuzung der Aa-Hybride fand sich unter den Nachkommen wieder das gleiche Zahlenverhältnis von 3 : 1. Aufgrund dieser Versuchsergebnisse beschrieb Mendel die 2. Mendel`sche Regel, nach der die Nachkommen einer Kreuzung mischerbiger Individuen nicht mehr gleichförmig sind, sondern ihr äußeres Erscheinungsbild in einem bestimmten Zahlenverhältnis aufspalten. Dieses Zahlenverhältnis wird sowohl durch die Anzahl der Merkmale (Genorte), in denen sich die Eltern unterscheiden, als auch durch den Erbgang beeinflusst. Man unterscheidet einen dominant-rezessiven Erbgang (das dominante Allel unterdrückt die Wirkung des rezessiven) von einem intermediären Erbgang (die Wirkung beider Allele ist erkennbar; ein mischerbiges Individuum nimmt eine mittlere Erscheinungsform an). Bei einem dominant-rezessiven Erbgang spaltet sich das äußere Erscheinungsbild der Tochtergeneration im Verhältnis 3 : 1 auf, wenn nur ein Merkmal betrachtet wird, sowie bei einem intermediären Erbgang im Verhältnis 1 : 2 : 1.

      3. Mendel`sche Regel (Regel von der unabhängigen Aufspaltung der Allelenpaare): Wie weitere Kreuzungsexperimente mit Elterngenerationen zeigten, die sich in zwei oder mehreren Merkmalen unterschieden, werden die einzelnen Genorte und damit die Merkmalsausprägungen unabhängig voneinander weitergegeben und sind frei miteinander kombinierbar. Allerdings gilt die 3. Mendel`sche Regel nur für Gene, die auf verschiedenen Chromosomen liegen. Zufälligerweise waren die sieben Merkmale der Erbsenpflanzen, die Mendel untersuchte, auf verschiedenen Chromosomen lokalisiert. Ansonsten hätte er keine statistische Verteilung der Merkmalskombinationen erhalten. Die Mendel`schen Regeln wurden zur theoretischen Grundlage der modernen Genetik.

      Grüße

      Torsten
      Avatar
      schrieb am 22.12.00 01:12:44
      Beitrag Nr. 152 ()
      Hallo Leute,

      ich weiß nicht recht, ob es auch hier her gehört, aber ich fand es sehr interessant....

      Special Aphasie
      von: Dr. med. I. Kelm-Kahl
      03.03.2000

      Satzfetzen prägen das Bild vieler Menschen, die sich, "vom Schlag getroffen" auf einer Intensivstation oder Schlaganfall-Station wiederfinden.

      Sprachlosigkeit erschüttert und fordert heraus
      Wer auf einer "stroke unit" seiner Mutter die Hand gehalten hat, kann es oft nicht fassen: Der Mensch, der einen selbst sprechen gelehrt hat, mit dem man ein halbes Leben diskutiert und gestern noch über das neue Sparpaket der Regierung geredet hat, bringt nur mit größter Mühe stammelnde Laute hervor, versucht verzweifelt sich verständlich zu machen.

      Was einen als Angehörigen schon erschüttert, stürzt Betroffene selber geradezu in Abgründe der Verzweiflung, wie Patienten nach einem überstandenen Schlaganfall berichten. Warum liege ich hier? Was ist eigentlich mit mir geschehen? Warum reden alle an mir vorbei?

      Verstehen sie mich nicht? Müssen diese Apparate hier andauernd piepsen? Wann kann ich endlich wieder nach Hause? Was wird mit meiner Wohnung? Ich muß zur Toilette, aber ich kann mich nicht bewegen - Was wollte ich doch jetzt sagen?

      Solche und ähnliche Satzfetzen prägen das Bild vieler Menschen, die sich, "vom Schlag getroffen", auf einer Intensivstation oder Schlaganfall-Station wiederfinden. Egal ob Oberstudienrätin, Kaufmännischer Angestellter, Sprachforscher, Botschafterin mit Kenntnis von sieben Fremdsprachen oder Showmaster - der Schlag kann alle Kenntnisse, die Beruf und Lebensinhalt ausmachen, gleichermaßen wegwischen, Lebenserfahrung kurzfristig auslöschen. Worte suchend, Silben hervorvorstoßend werden viele Patienten auf die Stufe des Kleinkindes zurückgeworfen, durch ein eigentlich lächerlich kleines Blutgerinnsel oder winzige Kalkablagerungen in einem Blutgefäß des Gehirns.

      Wie ist das möglich - die Konstruktionsmaschine
      In den letzten 10 Jahren hat die Hirnforschung völlig neuartige Ergebnisse geliefert. Diese verändern unser Bild, das wir uns bisher vom Menschen als biologischem und kulturellen Wesen gemacht haben. Die Hirnforschung zwingt uns, "Leben" und "Medizin" neu zu überdenken. Hierzu gehört auch die Frage, welche Wirkung Worte auf unser Gehirn haben.

      Nach Professor Theodor von Uexküll formen die drei Komponenten "Verstehen", "den Dingen Bedeutung verleihen" und ihre "Bezeichnung" die Struktur, welche körperliche und seelische Vorgänge verbindet. Anhand dieser dreiteiligen "Konstruktionsmaschine" unseres Hirns können alle natürlichen und kulturellen Phänomene als "Zeichenprozesse" betrachtet werden. Unser Modell für diese Konstruktionsvorgänge besagt, daß der Input, der in das Individuum hineinfließt, sich die passende Umwelt als Ausdruck kreiert. Zeichenprozesse schaffen also Wirklichkeit.

      Viele Patienten auf der Schlaganfall-Station können "über Nacht" nicht mehr diese "Konstruktionsmaschine" sinnvoll bedienen, obwohl Teile der Ebenen je nach Schwere des Schlaganfalls einzeln voneinander losgelöst z.T. abgerufen werden können. Zeigt man einem Patienten nach einem Hirninfarkt ein Bild mit einem Bett, versteht er vielleicht das Wort "Bett", kann aber nichts damit anfangen und es auch nicht aussprechen, weil die Verknüpfung der anderen Ebenen, die Netzwerke der Hirnnervenzellen, gestört sind. Einige Patienten bezeichnen viele Dinge, ohne ihre Bedeutung zu verstehen, so daß sie völlig zusammenhanglos zu reden scheinen, weil Hemmmechanismen der Nervenbahnen ausgefallen sind.

      Bei der "Konstruktion" der Wirklichkeit können nach Ansicht von Sprachforschern und Medizinern auch verschiedene Ebenen unterschieden werden:

      die Grundeinheit (das Icon)
      der Index zur Verknüpfung von räumlichem und zeitlichem Verstehen
      die symbolische Ebene, welche die sozial erlebte Wirklichkeit schafft.
      Diese hierarchischen Stadien entstammen unserer Entwicklungsgeschichte. Zuerst wird die Ebene der Säuglingswelt wirksam, in denen Icons wie Schmecken, Riechen und Fühlen überwiegen, dann kommt die Einbindung von Raum und Zeit dazu. Später werden die gelernten Begriffe immer mehr in Zusammenhang zu anderen gesetzt, die der Welt des Lernenden entsprechen. Wer Patienten nach einem Schlaganfall erlebt, kann feststellen, wie auch sie ähnliche hierachische Stadien durchlaufen, bis die Hirnzellen neue Netze geknüpft haben oder ähnliche Bahnen einspringen können.

      Schließlich erlaubt die Kenntnis der symbolische Ebene in der sozialen Wirklichkeit des Kindes und später des Erwachsenen seine weitgehende Selbständigkeit. Man erlebt sich als Ursache der Veränderung seiner Umwelt, entwickelt eine verbale Welt, mit der man seine Vorstellungswelt schaffen kann. Man lernt, seine Sprach-"Code" dem seines Gegenübers anzupassen, um soziale Erfolge zu erzielen. "Paßt" der Gesprächsstil, kann der Mensch sich verständlich machen. Gelingt eine gemeinsame Kommunikation nicht, wird der Mensch, der "anders" redet, schnell als "nicht anpassungsfähig, als "Sonderling" oder als "dumm" abgeschrieben. Diese Erfahrung machen etliche Patienten nach einem Schlaganfall. Die Dinge, die sie benennen wollen, liegen ihnen "auf der Zunge", aber sie können sie nicht abrufen, besonders wenn sie unter Streß stehen, z.B. in einem Lokal eine Bestellung aufgeben oder im Einkaufsladen vor allen Leuten schnell etwas benennen sollen. Nichts wünschen sie sehnlicher, als diese Außenseiterrolle zu beenden.

      Das Gehirn als besonderer Rechner
      Die Erklärung, daß das Sprechenlernen nach dem Ausfall von bestimmten Hirnnervenzellen so schwer fällt, liegt an der komplizierten Verrechnung von "Input" und "Output" in unserem Gehirn. Die Sinneswahrnehmung findet - stark vereinfacht - in der hinteren Hirnrinde statt, die Planung wiederum in der vorderen. Was als Input hineinkommt, wird von der Schaltzentrale durchgesehen, sortiert und umgeleitet. 1 -3 Mio Input-Signale pro Sekunde führen zu 99 Mio Verrechnungen. Wir erkennen durch den Umgang mit der Welt, mit den Lebewesen die Bedeutung dessen, was wir mit unseren Sinnen aufnehmen. Finden wir unsere Erlebniswelt bei anderen wieder, fühlen wir uns wohl und "passend". Wenn nicht, resultiert das Gefühl des "Außenstehens" mit Angst und Verzweiflung, das regelmäßig von Patienten mit Depressionen, psychosomatischen und psychiatrischen Störungen angegeben wird. Aber auch Patienten nach einem Schlaganfall müssen mühsam lernen, in die Erlebniswelt der Mitmenschen wieder einzutauchen, um nicht "außen vor" zu bleiben.

      Ein Netzwerk an Nervenzellen
      Frauen verfügen über ca.19 Mrd Nervenzellen, Männer über etwa 23 Mrd - bis heute weiß man nicht , wozu letztere dieses Mehr an Nervenzellen einsetzen.

      Bereits 1895 hatte Freud ein Netzwerk vermutet, das die Empfindungen im Gehirn verarbeitet. Wissenschaftler dieser Zeit waren jedoch noch nicht "reif" dafür, sich vorstellen zu können, daß Nervenzellfortsätze Strom leiten und Informationen verarbeiten. Seit 100 Jahren wissen wir, daß es sich bei den Nervenzellen um einzelne Einheiten handelt. Golgi und Cajal erhielten 1906 für diese Entdeckung den Nobelpreis. Waldeyer prägte 1928 zum ersten Mal den Begriff "Neurone" für Nervenzellen.

      Stark vereinfacht kann man es auf den Nenner bringen, daß sich Nervenzellen mittels Aktionspotentialen "unterhalten". Der Umfang dieser Kommunikation ist fast unvorstellbar: Pro Faser treffen 200 - 300 Aktionspotentiale pro Sekunde ein. Etwa 10.000 Verbindungen gibt es an jeder Nervenzelle, so daß das Gehirn einen Input von 1 - 3 Mio Impulsen pro Sekunde zu verarbeiten hat. In einer riesigen Rechenleistung durch das 1400 - 1500 gr schwere Organ wird herausgefiltert, was in der momentanen Situation wichtig ist. Diese Verrechnungsarbeit wird dadurch unterstützt, daß zwar alle Aktionspotentiale gleich sind (duales System, das nur mit 0 - 1 arbeitet), die 100.000.000.000 Empfangsstellen (Synapsen) für diese Signale jedoch so verschieden funktionieren, so daß das ankommende Aktionpotential mit einem Wert "multipliziert" wird.

      Nervenzellen können lernen
      Vergleichen wir die Arbeit des Gehirns mit einem modernen Rechner, scheint es zunächst eine "lousy hardware" darzustellen: Der PC bearbeitet 200 - 300 Mio Impulse pro Sekunde, das Gehirn ist also um 1 Mio langsamer. In Bezug auf die Zuverlässigkeit ist es sogar um 1 Mrd unzuverlässiger. Was es so wertvoll macht, ist das selektive Erkennen von Mustern, die mit unserem Leben in Zusammenhang stehen. Über das Gehirn als menschlichen Rechner läßt sich folgendes aussagen:

      Die Lebenserfahrung prägt die Stärke der Synapse als Empfangsstation für Sinnes-Inputs.

      Synapsen sind veränderbar - ein Glück für Schlaganfall-Patienten. Wenn 2 Nervenzellen gleichzeitig aktiv sind, nimmt die Verbindungsstärke zwischen ihnen zu. Lernen kann man daher als "Synapsen-Stärken" bezeichnen.

      Die Größe der Vernetzung in der weißen Substanz des Gehirns ist größer als die der "grauen Zellen" des Rechners: Zwar hat jedes Neuron "nur" etwa 10.000 Verbindungen, doch von dieser Verbindungen hat jede auch etwa 10.000 Verbindungen.

      Wird ein Neuron aktiviert, werden Nachbarzellen mitaktiviert, fernere dagegen unterdrückt, was auch als "Mexikanerhutfunktion" , als Merkmal einer bestimmten Auslese, interpretiert wird.

      Informationen werden in der Großhirnrinde in "Landkarten" gespeichert. Diese Landkarten sind erfahrungsabhängig und plastisch. Sie sind jedoch nicht starr fixiert. Die Verbindungen zwischen den Neuronen ändert sich andauernd. Daß man nach einem Schlaganfall wieder Gehen und Sprechen lernen kann, erklärt sich ja daraus, daß andere Gehirnareale die Funktion dieser abgestorbenen Nervenzellen übernommen haben. Das kann man mit bildgebenden Verfahren wie àPET genau nachweisen.

      Menschen, die Blindenschrift lernen, entwickeln ein größeres zuständiges Hirnrindenareal, auf denen die Hände repräsentiert sind. Geigenspieler haben ein deutlich größeres Areal für die Repräsentation der linken Hand als Menschen, die ihre linke Hand nicht so intensiv brauchen. Die "Landkarten" können sich also - z.B. unter Therapie - ändern.

      Diese "Landkarten" betreffen nicht nur die Körperoberfläche, sondern sind untereinander auch in einem hierarchischen System verbunden. So wird beim "Hören" zuerst die "Frequenzlandkarte" in Anspruch genommen, dann die Karte "Klangbilder", dann die Karte "Wortbedeutungen", schließlich "Handlungszusammenhänge" (Pragmatik) Durch Training, "priming", kann ein neues Vernetzen der "Landkarten" geschaffen werden. Dies ist auch bei Patienten nach einem Schlaganfall grundsätzlich möglich.

      Wo die Erinnerung wohnt
      Wenn Besonderes in unserem Gedächtnis festgehalten wird, anstatt vieler Einzelheiten, ist eine entwicklungsgeschichtlich alte Hirnregion dafür verantwortlich, der Hippocampus. Man kann den Hippocampus mit einer Festplatte vergleichen, über den im Tiefschlaf in die Hirnrindenzentren abgespeichert wird. Daß Gelerntes im Tiefschlaf vom Mittel- in den Langzeitspeicher überführt wird, ist bei Tieren und Menschen bewiesen.

      Wie MRT-Bildfolgen am Gehirnstoffwechsel zeigen, wird der Hippocampus auch bei "Erinnerung" aktiviert. Den Untersuchten wurden am ersten Tag der Untersuchungsreihe Bilder gezeigt; von denen einige an den nächsten Tagen wieder vorgelegt wurden. Beantwortete der Proband die Frage "Kommt Ihnen das bekannt vor?" mit "Ja", wurde eine hohe Aktivität im Hippocampus mittels PET festgestellt. Antwortete der Befragte "Ich weiß nicht", war die Aktivität niedriger. Verneinte er, war fast keine Aktivität meßbar. Neben dem Hippocampus spielen die angesprochenen hierachischen Netzwerke eine Rolle, etwa zu der Voraktivierung der Sprachzentren zum Wort-Erkennen beim Sprechen und Assoziieren.
      Nach einem Schlaganfall fallen dem Patienten am ersten wieder Wortfetzen von den Dingen ein, an denen sein Herz hing, zu denen er eine emotionale Bindung hatte, die im Hippocampus verankert ist. Ein Computerfreak wird sich am ehesten an Ausdrücke um PC, Software und Internet erinnern, ein Globetrotter an Begriffe oder Zeichnungen aus dem Bereich Reise, Länder und Landkarten. Weiß die Logopädin von diesen Hobbies, läßt sich die Sprachbehandlung viel besser angehen, weil beide eine Erlebniswelt teilen wollen.

      Das Gehirn als Bibliothek unserer Erfahrungen
      "Drei Dinge machen die Medizin: die Krankheit, der Kranke, der Arzt. Alle Heilkunst ist vergebens, wenn der Kranke nicht mitwirkt mit seinem Arzt." (Paracelsus, 1493 - 1541)

      Diese Auffassung ist noch immer aktuell, wenn man statt "Krankheit "Schlaganfall" einsetzt und statt "Arzt" allein das therapeutische Team einer Schlaganfall-Station. Zwar scheint das Gehirn jedes Menschen eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Rechner zu haben. Aber das Gehirn ist nicht nur ein Verrechnungscomputer, sondern etwas lebensgeschichtlich Gewordenes, eine Erfahrungsbibliothek, eine Zentrale der Mustererkennung. Individuell entscheidet diese Zentrale über die Bedeutung und Einordnung von Zeichen; über den Handlungsbedarf, der daraus resultiert. Der Patient als eigenständiges "Subjekt" mit seiner eigenen Erlebniswelt muß angemessenen Raum in der Medizin beanspruchen. Das gilt insbesondere für den Patienten, der mit seiner Sprache zumindestens vorübergehend seine Erlebniswelt verloren hat. Lernt er wieder mit seiner Umwelt zu kommunizieren, findet er wieder Zugang zu seiner geistigen Heimat. Dies stellt erhebliche Anforderungen an das therapeutische Team: Das Team, der Logopäde, müssen einen Zugang zum einzelnen Patienten und zu seinen Interessen gewinnen, um ihn über die Ebenen des Sprechenlernens wieder "nachhause" zu bringen. Der Satz von Paracelsus hat daher seine Bedeutung nicht verloren.


      Gute Nacht

      Torsten
      Avatar
      schrieb am 11.01.01 10:04:37
      Beitrag Nr. 153 ()
      @all biotechinvestors

      ist zwar auch über morphosys, ich finde aber das grundsätzliche interessant, weshalb ich den artikel hierher kopiere:

      08.01.2001: Biotechnologie (Teil 3/3): „Antikörper als Bestandteile aller möglichen Therapieansätze!“
      Im Interview mit FinanzNachrichten.de verrät MorphoSys-Gründer Univ.-Prof. Dr. Andreas Plückthun, einer der Wegbereiter der modernen Antikörpertechnologien, ganz persönliche Standpunkte zur Branche und zur Münchner Biotechfirma.


      Der 1956 geborene Wissenschafter absolvierte Studien an den Universitäten von Heidelberg, San Diego und Harvard. Nunmehr ist er Mitglied des Biochemischen Institutes der Universität Zürich und zählt zu den Wegbereitern der neuen Antikörpertechnologien. Er ist somit weltweit einer der bedeutendsten Forscher auf seinem Gebiet. 1992 gründete er mit Dr. Simon E. Moroney und Dr. Christian Schneider die MorphoSys AG mit Sitz in München. Im März 1999 schaffte das Unternehmen als erste deutsche Biotechfirma den Gang an den Frankfurter Neuen Markt. Zur Zeit steht Plückthun weiteren vier Biotechunternehmen in beratenden Funktionen zur Verfügung. Im Dezember 2000 wurden seine wissenschaftlichen Erfolge in München mit dem Karl-Heinz-Beckurts-Preis ausgezeichnet.


      FinanzNachrichten.de:
      Antikörper gelten als ein relativ neuer Ansatz der Therapie von diversen Krankheiten und schafften erst vor wenigen Jahren mit Präparaten wie Rituxan oder Zenapax ihren Durchbruch in der Medizin. Wo sehen Sie, als einer der weltweit führenden Forscher auf diesem Gebiet, das Potential dieser beeindruckenden Technologie?

      Dr. Plückthun:
      Ich glaube in der Tat, dass noch wesentlich mehr Potential in Antikörpern steckt, als bisher realisiert wurde. Es handelt sich immerhin um eine Klasse von Molekülen, die prinzipiell jedes Ziel spezifisch erkennen können, sei es die Struktur auf der Oberfläche einer Tumorzelle, um ein Gift dort abzuladen, sei es ein lösliches Protein (Botenstoffe wie Cytokine), von dem zu viel oder am falschen Ort hergestellt wird, und das abgefangen werden muss. Durch den Einsatz synthetischer Antikörperbibliotheken ist immerhin das Problem nun global gelöst, solche Moleküle herzustellen. Auch können neue von Antikörpern abgeleitete Moleküle durch molekulares "Engineering" heute erzeugt werden. Es geht jetzt also darum, für eine Krankheit die geeigneten Zielmoleküle zu identifizieren. In einigen Fällen ist das naheliegend, in anderen allerdings noch ein weiter Weg, nämlich dort, wo die molekularen Ursachen entsprechend komplex sind.


      FinanzNachrichten.de:
      Viele aufstrebende Biotechunternehmen, die vor allem aus den USA oder Großbritannien kommen, wollen den Krebs mit monokonalen Antikörpern bekämpfen. Sind Sie der Ansicht, dass nur hier die Schlacht gewonnen werden kann oder gibt es auch andere Therapieansätze, denen Sie größere Erfolgsaussichten einräumen?

      Dr. Plückthun:
      Krebs ist sicher eine der komplexesten Krankheiten, die es gibt. Das Problem ist weniger, dass man nicht beschreiben könnte, was der Defekt der Zelle ist - sie wächst, obwohl sie es nicht darf - und man kennt die molekularen Ursachen recht genau. Man kann aber das genetische Programm heutzutage nicht einfach "reparieren", jedenfalls nicht im Körper, und ich glaube, dass der Weg zu einer funktionierenden Gentherapie von Krebs noch extrem weit ist - einige Kollegen mögen in dem Punkt optimistischer sein. Im Moment sind all diese Ideen Bausteine, von der Impfung über die Gentherapie, über heutzutage angewandte Methoden wie die Chemotherapie und bessere Bestrahlungen. Alles sind Komponenten, die zu einer Behandlung beitragen können. Im Klartext: Alles funktioniert ein bisschen, aber alles nicht so ganz richtig und teilweise mit üblen Nebenwirkungen, und da die Krankheit lebensbedrohlich ist, greift man natürlich nach jedem Strohhalm.

      Nun, wo ist die Rolle der maßgeschneiderten Antikörper? Die "traditionellen" Antikörper (Rituxan, Herceptin) gehören in die gleiche Kategorie wie alle anderen Methoden, sie sind Komponenten einer Behandlung, aber noch lange nicht der Weisheit letzter Schluss. Bedenken Sie aber, dass diese Antikörper ursprünglich aus einer sehr klassischen Hybridoma Technologie erhalten wurden, und modernes "Engineering" dort noch gar nicht zum Zuge kam. Immerhin gibt es jetzt eine ungeheure Zahl von Optionen, Moleküle maßzuschneidern, um die Krankheit rational anzugehen. Sicher fehlen uns immer noch viele Einsichten, aber ich glaube, dass die Fähigkeit der Zielerkennung, was die Antikörper eben vermitteln, eine wichtige Rolle in vielen Therapieansätzen spielen wird.

      Einfach ausgedrückt: Die Frage ist nicht, Antikörper ODER andere Therapieansätze. Ich glaube eigentlich, dass Antikörper (oder Derivate davon) als BESTANDTEIL aller möglichen Therapieansätze zum Tragen kommen werden - immer wenn man eine spezifische Erkennung ausnützen will.


      FinanzNachrichten.de:
      Gibt es neben Krebs weitere Krankheiten, denen man am aussichtsreichsten mit therapeutischen Antikörpern begegnen kann?

      Dr. Plückthun:
      Bei einer ganzen Reihe von Krankheiten sind derzeit Antikörper in der klinischen Erprobung. Eine wichtige Gruppe ist, wenn man es mal so zusammenfassen will, Störungen des Immunsystems, wie Arthritis (Rheuma), Entzündungen, Lupus, schwere Allergien und Asthma. Auch die Verhinderung von Transplantationsabstoßungen gehören dazu. Eine andere Gruppe sind schwere Infektionskrankheiten bei geschwächten Patienten oder solche ohne zureichendes Immunsystem (z.B. Neugeborenen) - für die Bekämpfung von Infektionen werden Antikörper ja eigentlich vom Körper selbst gemacht. Erkrankungen im Herz- und Kreislaufsektor (Restenosis, Infarkt) werden auch erforscht. Die meisten Volkskrankheiten (selbst Karies) werden derzeit in irgendeiner Form mit therapeutischen Antikörpern untersucht.

      Man sollte sehen, dass das erste Schritte sind. Erstens sind, wie schon gesagt, wegen der langen Vorlaufzeit dies fast alles Kandidaten, die mit einer herkömmlichen Technologie hergestellt wurden. Die Möglichkeiten der neuen Technologien sind meist noch gar nicht eingeflossen. Zweitens sind die optimalen Zielmoleküle in vielen Fällen noch gar nicht klar, hier gibt es eine enorme Synergie mit der Genomforschung, und diese Erkenntnisse werden von direktem Nutzen sein. Insofern glaube ich, dass die "Trefferquote", also der Prozentsatz, der eine klinische Prüfung erfolgreich besteht, in der Zukunft ansteigen wird, weil man einfach bessere Moleküle in die Klinik bringen wird.


      FinanzNachrichten.de:
      In einer im März 2000 veröffentlichten Schätzung sprach die amerikanische Wirtschaftszeitung "Business Week" für das Jahr 2010 von mehr als 100 Antikörperpräparaten, die einen Jahresumsatz von zusammengenommen mehr als 50 Mrd. USD auf dem Weltpharmamarkt erzielen könnten. Sind solche Schätzungen Ihrer Meinung nach realistisch?

      Dr. Plückthun:
      Diese Zahlen sind eine mehr oder weniger lineare Extrapolation von dem, was bisher gemacht wurde. Ich halte die Größenordnung grundsätzlich für realistisch, aber das Jahr 2010 ist vielleicht etwas zu optimistisch, das kann länger dauern. Wir müssen einfach die sehr langen klinischen Erprobungsphasen bei diesen Präparaten berücksichtigen, und natürlich davon ausgehen, dass nicht alles funktionieren wird, was heutzutage in die Klinik zum Testen gebracht wird. Man wird aber daraus lernen und die Kurve wird in der Zukunft dann schneller ansteigen.


      FinanzNachrichten.de:
      In Ihrer Funktion als Mitbegründer der wohl bekanntesten deutschen Biotechfirma, der MorphoSys AG, wollen wir Ihnen gerne folgende Fragen stellen: Mit welchen Produkten und Partnern verdient die Firma MorphoSys in diesem rasant wachsenden Markt ihr Geld?

      Dr. Plückthun:
      Derzeit hat MorphoSys zwei Strategien zur Generierung von Einnahmen durch die Kommerzialisierung unserer HuCAL-Technologie:

      Kurzfristige Einnahmen kommen durch Forschungskooperationen. Im Einzelnen bedeutet das, dass Unternehmen wie DuPont Pharmaceuticals eine Lizenz auf unsere Technologie erwerben, von den Mitarbeitern der Firma im Einsatz von HuCAL geschult werden und die Technologie für den Zeitraum der Dauer des Lizenzerwerbs in ihren internen Forschungsprogrammen anwenden.

      Die zweite Einnahmequelle sind Kooperationen zu therapeutischen Antikörpern, also HuCAL-basierten Medikamenten. Diese Verträge beinhalten Einmalzahlungen für den Technologiezugang zu Beginn der Zusammenarbeit, Zahlungen für die wissenschaftliche Arbeit bei MorphoSys, Meilensteinzahlungen für im Vertrag definierte Zwischenziele und bei Vermarktung eines Produkts auch Lizenzzahlungen (Umsatzbeteiligung). Hier ist MorphoSys also über die gesamte Wertschöpfungskette des Medikaments beteiligt.

      Das Unternehmen hat Partnerschaften mit internationalen pharmazeutischen Unternehmen wie Bayer (Berkeley, Kalifornien/USA), Roche AG (Basel/Schweiz), DuPont Pharmaceuticals (Wilmington, Delaware/USA), Millennium Pharmaceuticals Inc. (Cambridge, Mass./USA), Centocor (Malvern, Phildadelphia/USA) Chiron Corporation (Emeryville, Kalifornien/USA), GPC Biotech AG (Martinsried/ Deutschland), ProChon (Revohot/Israel), Eos Biotechnology (South San Francisco, Kalifornien/USA), ImmunoGen (Cambridge, Massachusetts/USA) und BioGen (Cambridge, Massachusetts/USA). Die meisten sind Kooperationen zu therapeutischen Antikörpern.


      FinanzNachrichten.de:
      Was unterscheidet die Technologie der MorphoSys gegenüber der von anderen Mitbewerbern? Welche Firmen schätzen Sie grundsätzlich als Widersacher in Ihrem Markt ein?

      Dr. Plückthun:
      Antikörper Technologien können grundsätzlich in zwei "Welten" eingeteilt werden: Erstens die auf Tieren basierende Technologie, wo Antikörper durch die Immunisierung der Tiere gewonnen werden. Zweitens die Antikörper-Bibliotheken, wo es neben HuCAL auch sogenannte PCR Bibliotheken gibt. Hier werden Antikörper indirekt aus den Genen von Probandenblut gewonnen. Die MorphoSys HuCAL Technologie bietet viel weitergehende Perspektiven.

      Die HuCAL Technologie ist die einzige Technologie zur synthetischen Generierung von Antikörpern. Dies hat deutliche Vorteile gegenüber allen anderen am Markt erhältlichen Antikörper Technologien. Durch den modularen Aufbau von HuCAL können wir generierte HuCAL-Antikörper in den gewünschten Eigenschaften gezielt optimieren, d.h., wir können "maßgeschneiderte" Antikörper für eine gewünschte Anwendung liefern. Außerdem ist es das einzige System, in dem die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft über die Details der Konstruktion der Antikörper ständig einfließen können, weil alles eben synthetisch ist, und deshalb wie Software ständig weiterentwickelt werden kann.

      Der zweite wichtige Vorteil ist der hohe Automatisierungsgrad der Technologie durch das firmeneigene AutoCAL System. Mit AutoCAL ist es möglich, im Hochdurchsatz zu arbeiten und so den wachsenden Anforderungen der funktionalen Genomik gerecht zu werden. Ich sehe einfach nicht, wie zur Erforschung der Eiweiße des Menschen (mindestens 100.000 verschiedene) für jedes einzelne Eiweiß eine Reihe von Mäusen immunisiert werden soll. Mir scheinen die synthetischen Antikörper und die Roboter doch der vernünftigere Ansatz.


      FinanzNachrichten.de:
      MorphoSys wurde praktisch über Nacht zu einem Begriff für jeden deutschen Börsenanleger, als ein Kursziel von 1.000 Euro in die Diskussion gebracht wurde. Würden Sie auf dem aktuellen Niveau Aktien der MorphoSys kaufen und wären die etwa 3,8 Mrd. Euro Marktkapitalisierung, die sich aus einem Kurs pro Anteilsschein von 1.000 Euro ergäben, in ein paar Jahren durch entsprechende Unternehmensgewinne zu rechtfertigen? Bei einem aktuellen Kurs von 170 Euro hat die Firma eine Bewertung von rund 650 Mio. Euro.

      Dr. Plückthun:
      Diese Frage ist am besten mit einem Vergleich der Marktkapitalisierungen der Antikörperunternehmen zu beantworten. Die Maus-basierten Firmen Abgenix und Medarex haben eine 4 bzw. 6 Milliarden US Dollar Börsenkapitalisierung. Ein gewisser Discount der Bewertung von MorphoSys ist sicher durch die Tatsache gerechtfertigt, dass noch kein HuCAL-Präparat in der klinischen Erprobung ist. Dem steht aber gegenüber, dass unsere Technologie bereits jetzt, und langfristig noch viel mehr, ganz neue Möglichkeiten bietet. Deshalb denken wir, dass hier in jedem Fall viel Raum in Richtung einer deutlich besseren Bewertung unserer Aktie gegeben ist, nicht zuletzt da MorphoSys gute Fortschritte in Richtung auf eine eigene Pipeline macht.


      FinanzNachrichten.de:
      Herr Professor, ich darf mich im Namen unserer Leser für dieses sehr aufschlussreiche Interview bedanken.

      David Khalil, FinanzNachrichten.de-Redaktion


      gruss eschi - beim kaffe :cool:
      Avatar
      schrieb am 13.01.01 21:50:06
      Beitrag Nr. 154 ()
      hallo 50er,
      das time magazine beschäftigt sich in seiner aktuellen ausgabe mit biotechnologie.


      http://www.time.com/time/magazine/current

      Brave New Pharmacy
      Scientists using high-speed robots and the secrets of the human genome, says TIME`s Michael Lemonick, are changing forever the way they discover new medicines
      BY BY MICHAEL D. LEMONICK

      Inside an old factory building in Cambridge, Mass., a remarkable machine with the improbable name Zeus is hard at work. Flexing its two robotic arms, the computer-driven device reaches again and again into a storage area the size of a toddler`s crib, where thousands of individual samples of genetic material sit in tiny wells etched into plastic plates, each one identified by a unique bar code. One by one, Zeus searches for a particular code, dips into the corresponding well with a fine, quill-like probe and picks up a minuscule droplet of liquid DNA.

      Then Zeus transfers each precious droplet to a nearby sheet of nylon, moistens a designated spot and pivots back to the glass plates to find the next sample on its list. When Zeus is done, the nylon sheet will be spotted with a grid of about 1,000 droplets, forming what researchers call a microarray. Once the machine has created a few dozen of these arrays, they will be rolled up, inserted into glass tubes and doused with radioactive dye and genetic material from a range of human tissue types — from normal, healthy cells to diseased cells representing breast, prostate, lung or colon cancer. Emerging from this experiment will be a set of data points, glowing with eerie phosphorescence, that may someday lead scientists to a new cure for one of the deadliest scourges known to man.

      When the human genome was sequenced last year, scientists finally gained access to the full text of God`s reference manual: the 3 billion biochemical "letters" that spell out our tens of thousands of genes. These genes, strung out along the 46 chromosomes in virtually every human cell, carry the instructions for making all the tissues, organs, hormones and enzymes in our body.

      Once scientists have decoded these instructions — a process already well under way — they should have a better understanding of precisely what happens, down to the molecules within individual cells, when the body malfunctions. And, says Francis Collins, director of the National Institutes of Health`s Human Genome Research Institute, "if you understand the genetic basis of a disease, then you can predict what protein it produces and set about developing a drug to block it."

      Here in Cambridge, a new industry is quietly taking shape that proposes to do that on a grand scale, as companies with names like Biogen, Genzyme, Genetics Institute and Millennium Pharmaceuticals — Zeus` home — prepare to change forever the way doctors fight disease. They`re not alone: spurred by the prospect of scientific glory and enormous profit, big pharmaceutical firms and university and government labs have been joined by scores of new companies, not just in Cambridge but in Montgomery County, Md., Silicon Valley and other high-tech hot spots around the nation. It`s a virtual gold rush to mine the mountain of potentially valuable data the genome contains.

      The result could be a medical revolution. Until now, doctors haven`t actually been fighting illnesses like cancer, stroke and heart disease. Instead they`ve been intervening at the level of symptoms — the last, visible step in a complex cascade of biochemical events. And they have done it largely by trial and error — finding new medicines in exotic plant extracts, for example, or looking for chemical compounds that resemble existing drugs. The process is so woefully inefficient that the drugs currently available target only 500 or so different proteins in the body, out of the 30,000 or so we`re made of. Says Collins: "We`ve beaten those targets to death."

      Even when they have the drugs in hand, doctors have to guess which ones might work for a given patient. To treat high blood pressure, for example, physicians must choose from six different classes of medications — and it`s the rare patient who hasn`t had to work his or her way through several of them before finding a medicine that works.

      But in the new era of genomic medicine, this halting, inefficient approach should give way to something much more rational and systematic. Doctors will treat diseases like cancer and diabetes before the symptoms even begin, using medications that boost or counteract the effects of individual proteins with exquisite precision, attacking sick cells while leaving healthy cells alone, and they will know right from the start how to select the best medicine to suit each patient.
      Sifting through the human genome for therapeutically useful gems, though, requires a well-designed search strategy combined with powerful technology. At Millennium, housed in a factory that once stamped out heart-shaped candy boxes for Valentine`s Day, that strategy is embodied in Zeus, whose job is to find the handful of genes among the genome`s tens of thousands that are key to individual diseases — and thus key to making effective medications.

      To make this search as easy as possible, Millennium chief scientific officer Dr. Robert Tepper has chosen to focus on the low-hanging fruit — going first for the most obvious targets. In looking for anticancer drugs, for example, his researchers are concentrating on monoclonal antibodies, a type of biological "smart bomb" that targets cancer cells and leaves normal cells alone. Like all antibodies, these man-made cancer missiles seek out particular receptors — molecules on the cancer cell`s surface that help the cell recognize and react to nearby enzymes and proteins. Almost a dozen such drugs are already on the market, including one called Herceptin. It zeroes in on the HER-2/neu receptor that sits on the surface of some breast-cancer cells, blocking the binding of growth factors. For the 30% of tumors involving the receptor, the drug may be helpful.

      But Tepper`s group wants to go a step further, identifying the one or two or three receptors common to all the major cancers — breast, prostate, lung and colon — and thus create a one-stop superdrug. Before the genome was available, this would have been almost impossible. Now Millennium scientists can take known genetic fragments of cancer-cell receptors and plug them into the genome database posted on the National Institutes of Health`s GenBank website, searching for sequences in the genome that match and eventually getting to the genes that regulate cell-surface receptors. Almost immediately, they were able to discard as irrelevant some 23,000 of the genome`s 30,000 or so genes.

      Subsequently the researchers at Millennium had only 7,000 genes to sift through for those specifically active in cancer cells. For that they needed to compare the gene sequences with living cancer cells. That`s where Zeus came in: after its custom-made microarrays had marinated for 18 hours in the genetic stew from human tissue cells, technicians scanned them to see which bits of DNA lighted up the brightest with radioactive dye. By comparing the cancer-covered arrays with those immersed with normal cells, the scientists could see which receptors were active in all the cancers yet inactive in normal cells — in this case, just 200 of the original 7,000. "These are experiments that we could only dream of but could never do before the genome," says Tepper.

      But they still had too many targets for drug designers to deal with. To narrow the possibilities further, Millennium scientists took breast-cancer cells from two dozen patients and ran additional array screenings to get a better idea of how prevalent a particular receptor was on breast-cancer cells in the population at large. Then they focused on the most widespread and active among them. That brought the hundreds of choices down to just a few dozen, among which are a handful that are expressed in more than 80% of patients.

      In just three months, Millennium had finished a winnowing process that would once have taken five or 10 years. Says Tepper: "Drug discovery could never be done this way before. You wouldn`t know that a drug was effective or potentially effective in a given percentage of your patient population until very late in clinical development."

      Once genomics has identified a potential target protein on cancer cells, scientists still have to find or create a compound — the monoclonal antibody — to lock onto that target and block its normal activity, or at least stick a red flag on it to make it vulnerable to destruction by the body`s immune system. At this point, Millennium`s process finally begins to look like the "wet lab" that drug companies have relied on for decades. To come up with a monoclonal antibody to fight cancer, Tepper`s group uses a strain of mice whose immune systems are genetically engineered to generate human antibodies. Choosing whichever receptor protein Zeus has found for them, the scientists inject the mice with it, then extract the antibodies the animals create to fight the invader.

      The antibodies then go through testing to make sure they will bind to cancer cells with the designated receptor, that they can be absorbed by the body and that they won`t have toxic side effects. Some of these studies can be done in the lab, but they quickly move into animal and finally human subjects. Already, Millennium has 40 potential targets for monoclonal-antibody drugs against various cancers, and Tepper`s goal is to generate 10 to 12 new ones each year.


      Access to the genome has drastically improved the efficiency of another traditional drug-finding strategy — and again, Millennium`s approach typifies what other firms are doing. Drug companies have often found new medicines by seeking compounds similar to ones they already know, and since most pharmacologically active compounds are based on proteins — that is, on chemicals manufactured naturally from genetic instructions — at least some of those genes should be hidden in the genome
      In 1998, Tepper`s team used this reasoning to try to improve on the popular blood-pressure-lowering drugs known as ace inhibitors. These compounds inhibit an enzyme called angiotensin-converting enzyme (ace), which is responsible for making the muscle cells in blood vessels contract, which drives blood pressure up. By interfering with the activity of this enzyme, ace inhibitors keep blood vessels relaxed and pressure down.

      But the ace inhibitors currently on the market don`t work on everyone, and Millennium figured that the genome might help them find a better version. So researchers sat down at their computers, plugged in some genetic sequences found in the gene for ace and came up with 10,000 genes that might have comparable activity.

      Then they used Zeus to set up microarray analyses and winnowed the 10,000 down to one promising protein they call ace-2. Testing the enzyme on tissue cells from different organs in the body, the scientists showed that whereas the original ace acts broadly on many tissues in the body, ace-2 is particularly active in heart and kidney cells, where it might be more effective in controlling high blood pressure. Because they already knew on the molecular level exactly how ace worked, Tepper`s team also knew precisely which lab tests would determine whether ace-2 had the same effects.

      It did, so they moved quickly to develop a compound that inhibits ace-2. Scientists combed through Millennium`s library of 700 different classes of compounds for molecules whose chemistry made them candidates to clamp down on ace-2 activity. Then, with the help of protein-modeling software (see Bioinformatics box), they manipulated the chemical structure of their new inhibitor to give it optimal binding affinity with the ace-2 receptor. In about two years, Millennium had created a new blood-pressure-drug candidate that is now being tested in animals.


      The last step for the ace-2 inhibitor, as for any drug, is human clinical trials. Because the Food and Drug Administration requires such rigorous testing, this is by far the most expensive part of drug development. So for human trials in some cases, Millennium has formed partnerships with large pharmaceutical companies that have the necessary resources and will share in any eventual profits.

      Everyone looking for new drugs, whether genomically or in more traditional ways, wants to reduce the cost of bringing a medication to market — now estimated at $500 million. One way to do it is to limit trials to those people most likely to respond to a given drug. This too is governed by genetics. Says Ira Herskowitz, a biochemist and biophysicist at the University of California, San Francisco: "We`re all different, we have different hair color and different features, right? How can we not metabolize drugs differently?"

      That`s why Herskowitz and his colleagues have launched a project to unravel exactly what — at the genetic level — makes some people benefit from drugs and others not. They suspect that one major factor is a class of proteins called membrane transporters. These proteins act as molecular gatekeepers, deciding which foreign substances in the bloodstream will be taken into and which rejected by individual cells. If, for example, people lack the gene for an inactivating enzyme, says Herskowitz, "a standard dose of a drug will be more potent. If they have an extra copy of the gene, a standard dose will be inadequate."

      To get a handle on how these proteins vary from one person to the next, members of the Pharmacogenetics of Membrane Transporters project are focusing on 25 different transporters already known to play a role in drug absorption and elimination. The first step is to look at the genes for those transporters in DNA samples from 250 ethnically diverse people and see how they vary from one individual to the next. "Identifying the variants is rather easy," says Kathleen Giacomini, the project`s principal investigator and ucsf`s chairwoman of biopharmaceutical sciences. "The really hard part is in looking at whether the variants have significance for drug response."

      That requires working with living cells. The researchers insert different versions of a given gene into a cell and see how its response to a particular body chemical — serotonin, for example, a neurotransmitter implicated in clinical depression — varies. Then they bathe the cells in Prozac, for instance, which works by modifying serotonin levels in the brain, and see how that response changes. "If there`s a difference," says Giacomini, "I`ll know that maybe your transporter interacts with the drugs a little differently from mine."

      As of this month, ucsf researchers have done about 20% of the initial DNA analysis and have found more than a dozen variants, which are now being screened in cells. The scientists on tap to look for variants that haven`t been analyzed yet, says Herskowitz, "are chomping at the bit, saying, ‘When is my gene going to be done?`"

      Clinicians, meanwhile, are assembling a list of 1,500 patients being treated for depression, whose varying responses to medication will be carefully documented. Eventually the clinical data will be combined with the genetic studies. Says Herskowitz: "It`s interesting to see the changes to the cell, but what you really want to know is how someone with that change would respond differently to Prozac, or to an anticancer compound. That`s more elaborate, which is why this clinical aspect is exciting stuff."


      Promising as all these projects seem, they`re really only the first stage of the revolution in genomics-based drug discovery. The ultimate payoff of genomics will be a drug resulting from an entirely novel, as yet undiscovered class of compounds. And that will come about only when scientists have assembled a road map laying out not just the functions of individual genes but the dizzyingly complex network of enzyme reactions, receptor interactions and protein-binding patterns that result — not just the building blocks of human life, in short, but the entire working machine. "When we understand that in great, gory detail, we`ll be someplace," says Alfred Gilman, a pharmacologist at the University of Texas Southwestern Medical Center at Dallas and winner of the 1994 Nobel Prize for his work on cellular signaling mechanisms.

      Gilman and some 50 investigators at 20 different universities have banded together to form the Alliance for Cellular Signaling, whose goal is to trace the maze of chemical pathways in working cells and then use that knowledge to create a "virtual cell" inside a computer. This electronic cell will, in theory, allow researchers to test potential drugs for safety and effectiveness with much less need to resort to mouse, monkey or human subjects. Says Gilman: "You`ll be able to take a library of millions of hypothetical chemical compounds and let the computer watch them interact with the theoretical models of drug targets. It will be a fantastic drug-discovery engine for the future."

      The task, he admits, is extraordinarily daunting. A typical cell has perhaps 50 different receptors, and the cell doesn`t pay attention to just one receptor at a time. "How," asks Gilman, "does it know how to interpret the signal from one hormone when it`s listening to 45 other ones at the same time? How does the whole signaling system work as a network? That`s what we want to find out."

      Leading-edge genomics firms aren`t waiting until all the answers are in. Companies like Myriad Pharmaceuticals in Salt Lake City, Utah, Human Genome Sciences in Rockville, Md., and the British company GlaxoSmithKline, along with dozens of others, are moving equally aggressively to plumb the genome for whatever secrets it`s ready to reveal.

      For its part, Millennium — both on its own and in collaboration with its partners — has identified 121 potential targets, developed 17 drugs currently being tested in animals and moved six drugs into Phase I human trials, four into Phase II and one into Phase III. Says company ceo Mark Levin: "We`re going to understand the mechanism of diseases much better, so eventually, obesity, asthma and schizophrenia will be seen not as single diseases but as a subset of 10 to a dozen conditions. That means breakthrough products that have better efficacy and therefore more value to patients than the drugs we have today."

      The drugs will have more value for drugmakers as well. With its largely automated, computer-driven searches for new medicines and the cost saving from tightly targeted human trials, Millennium chief technology officer Mike Pavia estimates, the company can cut the cost of developing a new medicine from about $500 million to $200 million while shaving the development time from more than 10 years down to six or seven. These savings, the firm hopes, will translate into pure profit for investors.

      That same hope is echoed by dozens of other companies that have jumped into the race to perfect genome-based drugs — and nobody seems to doubt that it will eventually happen. While the genomics revolution hasn`t touched most of our lives yet, the day when it will may not be far off. "When it starts to happen, it will happen quickly," predicts Adrian Hobden, president of Myriad Pharmaceuticals. "There will be a few brave pioneers who believe in it, and the vast majority will carry on as they`ve done before. Then over five years it will become an accepted standard of care, and everyone will be doing it."
      Avatar
      schrieb am 14.01.01 12:05:36
      Beitrag Nr. 155 ()
      Australische Gen-Forscher haben ein für Mäuse absolut tödliches Virus hergestellt - gewollt hatten sie dies nicht. Nun warnen sie vor den unabsehbaren Gefahren der Biotechnologie.


      Gen-Forscher der australischen Universität in Canberra haben unbeabsichtigt ein für Mäuse absolut tödliches Virus hergestellt. Dies belege, so die Forscher nun in einem Appell, die wachsende Bedrohung für die gesamte Menschheit. Denn moderne Biotechniken könnten ohne weiteres von skrupellosen Regierungen oder Terroristen zur Schaffung gefährlicher Bio-Waffen eingesetzt werden. Das Forscherteam berichtet über seine Arbeit in der jüngsten Ausgabe des britischen Magazins "New Scientist".

      Die australische Wissenschaftler Ron Jackson und Ian Ramshaw wollten ursprünglich mit Hilfe eines gentechnischen Eingriffes ein Virus schaffen, das die Vermehrung von Mäusen dämpft. In ihrem Labor schufen sie jedoch einen für die Tiere absolut tödlichen Mikroorganismus. Jackson (Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation) und Ramshaw (Universität in Canberra) pflanzten dem Virenstamm für Mäusepocken das Gen zur Produktion des Proteins Interleukin-4 ein. Anschließend infizierten sie die Mäuse mit diesem neuen Virus und hofften, dass die Tiere Antikörper gegen die eigenen Eier bilden und somit unfruchtbar würden. Doch die Tiere wurden nicht unfruchtbar, sondern starben innerhalb kürzester Zeit. Die von den Forschern gentechnisch herbeigeführte Veränderung des Mikroorganismus hatte die Immunantwort der Tiere gegen Viren völlig abgeschaltet. Dies fanden die Forscher bei der Untersuchung der Mäuse heraus.


      Der von den Forschern verwendete Virenstamm der Mäusepocken ist eng verwandt mit dem menschlichen Pockenvirus. Genau hierin liege, so die Gentechniker, die Gefahr für die Menschheit. Denn es sei nun prinzipiell leicht möglich, Viren anderer Tiere oder gar des Menschen zu "hochgefährlichen Killern" zu machen.


      Viren gelten die klassischen "Schmarotzer". Sie verfügen über keinen eigenen Stoffwechsel und unterscheiden sich damit von anderen Mikroorganismen wie beispielsweise die Bakterien. Um sich zu vermehren benutzen die Viren einfach den Stoffwechsel in den Körperzellen eines "Wirtes". Normalerweise ist der Mensch durch seine Haut gut gegen das Eindringen von Viren geschützt. Ist das Immunsystem eines Menschen allerdings geschwächt, haben Viren die Chance, in den Körper einzudringen.

      Wie allgegenwärtig Viren im täglich Leben sind haben kürzlich Forscher der Universität von Arizona festgestellt. Demnach können Viren über mehrere Tage auf harten Oberflächen verbleiben. Schnäuzt etwa jemand mit einer Erkältung in ein Taschentuch und berührt dann anschließend mit der Hand eine Türklinge, hinterlässt er dort rund 1000 Viren, die so in Kontakt mit der Hand einer anderen Person kommen können. Berührt diese Person dann mit der Hand Nase oder Mund, kann es bereits zu einer Infektion kommen. Bei Versuchen der Forscher aus Arizona blieben etwa 39 Prozent der Bakterien und 66 Prozent der Viren auf einem Telefonhörer oder 28 Prozent der Bakterien und 34 Prozent der Viren auf einem Türgriff zurück. 34 Prozent der Viren und Bakterien können wiederum auf die Unterlippe eines Menschen durch einen infizierten Finger geraten. Die Forscher präsentierten folgende Rechnung: Wenn ein Telefonhörer etwa mit 10000 Viren kontaminiert wird, dann können bei normaler Benutzung des Telefonhörers 6580 Viren auf die Hand geraten, und davon wieder 211 auf eine Fingerspitze. Wenn diese Fingerspitze dann in den Mund gesteckt wird, werden 72 Viren von der Person aufgenommen. "Diese Forschungsarbeit zeigt", so die Wissenschaftler, "dass alltägliche Aktivitäten in einem kontaminierten Haushalt oder Arbeitsplatz leicht in der Übertragung von Krankheiten münden können." (BK)

      Grüße

      Torsten
      Avatar
      schrieb am 15.01.01 09:37:31
      Beitrag Nr. 156 ()
      Der erste gentechnisch veränderte Primat wird der Welt präsentiert


      (12.01.01) ANDi ist bereits drei Monate alt und Träger eines Quallengens. Von rechts nach links gelesen bedeutet ANDi- "i(nserted) DNA", eingefügte DNA. Er ist der erste gentechnisch veränderte Primat und die jüngste Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science widmet ihm einen ganzen Bericht.

      ANDi wurde an der Oregon Health Sciences University in Portland (USA) unter der Obhut von Gerald Schatten und seinen Mitarbeitern geboren. Er trägt in seinem Erbgut zusätzlich das Gen einer Qualle, das für ein grün fluoreszierendes Protein (GFP) codiert. Das GFP-Gen ist seit einigen Jahren als Marker bei der gentechnischen Veränderung von Zellen oder Organismen beliebt, denn es erlaubt sehr einfach festzustellen, ob eine Genübertragung rundum erfolgreich war.

      Bereits Mitte 1999 wurde in Portland das Rhesusäffchen "George" geboren, der als früher Embryo ebenfalls GFP-Gene in sich trug. Doch nach der Geburt waren bei George die Quallengene nicht mehr vorhanden. Bei ANDi dagegen läßt sich das GFP-Gen nachweisen. ANDi ist, so bestätigte auch Jerzy Adamski, stellvertretender Direktor des GSF-Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit in Neuherberg bei München, der erste Beweis dafür, daß eine gentechnische Veränderung bei Primaten tatsächlich möglich ist.

      Die gentechnische Veränderung von Tieren ist heute noch immer sehr kompliziert. Mit 224 Eizellen, in die man die neue Erbinformation eingebracht hatte, begann das ANDi-Experiment. Daraus resultieren nach der Befruchtung 40 Embryonen, die die Leuchtgene offensichtlich nutzten und bei Bestrahlung mit blauem Licht grün fluoreszierten. 20 Rhesusaffenweibchen wurden als Leihmütter auf die Aufnahme der Embryos hormonell vorbereitet. In fünf Fällen kam es zu einer Schwangerschaft, geboren wurden schließlich 3 Äffchen, von denen nur eines, ANDi, auch tatsächlich die eingeschleusten Gene stabil in sein Erbgut eingebaut hatte. Doch die Zellen des am 2.Oktober letzten Jahres zur Welt gekommenen Affen nutzen ihre neue genetische Information nicht, eine grüne Fluoreszenz ist nicht nachweisbar. Die Forscher hoffen, dass sie angeschaltet werden, wenn der kleine Affe etwas älter ist.

      Ziel der Wissenschaftler ist es, einerseits bessere Krankheitsmodelle für Humanerkrankungen zu entwickeln und andererseits die Methoden der Gentherapie für den Menschen auszufeilen. Das gängigste Tiermodell ist immer noch die Maus. Doch manchmal sind diese Modelle nicht ausreichend. Schatten und seine Mitarbeiter vertreten die Auffassung, daß das Primatenmodell "Rhesusaffe" die große Lücke zwischen Mensch und Maus schließen könnte, um die Übertragbarkeit von Forschungsergebnissen am Tiermodell auf den Menschen zu verbessern. Doch gibt es auch kritische Stimmen, die den extrem hohen materiellen Aufwand einerseits sowie die ethische Komponente von Primatenversuchen andererseits nicht ohne weiteres gerechtfertigt oder verantwortbar sehen. So ist die gezielte Positionierung eines eingefügten Gens nicht möglich und lebenswichtige Gene könnten geschädigt werden. Und schließlich sind Affen geistig hoch entwickelte Geschöpfe und enge Verwandte des Menschen.
      Avatar
      schrieb am 21.05.01 12:29:54
      Beitrag Nr. 157 ()
      hi biotechnologiefraeks,

      der artikel paßt wohl am besten hier rein:

      15.05.2001) Im vergangenen Jahr ist ein bemerkenswerter Zuwachs an Untersuchungen zur Xenotransplantation zu verzeichnen gewesen, allerdings können der Nutzen für die Patienten und die möglichen Risiken dieser Behandlungsform noch nicht vollständig abgeschätzt werden. Dieses Fazit zogen Transplantationsmediziner, Immunologen, Virologen, Ethiker, Juristen und Vertreter der zulassenden Behörden auf dem 4. Minisymposium der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Xenotransplantation (DAX) am 11. Mai 2001 im Robert Koch-Institut. In die Xenotransplantation, die Übertragung von Zellen, Geweben und Organen vom Tier auf den Menschen, setzen viele Mediziner und Patienten große Hoffnungen. Denn die Methode könnte die Probleme, die durch den Mangel an humanen Spenderorganen entstehen, beseitigen helfen und auch bei Krankheiten wie Diabetes oder Alzheimer, bei denen wichtige körpereigene Zellen zugrunde gehen, erstmals Heilungschancen eröffnen.

      Schweine sind wegen ihres Stoffwechsels, der dem des Menschen ähnelt, wegen der vergleichsweise großen mikrobiologischen Sicherheit und aus Kostengründen die favorisierten Spendertiere. Nach wie vor ist jedoch eine große Hürde, dass ihre Organe im menschlichen Körper vehement abgestoßen würden. Zudem ist noch unklar, ob neue Krankheitserreger vom Tier auf den Menschen übertragen würden. "Vor einer klinischen Anwendung der Xenotransplantation müssen daher sorgfältige Forschungarbeiten geleistet werden, um zu klaren Aussagen über den Nutzen für den Patienten und die möglichen Risiken zu kommen", sagte der Präsident des Robert Koch-Instituts, Professor Reinhard Kurth, zur Eröffnung der Tagung.

      Während die meisten Erreger durch Auswahl und geeignete Haltung der Schweine beseitigt werden können, ist das für die endogenen Retroviren des Schweins, die porcinen endogenen Retroviren (PERVs), nicht möglich. Diese Viren sind im Erbgut aller Schweine verankert und können im Experiment menschliche Zellen infizieren. Ob auch im Empfängerorganismus eine Infektion stattfinden kann und welche Folgen das haben würde, wird derzeit untersucht. Dr. Joachim Denner vom Robert Koch-Institut zeigte im vergangenen Jahr an Zellkulturen, dass sich PERVs an menschliche Zellen anpassen können und sich dadurch immer besser vermehren. Es gibt aber Hinweise, dass der Organismus das artfremde Virus trotz des unterdrückten Abwehrsystems in Schach halten kann. Dies zeigen Untersuchungen Denners bei Affen, die mit großen Mengen porciner Retroviren behandelt wurden, und deren Immunsystem (ähnlich wie nach einer Transplantation) unterdrückt wurde. Auch bei Affen, die Organe vom Schwein erhalten hatten, ließen sich die endogenen Retroviren vom Schwein nicht nachweisen.

      Da erste klinisch-experimentelle Xenotransplantationen bereits durchgeführt werden, zum Beispiel die Übertragung von Schweinehaut auf Patienten mit gravierenden Brandverletzungen oder von verkapselten Inselzellen vom Schwein auf Diabeteskranke, gewinnt die Frage nach Kriterien für die klinische Anwendung an Bedeutung. Einerseits muss den Patienten Rechnung getragen werden, die ohne eine Transplantation häufig frühzeitig sterben, andererseits sollte vermieden werden, dass neuartige Krankheitserreger vom Tier in den Menschen gelangen und sich möglicherweise in der Bevölkerung ausbreiten. Professor Karl-Friedrich Sewing vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer, der derzeit eine Richtlinie zur Xenotransplantation erarbeitet, hält die Etablierung eines begleitenden Systems von Beratung, Zustimmung und Dokumentation für erforderlich. Diese Ansicht wird vom Robert Koch-Institut geteilt. Ebenso wie Dr. Elettra Ronchi von der OECD (Organisation for Eco-nomic Co-operation and Development) sprach Karl-Friedrich Sewing sich auf dem Symposium auch dafür aus, für die klinische Xenotransplantation Überwachungs- und Vorsichtsmaßnahmen im übernationalen Rahmen zu erarbeiten.

      Eine Studie der "Europäischen Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen", die auf dem Symposium vorgestellt wurde, empfiehlt die Schaffung einer zentralen Kommission, die konkreten klinischen Anwendungen zustimmen muss, und sie empfiehlt vor allem eine verstärkte naturwissenschaftliche Forschungstätigkeit und eine sachliche, alle Chancen und Risiken abwägende Diskussion auch in der Öffentlichkeit. Insbesondere hierzu trägt die von Joachim Denner (Robert Koch-Institut) und Ralf Tönjes (Paul-Ehrlich-Institut) geleitete DAX, in der Transplantationschirurgen, Immunologen, Physiologen, Veterinärmediziner, Mikrobiologen, Virologen, Ethiker, Industrie- und Behördenvertretern zusammenarbeiten, mit ihrem jährlichen Minisymposium Xenotransplantation nun bereits zum vierten Mal bei.


      Weitere Informationen finden Sie unter:
      Weitere Informationen:
      http://www.rki.de/AKTUELL/DAX2001/DAX2001.HTM


      Quelle:
      Pressemitteilung des Robert Koch-Instituts / idw

      gruss eschi
      Avatar
      schrieb am 09.06.01 07:42:06
      Beitrag Nr. 158 ()
      Gentechnologie


      Definition

      Gentechnologie ist die Wissenschaft von der Veränderung der Gene. Sie beinhaltet alle Methoden, die sich mit der Isolierung, Charakterisierung, Vermehrung und Neukombination von Genen beschäftigen. Insbesondere wird unter Gentechnologie die Isolierung eines Gens aus einem Organismus und seine Vermehrung in einem anderen verstanden.

      Die Gentherapie ist zu einem neuen Hoffnungsträger in der Medizin geworden. Sie hat das Potenzial, in Zukunft neben klassischen Therapieformen wie Medikation, Operation und Bestrahlung einen festen Platz zu erlangen. Sie eröffnet neue Anwendungsmöglichkeiten innerhalb der Medizin (etwa eine verbesserte Diagnostik von Krankheiten), in der Präventivmedizin (neue Impfstoffe), in der Substitutionstherapie (Herstellung von Insulin) oder in der Gentherapie (Kompensation von Enzymen).

      Gentherapie bedeutet allgemein die Einschleusung eines oder mehrerer Fremdgene in den Organismus mit therapeutischem Nutzen für das Individuum. Viele erbliche und nichterbliche Krankheiten beruhen auf Defekten an den Erbanlagen. Die Wissenschaftler versuchen daher seit kurzem, diese Fehler durch das Verpflanzen von Genen durch eine sogenannte Gentherapie zu korrigieren. Während in der klassischen Medizin ein fertiges Arzneimittel verabreicht wird, erhalten Patienten bei der Gentherapie eine genetische Information, nach der dann die eigenen Zellen den fehlenden oder vorteilhaften Stoff bilden.


      Wissenschaftliche Grundlagen der Gentechnologie

      Wichtige Definitionen im Überblick

      Die Erbsubstanz DNA (=Desoxyribonucleotidsäure) kann durch ihre Struktur Informationen über den Bauplan des Lebens speichern und weitergeben. Die Information ist durch die Abfolge von verschiedenen Bausteinen, den Nukleobasen A (Adenin), G (Guanin), C (Cytosin) und T (Thymin) entlang des fadenförmigen DNA-Moleküls verschlüsselt. Ähnlich wie die Buchstaben eines Buches in Worten und Kapiteln zusammengefasst sind, reihen sich auch die Bausteine der DNA zu Informationseinheiten aneinander. In der “DNA-Sprache” stellt eine bestimmte Abfolge von A, G, C und T ein Rezept für ein bestimmtes Protein dar. Die fadenförmigen Moleküle sind im Inneren unserer Zellen im Zellkern in einzelnen Chromsomen aufgespult. Jede menschliche Körperzelle enthält 23 Chromosomenpaare. Jedes der jeden Chromosoms wiederum trägt Tausende von Informationseinheiten, die so genannten Gene. Gene sind die Träger vererbbarer Informationen in allen lebenden Zellen. Gene bestehen aus kurzen DNA-Abschnitten und enthalten die Anweisung für die Herstellung bestimmter Eiweißstoffe, der Proteine. Das menschliche Genom enthält 46 Chromosomen sowie in etwa 200.000 Gene, wobei jedes Gen durchschnittlich etwa 15.000 Nukleotidbausteine aufweist.

      Das gesamte genetische Material umfasst demnach etwa drei Milliarden Nukleotide. Die Proteine bestehen aus Aminosäuren. Die Aminosäuren werden gemäß der in der DNA festgeschriebenen Bauanleitung wie Perlen an einer Schnur aneinander gereiht. Proteine dienen sowohl als Stütz- und Baumaterial für das menschliche Gewebe und werden für den Ablauf der Stoffwechselprozesse des Körpers benötigt. Nukleinsäuren können als DNA oder RNA (=Riboucleinacid: Form der Erbinformation, die für die Übersetzung von DNA in Proteine wichtig ist) auftreten, die Befehle enthalten und weitergeben, mit denen alle Zellaktivitäten einschließlich der Proteinherstellung und Zellreproduktion gesteuert werden. Ein DNA- oder RNA-Defekt kann zu einer Zell- oder Proteinfunktionsstörung führen und dabei schwere Erkrankungen wie Krebs auslösen.

      Universalität des genetischen Codes

      Menschen, Tiere und Pflanzen sind nach dem Baukastenprinzip aus Zellen aufgebaut. Menschliche, tierische und pflanzliche Zellen sind sich sehr viel ähnlicher als die kompletten Organismen. Diese Ähnlichkeit wird auf dem Niveau der Moleküle noch ausgeprägter. So sind z.B. die Hormone vieler Säugetiere mit denen des Menschen fast identisch. Die Bauanleitung für alle Organismen ist durch die Sequenz in der DANN des Zellkerns festgelegt. Nicht nur die chemische Struktur der Erbsubstanz ist in allen Organismen gleich, sondern auch der genetische Code. Dieser Tatbestand wird mit “Universalität des genetischen Codes” bezeichnet und gilt als der überzeugendste Beweis für den gemeinsamen Ursprung aller Organismen. Die Gentechnologie greift auf natürliche Methoden des DNA-Transfers zwischen Organismen zurück. Entgegen der landläufigen Ansicht kann nämlich auch in der Natur Erbinformationen zwischen verschiedenen Arten ausgetauscht werden. Es sind vor allem diese Systeme, die von der Gentechnologie benutzt werden.

      Somatische Gentherapie

      Somatische Zellen sind alle Körperzellen, die nicht an der Reproduktion eines Individuums beteiligt sind, wie z.B. Muskelzellen, Blutzellen, Hirnzellen, Leber- und Nierenzellen. Somatisch bedeutet, dass die therapeutische Genveränderung auf die behandelte Person beschränkt bleibt und nicht auf die Nachkommen weitervererbt wird. Eine definitive Eliminierung einer Erbkrankheit für alle Generationen würde gentherapeutische Eingriffe in die Keimbahn voraussetzen.

      Somatische Gentherapie ist eine relativ neue Therapieform. Sie lässt sich als eine Sonderform der Transplantation verstehen. Während in der modernen Transplantationsmedizin ein vollständiges Organ verpflanzt wird, werden bei der Gentherapie einzelne Erbinformationen von einem Spender auf einen Empfänger übertragen. Sie umfasst alle medizinischen Eingriffe, die das genetische Material (=Erbinformation) von somatischen Zellen verändern. Diese Modifikation wird durch das Eindringen von Genen in die Körperzellen erreicht. Der Transfer kann zum einen in vitro (=im Reagenzglas) als auch in vivo (=innerhalb des Körpers) erfolgen. Eine Geneinführung auf der Keimbahnebene würde bedeuten, dass die zusätzliche Erbanlage in Keimbahnzellen, dies sind Samen- und Eizellen, eingesetzt würde. Die zusätzliche Erbanlage würde dann an die Nachkommen vererbt werden. Die Anwendung der Keimbahntherapie beim Menschen steht momentan noch nicht zur Diskussion. Sie ist technisch noch nicht möglich und gesetzlich in manchen Ländern verboten.


      Methoden des Gentransfers

      Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Gentherapie ist eine effiziente und reproduzierbare Einschleusung und Expression eines gewünschten Gens in geeigneten Zellen. Bis heute wurde der Gentransfer in den meisten Fällen in vitro durchgeführt. Hierbei werden die Zielzellen (z.B. Lymphozyten, hämatopoetische Stammzellen, Leberzellen) aus dem Organismus isoliert, in Zellkultur mit dem gewünschten Gen transfiziert und schliesslich wieder in den Organismus reimplantiert.

      Durch in vitro Gentherapie kann ein möglicher Gentransfer in Keimbahnzellen sicher ausgeschlossen werden. Ebenso sind in vitro Gentransfermethoden generell effizienter als die bis heute zur Verfügung stehenden in vivo Gentransfermethoden. Die Anwendbarkeit der in vivo Gentherapie ist aber beschränkt auf jene Zellen, die relativ leicht aus dem Körper isoliert und in genügenden Mengen gezüchtet werden können.

      Zudem gelingt die Reimplantation der in vitro transfizierten Zellen in den Körper oft nur unvollständig und/ oder die Expression des Transgens geht in vivo relativ rasch wieder verloren. Zur Aufrechterhaltung einer Langzeitsekretion eines Genproduktes in vivo wird auch versucht, genetisch modifizierte Zellen in selektiv permeable Kapseln zu verpacken, die Zellen vor einer Zerstörung durch das Immunsystem schützen. In naher Zukunft ist der weitere Fortschritt der somatischen Gentherapie vor allem abhängig von der Entwicklung von sicheren und leicht anwendbaren in vivo Gentransfermethoden, die eine effiziente und stabile Genexpression in bestimmten Zielorganen erlauben.


      Das Gentransfersystem

      Grundsätzlich gibt es virale und nicht-virale Gentransferverfahren. Virale Gentransferverfahren benutzen spezielle genetisch modifizierte Viren, die von Natur aus die Fähigkeit haben, Erbsubstanz in menschliche Zellen einzuschleusen, als Transportvehikel für genetisches Material. Genau wie beim Verlauf einer normalen viralen Infektion heften sich diese Virussektoren gezielt auf der Zelloberfläche an und dringen anschließend in die Zellen ein. Das natürlich vorkommende Virus und der Virusvektor (Überträger) unterscheiden sich dadurch, dass die für den viralen Lebenszyklus notwendigen Erbinformationen durch das therapeutische Gen ersetzt wurden. Dieses Vorgehen stellt sicher, dass sich die Virusvektoren nicht unkontrolliert vermehren und weitere Zellen infizieren können.


      Anwendungen der somatischen Gentherapie

      Seit Anfang der neunziger Jahre wurden weltweit zwischen 3000 und 4000 Patienten in rund 300 Studien gentherapeutisch behandelt; mehr als die Hälfte von ihnen in den USA. Anwendungsmöglichkeiten der Gentherapie ergeben sich vor allem auf drei Gebieten:

      - klassische Erbkrankheiten mit isoliertem Einzelgendefekt
      - erworbene genetischen Erkrankungen
      - multifaktorielle genetische Erkrankungen, wie z.B. Tumoren, Herz- und Kreislaufkrankheiten

      In mehr als zwei Dritteln aller gentherapeutischer Studien sucht man nach Methoden der Krebsbekämpfung. Nur bei etwa 13 Prozent geht es um die Heilung von Erbkrankheiten. Der gentherapeutische Ansatz ist jedoch insbesondere bei rein genetisch bedingten Krankheiten vielversprechend. Ein Grund für dieses Missverhältnis ist in ökonomischen Zwängen zu sehen. Erbkrankheiten, die für eine Gentherapie in Frage kommen, treten viel seltener als Krebs auf, der in den Industrieländern die zweithäufigste Todesursache ist.


      Erbkrankheiten

      Es sind über 4000 vererbte Gendefekte bekannt. In den letzten Jahren wurden Gendefekte von Krankheiten, wie Mukoviszidose, Muskeldystrophie charakterisiert. Die Liste neuentdeckter Gendefekte wächst rasch und bietet breite Möglichkeiten für die Gentherapie. Das eigentliche Therapieziel ist dabei der Genersatz für das defekte oder fehlende Gen.

      Erworbene genetische Erkrankungen

      Zu dieser Kategorie von Krankheiten gehören z.B. chronische Infektionskrankheiten. Es wird versucht, mit Hilfe der Gentherapie wirksame Therapien gegen HIV zu entwickeln. Dafür kommen alle viralen Gene als Ziel in Frage. Inhibitoren /reaktionshemmende Stoffe) der HIV-Vermehrung sind gegen das Vermehrungsenzym von HIV, gegen die Reverse Transkriptase entwickelt worden. Jedoch kommt es beim Infizierten innerhalb kürzester Zeit zur Resistenz.

      Potenzial der somatischen Gentherapie

      Bis zum Jahr 1999 haben 200 genehmigte Versuche mit der somatischen Gentherapie stattgefunden. Die Ergebnisse bezüglich der Wirkungsweise dieses Therapieverfahrens haben viel zur Ernüchterung gegenüber dieser Technologie beigetragen. Probleme entstanden in den Übertragungsmechanismen. Es wurde deutlich, dass es nicht genügt, das therapeutische Gen an den Krankheitsherd zu transferieren. Das transferierte Gen muss zusätzlich aktiviert werden, was in der Praxis durch das Hinzufügen einer spezifischen, aktivierend wirkenden DNS-Sequenz erfolgt.

      Insbesondere viele kleinere Biotechnologieunternehmen nehmen diese Herausforderungen an. Die großen Pharmakonzerne haben nach wie vor ein sehr starkes Interesse an der somatischen Gentherapie. Das Konzept der somatischen Gentherapie ist zweifelsohne revolutionär. Während mit den traditionellen Arzneimitteln abnormale Zellfunktionen lediglich vorübergehend modifiziert werden können, hat die somatische Gentherapie das Potenzial, viele Krankheiten definitiv zu heilen. Wenn die Möglichkeit des Gentransportes zum Krankheitsherd erst mal gelöst ist, öffnet sich ein Markt mit einem Potenzial in Milliardenhöhe.

      Anwendungen der Gentechnik in der Praxis


      Gentechnik in der Pharmaforschung

      In der Pharmaforschung eröffnet die Gentechnik Möglichkeiten, menschliche Erkrankungen im Labor imitieren zu können, so dass wesentlich gezielter und effizienter nach Wirkstoffen gesucht werden kann. Gentechnische Methoden helfen auch, Struktur und Funktion des Körpers auf molekularer Ebene aufzudecken und dabei den Mechanismen auf die Spur zu kommen, die den Krankheiten zugrunde liegen. Die Erkennung solcher Strukturen und Abläufe auf der Ebene der Zellen bietet dann wieder Chancen für die Entwicklung neuartiger Arzneimittel.

      Gendiagnostik

      Mit der Aufdeckung der genetischen Veranlagung für bestimmte Erkrankungen können diagnostische Methoden entwickelt werden, mit denen das Mit diesem Wissen können Risikogruppen durch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen oder einen bewusst gesunden Lebenswandel das Risiko einer Erkrankung vermindern. Den Vorteilen stehen allerdings auch Nachteile gegenüber.

      Ansätze betreffen die Hemmung der Virus-Replikation zum Beispiel durch intrazelluläre Immunisierung. Diese beinhaltet, dass man ein nicht funktionsfähiges virales Protein künstlich herstellt und in die Zelle einschleust. Es soll dann die Wirkung des echten viralen Proteins blockieren oder dieses verdrängen. Ein weiterer Ansatz ist die Ribozym-Therapie. Auch für die Ribozym-Therapie wird ein Retrovirus verwendet. Dieses infiziert die Zellen oder Stammzellen, seine genetische Information wird ins Zellgenom integriert und produziert Ribozym RNA. RNA kann so hergestellt werden, dass es eine vorgegebene HIV-RNA genau an einer vorgegebenen Stelle trennt und die Virusproduktion hemmt.

      Gene Pharming

      Viele Wirkstoffe werden heute in Kulturen gentechnisch veränderter Bakterien, Pilze oder anderer Zellen hergestellt, wodurch eine höhere Ausbeute und Reinheit als durch die klassische Synthese zu erzielen ist. Einige Stoffe können auf klassischem Wege überhaupt nicht hergestellt werden. Ein weiterer Quantensprung in der Produktionstechnik erscheint möglich, wenn die im Bereich des “Gene Pharming” durchgeführte Forschung zum Erfolg führt. Gemeint ist das Klonen von Tieren, die das Gen über einen bestimmten Wirkstoff in sich tragen und damit diesen Wirkstoff über die Milch ausscheiden. Allerdings ist es noch zu früh, die möglichen Chancen dieser Technologie zu beurteilen, auch wenn Medien bereits über erste Erfolge berichtet haben.

      Xenotransplantation

      Organtransplantationen retten jährlich mehreren tausend Menschen das Leben oder heilen diese von chronischen Krankheiten. Es besteht aber immer eine größere Nachfrage als Angebot. Deshalb versuchen Forscher Alternativen zu finden, wie z.B. die Transplantation von Tierorganen. In diesem Zusammenhang wurden Schweine gezüchtet, denen ein menschliches Gen eingesetzt wurde, um diese Organe vor der Abstoßung durch den menschlichen Körper zu schützen. Erste Ergebnisse sind vielversprechend, bis zur Transplantation des ersten Tierorgans in einen Menschen ist noch ein langer Weg.


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      schrieb am 09.06.01 08:00:37
      Beitrag Nr. 159 ()
      Gründe für Biotechnologieinvestments

      Die Biotechnologie entwickelt sich zu einem der dynamischsten Wirtschaftszweige unseres Jahrhunderts. Sie verfügt über ein gewaltiges Wachstumspotenzial und wird Plattformen für neue Produkte und Märkte schaffen. Biotechnologisch hergestellte Medikamente verfügen über ein hohes Wachstumspotenzial. Die Gründe für dieses Wachstum sind vielschichtig und werden im folgenden kurz vorgestellt.




      Zunehmender Bedarf an Medikamenten und begrenzte Wirksamkeit

      Der Bedarf an wirksamen Medikamenten ist ungebrochen und nimmt stetig zu. Die Verbesserungsmöglichkeiten von Medikamenten bezüglich Ansprechverhalten oder Nebenwirkungen sind groß. Aktuellen Schätzungen zufolge hat selbst das wirksamste Medikament nur bei 60 Prozent der Bevölkerung überhaupt eine Wirkung. Es ist nicht außergewöhnlich, dass ein Medikament nur bei einem von drei Menschen effektiv wirkt. Unterschiede im Ansprechverhalten sind in erster Linie auf geringe Unterschiede in der Genstruktur zurückzuführen. Durch die jüngsten Fortschritte in der Gentechnologie könnten wirksame, individuell angepasste Medikamente für Patienten entwickelt werden.


      Nur ein Drittel der bekannten Krankheiten ist therapierbar

      Erst ein Drittel der bekannten Krankheiten ist heute überhaupt therapierbar. Selbst nach jahrzehntelanger intensiver Forschung ist noch kein wirksames Medikament gegen Krebs entdeckt worden. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Bekämpfung von AIDS. Auch hier konnte noch kein Medikament entwickelt werden, dass zur Heilung führt. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Dies lässt das zukünftige Wachstumspotential in dieser Branche erkennen. Weitere Wachstumsimpulse bestehen durch eine stetig wachsende Weltbevölkerung, die durchschnittlich immer älter wird und deshalb einen kontinuierlich steigenden Bedarf an Medikamenten aufweisen wird.

      Aktuellen Schätzungen zufolge wird die Weltbevölkerung von heute etwa sechs Milliarden auf rund elf Milliarden Menschen in fünfzig Jahren anwachsen. Der Anteil älterer Menschen nimmt dabei überproportional zu. Die WHO schätzt, dass im Jahr 2020 der Anteil der Bevölkerung im Alter von über 65 Jahren weltweit um 82 Prozent zugenommen haben wird und diese Bevölkerungsgruppe dann 700 Millionen Menschen umfassen wird. Durch die bessere medizinische Versorgung steigt dieser Anteil kontinuierlich. Demographischen Berechnungen zufolge ist im Jahr 2050 bereits jeder fünfte Mensch älter als 80 Jahre. Die Nachfrage nach Medikamenten wird deshalb weiter zunehmen.


      Biotechnologie hat sich positiv weiterentwickelt

      Die Biotechnologie hat in den letzten Jahren eine beachtliche Entwicklung hinter sich. Inzwischen hat eine steigende Anzahl von Biotechnologie-Unternehmen Medikamente oder Wirkstoffe in der späten klinischen Erprobung bzw. kurz vor der Markteinführung. Allein in den USA entwickeln Biotechnologieunternehmen zur Zeit ca. 2200 neue Wirkstoffe von denen sich Ende Juni 2000 283 Produkte in fortgeschrittener klinischer Entwicklung befanden. Besonderes Interesse gilt den Bereichen der Krebserkrankungen, Infektionskrankheiten und der Neurologie. Die Forschungspräferenzen der Unternehmen werden in einem nachfolgenden Diagramm verdeutlicht.




      Zunehmende Forschungsaktivitäten

      Schätzungen zufolge betrugen die Ausgaben für die Forschung und Entwicklung neuer Pharmazeutika im Jahr 1999 in etwa $24 Milliarden. Die Forschungsaufwendungen im Bereich Biotechnologie sind bei weitem überdurchschnittlich. Ein Vergleich mit den Ausgaben für Forschung anderer Unternehmen hinkt zwar etwas aufgrund der besonderen Gegebenheiten im Biotechnologiesektor, er verdeutlicht jedoch die Intensität der von Biotech-Unternehmen unternommenen Forschungsanstrengungen. Das durchschnittliche US Unternehmen legt $1.600 pro Angestellten für Forschung und Entwicklung beiseite, bei den Top fünf Unternehmen des Biotech-Sektors beträgt dieser Betrag $120.000 pro Angestellten. Die führenden Biotechunternehmen investieren rund ein Viertel ihrer Erlöse in die Forschung. Aufgrund dieser verstärkten Forschungsanstrengungen zeichnet sich ein dynamisches Wachstum ab. Die marktführenden Biotech-Unternehmen haben in etwa neunzig Produkte, die sich in
      klinischen Phasen befinden, etwa dreimal soviel wie vergleichbar große
      Pharmakonzerne. Der Anteil neu zugelassener Medikamente von Biotech-Unternehmen steigt stetig. Wurden 1994 nur 2 Biotechnologie-Medikamente neu zugelassen, waren es 1998 bereits 16 Präparate. In den vergangenen 13 Jahren kamen lediglich knapp 40 Medikamente aus den Biotechniklabors auf den Markt. In diesem Zeitraum entwickelten sich kleine Forschungs- und Entwicklungsunternehmen zu profitablen biopharmazeutischen Unternehmen. Die Marktführer stehen an der Schwelle zur Profitabilität oder haben diese bereits erreicht.


      Quelle: Ernst&Young Biotechnology Industrie Report
      Abb.15: Vergleich der Forschungsausgaben von Biotech- und Pharmaindustrie


      Steigender Marktanteil der Biotech-Produkte am Gesamtmarkt

      Biotech-Medikamente sind erst seit wenigen Jahren auf dem Markt. Der Anteil biotechnologischer Produkte an pharmazeutischen Produkten steigt
      überproportional an. Betrug er im Jahr 1995 noch 29% aller neu zugelassenen Medikamente, erreichte er 1998 schon 44%. Die mit biotechnologischen Verfahrensweisen hergestellten Pharmazeutika werden künftig eine dominante Rolle am Markt spielen. Es wird prognostiziert, dass der Anteil am Gesamtmarkt bis zum Jahr 2001 auf 55% ansteigen wird. (Vgl. hierzu Abb.16) In nächster Zukunft wird die FDA jedes Jahr die Marktzulassung für in etwa 20 biotechnologisch hergestellten Medikamente und Impfstoffe erteilen. Im Jahr 1999 waren es 27 solcher Produkte, 1998 (21), 1997 (19) und (20) im Jahr 1996.





      Kosteneinsparungspotenzial bei Herstellungsprozessen von Medikamenten

      Durch das kontinuierliche Bevölkerungswachstum steigt auch der Bedarf an
      Therapeutika für Krankheiten, die bislang nicht therapierbar sind. Vorteile hat die Biotechnologie in den günstigeren Herstellungsmethoden von
      Arzneimittelwirkstoffen. Ein Beispiel hierfür ist der Wirkstoff Interferon zur Behandlung von Multipler Sklerose. Vor 10 Jahren betrugen die Behandlungskosten eines Jahres 500.000 Euro. Dank biotechnologischer Produktion des Wirkstoffes konnten die Kosten auf 10% des ursprünglichen Betrages gesenkt werden. Es dominiert zwar nach wie vor die klassische Chemie in der Pharmaindustrie, es ist jedoch ein Trend zu erkennen, dass Pharmakonzerne ihre Chemiesparten verkaufen und den Biotechbereich stark ausbauen.

      Beispielsweise hat der Pharmakonzern Roche ein
      Biotech-Startup mit Namen “Basilea” gegründet. Roche hält an dem Unternehmen nur Minderheitsanteile, das Unternehmen kann eigenständig am Markt agieren. Erreicht das Unternehmen Etappenziele, werden Lizenzgebühren und Meilensteinzahlungen fällig. Ein weiteres Beispiel ist das gemessen an der Marktkapitalisierung zweitgrößte Biotech-Unternehmen Genentech, bei dem Roche eine Mehrheitsbeteiligung hält.



      Gentechnologie innerhalb der Biotechnologie wächst überdurchschnittlich

      Wirkstoffe, die auf Gentechnik basieren, sind weiter auf dem Vormarsch. Es wird prognostiziert, dass sich im Jahr 2007 der Markt für Arzneistoffe wie folgt aufteilt: 94% der Marktanteile entfallen auf traditionell entwickelte Arzneistoffe, während auf Gentechnik basierende Medikamente einen Anteil von 6% aufweisen werden. Für das Jahr 2015 wird prognostiziert, dass genomische Arzneimittel ihren Marktanteil deutlich gesteigert haben werden. Gemäß Prognose wird das Verhältnis zwischen traditionellen und genetisch hergestellten Medikamenten 58% zu 42% betragen.
      Innovationen, Investitionen, die branchenübergreifende Verbreitung von
      Technologien, Produkten und Marktstrategien sowie das Interesse der Öffentlichkeit führen zu einer Belebung der Biotechnologie-Aktie.


      © Research-Channel.de - FONDEX
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      schrieb am 09.06.01 10:38:46
      Beitrag Nr. 160 ()
      Es gibt übrigens seit 2.5.01 ein neues Biotech-Zertifikat mit neuem Ansatz:

      Biolyst Top 15 648280
      erster Kurs 100 aktuell 120

      Mit einem ganz neuen Ansatz für ein Zertifikat sorgen Societe General. Siemens und 4Cast-Systems für Aufsehen.
      Zentrale Frage: Wie lassen sich aus der Unmenge von Informationen, die zu fast jedem Einzelwert erhältlich sind, diejenigen herausfinden, die für die Kursentwicklung die grösste Resonanz haben? Eine von Siemens Österreich entwickelte Software erkennt dabei in den Datenmengen bestimmte Muster, aus denen sich Zusammenhänge mit der Kursentwicklung ableiten lassen und ermittelt darau die besten 15 Werte. Die Daten werden jede Woche neu berechnet; im vierteljährlichen Abstand können dann Umschichtungen vorgenommen werden: Werte, deren Daten sich in relevanten Bereichen stark verschlechtert haben, werden ohne Rücksicht auf die bisherige Performance aussortiert. Die Konzeption von Biolyst übernahmen die Experten von 4Cast-systems, einem strategischen Vertriebspartner von Siemens. 4Cast zeichnet sich durch besondere Kompetenz im Biotech und Lifestyle-Bereich aus. Im Team befinden sich neben einem Diplom-Biologen aus zwei Mediziner, die die Businessmodelle der Biotechfirmen besser bewerten können als reine Finanzspezialisten.
      Entscheidend für die Kursentwicklung sind derzeit laut Schmielewski (Leiter 4Cast-Entwicklung) neben den erst langsam an Bedeutung gewinnenden Unternehmensumsätzen vor allem Cash-Ausstattung, Produkt-Pipeline, Charttechnische Verfassung und die Entwicklung des Anteils der institutionellen Investoren. In den USA kann dies leichter nachvollzogen werden, da die Fondsmanager gezwungen sind. grössere Transaktionen offenzulegen. Neben dem Vorsprung in Forschung und Entwicklung war auch die grössere transparenz des amerikanischen Finanzmarktes dafür ausschlaggebend, nur amerikanische Werte zu berücksichtigen.

      Selbstverständlich kann in einem veränderten Marktumfeld die Bedeutung der Einflussfaktoren sich verändern. Deshalb werden die Daten hinsichtlich ihres Informationsgehaltes vierteljährlich überprüft und gegebenfalls neu gwichtet. Die Gewichtung der Firmen wird ebenfalls genau gesteuert. Um die Gesamtvolatilität möglichst gering zu halten, werden Einzeltitel mit einer geringen historischen Volatilität höher gewichtet als solche mit einer grossen Schwankungsbreite.

      Genaue Daten:

      Emissionstag 2.Mai 2001
      WKN 648280
      Laufzeit: 28.4.2005
      jährliche Managementgebühr 1,5%
      Ausgabeaufschlag: KEINER
      Börsenplätze: Stuttgart, Frankfurt, ausserbörslicher Handel über den Emittenten (Societe General)
      Emissionsvolumen 50Mio. (500000 Zertifikate, die aller verkauft wurden)
      erster Kurs: 100
      aktueller Kurs: 120,1 +20,1%

      Peformance während der
      Testphase (Juni 2000 - April 2001): +35%
      Perfomance
      Nasdaq Biotech-Index idiesem Zeitraum: -15%
      Performance Amex-Biotech-Index: +17%

      Aktuelle Werte:
      Abgenix 3,66%
      Aviron 7,17%
      Cephalon 6,31%
      CV Therapetics 5,52%
      Genzyme 10%
      Incyte Genomics 4,13%
      Inhale Therapeutics Syst. 4,32%
      Ligand Pharmaceuticals 9,83%
      Medarex 3,58%
      Millennium Pharma. 4,61%
      Osi Pharmaceut. 5,82%
      Regeneron Pharmaceut. 9,03%
      Scios 10%
      Sicor 10%
      Tanox 6,02%

      Internet: www.biolyst.com



      Interview mit Diplom-Biologe und Biolyst-Entwickler Schmielewski:

      Frage: Kursprognosen auf Basis neuronaler Netze (künstliche Intelligenz) erwiesen sich in der Vergangenheit als wenig treffend. Warum sollte dies bei Biolyst anders sein?

      A: Ganz einfach - wir machen keine Kursprognosen. Das wird in der Öffentlichkeit immer falsch dargestellt.
      Wir gewichten die einflussgrössen für die Kursentwicklkun und wählen anhand dieser Daten Aktien aus, die in den relevanten Bereichen am besten abschneiden. Das ist weit weniger komplex als die sehr schwierige kursprognose.

      Frage: Warum sind die grossen und vermeintlich sicheren Biotechs wie Amgen oder Medimmune nicht im Zertfikat enthalten?

      A: Weil die grössten Positionen naheztu aller Biotechfonds fast deckungsgleich sind und genau diese Werte enthalten. Das hat zur Folge, dass diese titel zum Teil drastisch überbewertet sind. die Midcaps haben dagegen ihre grösste Wachstums- und gewinndynamik noch vor sich.

      Quelle: Aktienresearch
      Avatar
      schrieb am 11.06.01 15:05:13
      Beitrag Nr. 161 ()
      @id

      das zertifikat gefällt mir ausgezeichnet. dürfte nur noch eine etwas längere laufzeit haben.
      auf jeden fall eine äusserst interssante alternative zu biotechfonds oder einzelaktien.

      ich glaube, aufgrund des ungewöhnlich guten ansatzes dürfte es sich sehr gut entwickeln.


      gruss
      shakes
      Avatar
      schrieb am 08.10.01 15:14:27
      Beitrag Nr. 162 ()
      zur abwechslung mal wieder etwas zur Biotechnologie, die mich nach wie vor interessiert (aus sat1)

      08.10.2001 14:34
      Nobelpreis für bahnbrechende Grundlagen für Krebstherapie
      Stockholm (dpa) - Für bahnbrechende Erkenntnisse über die Zellteilung, die neue Wege in der Krebs-Therapie ermöglichen, erhalten zwei Briten und ein US-Forscher den Medizin-Nobelpreis.

      Geehrt werden der US-Forscher Leland H. Hartwell (61) sowie die Briten Timothy Hunt (58) und Paul M. Nurse (52). Das teilte das Karolinska Institut am Montag in Stockholm mit. In diesem Jahr werden die Vergaben der Auszeichnung von zahlreichen Veranstaltungen zum 100. Jubiläum der Nobelpreisverleihung umrahmt.

      Die Teilung von Zellen ist Grundlage allen Lebens. Gibt es dabei Fehler, kann Krebs entstehen. Ein erwachsener Mensch besteht aus etwa 100 000 Milliarden Zellen, die aus einer einzigen befruchteten Eizelle hervorgegangen sind. Alle Zellen müssen sich vergrößern, ihr Erbgut kopieren und schließlich teilen. Dieser Vorgang wiederholt sich permanent in jedem Lebewesen. Auch beim Erwachsenen teilen sich Zellen ständig, um abgestorbene Zellen zu ersetzen. Die drei Forscher identifizierten Schlüsselmoleküle für den Zellzyklus.

      Bei Krebs sind wichtige Komponenten des Zellzyklus krankhaft verändert. Die Zellen teilen sich unkontrolliert. Mit ihren Erkenntnissen haben die Forscher wichtige Grundlagen für die Bekämpfung von Tumoren gelegt, wie das Karolinska Institut in seiner Begründung schreibt. Krebs kann entstehen, wenn die Erbgutträger (Chromosomen) beim Zellzyklus zerstört werden oder völlig verloren gehen, aber auch wenn sich das Erbgut nicht gleichmäßig auf die Tochterzellen verteilt.

      Zudem können schon einzelne defekte Zellteilungsgene Krebs auslösen. Diese Erkenntnis könnte insbesondere bei der Tumordiagnose wichtig werden. So sind bei Brustkrebs oder Hirntumoren bestimmte Schlüsselmoleküle vermehrt vorhanden. Es gibt sogar erste Versuche, bei Patienten ein Schlüsselmolekül für die Zellteilung zu blockieren.

      Hartwell vom Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle hat Gene entdeckt, die den Zellzyklus steuern. Eines davon, das «Start»- Gen hat eine zentrale Funktion zu Beginn eines jeden Zellzyklus. Der Biologe Nurse von der britischen Krebsforschungsstiftung (Imperial Cancer Research Fund) fand eine Schlüsselkomponente zur Kontrolle des Zellzyklus, die Cyclin-abhängige Kinase (CDK). Sie aktiviert andere Proteine (Eiweiße), die beim Zellzyklus wichtig sind.

      Wie diese Schlüsselkomponente selbst geregelt wird, hat sein Kollege Hunt von derselben Stiftung herausgefunden. Sie wird gesteuert durch so genannte Cycline, die bei der Zellteilung abgebaut werden. Dieser Mechanismus ist zentral für die Kontrolle des Zellzyklus.

      Die höchste Auszeichnung für Mediziner ist in diesem Jahr mit 10 Millionen Schwedischen Kronen (2 Millionen Mark/1 Million Euro) dotiert. Die Nobelpreise werden traditionsgemäß am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896), überreicht. Den ersten Medizin-Nobelpreis erhielt 1901 der deutsche Impfstoff-Pionier Emil Adolph von Behring insbesondere für seine Arbeiten zur Bekämpfung der Diphtherie.

      Am Dienstag werden die Träger des Physik- und am Mittwoch des Chemie-Nobelpreises bekannt gegeben.


      gruss eschi
      Avatar
      schrieb am 16.06.03 13:43:13
      Beitrag Nr. 163 ()
      kurz vor der sommerpause mal wieder ein update ;)

      http://www.quarks.de/krebs/krebs.pdf


      in diesem sinne, schönen urlaub zusammen.


      shakes


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