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    Artikel Berliner Tagesspiegel - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 26.10.00 16:08:36 von
    neuester Beitrag 26.10.00 16:33:28 von
    Beiträge: 4
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      schrieb am 26.10.00 16:08:36
      Beitrag Nr. 1 ()
      Hahaha, das gibt uns ein besseres Bild von DD.....

      26.10.2000




      Daniel David


      Der Gott von gestern

      Er wollte ein ganz Großer werden, wenigstens ein kleiner Bill Gates. Als er mit Gigabell an die Börse ging, schien er fast am Ziel. Die Internetfirma des ehemaligen Schlagersängers war ein Hit am Neuen Markt. Jetzt ist Daniel David das erste Pleite-Opfer

      Barbara Nolte

      Die Vergangenheit kommt trällernd daher. "Zieh dir nicht die Jacke an, wenn sie dir zu groß ist", hat Daniel David in den 70ern gesungen. Damals war er Schlagersänger, und auf seine heutige Situation passt die Liedzeile zu gut. David ist der erste Unternehmer, der gescheitert ist am Neuen Markt. Seine Firma Gigabell steht vor der Pleite, den Job des Vorstandsvorsitzenden hat er niedergelegt. Jetzt sitzt er auf dem dottergelben Ledersofa seines Bungalows im Frankfurter Norden. Eine HB nach der anderen drückt er im Stand-Aschenbecher aus, den er neben sich gerückt hat. "Ich versuch`, runterzukommen von all dem Stress. N` bisschen schlafen", sagt er. "Klappt immer besser." Er sieht noch immer ganz offiziell aus. Blaues Hemd, Krawatte und Anzughose. Als müsste er gleich wieder ins Büro, nur dass er keine Schuhe trägt. Im Fernsehen läuft n-tv ohne Ton. Ab und zu klingelt das Telefon, dann meldet er sich mit "Gigabelldavid". Als wäre es ein Wort. Man wird alte Gewohnheiten so schnell nicht los. Alle halbe Stunde hechtet er zum Computer. Den Kurs von "Gigabell" checken. Zurzeit liegt er bei 7,50 Mark. "Der sieht heute noch die 8 Mark", meint er. Die Banker sind da skeptischer. Für sie heißt David ironisch "Mister zwei Euro".
      Im März war er noch der "Mister 120 Euro". Aber keiner hat ihn so genannt. Damals sprach ihn der eine oder andere sogar unterwürfig mit "Doktor David" an, obwohl er nicht mal zu Ende studiert hat. Sein Telefon- und Internet-Unternehmen Gigabell hatte den Aktienkurs in einem Vierteljahr vervierfacht. Fast täglich stand irgendein Banker bei ihm auf der Matte, erzählt er. "Die schickten mir ihre hübschesten Mitarbeiterinnen vorbei." Doch er hatte kein Auge für lange Beine. Während die schönen Frauen David ihre Geldanlage-Angebote für sein neues Privatvermögen unterbreiteten, schaute er Daten anderer Unternehmen durch. In diesen Wochen des Gigabell-Hypes bediente er sich auf dem Neuen Markt wie in einem Laden. Das britische Internet-Kaufhaus "WEBLeicester", die Flugticket-Agentur "McFlight" oder "Abacus" aus Österreich - er hat sie alle gekauft. "Das waren super Zeiten", erinnert er sich, als wäre es Jahrzehnte her. Denn bezahlt wird im Neuen Markt mit Aktien, und der Tauschwert war günstig für Gigabell. Am Abend, wenn David mit seinen Mitarbeitern auf ein paar Bier in die Kneipe "Polnische Botschaft" ging, lachten alle besonders laut über seine Witze. "Wenn alles gut läuft", sagt er, "bist du wie Gott für die."

      Doch bekanntlich sind in den letzten Wochen die Götter vom Internet-Himmel gefallen. Thomas Haffa zum Beispiel - sein Medienkonzern EM-TV hat innerhalb kürzester Zeit zwei Drittel seines Börsenwerts verloren. Der Kurs von Stefan Glänzers Internet-Auktionshaus Ricardo.de ist in einem halben Jahr auf rund ein Zehntel seines Wertes zusammengeschrumpft. Eine gewaltige Spekulationsblase ist geplatzt, und "Gigabell" ist vermutlich das erste Opfer: Am 14. September musste David einen Insolvenzantrag stellen.

      Mit einem 10 000-Mark-Kredit von der Frankfurter Sparkasse fing er vor sechs Jahren an. Damals gab es in Deutschland kaum Risiko-Kapital und noch keinen Neuen Markt. Nur ein paar Universitäten hatten Zugang zum World Wide Web. David saß in einer Ein-Zimmer-Wohnung in der Frankfurter Burgstraße und malte sich aus, wie er ein Glasfasernetz quer durch Deutschland aufbauen würde: eine Datenautobahn samt Zufahrten. Nicht nur Wissenschaftler sollten sie benutzen können, sondern alle. "Jeden Zehn-Mark-Schein habe ich in meine Firma gesteckt", sagt er. Im vergangenen Sommer war eine Telefon- und Internet-Gesellschaft mit 60 Mitarbeitern und 100 000 Kunden daraus geworden. Mittlerweile hatte das Unternehmen auch eine repräsentative Adresse zwischen den Türmen von Deutscher Bank und DG-Bank. Am 11. August letzten Jahres ging Gigabell an die Börse. Ausgabekurs: 38 Euro. Der CDU-Politiker Friedrich Merz hielt die Rede. Und wie es in diesen Monaten am Neuen Markt üblich war, stieg die Notierung schneller als der Umsatz.

      Anfang März war die Firma 1,6 Milliarden Mark wert. Auf einmal war David in seinem Chef-Büro im 18. Stock auf Augenhöhe mit den Großen der Finanzwelt. In seinen Designer-Anzügen sieht er auch aus wie sie. Von weitem zumindest. Irgendwie ist sein Teint ein bisschen brauner als der der anderen. Er hat Augenringe, volle Lippen und trägt diese typische, halblange Seitenscheitelfrisur aus den 80ern. 49 ist David, und wie ein Glücksritter ist er immer durchs Leben gezogen. Zehn Jahre als Schlagersänger - da war er in guten Zeiten in der ZDF-Hitparade aufgetreten und in schlechten Zeiten in den Festzelten von Stuttgart bis Kiel. Er besaß auch mal in Frankfurt eine Diskothek und zwei Elektroläden, verkaufte Faxgeräte aus Asien in den Ostblock.

      Jetzt wollte er ein kleiner Bill Gates werden. Die Schecks, die er bei Gigabell unterschrieb, hatten ein paar Nullen mehr als die für die Elektronik-Fabrikanten aus Taipeh. Er nahm es locker. "Gewöhnt man sich schnell dran", sagt er. Aber David suchte auch am Neuen Markt immer eher das große Erlebnis, den großen Ruhm und nicht das große Geschäft: "Geld hat mich nie fasziniert." Letzten Winter, erzählt er, stand er dicht gedrängt mit anderen Firmenchefs in New York im Aufzug. "Wenn der abstürzt, sind 20 Milliardäre tot", meinte einer. David konnte über die Bemerkung nicht lachen. "Mein Reichtum war für mich immer nur ein Werkzeug. Ich wollte ein gigantisches europäisches Netzwerk schaffen." Wie von einem Adrenalin-Stoß wurde er durch die Zeit der Hausse getrieben: "Du fühlst dich gut, bist leistungsstark, alles gelingt." Auch die Mitarbeiter waren hochmotiviert: "Der Kurs ist wie der Tabellenstand beim Fußball."

      "Der David hat mir früher ganz gut gefallen. War so`n Typ wie Jürgen Marcus," sagt Dirk Pfeil. Pfeil ist Insolvenz-Verwalter und seit dem Insolvenzantrag vom vergangenen Monat der heimliche Chef von Gigabell. Sein Job ist es, noch so viel wie möglich für die Gläubiger herauszuholen. Mit seinem Kompliment meint Pfeil nur David, den Schlagersänger. Einen Unternehmer wie ihn habe er in 24 Berufsjahren nicht erlebt, schiebt er gleich hinterher, und das ist nicht als Kompliment gemeint. Pfeil durchsucht in diesen Wochen die Festplatten von Gigabell nach Werten. Dabei stößt er aber immer nur auf Ausgaben. 750 000 Millionen Mark Sponsoring für die Formel 3, so rechnet er vor, eine Million für die Bandenwerbung bei Borussia Dortmund, 40 000 Mark Strom im Monat, 200 000 Mark Miete. "Bei der Gigabell wurde Geld verbrannt."

      Vor einem halben Jahr, am Gründonnerstag, war keines mehr übrig. Die offenen Rechnungen beliefen sich auf 17 Millionen Mark. Die Banken rückten keine Kredite mehr heraus, zu jäh war der Nemax abgeschmiert. So wurde aus dem Milliardär ein billiger Vertreter, der durch Europa reisen musste, um sein Unternehmen loszuschlagen. Aber er verlor den Wettlauf mit den bröckelnden Kursen. Kaum waren die Verhandlungen abgeschlossen, war Gigabell wieder einen ganzen Batzen weniger wert. So platzte ein Deal mit einem englischen Investor. Der Kurs war jetzt ein Stimmungskiller: "Selbst die Frau am Empfang zog ein langes Gesicht", erzählt David. Dass Gigabell Anfang Juli auf einer Liste mit Todeskandidaten aus dem Neuen Markt auftauchte, leitete wohl die letzte Etappe des Niedergangs ein.

      Daniel David steuert seinen Jaguar durch den Frankfurter Berufsverkehr. Dieselbe Strecke wie immer, Ziel: Gigabell. Als wäre der Autopilot eingeschaltet. Er parkt im absoluten Halteverbot neben einem Büroturm mit braunen Scheiben. Hier hat er bis vor zwei Wochen gearbeitet. Jetzt käme er nicht mehr rein. Dirk Pfeil hat ihm den Büro-Schlüssel abgenommen. Gegen David läuft ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft wegen Konkursverschleppung. Pfeil argumentiert, David könnte Beweismaterial wegschaffen. "Nach allem, was passiert ist, würde ich schon im Foyer einen Herzinfarkt bekommen", sagt David. Zwanzig Meter weiter aber bleibt sein Herzschlag normal. Auf der Straßenseite gegenüber, im Bistro "Mainhattan", trifft er sich mit einem alten Geschäftspartner.

      In diesen Wochen, in denen der Konkursantrag läuft, redet nicht nur Pfeil ironisch vom "Schlagersänger". Zu gut taugt der alte Beruf als Etikett für den halbseidenen Daniel David. Dabei singt er nicht mal mehr unter der Dusche. Auch seiner Stimme hört man nicht an, dass sie mal gefühlvoll Schnulzen interpretierte. Jetzt spricht David im sachlichen Verlautbarungstonfall eines routinierten Wirtschaftlers, nur dass seine Formulierungen ziemlich knallig sind. "Die Gigabell ist eingegangen", sagt er, "weil ich einen Finanzchef eingestellt habe, der nicht mal eine Würstchenbude führen könnte."

      Aber passt nicht vielleicht ein Typ wie David gar nicht mehr in den Neuen Markt? Die Gründerjahre sind wohl vorbei. Die Zeiten, als Freaks in den Garagen in Seattle oder, wie David, in einem Hinterhof in Frankfurt-Bornheim saßen und sich die virtuelle Revolution ausmalten. Haben nicht heute junge Betriebswirte das Sagen, Einser-Absolventen von Elite-Universitäten, die sich vor allem für Bilanzen und ihren eigenen Kontostand interessieren? David jedenfalls war immer für eine kapriziöse Entscheidung gut. So legte er sein Vermögen auch in Aktien des Transport-Zeppelins an, der gerade in Brandenburg entwickelt wird. "Kühne Idee", sagt David. "Aber ob der jemals in den Himmel steigt? Was weiß ich!"

      Langsam wird David unruhig: Er hat den Gigabell-Kurs schon eine Stunde aus den Augen gelassen. Wenn man jahrelang seine ganze Kraft in die Firma steckt, wird die Kurs-Kurve offenbar zum eigenen EKG. Zum Glück hat der Geschäftspartner ein Handy dabei, mit dem er übers Internet den Kurs abfragen kann: 6,90 Euro. Bald könnte die Notierung für immer verschwinden. Zwei Firmen prüfen noch, ob sie Gigabell kaufen sollen. Aber wenn die Deals platzen, wird das Unternehmen wohl aufgelöst. Die Tochterfirmen, die schwarze Zahlen schreiben, sind schon verkauft: "Der Pfeil zerreißt meine Gigabell wie ein altes Handtuch", sagt David. Aber bisher hat er sich in seinem Leben in solchen Situationen noch immer in etwas Neues gestürzt, und auch jetzt beginnt er schon wieder ein Abenteuer. Irgendwas mit Telefonnetzen soll es werden. Er ist sich sicher, es wird eine Revolution sein. Natürlich.
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      schrieb am 26.10.00 16:13:02
      Beitrag Nr. 2 ()
      Man, soviel kann man über Gigaball schreiben :eek:
      Avatar
      schrieb am 26.10.00 16:15:40
      Beitrag Nr. 3 ()
      @nemax333
      Endlich ist die Wahrheit über DD rausgekommen. Aber eins fehlt da noch: der Faß Jackie auf seinem Regal mit einer Standleitung zu seinem Schreibtisch. Von dort aus gibt es verschiedene Leitungen für die Gäste, die er empfängt. ;-)

      An alle, die ein Unternehmen besitzen. Passt auf, dass ihr keine festen Geschäftsbindungen zu ihm aufbaut. Wer weiss, wieviele dann wieder um ihr Geld geprellt werden.
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      schrieb am 26.10.00 16:33:28
      Beitrag Nr. 4 ()
      Ich bin auch ganz begeistert, wieviel man über gb schreiben kann... Aber ich glaube, wir wissen jetzt alle genug über Herrn D.D., oder?
      Interessant ist doch eigentlich nur, wie es weitergeht.. und wann jetzt endlich diese Adhoc rauskommt. Weiterhin viel glück!!


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