Die Brutstätte der neuen Börsengurus - 500 Beiträge pro Seite
eröffnet am 15.11.00 16:41:42 von
neuester Beitrag 15.11.00 18:29:20 von
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Die Brutstätte der neuen Börsengurus
Freitagabend 21.30 Uhr in Deutschland, Zeit für die "3Sat-Börse". Mit rund 500.000 Zuschauern ist sie eine der populärsten Sendungen des Nischensenders und auch eine der meist gesehenen deutschen Börsensendungen. Im Kielwasser des boomenden Neuen Marktes und mit ganz konkreten Anlagetipps stieg die "3Sat-Börse" zur Kultsendung auf. Die "3Sat-Börse" darf von sich behaupten, Egbert Prior und Bernd Förtsch in den zweifelhaften Rang von "Börsengurus" der New Economy katapultiert zu haben. Nur: die beiden haben nichts gemein mit stilvollen Charismatikern a la Kostolany...
Für Egbert Prior stellt sich die New Economy einfach dar: "Milchbubis" säßen da am Ruder. Seine Weisheiten verbreitet er mit dem Charme eines Konfirmanten, so dass längere Ausführungen des ehemaligen "Platow-Briefs"- Mitarbeiters bestenfalls für gepflegte Langeweile sorgt. Ganz anders Förtsch: Der geborene Franke erinnert eher an den Wortführer eines Stammtisches in der Bierbrauerstadt Kulmbach - wo auch der Sitz seines Firmenimperiums ist - als an einen Aktienguru, dem die Privatanleger blind vertrauen. Müsste dieser Mann Autos verkaufen, würde er wahrscheinlich verhungern.
Insiderhandel: Das Rezept zum Guru-Status?
Prior tat sich bereits in der "3Sat-Börse" um, als der Neue Markt noch in den Kinderschuhen steckte und nur wenige Papiere gehandelt wurden. Mutig nahm er sogleich Werte wie Mobilcom, SCM Microsystems und EM.TV in sein Musterportfolio auf, erzielte damit eine Performance von mehreren hundert Prozent, ließ seine Gegner weit hinter sich - und wurde hinfort auch immer wieder gerne in die Sendung eingeladen.
Merkwürdig war nur, dass es unmittelbar vor dem jeweiligen Freitagabend wie von Geisterhand zu überdurchschnittlich hohen Umsätzen in den entsprechenden Werten kam. Gerhard Schleif, Börsenchef bei der DGZ-Dekabank, meinte dazu: "Es ist offenkundig, was bei der `3Sat-Börse` abläuft." Vom Insiderhandel war die Rede. Man vermutete, dass Prior und sein enger Bekanntenkreis - vielleicht auch die Moderatoren der 3Sat-Börse - schon im Vorfeld ein paar Stücke fürs private Depot erworben hatten. Anschließende Ermittlungen gegen den Börsenstar wurden später fallen gelassen - das Landgericht Frankfurt kam zu dem Schluss, dass Herrn Prior nicht nachzuweisen wäre, dass er die Aktien in der Absicht gekauft hätte, sie am Freitagabend zu empfehlen!!???
Egbert Prior stellte das richtige an mit seinem neugewonnenen Status: Er machte sich selbständig und versorgt seither mit seinem Börsenbrief "PriorBörse" seine Jünger. Sein Motto: "unabhängig - kritisch - frei"...
Förtsch läutet die Glocken zum Einstieg
Förtsch war ein würdiger Nachfolger. Auch er erzielte phänomenale Kurszuwächse und ließ seine Konkurrenten weit hinter sich. Legendär wurde die Szene, als er die Aktien des Biotechnologie-Unternehmens Morphosys mit einer Depotaufnahme adelte und bei einem Kurs von 92 Euro ein Kursziel von "dausend" Euro ausgab. Und auf keinen Fall, so Förtsch, sollte man einen Stoppkurs setzen.
Förtsch war freilich wesentlich dreister als sein Vorgänger. Er ging so weit, seine Lieblinge wie Morphosys auf diversen Hotlines anzupreisen, läutete in seiner Börsenpublikation "Der Aktionär" zum Einstieg und kaufte die Titel auch noch für die von ihm verwalteten Fonds. Auf eine kritische Anmerkung des "Tagesspiegels" meinte er dazu: "Das machen doch alle in der Branche." Und wenn es alle tun, dann ist es schließlich legitim, oder?
Der Guru verliert seinen Nimbus
Wenn auch spät, rächt sich jetzt die Schamlosigkeit des Franken. Wie die "Bild"-Zeitung berichtete, wurde gegen den Chefredakteur von Förtschs Börsenblatt "Der Aktionär", Sascha Opel, und einen Stuttgarter Finanzdienstleister Haftbefehl erlassen. Sie hätten gemeinsam Anleger mit dem Versprechen auf sichere Gewinne angeworben. Opels Job soll dabei das Empfehlen von Aktien gewesen sein, die die Schwaben kurz zuvor für ihre Kunden erworben hatten. Sowohl Opel als auch sein namentlich unbekannter Kompagnon hatten die Tatvorwürfe "im wesentlichen eingeräumt", allerdings hätten sie die Geschäfte "nur im geringen Umfang" ausgeführt, berichtet die Staatsanwaltschaft.
Förtsch zeigte umgehend der Welt ein schockiertes Gesicht ob der krummen Geschäften seines Chefredakteurs - und stritt pflichtgemäß jeden Zusammenhang mit seiner Person ab. Gegen die "Bild"-Zeitung setzt er eine einstweilige Verfügung durch, dass die nunmehr nicht mehr behaupten darf, er sei in einen "Riesen-Börsen-Betrug" verwickelt und stehe "im Fadenkreuz der Strafverfolgungsbehörden". Warten wir ab, was uns Kulmbach da noch zu bieten hat.
Leitwölfe, die ihre Schafe fressen
Warum werden Leute wie Prior und Förtsch so hochgejubelt? Warum haben diese Otto-Normal-Bürger so eine große Anhängerschaft, die diesen Börsengurus - mit keinerlei seriöser Reputation - blind vertrauen? Wahrscheinlich kommen Anleger nicht ohne Leitwölfe aus, die ihnen den Weg weisen und bestimmen, wo sie ihr Geld verbrennen sollen.
Absurd aber wahr: Die selben Bürger, die für den Kauf eines Elektrogerätes haufenweise Testzeitschriften wälzen, um das beste Angebot zu erhaschen, sind als Anleger populistischen Meinungsbildnern nahezu verfallen. Offensichtlich ist die Aktienkultur noch nicht so weit gediehen, dass man einen vernünftigen Vermögensaufbau dem nächsten heißen Tipp vorzieht.
Übrigens: Wer sich die Kursentwicklung der über den Klee gelobten Firmen von Prior und Co. Anschaut - beispielsweise Artnet, Fortunecity und Teles - der schätzt sich überaus glücklich, nie im Besitz dieser Papiere gewesen zu sein.
Eine haben die noch vergessen-Bäcker Frick,der gerne
große Brötchen backt.
MfG
Moneymonster
Freitagabend 21.30 Uhr in Deutschland, Zeit für die "3Sat-Börse". Mit rund 500.000 Zuschauern ist sie eine der populärsten Sendungen des Nischensenders und auch eine der meist gesehenen deutschen Börsensendungen. Im Kielwasser des boomenden Neuen Marktes und mit ganz konkreten Anlagetipps stieg die "3Sat-Börse" zur Kultsendung auf. Die "3Sat-Börse" darf von sich behaupten, Egbert Prior und Bernd Förtsch in den zweifelhaften Rang von "Börsengurus" der New Economy katapultiert zu haben. Nur: die beiden haben nichts gemein mit stilvollen Charismatikern a la Kostolany...
Für Egbert Prior stellt sich die New Economy einfach dar: "Milchbubis" säßen da am Ruder. Seine Weisheiten verbreitet er mit dem Charme eines Konfirmanten, so dass längere Ausführungen des ehemaligen "Platow-Briefs"- Mitarbeiters bestenfalls für gepflegte Langeweile sorgt. Ganz anders Förtsch: Der geborene Franke erinnert eher an den Wortführer eines Stammtisches in der Bierbrauerstadt Kulmbach - wo auch der Sitz seines Firmenimperiums ist - als an einen Aktienguru, dem die Privatanleger blind vertrauen. Müsste dieser Mann Autos verkaufen, würde er wahrscheinlich verhungern.
Insiderhandel: Das Rezept zum Guru-Status?
Prior tat sich bereits in der "3Sat-Börse" um, als der Neue Markt noch in den Kinderschuhen steckte und nur wenige Papiere gehandelt wurden. Mutig nahm er sogleich Werte wie Mobilcom, SCM Microsystems und EM.TV in sein Musterportfolio auf, erzielte damit eine Performance von mehreren hundert Prozent, ließ seine Gegner weit hinter sich - und wurde hinfort auch immer wieder gerne in die Sendung eingeladen.
Merkwürdig war nur, dass es unmittelbar vor dem jeweiligen Freitagabend wie von Geisterhand zu überdurchschnittlich hohen Umsätzen in den entsprechenden Werten kam. Gerhard Schleif, Börsenchef bei der DGZ-Dekabank, meinte dazu: "Es ist offenkundig, was bei der `3Sat-Börse` abläuft." Vom Insiderhandel war die Rede. Man vermutete, dass Prior und sein enger Bekanntenkreis - vielleicht auch die Moderatoren der 3Sat-Börse - schon im Vorfeld ein paar Stücke fürs private Depot erworben hatten. Anschließende Ermittlungen gegen den Börsenstar wurden später fallen gelassen - das Landgericht Frankfurt kam zu dem Schluss, dass Herrn Prior nicht nachzuweisen wäre, dass er die Aktien in der Absicht gekauft hätte, sie am Freitagabend zu empfehlen!!???
Egbert Prior stellte das richtige an mit seinem neugewonnenen Status: Er machte sich selbständig und versorgt seither mit seinem Börsenbrief "PriorBörse" seine Jünger. Sein Motto: "unabhängig - kritisch - frei"...
Förtsch läutet die Glocken zum Einstieg
Förtsch war ein würdiger Nachfolger. Auch er erzielte phänomenale Kurszuwächse und ließ seine Konkurrenten weit hinter sich. Legendär wurde die Szene, als er die Aktien des Biotechnologie-Unternehmens Morphosys mit einer Depotaufnahme adelte und bei einem Kurs von 92 Euro ein Kursziel von "dausend" Euro ausgab. Und auf keinen Fall, so Förtsch, sollte man einen Stoppkurs setzen.
Förtsch war freilich wesentlich dreister als sein Vorgänger. Er ging so weit, seine Lieblinge wie Morphosys auf diversen Hotlines anzupreisen, läutete in seiner Börsenpublikation "Der Aktionär" zum Einstieg und kaufte die Titel auch noch für die von ihm verwalteten Fonds. Auf eine kritische Anmerkung des "Tagesspiegels" meinte er dazu: "Das machen doch alle in der Branche." Und wenn es alle tun, dann ist es schließlich legitim, oder?
Der Guru verliert seinen Nimbus
Wenn auch spät, rächt sich jetzt die Schamlosigkeit des Franken. Wie die "Bild"-Zeitung berichtete, wurde gegen den Chefredakteur von Förtschs Börsenblatt "Der Aktionär", Sascha Opel, und einen Stuttgarter Finanzdienstleister Haftbefehl erlassen. Sie hätten gemeinsam Anleger mit dem Versprechen auf sichere Gewinne angeworben. Opels Job soll dabei das Empfehlen von Aktien gewesen sein, die die Schwaben kurz zuvor für ihre Kunden erworben hatten. Sowohl Opel als auch sein namentlich unbekannter Kompagnon hatten die Tatvorwürfe "im wesentlichen eingeräumt", allerdings hätten sie die Geschäfte "nur im geringen Umfang" ausgeführt, berichtet die Staatsanwaltschaft.
Förtsch zeigte umgehend der Welt ein schockiertes Gesicht ob der krummen Geschäften seines Chefredakteurs - und stritt pflichtgemäß jeden Zusammenhang mit seiner Person ab. Gegen die "Bild"-Zeitung setzt er eine einstweilige Verfügung durch, dass die nunmehr nicht mehr behaupten darf, er sei in einen "Riesen-Börsen-Betrug" verwickelt und stehe "im Fadenkreuz der Strafverfolgungsbehörden". Warten wir ab, was uns Kulmbach da noch zu bieten hat.
Leitwölfe, die ihre Schafe fressen
Warum werden Leute wie Prior und Förtsch so hochgejubelt? Warum haben diese Otto-Normal-Bürger so eine große Anhängerschaft, die diesen Börsengurus - mit keinerlei seriöser Reputation - blind vertrauen? Wahrscheinlich kommen Anleger nicht ohne Leitwölfe aus, die ihnen den Weg weisen und bestimmen, wo sie ihr Geld verbrennen sollen.
Absurd aber wahr: Die selben Bürger, die für den Kauf eines Elektrogerätes haufenweise Testzeitschriften wälzen, um das beste Angebot zu erhaschen, sind als Anleger populistischen Meinungsbildnern nahezu verfallen. Offensichtlich ist die Aktienkultur noch nicht so weit gediehen, dass man einen vernünftigen Vermögensaufbau dem nächsten heißen Tipp vorzieht.
Übrigens: Wer sich die Kursentwicklung der über den Klee gelobten Firmen von Prior und Co. Anschaut - beispielsweise Artnet, Fortunecity und Teles - der schätzt sich überaus glücklich, nie im Besitz dieser Papiere gewesen zu sein.
Eine haben die noch vergessen-Bäcker Frick,der gerne
große Brötchen backt.
MfG
Moneymonster
@ Moneymonster
Gratulation!
Endlich spricht mal jemand aus, was viele hier denken. Ich habe köstlich über Deinen Beitrag geschmunzelt. Schade eigentlich, dass sich hier noch niemand zu Deinem Artikel geäußert hat, deshalb mache ich den ersten Leitwolf.
Ability
Gratulation!
Endlich spricht mal jemand aus, was viele hier denken. Ich habe köstlich über Deinen Beitrag geschmunzelt. Schade eigentlich, dass sich hier noch niemand zu Deinem Artikel geäußert hat, deshalb mache ich den ersten Leitwolf.
Ability
..gelungener Kommentar zur Lage.
Ich fürchte nur, dass man diese Entwicklung in Deutschland fortschreiben kann nach einer gewissen
Pause (1,2,... Jahre?). Eine ganz neue Welle von Neureichen (Erben-Gesellschaft eben) kann es dann
nicht mehr erwarten noch reicher zu werden - und wieder findet sich eine neue Schar unverbrauchter
Börsenprofis, die den Weg weisen sollen.
NM als Jahrmarkt? Auf dem Zenit wird meistens am lautesten gebrüllt. Das sollte immer zu denken geben.
Ich bin aber mittlerweile Optimist: nicht nur Unternehmen werden z.Z. gesiebt, sondern auch Börsenteilnehmer.
pilsbier
Ich fürchte nur, dass man diese Entwicklung in Deutschland fortschreiben kann nach einer gewissen
Pause (1,2,... Jahre?). Eine ganz neue Welle von Neureichen (Erben-Gesellschaft eben) kann es dann
nicht mehr erwarten noch reicher zu werden - und wieder findet sich eine neue Schar unverbrauchter
Börsenprofis, die den Weg weisen sollen.
NM als Jahrmarkt? Auf dem Zenit wird meistens am lautesten gebrüllt. Das sollte immer zu denken geben.
Ich bin aber mittlerweile Optimist: nicht nur Unternehmen werden z.Z. gesiebt, sondern auch Börsenteilnehmer.
pilsbier
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