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    Gruselstories! Gute-Nacht-Geschichten etwas anders. - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 03.04.01 00:42:39 von
    neuester Beitrag 03.04.01 21:52:26 von
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      schrieb am 03.04.01 00:42:39
      Beitrag Nr. 1 ()




      Willkommen in meinem Leben! Ich heiße Maria Lamar und wurde im Jahre 1572 als einfaches Bauernmädchen geboren.

      Ich bin eine Kreatur der Finsternis!

      Ich, Maria Lamar, bezeichne mich sogar als unsterblich, Altersschwäche und Krankheit sind mir fremd. Ich verjünge mich, wenn ich größere Mengen Blut zu mir nehme und bin nicht wie die anderen Menschen auf diesem Planeten. Ich werfe keinen Schatten und erzeuge keine Reflektionen im Spiegel.

      Ich bin ein Vampir!

      Dies bestätigt der Spiegel, vor dem ich gerade stehe. Ich schaue hinein, aber mein Blick verliert sich darin, denn ich kann mich nicht sehen.

      Der kleine Raum, den ich als meine Wohnung bezeichnen darf, wird nur von kleinen Kerzen erhellt. Die Flammen werfen unheimliche Schatten an die Wand, düstere Gestalten, die einen die Furcht lehren. Aber ich habe keine Angst. Gefühle sind mir fremd.

      Ich schlafe in einem normalen Bett, einen Sarg brauche ich nicht, obwohl ich mich darin wohler fühle. Doch wir leben in der Zukunft und sogar ein Vampir muss sich an die Gesellschaft anpassen.

      Mein Blick ist noch immer auf den Spiegel gerichtet, auch wenn ich mich nicht sehen kann. Plötzlich scheint sich der Raum, in dem ich mich befinde, aufzulösen. Ich schließe langsam die Augen und versetze mich zurück in die Vergangenheit, als mein Schicksal seinen Lauf nahm...

      1589

      Petrila.

      Ein kleiner Ort in den Karpaten gelegen. Ein verschlafenes Dorf wie viele andere auch, doch mit einer Vergangenheit und Gegenwart, die auf den Häusern lasteten und die Menschen erdrückten.Die Leute hier glauben an Vampire und Werwölfe, an Dämonen und andere widrige Horrorgestalten. Verstärkt wurde dieser Glauben durch die jüngsten Geschehnisse in dem Dorf und der näheren Umgebung. Zahlreiche junge Mädchen verschwanden spurlos. Sie wurden nie mehr gesehen.

      In dieser Nacht regnete es stürmisch, und ein heftiger Wind peitschte durch die Aste der Bäume. Das unbezwingbar scheinende graue Schloss ragte in der schwarzen Dunkelheit unheimlich und drohend in den Himmel.

      Das Schloss der Blutgräfin. Das Schloss in dem das Grauen wohnte.

      Ungefähr fünf Kilometer westlich lag das Dorf Petrila. Auf einem Hügel am Ende des Ortes erstreckte sich ein großes Herrenhaus, in dem ein alter Mann mit seiner fast erwachsenen Tochter lebte. Das Haus gehörte nicht ihm. Er war ein armer Mann und hatte das Wohnrecht nur erhalten, weil er sein Leben lang einem reichen Bojaren treu gedient hatte.

      Das Gebäude war über zweihundert Jahre alt. Es war ein stolzes Anwesen, mit vielen Zimmern, niemand hatte sie gezählt.Und Verliesen. In einem dieser vielen Räume schlief ich. Ich lag in einem breiten Bett, bekleidet mit einem dünnen Nachthemd. Mein langes schwarzes Haar breitete sich wie ein Fächer auf dem Kissen aus.Der Zeiger der großen Wanduhr rückte schier unaufhaltsam auf die Zwölf zu. Ein kühler Windhauch blies in den Schlafraum. Das Fenster war nur halb geöffnet. Ich fror.

      Es war die Kälte der Todesahnung, die mich umklammert hielt. Sie kommen. Sie kommen, um dich zu holen, hämmerte es immer wieder in meinem Kopf, während ich mit schreckgeweiteten Augen zur Decke starrte.

      Du kannst ihnen nicht entrinnen. Die Vasallen der Gräfin lassen niemanden laufen.

      Ich dachte darüber nach, was ich über Elisabeth Barthorv wusste. Sie war im Herzen der Karpaten aufgewachsen, wo sie 1560 als Tochter eines Verbündeten Ferdinands 1. von Habsburg geboren wurde. Sie heiratete standesgemäß einen gewissen Ferencz Nadasdy, mit dem sie jedoch die wenigste Zeit ihres Lebens verbrachte. Sie bevorzugte den Aufenthalt in ihren zahlreichen, einsam gelegenen Schlössern, wo sie ungestört ihrer abgründigen Leidenschaften frönen konnte. Und hier in diesem Schloss bei Petrila hatte sie die Räumlichkeiten in eine Folterkammer umgewandelt, aus denen man die Schreie der Opfer hören konnte. Sie sandte ihre Dienstboten aus, um Mädchen auszuwählen und ihr zuzu­treiben. Die Gräfin besaß zwar alle gebräuchlichen Folterwerkzeuge, doch zog sie es vor, die Opfer mit eigener Hand zu mattem. Waren die Mädchen zu Tode gequält, trank sie deren Blut oder badete darin. Sie glaubte fest daran, sich auf diese Art Jugend und Schönheit erhalten zu können.

      Ich erschauerte. Mein Körper war in Schweiß gebadet. In dieser Nacht würde ich sterben. Ich wusste es. Ich spürte es.Gleichzeitig packte mich die Angst. Mein Gott, ich war doch erst 17 Jahre alt, ich wollte noch nicht sterben. Noch nicht in diesem jungen Alter.

      Als die Vasallen der Gräfin erschienen, um mich zu holen, wehrte ich mich nicht. Es hätte auch keinen Sinn gehabt, sie hätten mich sonst sofort getötet. Heute denke ich anders darüber. Hätte ich doch damals den Tod vorgezogen, dann wäre mir vieles erspart geblieben.

      Ich wurde in das Schloss gebracht und in der Folterkammer eingesperrt. Die Blutgräfin ließ mich eine halbe Stunde warten. Was danach geschah, war die Hölle. Ich wurde bist aufs Blut gefoltert. Ich sehnte den raschen Tod herbei, aber die Gräfin erwies sich als sehr hartherzig und grausam. Sie tötete mich nicht. Statt dessen offenbarte sie mir ihr schreckliches Geheimnis.Ein diabolisches Grinsen umspielte ihre fein geschwungenen Lippen, als sie dicht vor mich trat. Ihr Mund öffnete sich, zeigte perlweiße, makellose Zähen und zwei spitze Eckbeißer.

      Vampirzähne.

      Ich erstarrte. Elisabeth Barthorv lachte grausam, als sie mein Entsetzen bemerkte.

      ,,Ja, ich bin eine Vampirin," sagte sie. ,,Kaum jemand weiß von meinem Geheimnis. Dir offenbare ich es, weil du bald zu mir gehören wirst. Die anderen Mädchen haben ich getötet, nicht alle, aber viele waren wertlos für mich, viel zu schwach. Aber dich brauche ich noch. Denn das Böse wird schon bald das Land überschwemmen und ich werde die Herrschaft übernehmen. Und die Menschen werden wehrlos sein gegen die Mächte der Finsternis - gegen uns, die Vampire! Und du, Maria, wirst ein Teil von ihnen sein."

      Schwindel erfasste mich. Die Worte der Gräfin hörten sich ungeheuerlich an, gleichzeitig übten sie eine Faszination auf mich aus, der ich mich nicht entziehen konnte. Ich rührte mich nicht von der Stelle und sah nur die Vampirzähne, die sich unmittelbar vor meinem Gesicht befanden. Plötzlich schlugen sie zu. Ich merkte noch den Stich an meinem Hals, dann fühlte ich mich über Grenzen hinweg getragen in eine andere Welt.

      Gegenwart:

      Der Gräfin wurde schon bald der Prozess gemacht. Sie hatte ihren großen Plan von der Vernichtung der Menschheit nicht verwirklichen können. Ein Pfahl, aus Eichenholz geschnitzt, bereitete ihrem Dasein ein Ende. Ich jedoch bin dazu verdammt, einsam und ohne Freunde, nur von der Dunkelheit begleitet, in der Welt umherzuirren. ich wandere rastlos von einem Ort zum anderen, über vierhundert Jahre schon, in der Hoffnung, eines Tages einem Menschen zu begegnen, der meinem unseligen Leben ein Ende bereitet.



      E N D E
      Avatar
      schrieb am 03.04.01 01:49:18
      Beitrag Nr. 2 ()
      Avatar
      schrieb am 03.04.01 10:33:27
      Beitrag Nr. 3 ()
      HEXENSABBAT



      Ich bin ein Gefangener. Ich bin der Sklave einer höheren Gewalt, und ich sollte froh darüber sein, dass ich noch lebe.

      Man könnte auch gut sagen, ich bin zu etwas Besonderem vorgesehen. Ein Ereignis wird noch in dieser Nacht stattfinden, dass die Welt vollkommen verändern wird.

      Aber ich darf mich zuerst vorstellen: Mein Name ist Rodriguez Sanchez! Wir schreiben das Jahr 1637! Es ist ein Jahr der Veränderung für die ganze Menschheit, und ich werde eine wichtige Hauptrolle einnehmen. Sie haben es mir gesagt. Sie hat es mir gesagt...



      Carmen sah auf die Uhr, gespannt, ungeduldig, voller Furcht. Es ging auf Mitternacht zu in dieser Oktobernacht, die sie nicht überleben würde.

      Sie wusste es.

      Carmen war eine rassige Schönheit, gertenschlank, mit einer kurvenreichen Figur und hüftlangen, dichten, schwarzen Haaren, in denen leichte Rotsträhnen schimmerten. So mancher Mann hatte bei ihrem Anblick bereits völlig den Kopf verloren.

      Aber auch ihre unvergleichliche Schönheit schützte sie nicht vor dem Unvermeidbaren. Sie hatte oft mit dem Feuer gespielt und nun haushoch verloren. Sie lebte in einer Zeit, in der Frauen unterdrückt wurden, keinerlei Rechte besaßen, den Männern zu Willen sein mussten, und niemand fragte danach, ob eine Frau sich diesem Leben hingeben wollte.

      Sie, Carmen, hatte sich nicht damit abfinden wollen. Sie wollte eine eigenständige Person sein, unabhängig und keine Befehle von einem Mann entgegennehmen.

      Und vor allem nicht von der Kirche...

      Fünf Minuten vor Mitternacht!

      Carmen hörte die lauten Schreie, das Grölen ihrer Verfolger bereits, noch lange bevor sie ihr kleines Haus stürmten.

      Mehr als zwei Dutzend Männer stürmten die Bude. In den Händen hielten sie Fackeln, die Licht spendeten und ihnen den Weg wies. Durch einen Blick durch die offene Tür sah Carmen auch Frauen und Kinder, die sich jedoch im Hintergrund hielten. Wahrscheinlich fürchteten sie sich- wollten aber auf das sensationelle, fast schon tägliche Ereignis nicht verzichten.

      Carmen verspürte Angst, als zwei Männer sie grob an den Armen packten und sie ins Freie zerrten. Die übrigen Verfolger folgten ihnen mit Flüchen und Verwüstungen.

      Carmen wehrte sich nicht. Es wäre auch sinnlos gewesen.

      Die Strecke war ermüdend für sie, ihre Füße schleiften mehr über den Boden, als dass sie ging. Sie fühlte sich gedemütigt anlässlich dieser Haltung, doch ihre Kidnapper nahmen keine Rücksicht.

      Carmen wurde auf den Marktplatz geschleppt. Inmitten der Kreuzung – der einzigen übrigens in diesem verdammten Dorf – hatten die Einwohner den Scheiterhaufen aufgebaut.

      Carmen verspürte eine entsetzliche Angst, als sie das Gebilde sah. Sie wußte, welches Schicksal ihr bevorstand... was gleich mit ihr geschehen würde.

      Sie wehrte sich nicht, als die beiden Männer sie mit brutalen Griffen an den Pfahl fesselten. Nur einmal stöhnte sie auf, weil ihr die Luft abgeschnürt wurde, so stark waren die Fesseln.

      Sie hatte sich längst in ihr Schicksal ergeben...

      Als Hexe hatte man sie angeprangert!

      Der Bürgermeister persönlich war ihren Reizen verfallen. Er sah sich in einer aussichtslosen Position und ordnete schließlich ihre Gefangenschaft an.

      Eine Hexe!

      Carmen verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. Wenn sie wüßten...!

      Ihr Blick glitt über die Menschenmenge, die sich darauf freute, diesem Spektakel zuzusehen. Das ganze Dorf schien in dieser Nacht auf den Beinen zu sein. Die Gesichter der zahlreichen Männer, Frauen und sogar Kindern schimmerten im Schein der Fackeln, die bizarre Muster darauf formten.

      Dann sah Carmen ihre Freundinnen!

      Mit steinernen, unbewegten Gesichtern starrten sie auf den Scheiterhaufen, an den ihre Anführerin grausam gefesselt worden war. Sogar aus dieser Entfernung glaubte Carmen, in den Augen ihrer treuen Freunden Angst zu lesen. Sie lächelte ihnen aufmunternd zu.

      Dann trat ein bärtiger Mann vor. In der Hand hielt er seine Fackel, die lichterloh brannte. Lange starrte er Carmen an. Ihre Schönheit schien ihn abzustoßen. Dann gellten heftige Schreie auf. Die Menge verlangte danach, die Hexe endlich brennen zu sehen.

      "Du wirst schreien..."

      "...elendig verbrennen, Hexe..."

      Carmen kümmerte sich nicht um die lauten Rufe. Die Meute war aufgebracht, sie gierte nach einem Spektakel. Ihr Blick richtete sich auf den Mann, der dazu ausersehen war, den Scheiterhaufen anzuzünden.

      Ruhig sah sie ihm entgegen.

      Er lachte. "Du wirst brennen!" flüsterte er rauh, und die Worte schienen ihm Vergnügen zu bereiten. Laut schallte sein Lachen in die Nacht hinein, als er die Fackel auf das Stroh warf, das im Nu Feuer fing.

      "Schrei, Hexe... du sollst schreien...!" Die Rufe schienen von allen Seiten zu kommen.

      Diesen Gefallen wollte Carmen den Leuten nicht tun. Sie konnte ihrem Schicksal nicht entfliehen, doch sie wollte wenigstens ihre Würde bewahren. Nein, sie würde nicht schreien.

      Einen letzten Blick warf sie ihren Freundinnen zu, die sich im Hintergrund versteckt hielten. Das Entsetzen stand ihnen im Gesicht geschrieben. Eine von ihnen verbrannte und sie konnten nichts dagegen ausrichten.

      Carmen nickte ihnen zu. Sie vermißte noch eine vertraute Gestalt, doch die konnte sie nirgendwo entdecken. Nein, er würde nicht zusehen. Rodriguez, dachte sie, du wirst warten. Dann senkte sie den Kopf und starrte auf die Flammen, die hell aufloderten und nach ihrem Körper gierten. Nur noch Sekunden, dann hatten sie ihre Füße erreicht. Die Hitze war bereits unerträglich.

      Die Dorfbewohner schauten fasziniert zu. Gleich würde sie schreien. Einigen liefen Schauer über den Rücken, doch gehen wollte sie nicht. Nein, dieses Schauspiel wollte jeder erleben.

      Die ersten Flammen erreichten Carmens Füße, da warf sie den Kopf in den Nacken, das ihr langes, rotes Haar nach allen Seiten gewirbelt wurde.

      Sie lachte höhnisch.

      "Ihr Narren!" schrie sie. "Ihr Narren. Ich verfluche euch. Diese Tat wird euch noch leid tun. Ich komme zurück und meine Rache wird fürchterlich sein." Ihr Kleid fing bereits Feuer, Carmen spürte die rasenden Schmerzen, doch ihr Lachen wollte kein Ende nehmen. "Hütet euch! Hütet euch vor der Nacht, in der ich auf die Erde zurückkehre, denn ihr werdet sie nicht erleben. Mein Herr und Beschützer, der Teufel, wird mit die Kraft geben zu überleben. Dem Tod einen Streich zu spielen. Was wißt ihr schon von mir? Nichts, absolut nichts. Mit meinem Tod habt ihr die Vernichtung eingeleitet. Kein Mann wird überleben, mein Haß ist grenzenlos. Hütet euch...!"

      Die Worte brachen ab, denn das lodernde Feuer bannte sich gierig seinen Weg auf der Suche nach Nahrung. Die Flammen schlugen über ihrem Kopf zusammen. Ein lautes Lachen war noch zu hören, danach... nichts.

      Carmen, die Hexe, war tot. Verbrannt.

      Stille hatte sich nach ihren Worten ausgebreitet. Die Menschen verspürten Angst. Keiner traute sich etwas zu sagen, sie starrten alle auf die Asche, die von der einst schönen Frau übriggeblieben war.

      Und dann, ganz langsam, löste sich die Menge auf. Sie verschwanden in ihren Häusern, um zu vergessen. Doch Carmens Schwur blieb tief in ihrem Gedächtnis haften. Die Angst war da...



      Ich wachte schweißgebadet auf. Meine Augen starrten in die Dunkelheit, ohne Einzelheiten wahrzunehmen. Ich schluckte. Was für eine Nacht! Diese Alpträume. Und schlagartig fiel es mir ein: heute war die Nacht! Mir wurde klar, daß Carmen nicht mehr lebte. Dabei hatte ich alles versucht, um ihr zu helfen.

      Das energische Klopfen an der Tür riß mich endgültig aus den Träumen. Ich erhob mich vom Bett und ging zur Tür. Heftig riß ich sie auf.

      Ich blickte geradewegs in Rositas Gesicht.

      Sie schob mich beiseite und trat ein, ohne daß ich sie aufgefordert hatte. Ihr folgte vier weitere Frauen. Ich kannte sie alle, sie waren Carmen treu ergeben gewesen.

      Rosita, man könnte meinen, sie wäre Carmens Blutsschwester gewesen – blieb mitten im Raum stehen, die Hände in die Hüften gestemmt und schaute mich stumm an.

      Ich hielt ihrem gnadenlosen Blick stand.

      "Es ist vorbei?" Ich stellte die Frage eher wie eine Feststellung.

      "Ja."

      "Es tut mir leid," sagte ich rauh. Ich mußte mich abwenden, denn ein dicker Kloß saß mir in der Kehle. Verdammt, ich hatte versagt. Jämmerlich versagt.

      "Sie ist tot, nicht wahr?" fragte ich.

      Rosita nickte zögernd. "Ja." Sie betrachtete mich eine Weile. "Du hast ihr nicht geholfen," sagte sie vorwurfsvoll.

      Ich drehte mich zu ihr um. "Was hätte ich denn tun können?"

      "Vielleicht einiges," antwortete sie ausweichend.

      "Wie denn?" schrie ich. Meine Verzweiflung war grenzenlos. "Ich konnte nichts tun."

      "Du warst nicht stark genug."

      Ich mußte mich einfach verteidigen. "Ich habe sie aus dem Gefängnis befreit. Ich habe ihr die grausame Folterung erspart."

      Rosita nickte. "Das schon. Aber letzte Nacht hast du sie im Stich gelassen."

      "Ich habe sie geliebt!" stieß ich heiser hervor.

      "Aber es ist dir nicht gelungen, sie vor ihren Häschern zu bewahren."

      "Das weiß ich, verdammt!" brüllte ich wütend. "Sie haben mich zusammengeschlagen."

      Rosita lächelte spöttisch. Doch dann wurde ihre Miene ausdruckslos. Sie nickte ihren Begleiterinnen zu, ehe sie mich wieder ansah.

      "Du weißt, daß es bald soweit sein wird?" erkundigte sie sich mißtrauisch.

      Ich nickte.

      "Gut." Sie war zufrieden. "Nun kannst du deine Liebe zu Carmen beweisen. Du wirst den Mund halten und uns zur Seite stehen, verstanden?"

      Wieder nickte ich. Ich hatte es Carmen versprochen. Und ich würde mein Wort halten.

      Rosita lachte. "Ich wußte, daß du uns nicht im Stich läßt. Es ist auch besser für dich. Carmen wäre sehr enttäuscht von dir." Sie wandte sich der Tür zu, blieb dann wieder stehen und warf mir einen Blick zu. "Bringe deine Familie in Sicherheit."

      Mit geballten Fäusten sah ich ihnen nach, als sie mein Haus verließen. Verdammt, das würde ich tun, schwor ich mir. Ich wollte meine Schwester und ihre kleine Tochter an einen sicheren Ort bringen, ehe das Unglück begann. Ihnen sollte kein Leid geschehen. Ich wollte sie nicht verlieren, sie waren meine einzige Familie. Ich hatte Carmen bereits verloren.

      Mein Haß auf die Gesellschaft war so groß, daß ich beschloß, alles zu tun, um Carmens Tod zu rächen.



      Zwei Tage später.

      Walpurgisnacht!

      Den Bürgermeister erwischte es als ersten. Das Unglück erreichte ihn mitten in der Nacht. Auf die Sekunde genau die Uhrzeit, als auch Carmen zwei Nächte zuvor verbrannt worden war.

      Im Nu stand das Haus in Feuer. Die Familie wurde vollkommen überrascht. Retten konnte sich keiner, dafür sorgten zahlreiche Frauen, die sich vor dem Haus versammelt hatten.

      Das letzte, was der Bürgermeister des kleinen Ortes in seinem Leben wahrnahm, war die Gestalt einer wunderschönen Frau, die von lodernden Flammen umhüllt wurde. Eine Frau, die erst zwei Nächte zuvor verbrannt worden war.

      Grausam klang ihr Lachen. Triumphierend.

      "Sieh her, Bürgermeister!" höhnte Carmen. "Ich bin nicht tot. Ich bin verbrannt, aber ich lebe trotzdem. Erinnerst du dich noch an mein Versprechen? Ich bin hier, um es einzulösen. Danach sind die anderen dran. Dieses Dorf wird ausgelöscht. Und auch alle Männer des Landes. Zumindest hier in Spanien werden keine unschuldigen Frauen mehr verbrannt."

      Der Bürgermeister war nicht in der Lage zu antworten. Er sah seine Frau und seinen Sohn in den Flammen sterben, dann brach auch er zusammen.

      Carmen aber verließ seelenruhig das brennende Haus und die Flammen begleiteten sie. Ihr fiel ein, daß sie noch jemanden besuchen wollte...



      "Hallo, Rodriguez!"

      Ich wirbelte herum, als wäre mir der Teufel persönlich begegnet. Doch es war nicht der Herrscher der Hölle sondern seine Gehilfin.

      Carmen!

      "Ha... hallo, Carmen!" erwiderte ich rauh. Ich starrte sie an. Noch immer wurde sie von zahlreichen Flammen umgeben, als wären sie ihre zweite Haut. Doch das Feuer tat ihr nichts und ich erinnerte mich daran, daß sie bereits tot war. Mein Gott, wie schön sie war.

      "Du bist zurück gekommen."

      Sie nickte. "Ich mußte."

      Lange starrte ich sie an. "Warum hast du es getan?"

      Da lächelte sie traurig. "Es blieb mir keine andere Wahl. Du hättest mir nicht helfen können, Rodriguez. Ich danke dir trotzdem für deine Mühe. Hast du deine Familie in Sicherheit gebracht?"

      Ich nickte.

      "Gut. Du weißt, daß du das einzige männliche Wesen bist, das überleben wirst."

      "Ja," sagte ich nur.

      "Dir ist auch bewußt, welche Aufgabe du hast?"

      "Carmen, ich..."

      Sie schnitt mir das Wort ab, indem sie den Kopf schüttelte. "Du bist dazu auserwählt worden. Rosita wird dich empfangen."

      Ich wurde wütend. "Verdammt noch mal, ich will aber nicht mit Rosita schlafen."

      Ihre Miene wurde eisig. "Ich werde die Männer in diesem Land auslöschen. Ich habe es dem Teufel versprochen, er will die Seelen. Deine Aufgabe ist es, Nachkommen zu zeugen, die dafür sorgen, daß die Frauen in Zukunft in Ruhe vor etwaigen Verfolgern leben können. Du warst dazu bereit."

      "Ja, aber..."

      "Kein aber. Die Bevölkerung, wie wir sie kannten wird in Kürze nicht mehr existieren. Du hast keine andere Wahl."

      "Ich weiß," erwiderte ich leise.

      "Du bist bereit?"

      "Ja, verdammt!" stieß ich hervor. "Aber nicht mit Rosita."

      "Sondern?"

      "Du!"

      Carmen lächelte. "Ich bin froh, daß du das sagst, Rodriguez. Wir haben uns geliebt. Du warst der einzige, der an meine Unschuld geglaubt hat. Leider konnte ich sie nicht beweisen, aus diesem Grund habe ich mich aus Rache dem Teufel zugewandt."

      "Ich weiß," meinte ich bedrückt.

      "Es tut mir so leid, daß ich mein Leben nicht mit dir teilen kann, ich habe es mir so gewünscht. Aber ich habe mit dem Teufel einen Kompromiß geschlossen."

      "Welchen?" wollte ich sofort wissen.

      Carmen lächelte. "Der Fürst der Finsternis besitzt große Macht. Er läßt mich ein Jahr lang auf die Erde zurückkehren. Als Mensch und doch nicht als echter Mensch. Aber zumindest werde ich für diese Zeit eine lebendige Frau sein."

      "Für mich?" fragte ich ungläubig.

      Sie nickte. "Für dich. Um eine neue Generation zu zeugen. Ich werde dir einen Sohn schenken, und du wirst dafür sorgen, daß sich die Zukunft verändern wird."

      Ich schluckte. Ja, ich war dazu auserwählt worden. Als ich Carmen kennenlernte, war mir sofort klar, wozu ich bestimmt war.

      Ich sah sie an. "Und das Feuer?"

      Sie antwortete nicht. Statt dessen sah ich ungläubig, wie die Flammen um ihren Körper schwächer wurden und schließlich ganz verschwanden. Vor mir stand eine lächelnde Frau aus Fleisch und Blut. Eine Frau, die ich geliebt hatte, als sie noch lebte und die ich auch jetzt noch wollte, wo ich wußte, daß sie nur für kurze Zeit bei mir bleiben würde. Doch daran wollte ich nicht denken, ich nahm die Chance wahr, die sich mir bot.

      Carmen kam auf mich zu und schmiegte sich in meine Arme. "Nur ein Jahr, mein Liebster, vergiß das nicht," flüsterte sie. "Danach werde ich dich wieder verlassen müssen. Aber ich werde dir einen Teil von mir hinterlassen- unseren Sohn."

      "Ja," sagte ich.

      Unsere Blicke trafen sich. "Du wirst ihn zu einem guten Jungen erziehen, ja?"

      "Ich verspreche es dir," antwortete ich.

      Sie nickte. "Danke. Jetzt muß ich gehen. Ich habe eine Aufgabe zu erledigen." Plötzlich lächelte sie voller Grausamkeit. "Ich muß sagen, ich freue mich auf meine Aufgabe, auch wenn du dies vielleicht nicht verstehen kannst. Bis bald, mein Liebster, ich komme zurück sobald ich alles erledigt habe."

      Ich schwieg lieber. Statt dessen sah ich ihr nach, als sie mein Haus verließ. Müde ließ ich mich auf einen Stuhl sinken. Nein, ich wollte Carmen nicht an ihrem Vorhaben hindern. Mein Haß auf die Menschheit war viel zu groß, um Mitleid zu empfinden. Die Inquisition hatte mir die geliebte Frau genommen, dafür wollte ich sie sterben sehen...



      Wochenlang wurde das Land von Grauen und Leid regiert. Dörfer und Städte gingen in Flammen auf. Selbst die mächtigsten Männer des Landes waren nicht in der Lage, ihrem Verderben zu entgehen. Es war kein Krieg, nein... die Hölle persönlich suchte die Erde heim. Zahlreiche Tote verwesten in ihren Häusern oder verbrannten, lagen auf den einsamen Straßen, niemand kümmerte sich darum, denn es gab niemanden mehr, der dieses Land retten konnte. Die einzigen, die überlebten, waren Frauen und ihre kleinen Kindern... Babys...

      Auch ich kümmerte mich nicht darum. Ich hielt meine Carmen jede Nacht in den Armen. Sie liebte mich und ich liebte sie. Wir beide würden dafür sorgen, daß eine neue Generation geboren wurde, die nichts von der Hexenverfolgung erfahren sollte. Dieses Kapitel sollte abgeschlossen werden.

      Doch wie erschütternd ist es, wenn die Frau, die man liebt, die aber tot ist, ihm eröffnet, daß man selbst der einzige noch lebende Mann ist, der in diesem Land existiert. Was ist mit den anderen Staaten dieser Welt? Werden auch dort unschuldige Frauen als Hexen verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt?

      Ich wußte es nicht. Zumindest mein Heimatland war von dieser Pest ausgerottet worden. Es gab keine Inquisition mehr. Dafür hatte Carmen und der Teufel persönlich gesorgt. Gnadenlos waren die Männer der Kirche und ihre Anhänger ausgerottet worden. Richter, Anwälte, allen Herren, die sich einbildeten, über die Menschen, die unter ihnen standen, richten zu können. Ich war froh darüber.

      Meine Zeit mit Carmen aber ging vorüber.

      "Leb wohl, mein Geliebter!" Das waren die Worte, die ewig in meiner Erinnerung von ihr bleiben würden.

      Aber nein, ich besaß noch ein kostbares Geschenk. Carmen hatte mir ihren... unseren Sohn hinterlassen. Ich war nicht allein. Und ich wußte, daß sie ab und zu ihr weit entferntes Reich verlassen würde, um uns beizustehen.

      Unser Junge, Rafael, wuchs zu einem wunderbaren Kerl heran. Er besaß viele Freunde, auch weibliche. Carmen lebte in einer anderen Welt, in die ich ihr folgte, als meine Zeit gekommen war. Ich verließ unsere Welt mit dem Wissen, daß Hexenverfolgung schon bald der Vergangenheit gehören würde. Diese grausamen Umstände, die mir die Frau genommen hatten, würde in der Zukunft nie mehr eintreten. Denn nun gab es einen Mann, der den Kampf gegen die Ungerechtigkeit aufnehmen würde. Den Kampf gegen die Mächtigen, die sich für Gott hielten und ihr Urteil über andere Menschen sprachen.

      Ich wußte aber, daß sie in unserem Land vernichtet worden waren. Welche gütige Fügung. Wie lange würde es dauern, bis die Menschen anderer Nationen merkten, daß die Welt ganz anders war? Wie viele Menschen müssen noch sterben, bis jemand merkt, daß es keine bösen Hexen gibt?

      Ich bereue nicht, was ich getan habe. Ich habe mein Schicksal erfüllt und mein Gewissen erleichtert. So kann ich beruhigt aus dem Leben weichen und in einer anderen Welt neu beginnen. Mit meiner Frau...

      E N D E

      Avatar
      schrieb am 03.04.01 12:21:36
      Beitrag Nr. 4 ()
      Avatar
      schrieb am 03.04.01 18:59:40
      Beitrag Nr. 5 ()
      Seit Stunden wartete ich am Rande einer kaum befahrenen Landstraße und hielt nach einer Mitfahrgelegenheit Ausschau. Bis zu meinem Heimatort waren es nur einige wenige Kilometer, doch diese Strecke zu Fuß zu bewältigen erschien mir als ein Problem welches ich infolge des langsam sinkenden Alkoholspiegels in meinem Blut nur unter größter Anstrengung meistern konnte. Schon des öfteren hatte ich mir geschworen meinem hohen Alkoholkonsum grenzen zu setzen, doch sobald ich in Gesellschaft anderer war und nur irgend jemand ein Glas Bier oder Weinbrand hinunterkippte waren alle guten Vorsätze dahin. Jenes anfängliche Wohlbehagen nach den ersten vier Gläsern Bier, welche ich oft hastig hinunterspülte, steigerte sich mit zunehmender Menge zu einem Höhenflug von grenzenloser Euphorie, um plötzlich schlagartig in den Abgrund bodenloser Depression und mengenbedingtem Desinteresses zu stürzen. Kein noch so geschmackloser Scherz meiner Freunde vermochte mich dann noch zu erheitern. Es war Zeit zur Heimkehr, um eine weiche Landung in meinem Kopfkissen zu vollführen. Endlich Auszuruhen wäre das größte Glück, gäbe es dort nicht die wiederholt unangenehme Traumextase von einem halbverwesten Autofahrer, dessen Bild in meinen Alpträumen zunehmend realistischer wurde. Meine Traumerlebnisse schienen langsam aber stetig eine eigene zweite Art von erlebter Wirklichkeit zu reflektieren. Nach einem unsanften, schweißgebadetem Erwachen vergaß ich zwar nicht das Erlebnis, jedoch jenes durch Zerfall entstellte Gesicht, einer Fratze gleich, vergaß ich immer innerhalb von Sekundenbruchteilen...

      Nun stand ich hier an der Landstraße und ein kalter Wind bestrich unsanft die im absterben begriffene Herbstlandschaft. Voller Erwartung richtete ich meinen leeren Blick gen Himmel, wo ein hämisch grinsender Mond seine kalten Strahlen auf Wiesen und Wälder rings um mich warf und die Szenerie in ein gespenstisches unwirkliches Licht tauchte. Von Westen her drang leise und unterschwellig mit den lauten der nächtlichen Natur vermischtes Motorengeräusch an meine Ohren, welches beim herannahen immer mehr zu einem alles übertönenden Brummen anschwoll. Verwundert und zugleich voller Neugier drehte ich meinen Kopf zur Seite. Ein greller Lichtkegel zweier Scheinwerfer raubte mir augenblicklich die Sicht und ich schloß einfach meine geblendeten Augen. Instinktiv von einem unerklärbaren Zwang getrieben streckte ich meinen Arm aus und stellte den Daumen Senkrecht zur geöffneten Faust. Der Fahrer bremste seinen Wagen langsam ab, schaltete in einen niedrigeren Gang zurück und schlich mit untertourig laufendem Motor auf mich zu, wie eine Raubkatze die sich ihres Opfers gewiß war. Langsam öffnete ich meine Augen, doch mein vom Alkohol getrübter Blick ließ im Augenblick keinen Rückschluß auf Fahrer und Wagen zu...

      Als der wagen direkt vor mir hielt hatten sich meine Pupillen soweit der neuen Situation angepaßt. Mein Blick klärte sich langsam auf und ich nahm die schattenhaften Umrisse eines alten Opel Kadett Coupés wahr. Wortlos öffnete der Fahrer die Tür und deutete mir mit einem Wink an in seinem Wagen Platz zu nehmen. Befremdet und zugleich verwundert nahm ich sein Angebot willig entgegen, stieg ein und schlug die Tür neben mir mit einem lauten Knall zu. Endlich sitzen und die vom langen stehen in der Kälte ermüdeten, verkrampften Beine ausruhen zu können war mein erster Gedanke. Aber ich sollte keine Gelegenheit bekommen meine Gedanken weiterzuspinnen, denn mein Chauffeur beschleunigte abrupt und hatte binnen weniger Sekunden den vierten Gang eingelegt. Mein Körper wurde förmlich in den Sitz gepreßt, wobei ich einen leichten Druck in der Magengegend verspürte. Das Innere des Wagens war bis auf die Armaturen nur recht spärlich beleuchtet. Meine Augen versuchten die Dunkelheit zu durchdringen, jedoch nahm ich nur den schemenhaften Umriß eines Menschen wahr, der sein Gefährt zielsicher durch die Dunkelheit manövrierte. Ich blickte auf den Tachometer, welcher genau bei 120 km/h stand und sich nicht bewegte. Eine unmögliche Geschwindigkeit bei dieser Straße, einer engen Fahrbahn die sich wie ein kurviges schmales Band aus Asphalt durch die Landschaft frißt. Bäume und Sträucher, nur wenige Sekunden vom Strahlengang der Scheinwerfer erfaßt, fliegen wie nichts vorbei. Geäst greift scheinbar mit langen Krallenarmen nach uns, um gleich wieder im Nichts der Dunkelheit zu verschwinden. Neugier und Verlegenheit kämpften in mir um den Sieg, voller Wißbegier gelang es mir schließlich doch mich zu überwinden und ich begann zu fragen: "Sie haben mich mitgenommen, einfach so, ohne mich zu kennen und ohne zu Wissen wo ich hinmöchte ?" Ich bekam keine Antwort auf meine Frage, was mich etwas verwirrte, doch mein Rauschzustand hinderte mich daran komplexe Gedankengänge in meinem Hirn zu formieren. Völlig unbeirrt richtete der Unbekannte sein Gesicht weiter in Richtung Windschutzscheibe, meine Worte entlockten ihm nicht einmal eine Handbewegung oder ein Achselzucken. "Wenn Sie sich nicht mit mir unterhalten wollen, stellen Sie doch wenigstens das Radio an", bat ich ihn fordernd, im betrunkenen Zustand verliere ich oft mein Taktgefühl. Der Fremde löste sich aus seiner Starre und seine Hand bewegte sich geräuschlos zum Radio. Ein Schalter knackte und aus dem Äther drangen Laute und Geräusche, welche in ihrer Lautstärke und Intensität meine Trommelfelle in Vibration versetzten. Kreischende Gitarren, schaurig krächzende Gesänge und hämmernde Trommeln übertönten lautstark das Brummen des Motors. Ich versuchte meinem Gegenüber klar zu machen, er solle bitte die Musik leiser stellen, doch keines meiner Worte drang bis zu ihm vor. Ebenfalls getraute ich mich nicht die Lautstärke selbst zu drosseln oder den Fremden durch einen Schlag auf die Schulter dazu zu bewegen. Noch immer verfolgte er Stur wie ein Roboter seinen Kurs, die ihm entgegenrasenden Kurven und Geraden auskorrigierend und balancierend. Eine unerklärliche Furcht überkam mich, als ich mich unbewußt mit dem Lied aus dem Autoradio beschäftigte, jeder weitere Versuch einer Unterhaltung oder eines Dialogs mit dem Fahrer erschien mir plötzlich unmöglich. Aus den Lautsprechern dröhnte das Lied HIGHWAY TO HELL der Rockgruppe AC-DC, Hardrock für den selbstmordgefährdeten Autofahrer mit Gespür für die Inszenierung des eigenen Freitodes. Doch ich kam nicht weiter dazu in meinen eigenen Gedanken herumzugraben, denn ein wilder Ruck schleuderte mich nach vorne. Der Gurt fing mich auf und sein breites Band schnürte mir fast den Magen zusammen. Bremsen quietschten, doch der Wagen kam nicht zum stehen sondern beschleunigte sofort wieder. Der Irre mußte das Gaspedal bis zum Anschlag durchgetreten haben, Haarscharf nahm er die Kurven und Biegungen. Bäume schossen unsagbar schnell auf uns zu und signalisierten die unmittelbare Nähe des Todes, sie huschten in nur geringer Entfernung am Wagen vorbei. Der AC-DC Song trug seinen Teil dazu bei und die anfängliche Furcht begann in wilde Angst umzuschlagen, Überlebensangst!

      Die Musik ebbte ab und endete fast Lautlos, gleichzeitig nahm der Fremde die Geschwindigkeit auf ein erträgliches Maß zurück und bändigte seinen motorisierten Dämon von einem Wagen. Entspannt und erleichtert atmete ich auf, doch die nächste Überraschung hatte man schon für mich parat...

      Das mattblaue Licht der Senderskalenbeleuchtung verstärkte seine Leuchtkraft zu einem schleimig schimmernden Blau und gab nun einen Blick auf das Wageninnere und den Fremden frei. Die Inneneinrichtung machte einen abgenutzten, gar gammeligen Eindruck und ich nahm nun einen leicht bitteren Geruch wahr, der mir noch nicht aufgefallen war. Neugierig begann ich nun den Fremden mit meinen Sinnen zu erfassen. Seine der meinen erstaunlich ähnliche Gestalt, das vergleichbare Gesichtsprofil und selbst das scheinbar gleichlange Haar erweckten den Eindruck in mir als begegnete ich gerade meinem nicht existierenden Zwillingsbruder. Im blauen, unwirklichen Licht durchbohrten mich plötzlich die Fangnetze zweier eiskalter Diamanten. Augen, leblos und grausam, drückten eine Fähigkeit zu unberechenbarem Handeln aus. Entsetzen und Ohnmacht lähmten mich. Er beugte sich über mich und spie mir seinen fauligen Atem ins Gesicht. Eine unbeschreibliche Mischung aus Ekel und blankem Entsetzen ballte meinen Magen zur Faust. Der Einsatz einer neuen Schlagzeug- und Gitarrenorgie ertönte mit dem Titel BALLS THROUGH THE WALL aus den Lautsprechern. Er ließ von mir ab und erst jetzt bemerkte ich, das wir uns immer noch bewegten. Die Mischung aus Licht, Musik, Geschwindigkeit, Angst, Verlorenheit und apokalyptischem Wahn ließ nun auch mein Inneres völlig zusammenbrechen. Jetzt wo er meinen Willen fast gebrochen hatte war ich bereit ihm das Opfer abzugeben nachdem er verlangte. Noch huldigte er den infernalischen Sägenklängen und Unterweltgesängen von ACCEPT. Meine Galgenfrist betrug noch weniger als zwanzig Sekunden, dann würde die Musik enden und wahrscheinlich auch meine Existenz. Doch meine Gefühle, Sinne und mein starker Selbsterhaltungstrieb wehrten sich vehement als er ein blutverkrustetes Küchenmesser, dessen Kälte ich schon spüren konnte, an meinen Hals setzte. Sein bisher regungsloser Mund formte ein sadistisches Grinsen, das Ritual begann. Mein Lebenswille in mir schrie auf und mein bewegungslos verharrender Magen implodierte und gab seine Ladung frei. Gewaltsam öffneten sich meine Lippen und ein breiter, stinkender, aus kleinen Brocken bestehender Bannstrahl durchkreuzte seine Mordpläne. Mein angesäuerter Mageninhalt traf ihn als geballte Ladung in Gesicht und Augen. Mit einem unmenschlichen Schrei verlor er die Kontrolle über den Wagen. Nach einigen dumpfen Schlägen drehte sich alles und ich stürzte in ein tiefes dunkles Loch...

      Schmerz, das erste was ich wieder fühlte war ein stechender Schmerz in meinem Kopf. Ich öffnete langsam meine Augen und sah eine auf den Kopf gestellte Welt unter mir. Aus dem bodenlosen Nichts tauchte eine gelbe Scheibe aus lichtumkränzten, wabernden Gefilden hervor. Seitwärts über mir hingen Gräser und Büsche dem Abgrund entgegen, seltsam von unheimlicher Kraft angezogen. Mein Kopf drohte durch einen übermächtigen Druck zu bersten und mir lagen noch immer die letzten Fetzen der Musik in den Ohren, wie die Töne einer Glocke wenn sie langsam ausschwingt. Plötzlich fing der Lautsprecher wieder an mir nervenzerreißende Geräusche in die Ohren zu spucken, das gleißen des blauen Lichts fing wieder an und brannte sich in meine Augen. Vorsichtig legte ich meine Hand auf den Lautstärkeregler des Radios und drehte daran, doch nichts tat sich. Zu meiner Überraschung war der Platz hinter dem Lenkrad leer, mein Peiniger hatte seine fahrende Folterkammer verlassen. Irgendwo dort draußen lauerte er auf mich um mich endgültig zu vernichten, er wollte sein Opfer noch etwas zappeln lassen. Das mir unbekannte Lied verstummte und eine gespenstische Stille setzte ein. Ich öffnete den Sicherheitsgurt, rollte auf meine Schulter und zwängte mich mühsam durch das geborstene Seitenfenster. Nachdem ich mich befreit hatte richtete ich mich auf und trat ein paar Schritte zurück, meinen Augen bot sich der Anblick eines zertrümmerten Blechhaufens. Meine Augen wanderten in der nächtlichen mir unbekannten Umgebung umher. Der totenbleiche Mond trat aus den Wolken hervor und bot sich mir als Wegweiser an, als ich auf die undurchdringliche Mauer aus Nadelbäumen zuschritt. Hinter mir begann das Radio erneut zu spielen, doch diesmal kein metallisches Inferno, denn der tote Jim Morrison sollte mein Ableben mit einer morbiden Ballade versüßen. Ein Schatten huschte aus den Zweigen, der Killer hält auf mich zu. Ich blicke nach unten, meine Füße schlagen Wurzeln um mich am Ort des Schreckens festzuhalten, dunkle Orgelklänge und schwermütige Gitarrenlaute halten mich in ihrem Bann. Das Alptraumwesen, Abbild einer nächtlichen Wirklichkeit, erscheint vor mir, vergrößert seine Gestalt, wird Übermächtig und droht mich in sich aufzusaugen. Ich versuche zu schreien, aber kein Laut dringt über meine Lippen. Schlagartig fällt er in sich zusammen, sein Äußeres vergeht zu einer schwarzen Masse und meine Lungen atmen den Gestank verwester Exkremente. Himmel, Erde, Mond, Nacht und Landschaft verwirbeln und lösen sich im Nichts auf. Der Strom der Unendlichkeit saugt seine Opfer auf, als Jim Morrison`s Worte ersterben...


      "Wo bin ich?", fragte ich Schlaftrunken als ich in einem Krankenbett wieder zu mir kam. "An einem Ort wo Sie sich ausruhen können", teilte mir eine Stimme mit. Die Person in einem langen weißen Kittel hatte mir den Rücken zugewandt und bewegte sich auf den Ausgang des fensterlosen, neonbeleuchteten Raumes zu. Rechts neben der Tür erspähte ich auf einem Wandregal ein altes Transistorradio. "Können Sie bitte die Musik anstellen?", fragte ich mit rauher Stimme. "Kein Problem", entgegnete mir die Person mit freundlicher Stimme, "aber wir kriegen hier leider nur einen einzigen Sender rein." Ein Schalter knackte und das blaue gleißende Licht begann von neuem zu erstrahlen. Die mir unbekannte Person drehte sich langsam um und wandte seine entstellten Gesichtszüge zu mir, zog das lange blutverkrustete Messer aus dem Kittel und kicherte Irre. Es ist alles nur ein Traum, schrie es durch meine Gedanken. "Nein, es ist kein Traum", krächzte der Entsetzliche gedankenlesend. Das Opfer war nun endgültig bereit...

      Todesbringende Lieder säen ihre Gedanken in die Gehirne einer verlorenen Menschheit und Realität verirrt sich in den Abgründen des Wahns...

      ENDE ???

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      schrieb am 03.04.01 21:52:26
      Beitrag Nr. 6 ()
      Ich weiß nicht mehr welcher Tag heute ist. Es ist eigentlich auch völlig belanglos. Ich möchte euch nur meine Geschichte erzählen.

      Vor zehn Jahren kam ich auf meiner Reise durch die Welt in ein unbekanntes Gebiet. Im ersten Moment wirkte dieses Land wie verzaubert auf mich. Ich kam mir vor,als wäre ich in einem Traumland gefangen. Die Pflanzen, Bäume und Tiere waren mir völlig unbekannt. Sie waren schön und erschreckend zugleich. Die Tiere sahen putzig aus, waren gleichzeitig aber auch kleine Bestien. Gerade die, welche mir niedlich und unscheinbar erschienen,rissen im nächsten Moment ihren Rachen weit auf um eine Reihe spitzer Zähne zu präsentieren. Ich ging staunend durch dieses Land, sah dabei Erstaunliches, Erschreckendes, Dummes und Merkwürdiges, so daß ich aus den Wundern nicht mehr rauskam. Man kann es kaum beschreiben und ich weiß nicht mal mehr, wie lange ich darin umhergeirrt bin. Plötzlich begegnete ich einem Wesen, daß sich sehr deutlich von allen anderen unterschied. Es erschreckte mich, aber ich bewunderte es auch. Es war halb Mensch, halb Tier. Eine schöne, große, kluge Bestie, die mich aus traurigen Augen ansah. "Hilf mir. Ich bin so alleine hier und habe keinen Freund, mit dem ich reden könnte."

      Seine Stimme war weich und sanft, trotz seines großen Mauls; sie hüllte mich sanft ein, ,ja benebelte mich fast. "Ich bin so einsam. Willst du nicht mein Freund sein?"

      Die Bestie blickte mich weiter aus ihren traurigen Augen an und ich konnte mich diesem fast hypnotischen Blick kaum entziehen. Ich verspürte eine Gefahr, die von ihr ausging und doch konnte ich es kaum greifen. Mein Blick fiel auf seine Hände, die wie Klauen geformt waren und seine Arme sahen stark aus. Sein Körper war behaart und die spitzen Ohren zitterten vor Erregung. Sein Fell war rötlichbraun und glänzte in der Sonne. Und diese Augen. Sie glitzerten schwarz und blickten mich unverwandt an. Diese Einsamkeit in ihnen schnitt mir ins Herz. Ich beschloß ihm zu folgen und eine Zeitlang bei ihm zu bleiben.

      "Ich werde versuchen,dir ein Freund zu sein, wenigstens für eine kleine Weile. Dann muß ich wieder weiter, denn mein Heimweg ist noch lang."

      Er ergriff vorsichtig meine Hand und führte mich durch sein Reich. Meine Hand lag fest zwischen seine Klauen gebettet und das war ein unheimliches Gefühl. Wir setzten unsren Weg schweigend fort, durch dieses geheimnisvolle Dickicht. Das Grün der Bäume warf bizarre Schatten auf den Boden. Die Blumen leuchteten wie kleine Juwele und ich konnte mich kaum an ihnen sattsehen. Die Wiesen lagen in saftigem Grün vor uns und waren wie der weichste Teppich unter meinen Füßen. Klares Wasser entsprang kleinen Bächen und ein herrlicher Duft berauschte meine Sinne. Die Vögel zwitscherten ohne Unterlaß, so als erwarteten sie etwas. Wir kamen an einen See, in dem Nymphen badeten und friedlich graste ein Einhorn am Ufer. Doch als sie auf uns aufmerksam wurden schwankten sie. Ich konnte gerade noch den Ausdruck von Furcht in ihren Gesichtern sehen bevor sie verschwanden. Sie lösten sich auf wie Nebel im Wind und ließen Trauer in mir zurück.

      Da erst bemerkte ich die Veränderung um uns herum. Ich erschrak. Statt der lieblichen Landschaft sah ich nur noch stinkenden Sumpf und Morast. Alles was mir vorher schön erschien kam mir jetzt verrottend und nach Verwesung riechend vor. Kein Zauber lag mehr in der Luft. Kein Wunder dachte ich bei mir, daß die Bestie keine Freunde hat. Nur mir geschah nichts in seiner Nähe, denn er hielt nach wie vor meine Hand. Vor uns lichtete sich der Wald, selbst der Gestank blieb zurück und ich erblickte ein Schloß vor mir. Es glich allerdings mehr einer Ruine als einem wirklichen Gebäude. Das Biest führte mich direkt darauf zu.

      "Das ist mein Heim, komm mit, ich möchte dir alles zeigen." Er führte mich durch ein Labyrinth aus Gängen und ich hatte das Gefühl hier nie wieder rauszufinden. Er führte mich durch eine halb zerfallende Pforte in einen kleinen Garten. Dort sah ich ein wildes Rosenbeet vor mir liegen und es trug nur eine einzelne schwarze Rose. Sie prangte stolz zwischen alldem toten Gestrüpp. Die Bestie lächelte mich an und entblößte dabei eine Reihe von Reißzähnen. Doch ich bemerkte es kaum. Inzwischen war ich jenseits aller Angst. Er schritt behutsam durch das Rosenfeld und pflückte vorsichtig die einzige Blüte ab, um sie mir feierlich zu überreichen. Ich nahm sie ihm genauso behutsam ab, sah sie doch so zerbrechlich aus und atmete tief ihren betörenden Duft ein. Ich fiel in einen tiefen Schlummer und die Bestie wachte über mich.

      Als ich aufwachte fand ich alles verändert um mich herum. Ich lag inmitten eines blühenden Gartens und das Schloß schimmerte mir weiß entgegen. Neben mir erblickte ich einen jungen, hübschen Mann, der mich sanft aus schwarzen Augen anlächelte. Er berührte zart mit seinem Mund meine Lippen. "Danke für deine Freundschaft, die du mir erwiesen hast. Ich hoffe du wirst einst denselben Dienst erwiesen bekommen."

      Mit diesen seltsamen Worten verließ er mich und ich fühlte eine nie gekannte Einsamkeit in mir. Übergangslos wachte ich auf und fand mich an meinen Schreibtisch wieder. Ich muß wohl eingeschlafen sein. Beim Blick auf die Uhr stellte ich fest, es konnte nur eine Viertelstunde vergangen sein. Welch seltsamer Traum dachte ich bei mir und ging in die Küche,um mir etwas zu Trinken zu holen. Auf dem Weg dahin kam ich am Spiegel vorbei und nahm darin einen Schemen wahr. Ich sah genauer hin,entsetzt starrte ich auf meine spitzen Ohren und das rötliche Fell. Ich zittere vor Wut und schlage meine Klauen in den Spiegel. Mein Fell ist voller Splitter und ich trabe hinaus in die Nacht. Wer will jetzt noch mein Freund sein?

      E N D E


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