das erzeugen von wirklichkeiten - 500 Beiträge pro Seite
eröffnet am 23.04.01 01:03:59 von
neuester Beitrag 23.04.01 18:09:30 von
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ich habe einen ernsthaften fehler, der mich daran zweifeln lässt, ob ich internet tauglich bin. mein problem ist: ich habe niemals - ich betone: niemals! - gute laune. wenn ich lache, dann ist meinen tönen immer eine gewisse bitterkeit beigemischt. es ist nun schon ewigkeiten her, seit dem ich mich das letzte mal habe richtig lachen hören. das ist aber auch kein wunder, wenn man sich mal die kursentwicklungen der letzten monate anschaut. wem dieser text irgendwie als dorn im auge erscheinen will, dem sei getrost gesagt: mir ergeht es nicht anders!
ach ja - ich wollte ja über das erzeugen von wirklichkeiten schreiben. na gut.
ihr habt keine ahnung, was wirklichkeit ist, geschweige denn, wie man sie erzeugt. lese ich mir einige threads hier bei wo durch, dann glaube ich, dass ich im kindergarten bin. wer wieder in den kindergarten zurück will - bitte schön. es werden ohnehin nur die alten sein.
die frage, um die es geht und die man sich hoffentlich auch bei w:o stellt, ist folgende: welchen eindruck erwecke ich, wenn ich öffentlich mache, warum ich dieses oder jenes kaufe? haftet einer solchen offenbarung nicht schon der geschmack eines betrugs an? sollten wir vielleicht alle betrüger sein? und mit uns der gesamte neue markt?
haleluja!
doch!
gerade eben habe ich mich lachen gehört!
ach ja - ich wollte ja über das erzeugen von wirklichkeiten schreiben. na gut.
ihr habt keine ahnung, was wirklichkeit ist, geschweige denn, wie man sie erzeugt. lese ich mir einige threads hier bei wo durch, dann glaube ich, dass ich im kindergarten bin. wer wieder in den kindergarten zurück will - bitte schön. es werden ohnehin nur die alten sein.
die frage, um die es geht und die man sich hoffentlich auch bei w:o stellt, ist folgende: welchen eindruck erwecke ich, wenn ich öffentlich mache, warum ich dieses oder jenes kaufe? haftet einer solchen offenbarung nicht schon der geschmack eines betrugs an? sollten wir vielleicht alle betrüger sein? und mit uns der gesamte neue markt?
haleluja!
doch!
gerade eben habe ich mich lachen gehört!
D i m U,
wei heisst das Zeug, dass du nimmst?
wei heisst das Zeug, dass du nimmst?
Börse.
Vor zwei Wochen hat Börse-Online verlautbacht:
Kauft COMROAD, das war nun bei 30E; jetzt steht sie bei 11E.
Auch Annalysten fehlen bei ihren Prognosen, auch wir
W:O-Boarder:
Trau K E I N E M
Jazzo
Kauft COMROAD, das war nun bei 30E; jetzt steht sie bei 11E.
Auch Annalysten fehlen bei ihren Prognosen, auch wir
W:O-Boarder:
Trau K E I N E M
Jazzo
@ Das...ist...mein...Untergang!
ganz kurz.
Deines Postings sind viel Streß wo nichts dahinter ist.
Ich würde auch sagen, ...
Gru
ganz kurz.
Deines Postings sind viel Streß wo nichts dahinter ist.
Ich würde auch sagen, ...
Gru
Irgendwie bist Du mir sympathisch,seufz.
unsere freunde vom spiegel wissen bescheid. gerade gefunden:
SPIEGEL, 23.4.2001
Die Geldschluckmaschine
Die Frankfurter Wachstumsbörse verkommt zum Tummelplatz für
Hochstapler und unseriöse Geschäftemacher. Immer mehr
Hightech-Firmen trudeln in der Todeszone. Börsenexperten
prophezeien: Nur jedes fünfte Unternehmen am Neuen Markt wird
überleben.
Es war 17.35 Uhr, als am Mittwoch vergangener
Woche die Sonne von "Sunburst" unterging. In einer
dürren Pflichtmitteilung gestand das Unternehmen
aus Osnabrück, das versucht hatte, mit den Rechten
für die Berliner Love Parade Geld zu machen, die
"drohende Zahlungsunfähigkeit" ein.
Doch die neuerliche Pleite am Neuen Markt scherte in
diesem Augenblick offenbar niemanden. Aus New York
nämlich vermeldeten die Nachrichtenagenturen, dass
kurz zuvor eine weitaus mächtigere Börsensonne
aufgegangen war: Alan Greenspan, der amerikanische
Notenbankchef, hatte überraschend die Zinsen
gesenkt.
Allein dieser Schritt genügte, um auch die deutschen Kleinanleger
wieder in einen wahren Rausch zu stürzen. Binnen weniger Minuten
schoss der Nemax, das Kursbarometer des Neuen Markts, beinahe
lotrecht nach oben. "Greenspan, wir danken Dir", schrieben verzückte
Anleger im Chatroom der Comdirect-Bank.
Heiß begehrt waren ausgerechnet jene Werte, die die Börsianer in
den Wochen zuvor, nach teils desaströsen Geschäftszahlen,
besonders heftig abgestraft hatten. Heyde, der krisengeschüttelte
IT-Dienstleister: plus 92 Prozent. Internolix, das marode
Software-Haus: plus 76 Prozent. Brokat, der verlustreiche
Finanzsoftware-Anbieter: plus 52 Prozent. Börse verrückt.
Wieder einmal wurde der Wahnsinn sichtbar, der im letzten Jahr an
den Finanzmärkten regiert hatte. Wieder einmal offenbarte sich jener
Mangel an Vernunft, der die Aktienkurse bis zum Frühjahr 2000 auf
schier astronomische Höhen klettern ließ. Ein kleiner Funke genügte -
und schon kehrte die Gier zurück.
Niemand interessierte sich mehr für all die
schlechten Nachrichten der vergangenen Tage. Die
Massenentlassungen in den USA? Die
Gewinnwarnungen von Intel oder Cisco?
Vergessen, verdrängt. Und auch die graue Realität
am Neuen Markt erschien den Spekulanten mit
einem Mal wieder rosarot. Adieu, Tristesse!
Tatsächlich vergeht kaum eine Woche, in der nicht
eines der deutschen Start-ups in die Todeszone
trudelt. Kaum eine Woche, in der nicht gleich
mehrere Finanzvorstände einräumen, dass ihre
Unternehmen - sorry, sorry - die Planzahlen nicht
erreichen werden. Die Börseneuphorie der vergangenen Woche
täuscht, die Fundamentaldaten der deutschen Hightech-Börse sehen
katastrophal aus.
Eine nicht repräsentative SPIEGEL-Umfrage bei rund 150
Unternehmen des Neuen Markts zeigt das ganze Ausmaß der Misere:
Das beim Börsengang kassierte Geld wird von vielen Firmen regelrecht
verbrannt, die Umsätze vieler selbst ernannter Marktführer sind
minimal.
Erstaunlich ist vor allem das Tempo, mit dem das eingesammelte
Kapital wieder verbraucht wird. Verfügte etwa der Chiphändler CE
Consumer zu Hoch-Zeiten noch über 153,9 Millionen Mark liquider
Mittel, so sind es nach Abschluss des Geschäftsjahrs 2000 nur 39,3
Millionen Mark. Mit dem Geld hat Firmengründer Erich Lejeune vor
allem andere Firmen gekauft, deren liquide Mittel wurden in der Bilanz
konsolidiert. Immerhin: CE Consumer erwirtschaftet einen
bescheidenen Gewinn.
Viele Neue-Markt-Firmen können davon nur träumen. Das
Internet-Kunstportal Artnet machte im vergangenen Jahr 7,8
Millionen Mark Umsatz - und weist einen Jahresfehlbetrag von 38,2
Millionen Mark aus. Auch die Zahlen von FortuneCity sind
beeindruckend: Bei 24,2 Millionen Mark Erlösen aus Bannerwerbung
und E-Commerce-Geschäften schreibt die Internet-Firma 87,8
Millionen Mark Verlust. Wie aus diesen Firmen jemals normale
Profitbetriebe werden sollen, ist völlig unklar.
Da das Internet bisher für nahezu niemanden
ausreichend Erlöse abwirft - nicht für die
Inhalteanbieter, auch nicht für Web-Agenturen,
erst recht nicht für die Portale - ist mit einer
schnellen Trendumkehr nicht zu rechnen. Ohne
neues Anlegergeld können die meisten Firmen
ihren Verlustbetrieb wohl nicht mehr lange
finanzieren.
Dem Neuen Markt, sagen seriöse Beobachter,
droht ein beispielloser Ausleseprozess. "Viel
Schrott" hat der Unternehmensberater Roland
Berger ausgemacht und prophezeit angesichts der
bisherigen Pleiten: "Das wird mit Sicherheit erst der Auftakt sein."
Analysten der Investmentbank J. P. Morgan Fleming befürchten gar,
dass auf mittlere Sicht rund 80 Prozent aller heutigen Firmen vom
Kurszettel verschwunden sind - pleite, verkauft oder
zwangsfusioniert mit einem Ex-Rivalen.
Das deutsche Hightech-Wunder war ein Traum, in der Realität steht
das bevor, was die Stahlindustrie hinter sich hat: Rationalisierung,
Kostensenkung, Entlassungen, Übernahmen und viele, viele Konkurse.
Auch nach dem Greenspan-Coup ist das deutsche Segment für
Wachstumswerte immer noch Lichtjahre von seinen Höchstständen
entfernt. Auf abenteuerliche 8500 Punkte war der Nemax im März
2000 gestiegen, über 6700 Punkte hat er seither verloren. Selbst
Fondsmanager wie Kurt Ochner haben 70 Prozent des verwalteten
Kapitals eingebüßt - deswegen wurde er vom Bankhaus Julius Bär
inzwischen geschasst.
Keine bedeutende Wachstumsbörse der Welt, auch nicht die Nasdaq
in New York, ist in so kurzer Zeit derart heftig abgestürzt. Der Neue
Markt habe sich, höhnt das "Handelsblatt", "von der Gelddruck- zur
Geldschluckmaschine" entwickelt.
Der Hype ist der Depression gewichen. So waren die rund 250
Unternehmen, die im Mai 2000 am Neuen Markt gelistet waren,
zusammengenommen über 250 Milliarden Euro wert, jetzt sind es
nicht einmal mehr 90 Milliarden - und dies, obwohl 91 neue Firmen auf
den Kurszettel drängten.
Schmerzhaft müssen vor allem die Kleinanleger erfahren, dass selbst
jene Firmen, die ihnen als "Blue Chips" verkauft wurden, in Wahrheit
oft nichts anderes sind als ganz normale Mittelständler. Pixelpark?
Tief in den roten Zahlen. Mobilcom? Bis zum Es-geht-nicht-Mehr
verschuldet. Intershop? Rückzug aus Amerika.
Denn mittlerweile haben auch in der Neuen Ökonomie die Gesetze der
alten Wirtschaft Einzug gehalten. Reichte noch vor wenigen Monaten
eine gute "Story", um für die nötige Kursphantasie zu sorgen, rücken
jetzt so altmodische Kriterien wie Ertrag und Rendite in den
Vordergrund. Was nützt etwa das prächtigste Wachstum, wenn die
Verluste noch schneller wachsen? Und was ist von Gründern zu
halten, die allenfalls etwas von PR, nichts aber von Kostenrechnung
verstehen? Gleichzeitig hat sich bei einigen Firmen ein
Geschäftsgebaren eingebürgert, das im besten Fall als dubios, im
schlimmsten Fall als kriminell zu bezeichnen ist.
Seit fünf Monaten sitzen die Infomatec-Gründer Gerhard Harlos und
Alexander Häfele in U-Haft, weil sich bei der Augsburger
Staatsanwaltschaft der Verdacht der Kursmanipulation und des
Insiderhandels erhärtet hat.
Wie sehr die Sitten verfallen sind, wissen vor allem jene Kanzleien zu
berichten, die sich auf das komplizierte Börsenrecht spezialisiert
haben. "Am Neuen Markt", urteilt Rechtsanwalt Dietmar Kälberer,
"werden die Anleger teilweise richtig betrogen."
Über 2000 düpierte Aktionäre haben sich seit Jahresbeginn in
Kälberers Kanzlei in Kirchentellinsfurt, einem Nest bei Tübingen,
gemeldet. Gegen rund 20 Firmen prüft die Sozietät inzwischen
rechtliche Schritte. "In einigen Unternehmen", lautet Kälberers
ernüchternde Erkenntnis, "herrschen Wildwestmethoden."
Da werden Bilanzen geschönt und Aufträge
erfunden, da wird in manchen
Adhoc-Mitteilungen viel heiße Luft
verblasen - und merkwürdigerweise, so
wundern sich Anlegerschützer, kommt die
Wahrheit oft erst dann ans Licht, wenn die
Gründer längst Kasse gemacht haben.
Beispiel Sunburst: Noch im Februar
verkündete Firmengründer Hero Alting, sein
Unternehmen werde selbstverständlich die
gesetzten Gewinn- und Umsatzziele
einhalten. Das hielt Alting allerdings nicht
davon ab, sich aus der Firma zurückzuziehen.
Sieben Wochen später stellt sich heraus, dass die Planzahlen
Makulatur sind. Eine Gruppe von Aktionären hat bei der
Staatsanwaltschaft in Osnabrück Strafanzeige eingereicht. Sie
werfen den Verantwortlichen Insiderhandel und Betrug vor.
Beispiel CAA: Mitte März verkauften zwei Vorstände des Filderstädter
Software-Anbieters, der sich auf Computer im Auto spezialisiert hat,
insgesamt 15 000 Aktien - damaliger Kurs: 28 Euro. Im April folgte
dann die Gewinnwarnung, die Aktie rauschte auf 3 Euro herunter.
Dabei hatten die Macher des Neuen Markts, als sie das
Wachstumssegment vor vier Jahren aus der Taufe hoben, eigentlich
ein ehrenwertes Anliegen: Sie wollten einen Gründerboom entfachen,
ganz so wie in den USA.
Denn vor allem die Unternehmen aus Technologiebranchen klagten
darüber, dass sie nur schwer an Kapital kamen, um ihre
Geschäftsideen umzusetzen. Der traditionelle Bankenkredit blieb ihnen
verschlossen, weil sie keine Sicherheiten vorweisen konnten: keine
Maschinen, keine Immobilien, nur die Köpfe der Mitarbeiter.
Die neue Börse erhob den Anspruch, diesen Widerspruch aufzulösen,
sie sollte, ähnlich wie ihr großes Vorbild, die Nasdaq in New York,
"eine Plattform für Wachstumsunternehmen schaffen", wie es Reto
Francioni beschreibt.
Francioni, damals Vorstand der Börse, gilt als der eigentliche Vater
des Neuen Markts. Rund 20 Unternehmen wollte er im ersten Jahr
etablieren, in den Jahren danach jeweils weitere 30. Doch inzwischen
sind 341 Unternehmen notiert.
Es waren die Signale aus Amerika, die dem Neuen Markt plötzlich
solche Anziehungskraft verliehen. Dort erfasste das ganze Land eine
beispiellose Aufbruchstimmung. Rund um das Internet entstanden
zahllose neue Unternehmen, die an der Nasdaq Steigerungsraten
hinlegten, wie sie bis dahin undenkbar erschienen. AOL legte in der
Spitze um 78 000 Prozent zu. Firmen wie EBay oder Yahoo
verkauften, was an den Aktienmärkten am höchsten gehandelt wird:
die Hoffnung auf eine goldene Zukunft.
Schnell sprang diese überbordende Begeisterung auf Deutschland
über. Studenten brachen ihre Ausbildung ab, um bloß nicht diese
historische Gelegenheit zu verpassen. Wagniskapitalfirmen
investierten bereitwillig in Gründerteams, deren Geschäftsmodell im
Wesentlichen darin bestand, an den Neuen Markt zu gehen.
Denn nach dem IPO, dem "Initial Public Offering", wie der Börsengang
heißt, verfügten die flotten Newcomer über ein scheinbar magisches
Instrument - Aktien. Mit dieser virtuellen Währung konnten die
Möchtegern-Millionarios Berater, Werbeagenturen und Rechtsanwälte
bezahlen, mit Aktien ließen sich Mitarbeiter ködern, vor allem aber:
Mit Aktien konnten sie im großen Stil Konkurrenten aufkaufen.
Und so starteten etliche Firmen eine geradezu abenteuerliche
Einkaufstour: Mit jeder Übernahme schraubten sie ihre
Geschäftsprognosen nach oben, der Börsenwert stieg weiter, die
nächste Übernahme wurde so möglich. Eine schier wundersame
Kapitalvermehrung kam in Gang.
Allein der Bad Nauheimer IT-Dienstleister Heyde raffte in zwei Jahren
fast 20 Firmen zusammen, erst in Deutschland, dann in Polen,
Brasilien, Uruguay und den USA - finanziert vor allem durch Aktien.
Aber ausgerechnet bei der "Integration Company" (Eigenwerbung)
klappte es nicht mit der Zusammenführung.
Irgendwann verlor Vorstandschef Dieter Heyde den Überblick. Und so
musste die Firma einräumen, dass statt des geplanten Gewinns -
ursprünglich ging Heyde für das Jahr 2000 von 43 Millionen Mark aus
- ein Verlust in gleicher Größenordnung droht. Schamvoll räumte der
Firmengründer seinen Posten, aber auch 160 Mitarbeiter müssen
gehen.
Bei anderen Start-ups scheint ein ähnliches Desaster nur noch eine
Frage der Zeit zu sein. 65 Prozent aller Übernahmedeals, fand die
Beratungsgesellschaft Apcon Business Consulting in einer Studie
heraus, wurden nämlich ohne externen Sachverstand durchgezogen:
"Es wurde viel gekauft, aber offensichtlich wenig darüber
nachgedacht, was und warum."
So lieferten sich etwa die IT-Dienstleister wie Pixelpark oder Kabel
New Media eine wahre Schlacht um Größe und Macht. Allein Kabel
kaufte seit dem Börsengang ein Dutzend Unternehmen, die Zahl der
Mitarbeiter stieg in einem Jahr von 487 auf 1066. Jeder wollte als
Erster in die Liga der internationalen Beratungsriesen wie Boston
Consulting oder McKinsey aufsteigen.
Geschafft hat das keiner. Pixelpark muss das Büro in den USA
schließen und konzentriert jetzt sein Geschäft, so der Gründer Paulus
Neef, auf "Kerneuropa" - was wohl wörtlich zu nehmen ist: In der
Schweiz erwirtschaftet das Unternehmen, das einst einen globalen
Anspruch verfolgte, ein Viertel des Gruppenumsatzes.
Nach und nach entpuppte sich die Vision von globaler
Marktführerschaft als Illusion, die Firmen müssen einräumen, dass sie
ein zu großes Rad drehen wollten. Vor einem Jahr zum Beispiel
wurden US-Unternehmen wie CMGI bewundert, die ein Netzwerk von
Internet-Beteiligungen um sich scharen. Die Firmen glaubten, so am
Geschäft maximal zu profitieren, ihr Risiko aber durch die Vielzahl an
Beteiligungen zu minimieren. In Deutschland verfolgte Ralph
Dommermuth mit United Internet eine ähnliche Strategie. In nur drei
Monaten explodierte der Börsenkurs von 7 auf 50 Euro, heute liegt
die Aktie wieder bei rund 3 Euro. "Wir haben die Luken
dichtgemacht", sagt Dommermuth.
Im Sog der Internet- und Biotech-Revolution drängten zudem etliche
Firmen an den Neuen Markt, die an einer Wachstumsbörse eigentlich
gar nichts zu suchen haben: Klamottenhändler und Altenheimbesitzer
etwa. Den Weg ebnete ein willfähriges Geflecht aus Beratern und
Banken, Emissionshäusern und PR-Agenturen.
So organisierte allein Dietrich Walther, Chef der Mettmanner
Gold-Zack AG, in vier Jahren 28 Börsengänge. Nur ein Viertel dieser
Firmen notiert heute über dem Ausgabekurs. Besonders trübe sieht
es beim Seniorenheim-Unternehmen Refugium aus Königswinter aus:
Das Unternehmen schreibt tiefrote Zahlen, die Bonner
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die 1999 geschassten
Alt-Vorstände wegen Bilanzfälschung, und nun droht auch der
jüngste Sanierungsplan zu scheitern.
So stoppte der für das Handelsregister in Königswinter zuständige
Richter vor wenigen Tagen eine dringend benötigte Kapitalerhöhung
über 180 Millionen Mark, weil zwei Aktionäre wegen "erheblicher
formeller und materieller Einwände" beim Bonner Landgericht klagen.
Der Registerrichter will jetzt erst das Urteil dieser Instanz abwarten -
doch das kann Monate dauern. Inzwischen räumt Walther
selbstkritisch ein, dass "wir ein paar Unternehmen heute wohl nicht
mehr an die Börse bringen würden."
Für die meisten Kleinanleger, die ihr Vermögen verloren haben,
kommen solche Einsichten zu spät. Viele Neuaktionäre hatten nämlich
nicht nur den flotten Botschaften der Gründer vertraut, sondern auch
den vollmundigen Sprüchen, mit denen die Deutsche Börse einst für
ihr Wachstumssegment warb. "Der Neue Markt", versicherte
Börsenchef Werner Seifert immer wieder, "ist der am schärfsten
regulierte Markt in Europa."
Tatsächlich wurden etliche Regeln erst nachgeschoben, als es schon
zu spät war. Bis Ende Februar durften die Vorstände und
Aufsichtsräte der Neue-Markt-Firmen etwa nach Belieben eigene
Aktienpakete verkaufen, ohne die Öffentlichkeit darüber zu
informieren. Nun sollen die Verkäufe immerhin gemeldet werden -
wenn auch erst drei Tage im Nachhinein. In den USA dagegen
müssen die betroffenen Manager solche Transaktionen schon vorab
publizieren.
Recht freigiebig verfährt die Deutsche Börse offenbar auch bei einer
weiteren Regel: So müssen die Firmen spätestens nach drei Monaten
ihren Bericht für das letzte Quartal einreichen. Doch zum jüngsten
Stichtag kamen gleich 29 Unternehmen dieser Pflicht nicht nach.
Börsenexperten wie der Frankfurter Bankrechtler Theodor Baums
halten das Regelwerk des Neuen Markts deshalb weiterhin für stark
verbesserungswürdig. "Was nützen die wunderbarsten Regeln, wenn
keine echten Sanktionen drohen?", fragt Baums. Er rät: Die Börse
sollte die Unternehmen, die gegen das Regelwerk verstoßen, mit
saftigen Vertragsstrafen belegen oder "beherzter rausschmeißen" -
ähnlich, wie dies die Nasdaq macht.
Gleichzeitig will Baums sich in der Regierungskommission zum
Unternehmensrecht, die er derzeit im Auftrag des Kanzlers leitet, für
eine weitere Regel stark machen, wie sie sich in ähnlicher Form
bereits in den USA bewährt hat: Dort können düpierte Aktionäre mit
einer Sammelklage gegen zwielichtige Unternehmen und Vorstände
vorgehen; in Deutschland muss jeder einzeln klagen. "Wir müssen
verhindern", fordert Baums, "dass es an der Börse drunter und drüber
geht. Nur wenn die Regeln stimmen, gewinnt der Neue Markt wieder
das Vertrauen der Anleger."
Den heutigen Akteuren ist das offenbar völlig schnuppe. Sie haben
sich einen lockeren Umgang mit dem Anlegergeld angewöhnt, nur zu
gern gönnen sie sich einen Schuss Größenwahn. "Große Summen
inspirieren mich", tönte Sunburst-Chef Benjamin Gawlik, 28. Noch
wenige Wochen vor dem jetzt beantragten Insolvenzverfahren, der
Aktienkurs befand sich bereits im freien Fall, hatte er für die Anleger
nur Hohn und Spott übrig: "Letztendlich ist es alles nur ein großes
Spiel."
BEAT BALZLI, ALEXANDER JUNG, ULRICH SCHÄFER
++++
ach ja - ich esse für mein leben gern pilze
soe
alias Das...ist...mein...Untergang!
SPIEGEL, 23.4.2001
Die Geldschluckmaschine
Die Frankfurter Wachstumsbörse verkommt zum Tummelplatz für
Hochstapler und unseriöse Geschäftemacher. Immer mehr
Hightech-Firmen trudeln in der Todeszone. Börsenexperten
prophezeien: Nur jedes fünfte Unternehmen am Neuen Markt wird
überleben.
Es war 17.35 Uhr, als am Mittwoch vergangener
Woche die Sonne von "Sunburst" unterging. In einer
dürren Pflichtmitteilung gestand das Unternehmen
aus Osnabrück, das versucht hatte, mit den Rechten
für die Berliner Love Parade Geld zu machen, die
"drohende Zahlungsunfähigkeit" ein.
Doch die neuerliche Pleite am Neuen Markt scherte in
diesem Augenblick offenbar niemanden. Aus New York
nämlich vermeldeten die Nachrichtenagenturen, dass
kurz zuvor eine weitaus mächtigere Börsensonne
aufgegangen war: Alan Greenspan, der amerikanische
Notenbankchef, hatte überraschend die Zinsen
gesenkt.
Allein dieser Schritt genügte, um auch die deutschen Kleinanleger
wieder in einen wahren Rausch zu stürzen. Binnen weniger Minuten
schoss der Nemax, das Kursbarometer des Neuen Markts, beinahe
lotrecht nach oben. "Greenspan, wir danken Dir", schrieben verzückte
Anleger im Chatroom der Comdirect-Bank.
Heiß begehrt waren ausgerechnet jene Werte, die die Börsianer in
den Wochen zuvor, nach teils desaströsen Geschäftszahlen,
besonders heftig abgestraft hatten. Heyde, der krisengeschüttelte
IT-Dienstleister: plus 92 Prozent. Internolix, das marode
Software-Haus: plus 76 Prozent. Brokat, der verlustreiche
Finanzsoftware-Anbieter: plus 52 Prozent. Börse verrückt.
Wieder einmal wurde der Wahnsinn sichtbar, der im letzten Jahr an
den Finanzmärkten regiert hatte. Wieder einmal offenbarte sich jener
Mangel an Vernunft, der die Aktienkurse bis zum Frühjahr 2000 auf
schier astronomische Höhen klettern ließ. Ein kleiner Funke genügte -
und schon kehrte die Gier zurück.
Niemand interessierte sich mehr für all die
schlechten Nachrichten der vergangenen Tage. Die
Massenentlassungen in den USA? Die
Gewinnwarnungen von Intel oder Cisco?
Vergessen, verdrängt. Und auch die graue Realität
am Neuen Markt erschien den Spekulanten mit
einem Mal wieder rosarot. Adieu, Tristesse!
Tatsächlich vergeht kaum eine Woche, in der nicht
eines der deutschen Start-ups in die Todeszone
trudelt. Kaum eine Woche, in der nicht gleich
mehrere Finanzvorstände einräumen, dass ihre
Unternehmen - sorry, sorry - die Planzahlen nicht
erreichen werden. Die Börseneuphorie der vergangenen Woche
täuscht, die Fundamentaldaten der deutschen Hightech-Börse sehen
katastrophal aus.
Eine nicht repräsentative SPIEGEL-Umfrage bei rund 150
Unternehmen des Neuen Markts zeigt das ganze Ausmaß der Misere:
Das beim Börsengang kassierte Geld wird von vielen Firmen regelrecht
verbrannt, die Umsätze vieler selbst ernannter Marktführer sind
minimal.
Erstaunlich ist vor allem das Tempo, mit dem das eingesammelte
Kapital wieder verbraucht wird. Verfügte etwa der Chiphändler CE
Consumer zu Hoch-Zeiten noch über 153,9 Millionen Mark liquider
Mittel, so sind es nach Abschluss des Geschäftsjahrs 2000 nur 39,3
Millionen Mark. Mit dem Geld hat Firmengründer Erich Lejeune vor
allem andere Firmen gekauft, deren liquide Mittel wurden in der Bilanz
konsolidiert. Immerhin: CE Consumer erwirtschaftet einen
bescheidenen Gewinn.
Viele Neue-Markt-Firmen können davon nur träumen. Das
Internet-Kunstportal Artnet machte im vergangenen Jahr 7,8
Millionen Mark Umsatz - und weist einen Jahresfehlbetrag von 38,2
Millionen Mark aus. Auch die Zahlen von FortuneCity sind
beeindruckend: Bei 24,2 Millionen Mark Erlösen aus Bannerwerbung
und E-Commerce-Geschäften schreibt die Internet-Firma 87,8
Millionen Mark Verlust. Wie aus diesen Firmen jemals normale
Profitbetriebe werden sollen, ist völlig unklar.
Da das Internet bisher für nahezu niemanden
ausreichend Erlöse abwirft - nicht für die
Inhalteanbieter, auch nicht für Web-Agenturen,
erst recht nicht für die Portale - ist mit einer
schnellen Trendumkehr nicht zu rechnen. Ohne
neues Anlegergeld können die meisten Firmen
ihren Verlustbetrieb wohl nicht mehr lange
finanzieren.
Dem Neuen Markt, sagen seriöse Beobachter,
droht ein beispielloser Ausleseprozess. "Viel
Schrott" hat der Unternehmensberater Roland
Berger ausgemacht und prophezeit angesichts der
bisherigen Pleiten: "Das wird mit Sicherheit erst der Auftakt sein."
Analysten der Investmentbank J. P. Morgan Fleming befürchten gar,
dass auf mittlere Sicht rund 80 Prozent aller heutigen Firmen vom
Kurszettel verschwunden sind - pleite, verkauft oder
zwangsfusioniert mit einem Ex-Rivalen.
Das deutsche Hightech-Wunder war ein Traum, in der Realität steht
das bevor, was die Stahlindustrie hinter sich hat: Rationalisierung,
Kostensenkung, Entlassungen, Übernahmen und viele, viele Konkurse.
Auch nach dem Greenspan-Coup ist das deutsche Segment für
Wachstumswerte immer noch Lichtjahre von seinen Höchstständen
entfernt. Auf abenteuerliche 8500 Punkte war der Nemax im März
2000 gestiegen, über 6700 Punkte hat er seither verloren. Selbst
Fondsmanager wie Kurt Ochner haben 70 Prozent des verwalteten
Kapitals eingebüßt - deswegen wurde er vom Bankhaus Julius Bär
inzwischen geschasst.
Keine bedeutende Wachstumsbörse der Welt, auch nicht die Nasdaq
in New York, ist in so kurzer Zeit derart heftig abgestürzt. Der Neue
Markt habe sich, höhnt das "Handelsblatt", "von der Gelddruck- zur
Geldschluckmaschine" entwickelt.
Der Hype ist der Depression gewichen. So waren die rund 250
Unternehmen, die im Mai 2000 am Neuen Markt gelistet waren,
zusammengenommen über 250 Milliarden Euro wert, jetzt sind es
nicht einmal mehr 90 Milliarden - und dies, obwohl 91 neue Firmen auf
den Kurszettel drängten.
Schmerzhaft müssen vor allem die Kleinanleger erfahren, dass selbst
jene Firmen, die ihnen als "Blue Chips" verkauft wurden, in Wahrheit
oft nichts anderes sind als ganz normale Mittelständler. Pixelpark?
Tief in den roten Zahlen. Mobilcom? Bis zum Es-geht-nicht-Mehr
verschuldet. Intershop? Rückzug aus Amerika.
Denn mittlerweile haben auch in der Neuen Ökonomie die Gesetze der
alten Wirtschaft Einzug gehalten. Reichte noch vor wenigen Monaten
eine gute "Story", um für die nötige Kursphantasie zu sorgen, rücken
jetzt so altmodische Kriterien wie Ertrag und Rendite in den
Vordergrund. Was nützt etwa das prächtigste Wachstum, wenn die
Verluste noch schneller wachsen? Und was ist von Gründern zu
halten, die allenfalls etwas von PR, nichts aber von Kostenrechnung
verstehen? Gleichzeitig hat sich bei einigen Firmen ein
Geschäftsgebaren eingebürgert, das im besten Fall als dubios, im
schlimmsten Fall als kriminell zu bezeichnen ist.
Seit fünf Monaten sitzen die Infomatec-Gründer Gerhard Harlos und
Alexander Häfele in U-Haft, weil sich bei der Augsburger
Staatsanwaltschaft der Verdacht der Kursmanipulation und des
Insiderhandels erhärtet hat.
Wie sehr die Sitten verfallen sind, wissen vor allem jene Kanzleien zu
berichten, die sich auf das komplizierte Börsenrecht spezialisiert
haben. "Am Neuen Markt", urteilt Rechtsanwalt Dietmar Kälberer,
"werden die Anleger teilweise richtig betrogen."
Über 2000 düpierte Aktionäre haben sich seit Jahresbeginn in
Kälberers Kanzlei in Kirchentellinsfurt, einem Nest bei Tübingen,
gemeldet. Gegen rund 20 Firmen prüft die Sozietät inzwischen
rechtliche Schritte. "In einigen Unternehmen", lautet Kälberers
ernüchternde Erkenntnis, "herrschen Wildwestmethoden."
Da werden Bilanzen geschönt und Aufträge
erfunden, da wird in manchen
Adhoc-Mitteilungen viel heiße Luft
verblasen - und merkwürdigerweise, so
wundern sich Anlegerschützer, kommt die
Wahrheit oft erst dann ans Licht, wenn die
Gründer längst Kasse gemacht haben.
Beispiel Sunburst: Noch im Februar
verkündete Firmengründer Hero Alting, sein
Unternehmen werde selbstverständlich die
gesetzten Gewinn- und Umsatzziele
einhalten. Das hielt Alting allerdings nicht
davon ab, sich aus der Firma zurückzuziehen.
Sieben Wochen später stellt sich heraus, dass die Planzahlen
Makulatur sind. Eine Gruppe von Aktionären hat bei der
Staatsanwaltschaft in Osnabrück Strafanzeige eingereicht. Sie
werfen den Verantwortlichen Insiderhandel und Betrug vor.
Beispiel CAA: Mitte März verkauften zwei Vorstände des Filderstädter
Software-Anbieters, der sich auf Computer im Auto spezialisiert hat,
insgesamt 15 000 Aktien - damaliger Kurs: 28 Euro. Im April folgte
dann die Gewinnwarnung, die Aktie rauschte auf 3 Euro herunter.
Dabei hatten die Macher des Neuen Markts, als sie das
Wachstumssegment vor vier Jahren aus der Taufe hoben, eigentlich
ein ehrenwertes Anliegen: Sie wollten einen Gründerboom entfachen,
ganz so wie in den USA.
Denn vor allem die Unternehmen aus Technologiebranchen klagten
darüber, dass sie nur schwer an Kapital kamen, um ihre
Geschäftsideen umzusetzen. Der traditionelle Bankenkredit blieb ihnen
verschlossen, weil sie keine Sicherheiten vorweisen konnten: keine
Maschinen, keine Immobilien, nur die Köpfe der Mitarbeiter.
Die neue Börse erhob den Anspruch, diesen Widerspruch aufzulösen,
sie sollte, ähnlich wie ihr großes Vorbild, die Nasdaq in New York,
"eine Plattform für Wachstumsunternehmen schaffen", wie es Reto
Francioni beschreibt.
Francioni, damals Vorstand der Börse, gilt als der eigentliche Vater
des Neuen Markts. Rund 20 Unternehmen wollte er im ersten Jahr
etablieren, in den Jahren danach jeweils weitere 30. Doch inzwischen
sind 341 Unternehmen notiert.
Es waren die Signale aus Amerika, die dem Neuen Markt plötzlich
solche Anziehungskraft verliehen. Dort erfasste das ganze Land eine
beispiellose Aufbruchstimmung. Rund um das Internet entstanden
zahllose neue Unternehmen, die an der Nasdaq Steigerungsraten
hinlegten, wie sie bis dahin undenkbar erschienen. AOL legte in der
Spitze um 78 000 Prozent zu. Firmen wie EBay oder Yahoo
verkauften, was an den Aktienmärkten am höchsten gehandelt wird:
die Hoffnung auf eine goldene Zukunft.
Schnell sprang diese überbordende Begeisterung auf Deutschland
über. Studenten brachen ihre Ausbildung ab, um bloß nicht diese
historische Gelegenheit zu verpassen. Wagniskapitalfirmen
investierten bereitwillig in Gründerteams, deren Geschäftsmodell im
Wesentlichen darin bestand, an den Neuen Markt zu gehen.
Denn nach dem IPO, dem "Initial Public Offering", wie der Börsengang
heißt, verfügten die flotten Newcomer über ein scheinbar magisches
Instrument - Aktien. Mit dieser virtuellen Währung konnten die
Möchtegern-Millionarios Berater, Werbeagenturen und Rechtsanwälte
bezahlen, mit Aktien ließen sich Mitarbeiter ködern, vor allem aber:
Mit Aktien konnten sie im großen Stil Konkurrenten aufkaufen.
Und so starteten etliche Firmen eine geradezu abenteuerliche
Einkaufstour: Mit jeder Übernahme schraubten sie ihre
Geschäftsprognosen nach oben, der Börsenwert stieg weiter, die
nächste Übernahme wurde so möglich. Eine schier wundersame
Kapitalvermehrung kam in Gang.
Allein der Bad Nauheimer IT-Dienstleister Heyde raffte in zwei Jahren
fast 20 Firmen zusammen, erst in Deutschland, dann in Polen,
Brasilien, Uruguay und den USA - finanziert vor allem durch Aktien.
Aber ausgerechnet bei der "Integration Company" (Eigenwerbung)
klappte es nicht mit der Zusammenführung.
Irgendwann verlor Vorstandschef Dieter Heyde den Überblick. Und so
musste die Firma einräumen, dass statt des geplanten Gewinns -
ursprünglich ging Heyde für das Jahr 2000 von 43 Millionen Mark aus
- ein Verlust in gleicher Größenordnung droht. Schamvoll räumte der
Firmengründer seinen Posten, aber auch 160 Mitarbeiter müssen
gehen.
Bei anderen Start-ups scheint ein ähnliches Desaster nur noch eine
Frage der Zeit zu sein. 65 Prozent aller Übernahmedeals, fand die
Beratungsgesellschaft Apcon Business Consulting in einer Studie
heraus, wurden nämlich ohne externen Sachverstand durchgezogen:
"Es wurde viel gekauft, aber offensichtlich wenig darüber
nachgedacht, was und warum."
So lieferten sich etwa die IT-Dienstleister wie Pixelpark oder Kabel
New Media eine wahre Schlacht um Größe und Macht. Allein Kabel
kaufte seit dem Börsengang ein Dutzend Unternehmen, die Zahl der
Mitarbeiter stieg in einem Jahr von 487 auf 1066. Jeder wollte als
Erster in die Liga der internationalen Beratungsriesen wie Boston
Consulting oder McKinsey aufsteigen.
Geschafft hat das keiner. Pixelpark muss das Büro in den USA
schließen und konzentriert jetzt sein Geschäft, so der Gründer Paulus
Neef, auf "Kerneuropa" - was wohl wörtlich zu nehmen ist: In der
Schweiz erwirtschaftet das Unternehmen, das einst einen globalen
Anspruch verfolgte, ein Viertel des Gruppenumsatzes.
Nach und nach entpuppte sich die Vision von globaler
Marktführerschaft als Illusion, die Firmen müssen einräumen, dass sie
ein zu großes Rad drehen wollten. Vor einem Jahr zum Beispiel
wurden US-Unternehmen wie CMGI bewundert, die ein Netzwerk von
Internet-Beteiligungen um sich scharen. Die Firmen glaubten, so am
Geschäft maximal zu profitieren, ihr Risiko aber durch die Vielzahl an
Beteiligungen zu minimieren. In Deutschland verfolgte Ralph
Dommermuth mit United Internet eine ähnliche Strategie. In nur drei
Monaten explodierte der Börsenkurs von 7 auf 50 Euro, heute liegt
die Aktie wieder bei rund 3 Euro. "Wir haben die Luken
dichtgemacht", sagt Dommermuth.
Im Sog der Internet- und Biotech-Revolution drängten zudem etliche
Firmen an den Neuen Markt, die an einer Wachstumsbörse eigentlich
gar nichts zu suchen haben: Klamottenhändler und Altenheimbesitzer
etwa. Den Weg ebnete ein willfähriges Geflecht aus Beratern und
Banken, Emissionshäusern und PR-Agenturen.
So organisierte allein Dietrich Walther, Chef der Mettmanner
Gold-Zack AG, in vier Jahren 28 Börsengänge. Nur ein Viertel dieser
Firmen notiert heute über dem Ausgabekurs. Besonders trübe sieht
es beim Seniorenheim-Unternehmen Refugium aus Königswinter aus:
Das Unternehmen schreibt tiefrote Zahlen, die Bonner
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die 1999 geschassten
Alt-Vorstände wegen Bilanzfälschung, und nun droht auch der
jüngste Sanierungsplan zu scheitern.
So stoppte der für das Handelsregister in Königswinter zuständige
Richter vor wenigen Tagen eine dringend benötigte Kapitalerhöhung
über 180 Millionen Mark, weil zwei Aktionäre wegen "erheblicher
formeller und materieller Einwände" beim Bonner Landgericht klagen.
Der Registerrichter will jetzt erst das Urteil dieser Instanz abwarten -
doch das kann Monate dauern. Inzwischen räumt Walther
selbstkritisch ein, dass "wir ein paar Unternehmen heute wohl nicht
mehr an die Börse bringen würden."
Für die meisten Kleinanleger, die ihr Vermögen verloren haben,
kommen solche Einsichten zu spät. Viele Neuaktionäre hatten nämlich
nicht nur den flotten Botschaften der Gründer vertraut, sondern auch
den vollmundigen Sprüchen, mit denen die Deutsche Börse einst für
ihr Wachstumssegment warb. "Der Neue Markt", versicherte
Börsenchef Werner Seifert immer wieder, "ist der am schärfsten
regulierte Markt in Europa."
Tatsächlich wurden etliche Regeln erst nachgeschoben, als es schon
zu spät war. Bis Ende Februar durften die Vorstände und
Aufsichtsräte der Neue-Markt-Firmen etwa nach Belieben eigene
Aktienpakete verkaufen, ohne die Öffentlichkeit darüber zu
informieren. Nun sollen die Verkäufe immerhin gemeldet werden -
wenn auch erst drei Tage im Nachhinein. In den USA dagegen
müssen die betroffenen Manager solche Transaktionen schon vorab
publizieren.
Recht freigiebig verfährt die Deutsche Börse offenbar auch bei einer
weiteren Regel: So müssen die Firmen spätestens nach drei Monaten
ihren Bericht für das letzte Quartal einreichen. Doch zum jüngsten
Stichtag kamen gleich 29 Unternehmen dieser Pflicht nicht nach.
Börsenexperten wie der Frankfurter Bankrechtler Theodor Baums
halten das Regelwerk des Neuen Markts deshalb weiterhin für stark
verbesserungswürdig. "Was nützen die wunderbarsten Regeln, wenn
keine echten Sanktionen drohen?", fragt Baums. Er rät: Die Börse
sollte die Unternehmen, die gegen das Regelwerk verstoßen, mit
saftigen Vertragsstrafen belegen oder "beherzter rausschmeißen" -
ähnlich, wie dies die Nasdaq macht.
Gleichzeitig will Baums sich in der Regierungskommission zum
Unternehmensrecht, die er derzeit im Auftrag des Kanzlers leitet, für
eine weitere Regel stark machen, wie sie sich in ähnlicher Form
bereits in den USA bewährt hat: Dort können düpierte Aktionäre mit
einer Sammelklage gegen zwielichtige Unternehmen und Vorstände
vorgehen; in Deutschland muss jeder einzeln klagen. "Wir müssen
verhindern", fordert Baums, "dass es an der Börse drunter und drüber
geht. Nur wenn die Regeln stimmen, gewinnt der Neue Markt wieder
das Vertrauen der Anleger."
Den heutigen Akteuren ist das offenbar völlig schnuppe. Sie haben
sich einen lockeren Umgang mit dem Anlegergeld angewöhnt, nur zu
gern gönnen sie sich einen Schuss Größenwahn. "Große Summen
inspirieren mich", tönte Sunburst-Chef Benjamin Gawlik, 28. Noch
wenige Wochen vor dem jetzt beantragten Insolvenzverfahren, der
Aktienkurs befand sich bereits im freien Fall, hatte er für die Anleger
nur Hohn und Spott übrig: "Letztendlich ist es alles nur ein großes
Spiel."
BEAT BALZLI, ALEXANDER JUNG, ULRICH SCHÄFER
++++
ach ja - ich esse für mein leben gern pilze
soe
alias Das...ist...mein...Untergang!
DAS UNWESENTLICHE TRÜBT DEN BLICK AUF DIE WIRKLICHKEIT
madameT
madameT
..schöner artikel im spiegel, da nützen nur noch n paar hammerharte haftbefehle... knete is zwar dennoch wech, was aber bleibt, is die genugtuung....
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