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    Dienstaufsichtsbeschwerde wg. Kohl - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 30.04.01 20:59:13 von
    neuester Beitrag 30.04.01 23:28:17 von
    Beiträge: 23
    ID: 393.067
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      Avatar
      schrieb am 30.04.01 20:59:13
      Beitrag Nr. 1 ()
      Ok, es hat mit Aktien zwar nix zu tun, aber ich finde
      trotzdem, gerade Aktionäre sollten ihre staatsbürgerliche
      Pflicht tun und nicht nur zweifelhaften Vorstandsvorsitzenden
      kräftig auf die Finger hauen, sondern auch den Schnarchnasen
      in Bonn bzw. Berlin etwas Druck machen. Aus dem Grunde begrüsse
      ich die Aktion der ZEIT, die zu einer Dienstaufsichts-
      Beschwerde gegen die Staatsanwaltschaft in Bonn aufgerufen
      hat, weil sie das Verfahren in Sachen Helmut Kohl gegen eine
      Zahlung von 300.000 Mark eingestellt hat.

      Näheres dazu in einem Artikel der ZEIT, die Adresse des
      zuständigen Generalstaatsanwaltes zu Köln steht drin.

      http://www.zeit.de/2001/17/Politik/200117_essay.hennis.html

      Also, frisch ans Werk! 6.000 Beschwerden sind bereits ein-
      gegangen, und jede davon muss mit einem persönlichen
      Brief beantwortet werden.

      .
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 21:17:39
      Beitrag Nr. 2 ()
      @cyberkai99..Ja genau..schau dir mal die Vita von Hirsch an..ich plädiere außerdem für Beschwerde gegen Adenauer,Bismarck,Richard Wagner,Willy Brandt,Ludwig II,Napoleon..eigentlich gegen jeden...du bist der einzige, der durchblickt..
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 21:22:03
      Beitrag Nr. 3 ()
      Und was, außer einer seichten Briese im berühmten Wasserglas, willst Du damit bewirken?
      Aber, wer da keine sonstigen Hobbys pflegt, oder anders nichts sinnvolles anzufangen weiß, warum nicht!?
      Der Staat muß es ja sowieso bezahlen!
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 21:24:00
      Beitrag Nr. 4 ()
      ...ich empfehle, den angegebenen Link zu verfolgen, sich die Mühe zu machen, den Artikel dort zu lesen und dann zu urteilen.

      mfg
      phys.
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 21:30:37
      Beitrag Nr. 5 ()
      @ Physik:

      Danke für die Unterstützung. Richtige Anmerkung.

      Einige begreifen es offenbar nie. Wenn keiner was macht,
      weil alle sagen: "Ich allein kann ja doch nichts machen",
      dann passiert auch nichts.

      Aber offenbar gibt es einige Leute, die nur ihr Depot im
      Sinn haben. Finde ich bedauerlich.

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      Avatar
      schrieb am 30.04.01 21:31:45
      Beitrag Nr. 6 ()
      @Physik...also stellen wir jeweils..so wie der Wind weht..die Justiz in Frage..oder?
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 21:38:09
      Beitrag Nr. 7 ()
      nein, Mersey,
      nach dem Wind sollte es nicht gehen.
      Es gibt aber Menschen, die das Gefühl haben, daß bei den Ermittlungen in Sachen Kohl weniger rigoros vorgegangen wurde, als es in anderen Fällen passiert wäre.
      Diese Ansicht muß man nicht teilen.
      Und wenn jemand den Eindruck hat, daß die Justiz nicht nachvollziehbar gehandelt hat, kann er um eine Stellungnahme bitten.
      Wie zum Beispiel auch im Fall Krenz - dieser zog mit seiner (in meinen Augen unsäglichen) Klage bis vor internationale Gerichtshöfe.
      Das ist aufwendig, geht teilweise auf die Nerven, diese Möglichkeit stärkt aber das Vertrauen in das Rechtssystem.
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 21:47:58
      Beitrag Nr. 8 ()
      @Mersey63
      Wie lautet jetzt genau Deine Argumentation? Ich habe nicht verstanden, was Du mit Deinem Beitrag versucht hast auszudrücken.
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 21:51:24
      Beitrag Nr. 9 ()
      @physik
      Den Artikel habe ich gelesen. Weiterhin habe ich mal unter Hennis (dem Autor) nachgesehen, wer das eigentlich ist. Tja, es war das, was ich eigentlich schon erwartet hatte. Ein weiterer Professor, der im Tenor der Kohl-Affäre um Beachtung wirbt.
      Über die Ratio des Artikels ist eigentlich keine Aussage möglich, da nichts greifbar ist. Hätte mich auch wirklich gewundert!
      Erstaunlich (beängstigend?)ist eigentlich nur, mit welch einfachen Mitteln/Parolen es doch derzeitig in Deutschland möglich ist, 6000 "mündige" Bürger zu mobilisieren!

      Also, was sollen wir jetzt davon halten ??
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 21:58:13
      Beitrag Nr. 10 ()
      na, raila,
      bei Deinem `Nachsehen` nach dem Autor hast Du doch wahrscheinlich nur die paar Zeilen am Ende des Artikels gelesen.
      Weißt Du in welchen Gremien und Ausschüssen der Herr mitgewirkt hat - welche Gesetzesinitiativen seine Handschrift tragen? Meinst Du wirklich, daß dieser knapp 80jährige Herr `um Beachtung werben` muß, wenn Du seine Werke kennst? (Wobei mir nicht ganz klar ist, was es heißt, `im Tenor` von irgendwas zu werben...)
      Ich sage ja nicht, daß man sich seiner Meinung anschließen soll, aber was ist an diesem ausführlichen Artikel beängstigender als an der raschen stammtischartigen Reaktion darauf in Deinem Posting?
      `Erstaunlich (beängstigend?)ist eigentlich nur, mit welch einfachen Mitteln/Parolen es doch derzeitig in Deutschland möglich ist...` - das, so mußt Du doch zugeben, ist ein bißchen pathetisch und leider vollkommen argumentationsfrei.
      Bitte gib` doch ein etwas unaufgeregteres Statement zu dem Artikel ab, so daß wir eine fundierte weitere Meinung zu dem Problemfeld haben.
      Vielleicht hilft uns das, eine eigene Meinung zu bilden.
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 22:00:22
      Beitrag Nr. 11 ()
      E S S A Y



      Deutschlands untertänige Justiz

      Die Kohl-Affäre: Die Bürger sollten sich schriftlich beim Generalstaatsanwalt in Köln beschweren

      Von Wilhelm Hennis



      Täusche ich mich nicht, so hat aus der ursprünglichen Regierungsmannschaft Gerhard Schröders nur Michael Naumann seine Eindrücke vom Zustand des Kanzleramtes bei der Amtsübergabe von Kohl an Schröder im Oktober 1998 öffentlich festgehalten (Aktenloser Übergang, ZEIT Nr. 28/00). "Besen-, fakten- und aktenrein" habe ihm Anton Pfeifer, unter Kohl für Kulturangelegenheiten zuständiger Staatsminister, sein Büro übergeben: "blitzblank, gähnend leer, ein Inbegriff abgerissener Kontinuität". Alle Dateien im Bürocomputer waren gelöscht! Burkhard Hirsch, der vom Chef des Bundeskanzleramtes eingesetzte "Sonderermittler", drückte die Stimmung, die vor Einzug der Schröder-Truppe im Kanzleramt geherrscht haben muss, noch drastischer aus: "Als ob die Russen kämen." Gemäß Kohls Grundprinzip des Handelns war das Bundeskanzleramt unter ihm auf absolute persönliche Loyalität aufgebaut. Da niemand ihm hineinreden konnte und die hohen Beamten nicht nach Gesetz und Beamteneid Berater, sondern zu persönlicher Treue verpflichtete Mitverschworene zu sein hatten, konnte ein persönliches Regiment, das ihn über alles moderne Amtsrecht stellte, zur obersten Maxime werden - so wie sein Ehrenwort bis heute vor Gesetz und Verfassung regiert.

      Ich bin nicht der Meinung, dass es in anderen deutschen Staatskanzleien völlig anders zugeht als zu Kohls Zeiten im Bundeskanzleramt. Filz, Nepotismus, Seilschaften, Vorrang der politischen Loyalität vor den kalten Regeln des Beamtenrechts gibt es überall - hier mehr, da etwas weniger. Als Horst Ehmke 1969 Chef des Bundeskanzleramtes unter Willy Brandt wurde, hätte er ja auch am liebsten gleich "zur Maschinenpistole" gegriffen, bis er verstand, welch hervorragendes und loyales Instrument, geprägt in der Ära Globke, er mit diesem Amt übernommen hatte.

      Der Versuch, all die Ungereimtheiten, dubiosen Vermischungen von Privatem und Öffentlichem, die durch die Stichworte Spendenskandal, Aktenklau und Datenlöschung umschrieben sind, mit den Mitteln der Politik (Auseinandersetzung im Bundestag, Untersuchungsausschüsse in Berlin und Wiesbaden) aufzuklären und gegebenenfalls zu ahnden, dürften als gescheitert angesehen werden. Der Bürger, den dies anwidert, setzt seine letzte Hoffnung auf die letzte Instanz in der Reihenfolge der drei Gewalten: die Justiz. Wie man seit Montesquieu weiß, ist sie "in gewisser Hinsicht ein Nichts". Die Gerichte, der Idee nach unabhängig, nur dem Gesetz unterworfen, sollen Distanz gerade gegenüber den legitimerweise parteidemokratisch bestimmten beiden ersten Gewalten, Regierung und Parlament, bewahren. Wie kläglich Staatsanwaltschaften bei Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages, offenkundige oder doch wahrscheinliche Straftaten von (partei)politisch Mächtigen aufzuklären, scheitern, ist im Freistaat Bayern, dem alten Amigo-Land, vorreitend demonstriert worden. Die beruflichen Aussichten des couragierten beziehungsweise einfach seine Pflicht erfüllenden Augsburger Staatsanwaltes Winfried Maier können kaum als Ermutigung für pflichtgemäßes Handeln der Justiz gegen Unrecht - von wem immer es ausgeht, also ohne Ansehen der Person - wahrgenommen worden sein. Mit denen "da oben" legt man sich besser nicht an, die Beförderungschancen liegen in ihrer Hand. So beginnt die Unfreiheit überall: Es ist besser, sich einem Mächtigen, einem Patron anzudienen, wenigstens seiner Partei anzugehören.

      Anders kann man sich den Ausgang des Bonner Verfahrens gegen Helmut Kohl wegen Untreue nicht erklären. Begangen gegen seine eigene Partei, abgetan durch eine "Auflage" von 300 000 Mark, aber ansonsten ohne den geringsten Klacks auf seiner vom Gericht bescheinigten blütenweißen Weste. Der Beschluss der Bonner Wirtschaftsstrafkammer, die der Empfehlung der Staatsanwaltschaft folgte, enthält eine krause Logik. Ein geschätzter Kollege sagte zu mir, ich setzte als gelernter Jurist zu sehr auf die Instrumente der Justiz. Die Kontrollmechanismen der Politik seien hier zuständig, obwohl er doch aus der größeren Berliner Nähe gesehen haben muss, wie kläglich sie versagt haben. Zudem: Ein politisches Verfahren war auch jenes in Bonn - eine Berichtssache, der die vorgesetzte Generalstaatsanwaltschaft in Köln (Herr Coenen wird doch wohl das richtige Parteibuch haben) und der Justizminster des Landes Nordrhein-Westfalen zustimmen mussten. Die SPD ist also in die Erledigung des ingeniös eingefädelten Verfahrens gegen Helmut Kohl wegen Untreue knallhart eingebunden. Bei Lage des Falles wäre es doch - von allen parteilichen Gesichtspunkten abgesehen - bei jedem kleinen Fisch für die vorgesetzte Generalstaatsanwaltschaft selbstverständlich gewesen, die Bonner aufzufordern, zumindest zu ermitteln und gegebenenfalls auch Klage zu erheben.

      Das neue Verfahren - Stichwort Aktenklau und Datenlöschung - über die Umstände der Amtsübergabe von Kohl auf Schröder ist aber viel gravierender. Selbst wenn es hier letztlich auch um Personen gehen wird: Kohl, Bohl, Roll - so geht es doch um viel mehr. Dieses neue Verfahren - wenn es denn je zu ihm kommt - stellt den von unseren Verfassungspatrioten so hoch gerühmten freiheitlichen Rechtsstaat nach allen Richtungen hin auf den Prüfstand. Alle rechtlichen Regelungen ordnungsgemäßer Geschäftsführung, die ganze politische Mechanik einer parteienstaatlichen Demokratie, kommen im Verfahren um Aktenklau und Datenlöschung mit ins Spiel. Wenn die Spiegel-Affäre von 1962 als größter erinnerungswürdiger Skandal der Bundesrepublik gilt, so war er im Vergleich dazu eine Bagatelle. Strauß hatte den Bundestag belogen. "Na und?", ist man geneigt zu sagen. Im Übrigen wurde der damalige Fall ordentlich abgearbeitet: politisch durch die Rücktritte von Strauß und dem damaligen Justizminister Stammberger, juristisch in Karlsruhe. Adenauer wurde gezwungen, im nächsten Jahr in Rente zu gehen.

      Wie jeder weiß, genießen die im engeren Sinn politischen Institutionen kein besonderes Ansehen, abzulesen am Mitgliederschwund der Parteien und an allgemeiner Wahlunlust. Die Justiz, mit dem sich enorm überschätzenden Karlsruher Gericht als Tafelaufsatz, konnte sich aus dem allgemeinen Politikverdruss bisher noch heraushalten. Allerdings: Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, könnte sie bald am blamiertesten dastehen - das letzte Opfer von Helmut Kohls persönlichem, alle institutionelle Ordnung gering schätzendem Regiment.

      An dieser Stelle ist "einzuräumen" - ein beliebter Juristenbegriff -, dass es alle Staaten, die aus konstitutionellen Monarchien hervorgegangen sind, schwer haben, die Amtspflichten eines Ministers von dem zu trennen, was als Privat- oder Parteiangelegenheit anzusehen ist. Wie leicht es sich Herr Bohl bei Zusammenstellung seines "Privatarchivs" gemacht hat, ist auf der Internet-Seite der ZEIT zu besichtigen.

      Bis zum Jahre 1930 wurden die Minister in Deutschland wie normale Beamte angesehen. Erst das Reichsministergesetz gestaltete das Minister- und natürlich auch das Kanzleramt zu einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis eigener Art. Dem ist das Bundesministergesetz von 1953 gefolgt, aber natürlich enthält es keine Vorschriften darüber - wie sollten sie wohl aussehen? -, was weiterzugebende amtliche Drucksachen, Daten und so weiter sind und was als Privat- oder Parteikorrespondenz anzusehen ist.

      Natürlich durfte Anton Pfeifer, Naumanns Vorgänger, den Briefwechsel mit seinem Wahlkreis an sich nehmen. Auch das Bundesarchivgesetz, nach dem alles amtliche Schriftgut, wenn es nicht mehr zur Erledigung der laufenden Geschäfte gebraucht wird, archiviert und in der Regel für 30 Jahre unter Verschluss zu nehmen ist, enthält keine Anhaltspunkte, um Privates und Amtliches sauber zu scheiden. Als einfachste Regel dürfte gelten, dass nichts in ein "Privatarchiv" oder wie immer man es nennt, abwandern darf, was zur Weiterführung der amtlichen Geschäfte unentbehrlich ist.

      Jeder neu gewählte Bundestag fängt von vorne an. Das gilt aber nicht für die Regierung. Ihre Geschäfte sind ohne Unterbrechung weiterzuführen, der abgehende Minister muss in der Regel die Geschäfte bis zum Antritt des Nachfolgers weiterführen. Im Falle Kohl lief die Geschäftsführung der letzten Amtstage ungewöhnlich klandestin ab: Als ein späterer Spitzenbeamter im Kanzleramt sein zukünftiges Büro betrat, traf er auf eine Dame, die einen Reißwolf mit Akten fütterte. Auf seine Frage, was sie dort mache, antwortete sie schnippisch: "Das sehen Sie doch."

      Wie in den vergangenen Wochen allgemein bekannt geworden, beabsichtigt die für die Ermittlung wegen Aktenschwunds und Datenlöschung im Kanzleramt bei Übergabe von Kohl zu Schröder wieder zuständige Bonner Staatsanwaltschaft, von einer Klage abzusehen: Kein "genügender Anlass". Private Anzeigen wurden im Januar 2000 zunächst gegen Unbekannt erstattet; der Chef des Bundeskanzleramtes hat dann im Juni vergangenen Jahres gegen zwei namentlich genannte frühere Beamte des Amtes Anzeige wegen Datenveränderung beziehungsweise Computersabotage erstattet, was nur auf Antrag verfolgt wird, es sei denn, und hier wird es pikant, dass die Strafverfolgungsbehörde "wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält". Natürlich hätte die Bonner Staatsanwaltschaft auch in diesem Fall - wegen des doch völlig eindeutigen "besonderen öffentlichen Interesses" - von Amts wegen Ermittlungen aufnehmen müssen!

      Der Chef des Bundeskanzleramtes war sich aber wohl nicht sicher, ob die Bonner das auch so sehen würden, und so zeigte er an, hoffentlich fristgerecht. Denn wegen der viel gravierenderen Vorwürfe des Verwahrungsbruchs und nach meiner Meinung auch der Urkundenunterdrückung wurde vom Kanzleramt nie eine Anzeige erstattet. Es verließ sich - aus Biedersinn oder Absicht? - auf die Ermittlungspflicht der Justiz, das so genannte Legalitätsprinzip. Auch hat es nie durch einen kompetenten Juristen den juristisch bedeutsamen Charakter der zu untersuchenden Vorwürfe, die schließlich die Grundlagen geordneter Staatlichkeit betreffen, der Staatsanwaltschaft vorgehalten. Alles, was sie der Staatsanwaltschaft quasi als Beweisschrift vorgelegt hat, ist der Bericht des FDP-Politikers Burkhard Hirsch, der vom Chef des Kanzleramtes "mit Vorermittlungen" beauftragt worden war. Dieser Bericht, inzwischen auch im Internet zu lesen, beschränkt sich auf rein faktische Feststellungen, er enthält sich jeder juristischen Bewertung, ein Fehler, der nicht Hirsch anzulasten ist, sondern dem Kanzleramt, das der Staatsanwaltschaft doch selbstverständlich seine juristische Bewertung hätte zukommen lassen müssen. Die wichtigsten Fakten waren ja vom ersten Tag der Amtsübernahme an deutlich. Aber Kanzleramtschef Bodo Hombach sah nichts, tat nichts. Auch Gerhard Schröder gab die Rolle der "drei Affen": nichts gehört, nichts gesehen, nichts gesagt. Minima non curat praetor: Kleinigkeiten genieren die Großen (untereinander) nicht.

      Aber sind es denn Kleinigkeiten? Wenn ich, um doch eine persönliche Anmerkung zu machen, inzwischen einer der Ältesten meines Faches bin, der die Entwicklung der Bundesrepublik von Anfang an, oft in großer Nähe zur Politik, aber immer in Wahrung der Distanz des Wissenschaftlers, mit Zuneigung und Sorge habe verfolgen können, so bin ich es eigentlich ein wenig leid, fast allein auf weiter Flur mich unabhängig zu ihrer Enwicklung zu äußern. Warum schweigen all die anderen? Wieso gibt es keinen Aufschrei gegen die Absicht der Bonner Staatsanwaltschaft, von einer Klageerhebung abzusehen. Warum stellt sich Gerhard Schröder nicht vor den infam angegriffenen Burkhard Hirsch?

      Eine Wochenzeitung ist der falsche Platz, um vorzuführen, was an Hirschs Vorwürfen juristisch alles dran ist. Es betrifft die Grundfesten jeder geordneten Staatlichkeit. Der Bericht hat nur die befremdliche Nähe zwischen Wirtschaft und Politik moniert, die Hirsch bei seinen Recherchen aufgefallen ist. Mit penibler Sorgfalt suchen das Grundgesetz (Artikel 66), das Bundesministergesetz und die Geschäftsordnung der Bundesregierung das Distanzgebot zwischen Amt und privaten Interessen so deutlich wie möglich zu markieren. Der Sinn der Strafvorschrift über den Verwahrungsbruch - und daran muss man beim Aktenschwund ja in erster Linie denken - besteht schon nach dem Urteil des BGH aus dem Jahre 1953 darin, "das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufbewahrung von Gegenständen, die sich kraft staatlichen Hoheitsrechts im Besitz des Staates befinden, zu sichern". Peanuts? Und die Datenvernichtung? Ganz perfektionistisch zählen die Strafrechtsparagrafen die denkbaren Variationen des Deliktes auf. Auf diese Weise solle "jegliche Lücke vermieden und ein umfassender Schutz vor Beeinträchtigungen erreicht werden". Kennen die Staatsanwälte eigentlich die Kommentare nicht? Wie kommen sie auf die Idee, die "unterdrückten" Daten müssten "beweiserheblichen" Charakter haben? In jedem Kommentar steht das Gegenteil. Urkundenunterdrückung setzt voraus, dass man dem Beschuldigten die "Absicht" nachweisen kann, einem anderen "Nachteil zuzufügen". Jeder Jurist weiß, dass ein solcher Nachweis immer schwer zu führen ist. Das gilt wohl besonders dann, wenn man es mit solchen Biedermännern wie Kohl und Bohl zu tun hat. Aber war die Absicht, es der neuen Mannschaft unter Gerhard Schröder so schwer wie möglich zu machen, denn nicht evident?

      Man muss sie wohl zum Jagen tragen. Kennen wir Deutsche eigentlich unsere Rechte? Was es mit dem Petitionsrecht im Grundgesetz auf sich hat, wird sich wohl selbst bei den bescheidenen Versuchen, politische Bildung zu verbreiten, herumgesprochen haben. Aber in der Regel nur zur Hälfte: Bekannt ist nur das Recht, sich mit Bitten oder Beschwerden an die Parlamente zu wenden. Aber dieses Recht besteht auch gegenüber jeder zuständigen Stelle. Für eine Beschwerde wegen offenbar mangelhafter Ermittlungen im Verfahren gegen Helmut Kohl und im Verfahren wegen der Vorgänge im Bundeskanzleramt ist die für eine Beschwerde zuständige Stelle der: Generalstaatsanwalt zu Köln, Reichensperger Platz 1, 50617 Köln.

      Ich werde mich bei ihm unter Beifügung dieses Aufsatzes wegen mangelhafter Ermittlungstätigkeit der ihm nachgeordneten Bonner Staatsanwaltschaft beschweren. Jeder Beschwerdeführer nach Artikel 17 des Grundgesetzes hat ein Recht auf Prüfung seiner Beschwerde und auf einen Bescheid. Wer sich meiner Beschwerde glaubt anschließen zu können, müsste nur die Seiten dieses Essays entnehmen, in einen Umschlag tun und unter Angabe von Namen und Anschrift hinzufügen, dass er sich meiner Beschwerde anschließt. Zur Feier des Preußenjahres auch im Rheinland.

      Wilhelm Hennis ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Universität Freiburg im Breisgau. Der 1923 geborene Hennis galt als einer der scharfsinnigsten Parteienkenner und -kritiker der Bundesrepublik



      (c) DIE ZEIT 17/2001
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 22:07:54
      Beitrag Nr. 12 ()
      Schröder hat sich bisher nur als Kleiderständer profiliert.Ansonsten ist Schröder eine Marionette der Gewerkschaften.
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 22:07:59
      Beitrag Nr. 13 ()
      @physik
      Lenin sagte bereits, dass die Religion Opium fürs Volk ist. Ich meine, dass die vermeintliche Belehrtheit den gleichen Effekt auslöst!
      Übigens: In aller Ruhe!
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 22:19:52
      Beitrag Nr. 14 ()
      ..mich interessiert weniger die Meinung eines Herrn Hennies,sondern viel mehr die Rolle eines Burkhard Hirsch, der während der schwarz-gelben Koalition von 1982-1998 Zeit genug hatte,sich um Verfehlungen zu kümmern...er wurde ins 2. Glied gestellt..und sagte wenig..jetzt taucht er wieder auf..späte Rache?
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 22:21:15
      Beitrag Nr. 15 ()
      sicher, raila,
      man soll nicht ehrfürchtig eine Meinung übernehmen, weil sie von einem `gelehrten` Menschen geäußert wird.
      Aber wenn eine Meinung fundiert dargestellt ist, und in der Tat von jemandem, der sich lange Zeit intensive Gedanken zu Parteien-Recht gemacht hat, dann halte ich es für etwas unfair, dieser Meinung mit bloßen Worten der Empörung zu begegnen.
      Einen gewissen Vorsprung bei der Einsicht in die Fakten und Argumentationslage gestehe ich einem `gelehrten` wohl zu (verzeih`, aber wenn ich mich über Physik äußere, dann hoffentlich mit mehr Hintergrund und Einsicht als ein Börsenprofi - und umgekehrt), eine `Meinungshoheit` hat er natürlich nicht!

      Wieso ist es Deiner Meinung nach ok, wenn das Verschwinden von Akten, die zum Teil großen historischen Wert und wirtschaftliche Bedeutung (zB. Elf-Aquitaine/Minol) haben, nur mit einem Bußgeld geahndet wird?

      gr8stox, Du hast hier etwas falsch verstanden. raila und mir geht es definitiv nicht um Parteipolitik und Stammtischgeschwätz.
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 22:30:55
      Beitrag Nr. 16 ()
      @physik: ich finde es wichtiger, wenn eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Schröder möglich wäre, weil die Entscheidungen des Bundeskanzler wichtig für seine Wähler sind.
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 22:38:50
      Beitrag Nr. 17 ()
      @physik
      Mit der "vermeintlichen Belehrtheit" verband sich keine Exclusivität auf s.g. "Gelehrte".
      Damit ist viel mehr der abstrakte Dogmatismus unserer derzeitigen (Medien)Gesellschaft gemeint. In einem anderen Zeitabschnitt unserer Geschichte, hatten wir sowas ähnliches schon mal. Und der ist m.E. beängstigend!
      Vielleicht kann ich es mit einer zentralen Aussage tibetische Buddismus konkretisieren: "Urteile nicht, bevor Du nicht weist!"
      Möglich, dass es Dir etwas mehr sagt.
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 22:52:07
      Beitrag Nr. 18 ()
      ...auch diese Weisheit des Buddhismus teile ich.
      `Urteile nicht, bevor Du nicht weißt`.

      Mein erstes Posting in dem Thread lautete ja ähnlich:
      `...ich empfehle, den angegebenen Link zu verfolgen, sich die Mühe zu machen, den Artikel dort zu lesen und dann zu urteilen. `

      Und um zu wissen, ist es hilfreich, andere Meinungen zu hören.
      Und ich urteilte bisher nicht, sondern bat Dich, nach Möglichkeit eine Gegenmeinung zu der in Die Zeit veröffentlichten in den Thread zu stellen.
      Dann können wir diese lesen - und dann vielleicht urteilen.

      Dein Posting hielt ich für ein Urteil. Ein unbegründetes, etwas pathetisch formuliertes, faktenarmes - . Aber möglicherweise irre ich mich.

      Nach wie vor halte ich den Beitrag aus der Zeit für eine wichtige Ergänzung in der Diskussion um allerjüngste politische Vergangenheit.

      Und das beruhigende an der `vermeintlichen Gelehrtheit` unter anderem der Medien ist doch, daß sie - anders als in anderen Abschnitten unserer Geschichte - durchaus nicht immer mit den Regierenden konform geht, und zudem in der Presselandschaft je nach Verlagshaus oft zu entgegengesetzten Schlüssen kommt.
      In diesem Sinne hat die Presse in der Geschichte der Bundesrepublik *auch* eine positive Rolle gespielt.
      (neinnein! ich will die Presse nicht überbewerten, da wird verheerender Unsinn veröffentlicht, da wird Politik gemacht. Mancher bezieht seine gesamte politische Bildung aus wenigen Schlagzeilen einschlägiger Massenblätter - und meint dies dann in ähnlich bombastisch, hohlen Worten weitergeben zu müssen. Aber hin und wieder wurden Journalisten den Regierenden - gleich welcher Partei - unangenehm. Und das ist gesund.)
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 22:58:16
      Beitrag Nr. 19 ()
      @Physik,Raila..ihr könnt ja weiter philosophieren..aber habt ihr euch Gedanken über die Motivation von Hirsch gemacht?
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 23:06:59
      Beitrag Nr. 20 ()
      Mersey,
      Dein Einwurf vorhin ist sicher nicht ganz von der Hand zu weisen. Warum hat Hirsch nicht als Koalitionspartner etwas unternommen?
      Aber vielleicht gilt auch das umgekehrte: warum wurde Hirsch damals kaltgestellt?
      Die Motivation mag sinister sein oder nicht - es ist doch auch in unserem täglichen Leben eher so, daß man weniger sensibel auf Verfehlungen von Freunden reagiert als auf die von Unbekannten oder `Feinden`. Ich werde doch eher vom Hauswartssohn wegen Ruhestörung angezeigt als von meiner Freundin - auch wenn mein Motorrad-reparieren am Sonntag objektiv Ruhestörung ist. Etwas simpel dargestellt, vielleicht naiv, aber Du siehst doch was ich meine.

      Dabei denke ich jedoch - wahrscheinlich genau wie Du - daß man von einem Politiker größere Objektivität und weniger egoistische Motivation verlangen kann...

      mfg,
      phys.
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 23:09:10
      Beitrag Nr. 21 ()
      @Mersey63
      Aber gerade Burkhard Hirsch habe ich als einen Politker in Erinnerung, der stets aufrichtig war, mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg gehalten hat und auch unbequem sein konnte. Er hat doch öfter seine Stimme erhoben, als er mit verschiedenen Entwicklungen nicht einverstanden war. Gerade, daß er nicht so pflegeleicht war, hat ihm doch politisch viele Gegner eingebracht. (Das ist mein Eindruck in aller Kürze. Ich bin nicht sein Verteidiger oder ein Verfechter seiner Person.)
      Zum Thema Rache:
      Er ist ja nicht von sich aus tätig geworden, sondern wurde darum gebeten, die bewußten Vorgänge zu hinterleuchten. Ob diese Recherche nun von einem H. Hirsch, einem H. Müller oder dem Bademeister von Hintertupfingen gemacht wird, ist doch unerheblich, solange dies sachgerecht, gewissenhaft und umfassend gemacht wird. Du kannst doch für die Nachrichten nicht den Überbringer verantwortlich machen. Falls das, was er recherchiert hat stimmt, ist es doch nicht sein Problem. Ob die an`s Tageslicht beförderten Vorgänge zu Lasten irgendwelcher (vermeintlich) angesehener Personen gehen könnten, sollte doch für den Aufklärungsvorgang keine Rolle spielen.
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 23:15:48
      Beitrag Nr. 22 ()
      @physik
      Ich meine, in Deiner Argumentation einen gewissen Wissensvorsprung zu entdecken. Ich denke, dass ich in diesem Punkt im Nachteil bin!
      Aber stell Dir doch mal vor, wir alle hätten das individuelle Vermögen, eine neue Nachricht/Information, die einen nicht unmittelbar in der Substanz trifft, die nächsten 3 Monate einfach "liegen zu lassen" !?
      Und stell Dir weiter vor, wir hätten das Vermögen, Individualität zu leben und dieselbe auch noch bei anderen zu respektieren!

      Zu all dem gehört sicherlich Charakterstärke. Diese wiederum bewirkt ein vorausschauendes Verhalten und kein rückwärtsgewandtes. Was möglicherweise geschehen ist, ist geschehen! Es sollte jeden dahingehend befleißigen, sein momentanes, auf die Zukunft gerichtetes Handeln zu bedenken. Oder bist Du sicher, dass Du denen, denen Du mit Deinem jetzigen Handeln den Weg bereites bzw. ebnest, Dir nicht übermorghen die Klinge in den Rücken stoßen?
      Avatar
      schrieb am 30.04.01 23:28:17
      Beitrag Nr. 23 ()
      @Physik..wir sollten uns eigentlich nicht an Personen festbeißen (z.B.Hirsch)..aber warum läßt er sich gerade jetzt, von "anderen gebeten" wie du sagst, dazu herab, soetwas aufzukochen..wo waren die Bittsteller damals?


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      Dienstaufsichtsbeschwerde wg. Kohl