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    **********Jenseits des Stimmungstiefs !!! ********** - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 05.07.01 14:21:49 von
    neuester Beitrag 05.07.01 14:47:55 von
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      schrieb am 05.07.01 14:21:49
      Beitrag Nr. 1 ()
      Jenseits des Stimmungstiefs

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      Jenseits des Stimmungstiefs



      Das "Kaputtreden" der Märkte hält Johannes J. Reich, Head of Equity Research beim Bankhaus Metzler, genauso für übertrieben wie die Verheißungen der vergangenen Jahre. Er gewinnt dieser depressiven Überreaktion aber auch positive Seiten ab.

      Frankfurt - In Anbetracht der inzwischen vorherrschenden Meinung halten wir es nicht (mehr) für ratsam, bei der Aktienauswahl nur auf defensive Titel zu setzen. Entsprechend haben wir in unserer Aktienstrategie defensive Sektoren wie Versorger, Pharma oder Einzelhandel untergewichtet. Stattdessen setzen wir wieder stärker auf Sektoren und Werte, deren Kurse in den vergangenen Monaten stark gelitten haben und die dem Wachstumssegment zugerechnet werden können. Auch wenn gegenwärtig der Eindruck vorherrscht, es hätte sie nie gegeben: Die "Neue Ökonomie" und ihre Wachstumskräfte sind nicht tot! Sie werden in der Krise, die sie gegenwärtig durchlaufen, nur zu normalen Elementen wirtschaftlicher Zyklen und Strukturen. Ihre damit einhergehende Entmystifizierung halten wir nicht für bedrohlich, sondern vielmehr für gesund.
      Die Stimmung an den Börsen und in der Wirtschaft befindet sich auf einem Tiefpunkt. Die schlechte Verfassung der Aktienmärkte drückt sich in schwacher Performance, armseligen Börsenumsätzen und einem quasi zum Erliegen gekommenen Neuemissionsgeschäft aus. Kaum ein Investor findet gegenwärtig den Mut, sich gegen die vorherrschende Stimmung zu stellen und größere Engagements einzugehen. Es grassiert die Angst vor einer weltweiten Rezession. Überall werden die Wachstumsprognosen zurechtgestutzt. Noch vor nicht allzu vielen Monaten hielt es eine Mehrheit von Auguren für angemessen, mit Hilfe von Buchstabierübungen einen schnellen Wirtschaftsaufschwung in der zweiten Hälfte des laufenden Jahres vorherzusehen. Nachdem sich die Alphabetkünstler mittlerweile an ihrer Buchstabensuppe mit vielen Vs und Ws und Ls verschluckt haben, will den Rest jetzt offenbar niemand mehr auslöffeln. Stattdessen versteckt sich eine wachsende Mehrheit verschreckter Prognostiker wieder einmal hinter der vorherrschenden Meinung. Diese besagt inzwischen nicht viel mehr, als dass man auf der Hut sein müsse vor der Gefahr einer globalen Rezession.

      Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung

      Was wir derzeit erleben, ist zweierlei: zum einen die Kehrseite der Situation vor etwa eineinhalb Jahren. Euphorisiert von den Verheißungen der neuen Web-Economy schien sich damals fast jeder sicher, dass es nur noch in eine Richtung gehen konnte: nämlich aufwärts. Dauerhaftes Wachstum ohne Reue (sprich: ohne Inflation) schien auf der Grundlage globalisierter Märkte und des neuen ökonomischen Musters der New Economy sicher. Jeder, der skeptisch war und nicht mitmachte, musste sich gefallen lassen, als kurzsichtiger Feigling oder ewiggestriger Sturkopf bezeichnet zu werden. Jeder, der nicht dem Wachstumsgötzen huldigte, wurde verlacht, Portfoliomanager, die in "Value-Aktien" statt in "Growth-Storys" investierten, gefeuert. Heute kennt man wiederum nur eine Richtung: diesmal abwärts. Aktienanlagen werden nur noch in defensiven Werten der Old Economy getätigt. Alles macht in Moll. Dunkelgrau ist die vorherrschende Farbe in den mittlerweile überall herumgereichten ökonomischen Szenarien. Was wir damit erleben, ist erneut eine Situation, die zunehmend den Charakter einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung widerspiegelt.

      Dies bleibt nicht ohne Auswirkung auf die reale Wirtschaft. Investitionsgüterhersteller halten in Erwartung sinkender Zinsen und nachlassender Aufträge eigene Investitionen zurück, und die Industrieproduktion sinkt. Anleger warten mit ihren Investments ebenfalls, bis die Zinsen noch weiter fallen und die Wertpapiermärkte wieder eindeutige Erholungszeichen zeigen.

      Japan gleicht einer komatösen Wirtschaft

      Die ökonomischen Fakten sehen derzeit in der Tat alles andere als erfreulich aus. Die US-Wirtschaft - im vergangenen Jahr noch mit fünf Prozent gewachsen - dürfte nur mit viel Glück dieses Jahr die Zwei-Prozent-Marke erreichen. Ähnliches gilt für Europa, das nach 3,5 Prozent Wachstum im Jahr 2000 ebenfalls nur mit großer Mühe die Zwei-Prozent-Hürde im laufenden Jahr schaffen dürfte. Das deutsche Wirtschaftswachstum dürfte damit nur knapp über einem Prozent liegen. Der immer noch schwache Euro erschwert darüber hinaus der Europäischen Zentralbank ihre stabilitätspolitische Aufgabe.

      Für Japan, das sich immer noch in der selbstverschuldeten Starre einer komatösen Wirtschaft befindet, wäre ein schwarze Null schon ein Erfolg. Nachlaufende Preiseffekte einer sehr schnell abgekühlten Konjunktur sowie - vor allem in Europa - vorrübergehend preistreibende Faktoren haben zudem Inflationsängste geschürt. Das Gespenst der Stagflation treibt deshalb diejenigen um, die nicht schon mit ihrer Angst vor einer Rezession beschäftigt sind. Wie das Kaninchen vor der Schlange erstarren die Aktienmärkte und quälen sich von einer Gewinnwarnung zur nächsten. Dass dabei manchmal der Eindruck eines fast irrationalen Pessimismus entsteht, erscheint nur als die logische Konsequenz der vorangegangenen, fast grenzenlosen Wachstumserwartungen.

      Erholung in Sicht

      Aber es scheint uns an der Zeit, nach nun mehr als 14 Baisse-Monaten an den Aktienmärkten, die Frage zu stellen, welche Faktoren für eine Erholung sprechen könnten. Aus unserer Sicht gibt es solche inzwischen nämlich durchaus:

      1.) Die schnelle Abfolge von Zinssenkungen der Fed seit Anfang des Jahres dürfte nicht nur Liquidität in die Wertpapiermärkte gepumpt haben, sondern auch im Verlauf dieses Jahres realwirtschaftlich positive Impulse auslösen.

      2.) Die normalisierte, wieder steilere Zinsstrukturkurve in den USA auf insgesamt niedrigerem Niveau als vor Jahresfrist spricht für eine Erholung der US-Wirtschaft im nächsten Jahr.

      3.) Das Abflauen der Inflationsfurcht, besonders in Europa, dürfte es auch der Europäischen Zentralbank erleichtern, aus ihrem Dilemma herauszufinden und Zinssenkungen nicht nur zu erwägen, sondern auch zu realisieren.

      4.) Der Höhepunkt der Gewinnwarnungen ist aus unserer Sicht bald überschritten. Insbesondere dürfte die Vielzahl und Heftigkeit von Gewinnwarnungen in der vergangenen Zeit zunehmend einen Gewöhnungseffekt hervorrufen. Mit anderen Worten, das negative Überraschungsmoment wird geringer. Zunehmend dürfte sich das Augenmerk dann wieder auf die Frage richten, wann das zyklische Tief überwunden sein wird.

      5.) Eine globale Rezession halten wir für unwahrscheinlich. Aus unserer Sicht ist der Konjunkturabschwung der vergangenen zwölf Monate ein durchaus zyklisches Phänomen, das nicht in eine Rezession führen wird, solange keine (neuen) strukturellen Belastungsfaktoren hinzukommen.

      6.) Neue strukturelle Belastungsfaktoren oder Defizite, die uns in eine akute Strukturkrise führen könnten, sehen wir derzeit aber nicht. Richtig ist zwar, dass gerade in Europa Strukturdefizite bisher nur halbherzig durch Reformen angegangen worden sind, jedoch haben sich hier keine Verschlechterungen ergeben, sondern - wenn auch bisher nur kleine - Verbesserungen, wie zum Beispiel die Steuerreform.

      Fundament für einen Stimmungsumschwung

      Wie so oft, wenn der Herdentrieb das Geschehen bestimmt, sollte es lohnen, sich daran zu erinnern, dass es dort, wo alle sich drängeln, bald ungemütlich werden könnte. Mit anderen Worten: Nun, da die vorherrschende Meinung auf ein Untergangsszenario eingeschwenkt ist, dürfte die Wahrscheinlichkeit, dass dieses eintritt, gering sein.

      In diesem Sinne halten wir das akute Stimmungstief letztlich für ein hoffnungsvolles Zeichen, weil es das Fundament legt für einen Stimmungsumschwung an den Aktienmärkten. Bei den ersten Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung und im Zuge sinkender Zinsen dürften sich die Kurse von Aktien wie der Deutschen Telekom, SAP, Singulus, Qiagen oder Software AG überdurchschnittlich stark erholen.

      Johannes J. Reich, Head of Metzler Equity Research




      Gruß werder1
      Avatar
      schrieb am 05.07.01 14:36:39
      Beitrag Nr. 2 ()
      Bei soviel Optimismus darf die Gegenstimme nicht fehlen:

      Harakiri der Notenbanken

      Japan und die USA im finanzkapitalistischen Dilemma
      Geplatzte Blasen machen keinem Banker Kummer - und Ruhe ist auch dann die erste Bürgerpflicht. So schien es zumindest in Japan, denn dort liegt der Crash inzwischen schon zehn Jahre zurück und war fast in Vergessenheit geraten, weil sich die Weltwirtschaft davon lange Zeit nicht sonderlich beeinträchtigt zeigte. Von 1965 bis 1990 hatte der japanische Aktienmarkt eine stetige, zuletzt immer schnellere Aufwärtsbewegung durchlaufen, die weit über den realen Erfolg von Nippons Exportmaschine hinausschoß. Der Nikkei-Index der Börse in Tokio stieg um nicht weniger als 3700 Prozent auf fast 40.000 Punkte und die spekulative Börsenkapitalisierung wurde noch einmal übergipfelt von einem phantastischen Anstieg der Immobilienpreise. Japan hatte sich reich gerechnet. Als die Blase 1990 sowohl bei den Aktien als auch bei den Immobilien platzte, stürzten die Finanz- und Immobilienmärkte ab und haben sich nie wieder erholt. Der Nikkei wurde halbiert, um danach immer weiter nach unten zu trudeln. Bekanntlich sitzt das japanische Finanzsystem seither auf einer Masse fauler Kredite in der Größenordnung von 1000 bis 2000 Milliarden Dollar.

      Eigentlich hätte die Konsequenz der Bankrott der großen Banken, der Zusammenbruch des Finanzsystems und eine schwere Depression Japans mit Rückschlag auf die Weltwirtschaft sein müssen. Wieso konnte diese Konsequenz für so viele Jahre vermieden werden? Dafür gibt es vor allem zwei Gründe.

      Erstens ermöglichte die vom Buddhismus und Shintoismus geprägte paternalistische Kultur Japans eine kollektive Manipulation der Finanzmärkte und Bilanzen, wie sie im westlichen Konkurrenzkapitalismus undenkbar wäre: Durch ein Geflecht von Loyalitäten und Abhängigkeiten, Überkreuz-Beteiligungen, Mafia-Filz (Yakuza) und informellen Absprachen unter staatlicher Guide wurde ein Großteil der faulen Kredite und nicht realisierten Verluste in Auffanggesellschaften geparkt oder zu den Bilanzterminen auf Treu und Glauben zwischen den Banken und Unternehmen durch Scheinverkäufe hin- und hergeschoben.
      Den Banken wurde erlaubt, die Eigenkapitalquote zu senken und Aktienpakete nicht zum Marktwert, sondern zum
      Einkaufswert zu bilanzieren usw. Obwohl es trotzdem eine Pleitewelle gab, konnte auf diese Weise der große Bankenkrach vermieden werden. Viele tausende von eigentlich bankrotten Unternehmen vor allem in der Bau- und Immobilienbranche sowie im Einzelhandel wurden am Scheinleben erhalten, ein bis zwei Millionen Arbeitsplätze ohne ökonomische Basis durchgeschleppt.

      Zweitens war es die Export-Einbahnstraße über den Pazifik in die USA, die Japan dazu verhalf, die Systemkrise
      hinauszuschieben. Schon der vorherige Aufschwung war von einem wachsenden Exportüberschuß getragen gewesen, dessen Löwenanteil die USA aufgenommen hatten. Dem stand und steht bis heute kein gleichgewichtiger Warenstrom in die umgekehrte Richtung gegenüber, sondern stattdessen eine wachsende Außenverschuldung der USA - vor allem in Japan. Auch mit den Erlösen der weiter laufenden Exportwalze konnte sich die japanische Ökonomie über Wasser halten und ihr Finanzsystem vor dem Zusammenbruch retten.

      Dennoch mußte von Anfang an ein Preis für die Vermeidung der Systemkrise bezahlt werden, nämlich zwar nicht die große Depression, aber doch die Stagnation der Konjunktur mit immer stärkeren deflatorischen Tendenzen. Die unter der Last fauler Kredite ächzenden Banken zögerten mit der Vergabe weiterer Kredite, die verschuldeten Unternehmen mit neun Investitionen, und die in großem Ausmaß mit geplatzten Hypotheken belasteten und von ungewohnter Arbeitsplatz-Unsicherheit geplagten Konsumenten übten sich in Kaufzurückhaltung - bei einem 60-prozentigen Anteil des Konsums am japanischen Sozialprodukt eine starke Konjunkturbremse.

      Die japanische Regierung versuchte zwischen 1991 und 2000 mit nicht weniger als zehn keynesianischen Konjunkturprogrammen - völlig gegen den neoliberalen ökonomischen Weltkonsens - vergeblich das Ruder herumzureißen.
      Der einzige "Erfolg" bestand darin, daß Japan die Weltspitze der Staatsverschuldung übernahm: War der Staatshaushalt 1989/90 als leuchtendes globales Vorbild noch mit insgesamt nur 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verschuldet und erzielte damals sogar einen jährlichen Überschuß von 2,9 Prozent des BIP, so hält er inzwischen mit insgesamt 140 Prozent und einer jährlichen Neuverschuldung von 10 Prozent des BIP einen Negativrekord.

      Parallel dazu veranstaltete die Bank of Japan eine Zinssenkungsrunde nach der anderen, um schließlich zu einer paradoxen "Nullzinspolitik" beim wichtigsten Zinssatz, dem Tagesgeld, überzugehen: Die Banken konnten sich fast zum Nulltarif refinanzieren. An der binnenökonomischen Stagnation änderte sich dadurch nichts. Die verschuldeten Unternehmen und Haushalte nahmen trotz günstiger Konditionen keine neuen Kredite für Investitionen und Konsum auf. Umgekehrt zerstörte die Nullzinspolitik natürlich jeden Anreiz, Geld im Inland anzulegen. Die Wirkung war eine ganz andere: Institutionelle und private Anleger nahmen zu extremen Niedrigzinsen Geld auf, um es zu wesentlich höheren Zinsen im Ausland anzulegen. Japan überschwemmte die ganze Welt mit seiner wundersamen Liquiditätsschöpfung und heizte die globalen Finazmärkte an, während zu Hause nichts mehr ging.

      Nur um wenige Jahre zeitversetzt durchliefen die Tigerstaaten Südostasiens denselben Krisenzyklus wie Japan. Seit Mitte der 80er Jahre vom Aufschwung des Exports getragen, der ebenfalls einseitig über den Pazifik in die USA ging, bildeten auch die neuen "Wunderländer" auf dieser Grundlage eine spekulative Blase bei Aktien und Immobilien, die bekanntlich 1997/98 platzte.
      Und wie in Japan wurden die daraus resultierenden faulen Kredite und nicht realisierten Verluste mit Hilfe des asiatischen Paternalismus unter dem Deckel gehalten, während die weiterlaufenden Exportüberschüsse im Handel mit den USA der Kompensation dienten. Zwei Jahre später gab es allgemeine Entwarnung: Die Asienkrise, so hieß es, sei überwunden und die Bank of Japan sah das Konjunkturtal durchschritten, erhöhte erstmals seit zehn Jahren die Zinsen und kündigte marktöffnende Reformen an.

      Umso größer der Katzenjammer, als parallel zu einem dramatischen Absturz der Aktienmärkte in den USA, Europa und Japan im Frühjahr 2001 der japanische Finanzminister mit einer für asiatische Verhältnisse außergewöhnlich undiplomatischen Offenheit plötzlich wie aus heiterem Himmel verkünden mußte, das Finanzsystem seines Landes stehe kurz vor dem Kollaps.
      Welche Veränderungen sind für diese unerwartete Wendung verantwortlich?

      Japan ist von seinem lange verdrängten, aber nie wirklich bewältigten Crash des Jahres 1990 eingeholt worden. Die
      Verzögerung der Systemkrise war nur unter der Bedingung möglich, daß irgendwann die Binnenkonjunktur wieder anspringt.
      Alle Versuche, diesen Start mit Hilfe staatlicher Geldspritzen zu bewerkstelligen, sind nun ausgereizt. Der durch diesen Mißerfolg mitbedingte neuerliche Verfall des Nikkei-Index um mehr als 30 Prozent seit Beginn des Fiskaljahres 2000/01 hat den Banken zusätzliche unrealisierte Wertverluste in bis zu zehnfacher Höhe der angestauten faulen Kredite eingebracht. Bei der anstehenden jährlichen Bilanzierung wird ein massiver Abzug von Guthaben verunsicherter Bankkunden befürchtet. Schlagartig ist der Druck gestiegen, der verzögerten "Bereinigung" von Unternehmenssektor und Arbeitsmarkt endlich freien Lauf zu lassen.
      Der Optimismus der Bank of Japan hat sich als grandiose Fehleinschätzung erwiesen.

      Gleichzeitig droht aber auch der andere Motor der japanischen Krisenverhinderung ins Stocken zu geraten, nämlich die Exportmaschine in die USA. Die geplatzten Blasen Japans und der Tigerländer konnten ja nur deshalb über Jahre hinweg kompensiert werden, weil die Blasen in den USA (und parallel dazu in Europa) noch munter weiter aufgebläht wurden. Nur durch den permanenten Zufluß ausländischen Geldkapitals und die ebenso permanente Steigerung der Aktienwerte konnten die USA die Überschüsse der ganzen Welt importieren und die notleidenden Volkswirtschaften stützen. Seit März 2000 aber sind die "neuen Märkte" der High-Tech- und Internet-Werte um 60 bis 80 Prozent abgestürzt genau ein Jahr später scheint nun auch der Verfall der Standardwerte begonnen zu haben.

      Zweckoptimistisch wird allgemein behauptet, daß die Krisenkurve Japans 1990 und der Tigerstaaten 1997/98 nicht mit derjenigen in den USA heute zu vergleichen sei die US-Ökonomie sei viel resistenter. Genau das Gegenteil ist der Fall. Der spekulative Boom in den USA wurde nicht auf einen Exportboom aufgesattelt, sondern umgekehrt auf ein mit Außenverschuldung bezahltes gigantisches Handelsdefizit. Insofern ist die Tiefendimension der US-Krise viel schlimmer. Zwar hat es in den USA keine zusätzliche Blase am Immobilienmarkt gegeben wie in Asien, dafür aber die zusätzliche und viel größere Blase der "New Economy". Und hatte Japan 1990 noch eine Sparquote von 16 Prozent, so ist sie heute in den USA gleich Null oder sogar negativ. Selbst die viel gepriesenen Überschüsse des US-Staatshaushalts in den letzten beiden Jahren liegen mit 2,3 Prozent des BIP unter den damaligen japanischen.

      Vor allem aber: Die Unternehmen und Konsumenten sind in den USA wesentlich höher verschuldet als es die asiatischen jemals waren. Im Vertrauen auf weitere Kurssteigerungen ihrer Aktien-Portfolios haben die US-Privathaushalte bis Herbst 2000 praktisch den Konsum mehrerer Jahre vorweggenommen. Und zusätzlich zu den ohnehin schon aufgehäuften Schulden haben viele Unternehmen der IT-Branche seit dem Beginn der Talfahrt an der Nasdaq in der falschen Hoffnung auf eine baldige Trendwende eigene Aktien im großen Maßstab zwecks Kurspflege auf Pump zurückgekauft inzwischen ist ihre Lage umso verzweifelter. Es war absehbar, daß der Prozeß der Privat- und Unternehmensverschuldung irgendwann den Prozeß der Börsenkapitalisierung überholen würde. Die anhaltende Flut von Gewinnwarnungen in allen Bereichen der US-Ökonomie (und inzwischen auch in Europa) zeigt, daß das Limit erreicht oder schon überschritten ist. Kapitalismus ohne Profit geht nicht. Und jetzt brechen auch die Umsätze in wichtigen Bereichen (wie z.B. bei Mobiltelefonen) weg.

      In der krisenhaften Verschränkung einerseits von Konjunktur und Börse auf der strukturellen Ebene, andererseits von Nordamerika und Asien auf der Ebene der Weltmarktbeziehungen, zeichnet sich somit die Möglichkeit einer
      Eskalationsbewegung ab. Generell ist bei ökonomischen Rückwirkungen mit einer Inkubationszeit von sechs Monaten bis zwei Jahren zu rechnen. Seit Ende 2000 zeigen sich die ersten Brandspuren des Crashs an der Nasdaq in der US-Konjunktur. Diese Spuren wiederum haben den Crash beschleunigt und auf die Standardwerte übergreifen lassen. Als Folge der Abschwächung in den USA gehen nun Export und Investitionen in Japan zurück, was dort den Druck auf das Finanzsystem erhöht. In der Folge davon wiederum könnte, wie schon lange befürchtet, japanisches Geldkapital aus den USA abgezogen und dadurch der Abschwung der US-Konjunktur beschleunigt werden usw. Dieser Eskalation würde sich Europa kaum entziehen können. Nicht nur der Export in die USA und nach Japan würde zurückgehen, sondern auch der Export in alle vom japanischen und US-amerikanischen Abschwung betroffenen Volkswirtschaften - sowohl in Asien und Lateinamerika als auch innerhalb der EU selbst.

      Hinter der Unberechenbarkeit der Erscheinungen und den wilden Ausschlägen der Finanzmärkte steht letzten Endes die Entwertung der Arbeit und damit die Entsubstantialisierung des Geldes durch die unbeirrt mahlende Mühle der 3. industriellen Revolution. Mit jedem partiellen Crash wird die Systemkrise reifer und dringt auch in den Zentren stärker an die Oberfläche. Wenn das globale Desaster abermals verzögert werden soll, muß um jeden Preis der Konsum in den USA und Japan angeschoben werden.

      Das dürfte diesmal jedoch schwieriger sein als in der Vergangenheit. Das Platzen der US-Blase ist viel gravierender als das Platzen der asiatischen Blase. Denn die USA haben keine andere USA, um einen Crash außenwirtschaftlich zu kompensieren. Sicher könnten sie versucht sein, ihre Probleme zu exportieren. Für eine Exportoffensive fehlen ihnen als notorischem Importweltmeister aber die Produkte und Kapazitäten. Außerdem müßten sie, um die Krise exportieren zu können, den Dollar drastisch abwerten, was zu einem Abwertungswettlauf mit dem Yen, in der Folge mit sämtlichen asiatischen Währungen und schließlich auch mit dem Euro führen würde. Dieses durchaus realistische Szenario einer globalen Währungskrise (die Yen-Abwertung hat bereits begonnen) wäre erst recht verheerend für Konjunktur und Finanzmärkte.

      So bleibt nur das alte Mittel der direkten und indirekten staatlichen Geldspritzen. Innerhalb weniger Wochen hat die US-Notenbank (Fed) drei Zinssenkungen vorgenommen und eine vierte angekündigt, Präsident Bush plant ein zehnjähriges Steuersenkungsprogramm von 1600 Milliarden Dollar pro Jahr, und die Bank of Japan ist nicht nur zur Nullzinspolitik zurückgekehrt, sondern will die Kontingente der Geldversorgung erhöhen und damit die Refinanzierung der Banken erleichtern.
      Es ist aber unerfindlich, warum in Japan jetzt plötzlich funktionieren soll, was bisher versagt hat, und warum die USA mit derselben Methode besser fahren sollen als Japan. Bushs Steuersenkung betrifft entweder nur Haushalte, deren Konsum bereits gesättigt ist, oder die frei werdenden Gelder müssen zur Sanierung der aufgelaufenen Schulden verwendet werden. Aus demselben Grund verpuffen die Zinssenkungen in den USA und Japan, denn das billige Geld wird eher für Umschuldungen im Unternehmens- und Privatsektor verwendet als für Investitionen und Konsum.

      Wenn also die Geldspritzen wirken sollen, müssen sie in einer wesentlich höheren Dosis verabreicht werden als bisher. Und dabei muß auch die Europäische Zentralbank (EZB) mitspielen, weil sich sonst die globalen Kapitalströme umkehren und so die Krise potenziert statt verhindert wird. Neben einem Abwertungswettlauf ist also ein Zinssenkungswettlauf denkbar. Der große Sündenfall gegen die monetaristische Wirtschaftstheologie zeichnet sich bereits ab als eine Art Börsenkeynesianismus, um durch ein synchrones Öffnen der Geldschleusen in allen drei großen Wirtschaftsblöcken das Finanzkapital und die davon abhängig gewordene Konjunktur zu retten.

      Der Preis dafür wäre die Rückkehr der Inflation, die in den USA bereits jetzt bei einer Jahresrate von 3,5 Prozent liegt. Noch vor wenigen Monaten hätte dies Herrn Greenspan alarmiert und zu Zinserhöhungen veranlaßt, heute treibt ihn die Not zu einer genau entgegengesetzten Politik. Geht es in diese Richtung weiter, ist sogar die historisch einmalige Gleichzeitigkeit von Depression und Inflation möglich: nämlich eine Deflation der Vermögenswerte durch Aktiencrashs mit der Folge von Massenentlassungen und Massenbankrotten, während die am Markt verbliebenen Unternehmen sich aufgrund ihrer Überschuldung trotzdem zu Preiserhöhungen gezwungen sehen.

      © Robert Kurz


      Autor: Robert Kurz
      Kontakt: www.giga.or.at/others/krisis
      Stand: II. Quartal 2001,
      auf den "Gold Seiten" seit: 07/2001
      Avatar
      schrieb am 05.07.01 14:38:14
      Beitrag Nr. 3 ()
      >>>Das "Kaputtreden" der Märkte hält Johannes J. Reich,
      >>>Head of Equity Research beim Bankhaus Metzler, genauso
      >>>für übertrieben wie die Verheißungen der vergangenen Jahre.

      Kursziel null !?
      Avatar
      schrieb am 05.07.01 14:47:55
      Beitrag Nr. 4 ()
      05.07.2001
      US-Börsen Sommerrallye
      EveryBuddy`s Trade

      Zwischen diesen beiden Feiertagen des Hochsommers in den USA findet meist eine eigenständige Börsenentwicklung statt, die oft mit einer Sommerrallye beschrieben werden kann, so die Börsenkenner von EveryBuddy’s Trade.

      Die US-Amerikaner hätten gerade ihre Steuerrückzahlungen erhalten, die Schulkinder würden ihre Sommerjobs annehmen und während der Sommerferien ihren Eltern finanziell nicht mehr zur Last liegen. Ab 1. Juli 2001 sei auch die erste Steuersenkung von Präsident Bush in Kraft getreten. Alles Faktoren, die das Consumer Income und Spending zwischen dem 4. Juli und dem 3. September erhöhen dürfte. Auf der anderen Seite habe der Anstieg des NAPM Index kürzlich eine leichte makro-ökonomische Konjunkturbelebung angedeutet, die allerdings durch weitere Indikatoren erst bestätigt werden müsse. Die Gesellschaften dürften angesichts des allgemeinen schlechten Umfeldes nicht zimperlich gewesen sein, das Maximum an Abschreibungen und außergewöhnlichen Kosten in das 2. Kalenderquartal hineinzuquetschen, so dass die Erwartungen für die Quartalsergebnisse des 3. Kalenderquartals wieder positiv überraschen könnten.

      Angesichts der niedrigen Refinanzierungskosten dürften erneute Investitionen vorgenommen werden. Dies seien eigentlich sogar ideale Voraussetzungen, um Übernahmen von augenblicklich billig bewerteten Unternehmungen durchzuführen. Der sonst üblichen Sommerrallye dürfte also nichts im Wege stehen. Obwohl der Dow Industrial an der verkürzten Börsensitzung am Dienstag vor dem Unabhängigkeitstag mit -22,61 auf 10.571,11 gefallen sei, seien die verschiedenen Kriterien des Market Breadth positiv geblieben (mehr Advancers 1.592 als Decliners 1.349, mehr neue Höchstkurse 92 als neue Tiefstkurse 19, mehr Advancing Volume 306.776.270 als Declining Volume 304.219.150). Nach einer durch die europäischen Börsen beeinflussten schwächeren Eröffnung dürfte mit einem positiven Börsenschluss zu rechnen sein.


      http://www.aktiencheck.de/analysen/default_an.asp?sub=6&page…

      Gruß werder1


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