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    Von der politischen Lüge zum System der Verlogenheit. - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 06.09.01 09:54:58 von
    neuester Beitrag 12.09.01 18:47:16 von
    Beiträge: 17
    ID: 467.418
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      schrieb am 06.09.01 09:54:58
      Beitrag Nr. 1 ()
      Zur Aktualität von Hannah Arendts Gedanken zur politischen Öffentlichkeit
      Nie zuvor waren die Mittel der Information so vielfältig und allseitig zugänglich wie heute, und doch mehren sich die Zweifel daran, dass dieser Fortschritt immer zur Erkenntnis der Wahrheit beiträgt. Mitunter scheint es, als würden Politik und Medienunter der Hand ein Bündnis eingehen bei der Ersetzung von Fakten durch deren Inszenierung. Hannah Arendts politische Publizistik der sechziger Jahre vermittelt in diesen Zusammenhang Einsichten von verblüffender Aktualität.

      Von Wieland Elfferding, Lehrer und Publizist, Berlin

      Über Geschmack kann man nicht streiten, heisst es. Über Tatsachen, sollte man meinen, auch nicht. Sind doch durch die modernen Medien die Mittel der Tatsachenfeststellung und -verbreitung enorm gewachsen. Und doch wird immer wieder heftig über Tatsachen gestritten. Dass ein Politiker eine Geldspende für seine Partei persönlich entgegennahm, bleibt beharrlich im Rampenlicht der Öffentlichkeit und zugleich als Tatsache umstritten.

      Oder denken wir nur an die Fernsehdokumentation «Es begann mit einer Lüge», die zu Beginn des Jahres im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Umstritten war die Rolle von Tatsachenbehauptungen bei der politischen Begründung fürdie deutsche Beteiligung am militärischen Eingreifen der Nato in den Kosovokonflikt. Fungierte z. B. das Stadion von Priština wirklich, wie der Verteidigungsminister damals behauptete, als eine Art KZ, oder ist die im Film wiedergegebene Aussage eines Augenzeugen wahr, er habe dort nicht einen einzigen albanischen Häftling gesehen? Wie die Medien in der heissen Phase derVorbereitung des Militärschlags gegen Jugoslawien Tatsachen «brachten», um die unabweisbareNotwendigkeit militärischen Handelns darzulegen, so «bringen» die letzten Ritter des investigativen Journalismus heute Tatsachen, um die Verwerflichkeit des damaligen politischen Tuns wenigstens im Nachhinein zu beweisen. Egal für wen das Herz schlägt, immer ist man mit Tatsachen konfrontiert, welche einen als «knallharte»Realität jenseits der medial fabrizierten in moralischen und politischen Zugzwang bringen sollen.

      Fakten als Artefakte
      Auch wenn die Präsentation von skandalösen Tatsachen in Wort und Bild die gewünschte Wirkung einer emotionalen und politischen Aufwallung selten verfehlt, so wissen die Erregten dochaus Erfahrung, wie es sich mit den Tatsachen, besonders im Kriegsfalle, verhält. Oder mussten wiretwa nicht das Verwirrspiel der Bilder noch einmal wiederholen, das wir aus dem Golfkrieg schon kannten: Bilder, die am nächsten Tag, anders geschnitten und neu interpretiert, bereits das Gegenteil von dem beweisen, wofür sie am Tag zuvor erschreckendes Zeugnis ablegen sollten. Ging diese Entlarvung von Fakten als Artefakte nicht bereits im Golfkrieg so weit, dass Jean Baudrillard behaupten konnte, jener Krieg habe in Tat und Wahrheit nicht stattgefunden? Es ist einer der Widersprüche der Medien, dass sie ein naives Verständnis von Tatsachen pflegen, das sie durch ihre eigene Praxis der Simulation von Wirklichkeit tagtäglich dementieren.

      In Hannah Arendts hochaktuellem Essay über Wahrheit und Politik findet sich eine Abhandlung über sogenannte Tatsachenwahrheiten, die tiefere Einsicht verspricht. Mit geradezu atheistischer Nüchternheit gegenüber dem Mediengott der Realität hebt sie von vornherein auf die Zufälligkeit und somit Bestreitbarkeit von Fakten ab.

      Politik im Clinch mit der Wirklichkeit
      Tatsachenbehauptungen geraten, in ihrem Verhältnis zur Politik betrachtet, gerade deshalb in den Strudel eines Streits um blosse Meinungen, weil sie, wie diese, jeweils auch anders ausgefallen sein könnten. Jedenfalls entbehren sie der fraglosen Einsichtigkeit von Vernunftwahrheiten wieetwa derjenigen, dass die Winkelsumme im Dreieck 180 Grad betrage oder dass es besser sei, Unrecht zu leiden als solches zu tun. Zwar liege die Politik - und dies nicht nur in totalitären Regimen - mit der Wirklichkeit im Dauerclinch; aber das rühre nicht daher, dass Tatsachenaussagen, ähnlich wie Sätze der Philosophie, einem der Politikfremdem Bereich des menschlichen Lebens angehören würden.

      Tatsachen werden, da sie sich nicht von selbst verstehen, sondern einfach nur «sind», immer wieder als Ansichtssache denunziert. Durch ihre Verwechslung mit blossen Meinungen geraten sie jedoch in den Bereich des Politischen, welcher, wie der vierte Präsident und Verfassungsvater der USA, Madison, sagt, auf Meinung gebaut ist. Wie Politik auf das Auch-anders-sein-Können der Wirklichkeit und damit auf ihre Veränderbarkeit setzt, so bleiben die Tatsachenwahrheiten durch ihren ständigen Wechsel und die chronisch unsichere menschliche Zeugenschaft dem Fluss der Zeiten unterworfen. Entstammen die Fakten in diesem Sinne dem Bereich der «menschlichen Angelegenheiten», so haben sie, als Wahrheiten, doch mit den Gesetzen - sei es der Geometrie oder der Moral - eines gemeinsam: Mit ihnen kann, so stellt Arendt nach der Erfahrung des Vietnamkriegs und der Enthüllungen durch die «Pentagon-Papers» fest, nicht nach Belieben umgesprungen werden. Tatsachen sind hartnäckig,glaubt sie, und machen sich gegen alle Ränkespiele früher oder später geltend.

      Von der politischen Lüge zum System der Verlogenheit
      Vor dem Hintergrund dieser Einsichten in das Dreieck Fakten - Meinungen - Politik erscheint in Hannah Arendts Theorie der politischen Öffentlichkeit (wenn ihre gelegentlichen Analysen so genannt werden dürfen) das Gegenteil der Tatsachenwahrheit in einem eher kühlen Licht. Die interessierte Lüge ist mit der Politik verschwistert. Der Verkünder von Tatsachen dagegen, z. B. der «klassische» Journalist, gewinnt Glaubwürdigkeit nur durch seine Unabhängigkeit von der Politik. Die Wahrheit nur kundzutun, stellt nämlich, im Sinne Hannah Arendts, noch kein Handeln dar. Der Lügner hingegen «hat den grossen Vorteil, dass er immer schon mitten in der Politik ist. Was immer er sagt, ist nicht ein Sagen, sondern ein Handeln; denn er sagt, was nicht ist, weil er das, was ist, zu ändern wünscht.»

      Nicht dass die politische Philosophin die Lüge billigen würde, doch gewinnt sie ihr das Motiv ab, die Verhältnisse nicht so sein lassen zu wollen, wie sie sind. Werfen diese Gedanken aus den späten sechziger Jahren nicht geradezu ein vor Weisheit mildes Licht auf Politiker wie Helmut Kohl und auf Parteien wie die CDU, wie sie unter Kohl geworden ist? Wollte der frühere Bundeskanzler durch das Sammeln illegaler Parteispenden bei bis heute ungenannten Spendern doch nur «das Beste» für seine Partei? Erfahren seine erklärtermassen guten Absichten nicht eine Unterstreichung, während das böse Resultat in den Hintergrund tritt? Ganz im Gegenteil. Hannah Arendt erkennt gerade als besondere Gefahr, dass der Politiker sein Handwerk nur noch ausüben kann, sofern er an die Lügen selbst glaubt. Der Verlogenheit, im Unterschied zur kaltblütigen Lüge, «steht die öffentliche Meinung recht tolerant gegenüber», notiert sie. Dabei ist es in einer verlogenen Welt doch mit der Wahrheit vorbei, während diese in dem bewussten Lügner, weil er sie noch kennt, «ihre letzte Zuflucht gefunden» habe.

      Selbsttäuschung der Eliten
      Die Philosophin sieht, am Beispiel der USA, sehr wohl, dass die gezielte politische Zwecklüge vergangener Zeiten in der Mediengesellschaft längst einem System miteinander verketteter Unwahrheiten gewichen ist. Nach den Totalitarismen entsteht im Image-Making der westlichen Welt, in der systematischen Verfertigung von Bildern der Politik mittels moderner Techniken, eine neue Lage, was das Verhältnis von Wahrheit und Politik betrifft.

      In diesem Zusammenhang steht ihre durch die Veröffentlichung der Pentagon-Papers angeregte originelle Deutung des Vietnamkrieges. Sie glaubt, gegen die versammelte linke Vietnamliteratur, nachweisen zu können, dass nicht imperialistische Interessen der USA den Krieg anheizten, ja dass es den USA offensichtlich gar nicht darum ging, diesen Krieg zu gewinnen. Brachten doch die Enthüllungen der sechziger Jahre zutage, dass die zuständigen Staatsapparate eine Fehleinschätzung nach der anderen produziert hatten, dass die Think-Tanks unfähig oder nicht willens waren, realistische Kriegsziele zu formulieren. Schliesslich breitete sich vor dem entsetzten Publikum ein unglaubliches Panorama der Selbsttäuschung der politischen Eliten aus. Letztlich sei es, so analysiert Arendt, darum gegangen, koste es, was es wolle, vor den Augen der Welt das Image der USA als «guter Arzt» und als Weltmacht an einem kleinen, gebeutelten Land zu demonstrieren: «Imagepflege als Weltpolitik - nicht Welteroberung, sondern Sieg in der Reklameschlacht um die Weltmeinung», lautete ihre Diagnose.

      Die subversive Kraft der Tatsachen
      Hannah Arendt sah also durchaus, dass, vorab in der amerikanischen Demokratie, «die Techniken der Geschäftsreklame tief in die innenpolitischen Propagandamethoden der Staaten eingedrungen sind, wo man den Völkern Meinungen, Gesinnungen und bestimmte politische Praktiken nicht anders verkauft als Seifenpulver und Parfums», und dass eine «Art Staatsräson-Mentalität, die früher nur die Aussenpolitik bestimmte . . ., sich weiter Schichten der Völker bemächtigt». Wie kommt es dann aber, dass die scharfsichtige Analytikerin der westlichen Demokratien dennoch darauf vertraute, dass sich die Wirklichkeit letztlich durchsetzen werde? Arendt verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die machtbesessene Leugnung der Realität nie von Dauer sein könne, weil sich die politischen Ziele ändern und mit ihnen die opportunen Lügen. Ein «System Kohl», die auf eine Person zentrierte, demokratische Institutionen und Regeln dauerhaft verletzende Zurichtung der politischen Wirklichkeit, würde also früher oder später, gerade weil sie «System» hat, durch den Zufall gestört, der ans Licht bringt, was nicht ins System passt.

      Irritierende Tatsachen sind allerdings als «blosse Fakten» unzureichend verstanden, sie sindvielmehr Ergebnisse der sich vielfältig überkreuzenden und nicht planbaren vergangenen Handlungen von Menschen. Was den Versuchen, sichdie Wirklichkeit systematisch dienstbar zu machen, in die Quere kommt, ist also die Geschichtlichkeit der Wirklichkeit selbst. Hannah Arendt fasst diesen Gedanken in der paradoxen Formel zusammen, Manipulation und Gewalt könnten zwar die «Wahrheit vernichten, aber sie können nichts an ihre Stelle setzen». Das ist auch eine Schlussfolgerung aus ihrem Studium der Totalitarismen. Die Lüge ist der erste Schritt zur Vernichtung des Verleugneten, sie hinterlässt aber nichts ausser eine Art leere Spur. Trotzki wurde, nach seiner Löschung aus den offiziellen Photographien der russischen Revolution, selbst ausgelöscht. Sein Bild wurde jedoch ebenso sicher rekonstruiert.

      Beschädigung des Orientierungssinns
      Es mag nicht eben beruhigen, dass die Wirkung der systematischen Lüge nicht ist, dass die Menschen daran glauben, sondern dass sich unter ihnen der aus totalitären Systemen bekannte Zynismus gegenüber Verlautbarungen der Politik ausbreitet. Immerhin stellt Hannah Arendt in Rechnung - als habe sie Reality-TV und elektronischen Krieg bereits gekannt -, dass dadurch «der menschliche Orientierungssinn im Bereich des Wirklichen, der ohne die Unterscheidung von Wahrheit und Unwahrheit nicht funktionieren kann, vernichtet wird».

      Die Tatsachenwahrheiten scheinen in einer durch und durch inszenierten Welt nur noch die Rolle von Begegnungen der anderen Art spielen zu können. Sie werden zwar bemerkt wie etwas, das vorbeihuscht, den Sinn der Dauerinszenierung können sie jedoch nicht mehr umkehren. Wie würde Hannah Arendt heute die Rituale der Politik beurteilen, die sich mit den Tatsachen selbst beschäftigen?

      Die Inszenierung von Tatsachen
      Längst geniesst in den parlamentarischen Demokratien, unter mächtiger Mitwirkung der Medien, die Erhebung der störenden Tatsachen grössere Aufmerksamkeit als die Vorbereitung politischer Entscheidungen. Was früher ein Kampf um die Macht zwischen gegensätzlichen politischen Standpunkten und Parteien gewesen wäre, mündet heute in einen Untersuchungsausschuss. Kaum eine wichtige Figur auf der politischen Bühne, kaum eine Streitfrage, die nicht zum Gegenstand jener Art von Parallelgerichtsbarkeit innerhalb der Politik selbst geworden wäre. Es scheint, dass der Kampf der politischen Meinungen sich immer mehr in einem Kampf um die Feststellung politischer Tatsachen verliert.

      Nicht, wie Hannah Arendt beobachtete, die Tatsachen geraten in den Geruch, blosse Meinungen zu sein, sondern heute ist es umgekehrt: Die Meinungen verschwinden in einem permanent laufenden Verfahren der Tatsachenfeststellung. Wer wird sich, sollten sie einmal herauskommen, dann noch für die Namen der Spender des Helmut Kohl interessieren? Erleben wir nicht immer wieder, dass die Maschinerie der öffentlichen Feststellung von Tatsachen diese in einem Abgrund des Desinteresses verschwinden lässt,nachdem sich Wahrheit und Lüge mehrfach unentwirrbar miteinander verschlungen haben?

      Wäre dem so, dann könnte die Überführung der politischen Bühne in eine monströse Veranstaltung des investigativen Journalismus als Angriff auf die Wirklichkeit unter dem Vorwandihrer Ehrenrettung verstanden werden. Die Wahrheit der Wirklichkeit wäre dann zwar, HannahArendt weitergedacht, nicht ersetzt, aber gleichsam ent-setzt durch die Ausdehnung der Inszenierung von Politik auf die Tatsachen selbst, welche damit ihre subversive Kraft unwiderruflichverlören. Ob es so kommen kann, hängt nicht zuletzt davon ab, ob die Tatsachen in ihrer dieMacht der Politik begrenzenden Wirkung Unterstützung erfahren durch nicht korrumpierbare Tatsachenwalter in den Medien.



      1. September 2001
      Avatar
      schrieb am 06.09.01 10:11:03
      Beitrag Nr. 2 ()
      Ich kann das unmöglich alles lesen, kannste das noch mal in 2-3 Sätzen zusammenfassen ?
      Avatar
      schrieb am 06.09.01 10:14:37
      Beitrag Nr. 3 ()
      Wahrheit im Plural
      Tatsachen sind objektivierbar und gelten als Äquivalent der Wahrheit. Ob aber etwa die Medien stets berichten, was der Fall ist, wird immer mehr bezweifelt, obwohl Organe der Selbstkontrolle in vielen Staaten darüber wachen. Bei der früheren Fernsehsendung «Tatsachen und Meinungen» stand das Versprechen, Fakten und Interpretationen, Geschehen und Inszenierung auseinanderzuhalten, im Titel. Seit Wirtschaft und Politik sich mit immer mehr Pressesprechern ausstatten, wird mitunter die Faktensuche in einem Strauss von «Wahrheiten» erschwert.

      Auch in der Kriminalistik ist die Wahrheitsfindung schwierig. Zwar gilt die Strafe einer Tat. Doch die Tat selbst entzieht sich der Identifizierung - nicht nur durch Leugnen, auch durch Begleitumstände, welche die Kontur des Täters je anders zeichnen. Dass sich die Wahrheitsfindung mechanisieren und so von emotionalen und sozialen Komponenten lösen lasse, ist eine alte Hoffnung.Zwar wurde die Wundermaschine Lügendetektor als untauglich aus den Gerichten verbannt. Gleichwohl werden in Amerika noch immer jährlich etwa eine Million maschinelle Wahrheitstests durchgeführt, nicht nur im Rahmen polizeilicher Fahndungen, sondern zur Ergründung der Verlässlichkeit von Mitarbeitern der Atom- und Rüstungsindustrie oder der Geheimdienste. Fraglich bleibt, ob die Messung von Blutdruck, elektrischem Hautwiderstand, Herzrhythmus und Atmung verrät, ob jemand falsch oder wahr spricht. Ob dies der «Brain Fingerprint» dereinst vermag, ist offen.

      Vielleicht sind die Hüter der Wahrheit und die Advokaten der Tatsachen eben doch Menschen. Auch ihnen kann sich die Wahrheit entziehen. Doch komme sie stets ans Licht, baue man nur, wie Hannah Arendt riet, auf den Faktor Zeit. Die Frage ist freilich, ob sie sich dann durchsetzt gegen vielleicht über Jahre verfestigte Meinungen. Denn Letztere haben oft schon deshalb mehr Gewicht, weil sie von Interessen getragen werden, während sich die Tatsachen nackt präsentieren.

      He.
      Avatar
      schrieb am 06.09.01 10:14:42
      Beitrag Nr. 4 ()
      @sleepless :) ein feiner Thread !

      technostud ;)
      Avatar
      schrieb am 06.09.01 10:19:24
      Beitrag Nr. 5 ()
      Der Verkünder von Tatsachen dagegen, z. B. der «klassische» Journalist, gewinnt Glaubwürdigkeit nur durch seine Unabhängigkeit von der Politik. Die Wahrheit nur kundzutun, stellt nämlich, im Sinne Hannah Arendts, noch kein Handeln dar. Der Lügner hingegen «hat den grossen Vorteil, dass er immer schon mitten in der Politik ist. Was immer er sagt, ist nicht ein Sagen, sondern ein Handeln; denn er sagt, was nicht ist, weil er das, was ist, zu ändern wünscht.»

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      Avatar
      schrieb am 06.09.01 10:19:49
      Beitrag Nr. 6 ()
      Sleepless:
      Danke für das Hereinstellen dieses wertvollen Textes!

      Ist schon gespeichert.

      Grüße
      Avatar
      schrieb am 06.09.01 10:21:42
      Beitrag Nr. 7 ()
      Limited: Your time is limited?

      :D
      Avatar
      schrieb am 06.09.01 10:22:16
      Beitrag Nr. 8 ()
      Wahr, leider sehr wahr.
      Vielleicht zu hoch für diese Board?
      Die Moral ist jedoch: Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter.
      Ändern wir was an diesem System? Ich glaube nein!
      Cu
      Avatar
      schrieb am 06.09.01 10:28:59
      Beitrag Nr. 9 ()
      @technostud,wo du gerade hier bist.Dieses Outing u.A.in Berlin,du weißt schon.Da habe ich hier einen interessanten Artikel,der es meiner Meinung nach erklärt.

      Wie gehen Bergführer mit Stress um?
      Gesundheitserhaltende Faktoren bei hoher Belastung
      Stress macht nicht grundsätzlich krank. Zunächst versetzt er den menschlichen Organismus nur in einen Spannungszustand. Erst wenn diese Anspannung zu hoch ist oder sich chronifiziert, entsteht Stress, der psychische oder körperliche Krankheiten nach sich ziehen kann. Gemäss einer Studie* der Universität Zürich sind die Schweizer Bergführerinnen und Bergführer in der Lage, sich vor stressbedingten Krankheiten zu schützen.

      Schweizer Bergführerinnen und Bergführer sind in ihrem Beruf vielen sehr belastenden Situationen ausgesetzt. Dies ergab eine Studie des Psychologischen Instituts der Universität Zürich. 78% von insgesamt 1340 patentierten Bergführern wurden im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit mindestens einmal mit einer lebensgefährlichen Situation konfrontiert, sei es als Opfer oder als Augenzeugen. Lawinenniedergänge, Spaltenstürze, Stein-, Eis- und Blitzschlag führen die Liste der meistgenannten belastenden Situationen an. 45% der Bergführer nehmen ausserdem regelmässig an Rettungseinsätzen teil. Rettungen in den Bergen erfolgen meistens unter erschwerten Bedingungen und hohem Risiko für die Retter; oft geht es dabei um die Bergung von Leichen. Derartige Erlebnisse liegen ausserhalb der üblichen menschlichen Erfahrung. Die Wahrscheinlichkeit, dass Bergführer mit belastenden Situationen konfrontiert werden, liegt deshalb - insbesondere bei den an Rettungseinsätzen beteiligtenPersonen - deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung. Bei Bergführern von einer Hochrisikopopulation zu sprechen, scheint deshalb gerechtfertigt zu sein. Bemerkenswert ist jedoch,dass nur 20% der Bergführer, die den oben erwähnten Belastungen ausgesetzt waren, das Erlebte tatsächlich als Trauma bezeichnen. Offenbar beurteilt diese Personengruppe die Schwere einer Belastung mit einem «härteren» Massstab als die übrige Bevölkerung.

      Gefahren eines Traumas
      Aus einer Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen ist bekannt, dass eine Traumatisierung zu psychischen Fehlanpassungen führen kann. Dabei spielen Art und Schwere des erlebten Traumas eine wichtige Rolle. Hohen Stellenwert für die Vorhersage der psychischen Anpassung an das Trauma haben jedoch persönliche Merkmale und die Vorerfahrungen der betroffenen Person. Psychische Belastungen am Arbeitsplatz oder in der Beziehung, aber auch eine generell eher negative und pessimistische Einstellung zum Leben erhöhen die Wahrscheinlichkeit, an einerposttraumatischen Belastungsstörung (PTBS)zu erkranken. In der Allgemeinbevölkerung liegt die Erkrankungswahrscheinlichkeit für eine PTBS beimaximal 8%. Bei Berufsfeuerwehrleuten verschiedener europäischer Staaten beträgt sie entsprechend unseren eigenen Untersuchungen zwischen 10% und 18%.

      Die Schweizer Bergführer weisen hingegen eine PTBS-Rate von nur gerade 2,7% auf. Für die Autorinnen lautete deshalb die wichtige Frage: «Was hält die Bergführerinnen und Bergführer gesund? Wie kommt es, dass sie trotz einer mit Feuerwehrleuten vergleichbaren Belastung dennoch deutlich weniger häufig erkranken?» Antworten auf diese Frage liefert möglicherweise das Gesundheitskonzept des Medizinsoziologen Aaron Antonovsky: Stress versetzt den menschlichen Organismus in einen Zustand der Anspannung. Kann diese Anspannung nicht gelöst werden, entsteht möglicherweise pathologischer Stress. Dauert eine solche körperliche und/oder seelische Anspannung über längere Zeit an, zeigen sich mit der Zeit physiologische Fehlreaktionen des Körpers. Bekannte Folgeerscheinungen sind dann beispielsweise Bluthochdruck oder ein geschwächtes Immunsystem. Gelingt hingegen die Spannungsbewältigung, so hat dies gesund erhaltende beziehungsweise gesundheitsfördernde Wirkung. Nach Antonovsky unterscheiden sich Menschen, die gut in der Lage sind, stressbedingte Anspannung zu lösen, von solchen, die dazu nicht oder nur schlecht fähig sind, vor allem durch ihre allgemeine Grundhaltung gegenüber der Welt und dem eigenen Leben. Diese Grundhaltung wird als Kohärenzgefühl bezeichnet. Kohärenz bedeutet innere Stimmigkeit und umfasst die Überzeugung, dass Anforderungen des Lebens als Herausforderungen und nicht als Überforderungen eingeschätzt werden. Vorhandene Möglichkeiten zur Sicherung von Gesundheit und Wohlbefinden können von einer Person desto besser genutzt werden, je ausgeprägter ihr Kohärenzgefühl ist.

      Stark ausgeprägtes Kohärenzgefühl
      Sein Ausmass wurde per Fragebogen an der Untersuchungsgruppe der Bergführerinnen und Bergführer erhoben und ergab im Mittel Werte, die als sehr stark ausgeprägtes Kohärenzgefühl zu interpretieren sind. Erwartungsgemäss zeigte sich, dass die Bergführer ohne PTBS und mit einem guten allgemeinen Gesundheitszustand die höchsten Kohärenzwerte aufweisen. Woher aber kommt nun das ausgeprägte Kohärenzgefühl der Bergführerinnen und Bergführer? Kann man annehmen, dass weitere Faktoren einen Einfluss aufdie Resistenz von Bergführern gegenüber posttraumatischen Belastungszeichen ausüben? Auf diese Fragen gibt es noch keine abschliessende Antwort. Bergführer müssen über mannigfache Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen. Diese werden ihnen in der gründlichen Aus- und Weiterbildung vermittelt und vertiefen sich mit der Erfahrung. Wer den Anforderungen dieses Berufs nicht oder nicht mehr entspricht, entscheidet sich nicht dafür oder wechselt bald. Jene, die im Beruf verbleiben, sind es gewohnt, auch unter Risiko und in belastenden Situationen Entscheidungen zu treffen und sich und anderen zu helfen. Sie stossen deshalb eher selten auf völlig unvorhersehbare Situationen und erleben sich dabei wenigerals hilflos. Eine starke Selektion durch die Berufsanforderungen, gute Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und grosse Erfahrung wirken somit vermutlich ebenfalls als Schutzfaktor.

      Aus Untersuchungen zur Psychologie des Extremsports ist bekannt, dass Extrembergsteiger über eine aussergewöhnliche Fähigkeit verfügen, starke negative Gefühle wie Angst oder Entsetzen, aber auch Schmerzen in einer Belastungssituation bis auf ein lebensnotwendiges Minimumzu verdrängen. Dadurch bleibt die Handlungsfähigkeit in der entsprechenden Situation erhalten, die Person wird nicht durch einen Panikanfallgelähmt. Ist die Gefahr vorbei, wird das verdrängte Gefühl nachgeholt, was sich beispielsweise in einem «unangebrachten» Angstanfall an einem ungefährlichen Ort äussert. Inwieweit sich diese Erkenntnisse auf Bergführer übertragen lassen, ist noch unbekannt.

      Zuletzt muss zur Erklärung der geringen Zahl von Erkrankungen auch die folgende Möglichkeit in Betracht gezogen werden: Das Ansehen der Bergführerinnen und Bergführer in der Bevölkerung ist hoch. Wer gibt da gerne zu, seit einembestimmten Ereignis unter Schlafstörungen, belastenden Erinnerungen, Schreckhaftigkeit und anderen Symptomen zu leiden? Gemäss einer WHO-Studie (vgl. NZZ vom 11. 10. 00) unternimmt rund die Hälfte aller unter arbeitsbedingten seelischen Störungen leidenden Arbeitnehmeraus falscher Scham und Angst vor einer Stigmatisierung nichts gegen ihre Beschwerden und leidet still vor sich hin. Unbehandelte PTBS-Symptome können aber unter anderem zu Alkohol- und Medikamentenmissbrauch, Beziehungsproblemen, häufigen Arbeitsplatzabwesenheiten und verminderter Einsatzfähigkeit führen. Vor diesem Hintergrund ist ein Klima, das es vielen Betroffenen verunmöglicht, über ihre Beschwerden zu sprechen, als besonders tragisch zu bezeichnen. Ethische und ökonomische Überlegungen fordern deshalb Schutzmassnahmen, insbesondere für Risikogruppen. Genaue Kenntnisse über gesund erhaltende Faktoren, die bei der Untersuchung der Bergführerinnen und Bergführer im Vordergrund standen, stellen ein Mittel dar, um dieses Ziel zu erreichen.
      Avatar
      schrieb am 06.09.01 10:40:16
      Beitrag Nr. 10 ()
      Kompliment zu diesem Forum! Es überrascht mich öfter, dass unter den Börsenfreaks auch Dichter&Denker zu finden sind. Vielleicht hat der eine oder andere mal Lust, auf unserer Site www.nietzsche.de vorbeizuschauen, wo es auch ein aktives Forum gibt?
      Avatar
      schrieb am 06.09.01 10:49:49
      Beitrag Nr. 11 ()
      ;)
      Avatar
      schrieb am 06.09.01 10:52:16
      Beitrag Nr. 12 ()
      Ja das gefällt mir.

      Wer nicht nur seine Nase zum Riechen hat, sondern auch seine Augen und Ohren, der spürt fast überall, wohin er heute auch nur tritt, etwas wie Irrenhaus-, wie Krankenhaus-Luft.
      Avatar
      schrieb am 06.09.01 11:44:18
      Beitrag Nr. 13 ()
      Verdrängung als psychische Selbsterhaltung, Das Bad im Drachenblut als Immunisierung. Wie ist es sonst zu erklären, daß die Deutschen nach 45 von allem nichts gewußt haben?

      Gruß
      H.
      Avatar
      schrieb am 06.09.01 11:53:46
      Beitrag Nr. 14 ()
      @sleepless

      Wie wahr, wie wahr, das mit der ....-Luft

      HG
      Avatar
      schrieb am 12.09.01 16:33:25
      Beitrag Nr. 15 ()
      @sleepless, aeh weil ich gerade hier bin .... aeh wg. der Sache in Berlin ... ja Du versteht das Schwulsein in den rechten Kontext zu rücken ....
      .... ist es doch am ehesten mit einer Extremsportart wie Bergsteigen oder einem Fulltime-Job wie Bergführer zu vergleichen ...
      Ich sage Dir, da gilt es täglich einen Gipfel zu erklimmen und den B. zu besteigen ......


      technostud
      Avatar
      schrieb am 12.09.01 18:35:14
      Beitrag Nr. 16 ()
      techno,entweder hast du mich nicht verstanden oder es ist dir egal.Dann soll es mir auch egal sein.
      Avatar
      schrieb am 12.09.01 18:47:16
      Beitrag Nr. 17 ()
      techno,vielleicht(wahrscheinlich)war das Rätsel zu schwer.Was mich interessierte ist,ob eine vermeintliche Schwäche durch ein Outing den Stress nimmt und man dann ruhiger wird.

      Hier noch einmal den entscheidenten Textteil.Es war ja auch zu viel.

      Gemäss einer WHO-Studie (vgl. NZZ vom 11. 10. 00) unternimmt rund die Hälfte aller unter arbeitsbedingten seelischen Störungen leidenden Arbeitnehmeraus falscher Scham und Angst vor einer Stigmatisierung nichts gegen ihre Beschwerden und leidet still vor sich hin. Unbehandelte PTBS-Symptome können aber unter anderem zu Alkohol- und Medikamentenmissbrauch, Beziehungsproblemen, häufigen Arbeitsplatzabwesenheiten und verminderter Einsatzfähigkeit führen. Vor diesem Hintergrund ist ein Klima, das es vielen Betroffenen verunmöglicht, über ihre Beschwerden zu sprechen, als besonders tragisch zu bezeichnen. Ethische und ökonomische Überlegungen fordern deshalb Schutzmassnahmen, insbesondere für Risikogruppen. Genaue Kenntnisse über gesund erhaltende Faktoren, die bei der Untersuchung der Bergführerinnen und Bergführer im Vordergrund standen, stellen ein Mittel dar, um dieses Ziel zu erreichen


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