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    Sittin Bulls elitärer Diskussionsthread für Biospohisten - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 14.03.03 11:02:27 von
    neuester Beitrag 22.04.03 06:27:46 von
    Beiträge: 103
    ID: 707.877
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      schrieb am 14.03.03 11:02:27
      Beitrag Nr. 1 ()
      Geht heute abend los.

      Ich möchte gerne mit euch diskutieren woher die Mißachtung des Lebens heutzutage kommt, oder etwas die ungenaue Wahrnehmung von Leben ( Beispiel: Katastrophe, wenn 3000 Amerikaner bei Anschlag sterben, egal, wenn tatäglich sogar noch mehr Menschen in der Welt verhungern, Frage: Wie viel mehr wert ist ein amerikanisches Leben )

      Im Zuge der Diskussion werde ich ein paar Bogen schlagen, die euch schwindelig werden lassen.

      Ohne Ressentiments, ohne Gnade, ohne politische Vorgabe.

      Unwillige sollten hier lieber nichts posten, denn dann wird euch dieser Thread wenigstens dreißig Tage verfolgen! :D
      Avatar
      schrieb am 14.03.03 11:04:14
      Beitrag Nr. 2 ()
      "Ich denke, es ist eine sehr harte Entscheidung, aber wir finden, das ist es wert."
      US-Außenministerin Albright 1996 auf die Frage, ob der Tod von 500.000 irakischen Kindern durch das Embargo der UN ein vertretbarer Preis sei.




      Die Auswirkungen des Embargos

      Die Last des Krieges tragen immer die Völker, in weit geringerem Maße die Kämpfenden und am wenigsten die jeweils herrschende politische Klasse. Die Menschenrechte der Unbeteiligten werden auf das blutigste verletzt. Den Golf-Krieg, bei dem die Infrastruktur des Landes weitgehend zerstört wurde, und das folgende Embargo, das nicht nur die Ölausfuhr, sondern auch die Einfuhr lebenswichtiger Produkte beschränkte, musste die Bevölkerung des Irak mit weit über einer Million Toten, darunter über 500.000 Kinder, bezahlen. Frau Madeleine Albright, gefragt nach den toten Kindern, sagte dazu in einer Fernsehsendung am 12.5.96: "Ich denke, dass das eine sehr schwierige Wahl war. Aber der Preis - wir denken, dass der Preis es wert ist." (zit. nach Biermann/Klönne: Ein Kreuzzug für die Zivilisation? Köln 2002, S. 36)



      http://www.grundrechtekomitee.de/milit-03.htm
      Avatar
      schrieb am 14.03.03 11:05:33
      Beitrag Nr. 3 ()
      Biosophisten dzdzdz! :cool:
      Avatar
      schrieb am 14.03.03 11:07:24
      Beitrag Nr. 4 ()
      Wir leben in der gerechtesten welt die es je gab. noch nie ging es so vielen Menschen so gut. Niemals zuvor wurde ein Menschenleben höher geschätzt als heute. Deine "Missachtung des Lebens" ist ausgemachter Quatsch.
      Avatar
      schrieb am 14.03.03 11:13:56
      Beitrag Nr. 5 ()
      zu #4:

      allerdings nicht überall:

      Die Menschenrechtssituation im Irak

      amnesty international hat in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder über massive Menschenrechtsverletzungen im Irak berichtet, von denen sämtliche Ebenen der Gesellschaft betroffen waren. Bei den meisten Opfern handelte es sich um mutmaßliche Oppositionelle und ihre Familien bzw. um Angehörige verschiedener religiöser und ethnischer Gruppen.

      U.a. wurden von ai folgende Menschenrechtsverletzungen dokumentiert:

      „Verschwindenlassen“
      extralegale Hinrichtungen und andere Formen von staatlichem Mord, darunter Massenmord an Zivilisten unter Einsatz von chemischen Waffen
      systematische Folter; darunter die Anwendung von gesetzlich vorgesehenen Strafen wie Auspeitschen, Amputation der Ohren, Brandmarken der Stirn
      extensive Anwendung der Todesstrafe
      Inhaftierung von „Gewissensgefangenen“
      Langzeithaft ohne Anklage bzw. Gerichtsverfahren
      grob unfaire Gerichtsverfahren
      Zwangsausweisungen
      Rekrutierung von Kindern in die bewaffneten Streitkräfte

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      Avatar
      schrieb am 14.03.03 11:18:49
      Beitrag Nr. 6 ()
      #4
      Der Spruch kommt ausgerechnet von dir, mouse-potato.:confused: Du kannst es doch gar nicht mehr erwarten, daß der Irak bombardiert wird.
      Avatar
      schrieb am 14.03.03 11:28:53
      Beitrag Nr. 7 ()
      @SBI,

      Du bist für dieses Board zu schlau...(ernstgemeint!) Hoffe aber, dass du mit deinen Threads, z.B.: Geld-,Indianer, so weitermachst..... Ist für die stilllen Leser immer ein Genuß!

      cu

      mokos2
      Avatar
      schrieb am 14.03.03 12:07:21
      Beitrag Nr. 8 ()
      mouse, sehr gut, das ist richtig, was du in #fünf schreibst, und schärfstens zu verurteilen.

      Das was du in #4 schreibst stimmt natürlich nicht, selbst in unseren Breitengraden nimmt die Gerechtigkeit eher ab,
      anderen wird der freie Zugang zu allen Ressourcen und damit wirkliche Gerechtigkeit mit allen Mitteln gänzlich verwehrt.


      US first, ich werde es dir beweisen.

      Und eine Brefreiung, die keine ist, sondern einen unter ein anderes, weit schlimmeres Diktat stellt, ist keine Befreiung.

      Auch das werde ich dir in diesem Thread zeigen.
      Avatar
      schrieb am 14.03.03 12:15:15
      Beitrag Nr. 9 ()
      Falsch, es ist nicht nur zu verurteilen, es ist mit allen mitteln zu kämpfen, damit dieses aufhört.


      Aber der Schurkenstaat USA wäre wohl der schlechtest mögliche Befreier. Warum, siehst du an der Homeland Security, an der New National Security-Strategy,
      an der Aushöhlung der demokratischen Grundrechte der USA,
      an Folter u.ä. an Gefangenen, sowieso an der Todesstrafe,
      an der Mißachtung sämtlicher internationalen Einrichtungen,
      all in the Name of: US first


      Und warum dies so ist, in einem Urland der Demokratie, wundert dich kein bischen?

      Wegen eines einzigen zugebenermaßen furchtbaren und tragischen Terroraktes?

      Einen Krieg gegen jeden, der nicht auf deren Seite ist?

      Selbst gegen die eigene Bevölkerung?

      Wozu wurde die UN überhaupt ( unter starker Mithilfe der USA ) überhaupt gegründet, wenn sie wenn sie gegen US first verstößt nicht mehr beachtet wird?


      Die Stärke des Rechts wurde zum Recht des Stärkeren.


      Das werde ich aufzeigen, und du solltest dir deswegen ernsthafte Sorgen um deine Zukunft machen!
      Avatar
      schrieb am 14.03.03 12:29:30
      Beitrag Nr. 10 ()
      ....:) ,...mann Sitting Bull, was Du mit Deiner Überschrift anrichtest,...
      ....hab lang und breit überall rumgesucht was Biospohisten sind und begann mir die Haare zu raufen.
      Stellte mich sogar selbst in Zweifel....anscheinend wissen hier alle was Biospohisten sind nur ich nicht.... :cry:
      OK, OK ..ich hätte weiterlesen sollen Beitrag #2....:D
      Du sorgst ech für Äckschn....
      Avatar
      schrieb am 14.03.03 12:31:03
      Beitrag Nr. 11 ()
      @sbi

      "es ist mit allen mitteln zu kämpfen, damit dieses aufhört."
      was meinst du damit, wer/was muss bekämpft werden?

      das problem bei der un ist die gefahr, dass nur noch
      paragraphenreiterei betrieben wird, anstatt sich um die
      inhalte zu kümmern. und natürlich kommt diese
      paragraphenreiterei aus den justizstaaten schlechthin,
      aus deutschland und frankreich, diplomatie ist das imho
      nicht mehr.

      mfg,
      Cole_T
      Avatar
      schrieb am 14.03.03 12:41:41
      Beitrag Nr. 12 ()
      Alles, was gegen Demokratie und Soziale Marktwirtschaft sowie in groberer Einteilung gegen Menschenrechte verstößt, muß bekämpft werden.


      Aus Unrecht wird mit Vergeltung durch Unrecht aber kein Recht!


      @ Cole_T: Sicher ist die UN nur ein paragraphenreitener, nicht wirklich demokratischer und schon längst kein gerechter Bürokratenhaufen, nur darf man ihn deswegen seine Legitimation absprechen?

      Wenn ja, dann bitte nicht durch eine einsichte Wachablösung durch US-first

      @ wolaufensie :p;)
      Avatar
      schrieb am 14.03.03 12:49:01
      Beitrag Nr. 13 ()
      Hier geht es schon los, hier fing es aber nicht an, und hier wird es nicht aufhören, wenn wir unsere Systeme weiter von uns feindlichen Kräften unterwandern lassen.

      Thread: Spiegel: Bushs zweite Front

      Welche feindliche Kräfte das sind?

      Es ist so offensichtlich, es braucht gar keine Verschwörungstheorien, weil wir selbst glauben, es wäre das gute. Dabei hat es uns das Gute nur vorgespielt, so lange es seinen Interessen diente...
      Avatar
      schrieb am 14.03.03 12:51:04
      Beitrag Nr. 14 ()
      #10

      Nun wolaufensie,

      der Biosoph ist kein von sbi kreiierter Neologismus und bedeutet in etwa
      Freund des Lebens, so, wie der Philosoph ein Freund der Sprache ist,
      und der Apostroph ist eben ein Freund der Apo .(Ausserparlamentarische Opposition)

      so easy

      Fanny
      Avatar
      schrieb am 14.03.03 12:56:17
      Beitrag Nr. 15 ()
      Danke fanessa :)
      wolaufensie meinte eher den Buchstabenverdreher, wie ich annehme!


      Gott habe ich heute viele Schreib- und Syntaxfehler

      ich mache mal Pause! :D
      Avatar
      schrieb am 14.03.03 13:01:31
      Beitrag Nr. 16 ()
      ...hmmm Biosophie scheint ne neue Was-auch-immer-Schaft zu sein...steht bei mir niergendwo drin,
      ist da mal wieder nen Privatdozent kreativ gewesen um sich ne Vollzeit-Stelle zu schaffen ?
      Aber egal.....es ging mir eigentlich nicht so sehr darum zu wissen was Biosophisten sind , sonder Biospohisten.....:) ja, ja ...ich weiss..der Fehler liegt bei mir...:)
      Avatar
      schrieb am 14.03.03 13:03:35
      Beitrag Nr. 17 ()
      Hi,

      den Dreher hatte ich gar nicht bemerkt, da mir der Terminus aus Diskussionen in der Kinderkrippe hochgeläufig war, und somit sofort richtig assoziiert wurde.

      sorry

      Fanny
      Avatar
      schrieb am 15.03.03 00:48:17
      Beitrag Nr. 18 ()
      was ist jetzt bull, wars das schon von der ach so elitären Biosophie-Gesellschaft?
      Avatar
      schrieb am 15.03.03 09:38:02
      Beitrag Nr. 19 ()
      . . .
      er legt Zeugnis ab, über Verbrechen gegen die Menschen, über Verfolgung, Vertreibung, Massenflucht, Aussiedlung und Ausrottung
      . . .

      der Taten gegen die Menschlichkeit über fünf Jahrtausende hinweg´. Taten in Namen vön Königen, von Völkern, in Namen der Freiheit ebenso wie im Namen der Staatsräson oder der Religion.


      Azszug über: Das Schwarzbuch der Menschheit, von Hans Dollinger


      ********************************************************


      Bis heute ist es so, es ist egal, in welchem Namen unterdrückt und ausgerottet wird, es ist in jedem Fall ein Verbrechen.

      Ich möchte jetzt hier erstmal anfangen, Zustände heute zu beschreiben, und dann auf die Ursachen eingehen.
      Avatar
      schrieb am 15.03.03 10:04:51
      Beitrag Nr. 20 ()
      II. Machtstrukturen der Globalisierung

      1) Die neue Qualität der Globalisierung

      "Was die Weltwirtschaft anlangt, so ist sie verflochten" ­ auf diesem analytischen Niveau des Satirikers Kurt Tucholsky bewegen sich die Verfechter der These, dass Globalisierung kein neues Phänomen sei, sondern nichts weiter als eben die altbekannte Tatsache der weltwirtschaftlichen Verflechtung. Gerne wird auch darauf verwiesen, dass der Außenhandelsanteil am Bruttosozialprodukt Großbritanniens 1913 mit 45% höher gewesen sei als heute. Tatsächlich jedoch handelt es sich bei der Globalisierung unserer Zeit um völlig neue Dimensionen und auch um eine völlig neue Qualität.

      Während die Weltproduktion seit 1945 um das Fünf-fache gestiegen ist, wuchs der Welthandel um das Zwölffache (John Gray: Die falsche Verheißung. Berlin 1999, S.78). In Deutschland zum Beispiel gehen heute 30% des gesamten Bruttoinlandsprodukts in den Export. Doch noch drei mal schneller als der Handel mit Gütern und Diensten entwickelten sich weltweit die Ausländischen Direktinvestitionen (ADI), also der Aufbau von Produktionsanlagen im Ausland (Klaus Dörre: Globalisierung ­ Ende des rheinischen Kapitalismus? In: Dietmar Loch/Wilhelm Heitmeyer: Schattenseiten der Globalisierung. Frankfurt/Main, 2001. S. 67f.) Drei Viertel dieser ADI werden von den 300 größten globalen Unternehmen getätigt, den die Weltwirtschaft bestimmenden Transnationalen Konzernen (TNK). (Werner Biermann/Arno Klönne: Globale Spiele. Köln 2001, S.175)

      Über 40 der hundert größten TNK realisieren bereits mehr als 50 Prozent ihrer Umsätze im Ausland. (Klaus Dörre, a.a.O., S. 72) Für die TNK geht es dabei keineswegs nur darum, im jeweiligen Ausland Produkte für den dortigen Markt herzustellen, sondern vor allem auch um die globale Diversifierung der Wertschöpfungskette des Konzerns. In ein Produkt, das schließlich weltweit vertrieben wird, gehen produktive Beiträge aus vielen Ländern ein.

      Während Forschung und Entwicklung und das Geld- und Kreditgeschäft in der Regel im hochentwickelten Heimatland verbleiben, werden zum Beispiel arbeitsintensive Vorgänge eher in Länder verlegt, wo die Arbeitskosten niedrig sind.

      Die Informationstechnologie ermöglicht die globale Abstimmung des Produktionsverlaufs und damit dem Management, die jeweils günstigsten nationalen Bedingungen an Löhnen, Steuern, Krediten, Subventionen, Transportkosten usw. auszuschöpfen. Diese globale Diversifikation ist so weit fortgeschritten, dass heute bereits ein Drittel des Welthandels sogenannter "intrafirm trade" ist, also innerhalb der TNK selbst stattfindet. (UNCTAD: World Investment Report 2000, S. 17)

      Das Ausnutzen der globalen Extraprofite, das ihnen seit 1982 weit höhere Gewinne beschert, als der Rest der Unternehmen aufweisen kann, hat den TNK eine überragende Stellung in der Weltwirtschaft eingebracht:

      Sie kontrollieren ein Drittel der Weltproduktion und zwei Drittel des Welthandels. (John Gray, a.a.O., S. 89) Mehr als ein Viertel der gesamten Wirtschaftsaktivität der Welt kommt als Einnahmen in die Kassen der 200 größten Konzerne zurück. (Der Spiegel, 30/2001). Ihre wirtschaftliche Potenz misst sich mit denen hochentwickelter Nationalstaaten. Unter den hundert größten Wirtschaftskomplexen der Welt befinden sich 49 Staaten, aber schon 51 Konzerne. Ein Konzern wie General Motors erzielt einen Jahresumsatz, der dem Bruttosozialprodukt Belgiens entspricht.

      So gewaltig Umsätze und internationale Warenströme auch geworden sind, so werden sie doch noch weit übertroffen von den Werten, die das internationale Finanzkapital um den Globus bewegt.

      98% aller Devisentransaktionen haben überhaupt nichts mit Warenaustausch zu tun, sondern sind in der Regel rein spekulativ. 95% weisen eine Anlagedauer von weniger als acht Tagen auf, beziehen sich also nicht auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes oder irgendein produktives Vorhaben, sondern sollen einen schnellen Schnitt machen im Manipulationsgeschäft mit Währungen und Kursen aller Art. Da die täglich bewegte Summe von 1,2 Billionen Dollar fast doppelt so hoch ist wie Reserven aller Zentralbanken zusammen genommen, ist die Manipulationsmacht des internationalen Finanzkapitals enorm.

      Da es außerdem in der Regel auf Prozesse setzt, die es selbst nachhaltig beeinflussen kann ­ die Kursentwicklung von Devisen, Aktien, Rohstoffen usw. ­ entscheidet das Finanzkapital über das Geschick ganzer Volkswirtschaften und Regionen.

      Für das Finanzkapital wie für die Trans-nationalen Konzerne ist allerdings entscheidend, dass eine internationale Wirtschaftsordnung hergestellt ist, worin sie sich möglichst ungehindert bewegen können.



      2) Die "weichen" Machtfaktoren

      Im Zentrum der Globalisierungsstrategie der Reichen Länder stand zunächst die Umfunktionalisierung von Institutionen der Vereinten Nationen zu Werkzeugen der Durchsetzung einer rigiden neoliberalen Weltwirtschaftsordnung. Internationaler Währungsfonds (IWF), Weltbank und Welthandelsorganisation (WTO) sind zwar formal Sonderorganisationen der UN, de facto aber reine Erfüllungsgehilfen der Reichen Welt.


      Der IWF kontrolliert über "Supervision" und "Konsultationen" die Währungs- und Finanzpolitik der meisten Länder der Welt, und mit den "Sonderziehungsrechten" reguliert er die Bereitstellung internationalen Geldes.

      Die USA, Deutschland, Japan, Frankreich und Großbritannien verfügen allein über 40% der Stimmrechte. Ähnlich funktioniert die Weltbank, die jährlich rund 30 Milliarden Dollar für Kapital-hilfe an Entwicklungsländer vergibt. (Vgl. dazu "Real exis-tierende Strukturen internationaler politischer Regulierung" in: BrandBrunnenbräber Schrade StockWahl: Global Governance. Münster 2000, S. 89­128)

      Sind IWF und Weltbank die Instrumente für Währungs-, Finanz- und Strukturpolitik, so kommt auf dem Feld des internationalen Handels die WTO zum Zuge. Ihr offizielles Ziel ist die vollständige Liberalisierung des Welthandels durch den Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen. Die WTO mit ihren heute 142 Mitgliedsstaaten hat 1994 das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) abgelöst. Zu den wichtigsten Neuerungen zählt die Einrichtung des Dispute Settlement Body (DSB), der Streitfragen rechtsverbindlich schlichtet und auch Geldstrafen und Entschädigungsleistungen fest-legen kann. Nationale Versuche, die eigene industrielle Entwicklung vor dem Zugriff des globalen Kapitalismus zu schützen, können so von der WTO als "unerlaubte Handelshemmnisse" gebrandmarkt und in der Regel zu Fall gebracht werden (a.a.O., S. 105).

      Den Gipfel dieser Institutionen, die dem internationalen System die Regeln der neoliberalen Marktwirtschaft, der Demokratie und Menschenrechte nach westlichem Verständnis auferlegen, bilden die G7, die Gruppe der sieben führenden westlichen Industrienationen (USA, Japan, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Italien, Kanada; die EU nimmt teil, Russland ist seit 1992 formal als achtes "Mitglied" dabei, hat aber keine Mitentscheidungsrechte).

      Ohne ein Mandat oder gar die Kontrolle der Vereinten Nationen bestimmen die G7 mittlerweile nicht nur die Grundlagen der internationalen Wirtschaftspolitik, sie legen vielmehr die Parameter für alle relevanten Felder der Weltpolitik fest, von Sicherheitsfragen über den Umweltschutz bis zur Sozial- und Arbeitspolitik.

      Mithilfe solcher und vieler ähnlicher nachgeordneter Einrichtungen ist es der Reichen Welt gelungen, dem internationalen System Strukturvorgaben zu verordnen, die es auch ohne die Ausübung direkten Zwangs in der gewünschten Richtung hält.

      Für diese Herrschaftsausübung mittels "weicher" Machtfaktoren hat die Politologie den Terminus "strukturelle Macht" hervorgebracht. (Vgl. Susan Strange: The Persistent Myth of Lost Hegemony. In: International Organization 41, 1987, S. 551­574)

      Solche "weiche" Macht kann aber nur funktionieren, wenn ihre ideologischen Grundlagen von den Unterworfenen anerkannt werden: die Werte des Westens wie Pluralismus, Individualismus und materieller Eigennutz als prägende Normen des gesellschaftlichen Zusammenlebens müssen als "universal", als überall und für jedermann verbindlich, anerkannt werden. Sobald dies nicht mehr gewährleistet ist, müssen "weiche" von harten Machtfaktoren abgelöst oder zumindest ergänzt werden.

      3) Die "harten" Machtfaktoren der "neuen Weltordnung"

      Von der Prägekraft seiner Werte war der Westen allerdings immer nur im Verbund mit den härtesten aller Machtfaktoren überzeugt.

      Seine "neue Weltordnung" verkündete der damalige US-Präsident George Bush im Januar 1991 als Erläuterung der Bombenangriffe auf den Irak, dem umfangreichsten Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg und dem Vietnamkrieg der USA. Die USA hatten den Irak hoch gerüstet und zum Krieg gegen den Iran gedrängt und ihn dabei auch mit Aufklärung und direkten Militäraktionen unterstützt. Als Saddam Hussein dennoch die eigenen Ölvorräte selbst vermarkten wollte, wurde er zum "Wiedergänger Hitlers", und der Irak wurde zunächst mit Bomben und dann mit einem Embargo belegt, was möglicherweise zwei Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Für Bush gehörte dies zur "großen Idee", worin "verschiedene Nationen sich in einer gemeinsamen Sache vereinen, um die universellen Hoffnungen der Menschheit zu verwirklichen: Frieden und Sicherheit, Freiheit und die Herrschaft des Rechts" (vgl. Leo Mayer/Fred Schmid: "Kollektiver" Kapitalismus. Manuskript, S. 1. Das Buch "Die Macht der Multis" erscheint im Frühjahr 2002 im Neue Impulse Verlag, Essen.) Die USA, sagte Bush damals, "fühlen sich berufen, die Welt aus dem Dunkel und dem Chaos der Diktatur zur Verheißung besserer Tage zu führen".!!!!!!!

      Auf welchem Wege man zur Verheißung gelangen würde, erklärte dann der Nachfolger Bill Clinton. In seiner Stellungnahme zur "NationalSecurityStrategyof Engage-ment and Enlargement" stellte der US-Präsident 1994 fest: "Unsere nationale Sicherheitsstrategie besteht darin, die Gemeinschaft der Marktdemokratien zu vergrößern und gleichzeitig eine Reihe von Bedrohungen gegen unsere Nation, unsere Verbündeten und unsere Interessen abzuwehren." (Vgl. Biermann / Klönne, a.a.O., S. 152).

      Der Mann aus Arkansas, den mancher wegen seiner Frauengeschichten zu Unrecht für einen Liberalen hält, sprach Klartext: nicht um "die universellen Hoffnungen der Menschheit" ging es, sondern um die Schaffung neuer "Marktdemokratien"; nicht um die "Verheißung besserer Tage", sondern um "unsere Interessen". Zum ersten Mal verbanden die USA ihre "nationale Sicherheitsstrategie" offen mit dem Umsturz von Gesellschaftssystemen, die nicht in den Entwurf der imperialistischen Globalisierung passten: mehr Länder mit Marktdemokratie sollten her.

      Drei Jahre später legt Clinton seine "National Security Strategy for a New Century" vor, worin nun alle Instrumente exakt auf die Bedürfnisse einer möglichst störungsfreien Globalisierung ausgerichtet sind:

      Erstens müsse man gerüstet sein, regionale Konflikte, Terrorismus und Drogenhandel zu bekämpfen, die deshalb schädlich seien, weil US-Wohlstand und US-Arbeitsplätze von einer weltweit stabilen Wirtschaft abhingen;

      zweitens müsse man die US-Armee umrüsten von einer Armee, die zwei Großkonflikte gleichzeitig führen könne, auf eine Streitkraft, die an vielen Punkten der Welt den jeweils sehr individuellen Herausforderungen gewachsen sei, die also jederzeit auf jede Herausforderung mit den nötigen Eingreiftruppen reagieren könne. (A.a.O., S. 169f.)

      Kernstück dieser Strategie ist das Konzept der "strategischen Kontrolle", mit der "angestrebt werden (soll), sich durchsetzen zu können, ohne wie bisher das gegnerische Territorium zu besetzen. Vielmehr soll mittels einer gründlichen Durchleuchtung des Gegners die Möglichkeit geschaffen werden, durch eine präzise Zerstörung der militärischen, industriellen und politischen Ressourcen den Gegner zu besiegen.

      Das soll durch den Einsatz der Luftwaffe geleistet werden. Bei Kampfhandlungen werden Bodentruppen kaum benötigt, höchstens im Rahmen der politischen Lösungen." (Paul-Marie de la Gorce: A New Balance of Power: Moving Targets. Le Monde Diplomatique (English Edition), September 2000. Zitiert nach Biermann/Klönne, a.a.O., S. 166)

      Zur strategischen Kontrolle der einzelnen Konflikte addierten die USA die strategische Kontrolle des Globus schlechthin: Mit dem NMD, dem Nationalen Raketen-Programm, wollen die USA einen undurchdringbaren Schild um sich legen und gleichzeitig auch ihre Partner gegen jeden Raketenangriff sichern, weil sie überall auf der Welt die Raketen schon beim oder sogar schon vor dem Abschuss ihrerseits vernichten würden.

      Ein perfektes Programm für den globalen Sheriff und Scharfrichter in Personalunion.

      Parallel zu den USA qualifizierte die NATO ihre eigene Verteidigungsdoktrin. 1991 ­ wir erinnern uns: Golfkrieg, die neue Weltordnung von US-Päsident Bush ­ stellte auch die NATO ein "Neues strategisches Konzept" vor. Das "Verteidigungsbündnis" entdeckt völlig neue "Sicherheitsrisiken": die "Verbreitung von Waffenvernichtungswaffen, Unterbrechung der Zufuhr lebenswichtiger Ressourcen sowie Terror- und Sabotageakte". (Vgl. Mayer/ Schmid, a.a.O., S.28) 1999 schließlich, es ging um die Vorbereitung des Angriffs auf Jugoslawien, warf die NATO alle Fesseln von sich. Jetzt sollte es gar nicht mehr um die Verteidigung des NATO-Gebiets gehen, sondern um die Durchsetzung von "gemeinsamen Werten", von "Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit", wo auch immer in der Welt nach dem Befund der NATO solche Werte in Gefahr sein sollten. Der deutsche Außenminister Fischer wird seit dem Nato-Krieg gegen Jugoslawien nicht müde darauf hinzuweisen, dass die "westliche Wertegemeinschaft" aufgerufensei<%-3>, einneues"Auschwitz" zu verhindern. Mit dieser beispiellosen Relativierung des Nazi-Völkermords haben es Fischer und Co. verstanden, das deutsche Volk nach und nach kriegsbereit zu stimmen. Beim Golfkrieg waren nur 17Prozent für den Einsatz deutscher Bodentruppen vor Ort, beim Kosovo 19Prozent und jetzt gegen Afghanistan wünschen sich schon 58Prozent der Deutschen eigene Truppen im Hindukusch. (Spiegel, 41/2000).

      Indem die NATO sich selbst das Recht zuspricht und auch in die Hände nimmt, im Auftrag der Menschheit zu handeln, hebelt sie natürlich das Privileg der UN aus, in eben diesen Fragen tätig zu werden. In Art. 53, §1, Satz 2 der UN-Charta wird zwar ausdrücklich verboten, ohne Ermächtigung des Sicherheitsrates der UN Zwangsmaß-nahmen auf Grund regionaler Abmachungen oder seitens regionaler Einrichtungen zu ergreifen. Dies hat aber zum Beispiel die NATO beim Angriff auf Jugoslawien nicht gestört, sie hat sich selbst "mandatiert". Wahrscheinlich ging sie davon aus, dass Russland, das als Ständiges Mitglied des Sicherheitsrates sein Veto hätte einlegen können, Schwierigkeiten machen würde.

      In solchen Fällen müssen die weltweiten Verfechter der Menschenrechte natürlich Ausnahmen von den demokratischen Regeln machen. Normalerweise ist das seit dem Zusammenfall des Realsozialismus nicht mehr nötig, da der Sicherheitsrat der UN meist auf Zuruf der USA und ihrer Partner funktioniert. So durften die Russen im Auftrag des Sicherheitsrates in Georgien für "Sicherheit" sorgen, die Franzosen in Ruanda, die NATO in Bosnien und Herzegowina, die USA in Somalia und Haiti. Die UN haben, neben der globalen Wirtschaftspolitik, längst auch die "kollektive Sicherheitspolitik" aufgegeben. (Vgl. Berthold Meyer: Kollektive Sicherheit oder Weltinnenpolitik? In: Claus Leggewie/Richard Münch: Politik im 21. Jahrhundert. Frankfurt/Main 2001, S. 359-374)



      III. Gewinner und Verlierer der Globalisierung

      Ganz im Gegensatz zur Propaganda der Reichen - die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung überschrieb ihren Vorbericht zum WTO-Treffen in Katar:

      "Globalisierung ist gut für die Armen" (FAZ, 28.20.01) ­ sorgt die Globalisierung für immer größere weltweite Ungleichheit. Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer. .

      Der sogenannte GINI-Koeeffizient, mit dem die Diskrepanz zwischen dem obersten und dem untersten Fünftel der Einkommensverteilung gemessen wird, hat sich von 1960 bis 1990 von 1:30 auf 1:60 geöffnet, d.h. das reichste Fünftel der Erde hatte 1960 30mal mehr als das ärmste und 1990 60mal mehr. "Von 1990 bis 1997, als die Globalisierung sich beschleunigte, stieg er noch einmal von 1:60 auf 1:74." (Global Governance, a.a.O., S. 11 ­ die Daten wurden vom UN-Entwicklungsprogramm UNDP errechnet). Der Anteil des ärmsten Fünftels der Menschheit am Welteinkommen fiel von 1989 bis 1998 von 2,3% auf 1,4%. Das Pro-Kopf-Einkommen in 20 zentralafrikanischen Staaten ist heute niedriger als Ende der Siebziger Jahre (Anthony Giddens: Entfesselte Welt. Frankfurt 2001, S. 27f.)

      Das Elend der Armen Welt ist nicht bloß auf den "Selbstlauf der Marktkräfte" zurückzuführen, die "sanften Machtfaktoren" des globalen Systems haben kräftig mitgeholfen.

      Seitdem IWF und Weltbank ihre Programme der "Strukturanpassung" aufgelegt haben, hat die Verschuldung Schwarzafrikas um 400 Prozent zugenommen. (Biermann/Klönne, a.a.O., S. 220) Für die Gesamtheit der Entwicklungsländer ist die Verschuldung in den letzten zehn Jahren um 70% gestiegen.

      Die Armen Länder haben jährlich sieben mal so viel an Schuldendienst in die Reichen Länder zu überweisen, wie sie an Entwicklungshilfe erhalten.

      So entschieden die Reichen verlangen, dass die Entwicklungsländer alle Hemmnisse für ihre Produkte und ihre Investitionen aus dem Weg räumen, so skrupellos schotten sie die eigenen Märkte gegen Produkte aus der Armen Welt ab. Selbst der Chef der WTO, Mike Moore, muss zugeben, dass eine wirklich zweiseitige Handelsliberalisierung den Armen Ländern Hunderte Milliarden Dollar einbringen würde. Doch stattdessen subventionieren die OECD-Staaten ihre eigene Landwirtschaft.

      Zunächst geht es beim Export der Armen überwiegend um Agrarprodukte ­ mit jährlich 300 Milliarden Dollar, was wiederum dem Siebenfachen der Entwicklungshilfe entspricht. Auch in der zentralen Frage der Patente, wo die Armen um Sonderkonditionen bitten, sind die Reichen bisher hart geblieben. Dies gilt auch bei Arzneimitteln, was ein millionenfaches Todesurteil für die Menschen in der Armen Welt bedeutet. 13 Millionen Afrikaner sind bereits an Aids gestorben, 23 Millionen sind infiziert, 10 Millionen Kinder sind durch Aids zu Waisen geworden. (FAZ, a.a.O.) Die Pharma-Konzerne hat dies nicht dazu bewegen können, diesen Ländern Ausnahmepreise für ihre Heilmittel einzuräumen. Die auf dem G7-Gipfel gewährte "Aids-Hilfe" ist lächerlich; die eine Milliarde Dollar müssen die Armen Länder an zwei Tagen an Zinsen und Tilgung für ihre Schulden leisten, und im übrigen werden die Mittel an die Pharma-Konzerne überwiesen, die bei ihren hohen Preisen bleiben.



      Globalisierung tötet

      Globalisierung tötet. Alle zwei Stunden verhungern mehr Menschen, als bei dem Anschlag auf das World Trade Center ums Leben kamen. Jeder siebte Mensch, jedes fünfte Kind ist unterernährt, obwohl die globale Produktion an Lebensmitteln den Bedarf bei weitem übertrifft.





      Drei Milliarden Menschen, die Hälfte der Erdbevölkerung, müssen mit weniger als 2 Dollar pro Tag auskommen; 1,3 Milliarden haben nicht einmal einen Dollar am Tag. In Indonesien leben 40 Prozent der über 200 Millionen Einwohner unterhalb dieser offiziellen Armutsgrenze. Eine Milliarde Menschen, jeder vierte Erwerbsfähige, ist ohne Arbeit. Zwei Milliarden Menschen leiden an mangelbedingter Anämie (Vgl. u.a. die jeweiligen Ausgaben des "Human Development Report", die vom United Nations Development Programme, New York, zusammengestellt werden).

      Während große Teile der Menschheit in Armut und Elend versinken, häufen die Nutznießer der Globalisierung in den Industrieländern phantastischen Reichtum auf. Die 15 reichsten Personen haben ein größeres Vermögen als das Bruttosozialprodukt aller Schwarzafrika-Staaten.

      Das Privatvermögen der 225 Reichsten entspricht fast dem Jahreseinkommen der Hälfte der Menschheit.

      Doch verdeckt die Formel von der "Reichen Welt" den Umstand, dass die Globalisierung dafür sorgt, dass auch in diesem Teil der Welt die Schere zwischen Arm und Reich sich immer weiter öffnet. Neoliberale Globalisierung, stellt Jonathan Gray, der frühere Wirtschaftsberater der britischen Premierministerin Thatcher fest, bedeutet den "Wettbewerb der Nationalstaaten um den Abbau von Lenkungsmaßnahmen und sozialen Sicherungssystemen" (Gray, a.a.O., S. 119). Da Arbeit in Billiglohnländer verlagert wird ­ "die Löhne werden jetzt in Peking gemacht" ­ erreicht der freie Markt in den Industrieländern genau das, was der Sozialismus nie geschafft hat: "er lässt das bürgerliche Leben absterben", führt zu Reproletarisierung und der Entbürgerlichung der Mittelschichten (a.a.O, S. 102). "Die Beschäftigung der armen Armen stürzt die reichen Armen ins Elend; noch ärmer geworden, und den armen Armen näher gerückt, werden sie ihrerseits geringere Ansprüche stellen." (Viviane Forrester: Der Terror der Ökonomie. München 1998, S. 147).

      Aha, nicht unsere Sozialsysteme sind schuld an unserer mißlichen Lage, sondern Globalisierung und Neoliberalismus!

      Die Zahlen bestätigen den düsteren Befund: In den USA ist der Durchschnittslohn von 80 Prozent der Beschäftigten von 1973 bis 1995 um 18% gesunken, während die Einkommen der Manager um 19% gestiegen sind. Top-manager verdienen mittlerweile das 150fache eines Arbeiters (Gray, a.a.O., S. 158f.; vgl. auch Richard D. Wolff: Die US-Wirtschaft im Jahr 2000. In: isw-report Nr. 43. S.11­15).

      50 Millionen, fast 20Prozent der US-Bevölkerung, gelten offiziell als arm, 40 Millionen haben keine Krankenversicherung, 52 Millionen sind Analphabeten, schon deshalb zu Verlierern der Globalisierung verurteilt. (Vgl. Viviane Forrester: Die Diktatur des Profits. München 2001, S. 69ff) Die Europäische Union ist wie in der Glo-balisierung auch hier den USA auf den Fersen: Sie weist offiziell 20 Millionen Arbeitslose und 50 Millionen Arme auf. (Biermann/Klönne, a.a.O., S. 198f.)

      Dem fortgeschrittenen Elend in den USA entspricht die wachsende "Anomie", das Auseinanderfallen der sozialen Beziehungen und die Zunahme der Kriminalität. Fünf Millionen Menschen befinden sich in den USA im Strafvollzug (was u.a. der Arbeitslosenstatistik aufhilft, denn Strafgefangene werden nicht zur erwerbsfähigen Bevölkerung gezählt).

      In der Hauptstadt Washington, DC, sind 40 Prozent der männlichen Farbigen zwischen 18 und 35 Jahren entweder im Gefängnis, auf Bewährung, auf der Flucht oder vor Gericht.

      Die Anwort der Reichen und Mächtigen besteht nicht etwa in der Entwicklung von Ausbildungs- und Arbeitsprogrammen, sondern in der Verschärfung der Gesetze und der Stärkung der polizei-lichen Schlagkraft. Gegen Elend und Kriminalität versuchen die Reichen sich in speziell bewachten Festungen abzuschotten. 28 Millionen Menschen, 10 Prozent der US-Bevölkerung, wohnen in sogenannten "gated communities", eigenen Wohnbezirken, die von privaten Wachgesellschaften geschützt werden. (Gray, a.a.O., S.161f)

      In der Organisation ihrer eigenen Gesellschaft, Inseln des Reichtums zu sichern inmitten einer verrottenden Umgebung, die nach Bedarf polizeilich diszipliniert wird, lässt sich unschwer das Muster der nach dem 11.9.2001 angestrebten Globalisierung erkennen.

      So wird es kommen, Townsends für alle!



      IV. Der "Krieg gegen den Terror": Die neue Sicherheitsstrate…

      1) Die ideologische Munition

      Nichts hat die Verfechter des "Kriegs gegen der Terror" hierzulande mehr aufgebracht, als die Feststellung der indischen Schriftstellerin Arundhati Roy, Osama bin Laden sei der "dunkle Doppelgänger des amerikanischen Präsidenten. Der brutale Zwilling alles angeblich Schönen und Zivilisierten.


      Er ist aus der Rippe einer Welt gemacht, die durch die amerikanische Außenpolitik verwüstet wurde, durch ihre Kanonenbootdiplomatie, ihr Atomwaffenarsenal, ihre unbekümmerte Politik der unumschränkten Vorherrschaft, ihre kühle Missachtung aller nichtamerikanischen Menschenleben, ihre barbarischen Militärinterventionen, ihre Unterstützung für despotische und diktatorische Regimes, ihre wirtschaftlichen Bestrebungen, die sich gnadenlos wie ein Heuschreckenschwarm durch die Wirtschaft armer Länder gefressen haben. Ihre marodierenden Multis, die sich die Luft aneignen, die wir einatmen, die Erde, auf der wir stehen, das Wasser, das wir trinken, unsere Gedanken."

      Entrüstet fragt der Kommentator der `Zeit`: "Welche Logik erlaubt es, beliebige Amerikaner für die Politik beliebiger Regierungen ihres Landes mit dem Tode zu bestrafen? Und welche Logik, umgekehrt, erlaubt es den Intellektuellen beliebiger Staaten der Dritten Welt, sich mit den (übrigens bloß unterstellten) Motiven eines beliebigen Terroristen zu identifizieren?" (Zeit, 4.10.2001) Von all dem, was da an rhetorischen Fragen aufgeworfen wird, ist bei Roy nichts zu lesen. Sie nennt Bin Laden einen "dunklen Doppelgänger des amerikanischen Präsidenten", den sie offenbar verabscheut. Sie sagt, Bin Laden, ist aus der Rippe einer Welt gemacht, deren ungeheuerlicher Zustand vor allem den USA zur Last zu legen ist. Offenbar missbilligt sie diesen Weltzustand, doch erkennt sie im Handeln der Terroristen die Obszönität der Zustände wieder. Dass dieser Zusammenhang, dieses Spiegelbild gezeigt wird, bringt den Zeit-Autor um den Verstand. Dass Roy "Amerika mit den Ursachen dieses Elends identifiziert", lässt ihn der indischen Schriftstellerin "paranoiden Beziehungswahn" bescheinigen.

      Selbstverständlich muss er dies tun, wenn er die Haltung der USA und ihrer Partner rechtfertigen will. Denn, wie Erhard Eppler, der im übrigen Kritiker in seiner SPD zu Mitläufern des Terrorkriegs zu machen versucht, im zaghaften Konjunktiv konstatiert:


      "Sollte es stimmen, dass die globalisierte Wirtschaft weltweit nur einen geringen Teil der arbeitsfähigen Menschen brauchen kann, so wäre dies nicht nur inhuman, es würde auch privatisierte, kriminalisierte und schließlich chaotische Gewalt freisetzen." (Spiegel, 41/2001). Nun ist es aber so, dass Arbeitslosigkeit und Hunger, Krankheit und Tod auf der Welt außerordentlich viel damit zu tun haben, dass ein großer, wachsender Teil der Menschheit "von der globalisierten Wirtschaft nicht gebraucht" bzw. entsprechend seinen Profitvorgaben verbraucht wird.


      Wir haben schon festgestellt, dass jeder vierte Erdenbürger unter der Armutsgrenze lebt, dass jeder vierte Erwerbsfähige ohne Arbeit ist und dass jedes fünfte Kind Hunger leidet, und dass dieses Elend die Kehrseite der Produktionsmaschine des globalen Imperialismus darstellt.

      Die imperialistische Globalisierung ist ein permanenter Bruch der elementaren Menschenrechte.

      In Artikel 23 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ­ von den Vereinten Nationen im Dezember 1948 beschlossen ­ ist festgelegt: "Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf angemessene und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz gegen Arbeitslosigkeit." In Artikel22 wird die "Soziale Sicherheit" zu einem Grundrecht des Menschen erklärt: "Jeder Mensch hat als Mitglied der Gesellschaft Recht auf soziale Sicherheit; er hat Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der Organisation und der Hilfsmittel jedes Staates in den Genuss der für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen."

      Der neoliberale Kapitalismus und die neoliberale Globalisierung, die ideologisch eine Vielzahl von Modernisierungsverlierern postulieren, damit sich ihre Art von Fortschritt durchsetzen kann, und die in der Praxis schon mehr als die Hälfte der Menschheit zu Verlierern, zu Opfern gemacht haben, bilden eine monströse Struktur der permanenten Menschenrechtsverletzung. Andererseits reklamieren sie für sich unter Hinweis auf die Gefährdung oder Verletzung von Menschenrecht das Recht, ja die Pflicht zu militärischen Eingriffen überall dort, wo es ihren Interessen zuwiderläuft. Dass der Bock sich hier zum Gärtner aufschwingt, dass die Menschenverachtung von Terroristen dem Zugriff der Globalisierer entspringt und entspricht, darf nicht ausgesprochen werden. Wer dieses Tabu bricht, muss entweder auch zum Kriminellen ­ US-Präsident Bush: entweder man schließt sich dem Kreuzzug gegen den Terrrorismus an oder man steht an der Seite der Terroristen ­ oder aber zum Wahnsinnigen gestempelt werden, was die "Zeit" pflichtschuldigst erfüllt, wenn sie Roy und ihresgleichen als "paranoid" wegsperren will.

      Natürlich sind nicht nur die Menschen, die das Elend der Globalisierung als Nährboden des Terrors ansehen, paranoid, sondern vor allem die Terroristen selber. Gelten sie als "geisteskrank", muss man sich um eventuelle Motive ihres Handelns jenseits der Psychiatrie nicht mehr kümmern. Für diese Art der propagandistischen Zurichtung ist in unserem Land seit längerem Hans Magnus Enzensberger zuständig, der schon Saddam Hussein als Hitlers Wiedergänger ausgemacht hatte, "Ausdruck einer stets mobilisierbaren Zerstörungs- und Selbstzerstörungsbereitschaft, die sich ihre Anlässe und Gegenstände nach Belieben sucht." (Zeit, 31.10.2001). Auch Bin Laden und Gefolgsleute sind höchstens Fälle für die Geschlossene Abteilung: "Auf die Frage, woher ihre psychische Energie stammt, die den Terror speist, kann die ideologische Analyse jedoch keine Antwort geben. Vorgaben wie links oder rechts, Nation oder Sekte, Religion oder Befreiung führen genau zu denselben Handlungsmustern. Der gemeinsame Nenner ist die Paranoia. Auch im Fall des New Yorker Massenmordes wird man sich fragen müssen, wie weit das islamistische Motiv trägt; jede beliebige andere Begründung hätte es auch getan." (A.a.O.)




      Conrad Schuhler, Journalist (München) ist Mitarbeiter des isw e.V.




      http://www.kulturkritik.net/Oekonomie/Globalisierung/txt_glo…
      Avatar
      schrieb am 15.03.03 10:47:23
      Beitrag Nr. 21 ()
      Die Globalisierung ist ein Segen. Sie fördert die Demokratie, den Wohlstand und macht Kriege unwahrscheinlicher.
      Avatar
      schrieb am 15.03.03 12:14:17
      Beitrag Nr. 22 ()
      Die Frage ist, wessen Wohlstand sie fördert.

      Und wie lange freiheitliche Interessen den Interessen der jetzt Herrschenden entsprechen, Kriegswirtschaft und Antidemokratische Tendenzen in den USA sprechen ja Bände...


      BUSHS ZWEITE FRONT

      Angst vorm Dolchstoß aus der Heimat

      Von Jochen Bölsche

      Die "Achse des Bösen", fürchten US-Konservative, ragt tief hinein in God`s Own Country. Zur Festigung der Heimatfront forciert das Weiße Haus "schwarze" Propaganda-Aktionen, Terrorismus dient Hardlinern als Vorwand, Dissidenten einzuschüchtern und Bürgerrechte abzubauen. Ex-Präsident Jimmy Carter sieht Amerika schon auf dem Weg in den Unrechtsstaat.




      What a wonderful war. "Intelligente Waffen" zischen über den Nachthimmel, mit "chirurgischer Präzision" lösen sie schaurig schöne Detonationen aus - Bagdad 1991.
      Alles Schwindel. Ein Jahrdutzend nach dem Golfkrieg räumt der TV-Sender CNN ein, dass die einst gesendeten Bilder "genau das Gegenteil von dem suggerierten, was sie tatsächlich beinhalteten": 56.000 Tonnen Sprengstoff, rund 70 Prozent der von der Air Force auf den Irak abgeworfenen Bomben, verfehlten ihr Ziel, Zigtausende von Zivilisten kamen um.

      Selbstkritisch bekennt der Sender auf seiner deutschen Website, damals von den Militärs instrumentalisiert worden zu sein, die das Fernsehen als Waffe entdeckt hatten: Nachdem Horror-Fotos aus dem Vietnamkrieg in den Sechzigern dazu geführt hatten, "dass die `Heimatfront` in den USA und im Rest der Welt zusammenbrach", habe sich führenden US-Militärs erschlossen, dass fortan "Kriege an den Fernsehern der Nation entschieden werden".

      Der Nachrichtensender CNN mag seither etwas skeptischer geworden sein im Umgang mit den bunten Kriegsbildern. Dafür nimmt sich der in den USA mittlerweile dominierende Konkurrenzkanal "Fox" des Medienzaren Rupert Murdoch fast aus wie ein Soldatensender.

      "Fürs Militär sein oder das Maul halten"

      George W. Bushs Schwarzweiß-Parolen sind dort allgegenwärtig. "Wenn der Krieg beginnt", dröhnt ein Fox-Moderator, "erwarten wir von jedem Amerikaner, entweder für das Militär zu sein oder das Maul zu halten. Amerikaner und auch unsere ausländischen Verbündeten, die aktiv gegen uns sind, gelten dann als Staatsfeinde."

      Das Weiße Haus operiert mittlerweile raffinierter denn je, um die Kriegsberichterstattung zu beeinflussen. So berief Washington mit der (jüngst aus Gesundheitsgründen zurückgetretenen) PR-Expertin Charlotte Beers eigens eine Staatssekretärin für "Public Democracy and Public Affairs", um die "weiße", halbwegs transparente Propaganda zu verstärken.

      Beers, die einst "Uncle Ben`s Reis" beworben hat, verbreitete beispielsweise regierungsamtliche Hochglanzbroschüren mit Halbwahrheiten über den dämonischen Saddam; darin wird etwa dessen einstige Giftkriegsführung gegen die kurdische Minderheit beschrieben, sein damaliger Verbündeter, die USA, aber verschwiegen.

      Psychoverteidigung in eigener Sache


      DER SPIEGEL

      Mediale Streitmacht: Das Murdoch-Imperium


      Insbesondere war von Beers erwartet worden, das Ansehen der Vereinigten Staaten in der muslimischen Welt zu stärken - angesichts der Bush-Politik ein Ding der Unmöglichkeit. Als die PR-Expertin jüngst aus nicht näher beschriebenen gesundheitlichen Gründen zurücktrat, sahen Kenner der Szene darin einen Akt des Protests gegen den Irak-Kurs.

      "Sie musste die amerikanische Politik in einem positiven Licht darstellen und hatte doch keine Möglichkeit, diese Politik in einer Richtung zu beeinflussen, dass diese für den Rest der Welt und vor allem für die muslimische Welt besser hätte akzeptiert werden können," zitierte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" einen Sprecher des Rates für Amerikanisch-Islamische Beziehungen.

      Mehr als von offenen PR-Aktionen versprechen sich Hardliner wie der Pentagon-Chef Donald Rumsfeld offenbar von der "schwarzen" Propaganda. Als erstes allerdings musste sein voriges Jahr gegründetes "Office of Strategic Influence" (OSI) Psychoverteidigung in eigener Sache treiben.

      "Zerstörung, Degradierung, Leugnung, Spaltung"

      Nachdem die interne Aufgabenliste ("Zerstörung, Degradierung, Leugnung, Spaltung, Täuschung und Ausnutzung" durchgesickert war und internationale Proteste ausgelöst hatte, wurde die Märchenfabrik geschlossen - und flugs durch einen Bush direkt unterstellten Dienst mit einem weniger verfänglichen Titel ersetzt: "Office of Global Communications" (siehe SPIEGEL-Reportage "Mediale Mobilmachung".

      Ausländische Beobachter meinen die Effekte derartiger Bemühungen bereits wahrzunehmen. In den USA, urteilt der deutsche Journalist und Geheimdienstexperte Hans Leyendecker, seien "Journalismus und Geheimdienst kaum noch von einander zu unterscheiden".

      Ob von den Schattenkriegern des Pentagon lanciert oder von einem der vielen US-Geheimdienste gestreut - eine Fülle zweifelhafter, nie belegter Meldungen, etwa über angebliche Kontakte zwischen dem Terrorpiloten Mohammed Atta und Saddams Geheimdienst, dienten dazu, im Land eine "ständige emotionale Alarmbereitschaft aufrecht zu erhalten", glaubt der PR-Spezialist und Fachautor Sheldon Rampton.

      Kritiker werden eingeschüchtert und mundtot gemacht

      Denselben Effekt haben die diffusen, selten spezifizierten Warnungen vor allzeit drohenden Anschlägen, die Katastrophenübungen in Schulen und Kindergärten oder die Äußerungen über eine militärische Gefährdung der USA durch den Irak - obwohl es "gegenwärtig keine Bedrohung der Vereinigten Staaten durch Bagdad gibt", wie etwa Ex-Präsident Jimmy Carter erklärt, der sich in seinem Urteil im Einklang mit "den Verbündeten und verantwortlichen Politikern früherer Administrationen" sieht.

      Die vorherrschende Alarmbereitschaft konserviert nicht nur die Zustimmung zum Kurs der Bush-Krieger, sondern schafft auch ein Klima, das geeignet ist, Regierungskritiker einzuschüchtern und mundtot zu machen - erkennbares Ziel der (weltweit 175) Zeitungen und der TV-Kanäle des Medienzaren Murdoch.

      Und mouse-potatos bezahltes Ziel

      "Die PR-Schlacht zu gewinnen ist fast ebenso wichtig wie der militärische Sieg", postuliert Murdochs "Sunday Times". Andere Blätter stellen Skeptikerinnen wie die CNN-Reporterin Christiane Amanpour als "Kriegsschlampe" an den Pranger.

      Kritischen TV-Fragestellern wird mangelnder Patriotismus unterstellt und das Wort abgeschnitten, Pazifisten werden zu Talkshows gar nicht erst eingeladen.

      "Hitler`s children" für den Frieden

      "Sind die Medien tatsächlich ein Spiegelbild der Macht, ist die hegemoniale Rolle Amerikas schon jetzt von einer imperialen abgelöst", urteilt Thomas Nehls, Leiter des New Yorker ARD-Hörfunkstudios, über die Meinungsmache vieler Mainstream-Medien:

      "Nicht einmal mehr das Freund-Feind-Denken wird thematisiert; die gedanklichen Feinde sind - auch von den Medien - für irrelevant erklärt."



      "Leute, die wieder einmal "einem Mann mit Bart" folgen: Großdemo gegen den Krieg in Berlin am 15. Februar


      Weitgehend weggefiltert oder verstümmelt werden auf diese Weise die Warnungen amerikanischer Mahner wie der Publizistin Susan Sonntag, des Schriftstellers Norman Mailer oder des einstigen Golfkrieg-Generals Norman Schwarzkopf, aber auch abweichende Stimmen aus dem Ausland, nicht nur von nonkonformen Regierungschefs.

      Fotos von der Berliner Friedensdemonstration, an der 500.000 Menschen teilnahmen, erschienen mit dem Bildtext "Hitler`s children". Kommentatoren suggerieren, die widerspenstigen Deutschen seien entweder Nazis oder Saddam-Freunde - jedenfalls Leute, die wieder einmal "einem Mann mit Bart" folgen.




      ****************************************


      Wer nicht für uns ist, ist gegen uns-

      US first

      All in the name of Jesus

      Und Frieden, Freiheit, Wohlstand für alle.

      Welch Farce, wenn sie es im eigenen Land noch nicht einmal für alle schaffen, dies weltweit anzunehmen!
      Avatar
      schrieb am 15.03.03 12:17:57
      Beitrag Nr. 23 ()
      Wenn man solche Leute um sich hat, ja auch kein Wunder!

      Die "Think Tanks" der amerikanischen "Neokonservativen" und ihr Einfluss auf die US-Außenpolitik

      von: Albrecht Metzger
      Redaktion: Bernd Kallina




      Die Vereinigten Staaten sind eine Weltmacht, und wenn sie ihre Interessen verfolgen, verfolgen sie auch die Interessen aller freiheitsliebenden Menschen. Wir suchen keinen Streit, anders als etwa Deutschland bei den letzten Wahlen. Wir sehen das als eine Pflicht an, die uns auferlegt ist, in unserem eigenen Interesse.


      Frank Gaffney glaubt an das Gute in Amerika und an die Pflicht der Großmacht, die Welt von Despoten wie Saddam Hussein zu befreien. Er befürchtet, der irakische Diktator könnte Massenvernichtungswaffen besitzen und sie eines Tages gegen die USA einsetzen. Dem will er entgegenwirken. --Gaffney ist Direktor des "Center for Security Policy", einem kleinen, aber einflussreichen Think Tank für Sicherheitspoltik in Washington. Jede Woche schreibt er eine Kolumne in der erzkonservativen Washington Times, die von der Moon-Sekte in Südkorea finanziert wird. Oft spekuliert er darin über die möglichen Verbindungen Saddam Husseins zum internationalen Terrorismus.

      Neulich brachte er den irakischen Diktator mit den Anschlägen von Oklahoma City des Jahres 1995 in Verbindung.


      Als Bill Clinton noch im Weißen Haus residierte, galt jemand wie Gaffney als Extremist. Doch die Zeiten haben sich geändert. In der Regierung von George Bush sitzen Leute, die ähnlich denken wie der Leiter des erwähnten "Center for Security Policy". Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 bestimmen sie maßgeblich die amerikanische Außenpolitik.


      Vertreter dieser Denkschule werden als Neokonservative bezeichnet. Damit sind ehemalige Demokraten gemeint, die im Laufe des Kalten Krieges nach rechts abwanderten. Unter Ronald Reagan waren sie die schärfsten Antikommunisten. Nach dem Fall der Berliner Mauer hielten die Neokonservativen an ihrer aggressiven Außenpolitik fest. Sie glaubten, Amerika müsse seinen militärischen Vorsprung gegenüber dem Rest der Welt ausbauen, um Konflikte gegebenenfalls auch im Alleingang lösen zu können.


      Als Ziehvater der Neokonservativen gilt der mittlerweile gestorbene Senator Henry Jackson aus dem Staate Washington. Frank Gaffney arbeitete in den siebziger Jahren in seinem Büro. Auch Jim Lobe kannte Jackson persönlich. Er verfolgt die neokonservative Bewegung seit mehr als 20 Jahren und schreibt über sie für die alternative Nachrichtenagentur Inter Press Service.


      Der traditionelle außenpolitische Instinkt in Amerika ist es, nach dem Ende eines großen Konfliktes sich zurückzuziehen. Der Kalte Krieg war so ein großer Konflikt. So gesehen war der Kommunismus nach dem 2. Weltkrieg sehr hilfreich, um Amerikas Präsenz in der Welt aufrecht zu erhalten. Sonst hätten die isolationistischen Impulse überwogen. Ich glaube, nach dem Ende des Kalten Krieges ist etwas ähnliches passiert. Die Neokonservativen befürchteten, dass sich die USA zurückziehen würden, und sie hielten das für eine schlechte Idee. Sie hatten dabei die Lektion des 1. Weltkriegs im Kopf: dass nämlich alles schief läuft, wenn sich die USA nicht in der Welt engagieren. Außerdem meinen sie, dass die USA eine Macht des Guten sind – und ich denke, sie glauben ehrlich daran, es ist fast wie eine religiöse Überzeugung.


      Nach dem Ende des Kalten Krieges verblasste der Stern der Neokonservativen zunächst. Ihre aggressive Außenpolitik passte nicht in das Zeitalter der Harmonie, das nach dem Zerfall der Sowjetunion auszubrechen schien. Doch anstatt ihren Traum vom amerikanischen Empire aufzugeben, hielten die Neokonservativen an ihrer Vision fest. Sie zogen sich in ihre Think Tanks zurück, die sie in den siebziger Jahren gegründet hatten.


      Think Tanks sind ein Phänomen der amerikanischen Politik. Es gibt Dutzende davon, aus allen politischen Lagern. Sie veröffentlichen Studien zu politisch relevanten Themen und versuchen damit, die jeweilige Regierung zu beeinflussen.


      Einer der maßgeblichen Think Tanks der Neokonservativen nennt sich "Project for the New American Century". Er wurde 1997 von Bill Kristol gegründet, dem Chefredakteur des Weekly Standard. Der Weekly Standard ist eines des Sprachrohre der Neokonservativen und gehört dem australischen Medienmogul Rupert Murdoch. Bill Kristol hält nicht viel von internationalen Abkommen.


      Wir glauben nicht, dass diese Welt besonders gut funktioniert. Denn wir hatten gerade eine Welt der Abkommen und der Waffenkontrollen, und das war die Welt von Saddam, Nordkorea und Milosevic. Wir glauben einfach nicht, dass das funktioniert. Die Europäer wollen eine Welt der Abkommen, aber am Ende mussten wir doch Gewalt gegen Milosevic anwenden.


      Bill Kristol schwebt als Alternative eine Welt vor, in der die USA im Alleingang und notfalls mit Gewalt Diktatoren wie Saddam Hussein und Kim Jong Il in die Knie zwingen. Dahinter steckt auch die Überzeugung, dass man durch derartige Präventivschläge die Welt möglicherweise vor zukünftigem Unheil bewahren könne. "Making the world safe for democracy" heißt das Schlagwort seit den Attentaten vom 11. September 2001.


      Den Grundriss für diese Welt legte der jetzige stellvertretende Verteidigungsminister Paul Wolfowitz – auch er ein Vordenker der Neokonservativen. Bereits in der Regierung von George Bush Sr. arbeitete er im Pentagon.


      1992 verfasste Wolfowitz ein Strategiepapier, in dem er seine Vision von den USA als einziger Supermacht entwarf. Die USA müssten nach dem Ende des Kalten Krieges den Aufstieg von Regionalmächten verhindern, so Wolfowitz. Namentlich nannte er Deutschland und Japan. Amerika sollte seinen militärischen Vorsprung so weit ausbauen, dass kein Rivale es mehr einholen könne. Außerdem müssten die amerikanischen Streitkräfte in der Lage sein, mehrere Kriege gleichzeitig zu führen, um Diktatoren wie Saddam Hussein eigenhändig zu entmachten.


      Ein Imperium Americanum – das war selbst den meisten Republikanern zuviel. Das Strategiepapier verschwand in der Schublade und geriet zunächst in Vergessenheit. Bill Kristol und sein Project for the "New American Century – kurz PNAC" "Neues amerikanisches Jahrhundert" – holten das Papier wieder aus der Versenkung. Im September 2000, kurz vor den Präsidentschaftswahlen, veröffentlichte PNAC einen Bericht mit dem Titel "Rebuilding America´s Defenses" - Wiederaufbau der amerikanischen Streitkräfte. Darin lieferten die Autoren eine verfeinerte Version der Strategie, die Paul Wolfowitz acht Jahre vorher entwickelt hatte: Ausbau der amerikanischen Streitkräfte, Entwicklung neuer Atomwaffen, Aufbau neuer Militärbasen in Asien, Vorbereitung auf Kriege gegen den Irak, Nordkorea und Iran. Wenngleich diese Ideen in der Clinton-Ära als extrem galten, verschafften sich die Neokonservativen immer wieder Gehör. Mit erstaunlichem Erfolg, wie Jim Lobe feststellt.


      Sie sind sehr geschickt wenn es darum geht, Debatten ins Rollen zu bringen. Und sie machen das mit einer Disziplin wie sonst niemand in Amerika. Ihre Sprachrohre sind die Meinungsseite des Das Wall Street Journal und der Weekly Standard. Außerdem haben sie eine Reihe von Kolumnisten, die die Meinung der Neokonservativen vertreten und im ganzen Land verbreiten.


      Nach Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Gallup bevorzugen die Amerikaner eine Welt, in der ihr Land mit Europa und den Vereinten Nationen kooperiert. Doch die Demokraten sind seit dem 11. September 2001 sehr zaghaft mit ihrer Kritik an der Außenpolitik des Präsidenten geworden. Sie befürchten, als unpatriotisch zu gelten. So gelingt es den Neokonservativen derzeit, die außenpolitische Debatte maßgeblich zu bestimmen. Charles Kupchan, Professor für Internationale Beziehungen an der renommierten Georgetown Universität, hat dafür eine einfache Erklärung.


      Wenn es um Außenpolitik geht, gibt es in den USA ein Problem: Ein großer der Teil der Öffentlichkeit ist völlig desinteressiert und apathisch. Und dann gibt es kleine Interessengruppen, die ihren Einfluss maximieren können, weil der Rest die Simpsons guckt.


      Charles Kupchan ist Mitglied des Council on Foreign Relations. Der Council ist auch ein Think Tank – aber ein "richtiger", wie Kupchan meint. Denn wenn der Council eine Podiumsdiskussion organisiere, säßen Vertreter verschiedener Meinungen am Tisch und würden sich die Köpfe heiß reden. Die Think Tanks der Neokonservativen hingegen würden nur Leute eigener Gesinnung einladen.


      Besonders negative Erinnerung hat Kupchan an Jeffrey Gedmin, der früher für den neokonservativen Think Tank "American Enterprise Institute" arbeitete. Damals organisierte er Panels zum Thema NATO-Osterweiterung. Gegner dieser Idee seien dabei nicht zu Wort gekommen, so Kupchan. Heute leitet Gedmin das Aspen-Institute in Berlin. In der ZDF-Sendung "Eser und Gäste" plädierte er bereits vor einigen Monaten mit Nachdruck für den Sturz Saddam Husseins. Kupchan sieht liberale Denker gegenüber den Neokonservativen taktisch im Nachteil.


      Um ehrlich zu sein: Was Jeff gemacht hat war sehr gut. Sie waren sehr professionell, sehr diszipliniert und übten einen immensen Einfluss auf die Debatte aus. Wir Liberalen hingegen sagen immer: "Lasst 100 Blumen blühen, lasst alle zu Wort kommen." Außerdem sind die Leute im rechten Lager besser organisiert. Sie kommen oft aus der Wirtschaft und können sehr gut Geld eintreiben. Und in geostrategischen Fragen haben die Republikaner mehr erfahrene Leute als die Demokraten. Das hat vielleicht ideologische Gründe. Sie fühlen sich wohler, wenn es um Themen wie Verteidigung, Geopolitik und das Gleichgewicht der Mächte geht.


      Der Wahlsieg von George Bush spülte die Neokonservativen an die Macht. Ihre Hochburg ist das Pentagon, und auch Vizepräsidenten Dick Cheney hat in seinem Beraterstab eine Reihe neokonservativer Ideologen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Neokonservativen ihre Vision vom amerikanischen Empire nahtlos in die Tat umsetzen konnten. Dafür war ihre Vision zu revolutionär. Das erkannten die Neokonservativen selbst. So heißt es in dem Strategiepapier zur amerikanischen Verteidigungspolitik, das das Project for the "New American Century" im September 2000 herausgab:


      Dieser Umwandlungsprozess wird wahrscheinlich sehr lange dauern, es sei denn, ein katastrophales Ereignis tritt, das als Katalysator dient – wie ein neues Pearl Harbor.


      Dieses "katastrophale Ereignis" kam allerdings früher als erwartet, wie Bill Kristol vom Weekly Standard mit unterschwelliger Genugtuung feststellt.


      Nach dem 11. September war klar, dass für Amerika eine neue Zeit begonnen hatte. Wir konnten Dinge umsetzen, die vorher politisch schwierig erschienen. Machen Sie sich das einmal klar: Drei bis vier Wochen nach dem 11. September führten wir in Afghanistan Krieg, wir hatten Militärbasen in Zentralasien. Wer hätte vorher gedacht, dass das möglich ist?


      Die Neokonservativen erkannten die Chance, ihre Vision in die Realität umzusetzen. Noch bevor der Krieg gegen Afghanistan begann, hatten sie bereits das nächste Ziel im Visier: Irak. Wenige Tage nach dem 11. September 2001 suchten Strategen im Pentagon fieberhaft nach Beweisen, um Saddam Hussein mit den Terroranschlägen in Verbindung zu bringen. Morgen nun wollen die USA dem UN-Sicherheitsrat Dokumente vorlegen, die die Verbindungen des Irak zum Terrorismus und sein Programm zum Bau von Massenvernichtungswaffen belegen sollen. Bisher jedenfalls blieben sie der Öffentlichkeit die Beweise schuldig.


      Kritiker der Neokonservativen, wie die Irak-Expertin Phyllis Bennis vom liberalen Think Tank The Institute für Policy Studies, sehen die jetzige Entwicklung mit Sorge.


      Ich glaube, viele von uns hatten die Vorstellung, dass wenn die Ideologen an die Macht kommen, dass diese Macht sie mäßigen würde, dass der Realitätssinn siegen würde, egal wie stark sie von ihren ideologischen Überzeugungen getrieben sind. Ich glaube, der 11.September hat den Neokonservativen die Gelegenheit gegeben, diese These zu widerlegen. Unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Terror sind die Neonkonservativen in der Lage, an ihren extremsten Positionen festzuhalten.


      Doch die Neokonservativen verfolgen nicht nur imperiale Ideen. Sie sind auch Idealisten. Sie glauben fest an das Gute in Amerika und daran, dass ihr Land die Demokratie in der Welt verbreiten müsse. Damit stehen sie in guter amerikanischer Tradition. Schon die ersten Einwanderer im 17. Jahrhunderten verfolgten mit missionarischem Eifer die "Zivilisierung" der Eingeborenen.

      Und so macht sich Bill Kristol keine Sorgen um den Irak, nachdem Saddam Hussein erst einmal gestürzt ist.


      Ich glaube, wir werden im Irak bleiben. Ich glaube, wir können dabei helfen, dort ein sehr viel menschlicheres Regime zu errichten, ein demokratisches, föderales System. Ich glaube, eine Menge anderer Länder werden sich uns dann anschließen wollen um beim Aufbau der Zivilgesellschaft zu helfen. Ich bin eher optimistisch. Es gibt keinen Grund, warum die Iraker nicht ein angenehmes leben führen sollen, und ich glaube, wir können ihnen dabei helfen, das zu erreichen.


      Der erwogene Krieg gegen den Irak ist allerdings auch in den USA nicht unumstritten. Dass linke Intellektuelle wie die Schauspielerin Susan Sarandon oder der Linguist Noam Chomsky die imperialen Gedankenspiele der Neokonservativen ablehnen, ist kaum verwunderlich. Aber auch Militärs und Sicherheitsexperten erheben ihre Stimme. Brent Scowcroft, der Sicherheitsberater in der Regierung von George Bush Sr., warnte im August eindringlich vor einem amerikanischen Alleingang gegen den Irak. Selbst der jetzige CIA-Direktor George Tenet gab zu bedenken, dass ein Krieg Saddam Hussein erst dazu bewegen könnte, seine Massenvernichtungswaffen einzusetzen.


      Auch Vincent Cannistraro arbeitete früher für die CIA. Er hält die Neokonservativen für naiv. Es sei absurd, den Nahen Osten mit vorgehaltener Waffe demokratisieren zu wollen. Schon der Irak sei kompliziert genug.


      Wenn man morgen im Irak demokratische Wahlen abhält, dann würden die Schiiten gewinnen, denn sie sind die Mehrheit im Land. Es würde einen schiitischen Präsident geben. Was bedeutet das? Vielleicht bedeutet das die Ausdehnung des iranischen Einflusses in der Region. All das sind Konsequenzen eines Krieges, die bedacht werden müssen. Denn die Neokonservativen sagen ja nicht: Irak, und das war´s. Nein, sie haben Syrien auf ihrer Liste, sie haben Iran auf ihrer Liste usw. usw.. Aber einige dieser Dinge passen nicht zusammen. Sie haben das nicht durchdacht, sie haben keinen wirklichen Plan. Vielleicht wird das Ergebnis schlimmer sein als das, was wir jetzt haben. Die Neokonservativen haben nur diese wundersame Formel: Demokratie. Danach soll sich alles von selbst ergeben. Das ist naiv.


      Vincent Cannistraro leitete früher die Abteilung für "Antiterrormaßnahmen" der CIA. Heute arbeitet er als Medienberater. Cannistraro ist mit Sicherheit keine Taube. In den achtziger Jahren war er für die CIA in Mittelamerika tätig. Seine Gegner, wie etwa der Medienkritiker Norman Solomon, werfen ihm vor, er sei für Folter verantwortlich gewesen. Umso erstaunlicher klingt aus seinem Mund die Kritik an der vermeintlichen Arroganz der Neokonservativen:


      Wenn jemand sagt: Wir wissen es besser als du, wir sind stärker als du, und deswegen werden wir dir unsere Sichtweise aufzwängen, und deine Meinung ist uns ist egal dabei - dann ist das natürlich Imperialismus. Man muss vielleicht ein neues Wort finden, vielleicht ist es Neoimperialismus.


      Kritiker der Neokonservativen wie Jim Lobe hoffen, dass der Krieg trotz allem nicht stattfinden wird. Denn selbst wenn er erfolgreich verlaufen sollte, befürchtet er für die Zukunft nichts Gutes.


      Wenn der Irak-Krieg erfolgreich verläuft, wird es schwer sein, dem Druck nach weiteren militärischen Abenteuern zu widerstehen. Wir wollen dann mehr und mehr Territorium kontrollieren. Aber die neokonservativen Träume von imperialer Herrlichkeit sind nicht realistisch. Die USA repräsentieren nur drei Prozent der Menschheit. Je mehr wir diese Dinge tun, desto weniger Leute werden uns beistehen. ...the less people will be around us.


      Ungeachtet der Kritik der Deutschen und Franzosen, die vor einem amerikanischen Alleingang warnen, halten die Neokonservativen an ihrem Fahrplan fest. Der Krieg wird kommen, so oder so. Davon sind sie überzeugt. Adam Garfinkle, Chefredakteur des neokonservativen Magazins The National Interest, hat dafür eine einfache Erklärung:


      Sie brauchen nur dem Präsidenten zuzuhören. Er meint was er sagt. Er sagt, diese Leute werden von alleine abrüsten, oder wir machen es für sie. Schauen Sie sich an, wie sich die Baath-Partei in den vergangenen zwölf Jahren verhalten hat. Jeder der trotzdem glaubt, diese Typen werden freiwillig abrüsten, muss irgendetwas geraucht haben, ich weiß nicht was. Aber es wird nicht passieren, genauso wenig wie Nordkorea freiwillig auf seine atomaren Fähigkeiten verzichten wird. Was würden die Leute sagen, wenn wir wieder warten wie bei al-Qaida? Was würden die Leute sagen, wenn die Iraker Atomwaffen in die Hände bekämen und sie gegen irgendjemand einsetzten? Was, wenn sie sie gegen Amerika einsetzten? Bush sagt, ich bin Präsident der Vereinigten Staaten, die Welt hat mich nicht gewählt, sondern die amerikanischen Bürger. Ich habe eine Verantwortung für deren Sicherheit. Ende der Diskussion.
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      DeutschlandRadio-Online
      Avatar
      schrieb am 15.03.03 12:24:01
      Beitrag Nr. 24 ()
      Diesen noch, dann habe ich genug zur aktuellen Situation gepostet, dann gehts darum, die Hintergründe zu klären, wie es soweit kommen konnte, wer dahinter steckt, wie man es erreichen konnte, eine faschistoide Plutokratie in den USA einzurichten und welche einzige Möglichkeit es gibt, die gesamte Menschheit vor unendlichen Kriegen, dem Diktat der Mächtigen und massenweises Elend, Leid, Krankheit, Hungern und Tod zu bewahren.

      Und wird nämlich nur vorgemacht, dass es keine Alternativen gibt. Meistens ist und das eh` egal, solange das Sankt-Florians-Prinzip gilt, machen wir uns gar keine Gedanken. Doch wehe es trifft uns selbst, dann ist das zetern groß.

      Die Zeichen der Zeit stehen deutlich an der Wand-
      hier werden sie ganzheitlich betrachtet und damit enttarnt!

      **********************************************************


      Mit Krieg sichern sich die Bushs ihr Erbe


      Der Bush-Clan profitiert ganz direkt von den exorbitanten
      US-Militärausgaben.


      Peter Hossli (New York)


      Einen schnurgeraden Spaziergang vom Weissen Haus entfernt liegt das Zentrum der Macht. Man geht 15 Minuten entlang der Pennsylvania Avenue vom Regierungssitz des
      US-Präsidenten zu den Büros der Carlyle Group, einer Investitionsfirma in Washington D.C.

      Dort wird derzeit die Politik gemacht. «Die Carlyle Group, nicht Bush regiert die USA», sagt eine Vertreterin des New Yorker Think Tank Council on Foreign Relations. Sie will anonym bleiben. Andere teilen ihre Meinung. «Zum ersten Mal steht der Vater des US-Präsidenten auf der Lohnliste eines der grössten Rüstungsherstellers», sagt der Direktor des unabhängigen Centers for Public Integrity, Charles
      Lewis.

      Carlyle, 1987 mit 10 Millionen Dollar gestartet, verwaltet inzwischen 12,5 Milliarden, ist in 55 Ländern tätig und investiert vorwiegend in Waffen-, Luftfahrt- und Kommunikationsfirmen. Ausserhalb der USA ist die Gruppe
      im Nahen Osten, in Asien und im arabischen Raum beim Persischen Golf besonders aktiv. George H. W. Bush, Präsidentenvater und Golfkrieger, fungiert als
      wichtigster Lobbyist. Zum Beraterstab gehören auch der einstige britische Premier John Major und der Expräsident der Philippinen, Fidel Ramos. Zudem lenken – was das Ganze noch problematischer macht – enge Freunde und alte Bekannte von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Vizepräsident Dick Cheney die Carlyle Group.

      Bush junior bleibt die Rolle, die er am ehesten beherrscht, die des Impressarios.

      Die erledigt er bravourös. Letzte Woche stimmte der kleine Bush in einer kriegstreiberischen Rede die Nation auf Attacken gegen die «Achse des Bösen» ein. «Es ist nicht eine Frage ob, sondern wann der Irak angegriffen
      wird», deutet der Historiker Walter Mead die Haltung Bushs. Es sei nebensächlich, ob die Alliierten die Aktion unterstützten. «Bush ist überzeugt, es im Alleingang zu schaffen», sagt Mead.

      .....

      Das US-Militär wächst wie nie zuvor, und die Army strotzt geradezu vor Sprengkraft. Bush sieht im neuen Haushaltsentwurf 379 Milliarden Dollar für das Pentagon vor, eine Steigerung von 14,5 Prozent. Nie mehr seit 20
      Jahren schwollen die Militärausgaben derart stark an. Der Präsident nimmt erstmals seit vier Jahren auch ein Budgetdefizit in Kauf. – Aus Eigennutz, denn es erhöht sein Erbe.

      Das geht so: Der Vater ist in eine Firma involviert, die private Unternehmen besitzt, die von jenem Staat militärische Aufträge einholt,
      den der Sohn präsidiert.

      Das jüngste Beispiel ist ein gepanzertes Artilleriefahrzeug namens Crusader. Trotz heftiger Kritik, der Panzerwagen sei veraltet, kauft ihn die Armee. Das Gefährt wird vom riesigen Rüstungskonglomerat United Defense Industries produziert, das der Carlyle Group gehört. Im vergangenen September, als Terroristen das World Trade Center
      zerstört hatten, verlängerte das ebenfalls betroffene Pentagon den 11 Milliarden Dollar umfassenden Crusader-Vertrag. Carlyle nutzte den Kontrakt, um United Defense im Dezember an die Börse zu bringen.

      «Die Beziehung zwischen Regierung und militärisch-industriellem Komplex ist heute enger denn je», sagt der Historiker Mead. Derzeit würden jene Kräfte die Aussenpolitik bestimmen, «die stets mit aller Kraft rücksichtslos zurückschlagen, nachdem das Land angegriffen worden ist».

      Es sind dieselben Kräfte, die zu Beginn der Neunzigerjahre den Irak angegriffen haben. «Jetzt wollen sie beenden, was sie angefangen haben», sagt Mead.

      Viele der Kriegsherren von damals arbeiten heute für Carlyle und verdienen daran. Bush senior berät die Firma, alte Bekannte von Bush führen sie, und Frank Carlucci, unter Ronald Reagan Verteidigungsminister, agiert als CEO. An der Princeton University gehörte er zusammen mit dem jetzigen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld
      dem Ringteam der Universität an. Die beiden hätten oft ihre Kräfte gemessen. James Baker, einst Aussenminister von Bush senior und Kampagnenberater von Bush junor, ist Chefberater und leitender Manager. Der jetzige Vizepräsident, Dick Cheney, war während des Golfkriegs Verteidigungsminister.
      Nun sollen auch die Nato-Staaten aufrüsten – mit US-Waffen
      Das sind für Firmen von Carlyle nahezu perfekte Voraussetzungen, um Rüstungsaufträge aus der ganzen Welt anzulocken. Investiert ist Carlyle im Flugzeug- und im Hightechbereich. Die Gruppe spezialisiert sich vornehmlich auf den Kauf abgetakelter Rüstungsfirmen, versorgt sie mit neuen Aufträgen und verkauft sie Gewinn bringend.
      Ins Konzept passt daher die neueste US-Losung, Nato-Partner zum Aufrüsten zu ermuntern – am besten mit US-Waffen. Nur Amerika könnte derzeit einen modernen Krieg führen, sagen US-Strategen. Die Nato drohe auseinander zu brechen, wenn die Mitglieder ihr Militär nicht modernisieren, rügte jüngst ein Leitartikler in der «New York Times». Das
      hörten die Bosse der Rüstungsschmieden von Carlyle gerne.

      Die US-Öffentlichkeit weiss wenig Bescheid über die Verflechtungen. Carlyle ist in privaten Händen und muss die Bücher daher nicht öffnen. Kurz für Aufsehen sorgte bloss die Meldung, die Familie von Osama bin Laden gehöre zu den Investoren, aber mittlerweile hat sie ihren Anteil
      abgestossen. Auf der Website wird der einflussreiche Beraterstab erst nach aufwändigem Durchklicken ersichtlich.
      James Baker als Koordinator aller Lobbyisten ist direkt aufgeführt. Während des Wahlgeplänkels in Florida wirkte Baker, dessen Anteil an Carlyle auf 180 Mio Dollar geschätzt wird, als Chefunterhändler und Sprecher der Republikaner. Mit dem Hintergedanken, dass Bush im
      Weissen Haus den Carlyle-Einfluss festigen würde.
      All das ist nicht verboten. Ein Jahr nach Amtsaustritt dürfen Ex-Regierungsmitglieder wieder Lobbymandate übernehmen. «Das Tun von Carlyle ist zwar nicht illegal», schreibt der Ökonom Paul Krugman, «aber es stinkt zum Himmel.»

      © Copyright by CASH

      Avatar
      schrieb am 15.03.03 13:04:48
      Beitrag Nr. 25 ()
      OgottOgottOgott...
      Avatar
      schrieb am 15.03.03 14:02:50
      Beitrag Nr. 26 ()
      @sbi

      "Alles, was gegen Demokratie und Soziale Marktwirtschaft sowie in groberer Einteilung gegen Menschenrechte verstößt, muß bekämpft werden."

      das trifft doch eigentlich alles auf den irak zu, oder? ;)

      mfg,
      Cole_T
      Avatar
      schrieb am 15.03.03 17:52:50
      Beitrag Nr. 27 ()
      Cole_T: Zweifellos. Aber das heißt nicht, dass der Weg, den die USA zur "Befreiung" eingeschlagen hat, der beste ist.

      Der Terror entsteht nicht aus dem Nichts. Es gibt Gründe dafür. Und die USA zementieren eher diese Gründe mit ihrem Verhalten, als wirklich konstruktiv eine friedliche Welt zu schaffen. Weil sie gar keine friedliche Welt brauchen können, weil es nicht ihren US-first Interessen entspricht.
      Denk an die Rüstungsausgaben, die eine perfekte Legitimation für alles mögliche sind, denk an die NSS.

      Wir schaffen mit einer Hegemomialmacht USA eher weltweite Israel-Zustände. Willst du das wirklich, solche Zustände im Namen der Freiheit und Demokratie?

      Jeder noch so blödsinnige Krieg der Welt wurde durch falsche Ideale und Versprechungen geführt, um von etwas befreit zu werden, oder um die Welt von §bösen" Menschen zu befreien, doch wir sollten vorsichtig sein, hier zu pauschalieren. Denn der Mißbrauch ist schneller da, als man je denken würde.


      Ich werde auch noch darauf eingehen, dass die US-Wirtschaft meilenweit entfernt ist von einer freien demokratischen Marktwirtschaft, wie sie wirklich allen nützt. Auch warum das so ist, dass nur ein kleiner Teil des Systems profitiert, werde ich noch eingehend beleuchten!


      @ mouse: Sind das deine Argumente? Ich glaube, du weißt das viele mittlerweile auf der richtigen Spur sind, nur blockierst du mögliche Angstzustände durch wegleugnen von Tatsachen. Wie ein kleines Kind, welches im dunklen Raum vor sich hinpfeift, um keine angstmachenden Geräusche zu hören.

      Sorry, aber wir müssen diesen Tatsachen ins Auge sehen, wenn wir nicht wie bei George Orwell oder schlimmer enden wollen. Und nur durch Verbreitung der Information besteht überhaupt nur eine Chance, den kommenden Szenarien zu entgehen.

      Bevor du wieder anfängst, mich in eine Ecke zu stellen, spar die das gleich, ich könnte dir stundenlang aufzählen, was ich alles nicht bin, was du aber gerne hättest was ich wär, damit du dich mit dem "Unsäglich Unmöglichen" nicht zu beschäftigen brauchst...
      Avatar
      schrieb am 15.03.03 18:40:43
      Beitrag Nr. 28 ()
      jetzt hast du gesagt was du nicht willst sittin bull (die bösen USA usw.). Cole T stellt genau die richtige Frage. Also du meinst:

      "Alles, was gegen Demokratie und Soziale Marktwirtschaft sowie in groberer Einteilung gegen Menschenrechte verstößt, muß bekämpft werden."

      Cole T stellt völlig richtig fest, dass dies alles auf den Irak zutrifft.

      Also wie willst du gegen den Irak vorgehen? Ganz konkret. Keine Seitenlangen Texte aus zweifelhaften Quellen. Wer in 3-4 Sätzen seine Meinung nicht darlegen kann hat auch nichts zu sagen.

      Also: Wie den Irak bekämpfen?
      Avatar
      schrieb am 15.03.03 20:09:47
      Beitrag Nr. 29 ()
      mouse, von dir habe ich wirklich noch nie etwas konkretes gelesen.

      Ich zeige es noch, was konkret gemacht werden kann.


      Nur Geduld. Erstmal mußt du nur eine Sekunde die Realität begreifen, und dabei vor allem, dass die nicht rosig ist, auch wenn du das steif und fest behauptest.

      Erst dann gehts hier für dich weiter.

      Und weiche nicht immer auf den Irak aus, ist zwar tragisch was dort passiert, aber es passiert überall auf der Welt, ohne das jemand etwas dagegen unternimmt, weil es sogar in unserem Namen passiert.

      Also ist der Irak nur ein bedauerlicher Nebenschauplatz.
      Avatar
      schrieb am 15.03.03 20:13:19
      Beitrag Nr. 30 ()
      du weichst aus sittin bull, du hast einfach keine Lösung!

      Dieses letzte Posting von dir ist echt arm.
      Avatar
      schrieb am 15.03.03 20:43:18
      Beitrag Nr. 31 ()
      Quark, ich habe eine Lösung.

      Es ist noch nicht Zeit für eine Lösung.

      Ich habe bisher nur die Folgen versucht darzustellen, und dagegen kam von dir überhaupt nichts, außer Schlagwörtern.


      Erst muß man sich des gesamten Ausmaßes der Lage, und der daraus resultierenden Probleme bewußt werden, bevor man an Ursachenforschung oder Lösungsvorschläge geht.


      Würde ich dir jetzt die Lösung präsentieren, würdest mich doch nur für einen Spinner halten, was du ja ohnehin schon oft genug zum Ausdruck bringst!


      Also, immer der Reihe nach, erst Zustandsbeschreibungen...

      Da fehlt noch eine Richtung, die eher in Richtung Sozialpsychologigie geht!
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 00:16:04
      Beitrag Nr. 32 ()
      sittin bull,

      was orakelst du denn hier rum? "Es ist noch nicht Zeit" heisst nichts anderes als dass du noch nichts passendes im Netz gefunden hast. Du musst doch eine eigene Meinung zur Lösung des Irak-Konflikts haben, denn schliesslich und das sind deine Worte muss "Alles, was gegen Demokratie und Soziale Marktwirtschaft sowie in groberer Einteilung gegen Menschenrechte verstößt, bekämpft werden." Mich würde nur interessieren wie du den Irak bekämpfen würdest. Dein neustes Ablenkungsmanöver heisst jetzt "Sozialpsychologie". Das ist ganz sicher ein hervorragendes Instrument um mit seinem Gegner in sicherer Entfernung im Kreis zu laufen.
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 09:56:19
      Beitrag Nr. 33 ()
      mouse, der Irak ist nur ein klitzekleines Feld und hat nicht im entferntesten die Bedeutung, die man uns gerne vorspielt. Es geht um ganz andere Dinge.

      Das dort ein wahnsinniger Despot herrscht, ist ohne Frage, ohne Frage allerdings auch, wenn es den Interessen der Mächtigen entsprechen würde, dass er sogar heute noch Giftgaslieferungen erhalten würde- von uns.

      Wie bis 1990 ja auch geschehen, und der Einsatz wurde damals zumindest gebilligt. Oder war es eine Rechtfertigung, dass es gegen den noch "böseren" Iran ging?

      Wir sind hier verdammt nochmal nicht auf einen Schachspiel, auf dem Mann alle Figuren opfern kann.

      Hier stehen Menschenleben dahinter! Auf allen Seiten!

      Also kann man doch schon schön sehen, welche Bedeutung Frieden und Freiheit und Wahrheit für das Homeland der Demokratie haben...

      keine, so lange es den eigenen Interessen widerspricht...
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 10:02:54
      Beitrag Nr. 34 ()
      Wir haben bis heute keine schlüssige Erklärung, warum es so viel Krieg gibt auf der Welt.

      Sicher ist ein kriegerisches Potenzial im Menschen vorhanden, nur ist sich die Soziologie einig, dass es erst das Ausschalten der Menschlichkeit ist, was den Menschen zu den grausamsten, bestialistischten und fürchterlichsten Kriegen geführt hat. Dabei wird der andere als "Unmensch" dargestellt. Und wenn es nur seine Anführer sind.

      Denn unser direktes Opfer erfährt durch uns Mitleid, wenn wir ihn als Menschen wahrnehmen. Denn was sollte bei diesem Menschen anders sein als bei uns?

      Der Gegner kämpft genauso für eine gerechte Sache, möchte das es schnell vorbei ist, kann sich evtl. noch nicht mal mit den Kriegsgründen identifizieren, hat Träume, Pläne, Hoffnung, Zukunft, eine Familie, Freunde...
      Und einen Anführer, der ihm erzählt, wofür es sich zu sterben und zu kämpfen lohne...
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 10:10:35
      Beitrag Nr. 35 ()
      Thema Krieg aus soziologischer Sicht:

      . . .

      Wie friedensfähig sind wir eigentlich?

      Und wie steht es mit dem Krieg? Sind wir nicht von Natur so aggressiv veranlagt, dass wir das Abenteuer der Eroberung suchen, dass es uns zum Kriegführen treibt?

      Auch diese Frage stellt sich, wenn wir die Paradiesfähigkeit des Menschen diskutieren. Als Konrad Lorenz sein Buch ,,Das sogenannte Böse" veröffentlichte und auf die angeborenen Grundlagen auch der menschlichen Aggression hinwies, meinten viele, er entschuldige den Krieg und stelle ihn, weil aus den Anlagen des Menschen entspringend, als unabwendbar hin und fördere damit eine fatalistische Grundhaltung.


      Das war weder seine Intention noch seine Schlußfolgerung. Er schrieb vielmehr, dass er die innerartliche Aggression im gegenwärtigen Zeitpunkt der Menschheit für den gefährlichsten aller Antriebe halte, dass man ihm aber nicht beikomme, indem man ihn als etwas Mystisch-Unabwendbares hinnehme, sondern nur durch das Studium seiner Verursachung.

      Dennoch wird es auch heute noch oft so dargestellt, als hätte Lorenz eine fatalistische Grundhaltung vertreten. Um dem Eindruck entgegenzuwirken schrieb ich ,,Liebe und Haß", worin ich aufzeigte, dass bei den Wirbeltieren mit der Evolution der individuell fürsorglichen Brutpflege die Fähigkeit zu Liebe und affiliativem Verhalten in die Welt kam, und dass diese positiven sozialen Verhaltensmuster und Motivationen fest in unserem biologischen Erbe verwurzelt sind. Mit der Entwicklung der Brutpflege kamen sowohl die Motivation zu Betreuen und die Verhaltensweisen zur Betreuung als auch beim Kind die Motivation, Betreuung zu suchen und die Fürsorge auslösenden Signale in die Welt.

      [Immer wieder an kleine Kinder denken - die keinen tödlichen Krieg kennen, warum nicht?]


      Anpassungen, die auch in den Dienst der Erwachsenenbindung gestellt werden konnten. Viele der Verhaltensweisen der Balz, Bandstiftung und Bandbekräftigung erwachsener Vögel und Säuger entstammen diesem Repertoire. Sie wurden im Dienste der Signalgebung weiter entwickelt und verändert, lassen aber noch ihren Ursprung erkennen.

      Wir sind von Natur aus freundlich und zur Liebe, das heißt zu persönlicher Bindung, begabt.


      [Jeder Mensch auf der Welt!]


      In einem weiteren Buch (Krieg und Frieden) führte ich dann aus, dass der Krieg keineswegs in unseren Genen schlummere, sondern als strategisch geplante, mit Waffen durchgeführte, auf Destruktion des Gegners gerichtete Gruppenaggression ein Ergebnis der kulturellen Evolution sei. Der Krieg nütze zwar angeborene Verhaltensdispositionen, andere würden jedoch über Indoktrination ausgeschaltet. so die uns angeborenen Hemmungen des Mitleids, die normalerweise als natürliche Gegenspieler das Eskalieren von Aggressionen ins Destruktive verhindern.



      Unter anderem beobachten wir bei den technisch zivilisierten Nationen ebenso wie bei Naturvölkern, dass Feinde zu Nicht-Menschen erklärt werden.

      Man verschiebt gewissermaßen die Auseinandersetzung auf ein zwischenartliches Niveau. Als Produkt der kulturellen Entwicklung ist der Krieg daher durchaus auch kulturell unter Kontrolle zu kriegen. Man muß nur wahrnehmen, dass er bisher Funktionen wie die der Ressourcensicherung erfüllte, die es, wenn man den Frieden will, auf unblutige Weise zu erfüllen gilt.

      Hier machen es sich manche Friedensengel zu einfach, indem sie den Krieg als Pathologie aburteilen und es beim Statement. sie seien für den Frieden, belassen. Damit haben sie sich als gute Menschen deklariert und mehr braucht es in unserer recht unkritischen Gesellschaft meist nicht. Der Applaus der Zuhörer ist ihnen nach einem solchen Friedensbekenntnis sicher. Nur der wirklichen Lösung bringt uns das nicht näher. Grundsätzlich ist der Mensch friedensfähig, ja ihn bewegt sogar Friedenssehnsucht und zwar nicht nur in der westlichen Welt.

      . . .





      http://www.estelmann.com/private/eibl1.htm



      ***********************************************************

      Wenn man das verinnerlicht hat, muß die nächste Frage lauten, wem nützt der Krieg dann, wenn doch die Beteiligten wissen, welches Leid auch bei den eigenen Bevölkerung entstehen kann?
      Und der krieg keineswegs in unseren Genen determiniert ist, sondern ein gewisse kriegerische Veranlagung durch irgendwen mißbraucht werden kann?
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 10:15:05
      Beitrag Nr. 36 ()
      neonjäger hat es mal auf den Punkt gebracht:

      #9 von Neonjaeger 22.02.03 13:21:41 Beitrag Nr.: 8.693.373 8693373


      Der Grund für Kriege ist heute noch der gleiche, wie zu allen anderen Zeiten auch: Gier. Jemand möchte etwas haben, was ein anderer besitzt. Früher war man da ehrlicher, man sagte was man wollte, z.B. Gold, Land, Vieh etc. Seit einigen Jahrzehnten wird das hinter Worthülsen wie Ehre, Freiheit, Demokratie oder Menschenrechte, versteckt.





      ***********************************************************


      In wessen Namen gibt es heute noch Krieg?

      Und wer profitiert davon am meisten?

      Wie sind die Mittel, dass wir es noch nicht einmal mehr wahrnehmen, was gespielt wird, ohne das es dafür eine Verschwörung braucht?


      All das werde ich hier noch versuchen, zusammenzustellen!
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 11:35:06
      Beitrag Nr. 37 ()
      ich bin sehr enttäuscht sittin bull.

      Man reibt sich wirklich die Augen bei dem was du hier schreibst.

      Liest man dein Posting #2 und die Postings #29 und #33 sieht man was für Purzelbäume du hier schlägst um eine eindeutige Aussage zu vermeiden.

      Die 500 tsd. toten Kinder in #2 sind plötzlich ein "bedauerlicher Nebenschauplatz" (#29)auf dem "klitzekleinen Feld" Irak(#33).

      Was mich interessieren würde: Nimm an du hättest die Zügel in der Hand. Du könntest darüber entscheiden was bzgl. des Irak getan werden soll. Was würdest du konkret tun? Jetzt. Sofort.
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 12:01:14
      Beitrag Nr. 38 ()
      mousepotato, gut gekämpft.


      2 Anmerkungen, erstmal nur kurz:

      a) der Vergleich Opfer des WTC mit Hungeropfern oder AIDS-Opfern der 3.Welt ist völlig schief. Die einen sterben, die anderen wurden auf unglaublich menschenverachtende Weise ermordert. Man kann die Zahl ja auch mit Verkehrstoten vergleichen, soll man dann den Autoverkehr abschaffen?

      b)der ganze Ansatz des sbi-Threads ist völlig schief. Weil er unterstellt, dass der Normalzustand ist, dass alle Menschen genug haben und es am System liegt, dass einige zu viel und andere zu wenig haben.

      Das Gegenteil ist aber richtig. Der Normalzustand ist, dass der Mensch "ein hochentwickeltes Tier" ist. Mit guten und schlechten Eigenschaften. Er ist zum Beispiel in der Regel egoistisch. Er will für "Arbeit" eine Belohnung. Und so weiter.
      Eine anarchischen regellose Gesellschaft würde sehr schnell da enden, wo das Buch endet, das fast alle in der Schule gelesen haben "Herr der Fliegen". Die Starken beherrschen die Schwachen, die Bösen die weniger bösen, die Rücksichtslosen die weniger Rücksichtslosen.
      Das, was wir uns als Regeln gegeben haben, soll diese Tendenz bremsen. Man kann aber nicht davon ausgehen, dass die Menschen durch Regeln innerlich geändert werden könnten. Deshalb ist die "gerechte Weltordnung" eine Illusion.

      Ganz einfach gesagt: ein durchschnittlicher europäischer Mittelstandbürger wird nie bereit sein, auf Wohlstand zu verzichten, damit ein Afrikaner von seinen 9 Kindern 7 statt 5 durchbringen kann. Und wenn es anders wäre, dann würden sich die Probleme nur in die Zukunft verlagern, weil dann die 7 Kinder der 7 Kinder (insgesamt schon 49) noch schwieriger zu ernähren wären.

      Warum ich davon überzeugt bin: weil selbst die politisch überkorrekten nur zu einem sehr geringen Anteil bereit sind, zum Beispiel beim Einkaufen höher Preise für "fair gehandelte" Waren zu zahlen. Dann doch lieber Aldi.

      So ist die Welt. Nicht so, wie sie einige gern hätten.
      Die Frage ist nur, inwieweit man dies korrigieren kann. Das sind aber letztlich graduelle Unterschiede, die mit Globalisierungsangst nichts zu tun haben.



      Kurz gefasst. Die Analyse der Fehler geht schon vom falschen Grundgedanken aus. Da kann letztlich nichts bei rumkommen, wenn es an die Lösung gehen soll.
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 13:20:45
      Beitrag Nr. 39 ()
      xylo, deine Einwände sind richtig, doch soweit war ich hier noch gar nicht!

      Trotzdem werde ich im weiterem Verlauf noch zeigen, mit welchen Mitteln wir selbst Systeme geschaffen haben, die ungerechte Zustände zementieren und warum diese zwangsläufig imemr wieder zum Krieg führen.

      Eins hat der Mensch den Tierarten nämlich voraus- Bewußtsein über falsche und richtige Handlung.

      Und trotzdem lebt er wie ein Tier.

      Da steckt Absicht hinter, weil es einigen nützt.

      Und zum ersten Punkt stelle ich die Verbindung auch noch her. Es ist direkte Folge davon, aus der Art wie die einen sterben, dass die anderen sterben. Wie in Israel und Palästina.


      Und mouse: Schon wieder der Irak: die 500 Tausend toten Kinder sind sehr bedauerlich, aber sie sind ein Opfer einer gerechten Sache. Auf einem Nebenschauplatz.

      So hat es Albright doch richtigerweise formuliert.

      Was soll ich im Irak ändern, wenn 7/8 der Menschheit unter ähnlich menschenunwürdigen Zuständen lebt?
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 13:30:51
      Beitrag Nr. 40 ()
      OK, steigen wir hart ein:

      Das Gegenteil ist aber richtig. Der Normalzustand ist, dass der Mensch "ein hochentwickeltes Tier" ist. Mit guten und schlechten Eigenschaften. Er ist zum Beispiel in der Regel egoistisch. Er will für "Arbeit" eine Belohnung. Und so weiter.

      Dem stimme ich vorbehaltlos zu- will er aber auch Krieg um seine Interessen gegen andere durchzusetzen?
      Das entsteht i.d.R. nur, wenn Ressourcen knapp sind...


      Eine anarchischen regellose Gesellschaft würde sehr schnell da enden, wo das Buch endet, das fast alle in der Schule gelesen haben "Herr der Fliegen". Die Starken beherrschen die Schwachen, die Bösen die weniger bösen, die Rücksichtslosen die weniger Rücksichtslosen.
      Das, was wir uns als Regeln gegeben haben, soll diese Tendenz bremsen. Man kann aber nicht davon ausgehen, dass die Menschen durch Regeln innerlich geändert werden könnten. Deshalb ist die "gerechte Weltordnung" eine Illusion.


      Nein, ganz einfach nein- genau so wie du es beschreibst ist der Ist-Zustand der Welt. Undemokratisch, ungerecht. Und zwar nicht weil der "Normalzustand" so wäre, sondern weil von uns geschaffene Systeme es so verlangen!

      Ganz einfach gesagt: ein durchschnittlicher europäischer Mittelstandbürger wird nie bereit sein, auf Wohlstand zu verzichten, damit ein Afrikaner von seinen 9 Kindern 7 statt 5 durchbringen kann. Und wenn es anders wäre, dann würden sich die Probleme nur in die Zukunft verlagern, weil dann die 7 Kinder der 7 Kinder (insgesamt schon 49) noch schwieriger zu ernähren wären.

      Hier ist einer der Hauptprobleme schwinderner Ressourcen, die Ursache für Knappheit und Gier. Überbordendes Bevölkerungswachstum, welches man bis heute nicht gelöst bekommen hat. Ich komme im nächsten Posting drauf zurück!




      2 Dinge sind es, die zwar menschliche Eigenschaften sind, die man aber nicht großartig ändern braucht, um eine gerechtere Welt zu schaffen, weil man Menschen nicht ändern muß. Unsere Syteme, die dem entgegenwirken, müssen nur klitzekleine Änderungen erfahren,
      und Menschen dürfen nicht mehr Nachkommen zeugen, als sie selbst an Zahl darstellen, also nur 2.

      Hier schränkt der Biosophist die Möglichkeit des Lebens ein, um den Bestand des Lebens zu schützen.

      Hört sich gefährlich an, weil damit auch schon Mißbrauch getrieben wurde, eine festgesetzte Geburtenkontrolle sollte es auch nicht geben, nur den moralischen Ansatz, dass nur 2 Kinder pro Familie wünschenswert sind. Im Zeitalter der Verhütung eigentlich gar kein Problem, wenn es nicht Kräfte geben würde, die das als ungewollt darstellen würden, dass der Mensch über die Anzahl seiner Nachkommen entscheidet, sowie teilweise finanzielle Zwänge, die dazu führen, dass man mehr Kinder braucht, um sich selbst im ALter anzusichern.
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 13:37:38
      Beitrag Nr. 41 ()
      @sbi

      ich verstehe schon (auch inhaltlich), worauf du
      hinauswillst. das system des kapitalismus basiert
      praktisch in der ausschöpfung ;) der rohstoffe und der
      menschen nicht nur anderer länder, ob bewusst oder
      unbewusst sei mal dahingestellt.
      ach, wie wär das schön, wenn es allen menschen gut ginge,
      wenn keiner hungern müsste, wenn keiner an therapierbaren
      krankheiten sterben müsste. das muss das langristige ziel
      der welt sein.
      dafür brauchen wir aber eine altruistische welt, bis dahin
      ist es aber ein sehr, sehr weiter weg, wie xylo richtig
      feststellt.
      wie kommen wir also zu dieser welt?
      vielleicht, indem wir das aktuelle system zu bekämpfen
      versuchen und dann ein neues system installieren?
      wo bleibt dann aber die kriegserklärung an die usa? ;)
      die wird natürlich nicht kommen...

      das könnte wohl die ansicht der menschen sein, die -ich sag
      mal- zu weit denken.

      die andere seite, ich nenn sie banal die rechten, sieht
      das aktuelle system bröckeln (ein irrglaube ;)) und sieht
      ihre chance, ein veraltetes system installieren zu können.
      das könnte die ansicht der menschen sein, die zurück
      denken.

      deswegen sieht man imho die `linken` und die `rechten`
      derzeit vereint im `kampf gegen amerika`. wo ist die
      kriegserklärung?

      kommen wir zurück zu unserer altruistischen welt. wie
      können wir ihr näher kommen? pauschal ganz einfach:
      die menschen in der ganzen welt müssen selbstbestimmt
      sein. die selbstbestimmung (freies denken, freies handeln)
      kann aber imho nur über die demokratie erreicht werden.
      wir sind uns sicher einig, dass in ländern wie dem irak
      diese selbstbestimmung nicht gegeben ist.
      das freie denken ist es ja auch gerade, was zu der idee
      der idealen welt führt. wenn dies irgendwann alle denken,
      dann dürfte die welt reif sein dafür. deswegen ist die
      welt jetzt eben auch noch nicht reif dafür, weil dieses
      denken weltweit nur eine minderheit ist.

      (die art der marktwirtschaft ist hierbei lediglich ein
      gradueller, kein systemimmanenter unterschied, deswegen
      das system zu schwächen halte ich für einen fehler)

      ich bin der ansicht, dass das aktuelle bremsen der
      amerikaner bzw. die stagnation der ausbreitung der
      demokratie hierbei natürlich in keinem fall hilfreich ist.
      in keinem fall dürfen diktatorische systeme gestützt,
      wenn nicht sogar gestärkt werden, nur um den amerikanern
      `eins auszuwischen`.

      die altruistische gesellschaft kann meines erachtens nur
      auf systemnatürliche weise erreicht werden, d.h. das
      system geht irgendwann von sich aus über in das nächste,
      gerade weil es ein demokratisches ist.

      just my 2 pence,
      Cole_T
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 13:42:59
      Beitrag Nr. 42 ()
      S O Z I O L O G I E



      Die nachwachsende männliche Gefahr

      Weltweit leben Millionen junger Männer in desolaten Verhältnissen ohne Zukunftsperspektive. Die Geschichte lehrt, dass dies zu einem ungeheuren Potential politischer Agressivität führen kann. Gedanken zu einem gravierenden, viel zu wenig beachteten Problem

      Von Gunnar Heinsohn



      "Vielleicht unser ganzes Leben lang"

      I.
      Als US-Präsident George Bush von einem Terrorkrieg auf "Jahre hinaus" sprach (20.9.2001) und Richard Myers, Vorsitzender der Oberkommandierenden aller US-Streitkräfte, sogar "unser ganzes Leben lang" dafür veranschlagte (21.10.2001), blieb der für diese enorme Kampfzeit unterstellte Hauptgrund meist unbenannt. Regierungsnahe Autoren hingegen bezeichnen ihn salopp gerne als youth bulge. Dieser Slang meint das Vorkragen der Gruppe der 15-29-Jährigen auf den demographischen "Bäumen" oder Pyramiden, mit denen die Altersverteilung einer Nation von den Neugeborenen bis zu den Höchstbetagten abgebildet wird. So ist Samuel Huntington bereits im 1996er Clash of Civilizations und dann wieder im Newsweek-Sonderheft zum Jahreswechsel 2001/2002 für den - von Davos nach New York verlegten - Weltwirtschaftsgipfel zuversichtlich, dass der islamistische Terror nur noch ein Vierteljahrhundert zuschlagen werde, weil die Länder seiner Herkunft bereits in den 2020er Jahren ihre "Jugendausstülpung" hinter sich hätten. Die islamischen Länder haben heute an die 700 Millionen Einwohner im Alter von 15 Jahren aufwärts. Mit 200 Millionen Kindern bzw. 100 Millionen Söhnen unter 15 Jahren würden sie immer noch auf einem deutlichen Wachstumskurs bleiben. Sie haben aber fast 500 Millionen Kinder, so dass sie mit 150 Millionen Söhnen im Überschuss gesehen werden, die in den kommenden anderthalb Jahrzehnten ihr bestes Kampfalter (15-29) erreichen. Und schon unter den jetzt 15-29-Jährigen seien 100 Millionen ohne zumutbare Perspektive.

      Amerika hingegen, als mächtigstes und auch geburtenfreudigstes Land des Westens, hat heute - bei 280 Millionen Einwohnern - gerade 30 Millionen Söhne unter 15 Jahren, von denen in Zukunft niemand entbehrt werden könne - schon gar nicht zum kämpfen. (Eine Tabelle mit der Rangliste aller Nationen mit mindestens vier Millionen Kindern nach ihrer heutigen Kinderzahl im Vergleich zum Weltrang gemäß ihrer heutigen Gesamtbevölkerung findet sich am Ende des Textes.)


      II.
      Das angelsächsische Denken greift relativ unbekümmert zum demographischen Argument. Seit dem National Security Study Memorandum 200 (24.4.1974) über "Auswirkungen des weltweiten Bevölkerungswachstums auf die Sicherheit der Vereinigten Staaten und ihrer Interessen in Übersee" bildet es eine feste Linie amerikanischer Strategie. Im deutschsprachigen Raum hingegen überwiegt Skepsis zur Reichweite solcher Analysen. Für eine differenzierte Mittlerposition gilt erst einmal, dass junge Männer nicht an sich eine tödliche Gefahr darstellen. Nicht um eine stürmische Jugend insgesamt, sondern um potentielle Krieger aus Ländern mit dem Zusatzproblem eines youth bulge geht es in der strategischen Analyse. Gewiss sind im Vergleich mit jungen Frauen die jungen Männer auch in ansonsten stabilen Nationen mit über 90 Prozent der Gewalttaten eindeutig das aggressivere Geschlecht. Aber unter den Jungen selbst sind die gewaltgetriebenen und dafür nach höheren Rechtfertigungen suchenden doch nur eine Minderheit von weniger als zehn Prozent.

      Auch eine Nation mit absolut sehr vielen jungen Männern bedeutet nicht automatisch Gefahr für Minderheiten im eigenen Land oder gar für andere Nationen mit weniger jungen Männern. Ein Gebiet nähert sich - in der Terminologie der Völkermordfrühwarnung - erst dann dem dauerhaft zu beobachtenden red-alert-Bereich, wenn die Zahl der neu hinzukommenden jungen Männer über mehrere Generationen hinweg deutlich höher liegt als die Zunahme der für sie noch akzeptablen Lebenspositionen. Diese haben nichts mit absoluter Armut zu tun. Hungernde spielen bei Emigration und Aggression eine zu vernachlässigende Rolle.

      Auch wenn lediglich eine Generation von Vätern zwei oder mehr Jungen in die Welt setzt, diese selbst dann aber auf einen Sohn zurückgehen, ergibt sich noch keine bedrohliche Situation, sondern lediglich ein Babyboom. Die westliche Studentenbewegung der 1960/70er Jahre stammte aus einem solchen demographischen Einmalereignis. Das Gewaltpotential dieser Generation hat sich nicht zuletzt deshalb schnell eindämmen lassen, weil ihrer großen Mehrheit erträgliche Karrieren angeboten worden sind.


      III.
      Der keineswegs erste, aber erstmals gut belegte youth bulge baut sich an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert in Europa auf. Er ist Ergebnis der Todesstrafen auf Geburtenkontrolle zur "Repöplierung" nach dem Bevölkerungsabsturz von 70 auf 40 Millionen in den Pestepidemien seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Gemäß der Bulla apostolica adversus haeresim maleficarum (Hexenbulle) vom 4. 12. 1484 werden erstmals europaweit mit dem Tode bestraft alle "Personen beiderlei Geschlechts, die [...] die Geburten der Weiber umkommen machen und verursachen, dass die [Menschen] nicht zeugen." Während das Hochmittelalter im Bereich der Sexualität und Nachwuchssicherung im wesentlichen nur den Kinderraub bestraft, weil der Nachwuchs wegen Geburtenkontrolle knapp ist, und qua Ehebruchsverbot auch noch die Zeugung von Bastarden ahndet, ist bereits in der Constitutio Criminalis des Bamberger Reichstages von 1507 jedes Verfahren der Verhütung, Abtreibung und sonstigen Kindesvermeidung von Ungarn bis nach Feuerland unter Todesstrafe gestellt. Allein der Sexualakt innerhalb einer Ehe mit dem ausschließlichen Ziel der Kindeszeugung bleibt in der europäisierten Welt bis in das 20. Jahrhundert hinein legal und moralisch unverwerflich.

      Am besten statistisch nachvollziehbar, aber typisch für ganz Westeuropa ist die nun explosionsartige Entwicklung brisanter youth bulges für einige Grafschaften Englands. Im Zeitraum 1416-40 hinterlassen dort 100 Väter lediglich 82 Söhne. Im Zeitraum 1491-1505 hingegen folgen auf 100 Väter 202 Söhne. Ein Jahr vor der ersten Ausfahrt des Kolumbus (3.8.1492) haben England und die übrigen Länder Europas doppelt so viele Söhne zur Verfügung wie wegsterbende Väter Positionen freimachen. Und dabei handelt es sich eben nicht um einen einmaligen Babyboom, sondern um das Resultat einer dann über vier Jahrhunderte eisern durchgehaltenen Bevölkerungspolitik, an deren Ende der kleine Kontinent um 1900 mit 400 Millionen Einwohnern über ein Viertel der Menschheit beherbergt. Heute ist er längst wieder unter zehn Prozent abgesunken. Im gleichen Jahrhundert hat die islamische Bevölkerung von 160 Millionen (1900) auf 1,2 Milliarden (2001) zugenommen und dabei ihren Weltanteil von 10 auf 20 Prozent verdoppelt.

      China als auch damals volkreichstes Land der Erde hat im Jahre 1500 mehr Söhne als Europa, aber es hält durch Geburtenkontrolle das Verhältnis zwischen Wegsterbenden und Nachwachsenden stabil. Europa tut das glatte Gegenteil. Seine Söhne erobern zwischen 1500 und 1700 - mit Restgebieten bis 1900 - sehr schnell über die Hälfte der Welt. Mit Methoden, die seit der UNO-Völkermordkonvention von 1948 als genozidal definiert sind, dezimieren und kolonisieren sie die einheimischen Bevölkerungen in den gewaltigen Territorien, die heute Anglo-Amerika, Lateinamerika, Russisch-Asien, Australien und Neuseeland sowie Burisch-Afrika heißen. Der weltweite Siegeszug der europäischen Medizin und Fortpflanzungsmoral (globale Durchsetzung des Kindestötungsverbotes gegen 1900) hat auch in den übrigen Gebieten der Erde dazu beigetragen, dass die Weltbevölkerung von ca. 500 Millionen im Jahre 1500 auf 6,2 Milliarden im Jahre 2002 angestiegen ist.


      IV.
      Kolonisation erweist sich bei genauem Zusehen fast durchweg als Euphemismus für eine Mixtur aus Ansiedlung und Tötung. Das gilt auch für das erste vorchristliche Jahrtausend, als Griechen, Phönizier und Römer ihre überzähligen Söhne - die gesunden wurden meist aufgezogen, während bereits der Erhalt eines einzigen Mädchens der Sitte Genüge tat - für die Kolonisation ausstatten. Die Siedler haben - nach Raub der Töchter - die Stämme um das Mittelmeer sehr schnell unterworfen oder eliminiert und stoßen dann in großen Kriegen unter Ebenbürtigen direkt aufeinander. Die von den Alten zu Recht gerühmte Pax Romana setzt erst ein, als im Jahre 146 v. Chr. mit der Schleifung und Ausmordung von Korinth (50.000 Tote von 120.000 Einwohnern) und Karthago (150.000 Tote von 250.000 Einwohnern) die größten Städte der Griechen und Phönizier ausgelöscht sind. Diese Vorgänge gehören selbstverständlich zum Bildungsgut der Verantwortlichen für die Pax Americana.


      V.
      So megablutig und riesenhaft selbst im Vergleich zur Antike die Umwandlung der Welt ab 1500 heute anmutet, so darf doch nicht vergessen werden, dass es mal gerade 50 Millionen Töchter und Söhne Europas waren, die sie als "Auswanderer" zwischen 1500 und 1900 exekutiert haben. So viele könnte das heutige Indien mit seinen bald 350 Millionen Kindern unter 15 Jahren an einem einzigen Tag zur Verfügung stellen und hätte - bei 700 Millionen Einwohnern über 15 Jahren - immer noch mit einem youth bulge fertig zu werden.

      Die Verzwölffachung der Weltbevölkerung seit 1500 (bis 2025 mit 8 Milliarden eine Versechzehnfachung) hat in der Gegenwart ganz unstrittig zu mehr und massiveren youth bulges als je zuvor in der Geschichte geführt. Sie liegen überall dort vor, wenn man eine Faustformel gebrauchen will, wo auf sechs Einwohner zwei oder mehr Kinder unter 15 Jahren kommen. Mit Indien, der islamischen Welt, Schwarzafrika (700 Millionen Einwohner) sowie weiteren Staaten Asiens und Lateinamerika geht es um Gebiete mit etwa 3,5 Milliarden Menschen. Die haben heute über 600 Millionen Söhne, die im Jahre 2017 zwischen 15 und 29 Jahre alt sind. Zu jedem bestimmten Zeitpunkt könnten dann bis zu 350 Millionen von ihnen nach einer Existenz außerhalb ihrer Heimat streben.

      Wo auf vier Einwohner ein Kind kommt - wie in China mit 320 Millionen Kindern bei 1280 Millionen Einwohnern -, ergibt sich tendenziell eine demographische Säule bzw. eine stabile Bevölkerung. Wo - wie in Westeuropa - auf sechs bis sieben Einwohner nur noch ein Kind kommt (Deutschland hat bei 83 Millionen ca. 13 Millionen), werden die über 50-Jährigen zur Bevölkerungsmehrheit, so dass man von einem Bevölkerungspilz bzw. von Schrumpfung spricht. Diese Gebiete werden bis 2050 womöglich Zigmillionen aufnehmen. Für Hunderte von Millionen jedoch wirkt ein solcher Weg eher unwahrscheinlich. Sie lassen sich auch schwerlich auf die Weise der alten Römer oder der neuzeitlichen Europäer durch Eroberung und Kolonisierung unterbringen.

      Längst weisen zahllose youth bulge Länder Massenkriminalität, Innenterror, Dörferabschlachtungen, Bürgerkrieg, Völkermord, Staatszusammenbrüche, boat- und truck-Flüchtlinge, Außenterror und Krieg auf. Es konnte deshalb nicht ausbleiben, dass die Strategen der Terrorbekämpfung sie in den Blick genommen haben. Und es kann nicht überraschen, dass sich das Hauptaugenmerk erst einmal auf Gebiete mit vergleichsweise hoher Bildung (Islam, Lateinamerika) richtet. Junge Akademiker, die langwierige schulische Ausleseprozesse siegreich überstanden haben, verlangen anspruchsvollere Positionen als diejenigen, die schon in früher Kindheit auf die unteren Ränge des Bildungssystems oder gar das Analphabetentum fixiert worden sind.

      Unter den Überschüssigen sind es also die qualifizierten jungen Männer, die das Talent und - wichtiger noch - das Nervenkostüm für den Aufbau schlagkräftiger Bewegungen mitbringen. Auch das Sehnen nach Wichtigkeit, für die es ein Menschenrecht doch nicht geben kann, ist bei ihnen am stärksten ausgeprägt.

      Gewiss können Religionen und Ideologien, die sich besonders gut als Rechtfertigung einer Heilssicht des Tötens eignen, für zusätzliche Sprengkraft sorgen. Erst einmal jedoch müssen diejenigen, die für eine Sache tötungs- und todeswillig gemacht werden sollen, vorhanden und überdies ohne attraktive Alternative sein.


      Man vergesse dabei auch nicht, wie wirkungslos die christliche Liebesreligion sich erwiesen hat. Vor allem in den ersten zwanzig Jahren der europäischen Welteroberung haben ihre Zöglinge nicht nur zahllos, sondern auch zügellos grausam getötet. Erst am 21. Dezember 1511 bringt Antonio Montesino (1485-1528) - als Mentor von Bartolomè de Las Casas (1484-1566) und Franciscus de Victoria (1493-1546) - vor den ihn verfluchenden Siedlern von Santo Domingo - und unter Invokation des mosaischen Gesetzes - das Völkerrecht auf den Weg:

      "Es ist gewiss, dass man, um fünfzig Spaniern ihre Existenz sicherzustellen, mehr als fünfhundert indianische Feuerstätten entvölkern muss. [...] Allesamt befindet ihr Euch im Stande der Todsünde. Darin lebt und sterbt ihr, wegen der Grausamkeit und der Tyrannei, die ihr gegenüber diesen unschuldigen Menschen walten laßt.

      Sagt doch: Mit welchem Recht und mit welcher Gerechtigkeit haltet ihr diese Indianer in solch einer grausamen und schrecklichen Sklaverei? [...] Wieso haltet ihr sie solchermaßen unterdrückt und ermüdet, ohne ihnen zu essen zu geben und ihnen ihre Krankheiten zu heilen, die sie sich bei den von euch auferlegten übermäßigen Arbeiten zuziehen, wenn sie euch nicht sterben oder, besser gesagt, ihr sie nicht umbringt, weil ihr sie Tag für Tag Gold schürfen und ausbeuten laßt? [...] Haben sie denn keine vernunftbegabten Seelen? Habt ihr denn nicht die Pflicht, sie zu lieben wie euch selbst [3. Mose 19: 18/34]? Ihr versteht das nicht? Habt ihr denn kein Gespür? Seid ihr denn in einen dermaßen tiefen, lethargischen Schlaf gefallen? Seid sicher: In dem Zustand, in dem ihr euch befindet, könnt ihr nicht mehr gerettet werden als die Mauren und Türken."


      [Und genauso ist es heute noch- nur viel subtiler- nicht von Freiheit, Demokratie, Freier Zugang zu den Ressourcen, Gerechtigkeit kann man sprechen, wenn man die Welt betrachtet- selbst bei uns nicht.]



      VI.
      Bedrohliche Auswirkungen der aktuellen youth bulges werden häufig als ebenso zwangsläufig hingestellt wie die der frühen Neuzeit, sie sind es aber nicht. Jedermann weiß, dass kleine Territorien mit klaren Eigentumsverhältnissen und entsprechend innovativen Geldwirtschaften selbst langfristig wachsende Bevölkerungen ökologisch passabel versorgen können. Hochtechnologieländer wie Hongkong, Südkorea und Taiwan sind hierzu immer wieder präsentierte, weil auch mit viel westlicher Anleitung durchgeführte Beispiele. Das schlagendste Vorbild liefert allerdings Westeuropa selbst, das seine Bevölkerung zwischen 1500 und 1950, als 50 Millionen "auswanderten", von etwa 50 auf 500 Millionen gesteigert hat. Allerdings ist dies eine Betrachtung aus dem Nachhinein, die dem Kolonisten von 1520 oder 1750 nicht zugänglich sein konnte. Im Moment seines Erwachsenwerdens - und mit den Brüdern neben sich - war er in Europa abkömmlich. Der mögliche Kampf gegen Eingeborene schien ihm leichter als die Erhebung gegen seinen hochgerüsteten Fürsten. Dennoch ist es gerade die Sicht aus dem Nachhinein, die Zuversicht dafür vermitteln kann, dass eine brisante demographische Lage nicht automatisch in Großtötungen enden muss.

      Um solche und vorstellbar ähnliche Lösungen wissen die Sicherheitsstrategen. Sie schließen sie auch für die Zukunft keineswegs aus. Allerdings rechnen sie nicht fest darauf, dass erforderliche Reformen rechtzeitig und in ausreichend vielen youth-bulge-Nationen durchgeführt werden. Und selbst jedem Pessimismus Abholde müssen einräumen, dass noch niemand vorgemacht hat, wie quasi auf einen Schlag und friedliche Weise eine Drittelmilliarde junger Männer aus der Misere in ein passables Leben zu transferieren ist. Allerdings wird darüber auch kaum öffentlich nachgedacht. Stattdessen gibt es die hinter vorgehaltener Hand geäußerte Überzeugung, dass die Massenvernichtungswaffen des Westens schon dafür sorgen werden, dass ihm selbst die europäische youth-bulge-Lösung der Jahre 1500-1900 erspart bleibt. Diese Kombination aus öffentlicher Tabuisierung und privaten Genozidphantasien mag dazu beitragen, dass die westlichen Militärführer sich mit ihrem si vis pacem, para bellum [wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor] erst einmal auf bedrohliche oder gar schlimmste Szenarien einstellen. Und in der Tat: Wie sollen - einmal an der Macht - die 60 Millionen Kinder Amerikas auch nur die dann erwachsenen 61 Millionen Kinder Pakistans (145 Millionen Einwohner) befrieden, reformieren oder gar versorgen? Gewiss, dort lernt nur eine Minderheit des männlichen Nachwuchses auf heiligen Krieg, aber eine Million zwischen sechs und achtzehn in 7000 Madrassas sind das schon. Und islamweit können es zehnmal so viele sein. Insofern hört sich ein General in seinen Fünfzigern doch recht optimistisch an, wenn er ein Ende des Terrorkrieges noch zu seinen Lebzeiten für möglich hält. Am 29. Januar 2002 allerdings klang sein Präsident schon deutlich besorgter: "Unser Krieg gegen den Terror hat gut begonnen, aber er hat gerade erst angefangen. […].Wir werden umsichtig handeln. Aber die Zeit ist nicht auf unserer Seite." Am 6. Februar 2002 erläuterte - wiederum vor dem amerikanischen Kongress - CIA-Direktor George Tenet diese Sorge: "Armut und politische Instabilität im Mittleren Osten und im Subsaharagebiet haben für die Rekrutierer von Terroristen einen überaus fruchtbaren Boden bereitet. In den kommenden zwei Jahrzehnten werden diese Regionen die größten Bevölkerungen an Jugendlichen haben, unter denen die Wahrscheinlichkeit, Terrorist zu werden, am höchsten ist."



      Aus der Zeit
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 13:47:40
      Beitrag Nr. 43 ()
      Cole-T: :) Ah, sehr gut, nur etwas zu schnell!

      Es ist ein sehr unbewußter Prozeß, den ich hier aber noch herausarbeiten will.

      Ansonsten d`accord.

      Und die altruistische Gesellschaft ist keineswegs so weit weg, wie du denkst. Man muß auch gar nicht gegen etwas kämpfen, sondern für etwas neues.

      Und falls irgendeiner Kommunismus sagt, haue ich ihm eine um die Ohren.

      Das wird allerdings bekämpft, für etwas neues zu sein.
      Weil es die Berechtigung für die Existenz der Unterdrücker vernichtet, auch wenn sie selbst auch davon profitieren können, nur so weit denken sie nicht...
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 13:57:56
      Beitrag Nr. 44 ()
      Die in 42 geschilderten Youth Bulges sind ein zentraler Bestandteil unserer Systeme. Sie sind zwar bei uns nicht mehr so stark anzutreffen, aber immer wieder aufgetreten.

      Sie müßten es nicht, wenn man, wie beispielsweise China es zeigt, eine gesellschaftliche Vorgabe existiert.

      Das in China dafür Weiblicher Nachwuchs menschenverachtend behandelt wird, steht auf einem anderen Blatt- was mehr mit dem Wert eines Geschlechtes zu tun hat- auch nur eine soziologische Einstellung der Kultur einer Gesellschaft...


      Youth bulges sind Folge unserer Systeme, und, sie sind noch nicht einmal ungern gesehen. Sonst würde doch vielmehr in der Öffentlichkeit in diese Richtung diskutiert werden. Warum geschieht das nicht?

      Interessante Frage.

      Immer wichtig: wer profitiert evtl. von solcher Entwicklung?
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 18:25:19
      Beitrag Nr. 45 ()
      Also, keine Einwände gegen die Problematik Überbevölkerung als Hauptkriegsgrund?

      Schön, dann komme ich zum nächsten, zur Art, wie unsere Systeme arbeiten, wie das passieren konnte, was bereits passiert ist- dass die Weltgeschicke in der Hände einiger weniger Menschen liegt, die plutokratisch alles steuern...


      Es liegt nicht mehr oder weniger als am Geld.

      Geld, welches mit einem Systemfehler geboren wurde...
      Unser Geld, welches von Menschen geschaffen wurde.

      Und dabei ist hauptsächlich der Dollar gemeint,
      der Dollar, bei dem ich schon gesehen habe,
      wie er auf arme Menschen in armen Ländern wirkt,
      wo der Dollar der erste Kontakt zu unserer "zivilisierten" Welt darstellt.

      Geld ist die bedeutenste Erfindung der Menschheit,
      weil es Tauschgeschäfte wesentlich vereinfacht, in dem man einen universellen Maßstab für alle Handlungen, Dienstleistungen oder Waren hat!

      Aber es hat einen negativen Nebeneffekt, wenn der Zins der Kapitalbildungszwang ist. Es erfolgt eine automatische Umverteilung von unten nach oben, immer.

      In die Hand einiger weniger erfolgt eine Konzentration von Macht immensen Ausmaßes, durch nichts und niemanden mehr zu kontrollieren, weil Geld immer auch Macht ist.
      Macht, die nicht zum Nutzen aller eingesetzt wird,
      wie allein schon dieser Systemfehler beweißt!

      Dazu Magret Kennedy:

      VIER GRUNDSÄTZLICHE MISSVERSTÄNDNISSE BEZÜGLICH DER FUNKTION DES GELDES

      Tag für Tag benutzt fast jeder Mensch auf diesem Planeten Geld. Die meisten verdienen Geld durch ihre Arbeit und geben es aus für Güter, die sie brauchen.
      Dennoch verstehen sehr wenige Menschen genau, wie Geld funktioniert und wie es ihr Leben direkt oder indirekt beeinflußt.


      Sehen wir uns zuerst die positive Seite des Phänomens an: Weil Geld den Austausch von Gütern und Dienstleistungen enorm erleichtert und damit die Begrenzungen des direkten Austausches von Gütern und Dienstleistungen in einer arbeitsteiligen Wirtschaft überwindet, ist es eine der genialsten Erfindungen der Menschheit. Würden Sie beispielsweise in einem Dorf leben, wo es nur Tauschhandel gäbe und dort ein Kunstwerk produzieren, das lediglich den Beerdigungsunternehmer interessiert, so könnten Sie für Ihr Kunstwerk nur Särge eintauschen und müßten bald die Kunst aufgeben. Geld schafft also Möglichkeiten zur Spezialisierung und ist damit die Grundlage jeder Zivilisation.

      Das Problem besteht nun darin, daß Geld nicht nur dem Austausch von Gütern und Dienstleistungen dient, sondern diesen ebenso behindern kann, wenn es gehortet bzw. nicht weitergegeben wird.

      Damit wird eine Art "privater Zollstation" geschaffen, an der jene, die weniger Geld haben als sie benötigen, denjenigen eine Abgabe bezahlen, die davon mehr haben als sie brauchen. Ist dies ein faires Geschäft? Keineswegs. Tatsächlich könnte man unser gegenwärtiges Geldsystem, wie ich später zeigen werde, als verfassungswidrig in allen demokratischen Nationen bezeichnen.

      Um dies zu erklären, muß ich vier Mißverständnisse zum Thema Geld näher beschreiben. Natürlich sind diese vier nicht die einzigen Mißverständnisse. Unsere Vorstellungen über Geld sind ein recht exakter Spiegel des Abbilds der Welt in uns, und diese Bilder sind so vielfältig wie die Menschen auf diesem Planeten. Trotzdem sind die nachfolgend besprochenen vier Irrtümer, die Haupthindernisse für ein Verständnis des Konstruktionsfehlers im gegenwärtigen Geldsystem, und sie sind gleichzeitig wichtig, um zu erkennen, welche Möglichkeiten ein neues Geldsystem bieten kann.


      MIßVERSTÄNDNIS NR. 1: ES GIBT NUR EINE ART VON WACHSTUM.
      Wir neigen zu der Vorstellung, daß es nur eine Art von Wachstum gibt, nämlich die Art, die wir an uns selbst erleben. Darüberhinaus gibt es jedoch andere, mit denen wir weniger vertraut sind.




      Abbildung 1, Kurve a zeigt in vereinfachter Form das Wachstumsverhalten in der Natur, dem sowohl unser Körper folgt als auch Pflanzen und Tiere. Wir wachsen recht schnell in den frühen Phasen unseres Lebens, dann langsamer und hören gewöhnlich mit dem körperlichen Wachstum nach dem 21sten Lebensjahr auf. Ab diesem Zeitpunkt, also die längste Zeit unseres Lebens, verändern wir uns - "qualitativ" - statt "quantitativ", deshalb möchte ich diese Kurve als "qualitative" Wachstumskurve bezeichnen. Nun gibt es jedoch, wie Abbildung 1 zeigt, zwei weitere grundlegend unterschiedliche Wachstumsmuster:



      Kurve b zeigt das mechanische oder "lineare" Wachstum: d.h. mehr Maschinen produzieren mehr Güter, mehr Kohle produziert mehr Energie usw. Dieses ist für unsere Analyse von geringerer Bedeutung.

      Wichtig hingegen ist das Verständnis von Kurve c, das sogenannte exponentielle Wachstum, welches man als das genaue Gegenteil zu Kurve a bezeichnen könnte. In Kurve c ist das Wachstum anfangs sehr gering, steigt dann aber kontinuierlich an und geht schließlich in fast senkrechtes quantitatives Wachstum über. In der physischen Welt geschieht ein solches Wachstum gewöhnlich dort, wo wir Krankheit oder Tod finden. Krebs z.B. folgt einem exponentiellen Wachstumsmuster. Zuerst wächst er langsam. Aus einer Zelle werden 2, daraus 4, 8, 16, 32, 64, 128, 256, 612 usw.

      Er wächst also ständig schneller, und wenn man die Krankheit schließlich entdeckt, hat sie bereits eine Wachstumsphase erreicht, in der sie oft nicht mehr gebremst werden kann. Exponentielles Wachstum endet gewöhnlich mit dem Tod des "Gastes" und des Organismus" von dem er abhängt.

      Deshalb ist das Unverständnis dieses Wachstums die folgenschwerste Fehlvorstellung im Hinblick auf die Funktion des Geldes. Mit Zins und Zinseszins verdoppeln sich Geldvermögen in regelmäßigen Zeitabständen, d.h. sie folgen einem exponentiellen Wachstumsverhalten, und das erklärt, warum wir in der Vergangenheit in regelmäßigen Zeitabschnitten und auch gegenwärtig wieder mit unserem Geldsystem Schwierigkeiten haben. Tatsächlich verhält sich der Zins wie ein Krebs in unserer sozialen Struktur.



      Abbildung 2 zeigt die Zeitperiode, die nötig ist, damit sich das Geld, das angelegt wird, verdoppelt: bei 3% brauchen wir mit Zins und Zinseszins 24 Jahre, bei 6% 12 Jahre, bei 12% 6 Jahre.

      Selbst bei l% erfolgt mit Zins und Zinseszins eine exponentielle Wachstumskurve mit einer Verdoppelungszeit von ungefähr 70 Jahren.

      Durch unser eigenes körperliches Wachstum haben wir nur jenes Wachstumsverhalten der Natur kennengelernt, das bei der optimalen Größe aufhört (Kurve a). Deshalb ist es für die meisten Menschen schwer zu verstehen, was exponentielles Wachstum im materiellen Bereich wirklich bedeutet. Wir haben eine andere biologische Erfahrung. Das exponentielle Wachstum müssen wir über den Kopf bewußt verstehen lernen.

      Diese Verständnisschwierigkeit läßt sich durch die berühmte Geschichte des persischen Kaisers verdeutlichen, der so begeistert von dem neuen Schachspiel war, daß er dem Erfinder jeglichen Wunsch erfüllen wollte. Der kluge Mathematiker entschied sich, ein Exempel zu statuieren. Er bat um ein Getreidekorn auf dem ersten Quadrat des Schachfeldes und um die Verdoppelung dieser Menge für das jeweils nachfolgende Quadrat des Schachfeldes. Der Kaiser, der zunächst froh über solche Bescheidenheit war, mußte bald feststellen, daß in seinem gesamten Reich nicht genügend Getreide vorhanden war, um diesen "bescheidenen" Wunsch zu erfüllen. Wer einen Computer besitzt, kann die benötigte Menge berechnen: 440 Welt-Getreideernten waren es 1985 (1).

      Ähnlich eindrucksvoll beweist die folgende Analogie die Unmöglichkeit eines andauernden exponentiellen Wachstums: Hätte jemand einen Pfennig mit 4% Zinsen zur Geburt Christi investiert, so hätte er damit im Jahr 1750 eine Kugel aus Gold vom Gewicht der Erde kaufen können. 1990 hätte er bereits den Gegenwert von 890 solcher Kugeln erreicht. Bei einem Zins von 5% hätte man bereits im Jahr 1403 eine dieser Kugeln kaufen können, und 1990 hätte die Kaufkraft 2200 Milliarden Goldkugeln vom Gewicht der Erde entsprochen (2).

      Das Beispiel zeigt den Unterschied, der bereits durch l% Zins über eine längere Zeitperiode bewirkt wird. Weiterhin beweist es, daß die andauernde und langfristige Zahlung von Zins und Zinseszins mathematisch nachweisbar praktisch unmöglich ist. Die bisherige ökonomische Notwendigkeit und die mathematische Unmöglichkeit befinden sich in einem Widerspruch, der nicht zu lösen ist. Wie dieser Mechanismus zur Akkumulation von Kapital in den Händen von zunehmend weniger Menschen führt (und damit in der Vergangenheit zu unzähligen Fehden, Kriegen und Revolutionen geführt hat), wird unter "Mißverständnis 3" gezeigt. Heute ist der Zinsmechanismus eine Hauptursache für den pathologischen Wachstumszwang der Wirtschaft mit allen bekannten Folgen der Umweltzerstörung.

      Die Lösung der Probleme, die durch exponentielles Wachstum des Geldes durch den Zins hervorgerufen werden, liegt darin, ein Geldsystem zu erschaffen, das der qualitativen Wachstumskurve folgt. Dies erfordert, die Zinsen durch einen anderen Mechanismus zu ersetzen, der den Geldumlauf sichert. In Kapitel 2 werden die damit verbundenen Veränderungen geschildert.


      MIßVERSTÄNDNIS NR. 2: ZINSEN ZAHLEN WIR NUR DANN, WENN WIR UNS GELD LEIHEN.
      Ein weiterer Grund für die Schwierigkeit, das Wirken des Zinsmechanismus auf unser Geldsystem vollständig zu verstehen, liegt darin, daß er zu einem Teil verdeckt wirkt. Die meisten Menschen glauben, daß sie Zinsen nur dann bezahlen, wenn sie Geld borgen und daß sie nur das Geldborgen vermeiden müssen, wenn sie keine Zinsen zahlen wollen.



      Abbildung 3 zeigt, daß dem nicht so ist, denn in jedem Preis, den wir bezahlen, sind Zinsanteile enthalten. Das sind die Zinsen, die die Produzenten von Gütern und Dienstleistungen der Bank zahlen müssen, um Maschinen, Gebäude usw. anschaffen zu können oder die Zinsen, die sie für ihr Eigenkapital bekämen, wenn sie es der Bank als Spareinlage oder zur sonstigen Anlage überlassen würden. Der Anteil schwankt bei den Gütern und Dienstleistungen, die wir kaufen, entsprechend der Höhe des jeweiligen Kapitaleinsatzes. Einige Beispiele aus dem öffentlichen Bereich, also von Preisen, die wir alle bezahlen, zeigen diesen Unterschied klar auf. Der Anteil der Zins- (= Kapital)kosten in den Müllabfuhrgebühren beträgt ungefähr 12%. Hier ist der Zinsanteil relativ niedrig, da die Lohnkosten preisbeherrschend sind. Dies ändert sich beim Trinkwasser- und Abwasserpreis, bei dem die Anteile der Zinskosten bereits 38% bzw. 47% betragen. In der Kostenmiete im sozialen Wohnungsbau beträgt der Anteil sogar 77%. Das heißt, wir zahlen unser Haus über 20-30 jahre nicht einmal sondern viermal ab.

      Im Durchschnitt bezahlen wir 30%-50% Zinsen oder Kapitalkosten in den Preisen für Güter und Dienstleistungen, die wir zum täglichen Leben brauchen. Könnten wir also den Zins abschaffen und ihn durch einen besseren Mechanismus ersetzen, der das Geld in Umlauf hält, dann wären theoretisch die meisten von uns mindestens um die Hälfte reicher, oder sie müßten höchstens zwei Drittel der Zeit arbeiten, um ihren derzeitigen Lebensstandard zu erhalten.


      MIßVERSTÄNDNIS NR. 3: DAS GEGENWÄRTIGE GELDSYSTEM DIENT ALLEN GLEICHERMAßEN.
      Eine dritte Fehlvorstellung über unser Geldsystem könnte so formuliert werden: Weil jede/r Zinsen bezahlen muß, wenn er/sie sich Geld leiht und Güter oder Dienstleistungen kauft und weil jede/r Zinsen bekommt, wenn er/sie Geld spart, geht es uns allen gleichermaßen gut (oder schlecht) mit dem gegenwärtigen Geldsystem.



      Auch dies stimmt nicht. In der Tat besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen denjenigen, die in diesem System gewinnen und denjenigen, die bezahlen. Abbildung 4 zeigt einen Vergleich zwischen Zinszahlungen und Einkommen aus Zinsen bei 10 zahlenmäßig gleichen Bevölkerungsanteilen in der Bundesrepublik. Es zeigt sich, daß die ersten 80% der Bevölkerung mehr Zinsen bezahlen als sie erhalten, 10% erhalten etwas mehr als sie bezahlen und die letzten 10% erhalten etwa doppelt soviel Zinsen wie sie bezahlen. Das ist zusammengenommen genau der Teil, den die ersten 80% der Bevölkerung verloren haben. Dies erklärt vorbildlich einfach einen Mechanismus, vielleicht den wichtigsten, der die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden läßt.

      Wenn wir uns die letzten 10% der Bevölkerung etwas genauer ansehen bezüglich ihres Einkommens aus Zinsen, so tritt erneut das Phänomen des exponentiellen Wachstums zutage. Für die letzten l% der Bevölkerung müßte die Säule für das Einkommen aus Zinsen etwa um das 5-fache erhöht werden, für die letzten 0,1% um mehr als das 20-fache und für die 82 Milliardärsfamilien in unserem Lande (nach der Untersuchung des Wirtschaftsmagazins Forbes im Juli 90) um das 2000-fache. Bei einer 6prozentigen Verzinsung wird diese letzte Gruppe täglich um rund 32 Millionen DM reicher, was dem Nettoverdienst von 438.000 Arbeitnehmern entspricht.

      Wir haben also mit dem Zins als Umlaufsicherung in unserem gegenwärtigen Geldsystem eine versteckte Umverteilung von Geld, welche nicht auf Leistung beruht, sondern darauf, daß jemand die freie Marktwirtschaft, d.h. den Austausch von Waren und Dienstleistungen, durch Zurückhalten des Austauschmittels behindern kann und für diese Behinderung auch noch belohnt wird. Und so wird ironischerweise ständig Geld verschoben, von denjenigen, die weniger Geld haben als sie brauchen, zu denen, die mehr Geld haben als sie benötigen. Dies ist eine andere und eine weit subtilere und effektivere Form der Ausbeutung als diejenige, die Marx zu beheben versuchte.

      Fraglos hatte er Recht, auf die Quelle des Mehrwertes in der Produktionssphäre hinzuweisen. Das ist genau genommen der einzige Bereich, in dem mehr Wert erzeugt werden kann. Die Verteilung des Mehrwertes jedoch geschieht zu einem sehr großen Umfang in der Zirkulationssphäre von Geld und Waren, ja in immer größeren Umfang ausschließlich in der Geldsphäre. Heute, am Ende einer langen wirtschaftlichen Wachstumsphase und der Lösung des Geldes vom Goldstandard, kann man das sehr viel klarer erkennen als Marx zu seiner Zeit.

      Das Ende wird dadurch gekennzeichnet, daß sich immer größere Beträge von Geld in den Händen von immer weniger Individuen oder Firmen konzentrieren. Seit 1980 hat sich der Gewinn aus der weltweiten Geldspekulation mehr als verdoppelt. Allein in New York hat sich der tägliche Austausch von Währungen zwischen 1980 und 1986 von 18 Billionen Dollar auf 50 Billionen Dollar vermehrt (3). Die Weltbank schätzt, daß Geldtransaktionen weltweit etwa das 15-20fache dessen betragen, was für den Welthandel, d.h. für den Austausch von Waren, tatsächlich erforderlich ist (4).

      Der Mechanismus von Zins und Zinseszins erzeugt nicht nur den Antrieb für ein pathologisches Wirtschafts- und Geldmengenwachstum, sondern arbeitet auch, wie Dieter Suhr aufgezeigt hat, gegen die verfassungsmäßigen Rechte der Individuen in den meisten Ländern (5). Wenn eine Verfassung gleichen Zugang der Individuen zu allen Dienstleistungen der Regierung garantiert - und das Geldsystem kann als solche aufgefaßt werden - dann ist es illegal, wenn in diesem System 10% der Bevölkerung aus dieser Dienstleistung ständig mehr erhalten als sie bezahlen und das auf Kosten von 80% der Bevölkerung, die entsprechend weniger erhalten als sie dafür bezahlen.


      Es könnte so aussehen, als ob eine Änderung in unserem Geldsystem "nur" 80% der Bevölkerung dienen würde, also denen, die gegenwärtig mehr Zinsen bezahlen, als sie zurückbekommen. Dennoch würde, wie ich in Kapitel 3 aufzeigen werde, jeder von dieser Lösung profitieren, langfristig selbst jene, die aus dem krankhaften System, welches wir jetzt haben, Vorteile ziehen.


      MIßVERSTÄNDNIS NR. 4: INFLATION IST EIN INTEGRALER BESTANDTEIL EINES JEDEN GELDSYSTEMS.
      Eine vierte Fehlannahme bezieht sich auf die Rolle der Inflation in unserem Wirtschaftssystem. Für die meisten Menschen scheint Inflation fast natürlich, weil es in der Welt kein kapitalistisches Land mit einer freien Marktwirtschaft ohne Inflation gibt. Abbildung 5, zur Entwicklung verschiedener Wirtschaftsindikatoren in der BRD, läßt einen Faktor erkennen, der in enger Beziehung zur Inflation steht.


      Während die Einnahmen des Bundes, das Bruttosozialprodukt sowie Löhne und Gehälter zwischen 1968 und 1982 auf ungefähr das Dreifache (300%) anstiegen, erhöhten sich die Zinslasten des Bundes auf mehr als das Elffache (1160%). Die Tendenz wird deutlich - die Schulden und Schuldenzinsen in den Volkswirtschaften nehmen schneller zu als die Einkommen, was früher oder später zum Kollaps führen muß, selbst in den industrialisierten Nationen. Wenn ein Kind zwischen seinem 1. und 10. Lebensjahr um das dreifache wächst, seine Füße im selben Zeitraum jedoch um das 11-fache wachsen, würde jeder es krank nennen. Das Problem ist, daß nur sehr wenige Menschen die Zeichen der Krankheit im Geldsystem erkennen und daß noch weniger ein Heilmittel kennen. Denn bisher war niemand in der Lage, ein gesundes Geldsystem aufzubauen, welches Bestand hatte.

      Inflation wirkt wie eine andere Form von Besteuerung, mit der die Regierungen eine Möglichkeit haben, die schlimmsten Probleme der ansteigenden Schulden zu bewältigen. Es ist offensichtlich, daß die benötigte Inflation umso größer sein muß, je größer die Lücke zwischen nationalem Einkommen und Schulden ist. Die Regierungen können ihre Schulden vermindern, indem sie den Notenbanken gestatten, Geld zu drucken. Abbildung 6 zeigt den Wertverlust der DM zwischen 1950 und 1985. Diese Abwertung trifft jene Leute am härtesten, die ihr Vermögen nicht in "inflationsbeständigem" Grundbesitz oder anderen Investitionen anlegen können, wie jene, die zu dem kleinen Bevölkerungsteil mit dem höchsten Einkommen gehören.



      Der Wirtschaftshistoriker John L. King zieht eine Parallele zwischen Inflation und den Zinszahlungen für den "US-Kreditballon". In einem Brief vom 08. Januar 1988 schrieb er mir:

      "Ich habe bisher hinlänglich über den Zins als die wichtigste Ursache der steigenden Preise geschrieben, da er in den Preisen für alle Dinge, die wir kaufen, versteckt ist, jedoch wurde dieser Gedanke, obwohl er wahr ist, bisher nicht recht akzeptiert. 9 Billionen US-Dollar Inlandsschulden ergeben bei 10% Zins 900 Milliarden US-Dollar, die in steigenden Preisen bezahlt werden, und dies entspricht genau dem 4%-igen Anstieg der Preise, welche die Experten als Inflation bezeichnen. Ich habe den Zins und Zinseszins stets als eine unsichtbare Zerstörungsmaschinerie betrachtet, die gerade jetzt hart am Werk ist. Wir müssen versuchen, uns von dieser sinnlosen finanziellen Besessenheit zu befreien."

      Während der letzten 33 Jahre stiegen die privaten und öffentlichen Schulden in den U.S.A. um 1000%, wobei der größte Anteil auf die privaten Haushalte entfällt. Alle Mittel der Regierung wurden eingesetzt, um dieses Wachstum weiteranzuheizen: Garantien bei der Vergabe von Zinsen, subventionierte Hypothekenraten, niedrige Eigenanteile beim Kauf von Häusern und Konsumgütern, erleichterte Konditionen bei der Kreditvergabe, Steuervorteile, Sekundär-Märkte, Auszahlungsversicherungen usw. Die Erklärung für diese Politik ist, daß nur auf diese Weise die Konsequenzen des Zinssystems für die große Mehrheit der Bevölkerung erträglicher gemacht werden konnten. Durch das Erzeugen eines schnellen wirtschaftlichen Wachstums, das dem exponentiellen Wachstum des Geldes folgt, bleiben die sozialen Konsequenzen noch eine Weile unsichtbar. Der Teufelskreis, der sich ebenfalls immer schneller dreht, heißt nun: mehr Inflation, mehr soziale Ungleichheit und immer schlimmere Auswirkungen auf unsere Umwelt. Viele Gesichtspunkte sprechen also dafür, diesen zerstörerischen finanziellen Zinsmechanismus durch eine andere Umlaufsicherung zu ersetzen.

      Der Zins muß jedoch nicht die einzige Ursache für Inflation sein. Rohstoffverknappung (wie zur Zeit der Ölkrise), übermäßige Rüstungsausgaben oder Krieg (wie in Ländern des nahen Ostens) können inflationäre Tendenzen natürlich ebenso verursachen. Doch unter normalen Umständen und mit einer vernünftigen Geldpolitik der Notenbank wäre ein wesentlicher Grund für die ständige Inflation mit der Abschaffung des Zinses als Umlaufsicherung beseitigt.

      Avatar
      schrieb am 16.03.03 19:27:19
      Beitrag Nr. 46 ()
      Und nun der Rundschlag zum Thema Krieg:


      29. Kapitel
      Geld, Krieg und Kapitalvernichtung

      „Wenn der Friede die Frucht der Gerechtig-
      keit ist, dann ist der Konflikt, die kriegeri-
      sche Auseinandersetzung, die Frucht der
      Ungerechtigkeit.“
      Adolf Paster*
      * Präsident der Hifa-Austria, "Die Zukunft beginnt jetzt“, "Der Dritte Weg“ 7/1992


      Das Problem der wachsenden Asylantenströme macht seit langem Schlagzeilen.

      Zukünftig werden immer mehr Menschen versuchen, vor Armut, Hunger und Bürgerkriegen in die reichen Industrienationen zu flüchten. In den Fluchtursachen findet man die Fehlstrukturen unseres Geldsystems auf vielfältige Weise bestätigt, direkt und indirekt:
      - Die schulden- und zinsbedingten Diskrepanzzunahmen zwischen Arm und Reich in aller Welt sind Zündstoff für soziale Spannungen. Diese wiederum führen zu politischen Spannungen und sind der Auslöser für Gewalt, bis hin zu Aufständen und Bürgerkriegen.
      - Die Inflationen in den ärmeren Ländern ruinieren nicht nur die Währungen, sondern auch die Volkswirtschaften. Armut und Hunger sind die Folgen, die zu Flüchtlingsströmen führen und zum Chaos.
      - Der geldbedingte Zwang zum Wachstum und zur Kapitalbindung treibt die Industrienationen in die Überrüstung und zu Waffenexporten in die übrige Welt. Damit nimmt nicht nur die Verarmung in den bereits armen Ländern zu, sondern auch das Waffenpotential zur Unterdrückung der Bevölkerung.

      Da jedoch alles das nicht ausreicht, die wachsenden Geldkapitalmassen renditeträchtig zu binden, sind außerdem immer wieder Kapitalvernichtungen erforderlich. Kriege sind dazu noch geeigneter als Wirtschaftsrezessionen, nicht nur aufgrund des großen Waffenverschleißes, sondern auch wegen der Zerstörungen in zivilen Bereichen und des erforderlichen Wiederaufbaus. Mit Rüstung und Krieg kann man also in einer besonders wirksamen Weise das Absinken der Zinsen unter jene Marke verhindern, die zum Geldstreik führt und damit zum deflationären Wirtschaftszu-
      sammenbruch.




      Möglichkeiten neuer zusätzlicher Kapitalinvestitionen und sorgt für gründlichen Verbrauch und Verschleiß der angesammelten Vorräte an Waren und Kapitalien, wesentlich rascher und durchgreifender, als es in den gewöhnlichen Depressionsperioden auch bei stärkster künstlicher Nachhilfe möglich ist. So ist . . . der Krieg das beste Mittel, um die endgültige Katastrophe des ganzen kapitalistischen Wirtschaftssystems immer wieder hinauszuschieben.“
      Ernst Winkler, „Theorie der natürlichen Wirtschaftordnung“, 1952


      „Ich glaube, daß wir in unserem Geldsystem eine Art karzinombildendes Element haben, was unsere Wirtschaft fortwährend krank macht ... Meiner Meinung nach kann dieses Geldsystem nur dadurch funktionieren, daß es immer wieder zusammenbricht und dann immer wieder von vorn begonnen wird. Diese Zusammenbrüche nennt man dann Kriege oder Wirtschaftskatastrophen oder Inflationen, je nachdem, aber das bedeutet eigentlich nur, daß dieses System
      in sich selbst kein Regulativ hat, was zu einer vernünftigen Eindämmung führen würde . . .“

      Michael Ende, Autor, Interview mit Helmar v. Hanstein, 1992


      „Wenn wir einst erkennen werden, was es auf sich hat mit dem Hindernis, das die Produzenten nicht zu den Verbrauchern kommen läßt und umgekehrt, dann werden wir nicht nur die Hauptursache der Unzufriedenheit in der Welt, der bestehenden Feindseligkeit und Mißgunst unter den Nationen, sondern gleichzeitig den einzig richtigen
      Weg zum Weltfrieden entdeckt haben.“
      Vincent C. Vickers, Großindustrieller, von 1910 bis 1912 Gouverneur der Bank von England, aus „Wirtschaft als Drangsal“


      „Es kann keinen Frieden auf Erden geben, ehe wir nicht die Forderung unserer Zeit erfüllen und den großen ewigen Fluch unserer Rasse beenden und jedem Arbeiter den vollen Verdienst seiner Arbeit verschaffen.“
      Abraham Lincoln, ehemaliger Präsident der USA" target="_blank" rel="nofollow ugc noopener">„Rüstung bedeutet ökonomisch den Abzug zinsdrückenden …





      Hat der Zins tatsächlich mit Krieg zu tun?

      In der Kundenzeitschrift „Sparkasse“ erschien im Dezember 1988 ein hochinteressanter Nachdruck, entnommen aus einem Vorläufer der gleichen Zeitschrift aus dem Jahr 1891. Dieser vor 100 Jahren geschriebene Artikel befaßte sich mit der Zinsentwicklung, schwerpunktmäßig mit jener des 19. Jahrhunderts. Dabei wurde vor allem der damals zu registrierende Trend sinkender Zinsen
      beklagt und erklärt:


      „Die Ursache für das Sinken des Zinsfußes wird
      vorzüglich darin gefunden, daß die besonders rentablen Capitalanlagen großen Maßstabes heute erschöpft sind und nur Unternehmungen von geringer Ergiebigkeit übrig bleiben.“

      Um den damals bei drei Prozent liegenden Zinssatz vor weiterem Fall zu bewahren, müßten, so hieß es weiter:
      „... die neuen Länder, beispielsweise Afrika, sehr
      rasch durch europäische Capitalien erschlossen
      werden, damit einem solchen Sinken begegnet
      werde."
      Doch da auch das zu einer Umkehr des Zinstrends nicht ausreichen würde, schließt der 1891 erschienene Artikel mit folgenden Sätzen:
      „So spricht denn alles dafür, daß wir noch einem
      weiteren Sinken des Zinsfußes entgegensehen. Nur
      ein allgemeiner europäischer Krieg könnte dieser
      Entwicklung Halt gebieten durch die ungeheure
      Capitalzerstörung, welche er bedeutet.“

      Dieser Schluß scheint ungeheuerlich. Aber er hat sich - wie wir wissen - seit 1891 zweimal erfüllt: Zwei „allgemeine europäische Kriege“, die man sogar weltweit ausdehnen konnte, haben dem Sinken des Zinsfußes Halt geboten“.



      Haben die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs ausreichend lange vorgehalten?

      Etwa ein bis zwei Jahrzehnte waren die Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg in den zerstörten Ländern mit dem Wiederaufbau beschäftigt. Wer Bilder oder Filme über die Trümmerstädte sieht, kann sich kaum vorstellen, daß diese Arbeit überhaupt zu schaffen war. Angesichts dieser Aufbauinvestition war das Kapital entsprechend knapp und mit real fünf bis sechs Prozent in der BRD aus-
      reichend hoch verzinst. An Rüstungs- oder gar Kriegsgeschäfte dachte kaum jemand in dieser Zeit. Im Gegenteil: Viele Unternehmer hatten nach Kriegsende geschworen, niemals mehr in die Rüstungsproduktion einzusteigen.

      Als Folge dieses allgemeinen Desinteresses dauerte der erste indisch-pakistanische Krieg Ende der 40er Jahre nur acht Tage. Beide Seiten hatten ihre Munition verschossen, die Panzer waren kaputt, und niemand in der Welt
      war anscheinend bereit, ausreichend für Nachschub zu sorgen: Man (und das Kapital) hatte mit der Behebung der Zerstörungen des großen Krieges noch genug zu tun.
      Mit dem Auslaufen des Wiederaufbaus, den ersten Sättigungserscheinungen auf den Konsummärkten und einer wachsenden Geldvermögensbildung kam der Zins jedoch langsam unter Druck. Schon in den 60er Jahren fiel der Realzins am Kapitalmarkt in der BRD im Durchschnitt auf vier Prozent zurück.

      Wenngleich Adenauer über die Köpfe des Parlaments hinweg
      1956 wieder eine Bundeswehr entstehen ließ, kam das Gros der benötigten Ausrüstung noch weitgehend aus fremden Produktionen. In Deutschland setzte man immer noch auf friedliche Methoden zur Garantie der Kapitalrentabilität. Doch hinter den Kulissen entstand auch bei uns wieder eine Rüstungsindustrie, die sogar nach und nach das Ausland mit ihren Qualitätsprodukten beglückte. In den 70er und 80er Jahren gewann die BRD immer mehr Anschluß an die Siegermächte, die bereits in den 50er Jahren ihre Rüstungsindustrie wieder auf Hochtouren brachten.

      Selbst der damalige US-Präsident und frühere Weltkriegsgeneral Eisenhower warnte mehrfach öffentlich vor dieser gefährlichen Verselbständigung des militärisch-industriellen Komplexes. Aber das Kapital hatte im wahrsten Wortsinn „Blut gerochen“, zuerst
      im Koreakrieg und dann an vielen anderen Kriegsschauplätzen in der Welt, so daß es kein Halten mehr gab.
      Obwohl man jeden potentiellen Gegner nur einmal töten kann, reichten die Waffenarsenale und Vernichtungskapazitäten in den 80er Jahren bereits aus, um jeden Menschen auf der Erde 15- bis 20mal umzubringen. Der Irrsinn dieses ständig wachsenden Overkills ist mit keiner Logik erklärbar. Niemals in der Menschheitsgeschichte hat es ein Tötungspotential in dieser Größenordnung ge-
      geben. Allein ein U-Boot der Trident-Klasse hat eine Sprengkraft an Bord, die achtmal größer ist als die gesamte, die im letzten Krieg in aller Welt verschossen und als Bomben abgeworfen wurde. Und um diese kaum noch vorstellbare Zerstörungskraft abzuschießen, braucht solch ein U-Boot keine sechs Jahre, sondern nur noch sechs Minuten.


      Doch dieser Wahnsinn hatte Methode. Er garantierte einmal Tausenden von Waffenschmieden und -händlern in aller Welt lukrative und staatlich abgesicherte Gewinne. Vor allem aber sorgte er dafür, daß die Zinsen in der Welt auf einer ausreichenden Höhe blieben, um den Streik des Kapitals zu vermeiden.

      Die Kapitalrenditen blieben auf diese Weise zwar lange Zeit gesichert, nicht aber der Wohlstandsanstieg der Menschen. Denn mit den Waffen und Militäranlagen mußten sie Produkte schaffen, von denen sie keinerlei Nutzen hatten, ja diese Rüstungsgüter wurden sogar zu einer immer größeren konkreten Bedrohung für ihr Leben. Doch diese Produktionen brachten den arbeitenden Menschen nicht nur keinen Nutzen, sie wurden für diesen Milliarden-Wahnsinn auch noch durch immer höhere Steuern zur Kasse
      gebeten.



      Wird mit der Rüstung das Kapital nur bedient?

      Mit der Rüstung wird nicht nur Kapital bedient, sondern auch gebunden, richtiger: vom Markt genommen. Würde man das in die Rüstung, die Raketensilos, die Kasernen usw. investierte Kapital im zivilen Sektor einsetzen, dann wäre das dort gegebene Angebot
      deutlich größer. Ein größeres Angebot an Wohnungen, Konsum-
      gütern usw. aber würde auf die Kapitalrendite einen entsprechenden Druck ausüben. Aufgrund dieses Drucks müßte - wenn das Kapital nicht streiken könnte - der Zins schließlich gegen null heruntergehen.

      Da aber das Kapital streiken, das heißt sich vom Markt zurückziehen kann, sind die Staaten an ständiger Knappheit und ausreichend hohen Zinsen interessiert, notfalls sogar unter Duldung oder Förderung von Kriegen.
      Statt das Geld zu zwingen, sich ggf. auch bei niedrigeren Zinsen der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen, sorgen die Staaten auf diese irrsinnige Weise also für die streikvermeidende Knappheit.

      Vergleichbar ist das mit der Praxis der EG-Agrarmarktpolitik. Auch hier sorgt man bei allzu guten Ernten durch künstliche Verknappung des Angebotes (sprich Vernichtung) für weiter hochbleibende Preise, um Streiks der Bauern aus dem Weg zu gehen.



      Findet diese Kapitalverknappung und –vernichtung tatsächlich statt?

      Wer zum erstenmal von diesen Zusammenhängen hört, wird da von nichts glauben wollen. Auch mir ging das lange so, bis die Indizien und Beweise zu überzeugend wurden. Dabei braucht man sich nicht auf die Sparkassenzeitung aus dem vergangenen Jahrhundert zu stützen. Auch in der wissenschaftlichen Literatur taucht der Vorgang der Kapitalvernichtung unter dem Begriff
      „Reinigungskrise zur Beseitigung von Überinvestitionen“ auf.
      Gemeint ist der Zustand, bei dem der Investitionsumfang so groß geworden ist, daß er den Zins unter jene Grenze drückt, bei der es
      zu Geldzurückhaltungen und damit deflationären Rezessionen
      kommt. Auch ohne Krieg und ohne Rüstung werden in solchen
      Rezessionen durch Unternehmens- und Privatbankrotte, durch
      Verschleudern oder Verderben von „Überproduktionen“ bereits
      Kapitalmassen vernichtet. Mit dieser „Reinigung“ - sprich Kapitalvernichtung - wird dann eine ausreichende Knappheit erzeugt, die über höhere Zinsen das Kapital wieder aktiv werden läßt. Durch ständige Ausweitung marktferner Investitionen - von der Raumfahrt bis zur Rüstung - kann man die Notwendigkeit solcher „Reinigungskrisen“ zwar eine Zeitlang hinausschieben, aber kaum auf Dauer. Irgendwann wird eine „große Reinigung“
      unausweichlich. Und dazu ist ein Krieg nicht nur durch den
      erhöhten Waffenverbrauch und die angerichteten Schäden un-
      übertreffbar wirkungsvoll. Auch durch die Vernichtung der
      Geldvermögen, die meist mit dem anschließenden Staatsbank-
      rott verbunden ist, verschwinden riesige Kapitalpolster aus der Welt. Die Gewinner solcher großen „Reinigungen“ sind diejenigen, die rechtzeitig in Sachvermögen umgestiegen sind, mög-
      lichst außerhalb der Kriegsgebiete. Noch besser ist natürlich die Anlage in das unzerstörbare Bodenkapital. Den so „Überlebenden“ der Kapitalvernichtung wird jedenfalls ein ganz enormer Reichtumsanstieg beschert.


      John Maynard Keynes, als Zeuge über alle Zweifel erhaben, hat die Zusammenhänge in etwas komplizierterer Sprache beschrieben: „Jedesmal, wenn wir das heutige Gleichgewicht durch vermehrte Investitionen sichern, verschärfen wir die Schwierigkeit der Sicherung des Gleichgewichtes von morgen.“

      Und als Notausgänge aus diesem Dilemma nennt er „das Bauen
      von Pyramiden und Kathedralen, Erdbeben, selbst Kriege“,
      denn, so schreibt er weiter, „zwei Pyramiden, zwei Steinhaufen für Tote sind doppelt so gut wie einer, aber nicht zwei Eisenbahnen von London nach York“. (Zitiert nach Ernst Winkler aus „Theorie der natürlichen Wirtschaftsordnung“.)

      Diese etwas schwer verständliche Darlegung bestätigt, daß
      ständig vermehrte Investitionen im zivilen Bereich das zinshochhaltende „Gleichgewicht“ gefährden, dagegen aber sinnlose Bauten, Erdbeben und Kriege dieses „Gleichgewicht“ auf Dauer sichern.

      Wem diese Bestätigung nicht genügt, der sollte die „Pyramiden“ unserer Tage Revue passieren lassen: vom „Schnellen Brüter“ bis zum Hochtemperaturreaktor, von der halbfertig gebauten WAA in Wackersdorf bis zu dem „Raketenfriedhof“, der im Orbit
      kreist. - Von den Milliardengräbern der x-mal verschrotteten und erneuerten Rüstung nicht zu reden. Und alle diese Projekte haben nicht nur bei ihrer Entstehung Milliarden neutralisiert. Sie benötigen oft nicht minder große Summen für ihre ordnungsmäßige Betreuung und Beseitigung. Und das letztlich immer nur auf Kosten
      der arbeitenden Menschen und allein zugunsten des eingesetzten Kapitals.



      Wie war das beim ersten Golfkrieg?

      Seit fast 50 Jahren hat es in Europa keinen Krieg mehr gegeben, und darauf sind die meisten Politiker sehr stolz. In Wirklichkeit ist es uns nur gelungen, die „ungeheure Capitalzerstörung“ durch Kriege, die zum Erhalt der Kapitalrendite früher nötig waren, durch eine ungeheure Naturzerstörung und Überrüstung bislang
      überflüssig zu machen. Doch wenn sich anderswo in der Welt die Möglichkeit zur kriegerischen Kapitalzerstörung bot, war Europa immer dabei, als Lieferant der Todeswaffen ebenso wie hinterher beim kapitalverschlingenden Wiederaufbau. Diese „Stellvertreterkriege“ waren außerdem die beste Möglichkeit, die Waffen in der Praxis vorzuführen und weitere Kunden zu gewinnen.
      Wenn man bedenkt, daß „die fünf ständigen Mitglieder des
      Weltsicherheitsrates der UNO (Großbritannien, UdSSR, USA,
      Frankreich, China), die den Weltfrieden sichern sollen, die größten Waffenlieferanten der Entwicklungsländer sind“ (terre des hommes, Dezember 1991), braucht man sich über nichts mehr zu wundern. Die ganze Skala aller „Nachkriegskriege“ durchzugehen, würde zu weit führen. Auch wäre es ein fruchtloses Unter-
      fangen, für einen dieser „Stellvertreterkriege“ nachträglich einen Sinn zu konstruieren, sieht man von den Kapitalprofiten ab. Hier soll darum nur noch einmal an die beiden Golfkriege erinnert werden, die uns, trotz schnellebiger Zeit und täglich neuer Kriegs-
      schauplätze, wohl noch gegenwärtig sind.

      Der erste, acht Jahre dauernde Golfkrieg zwischen Irak und
      Iran war das bisher größte „Nachkriegsgeschäft“ für die waffenliefernden Länder. Dabei lagen die sogenannten „christlichen Nationen“ immer an der Spitze. Vor allem verstanden sie es vorzüglich,
      gleich beide kriegführenden Seiten zu beliefern. Und da es sich bei beiden Ländern aufgrund der reichen Bodenschätze in Form von Ö1 um zahlungskräftige Kunden handelte, war der Dauer dieses Krieges fast kein Ende gesetzt. Doch aufgrund der großen Zerstörungen in den Ländern und des allgemeinen Leistungsrückgangs kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem man auch dort wieder in die Hände spucken muß, wenn die Zahlungsfähigkeit erhalten
      bleiben soll. Außerdem verspricht man sich bei einem bestimmten Ausmaß der Zerstörung vom Wiederaufbau noch größere Geschäfte.

      So schrieb „Die Zeit“ am 18.10.1987, noch vor Beendi-
      gung der Kämpfe:
      „Eine größere Zahl deutscher und japanischer Finanzvertreter harrt in Teheran aus. Sie setzen auf die Zeit des Wiederaufbaus nach dem Ende des Krieges . . . Wirtschaftsschäden von über 300 Milliarden habe der Krieg verursacht. Da winkt, so hoffen die Geschäftsleute, mancher dicke Investitionsauftrag.“

      Doch nicht nur die Lieferungen ziviler Ausrüstungen zum Wiederaufbau helfen die Kapitalrendite sichern, sondern auch die dazu gewährten Kredite.



      Und was brachte der zweite Golfkrieg?

      Der Irak unter Saddam Hussein war jahrelang - vor und im ersten Golfkrieg - einer der Spitzenkunden für die westlichen und östlichen Waffenlieferanten. Daß es sich bei Hussein um einen der übelsten Diktatoren handelt, hat dabei keinen Politiker gestört.
      Sie finanzierten seine Käufe sogar gerne im voraus mit gutverzinsten Krediten.
      Auch das Nachbarland Kuwait, dem iranischen Fundamentalis-
      mus wenig zugeneigt, half Hussein mit respektablen Krediten bei der Bändigung des Irans. So war es für den überschuldeten Hussein schließlich eine doppelte Versuchung, das kleine Kuwait einzukassieren. Einmal wurde er auf diese Weise einen lästigen Gläubiger los, gleichzeitig wurden ihm sprudelnde Ölquellen be-
      schert, mit deren Hilfe er die hohen Schulden in den Industrienationen leichter bedienen oder sogar tilgen konnte.
      Was danach kam, ist uns noch allen geläufig. Während sich die gutbetuchten, kampffähigen Söhne der Kuwaitis in Ägypten und an der Riviera vergnügten, wurde das besetzte Land von den USA und einigen Helfern mit einem ungeheuren Materialaufwand (bei nicht minder großer Behinderung der Berichterstattung) befreit und der Irak in die Knie gezwungen. Allerdings nicht so weit, daß
      Saddam Hussein hätte abdanken müssen.
      Die USA hat dieser Krieg so gut wie nichts gekostet, außer ein „paar Menschenleben“. Wie ein Söldnerheer kassierte die führende Weltmacht bei allen Bündnisstaaten ab. Natürlich auch bei den reichen Scheichs, deren von der Zeit längst überholte feudalistische Herrschaftssysteme noch einmal eine Überlebenschance erhielten.
      In welcher Größenordnung in dieser Materialschlacht Kapital vernichtet wurde, geht aus einer Stellungnahme des Hilfswerkes „Misereor“ hervor. „Golfkrieg auf Kosten der Armen“, war der Bericht überschrieben, der bereits am 26. 1. 1992 durch die Presse ging. Die Vergleichszahlen von Kriegskosten und Entwicklungshilfe muten „fast unvorstellbar“ an, hieß es darin, und weiter: Mit
      bis zu einer Milliarde Dollar seien in der ersten Woche allein auf seiten der multinationalen Truppe täglich mehr Mittel verbraucht worden, als Misereor „in den 32 Jahren seines Bestehens für die Entwicklungs- und Friedensarbeit in der gesamten Dritten Welt einsetzen konnte“.

      Doch auch beim zweiten Golfkrieg war die große Materialvernichtung und -zerstörung nur die eine Seite der Profitmedaille, der anschließende Wiederaufbau wiederum die zweite. Dank der größten Leistung im Krieg haben sich die USA auch dabei den Löwenanteil gesichert. Aber auch die Helferstaaten meldeten rechtzeitig ihre Ansprüche an, wie der Auszug aus dem Berliner „Tagesspiegel“ vom 12.2.1991 zeigt (siehe nächste Seite).
      „Bombenerfolge“ im doppelten Wortsinn sind also mit solchen
      Kriegen für die Mitmacher verbunden. Und es ist gleichermaßen entlarvend wie bezeichnend, daß es bei dem Wiederaufbau-Geschacher sogar schon um Objekte ging, die noch gar nicht zerstört waren.
      Geht man den Zusammenhängen weiter nach, kommt noch
      mehr ans Tageslicht. So berichtet die schweizerische Zeitschrift „Der Zeit·Punkt“ von einem geheimgehaltenen Regierungsbericht, nach dem die britischen Steuerzahler „rund 500 Mio. Franken für Waffen bezahlen, mit denen der Irak die eigenen Truppen
      des Inselreiches beschossen hat. Die Rechnung geht zurück auf eine Exportgarantie, die die britische Regierung Firmen gewährte, die in den Irak ausführten“, heißt es in dem Text. Und weiter: „Unter dem Strich müssen die Briten . . . zweimal bezahlen. Einmal für die irakischen Waffen und einmal für die eigenen, die irakischen zu zerstören. Der Kreislauf ähnelt in gewisser Hin-
      sicht demjenigen, der vor allem die EG-Länder zwingt, Lebensmittel zu vernichten, deren Produktion subventioniert wurde.“


      Bombenerfolge für britische Industrie erhofft
      London kämpft bereits mit den USA um Aufträge für den Wiederaufbau Kuwaits Von unserem Korrespondenten
      London,11. Februar Die Londoner Regierung fordert mit größerem Nachdruck die Beteiligung britischer Unternehmen an dem Wiederaufbau in Kuwait, wenn der Krieg gegen Irak einmal vorüber ist. Die Briten erwarten eine bevorzugte Behandlung bei der Vergabe der Aufträge, welche den eigenen militärischen Beitrag zur Befreiung des Landes in Rechnung stellt. Der Korrespondent der Financial Times berichtet aus Riad über das Treffen: „Peinlichkeit bei den Diskussionen war nicht zu erkennen, obwohl Kuwait erst noch befreit werden muß, und ein großer Teil der Infrastruktur, welche britische Unternehmen wiederaufbauen wollen, noch nicht zerstört ist. „ Jede erfolgreiche britische Bombe ist daher kommerziell und finanziell auch ein möglicher Erfolg für die britischen Firmen, die gerade in einer Zeit der Rezession dankbar für Aufträge sind. Das gleiche gilt prinzipiell genauso für die anderen Mitglieder der Allianz gegen Saddam Hussein, voran die USA.


      Helmut Creutz, Das Geldsyndrom
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 19:45:14
      Beitrag Nr. 47 ()
      Krieg eine natürliche Folge unseres Geldsystemes?


      Wenn jetzt jemand geschockt ist, kann ich es verstehen.

      Unser Geld ist doch gut, immerhin können wir uns damit alles kaufen, was wir zum Leben brauchen!


      Doch wieso wird auch in unseren westlichen Ländern das Geld knapper, wo doch sinkende Zinsen eher für ein Überangebot des Geldes sprechen? Wo die Notenbanken alles versuchen, Geld in das System zu bringen, doch alle wundern sich, dass niemand dieses billige Geld haben will?
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 19:59:11
      Beitrag Nr. 48 ()
      Schöne neue Wirtschaftsscheinwelt

      Norbert Rost 12.03.2003

      Über gern übernommene Denkfehler der "Wirtschaftsexperten", …

      Die Wirtschaft ist eine der wichtigsten Fundamente der Gesellschaft. Hat die Wirtschaft ein Problem, hat die Gesellschaft ein Problem. Wir dürfen dies aktuell am eigenen Leib bemerken. Die Analyse, Kontrolle und Steuerung des Mysteriums Wirtschaft wird dabei meist in den Händen Einzelner, genannt "Wirtschaftsexperten", belassen. Sie findet man in Unternehmen, der Politik und den Medien. Doch sollte man ihnen allein die Problemlösungen überlassen?


      Obwohl jeder Mensch Teil der Wirtschaft ist, ist das Wissen über diese meist nur rudimentär vorhanden. Aussagen der "Experten" werden ständig wiederholt und in den Medien verbreitet. Vieles wird oft als Tatsache präsentiert und als unanfechtbare Meinung übernommen. Schließlich hat nicht jeder Zeit und das Interesse, sich mit wirtschaftlichen Vorgängen zu befassen. Verstärkt wird das Desinteresse durch Fachbegriffe der Experten, bei denen der "Laie" meint, sowieso nicht mitreden zu können.

      Ich behaupte, dass viele der sogenannten (und teilweise selbsternannten) Wirtschaftsexperten fundamentalen Irrtümern hinterherlaufen. Gleichzeitig sollte man immer im Auge behalten, dass Menschen auch persönliche Interessen haben, die nicht immer öffentlich bekannt sind. Dies ist nicht nur unverantwortlich, sondern sogar gefährlich: Niemand würde das Fundament eines Hauses von Experten mit zweifelhaftem Ruf erbauen lassen - aber das Fundament unserer Gesellschaft schon?



      Wachstum verhindert Arbeitslosigkeit?


      Es hört sich so einfach an: Um Arbeitslosigkeit abzubauen, muß die Wirtschaft wachsen. Diese Meinung wird in den Wirtschaftsmedien so oft wiedergekäut, dass sie bereits als Tatsache gilt. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Wachstum allein aber nicht das Problem der Arbeitslosigkeit löst:

      Die deutsche Wirtschaft zum Beispiel wächst seit dem Zweiten Weltkrieg. Sie wächst und wuchs zeitweise nur langam, aber sie wächst - und zwar immer prozentual bezogen aufs Vorjahr. Vollbeschäftigung gab es in Deutschland jedoch nur in den 60er bis Mitte der 70er Jahre, als in der BRD dann Gastarbeiter benötigt wurden, um die Nachfrage nach Arbeitskräften zu bedienen. Trotz weitergehenden Wachstums stiegt die Arbeitslosigkeit an. Kann Wirtschaftswachstum also als Allheilmittel für das Zivilisationsproblem Arbeitslosigkeit gelten?


      Der einzige Grund für Arbeitslosigkeit ist mangelndes Wachstum?


      Ein Freund, von Beruf Vermesser, erzählte mir stolz, dass er jetzt als erster in seiner Firma mit einem GPS-gestützten System arbeiten kann. Die Vermesser-Branche gehört - wie die Baubranche allgemein - aktuell nicht zu den Wirtschaftsbereichen, denen es besonders gut geht. Ich fragte ihn, ob die Arbeit jetzt besser, also schneller ginge. Er schätzt, dass in der gleichen Zeit mit diesem System 30 bis 50 Prozent mehr geschafft werden könnte. Betriebswirtschaftlich betrachtet ist dies für das Unternehmen von Vorteil, gesellschaftlich gesehen ebenso: Es steigert die Produktivität und damit das Gesamteinkommen einer Gesellschaft.

      Volkswirtschaftlich betrachtet, zeigt dieses Beispiel aber, was ein extrem wichtiger Grund für die Massenarbeitslosigkeit unsere Tage ist: Die Vermesser-Branche kann auf diesem Wege ca. 30 bis 50% der anfallenden Arbeit und der dazu benötigen Arbeitskäfte durch Maschinen ersetzen. Die Automatisierung des Wirtschaftslebens ist ein besonders wichtiger Teil des Industriezeitalters. Brötchen werden genauso durch Roboter massengefertigt, wie Autos, Fernseher oder Bekleidung. Die dafür nötige menschliche Arbeitskraft geht immer weiter zurück. Menschliche Arbeit wird schlicht nicht mehr gebraucht.
      Wie oft wird der Aspekt steigender Automatisierung in den Erklärungen für steigende Arbeitslosigkeit unserer Wirtschaftsexperten berücksichtigt?


      Kürzung der Sozialleistungen schafft Arbeitsanreize?


      Unter dem Gesichtspunkt fehlender Arbeitsplätze ist der Ruf nach der Kürzung von Sozialleistungen (Sozial- und Arbeitslosenhilfe), um Anreize zum Arbeiten der davon Betroffenen zu schaffen, extrem kurzfristig gedacht. Natürlich ist es wünschenswert, Berufsschmarotzern nicht das Leben zu erleichtern. Den Druck auf Arbeitslose auf diesem Wege zu erhöhen hat aber nur die Wirkung, mehr "Arbeitskraft" auf dem völlig gesättigten Markt anzubieten. Wie die Gesetze von Angebot und Nachfrage aber besagen, drückt ein hohes Angebot bei niedriger Nachfrage den Preis: In dem Fall den Preis für Arbeit, den Lohn.

      In den USA müssen bereits jetzt viele Menschen zwei oder mehr Jobs haben, um überleben zu können. Und auch in Europa sind die ersten Symptome gleicher Art sichtbar.


      Soll unsere Gesellschaft wirklich diesen Weg wählen?


      Zudem kann das Absenken der Sozialleistungen auch negative Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. Während jemand, der 10.000 Euro monatlich verdient, kaum in der Lage ist, alles zu verkonsumieren, geben Geringverdiener den Großteil ihres Einkommens sofort wieder aus - und kurbeln somit die Wirtschaft an.

      Einsparungen bei den Geringverdienern wirken sich also viel direkter auf den Konsum und damit die Gesamtwirtschaft aus, als wenn man einem Gutverdiener ein paar weitere Prozente Steuern schenkt - die dieser eher zum Sparen als zum Konsumieren nutzt.


      Schuld an der Wirtschaftskrise ist die schlechte Börsenstimmung?


      Was war zuerst? Wirtschaft oder Börse? Die Börse ist eine Erfindung der Menschen und bietet Unternehmen in erster Linie die Möglichkeit, an Kapital für Investitionen zu kommen. Steigende Aktienkurse haben aber keine direkte Auswirkungen auf das, was wirklich in der Wirtschaft konsumiert und produziert wird.

      Immer noch sitzen viele Menschen dem Irrglauben auf, Aktienkäufe sind Investitionen in die Wirtschaft. Das neue Steuerpaket der US-Regierung war explizit darauf ausgelegt, Aktieninvestitionen zu begünstigen. Doch wer aktuell Aktien kauft, investiert in den seltensten Fällen in die Wirtschaft. Die Börse ist ein Marktplatz für Aktien und wer dort Aktien kauft, tut dies in den meisten Fällen von einem Verkäufer, der mit dem Unternehmen selbst gar nichts zu tun hat. Es ist, als würde ich mein altes Sofa verkaufen: Ikea hat davon aber nichts.

      Nur im Falle von Neuemissionen fließt wirklich Geld an das Unternehmen selbst (und somit in die Wirtschaft). Aktien-Neuemissionen sind aktuell aber "aufgrund des schlechten Umfelds" eher selten. Natürlich profitieren die Unternehmen auch vom Aktienhandel, wenn sie z.B. Aktien gegen ganze Unternehmen eintauschen geht das besser, wenn diese hoch bewertet sind. Aber hohe Aktienkurse sorgen nicht dafür, dass wir als Menschen mehr Brötchen essen, als wir uns leisten können.

      Warren Buffett ist Multi-Milliardär und Investor. Seine warnenden Aussagen und Analysen fanden in Zeiten des New-Economy-Hype wenig Beachtung. Er hatte Recht - aber hören wollte es niemand. Wie wird die Wirtschaftspresse und die anderen Wirtschaftsexperten wohl mit seiner neuesten Aussage umgehen, in der er behauptet, hochspekulative Finanzderivate wie sie seit einigen Jahren zum Standard-Repertoire der Börse gehören, bedrohen den gesamten Finanzmarkt? Wollen die Verantwortlichen auch hier warten, bis sich zeigt, dass Warren Buffett eventuell Recht hat, oder wird sich jemand zuvor mit seinen Warnungen intensiv befassen? Oder sind die Profiteure der Börsen-Spekulationen inzwischen so mächtig, dass gar kein Interesse daran besteht, irgendetwas zu verhindern?


      Alle fordern Wachstum. Aber was wächst ewig?


      Nur Menschen, die mit Mathematik auf Kriegsfuß stehen, können allen Ernstes behaupten, prozentuales Wachstum bezogen auf den Vorzeitraum ist bis in alle Ewigkeit möglich. 3% Wirtschaftswachstum pro Jahr werden als Boom und somit als wünschenswert angesehen. Was übersehen wird ist, dass diese 3% nominal (also auf den realen Wert bezogen) jedes Jahr größer werden. Aus 1000 im Jahr 0 werden 1030 im Jahr 1 aber 1060,9 im Jahr 2.

      Diese unscheinbaren 0,9 Unterschied in der nominalen Batrachtungsweise sorgen aber für einen interessanten Effekt. Man könnte annehmen, dass eine Verdopplung der Wirtschaftsleistung in 33,33 Jahren erfolgen könnte (33,33 Jahre * 3% Pro Jahr = 100 %, also Verdopplung). Dies ist jedoch falsch. Die 3% beziehen sich aufs Vorjahr, somit erfolgt eine Verdopplung alle 23 Jahre (exponentielles Wachstum). Nach 46 Jahren also eine Vervierfachung. Das Achtfache der ursprünglichen Wirtschaftsleistung muss eine Wirtschaft also nach 69 Jahren erbringen - und die Wirtschaftsteilnehmer müssen das Achtfache konsumieren. Unsere Wirtschaft wächst somit unaufhörlich und exponentiell. In der Natur gibt es exponentielles Wachstum nur über eine gewisse Zeit. Dann erfolgt entweder eine Stagnation oder das gesamte System durchstößt seine Grenzen und stirbt ab. Krebs ist ein Beispiel dafür.

      Chinas Wirtschaft wächst zur Zeit um 7% pro Jahr. Eine Verdopplung der Wirtschaftsleistung würde somit ca. alle 10 Jahre stattfinden. In 30 Jahren wird das Ein-Milliarden-Menschen-Volk also das Achtfache von heute produzieren müssen. Woher sollen z.B. all die Ressoucen kommen (Energie, Öl, Eisenerz, Weizen usw.), um diese Menge zu realisieren? Sollten solche Entwicklungen nicht wenigstens mit einem gewissen Argwohn betrachtet werden? Im Übrigen schützt die vergleichsweise sehr hohe Wachstumsrate die Chinesen nicht im Geringsten vor steigender Arbeitslosigkeit.


      Inflation ist (k)ein Naturgesetz!


      Die Diskussion über Inflation hinterlässt oft das Gefühl, sie sei ein Naturgesetz und somit vom Menschen nicht beeinflussbar. Das Gegenteil ist der Fall: Inflation kommt nur dann zustande, wenn die Notenbanken neues Geld drucken. Warum tun sie das, obwohl ebenfalls betont wird, dass Inflation nichts Gutes ist?

      Eine Begründung lieferte die Notenbank diese Woche, jedoch findet diese Meldung in der wirtschaftlichen Berichterstattung nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdient hätte. Die Europäische Zentralbank EZB hat vor Geldhortung gewarnt.

      Durch die aktuellen unsicheren Zeiten legen sich viele Leute verstärkt Geld unter die Matratze:

      Die aktuellen Zinssätze lohnen sich eh nicht und das Wort Bankenkrise lässt viele aufhorchen. Man geht auf Nummer sicher und hält mehr Geld zuhause. Das Ergebnis ist, dass auf dem Markt - volkswirtschaftlich betrachtet - einer gleichbleibenden Gütermenge eine geringere Geldmenge gegenüber steht. Deflation, also das Sinken von Preisen droht.

      Um dem vorzubeugen, gibt die Notenbank neues Geld in den Kreislauf ohne aber wissen zu können, wann das gehortete wieder zurückfließt. Tut es dies irgendwann, steht plötzlich einer gleichbleibenden Gütermenge eine höhere Geldmenge gegenüber. Die Preise steigen, es kommt zur Inflation.

      Inflation ist für die Wirtschaft gesünder als Deflation. Während bei Inflation die Güterpreise nach oben gehen und nur die Preisschilder ausgetauscht werden müssen, haben sinkende Preise, also Deflation, problematischere Auswirkungen. Sinken die Verkaufspreise, müßten die Unternehmen eigentlich ihre Kosten an die neuen Preise anpassen. Verträge, wie Tarif- und Lieferverträge, sind aber nicht ohne weiteres änderbar. Deflation geht also auf die Gewinnmarge der Unternehmen, die schnell eine Zahlungsunfähigkeit und damit einen Bankrott der Unternehmen oder eben Entlassungen nach sich ziehen kann. Deflation hat zudem einen psychologischen Effekt. Kunden kaufen nicht sofort, sondern sie spekulieren (gerade in unsicheren Zeiten!) auf weiter sinkende Preise. Der Konsum wird also nach hinten verschoben, eine Wirtschaftsflaute droht.

      Inflation ist also das geringere Übel, stellt langfristig aber eine Entwertung aller Geldvermögen dar und ist deshalb rein technisch gesehen Raub am Volk. Der Grund für Inflation ist also die Möglichkeit der Geldhortung. Könnte man das Horten von Geld verhindern, würde man Inflation verhindern. Die aktuell stark sinkendenden Preise in der Tourismus- und Elektronikwirtschaft (Geiz ist geil!) könnten Anzeichen für eine Deflation sein.

      Eine verstärkte Geldhortung hat zudem eine Art Rückstau-Effekt. Die sowieso schlechte Zahlungsmoral wird durch sie verstärkt, Unternehmen werden verzögert für ihre Leistungen bezahlt, können ihre Lieferanten und Angestellten nur verzögert entlohnen, die wiederum erst später zahlen bzw. konsumieren können. Eine verstärkte Geldhortung führt also auch an dieser Stelle sehr schnell in eine sich selbst beschleunigende Spirale von Zahlungsunfähigkeiten, die zum Kollaps ganzer Wirtschaftszweige oder gar Volkswirtschaften führen kann.


      Geld als Fundament der Wirtschaft und das Dilemma unserer Geldpolitiker


      Die europäische Zentralbank ist aktuell in einem Dilemma, welches extrem ernste Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft hat, von einschlägigen Medien aber weitgehend ignoriert wird. Ist von "Zinssenkung durch die EZB" die Rede interessiert sich kein "Normalsterblicher" dafür. Für die meisten Menschen ist das hohe und damit uninteressante Volkswirtschaft. Doch es ist einfacher verständlich, als man annimmt:

      Senkt die EZB die Zinsen, wie vor einigen Tagen geschehen, so werden Kredite für Unternehmen und Konsumenten billiger. Diese nehmen also Kredite auf, um sie in die Wirtschaft zu investieren oder zu verkonsumieren und somit zum Aufschwung beizutragen. Soweit die von der EZB vertretene Theorie. Wie die EZB aber auch weiß (s.o.) führt die aktuelle Unsicherheit zur Geldhortung, d.h. Geldbesitzer geben ihr Geld nicht aus der Hand. Sie würden es aber tun, wenn die Zinsen hoch genug wären und sich das Risiko lohnen würde.

      Die Zinssenkung soll also billige Kredite ermöglichen. Das Geld für diese Kredite muss aber jemand zur Verfügung stellen. Weil aber aktuell die Zinsen runtergehen, wird das niemand tun. Dieses Dilemma wird uns in den nächsten Monaten begleiten und ich wage vorauszusagen: Es wird uns sehr zu schaffen machen.

      Interessant ist in dem Zusammenhang auch, dass die gesetzlich definierte Aufgabe der EZB der Erhalt der Stabilität des Euro ist. Demnach müsste die EZB jetzt eigentlich die Zinsen erhöhen, um eine Deflation zu vermeiden. Der Druck der Wirtschaftslobby lässt diese Ziele jedoch in den Hintergrund treten und die EZB wird als Werkzeug für einen Wirtschaftsaufschwung "missbraucht".


      "Mein Geld ist doch sicher auf der Bank


      Schließlich gehört meine Bank dem Einlagensicherungsfond an, der für Bankeinlagen garantiert." Für die Pleite einer einzelnen, heruntergewirtschafteten Bank mag dies zutreffen. So oft, wie man in letzter Zeit jedoch das Wort Bankenkrise vernimmt, sind im Falle des Zusammenbruchs einer Bank aber auch andere Banken gefährdet - schließlich ist die Wirtschaft in Zeiten der Globalisierung eng miteinander vernetzt. Der Einlagensicherungsfond kann von Natur aus nicht die Risiken mehrere Bankpleiten auf einmal abdecken. Das Wissen um diese Gefahr sorgt dafür, dass sich einige Leute wieder verstärkt Geld zuhause hinlegen (womit wir wieder bei der Geldhortung wären!), denn es ist besser, auf winzige Zinsen zu verzichten und "flüssig zu sein", als nicht mehr an sein Geld zu kommen, wenn die Bank die Konten sperrt.

      Im Worst-Case-Szenario würden dies viel mehr Leute machen und ein gefährlicher Kreislauf entsteht: Ziehen die Leute ihr Geld ab, sind die Banken gezwungen, dieses von den Unternehmen zurückzufordern, denen sie es geborgt haben. Viele Unternehmen sind in der heutigen Zeit aber nicht in der Lage, kurzfristig ihre Kredite zurückzuzahlen - sie gehen Pleite. Die dadurch zunehmende Unsicherheit sorgt dafür, dass die Leute ihr Geld von der Bank abziehen - eine Spirale, die an die Weltwirtschaftskrise erinnert.

      Man könnte argumentieren, eine offene Debatte über dieses Thema würde das dargestellte Szenario erst provozieren. Aber kann man eine Lawine dadurch aufhalten, dass man sie ignoriert? Schließlich gibt es bereits viele Anhaltspunkte, die auf genau dieses Szenario hinweisen.

      Der Kern dieser Problematik liegt, wie ausgeführt, an der Geldhortung. Bereits seit über 70 Jahren ist diese Thematik bekannt und praktikable Lösungsmöglichkeiten sind aufgezeigt. Ich fordere deshalb eine offene und ehrliche Diskussion über die Thesen der sogenannten Freiwirtschaftslehre die diese Thematik inhaltlich erklärt und Lösungsansätze aufzeigt.

      Das Internet hat es ermöglicht, dass diese Wirtschaftstheorie auf einer breiten Basis verstärkt diskutiert wird. Die anhaltende, stereotyp wiederholte Aussage, dass nur allein höheres Wirtschaftswachstum der Arbeitslosigkeit Einhalt gebieten kann, zeigt doch, wie eingefahren die "Wirtschaftswissenschaften" bereits sind. Neue Sichtweisen sind nötig, denn Fortschritt kommt nur dadurch zustande, dass man bereit ist, gedankliche Grenzen zu überschreiten, anstatt unbedingt an traditionellen Ansichten festzuhalten.


      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/14347/1.html
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 20:02:05
      Beitrag Nr. 49 ()
      Die Konsequenzen aus der Zusammenführung aller Themenbereiche sind mehr als erschreckend!

      Was war nochmal der Grund für den kommenden Irak-Feldzug?
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 20:19:46
      Beitrag Nr. 50 ()
      Diesen Artikel noch, dann ist erstmal Pause zum verdauen!

      Das Ende der Gerechtigkeit

      Die Frage, ob Chancengleichheit, Sozialpartnerschaft und Gerechtigkeit einen alten Hut darstellen, lässt sich nach der Analyse unseres Systems leicht beantworten: Diese, für den Einzelnen so entscheidend wichtigen Umstände, werden in unserer Welt weiter an Bedeutung verlieren, genauso, wie im gleichen Zug die Kapitalrendite zum alles beherrschenden Faktor werden wird. Doch damit nicht genug: Wir stehen in diesem Prozess vor gewaltigen Veränderungen, welche leicht im Zerfall unserer gewohnten Lebensumstände enden könnten. Ein deutliches Symptom für die Entwicklung ist der steigende Produktivitätsdruck.

      "Bei der nur zu oft maßlosen Inanspruchnahme des Kredits vollzieht sich hier mit Hilfe des Bank- und Börsenkapitals in einer anscheinend planvollen Weise eine nationale wie internationale Verkettung der Privatunternehmungen, die in unserem Kriegszeitalter uns eines Tages einer Krise entgegen zu führen droht, wie sie kaum in der Geschichte der Völker schon erlebt wurde."

      Prof. Ruhland, System der politischen Ökonomie, 1908

      Der wachsende Produktivitätsdruck - Expansion bis zum Zerfall

      Wer heute aufmerksam die Entwicklungen in der Welt beobachtet, muss feststellen, dass alle Abläufe immer schneller vor sich gehen. In diesem Prozess nimmt der Druck auf den Einzelnen ständig zu, weil die Produktivität immer schneller gesteigert werden muss, ohne dass man Rücksicht auf die Lebensbedingungen oder die Umwelt nimmt. Durch den zunehmenden Expansionszwang auf Unternehmen und Beschäftigte kommt es in der Gesellschaft zu einem gnadenlosen Ausleseprozess: Wer nicht den neuen Kriterien der selbsterklärten Leistungsgesellschaft entspricht, wird in das Heer der Arbeitslosen ausgestoßen. Weil die Entwicklung mit steigender Geschwindigkeit abläuft, enden letztlich immer größere Teile der Bevölkerung in einem wenig lebenswerten Zustand. Es verwundert deshalb wenig, dass eine Studie des Sozialwissenschaftlers Prof. Dr. Erler zu dem Schluss kam, dass die Armut "nach oben hin in die Mittelschicht hinein ausfranst". Es müsse davon ausgegangen werden, dass sich etwa zwei Drittel der Bevölkerung mindestens einmal im Leben in einer sozialen Lage wiederfinden, die als arm bezeichnet werden könne. Weil Unruhen die Rendite gefährden würden und das System möglichst lange Laufen soll, muss der Sozialetat ausgeweitet werden, um die Ausgestoßenen vorerst vor dem ansonsten sicheren Ende zu bewahren. Mit richtiger Sozialpartnerschaft, also Hilfen für unschuldig in Not Geratene, hat dies allerdings wenig zu tun, sondern letztlich wird durch solche Maßnahmen, wie wir noch sehen werden, nur an Symptomen herumgedoktert, nicht jedoch die Ursache davon beseitigt.

      Die Sozialausgaben im Staatshaushalt steigerten sich dabei seit 1960 um mehr als 1800%. Jede dritte Mark muss inzwischen für die Sozialleistungen ausgegeben werden. Diese Lasten werden wiederum von denen eingefordert, welche noch im System integriert sind, womit deren Kaufkraft deutlich gesenkt wird.



      Neben finanziellen Zuwendungen für die Ausgegliederten gewährt unser System der Bevölkerung parallel zum steigenden Erwerbsdruck in der Wirtschaft immer mehr Unterhaltung. Durch diese Ablenkung können Ablehnungserscheinungen gegen das System wenigstens eine Zeit lang wirksam unterbunden werden. Die Zahl der Fernsehübertragungen etwa von Sportveranstaltungen nehmen dabei seit Jahren in drastischem Umfang zu. Daneben kommt es zu einer Verrohung der Sitten, was sich in der Erwartung des Publikums an die Fernsehanstalten zeigt, mehr Sex- und Gewaltfilme zu senden.

      Dabei ähnelt unsere Gesellschaftsentwicklung in gewisser Weise der des antiken Roms vor dem Zerfall: Als die Eroberungen nicht mehr ausreichten, um den Kapitalhunger des Zentrums zu stillen und damit in einem ähnlichen Prozess wie heute immer größere Teile der Bevölkerung aus dem System ausgestoßen wurden, versuchten die Machthaber, Unruhen durch Brot und Spiele, also Verteilen von Getreide und Gladiatorenspiele, zu verhindern.

      Der Professor für politische Ökonomie, Ruhland wies bereits …


      Auch unserem System prophezeite er, dass nach einer langen Zeit der Krisen und Kriege der Zusammenbruch erfolgen werde. Damit decken sich seine Erkenntnisse mit denen des Begründers der Massenpsychologie, Le Bon, der vor über 100 Jahren die Entwicklung der Kulturen erforschte. Er stellte dabei fest, dass schnell steigende Abgaben des Staates das frei verfügbare Einkommen der Bevölkerung reduzieren.

      Damit sinke die Eigeninitiative des Einzelnen, was der Staat durch vermehrten gesetzlichen Zwang und weitere Abgaben auszugleichen versuche. In diesem Prozess verlieren die Menschen die Fähigkeit eigenständig zu handeln. Die Grundlage jeder Gemeinschaft, das Individuum, wird damit zerstört und der Staat muss früher oder später zerfallen.


      Deutlich wird, dass eine unbegrenzte Steigerung der Produktivität durchaus als Indiz für eine ungesunde Entwicklung gesehen werden kann. Doch bestätigt diese Annahme auch der Vergleich mit natürlichen Ordnungen: Nachdenklich macht vor allem der Vergleich eines Wachstumsprozesses in der Natur mit der scheinbar grenzenlosen Entwicklung unseres Wirtschaftssystems:



      Ein Lebewesen beispielsweise wächst am Anfang sehr schnell, wobei die Geschwindigkeit des Zuwachses mit zunehmender Zeit kleiner wird und das Wachstum beim Erreichen einer optimalen Größe ganz aufhört. Alle Systeme, welche in der Natur zu beschleunigtem Wachstum neigen, zerstören sich am Ende selbst: So vermehren sich etwa Tumorzellen mit zunehmender Zeit immer schneller im Körper des Menschen und verdrängen gesundes Gewebe, bis der Mensch mit dem Tumor zugrunde geht. Ordnungen, die nicht zu einem stabilen Zustand tendieren, sind damit im realen Raum zum Zusammenbruch verurteilt, da es in einer endlichen Welt kein unendliches Wachstum geben kann. Mathematisch lässt sich auch zeigen, daß ein exponentielles, also beschleunigtes Zinswachstum am Ende alle anderen Entwicklungsarten überholt. Auch kleine Zuwachsraten wirken sich letzlich massiv aus. Da unsere Ökonomie auf Wachstum basiert, muss es einen Fehler-Faktor geben, der zu einer beschleunigten Entwicklung zwingt.

      "Exponentielles Wachstum ist trügerisch, weil schon bei relativ geringen Wachstumsraten in kurzer Zeit astronomische Zahlen erreicht werden."

      Dennis Meadows, Die Grenzen des Wachstums

      Die Ursache der Entwicklung - das explodierende Kapitalsystem

      Die Grundlage unseres Wirtschaftssystems stellt das Geld als Tauschmittel dar. Es ist deshalb sinnvoll, den Störfaktor in diesem Bereich zu suchen. Geld wird heute jedoch nur dann weiterverliehen oder investiert, wenn ein ausreichend hoher Zins bezahlt wird.

      Anhand einer einfachen Rechnung läßt sich jedoch zeigen, daß dieses Zinssystem mit zunehmender Zeit immer schneller ablaufen und damit instabiler werden und letztlich zerbrechen muss: Hätte jemand beispielsweise im Jahre 1 nur 1 Pfennig zu 5% Zins angelegt (bzw. 1 Pf. Schulden gemacht), würde diese Anlage im Jahre 1466 den Wert einer Erdkugel aus Gold und im Jahr 1990 bereits den Gegenwert von 134 Mrd. Erdkugeln aus Gold erlangt haben (Abb. 2). Heute wären daraus schon unvorstellbare 200 Milliarden Erdkugeln aus Gold entstanden. An dieser Entwicklung ändert auch die Inflation wenig, da eine erhöhte Preissteigerungsrate nur den Zins erhöht und damit die Entwicklung beschleunigt.




      Abb. 3: Entwicklung einer Geldanlage von 1Pf durch 5% Zinseszins

      Eine ähnliche Rechnung brachte der Investmentexperte Marc Faber, als er betonte, dass noch keine einzige wachsende Geldanlage je langfristig funktioniert hätte. Er nahm an, dass ein Dollar im Jahre 1000 zu 5% Zins angelegt worden wäre und kam zum Ergebnis, dass allein die Zinsgewinne dieses Vermögens heute das gesamte Bruttosozialprodukt der Welt um das vier Millionen fache übertreffen würde!

      An diesen Beispielen wird deutlich, dass ein auf Zins aufgebautes System immer nur wenige Jahrzehnte funktionieren kann, bis es von neuem zusammenbricht. Da das Zinssystem nur begrenzte Zeit funktioniert, stellt es ein System mit Verfallsdatum dar.

      Um diesen Ruin so weit wie möglich hinauszuschieben gibt es nur eine Möglichkeit, nämlich die gesamte Wirtschaft zu ständigem Wachstum anzutreiben, um die zur Verzinsung des Kapitals nötigen, anwachsenden Mittel erwirtschaften zu können. Den Zinsgewinnen auf der einen, stehen aber auch Zinslasten auf der anderen Seite gegenüber.
      Aus diesem Grund explodieren in jeder Zinswirtschaft sowohl die Geldvermögen als auch die Schulden. Was jemand als Zinsgewinn für sein Vermögen verbuchen kann, muss automatisch ein anderer als Kredit nachfragen.
      (Abb. 4).

      Dabei sind die gesamten Geldvermögen und die gesamten Verbindlichkeiten des finanziellen Sektors (Staat, Unternehmen, private Haushalte und Banken) von 1995 bis 1999 inzwischen von über 15 Bio. DM auf etwa 22 000 Mrd. DM explodiert. Es verwundert deshalb wenig, daß bei diesem Wachstumszwang jede soziale Verantwortung zum Scheitern verurteilt ist, wenn nur noch die Erwirtschaftung einer immer größeren Rendite zum Zielobjekt wird.





      Abb. 4: Entwicklung der gesamten Geldvermögen/gesamte Schulden finanzieller Sektor

      Ein großer Irrtum ist es in diesem Zusammenhang, nur die Staatsverschuldung zu betrachten und nicht die Gesamtverschuldung (Schulden von Staat, Unternehmen und Privathaushalten). Dabei wird meist der Fehler gemacht, den geplanten Staats-Schuldenabbau von einzelnen Ländern, wie den USA, oder "Sparpakete" in der Politik mit einer Problemlösung gleichzusetzen. Es wird vernachlässigt, das ein Sektor, wie der Staat, seine Verpflichtungen nur dann abbauen kann, wenn ein anderer Bereich, wie die Unternehmen oder die Privathaushalte, entsprechend mehr Kredite nachfragen. Dies liegt daran, dass die Geldvermögen und damit die Gesamtschulden jedes Jahr um den Zinssatz wachsen müssen und jeder Mark Vermögen eine Mark Kredit entgegenstehen muss. Deshalb explodiert die Gesamtverschuldung der USA wie in jedem Land in gefährlich erscheinender Weise. Ein Abbau der Verschuldung wäre nur dann möglich, wenn auch die entsprechenden Geldvermögen in der gleichen Höhe reduziert würden, was jedoch in einem Zinssystem, in welchem die Vermögen um den Zinssatz jedes Jahr wachsen unmöglich ist.

      Ein Schuldenabbau wäre also nur bei einer Änderung unseres Kapitalsystems möglich.

      "Alle Menschen zerfallen, wie zu allen Zeiten so auch jetzt noch, in Sklaven und Freie; denn wer von seinem Tage nicht zwei Drittel für sich hat, ist ein Sklave, er sei übrigens wer er wolle: Staatsmann, Kaufmann, Beamter, Gelehrter."

      Friedrich Nietzsche

      Die Chancengleichheit verschwindet

      Was in diesem Zusammenhang häufig vergessen wird, ist der Effekt der Vermögensanreicherung im Zinssystem, die alleine schon jede Chancengleichheit im Keim erstickt: Mit der Ausweitung der Geldvermögen werden diese automatisch in immer weniger Händen konzentriert. Wer viel Geld besitzt, kann dieses verzinst anlegen und am Jahresende noch mehr Zinsen verbuchen und wieder renditeträchtig anlegen. So wächst sein Vermögen nach der Zinseszinsrechnung immer schneller an, ohne dass damit ein größerer Leistungsaufwand für ihn verbunden wäre. mehr und mehr Kapital kommt aus diesem Grund immer dort zusammen, wo schon viel vorhanden ist. Auf der anderen Seite fehlt das Geld genau da, wo es gebraucht würde: Es fehlt Geld für Arbeitsplätze, Kultur oder für den Umweltschutz. Da dieser Umverteilungsmechanismus unabhängig von der Leistung des Einzelnen abläuft und die Verteilung von Möglichkeiten mit dem Geldbesitz in enger Verbindung steht, gewinnt eine Minderheit an Chancen, während die Mehrheit diese einbüßt. Da Geld heute wie eh und je Macht bedeutet, entsteht mit der Vermögenskonzentration zunehmend auch ein Gewaltenmonopol.

      ( welches wir gerade deutlich sehen! :mad: )

      In einer UNO-Studie wurde 1996 bekannt gegeben, dass weltweit die 358 reichsten Milliardäre fast die Hälfte des Welteinkommens besitzen.

      Würde man statt des Einkommens das Vermögen berücksichtigen, wäre der Gegensatz noch viel größer. Nicht nur weltweit, sondern auch innerhalb der reichen Nationen vollzieht sich eine große Verschiebung von Kapital in immer weniger Hände. Das Ergebnis dieser Umverteilung zeigt sich in der Vermögensverteilung der Bevölkerung: Im Jahr 1996 veröffentlichte die CDA (Christlich Demokratische Arbeitnehmerschaft - eine CDU Organisation), dass sich 80% des Produktivvermögens in Deutschland in den Händen von nur 3% der Bevölkerung befinde. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) berichtete 1997, dass sich ein Drittel des Nettogeldvermögens auf nur 6% der Haushalte konzentriert. Allerdings wurden bei der statistischen Erhebung gerade die reichen Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 35.000 DM und mehr nicht erfaßt. Jedoch soll sich nach einer überschlägigen Rechnung 40% des Geldvermögens gerade in der oberen Bevölkerungsschicht befinden, weshalb diese Analyse der Vermögensverteilung noch als sehr optimistisch gelten kann.

      Auch in den USA geht es den meisten Amerikanern heute schlechter als vor 25 Jahren, weil der gesamte Vermögenszuwachs nur denjenigen zugute kam, welche schon vorher im Überfluß lebten. Es kommt damit zu einer Aufspaltung der Gesellschaft in wenige Reiche, denen alle Chancen offenstehen, und viele Arme, denen zunehmend die Möglichkeiten einer eigenständigen Entwicklung genommen werden. Als langfristig arm kann in diesem Zusammenhang jeder gelten, der weniger Zinserträge bekommt, als er jährlich indirekt bezahlen muss.

      "In seiner majestätischen Gleichheit verbietet das Gesetz den Reichen wie den Armen, unter Brücken zu schlafen, in den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen."

      Anatole France, franz. Schriftsteller und Nobelpreisträger

      Umverteilung von unten nach oben

      Kaum bekannt ist in diesem Zusammenhang, dass die meisten Bürger wesentlich mehr Zins zahlen, als sie bekommen. Da ist einmal die Staatsverschuldung, für die jeder in Form von Steuern Zins erwirtschaften muss. Dabei müssen sich die öffentlichen Haushalte immer weiter verschulden, allein weil die Schulden nicht mehr getilgt, sondern nur die Zinsen durch Neuverschuldung bezahlt werden können. Auch muß der Staat um eine Rezession zu vermeiden in regelmäßigen Zeitabschnitten wieder Konjunkturimpulse durch Verschuldung setzen. Doch macht die Staatsverschuldung nur etwa ein Viertel der volkswirtschaftlich bedeutsamen Gesamtverschuldung aus, womit ein Abbau der Verbindlichkeiten in diesem Sektor keine Besserung der Lage bringt, wenn sich dann wie in den USA die Unternehmen umso höher verschulden müssen.

      Die Verschuldung der Wirtschaft belastet ebenfalls die ganze Bevölkerung, weil die Zinslasten in Form erhöhter Preise an den Verbraucher weitergegeben werden, der die entsprechenden Kapitalkosten zu tragen hat. Auch die Wirtschaft ist im Zinssystem zur weiteren Kreditaufnahme gezwungen, weil ein zunehmender Wettbewerb im gesättigten Markt zu teuren Modernisierungen zwingt, um überhaupt noch in der Wirtschaft bestehen zu können. Eine indirekte Zinslast auf unverschuldetes Sachkapital kommt diesen Faktoren noch hinzu. Das bedeutet, daß ein Investor, der beispielsweise in eine Wohnanlage investiert, mindestens so hohe Mieterträge erwartet, wie die Verzinsung des Kapitals auf dem Geldmarkt einbringen würde. Durch diesen Effekt bestehen heute beispielsweise die Wohungsmieten zu 70 - 80% nur aus Zinskosten. Jetzt stellt sich die Frage, welche Zinslast jeder Bürger pro Jahr zu tragen hat. Die meisten Menschen denken, dass nur derjenige Zinsen zu zahlen hätte, welcher persönlich verschuldet ist. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit: Indirekt müssen wir auch für die Schulden der Gemeinschaft und der Unternehmen aufkommen.

      Bei einer Gesamtverschuldung der nichtfinanziellen Sektoren (ohne Bankenbereich) von 11000 Mrd. DM kommt man pro Jahr auf Zinslasten von über 1200 Mrd. DM. Pro Privat-Haushalt sind das für das Jahr 20000 fast 35.000 DM. Jeder Haushalt muss also im Jahr auf 35.000 DM Einkommen verzichten, um die Zinsansprüche des Kapitals sicherzustellen. Dabei wird schnell klar, dass derjenige, welcher mehr als 35.000 DM im Jahr Zinsgewinn hat, mit dem jetzigen System Erträge erwirtschaftet. Alle anderen müssen für diese Gewinne arbeiten und selbst auf Einkommen verzichten. Je mehr Zeit vergeht, umso schneller wächst dieser Kapitalstrom von arm zu reich. Im Jahr 2010 wird die Zinslast pro Haushalt, bei fortgesetzter Entwicklung, bereits über 77.000 DM betragen. Es wird deutlich, daß der zu zahlende Schuldendienst schnell nicht mehr tragbare Ausmaße annehmen muss. Deshalb verwundert es wenig, wenn das Kapital zunehmend die Vorherrschaft über alle anderen Produktionsfaktoren gewinnt.

      "Der Wucherer ist mit vollstem Recht verhaßt, weil das Geld hier selbst die Quelle des Erwerbs und nicht dazu gebraucht wird, wozu es erfunden ward. Denn für den Warenaustausch entstand es, der Zins aber macht aus Geld mehr Geld. ... Der Zins aber ist Geld von Geld, so daß er von allen Erwerbszweigen der naturwidrigste ist."

      Aristoteles, griech. Philosoph

      Das Kapital verdrängt den Wert der Arbeit

      Dies zeigt sich insbesondere in der Entwicklung der Löhne und Gehälter im Vergleich zu den privaten Geldvermögen (Abb. 5).






      Abb. 5: Entwicklung der Löhne im Vergleich zur privaten Geldvermögenszunahme




      Während das Geldvermögen exponentiell anwächst, sinken die Nettolöhne seit einigen Jahren. Auch die Differenz zwischen Brutto- und Nettolohn wird immer größer, da Steuer- und Abgabenbelastungen des überschuldeten Staates für die Arbeitnehmer drückender werden.
      Die privaten Geldvermögen haben sich dabei seit 1995 bis 1999 von 4600 Mrd. DM auf über 6000 Mrd. DM erhöht, während die Nettolöhne kaum eine Steigerung erfahren haben. Wie sehr sich bereits die Entwicklung verselbständigt hat, zeigt die Tatsache, dass der Zuwachs an neuem Geldvermögen zum größten Teil nur aus wiederangelegten Zinsen stammt.


      Während der normale Erwerbstätige nur dann Vermögen bilden kann, wenn er einen Teil seines Arbeitslohnes spart, hat sich der Großteil des Geldvermögens in so wenigen Händen konzentriert, dass der jährliche Zinsgewinn nicht mehr verkonsumiert werden kann und automatisch wieder angelegt wird. Zunehmend erlangt man so mehr Reichtum nicht mehr durch Arbeit, sondern durch leistungslose Geldanlageformen vergrößert. Während 1970 noch zwei Drittel des Geldvermögenszuwachses wirklich aus Arbeitseinkommen angespart wurde, war es 1993 nicht einmal mehr ein Sechstel. Nach Angaben der Bundesbank stammten schon 1998 mehr als 80% des Geldvermögenszuwachses nur aus Zinsgewinnen. Die Verschiebung des Geldes von der Arbeit zum Besitz zeigt sich auch am verfügbaren Einkommen der Haushalte (Abb. 6). Seit 1970 ist ein stetig abnehmender Anteil der Nettolöhne am verfügbaren Einkommen der Haushalte erkennbar. Gleichzeitig steigt fast in gleichem Ausmaß der Anteil der Gewinne aus Geldvermögen und Unternehmen an.



      Abb. 6: Anteil der Nettolöhne am verfügbaren Einkommen der Haushalte

      In gleichem Maße wie die Arbeit an Bedeutung und Ansehen ver…

      "Die Ängste der Menschen vor einer unüberschaubaren Welt, vor Mächtigen, die weder wählbar, noch abwählbar sind, vor anonymen Strukturen, müssen wir ernst nehmen. ... Es sollte nie vergessen werden, daß Freiheit sich nicht von selbst versteht, daß sie ersehnt, erkämpft und verteidigt werden muß".

      Bundespräsident Rau zur Globalisierung

      Globalisierung

      Globalisierung heißt, dass sich das Geldkapital in kurzer Zeit von einem Ort zum anderen bewegen kann, um dort mehr Zinserträge zu erwirtschaften. Da jedoch Produktion und Arbeitnehmer nicht so mobil sind, wird sich zwangsläufig die Vorherrschaft der Kapitalbesitzer über Arbeit und Produktion verschärfen. Die Unternehmen sind dann immer mehr dazu gezwungen, mit dem Kapitalmarkt zu konkurrieren. Erbringt ein Betrieb nicht mehr die Mindestrendite auf dem Geldmarkt, wird er wegen "Unrentabilität" geschlossen - Arbeitslosigkeit für die Betroffenen ist die Folge. So wurde etwa beim Daimler-Benz Konzern bereits 1996 die Anweisung erlassen, dass alle Sparten des Konzerns eine Mindestrendite von 12% erwirtschaften müssen, anderenfalls würden sie abgestoßen. 12% Rendite bedeuten eine Verdopplung der Produktivität alle sechs Jahre - der Druck auf Angestellte und Arbeiter steigt damit ständig. Wie die globalen Großanleger den Vorrang vor der Sicherung von Arbeitsplätzen bekommen, zeigt folgendes Beispiel: Der Nahrungs- und Waschmittelkonzern Unilever kündigte wegen der Globalisierung an, in den nächsten Jahren weltweit 100 Fabriken und 25.000 Arbeitsplätze abzubauen. Die Maßnahme wurde indirekt damit begründet, dass der Nettogewinn zurückgegangen wäre, wegen der Ausschüttung einer Superdividende im Sommer vergangenen Jahres. Mit der Globalisierung müssen nun weltweit die Unternehmen in erster Linie mit dem mächtiger werdenden Kapitalmarkt konkurrieren - ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb entsteht, die Anforderungen werden in immer größere Höhen geschraubt, Löhne nach unten gedrückt, und immer mehr Menschen müssen infolgedessen auf der Strecke bleiben. Gleichzeitig kommt es zu einer beschleunigten Konzentrationswelle in der Wirtschaft. Das Transaktionsvolumen der weltweiten Unternehmensfusionen stieg 1997 im Vergleich zum Vorjahr, um 48% auf 1630 Mrd. US-Dollar. 1999 waren es bereits annähernd 3000 Mrd. Dollar. Durch die größere Kapitalbasis können Großkonzerne kleine Betriebe in einem ruinösen Wettbewerb in die Enge treiben. Mittelständische Unternehmen, welche den Großteil der Arbeitsplätze stellen, müssen bei steigenden Zinslasten aufgeben und ihren Marktanteil an einen Großkonzern abgeben, der damit seine Monopolstellung ausweitet. Bei der Übernahme wird der Betrieb zuerst durch Entlassungen "saniert" - Arbeitslosigkeit ist die Folge. Der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, wies darauf hin, dass Fusionen oftmals nur deshalb stattfinden, damit sich der Konzern von bestimmten Sparten trennen kann. Ein oberstes Ziel der Firmenübernahmen stellt also schon von vornherein die Reduzierung des Personalbestandes dar. Zusätzlich kommt es zu einem Preisdruck auf andere Kleinunternehmer, die mit dem entstandenen Giganten konkurrieren müssen.

      So schrumpfen beispielsweise die Gewinnspannen im Einzelhandel immer weiter. Große Ketten, welche vorher die kleinen Tante-Emma Läden ruinierten, werden nun selbst von Großkonzernen unter Druck gesetzt. Dies wirkt sich wieder auf die Hersteller, vor allem die Landwirte aus, die den Preisdruck auffangen müssen und dabei oft zugrunde gehen. Die Großkonzerne befinden sich wiederum in der Hand von Banken, bei denen sich die Kapitalkonzentration weiter fortsetzt. Es beginnt ein Verdrängungswettlauf um die weltweite Monopolstellung. Damit erhöht sich die Abhängigkeit der Unternehmen von wenigen Großbanken weiter. Wie gewaltig die Macht der Banken ist, wird beispielsweise an der Versechsfachung der Gewinne im Jahr 1998 deutlich. Auch die freie Meinungsbildung kommt bei diesem Prozess in ernste Gefahr, wie die Fusion des US-Konzerns Time Warner mit dem Internetanbieter AOL zum größten Medienkonzern der Welt am Anfang des Jahres 2000 zeigte. [ Und nun straucheln selbst schon die ersten Banken unter diesem Druck! ]
      Durch steigende Arbeitslosigkeit kann dann der Druck auf die Angestellten und Arbeiter fast beliebig ausgeweitet werden, muss doch jeder ständig befürchten, bald selbst zu den Erwerbslosen zu gehören. Dabei gehen auch die Grundrechte, beispielsweise der Meinungsfreiheit, verloren: Nach einer Studie aus dem Jahr 1997 rechneten 85% der Mitarbeiter mit Nachteilen, falls sie im Betrieb offen ihre Meinung äußern würden. Jeder muss froh sein, überhaupt noch einen Arbeitsplatz zu besitzen, auch wenn er noch so schlecht bezahlt wird. So will beispielsweise die Siemens AG einen Teil der Beschäftigten tariflich ausgliedern, wobei man vorhat, den Lohn um 20% zu senken und gleichzeitig die Wochenarbeitszeit um 2 Stunden zu erhöhen. Durch diesen Prozess sollen sich die Lebensumstände der arbeitenden Bevölkerung in Zukunft drastisch ändern. Es wird kaum noch Jobs geben, die jemand auf Dauer ausüben kann. Durch zunehmenden Druck, Kürzung von Sozialhilfe und Entlassungen werden die Menschen dazu gezwungen sein, Zweit- und Drittberufe zu ergreifen. Ein erheblicher Anteil der Bevölkerung wird dabei ganz an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Aus diesem Grund mahnte der Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation ILO an, klarzumachen, dass die Globalisierung nicht unumkehrbar sei, wie dies behauptet werde und die Entwicklung durch finanzpolitische Maßnahmen durchaus beeinflusst werden könne. Doch fordert die Vorherrschaft des Kapitals nicht nur von den Menschen immer größere Opfer, sondern auch die Umwelt wird zerstört und letztlich gerät das System durch diesen Prozess selbst in Gefahr.

      "Der riesige Schuldenberg hat eine fatale Konsequenz: Rasant wachsende Zinsverpflichtungen des Staates müssen aus ständig steigenden Steuereinnahmen bedient werden. Dies ist ein Hauptgrund für den ökologisch schädlichen Wachstumszwang!"

      Der Spiegel, 2.11.1998


      Wirtschaftswachstumszwang

      Viele stellen sich die Frage, warum die Wirtschaft überhaupt immerzu wachsen müsse, wo doch in der realen Welt nichts unbegrenzt größer werden kann, ohne letztlich zugrunde zu gehen. Nicht umsonst heißt es im Sprichwort: Kein Baum wächst in den Himmel! Weil jedoch die Kaufkraft der Bevölkerung begrenzt ist, muss durch immer aggressivere Werbung, schnell wechselnde Modeerscheinungen und Wegwerfprodukte ständig neues, künstliches Verlangen nach dem immer größer werdenden Produktionsberg geschaffen werden. So verzehnfachte sich die Anzahl der Werbespots im Fernsehen von 1986 bin 1997. Reichte vor 15 Jahren noch ein Auto pro Familie, kommt heute bereits das Dritt- oder Viertauto ins Gespräch. Wie fatal sich ein exponentielles Wachstum auf die Umwelt auswirkt, zeigt folgende Überlegung: Grob geschätzt reichen die vermuteten fossilen Energieträger beim heutigen Verbrauch noch 1000 Jahre. Bei nur 5% Steigerung des Verbrauchs jährlich, wären die Vorräte bereits nach 81 Jahren aufgebraucht. Unsere Wirtschaft muss deswegen wachsen, weil der Anteil des Vermögens, den die breite Bevölkerung an der Wertschöpfung hat, immer mehr zugunsten der Kapitalverzinsung zurückgedrängt wird. Die Unternehmen sind durch die explodierende Verschuldung dazu gezwungen, neben den Einsparungen auf dem Personal- und Umweltsektor die Produktionskapazität weiter zu steigern, um die Zinslast zahlen zu können. Bei einer Verzinsung von beispielsweise zehn Prozent, verdoppelt sich das zu bedienende Kapital alle sieben Jahre, bei sieben Prozent alle zehn Jahre. Am Anfang einer Volkswirtschaft, meist nach einem Krieg, ist der zu verzinsende Kapitalanteil noch klein und kann von den Unternehmen leicht durch ein kräftiges Wirtschaftswachstum bezahlt werden. Weil die Zinskosten exponentiell, also mit zunehmender Geschwindigkeit wachsen, kommen die Firmen mit laufender Zeit in Zahlungsprobleme, da im Gegenzug der Markt gesättigt und damit der Wettbewerb der Marktteilnehmer untereinander zunimmt. Das Einzelunternehmen kann deshalb den Gewinn nicht über höhere Preise steigern. Die einzige Möglichkeit, die ausufernden Kapitalkosten bedienen zu können, besteht darin, den Produktausstoß jährlich zu erhöhen. Diese Produktionserhöhung führt selbstverständlich zu einem wachsenden Energie- und Rohstoffverbrauch und einer Steigerung der Müllmenge.Volkswirtschaftlich lässt sich dieser Zusammenhang anhand einer Modellrechnung erklären: Der Zinsanteil an der Volkswirtschaft steigert sich durch den exponentiellen Zinseszinsprozess ständig, womit der Anteil, der den Produktivkräften (Arbeiter und Unternehmer) zufällt, immer kleiner werden muss.

      Die arbeitende Bevölkerung würde ohne Wirtschaftswachstum innerhalb kurzer Zeit verarmen. Deshalb sind die Entscheidungsträger in Politik und Ökonomie bemüht, die Wirtschaftsleistung weitestnöglich zu steigern, um ein schnelles Absacken des Lebensstandards der breiten Bevölkerung zu verhindern und um den steigenden Anteil der Kapitalverzinsung in der Volkswirtschaft bezahlen zu können.

      Es ist das gleiche, wie wenn ein Krebskranker sein Körperwachstum immer mehr steigern würde, damit der Anteil des wachsenden Tumors am Gesamtgewicht des Körpers konstant bliebe. Sobald sein Wachstum auch nur etwas langsamer oder aufhören würde, hätte das zur Folge, dass der Anteil der Tumorzellen letztlich die Überhand bekäme und das Ende nur noch eine Frage der Zeit wäre. Ohne Wirtschaftswachstum (Abb. 7) würde der Arbeitsertrag ständig kleiner werden und die Kapitalertragskurve (Wachstum Zinslast real sieben Prozent) bereits nach 34 Jahren sich mit der 0% Wachstumskurve schneiden, d.h. die gesamte Wertschöpfung müßte als Kapitalverzinsung aufgewandt werden. Das Wirtschaftssystem bräche spätestens dann zusammen.

      Lineares Wachstum bedeutet, dass die Volkswirtschaft jährlich um den gleichen Betrag zunimmt, während beim Zinseszinswachstum (exponentielles Wachstum) die dazukommenden Beträge jedes Jahr um den Zins größer werden.


      Abb. 7: Entwicklung der Kapitalverzinsung

      Mit einem linearen Wachstum des Bruttoinlandsproduktes um real das 2,5 fache in 30 Jahren (wie in Deutschland seit 1960) steigt der Arbeitsertrag sogar 35 Jahre lang, erst dann holt die Zinskurve immer mehr auf, und nach 50 Jahren beansprucht die Kapitalverzinsung den größten Teil der Wirtschaftsleistung. Das trügerische am Zinssystem mit Wirtschaftswachstum ist, dass anfangs die lineare Steigerung des Bruttosozialproduktes größer ist als das exponentielle Kapitalwachstum (Wirtschaftswunder) - vorübergehend steigende Arbeitserträge sind die Folge, und die meisten denken, das Wirtschaftssystem sei in Ordnung. Jedoch steigert sich der Kapitalverzinsungsanteil immer schneller, und die Arbeitserträge sinken entsprechend. Trotzdem durchschauen die meisten Menschen bis zuletzt nicht den Wirkungsmechanismus und schwärmen von "den goldenen Sechzigern". Am Ende steht der (durch Wachstum verzögerte) Wirtschaftszusammenbruch begleitet von ökologischen Problemen. Bei einem reinen Zinssystem ohne Wirtschaftswachstum würde der Arbeitsertrag permanent kleiner werden - jeder könnte schnell erkennen, daß das System fehlerhaft ist. Dass sich inzwischen die Situation der Wirtschaft trotz kräftigem Wirtschaftswachstum kaum verbessert, wird daran deutlich, daß die 500 größten Unternehmen in Deutschland ihren Umsatz im Jahr 1999 um 9,5 Prozent, die größten 100 Betriebe sogar um 13,8 Prozent steigern konnten. Trotz dieses deutlichen Umsatzzuwachses ging der Gewinn pro Unternehmen um fast 18 Mio. DM zurück. Die Kapitalkosten sind inzwischen so hoch, daß auch ein starkes Wachstum die explodierenden Kosten nicht auszugleichen vermag.

      "Blinde Gewinnmaximierung und kurzfristige Gewinnmitnahmen um jeden Preis haben in einigen Bereichen ein Feuer entfacht, dessen Größenordnungen noch gar nicht absehbar erscheinen. Wird das Geld nicht mehr verstanden als Mittel zur Erreichung gesellschaftlicher Ziele, sondern selbst zum eigentlichen Ziel, wird eine Ökonomisierung der Welt losgetreten, der Gesellschaft und Politik kaum mehr etwas entgegenzusetzen hat".

      Weihbischof Reinhard Marx

      Der drohende Zusammenbruch: Börsencrash

      Mit der Modellrechnung aus Abb. 7 läßt sich auch sehr gut zeigen, warum und wie unser Zinswachstumssystem zusammenbrechen wird: Weil die Kapitalkosten für die Wirtschaft trotz Produktionszuwachs verglichen mit der Wertschöpfung immer größer werden, müssen die erzielbaren Erträge aus den Unternehmen allein wegen der Marktsättigung und zunehmenden Konkurrenzdruck kleiner werden. Die Rendite aus den Unternehmen sinkt deshalb seit 1990 um jährlich 1,3%. Bei sinkenden Zinsgewinnen lohnt es sich für das Kapital immer weniger, sich in der realen Wirtschaft investieren. Im Gegensatz zur realen Wirtschaft bietet allerdings der spekulative Sektor an den Börsen noch Gewinnpotential, weshalb es zu einem Börsenboom kommt (Abb. 8)



      Abb. 8 Dow Jones Aktienindex

      Weil durch weiter zufließendes Kapital die Kurse in ungeahnte Höhen getrieben werden und damit die reale Bewertung solcher Entwicklungen kleiner werden muss, kommt es früher oder später zum Börsencrash, wie die Beispiele der letzten Krisen von 1873 und 1929 eindrucksvoll zeigten. Durch einen zwangsläufigen Crash kommt entsteht zwangsläufig eine fatale deflationäre Abwärtsspirale.

      "Wir waren ganz, ganz dicht an einer Kernschmelze des internationalen Bankensystems. Es war wirklich furchterregend. Die Russen wurden zahlungsunfähig, und der Hedge Fonds Long-Term Capital Management ging fast unter. Wenn die New Yorker Zentralbank nicht eingegriffen hätte, wären Kreditrisiken entstanden, auf die niemand vorbereitet war."

      George Soros, Multispekulant zur Krise 1998

      Die deflationäre Abwärtsspirale - verlorene Gerechtigkeit

      Im Börsencrash entsteht eine große Unsicherheit auf dem Markt, weshalb niemand mehr bereit ist, Geld irgendwo zu investieren. Das Geld zieht sich deshalb aus der Wirtschaft zurück und wartet auf bessere Anlagemöglichkeiten. Durch einen Rückzug von Geld aus der Wirtschaft verfallen die Preise, weil das Gleichgewicht zwischen umlaufender Geldmenge und Warenangebot gestört ist. Sinkende Preise wiederum führen zu einer zurückhaltenden Kaufhaltung der Verbraucher, weil jeder geplante Käufe in Erwartung weiter sinkender Preise auf die Zukunft verschiebt. Dadurch kommen die Unternehmen in Schwierigkeiten, da der Umsatz einbricht. Diese sind deshalb dazu gezwungen, entweder Bankrott anzumelden oder Arbeitskräfte zu entlassen. Weil der Absatz stockt, müssen die Betriebe die Preise senken, was der Entwicklung weiteren Schub verleiht. Die entstehende Massenarbeitslosigkeit reduziert die Kaufkraft der Bevölkerung, weshalb der Unternehmensabsatz weiter einbricht. Gleichzeitig werden in einer Deflation die Schulden aufgewertet, weil der reale Kaufwert des Geldes durch sinkende Preise steigt. Viele Schuldner sind in dieser Lage nicht mehr dazu imstande, die Kredite zu bedienen. Die Banken greifen deshalb zum Mittel der Zwangsversteigerung, was die Realgüterpreise weiter stark unter Druck setzt. Dem verschuldeten Häuslebauer kann es dann leicht passieren, dass sein Haus zwangsversteigert wird, die Verkaufsumme jedoch nicht den Kredit abdeckt, weshalb er ohne Haus aber weiterhin mit Schulden auf der Straße steht. Auf der anderen Seiten haben diejenigen, welche schon vor dem Crash über viel Kapital verfügten nun die besten Bedingungen, da sie mit zunehmender Zeit immer mehr mit ihrem Geld kaufen können. Während der Faktor Arbeit nun vollkommen unattraktiv geworden ist, hat das Kapital die Vorherrschaft über alle anderen Werte erreicht. In einer solchen Situation entstehen leicht radikale Strömungen, welche in einem Krieg oder Bürgerkrieg enden können. Daß es dazu nicht kommen muss, zeigt eine lange zinsfreie Periode in unserer Geschichte: das Hochmittelalter.

      "Im Mittelalter hatten die Menschen mehr Freizeit als heute. Im Schnitt hatte jedes Jahr 115 arbeitsfreie Feiertage"

      Süddeutsche Zeitung, 6.4.1999


      ....


      Schlußbetrachtung

      Die Werte von Chancengleichheit, Gerechtigkeit und Sozialpartnerschaft werden, wenn die derzeitigen Entwicklungen anhalten, langfristig völlig verschwinden und nur noch in den Erinnerungen der Menschen vorhanden sein. Ursache dafür ist ein wegen des Zinseszinsmechanismus auf ständige Expansion angewiesenes System, in welchem sich die Rendite langfristig nur dann aufrechterhalten lässt, wenn scheinbar überholte Werte verschwinden. Diese Entwicklung führt sowohl zu einer ungerechten, weil nicht mehr an die Leistung gebundenen, Vermögensumverteilung von unten nach oben, wie auch zur Globalisierung, in welcher der Druck auf die Erdenbewohner unvorstellbare Ausmaße annehmen wird. Am Ende wird sogar dieser steigende Arbeitszwang - bei sinkenden Löhnen - nicht mehr ausreichen, um die explodierenden Schulden zu bedienen. Wie schon immer in der Geschichte, zerfällt dann das System durch Kapitalmangel in einer deflationären Abwärtsspirale. Parallelen beispielsweise zum Untergang des antiken Roms lassen sich heute schon finden: Grenzenloser Reichtum weniger bei zunehmender Armut vieler wie auch Brot und Spiele, um Unruhen durch die Ungerechtigkeiten im System zu unterbinden. Es gibt heute keinen Grund, anzunehmen, dass unsere Gesellschaft ein anderes Schicksal zu erwarten hätte, wenn die momentanen explodierenden Entwicklungen im Kapitalsystem andauern. Im Gegenteil: Die entstandenen technischen Möglichkeiten erhöhen sogar das Risiko von Verzweiflungstaten, welche schnell in einer Katastrophe enden könnten.


      Dass es nicht immer so war, zeigte die kulturelle Blütezeit im Hochmittelalter, in der 300 Jahre lang ein zinsfreies Geld umlief, welches sowohl die Armut beseitigte als auch zu einer Gesellschaft führte, in der Chancengleichheit und Gerechtigkeit nicht bloße Worte, sondern lebendige Tatsache waren. Unsere Verpflichtung ist es, aus der Geschichte zu lernen und eine Ordnung, wenn auch in moderner Form, zu schaffen, welche jedem die freie Entfaltung der Persönlichkeit ohne Druck und Zwang von außen ermöglicht, wie dies auch die Begründer des deutschen Grundgesetzes im Auge hatten.




      Quelle:
      http://www.geldcrash.de/Aktuelles/Artikel/Buchergilde/bucher…
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 20:35:41
      Beitrag Nr. 51 ()
      Ach ne, einen noch, weil es so schön ist! :rolleyes:

      http://ourworld.compuserve.com/homepages/RichterPeill/ipsieg…



      Kriegskredite oder:

      Kann Geld demokratisch kontrolliert werden?

      Methodische Vorbemerkung

      Das Thema enthält zwei zunächst voneinander unabhängige Fragen. Die Frage nach den Kriegskrediten reichte allein aus, mehrere Bände zu füllen, ohne auch nur ein Wort über Demokratie zu verlieren. Denn Kriegskredite bzw. Kriegsanleihen durch Staaten gab es auch schon in vordemokratischen Zeiten. Und es gibt sie heute in nicht demokratisch verfaßten Gesellschaften. Hier aber soll das Problem der Kriegskredite mit dem Problem der demokratischen Kontrolle von Geld und Kredit verbunden werden und die daraus sich ergebenden Probleme für demokratische Gesellschaften diskutiert werden.

      Das bedeutet, daß im Zentrum der Analyse der Frage nach Kriegskrediten und demokratischer Geldkontrolle kapitalistische Gesellschaften mit demokratischen Verfassungen stehen. Man muß dabei bedenken, daß die demokratisch verfaßten kapitalistischen Staaten in einem von diesen selbst geschützten und sie überlagernden kapitalistischen Wirtschaftssystem existieren. Dieses staatenüberlagernde System schließt mit seinem spezifisch politischen Demokratiebegriff die demokratische Kontrolle der privaten Wirtschaftsmacht (zum Beispiel der für das Kreditwesen so wichtigen Banken) weitgehend aus, ja es denunziert und verfolgt sogar diejenigen Kräfte der Gesellschaft als demokratiefeindlich, die neben der weiteren Demokratisierung des Staates auch die der Wirtschaft verlangen. Außerdem muß bedacht werden, daß die kapitalistische Weltwirtschaftsordnung (wie sich im Faschismus zeigte) durchaus auch ohne Demokratie, unter Umständen sogar gegen sie aufrechterhalten werden kann, womit allein schon die begrenzten Möglichkeiten einer demokratischen Kontrolle des als Kapital fungierenden Geldes deutlich werden. Aber auf das als Kapital anzulegende Geld kommt es an, wenn man über die demokratische Kontrolle des Geldes die Kriegsgefahren vermindern, die Überschuldung ganzer Kontinente (die den Nord-Süd-Konflikt extrem verschärfen) und die Zerstörung des Ökologischen Gleichgewichts auf unserem Planeten vermindern oder gar verhindern will.

      Sechs Thesen (die sich nicht auf das gesamte Kreditvolumen, sondern nur auf Kriegskredite und Kriegsanleihen beziehen - also exemplarisch das Problem der demokratischen Kontrolle von Kapital andeuten).

      1.

      Die Zeiten der offenen kolonialistische oder imperialistischen Kriege, die eine besondere Erwerbs- und Bereicherungsform der Mächtigen waren, sind offiziell vorbei. Somit gilt auch Krieg nicht mehr offiziell als Quelle der gewaltsamen Bereicherung. Aber wie die Eroberungskriege sind auch die heutigen "Friedenskriege" und Verteidigungskriege auf Sieg und Durchsetzung der Interessen der Sieger im besiegten Land angelegt. Es geht dabei um politische Einfluß- und wirtschaftliche Anlagesphären für das weltweit nach Anlage, nach Rohstoffen, Arbeitskräften und Märkten suchende Kapital.
      Auch diese Kriege sind in der Regel nicht allein aus den normalen Steuern der Bürger finanzierbar. Es reichen auch nicht zusätzliche staatliche Kreditaufnahmen bei privaten Banken. Die Staaten sind im Kriegsfall immer auf zusätzliche Mittel angewiesen, gleichgültig, wie man diese zusätzlichen Mittel nennt. Meist sind es Kriegskredite bzw. Staatsanleihen für Rüstung oder Kriegsführung und können daher als eine Sonderform von Krediten betrachtet werden.
      Hier nun spielen die demokratisch nicht kontrollierten Banken eine Rolle, die teilweise selbst Aktionäre in der Rüstungswirtschaft sind. Sie bieten ihren Kunden gern auch besondere Chancen privater Bereicherung durch Kriege. Die Gewinnchancen durch Kriegsanleihen können zu einem durchaus selbständigen Kriegsmotiv werden. Der zu erwartende Gewinn kann natürlich nicht primär aus der Waffen- und sonstigen Kriegsgüterproduktion gezogen werden. Primär fließt der Gewinn entweder aus inländischer Umverteilung (Steuerbelastungen, Geldentwertung) oder - im Falle des konkreten Krieges - aus dessen Destruktivkraft, die den Absatz und Umsatz der Produkte (vergleichbar den Totalschäden bei Autounfällen) extrem beschleunigt. Kriegsgefahr und Krieg sichern ständig die Nachfrage. Anschlußaufträge sind stets gesichert. Die Rüstungswirtschaft hat nicht einmal besondere Werbung nötig, allenfalls schmälern große Bestechungssummen für Politiker ihre Gewinne. Man erinnere sich an Lockheed. Aber reale Gegenwerte produzieren diese Waffen (im Gegensatz zu Maschinen für zivile Produktion) nicht. Der Gegenwert kann also nur aus den Taschen des eigenen Volkes oder des besiegten Landes, aus der errungenen Beute und der Ausbeutung der besiegten Bevölkerung bezahlt werden. Ein Krieg auf Kredit ist also ein Krieg, der mittels Zerstörung Gewinn erzielen soll, und dies mit dem Vorschuß derer, die Geld rentabel anlegen wollen. Siege begründen daher oft gewaltige Forderungen nach Reparationen, die im Siegerland gut verzinste Kreditrückzahlungen ermöglichen, und aus denen darüberhinaus billiges und spekulatives Gründerkapital geschöpft werden kann.

      2.

      Kriege sind in der Regel staatliche Kriege. Das liegt am staatlichen Gewaltmonopol. Privatkriege sind Bürgerkriege. Bei diesen kämpfen verfeindete soziale Klassen einer Gesellschaft mit Waffengewalt um das Gewaltmonopol im eigenen Staat. Oder - wie das bei den bewaffneten Kämpfen mafioser Gruppen der Fall ist - um Einfluß oder Einflußzonen im Staat, in Regionen oder in Städten und Gemeinden. Solche Privatkriege dienen auch der Gewinnerzielung, werden aber mit den meist kriminell erworbenen Vermögen der um die Macht ringenden Eliten und durch täglichen Raub finanziert. Staatliche Rüstung und Staatskriege zur Erzielung von privaten Gewinnen müssen dagegen legal - in der Regel über Banken - vorfinanziert werden. Rüstungs- und Kriegsfinanzierung schöpft aus verschiedenen Quellen:

      A) aus Steuereinnahmen, b) aus Kriegskrediten bzw. Staatsanleihen (Kriegsanleihen), sozusagen Kriegsaktien, und c) aus eigenmächtiger Geldschöpfung, also Ingangsetzung der Druckerpresse.

      Daß Staaten in Kriegszeiten häufiger als sonst die Notenpresse in Gang setzen, führt zwangsläufig zur Inflation, zur allgemeinen Geldentwertung durch überdimensionale Teuerung. Inflation ist die Methode, mittels derer der Staat seiner Bevölkerung nahezu unbemerkt einen Großteil ihres Einkommens aus der Tasche ziehen kann. Sie ist staatlich geduldeter oder gewollter Diebstahl am Volksvermögen, meistens am Ersparten der sog. "kleinen Leute". Kreditnehmer werden dagegen - wenn keine besonderen Maßnahmen dagegen getroffen werden - durch Inflation entschuldet, also reich. Denn die Schulden werden - wie die Ersparnisse - durch Inflation entwertet, werden geringer.

      3.

      Kriegskredite führen zur Bereicherung der Banken und der Rüstungswirtschaft, also vor allem der Rüstungsaktionäre. Zur Rüstungsindustrie gehören nicht nur Waffenschmieden wie vormals Krupp, heute Daimler Benz (Dornier), sondern auch Chemiekonzerne und sogar Textilindustrien. Die Waffen und sonstigen Kriegsmaterialien werden vom Staat in großen Massen gekauft und mit Steuergeldern oder Krediten bezahlt. An den Krediten verdienen diejenigen, die Geld genug zu haben glauben, es zu verleihen oder anzulegen. Der Staat ist Einkaufmonopolist. Die Rüstungswirtschaft ist ebenfalls hochgradig monopolistisch strukturiert. Wenige Großkonzerne sind im Geschäft, allerdings gibt es zahlreiche mittelständische Zulieferanten für die große Rüstungswirtschaft. Wenige Firmen sind in der Lage, Staatsaufträge großen Stils (z.B. Bau von Kampfflugzeugen) durchzuführen. Daraus ergeben sich Monopolpreise und Monopolgewinne für die Rüstungswirtschaft. Es bestehen im Rüstungssektor keine Marktstrukturen, es gibt keine Preiskonkurrenz, und auch demokratische Kontrollen sind, falls sie ansatzweise existieren - zumal in Kriegszeiten und im Bereich der Rüstung - in der Regel nicht vorhanden. Was als militärisch-industrieller Komplex bezeichnet wird, ist in Verbindung mit der Bankenmacht, die die Geldströme lenkt und die Politik maßgeblich beeinflußt, ein Kriegfaktor. Er könnte nur durch Demokratisierung, durch Transparenz und öffentliche, sprich demokratische Kontrolle entschärft werden.

      4.

      Es besteht auch die Gefahr der demokratischen Zustimmung zu abenteuerlicher Kriegspolitik. Das Arbeitsplatzargument, das "Gespenst" der ausländischen Konkurrenz, das in Wirklichkeit oftmals selbstgemacht ist, weil hinter dieser Konkurrenz die im Ausland gegründeten Filialen der Firmen aud dem eigenen Land steckt oder die Kapitalanleger des eigenen Landes. An vielen ausländischen Firmen sind längst deutsche Kapitalanleger im großen Maßstab beteiligt. Der in Krisenzeiten auflebende Nationalismus könnte in demokratischen Staaten auch Kriegspolitik mit breiter Zustimmung der Massen betreiben. Demokratie als formale Zustimmung von Mehrheiten zur Staatspolitik verstanden, garantiert demzufolge keinen Frieden. Dazu muß Demokratie inhaltlich in den Köpfen der Mehrheiten als Methode der Kriegsverhinderung, der Verhinderung des Machtmißbrauchs durch Kapitaleigner und Politiker verankert werden. Das Arbeitsplatzargument ist im Zusammenhang mit der Rüstung reine Demagogie, weil der Rationalisierungsgrad im Rüstungsbereich mit seinen uniformierten Massenprodukten besonders hoch ist, also gerade dort stark automatisiert wird. Dennoch bindet die Rüstungsindustrie viele hochqualifizierte und gutbezahlte Arbeitskräfte, die allerdings im friedlichen Sektor fehlen, weil der keine vergleichbaren Löhne zahlen kann.

      5.

      Wenn Krieg geführt wird, zumal siegreich, gibt es Kriegsgewinne. Wie aber lassen sich in Friedenszeiten durch Rüstungsgeschäfte Gewinne erzielen? Durch Rüstungswettlauf und ständige Innovationen. Vorzeitige Verschrottung alter oder angeblich veralteter Modelle und ihre Ersetzung durch Neue sichern die notwendigen Anschlußaufträge. Der Rüstungswettlauf zwischen der früheren UdSSR und dem Ostblock auf der einen und den USA und den NATO-Staaten auf der anderen Seite hat dem Westen tatsächlich (neben der Verarmung vieler Menschen auch in reichen Staaten) einige Vorteile gebracht, den Osten aber - wie den Süden - volkommen ruiniert. Warum? Weil der Westen mit seinem historischen Entwicklungsvorsprung unter Überproduktion (das heißt Absatzkrisen) und an Kapitalüberfluß (das heißt Mangel an profitablen Investitionsmöglichkeiten im zivilen Sektor) litt und noch immer leidet. Die Leiden konnten teilweise durch Rüstung und Kriege gemildert, ja in Vorteile für die Kapitalanleger verwandelt werden. Ländern aber, denen es an Kapital fehlte und fehlt, deren Produktionsniveau niedrig ist, deren Sozialordnung obendrein noch vom Willen beseelt oder der Notwendigkeit beherrscht ist, Arbeitsplätze, kostenlose medizinische Grundversorgung und jedem ein Dach über dem Kopf zu garantieren, müssen die Kosten für die Rüstung zu Lasten ihrer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung aufbringen. Sie können slso durch einen gnadenlosen Rüstungswettlauf "totgerüstet" werden.

      6.

      Der medial herstellbare Irrglaube der Bevölkerungsmehrheit, Rüstung schaffe Sicherheit und die durch Rüstung geschaffenen Arbeitsplätze schafften Wohlstand, erschwert es, auf demokratischem Weg die Rüstungsrendite in eine Friedensrendite umzuwandeln, Schwerter zu Pflugscharen umzuschmieden. Wie das ermöglicht werden kann, bleibt eine Zukunftsfrage an die Demokratie.

      Solange die zu erwartenden Gewinne aus der Rüstung sicher und zugleich überdurchschnittlich hoch sind, wird das nach Anlage suchende Geld in die Rüstungswirtschaft investiert. Selbst nach dem Zusammenbruch des Ostblockkommunismus, der bisher eine ideale Legitimationsbasis für Hochrüstungspolitik lieferte, ist es nahezu unmöglich, die Staatsausgaben für Rüstung einschneidend zu senken. Zwar werden Soldaten nach Hause geschickt, aber dies ist nur ein Ausdruck der allgemeinen Rationalisierung und Verschlankung, die nun auch im Maschinenpark der modernisierten Mordwaffen betrieben werden kann. Die weniger modernen Waffensysteme werden angelblich verschrottet. Aber erstens werden sie durch modernere ersetzt. Und zweitens wird ein Großteil illegal in Krisengebiete verkauft. Chancen auf tiefgreifende Veränderungen ergeben sich nur, wenn ein auf Frieden ausgerichtetes demokratisches Bewußtsein die Mächtigen im Staat und in den Chefetagen der Wirtschaft, insbesondere der Banken und der Rüstungswirtschaft, kontrolliert.
      [/i]
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 20:40:18
      Beitrag Nr. 52 ()
      Wer diese Zusammenhänge nicht sehen möchte, obwohl er sie erkennt, ist nicht wirklich ein Demokrat.

      Denn er macht sich mitschuldig an den kommenden Kriegen.

      Eine etwas andere Form von Appeasement.

      Mouse, ist das alles nur Spinnerei von dubiosen Quellen, wie du es gerne hättest?
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 23:01:20
      Beitrag Nr. 53 ()
      Die meisten Menschen wissen gar nicht, wie Geld funktioniert.

      Und was die negativen Begleiterscheinungen betrifft, wird alles unternommen, um Kritiker als Spinner darzustellen...

      Und diese negativen Begleiterscheinungen wirken subtil, aber unmittelbar, direkt und umfassend!

      Perfekt also!


      Lietaer ist über jeden Verdacht erhaben:


      Ganzheitliche Thesen von Bernard Lietaer, einem etablierten Banker, zum Thema Geld

      Siehe auch Interview mit Bernard Lietaer:" Wie Geld nachhaltig wird"



      Hintergrund von Bernard Lietaer
      Bernard Lietaer war Präsident des elektronischen Zahlungssystems von Belgien. Eine seiner ersten Aufgaben bei der belgischen Zentralbank bestand in der Entwicklung und Einführung des ECU (European Currency Unit) Ende der Siebziger Jahre. Bernard Lietaer war zudem Direktor und Devisenhändler eines der größten und erfolgreichsten Offshore-Devisenfonds. Auf dem Gebiet der Währungspolitik bzw. -bewirtschaftung stand er einigen Entwicklungsländern beratend zur Seite. In seiner Geburtsstadt Leuven in Belgien lehrte Lietaer an der dortigen Universität "Internationale Finanzwirtschaft". Zur Zeit lebt Bernard Lietaer in Kalifornien und hält an der University of California in Berkeley eine Gastprofessur. Als einer von ganz Wenigen in der Finanzwelt kann Lietaer aus dem vollen Repertoire seiner praktischen Erfahrungen auf nahezu allen entscheidenen Gebieten des Themenkomplexes "Geld und Währungen" schöpfen. Gerade diese Eigenschaft macht Bernard Lietaer zu einem Wissenschaftler und Prakmatiker, bei dem es sich lohnt, zuzuhören.



      Gier und die Angst vor Knappheit


      Während in Wirtschaftsfachbüchern behauptet wird, daß Menschen und Firmen für mehr Weltmarktanteile und Rohstoffe im Wettbewerb stehen, behauptet Bernard Lietaer, daß sie in Wirklichkeit für höhere Profite kämpfen und Weltmarktanteile und Rohstoffe nur dafür benutzen.

      Gier und die Angst vor Knappheit werden für Bernard Lietaer durch das jetzt praktizierte Geldsystem ständig erzeugt und vergrößert. Er führt als Beispiele an, daß man mehr als genug Nahrungsmittel für alle Menschen produzieren kann und es außerdem ganz ohne Zweifel genug Arbeit für jeden einzelnen gibt. Was wirklich knapp ist, ist das Geld, um dies alles zu bezahlen.


      Somit liegt die Knappheit nach Ansicht von Bernard Lietaer in den nationalen Währungen selbst. Tatsächlich ist es die Aufgabe der Zentralbanken, diese Geldknappheit zu produzieren und aufrechtzuerhalten.

      Die Folge ist, daß alle gegeneinander kämpfen müssen, um zu überleben. Geld wird geschaffen, wenn Banken es beschließen. Lietaer führt dazu folgendes Beispiel an: Wenn die Bank an einen Kunden einen Kredit von 100.000 Dollar gibt, ist dies nur der Teil, den der Kunde ausgibt und der dann in der Wirtschaft zirkuliert. Die Bank erwartet aber vom Kunden, daß er im Laufe der nächsten 20 Jahre für diesen Kredit 200.000 Dollar zurückzahlt, kreiert jedoch diese zweiten hunderttausen Dollar - die Zinsen - nicht selbst. Statt dessen schickt die Bank den Kunden in die feindliche Welt, um gegen jeden zu kämpfen, damit der Kunde die zweiten hunderttausend Dollar erarbeitet.
      "Es müssen die einen verlieren, damit andere gewinnen. Einig…

      Wenn also Banken die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden überprüfen, prüfen sie in Wirklichkeit, ob die Kunden in der Lage sind, gegen andere Menschen zu kämpfen und den Wettbewerb zu gewinnen, ob sie es schaffen, die zweiten hunderttausend Dollar aufzutreiben, die nicht von der Bank geschaffen wurden. Und wenn die Kunden es nicht schaffen, verlieren sie ihr Haus oder was immer sie sonst an Sicherheit angegeben haben.

      Lietaer stellt folgende Frage: "Wollen Sie 100 Dollar jetzt oder in einem Jahr?" Die meisten Menschen würden sagen: "Jetzt", weil man dieses Geld risikolos auf die Bank bringen kann und dann etwas 110 Dollar ein Jahr später kassiert. Anders ausgedrückt: Wenn man jemandem 100 Dollar in einem Jahr anbieten würde, entspräche dies einem Barwert von etwa 90 Dollar heute. Das bedeutet, daß es bei dem jetzigen Geldsystem Sinn macht, Bäume zu fällen und das Geld auf die Bank zu bringen. Das Geld in der Bank "wächst" schneller als die Bäume. Es macht Sinn, schlecht isolierte Häuser zu bauen, weil die Kosten des zusätzlichen Energieverbrauchs niedriger sind als die bessere Isolierung. Man "spart" also Geld.

      . . .

      Seiner Ansicht nach versetzte die Erfindung des Schießpulvers im frühen 14. Jahrhundert die Fürsten in die Lage, ihre Macht zu zentralisieren.

      Das erste, was sie taten, war das Monopol des Geldsystems durchzusetzen.

      . . .

      Lietaers Theorie der Knappheit als unerläßliche Bedingung für das weltweit existierende Wirtschaftssystem basiert auf C.G. Jungs Theorie der kollektiven Psychologie.
      Jung hatte bei seiner praktischen Arbeit festgestellt, daß bei seinen Patienten in den Sitzungen immer gleiche Inhalte und Verhaltensweisen im Unterbewußtsein verankert waren. Daraus schloß er, daß eine die individuelle Psyche überschreitende Dimension des Unterbewußten existierte - das "kollektive" Unterbewußte. Dabei tauchten wiederholt mythologische Motive auf, die unabhängig von Bildung und Erziehung des Einzelnen die gleichen waren - die sogenannten Archetypen.

      . . .
      Im Falle des Archetyps der Großen Mutter sind die typischen Eigenschaften "(...) das Mütterliche schlechthin, die magische Autorität des Weiblichen; die Weisheit und die geistige Höhe jenseits des Verstandes; das Gütige, Hegende, Tragende, Wachstum, Fruchtbarkeit und Nahrung Spendende; die Sätte der magischen Verwandlung, der Wiedergeburt (...); das Geheime, Verborgene, das Finstere, der Abgrund, die Totenwelt, das Verschlingende, Verführende und Vergiftende, das Angsterregende und Unentrinnbare."2


      Nach Lietaers Auffassung ist genau dies auch der Fall. Der Archetyp der Großen Mutter wurde seit Beginn der bekannten Menschheitsgeschichte, seit 6000 Jahren, gewaltsam unterdrückt. Dies begann im Westen mit der indo-germanischen Völkerwanderung, verstärkt durch die Anti-Göttin-Haltung im Juden-und Christentum mit Höhepunkten in drei Jahrhunderten Hexenverfolgung bis hin zur Viktorianischen Epoche.
      Der manifestierte Schatten in der Gesellschaft ist aufgrund des langen Zeitraums der Unterdrückung gewaltig.
      . . .[sie] manifestieren sich nach Lietaers Theorie als Gier und Angst vor Knappheit. Jemand, der den Archetyp der Großen Mutter darstellt, d.h. ihn in seiner Persönlichkeit erkannt und integriert hat, der vertraut auf die Fülle des Universums; nur derjenige, der kein Vertrauen hat, braucht ein dickes Bankkonto.

      "Der erste Mensch, der damit begonnen hat, als Schutz gegen …

      Der Vorwand für Kommunikation

      Die Angst vor Mangel, die Folge unseres Geldsystems, erzeugt Gier und das Horten von Geld. Dadurch wird dem Geldkreislauf Geld entzogen, was wiederum Knappheit und somit Mangel nach sich zieht (siehe auch Fließendes Geld und Heilung des sozialen Organismus). Dieser fatale Teufelskreis, der unermäßlichen Reichtum auf der einen und Armut auf der anderen (90% der Menschen betreffenden, siehe auch Die Kassen sind leer, wo ist das Geld?) Seite erzeugt, hat noch eine andere, zwischenmenschliche Folge. Es setzt neben dem Mangel an Geld auch der Mangel an Kommunikation ein.

      . . .

      Lietaer führt aus, daß die heutige Geldordnung kaum noch etwas mit der realen Wirtschaft zu tun hat. 1995 betrug der Tagesumsatz der ausgetauschten Währungen weltweit die Summe von 1,3 Billionen (1300 Mrd) US-Dollar, was 30 mal mehr als das tägliche Bruttosozialprodukt aller entwickelten Länder der Welt zusammen ist.
      "Das jährliche Bruttosozialprodukt der USA wird auf den Finanzmärkten in drei Tagen erreicht. Von diesem Volumen werden nur zwei bis drei Prozent für die reale Wirtschaft (Handel, Investitionen usw.) benötigt. Der Rest wird verschwendet im Spekulationsgeschäft des globalen Cyber-Casinos. Die reale Wirtschaft wurde degradiert zu einer reinen Dekoration auf dem Spekulationskuchen."5

      Desweiteren zeigt Lietaer auf, daß die Regierungen keine Macht mehr haben und das wirtschaftliche wie politische Geschehen von den Finanzmärkten regiert wird. Wenn eine Regierung etwas beschließt, was den Finanzmäkten nicht gefällt, setzt einfach eine Finanzkrise in der betreffenden Währung ein wie 1991 bei den Briten, 1994 bei den Franzosen und 1995 bei den Mexikanern.

      "Ein paar hundert Menschen, die weder gewählt wurden noch ir…

      Eine 50/50 Chance sieht Lietaer, daß dieses labile Spekulationsgebäude in den nächsten fünf bis zehn Jahren einstürzen wird. Selbst wenn in dieser Krisensituation alle Zentralbanken beschlössen, zusammen zu arbeiten (was allerdings nie geschehen würde), und alle ihre Reserven einsetzten, um die Krise zu meistern, hätten sie doch nur Mittel in der Größenordnung der Hälfte des Tagesumsatzes der Finanzmärkte um die Währungen zu stabilisieren. Im Gegensatz dazu könnte sich der Tagesumsatz an einem Krisentag an den Finanzmärkten verdoppeln oder verdreifachen, so daß die Reserven sämtlicher OECD-Zentralbanken nur für zwei bis drei Stunden reichten.
      Dabei würde es sich bei diesem Zusammenbruch nicht nur um eine Wirtschaftkrise, wie die z.B. von 1929, handeln. Die Tragweite wäre viel weitreichender. Lietaer führt als historisches Beispiel den Zusammenbruch des Römischen Reiches an, das auch die Römische Währung beendete. Allerdings dauerte es damals noch 150 Jahre, bis das ganze Römische Reich untergegangen war - heute würde es nur einige Stunden dauern.

      . . .
      Literatur:

      1 Interview mit Bernard Lietaer in der Zeitschrift Zeitpunkt, Nummer 39, S.
      2 C.G. Jung, Grundwerke, Bd.2., S.149
      3 Interview mit Bernard Lietaer in der Zeitschrift Zeitpunkt, Nummer 39
      4 ebd.
      5ebd.
      6ebd.
      7ebd.
      Museion 2000 - Kulturmagazin. Glaube, Wissen, Kunst in Geschichte und Gegenwart, Ausgabe 2/92

      Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung eines mit Bernard Lietaer geführten Interviews in der Zeitschrift Yes! Journal of Positive Futures. Sie erscheint vierteljährlich als werbefreies Themenheft und kostet im Abo US$ 31,- (Übersee). Yes, PO Box 10818, Brainbridge Island, WA 98110, USA.
      Eine deutsche Übersetzung (von Erika Riemer-Noltenius) des Gesprächs mit Sarah van Geldern und Bernard Lietaer fand erstmals in der Nummer 39 der Zeitschrift Zeitpunkt statt.



      http://www.holis.de/
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 23:12:03
      Beitrag Nr. 54 ()
      Amerikas Macht wird gebrochen"
      16.03.2003

      "Sie spüren, sie sehen die Anzeichen des Niedergangs, aber sie wollen sie nicht wahrhaben. Das treibt sie paradoxerweise zu einer Politik, die Amerikas Vorherrschaft zerstören wird. Der Irak wird dafür die erste große Etappe sein. Das 21. Jahrhundert wird, anders als das 20., nicht amerikanisch sein."

      Der französische Historiker und Demograf Emmanuel Todd über die Auswirkungen eines Irak-Kriegs, den Niedergang der USA als alleiniger Supermacht und die Emanzipation Europas


      SPIEGEL: Monsieur Todd, die USA scheinen fest entschlossen, sich notfalls über den Sicherheitsrat der Uno hinwegzusetzen. Zeigt das nicht, dass die Supermacht Amerika tun kann, was sie will?

      Todd: Für mich beweist eine solche Rücksichtslosigkeit eher, dass die USA am Verzweifeln sind, weil sie ihren Willen eben nicht mehr ohne weiteres durchsetzen können. Es ist keine Heldentat, wenn ein hochgerüstetes Land mit 290 Millionen Einwohnern einen 23-Millionen-Staat angreift, der total ausgezehrt ist, kaum noch über schlagkräftige Streitkräfte verfügt und dessen Bevölkerung zur Hälfte aus Kindern und Jugendlichen besteht.

      SPIEGEL: Warum können Chirac, Schröder und Putin den Mann im Weißen Haus dann nicht aufhalten?

      Todd: Die amerikanische Diplomatie hat eine verheerende Niederlage erlitten. Bush fürchtet die Lächerlichkeit, wenn er zurückweicht. Aber die Welt ist dabei, sich neu zu organisieren, an den USA vorbei. Ein Krieg gegen den Irak wird diesen Prozess nur noch schneller vorantreiben - für mich eine ziemlich atemberaubende Entwicklung, eine ungeheure Beschleunigung der Geschichte.

      SPIEGEL: Läutet die Irak-Krise das Ende der unipolaren Welt ein?

      Todd: Die uneingeschränkte Vorherrschaft Amerikas ist schon zerbrochen, und Bush kann sie nicht wiederherstellen, auch wenn er in Bagdad einen Pyrrhussieg erringt. Ich muss Ihnen übrigens ein Kompliment machen. Deutschland hat daran einen ganz beachtlichen Anteil.

      SPIEGEL: Wie bitte? Bundeskanzler Schröder wurde im Wahlkampf wohl kaum von einer geostrategischen Vision getrieben.

      Todd: Aber von der öffentlichen Meinung, und das Ergebnis ist eine strategische Veränderung. Wer hätte gedacht, dass Deutschland - ein halbes Jahrhundert lang ein Verbündeter ohne eigenen Willen - jetzt Nein zu Amerika sagen könnte? Washington hat es am wenigsten geglaubt. Das deutsche Nein hat auch Frankreich in seinem Verhältnis zu Amerika befreit. Chiracs Veto wäre ohne Schröders frühzeitige Festlegung nicht möglich gewesen. Für sich allein sind Frankreich und Deutschland mittlere europäische Mächte, zusammengenommen bilden sie eine Weltmacht.

      SPIEGEL: Übertreiben Sie da nicht gewaltig? Neben der Uno ist doch die Europäische Union das Hauptopfer der Krise. Beide präsentieren sich gelähmt und gespalten.

      Todd: Das geht vorüber. Viel entscheidender ist, dass Bushs außenpolitische Brutalität das müde deutsch-französische Paar richtig auf Trab gebracht hat. Hier entsteht ein neuer Pol in der Welt, der schon genug Dynamik entfaltet hat, um auch Russland an sich zu binden.

      SPIEGEL: Handelt es sich nicht vielmehr um eine Zweckallianz, in der jeder der drei aus unterschiedlichen Motiven handelt und eigene Interessen verfolgt?

      Todd: Diese Allianz mutet nur dann unwahrscheinlich an, wenn man noch in den ideologischen Kategorien des Kalten Kriegs denkt. Aber Russland ist kein gefährlicher Staat mehr, trotz seiner Gräuel in Tschetschenien. Es schreitet unverkennbar auf dem Weg der Demokratisierung fort. Hält man den alten Ost-West-Gegensatz für überwunden, erscheint es als völlig natürlich und normal, dass Frankreich, Deutschland und Russland sich zusammenfinden, um die hegemonialen USA im Nahen Osten einzudämmen.

      SPIEGEL: Geht also der Streit um Krieg oder Frieden weit über den Irak hinaus? Steht Amerikas Macht in der Welt auf dem Spiel?

      Todd: Saddam Hussein ist in dieser Kraftprobe kein autonomer Gegenspieler, sondern nur eine Bauernfigur, ein idealtypischer Finsterling. Er soll in einem symbolischen Kriegsakt weggeräumt werden, damit das verunsicherte Amerika sich seiner Macht vergewissern kann. Das macht diesen Krieg zu einer Ersatzhandlung. Sie soll das wahre Ereignis, den 11. September 2001 und die Erfahrung der amerikanischen Verletzlichkeit, mit einem Schlag auslöschen. Nur kann dieser Exorzismus nicht funktionieren.

      SPIEGEL: Will Bush Amerikas verwundete Seele heilen?

      Todd: Am Tag, an dem der Krieg beginnt, wird Amerikas Macht gebrochen sein. Die USA erfinden sich unbedeutende Feinde wie den Irak, weil sie mit aller Gewalt den Eindruck erhalten wollen, das Zentrum der Welt zu sein. Das weckt Angst, und die Angst schafft diplomatische und politische Gegengewichte. Insofern ist es ganz bezeichnend, dass im Uno-Sicherheitsrat nicht alle einfach gekuscht haben Die Uno hat sich behauptet, keinesfalls selbst lahm gelegt.

      SPIEGEL: Bricht Ihre ganze Theorie nicht in sich zusammen, wenn der Feldzug schnell und glatt verläuft und die Iraker die US-Soldaten wie Befreier bejubeln?

      Todd: Oh, ich halte ein solches Szenario durchaus für vorstellbar. Aber es ändert nichts an meiner Analyse. Ein Befreier kann nach einer gewissen Zeit sehr wohl als Besatzer empfunden werden, gegen den sich Widerstand regt. Die USA können den Irak besiegen, aber nicht auf Dauer unter Kontrolle bringen.

      SPIEGEL: Weil eine Neuauflage des Kolonialismus heute nicht mehr möglich ist?

      Todd: Auch die Kolonialherren glaubten an ihre zivilisatorische Mission, so wie Bush die Verbreitung der Demokratie predigt. Er verkennt dabei den inneren Widerspruch seiner Politik, die vorgibt, Demokratie und Freiheit in die arabische Welt zu bringen, im selben Atemzug sich aber bedenkenlos die Freiheit nimmt, notfalls gegen die Charta der Vereinten Nationen und gegen den Willen der internationalen Gemeinschaft zu verstoßen. Ich glaube, dass diese US-Regierung ein gestörtes Verhältnis zur Demokratie hat.

      SPIEGEL: Im Umgang mit ihren Partnern vielleicht, da sie nach der unglückseligen Maxime handelt, wer nicht für sie sei, sei gegen sie. Aber im Innern ist doch die amerikanische Demokratie nicht ernsthaft gefährdet.

      Todd: Da wäre ich mir nicht so sicher. Die US-Gesellschaft ist von vielfältigen sozialen und kulturellen Brüchen durchzogen. Der Zusammenhalt schwindet. Ein großer Teil der Bevölkerung geht nicht mehr zur Wahl. Die Elite befindet sich in einer Krise. Neben die alten demokratischen Prinzipien ist etwas Neues getreten - ein oligarchisches, plutokratisches, militaristisches System, das um sich schlägt, wenn es sich in Bedrängnis wähnt.

      SPIEGEL: Und was soll diese Verwandlung von einer wohlwollenden zu einer repressiven Hegemonialmacht ausgelöst haben?

      Todd: Das allmähliche Bewusstwerden ihrer eigenen Schwäche und ihres Niedergangs. Die USA hatten die neunziger Jahre wie in einem realitätsblinden Rausch erlebt. Der Kommunismus war besiegt, totgerüstet, wie man sich gern einredete, die neoliberale Globalisierung triumphierte. Jetzt werden die Amerikaner in einem schmerzhaften Prozess mit der Wirklichkeit konfrontiert. Das theatralische militaristische Gestikulieren dient dazu, diesen Prozess zu verdrängen und zu verschleiern. Das ist das klassische Symptom einer Großmacht im Abstieg.

      SPIEGEL: Die absolute militärische Macht der USA ist doch eine Realität.

      Todd: Sie werden sehen, dass sich die Welt mit militärischen Mitteln nicht mehr beherrschen lässt. Die Amerikaner werden irgendwann aus dem Persischen Golf verschwinden müssen. Der wahre, fundamentale Antagonismus, der dahinter zum Vorschein kommt, ist der heraufziehende Konflikt zwischen der Wirtschaftsmacht Europa und der Militärmacht Amerika.

      SPIEGEL: Da kann es doch kaum Zweifel geben, wer daraus als Sieger hervorgehen wird. Ist der von Ihnen behauptete Niedergang Amerikas nicht höchst relativ?

      Todd: Natürlich sind die USA immer noch die stärkste Macht der Welt, aber sie werden ihre Position als alleinige Supermacht verlieren. Es kann gut sein, dass schon die Expedition gegen den Irak die finanziellen Ressourcen der USA überfordert. Washington kann sich seinen gigantischen Militärapparat auf Dauer nicht mehr leisten.

      SPIEGEL: Präsident Bush will den Verteidigungshaushalt für 2004 wieder erhöhen, um 4,1 Prozent ...

      Todd: ... und die Defizite explodieren. Wenn dieser Krieg ohne Ermächtigung der Uno stattfindet, werden die Europäer sich nicht an den Kosten beteiligen. Der Golfkrieg 1991 wurde bezahlt, zu einem guten Teil von Deutschland und Japan. Diesmal werden die USA die Zeche allein zu tragen haben.

      SPIEGEL: Den Krieg können die Amerikaner allein gewinnen. Brauchen sie für den Frieden und den Wiederaufbau Hilfe?

      Todd: Sie können keine Besatzungsmacht von 200 000 Soldaten jahrelang im Irak belassen. Das US-Militär scheut die Präsenz am Boden. Das hat sich im Kosovo genauso wie in Afghanistan erwiesen. Wenn Washington aber nach seinem Sieg die Uno, die Nato und die EU zu Hilfe ruft, ist es nicht mehr alleiniger Herr im Land. Die USA brauchen die Welt, von der sie abhängig geworden sind, sie haben nicht genug Geld, sie produzieren nicht genug Güter, ihre industrielle Schwäche ist eklatant, aber sie wollen in der Illusion weiterleben, dass sie unersetzlich für die Welt sind.

      SPIEGEL: Das ist doch keine Illusion. Die USA sind nach wie vor eine unverzichtbare Lokomotive der Weltwirtschaft. Ihre Wirtschaft ist robuster, wächst schneller, schafft mehr Jobs als die europäische.

      Todd: Das täuscht. Das Problem der USA ist die schleichende Entindustrialisierung. Die europäische Industrieproduktion übertrifft die der USA bei weitem, auch in der Spitzentechnik. Airbus ist dabei, Boeing zu überholen. Die amerikanische Gesellschaft konsumiert mehr, als sie produzieren kann.

      SPIEGEL: Das heißt, sie lebt auf Kredit?

      Todd: Das Defizit in der Handelsbilanz ist dramatisch angestiegen - von 100 Milliarden Dollar 1990 auf fast 500 Milliarden heute. Vom Volumen her ist das ohne Beispiel in der Geschichte. Die USA sind abhängig geworden vom internationalen Finanzzustrom. Der Rest der Welt schießt ihnen Geld vor, damit sie weiter importieren und konsumieren. Aber das kann nicht ewig gut gehen. Bald platzt auch diese Blase.

      SPIEGEL: Gilt Amerika den internationalen Anlegern nicht immer noch als sicherster Hafen für ihr Kapital?

      Todd: Die Dollar-Schwäche ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass dieses Vertrauen schwindet. Die Bilanzskandale großer Unternehmen, eine fragwürdige Wirtschafts- und eine unverantwortliche Haushaltspolitik beginnen die Investoren zu verschrecken. Selbst US-Experten sagen der Regierung Bush eine fiskalische Krise größten Ausmaßes voraus.

      SPIEGEL: Nur ist das kein Grund zur Schadenfreude, Europa und der Rest der Welt würden davon nicht unberührt bleiben.

      Todd: Ja, es ist absolut beängstigend, dieses Umkippen der USA vom Ordnungs- zum Unordnungsfaktor mitansehen zu müssen. Amerika war über ein halbes Jahrhundert die Lösung für die Welt, jetzt ist es zum Problem geworden. Das 21. Jahrhundert wird, anders als das 20., nicht amerikanisch sein.

      SPIEGEL: Unterschätzen Sie nicht, wie so viele Europäer, die Dynamik der USA, ihre Regenerationsfähigkeit, ihre Kraft, sich nach Rückschlägen wieder voller Optimismus aufzurichten?

      Todd: Der Glaube an Amerikas innere Kraft könnte sich als einer der gefährlichsten Irrtümer der Gegenwart herausstellen. In Wahrheit sind es die europäischen Länder, die sich immer wieder aufgerichtet haben. Frankreich, diese alte Nation, hüpft seit über tausend Jahren wie ein Tennisball durch die Geschichte. Deutschland hat sich mehrere Male erholt, nach dem Dreißigjährigen Krieg, nach den napoleonischen Feldzügen, nach 1945. Russland ist dabei, seinen Kurs wiederzufinden. Amerika dagegen hat in den über 200 Jahren seines Bestehens im Grunde nur eine Erfahrung gemacht: dass es immer nach oben geht.

      SPIEGEL: Und jetzt zweifelt es an sich selbst?

      Todd: Bush und sein Team sind gefährlich, weil sie sich der Realität widersetzen. Sie spüren, sie sehen die Anzeichen des Niedergangs, aber sie wollen sie nicht wahrhaben. Das treibt sie paradoxerweise zu einer Politik, die Amerikas Vorherrschaft zerstören wird. Der Irak wird dafür die erste große Etappe sein.

      SPIEGEL: Sie haben 1976 in Ihrem ersten Buch die Auflösung des Sowjetsystems vorausgesagt. Sind Sie jetzt nicht dabei, am Beispiel Amerika einem schwarzen Geschichtsfatalismus zu erliegen?

      Todd: Sie haben Recht, es gibt keine Fatalität in der Geschichte. Vielleicht beruhigen sich die Regierenden in den USA wieder, vielleicht bleibt Bush eine Episode, vielleicht findet Amerika zu sich selbst zurück, zu seiner Demokratie und seiner wirtschaftlichen Umstrukturierung ...

      SPIEGEL: ... und wenn nicht?

      Todd: Dann bekommen wir es mit einer Nation zu tun, die ihr Gleichgewicht verloren hat, ihre Ressourcen erschöpft hat, fundamental unproduktiv bleibt, sich deswegen immer räuberischer benimmt - und die Welt mit ins Desaster reißen kann.

      SPIEGEL: Monsieur Todd, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

      Quelle: Spiegel

      Avatar
      schrieb am 16.03.03 23:34:20
      Beitrag Nr. 55 ()
      Und nochmal Creutz:

      http://www.sozialoekonomie.info/Zeitschrift_fur_Sozialokonom…



      Helmut Creutz:
      Wirtschaftliche Triebkräfte von Rüstung
      und Krieg


      "Wenn der Friede die Frucht der Gerechtigkeit ist, dann ist der Konflikt, die kriegerische Auseinandersetzung, die Frucht der Ungerechtigkeit. Tatsächlich waren fast alle Kriege der letzten Jahrhunderte Wirtschaftskriege."
      Adolf Paster


      1. Einleitung

      Alle Kriege, zumindest in unseren Zeiten, sind letztlich als Wahnsinn anzusehen. Das gilt in einem ganz besonderen Maße für jene auf dem Balkan, deren Voraussage in den 80er Jahren und auch noch unmittelbar nach der Wende in Mittel- und Osteuropa nur Kopfschütteln ausgelöst hätte.

      Wie aber kommt es heute noch zu solchen barbarischen Auseinandersetzungen in einer sich als zivilisiert bezeichnenden Welt? Wie kann es geschehen, dass Menschen, die über Jahrzehnte friedlich zusammengelebt haben, auf einmal einander Gewalt antun? Wie kam es zu jener mehr als zehn Jahre dauernden jugoslawischen Tragödie?

      Geht man diesen Fragen intensiver nach, dann stellt sich heraus, dass dieses Blutvergießen keinesfalls nur eine Folge der dortigen ethnischen Gegebenheiten war. Auch mit der wechselvollen Geschichte dieses Landes hat es nur bedingt zu tun.

      Vielmehr hängt es entscheidend mit bestimmten ökonomischen und monetären Gegebenheiten und Fehlentwicklungen zusammen, die auch in früheren Zeiten und an anderen Orten zu Bürgerkriegen oder grenzüberschreitenden gewaltsamen Auseinandersetzungen führten.

      Bevor wir uns mit diesen speziellen Gegebenheiten in Jugoslawien näher befassen, sollen darum einige Gedanken zu den angesprochenen wirtschaftlichen Gründen für Frieden oder Krieg vorausgeschickt werden.

      2. Ungerechtigkeit und Unfrieden in der Geschichte [Übersicht]

      So weit wir wissen, war das Auf und Ab der Kulturen und Epochen immer wieder von Kriegen begleitet. Liest man manche Geschichtsbücher, dann scheint die Entwicklung der Menschheit oft nur aus einer Kette von Kriegen zu bestehen, von Kriegen, bei denen es vor allem um die Eroberung von Land und Bodenschätzen ging, um die Beherrschung wichtiger Handelswege und ganzer Völker. Verständlich, dass die Humanisten und Aufklärer der beginnenden Neuzeit immer wieder die große Hoffnung formulierten, dass fortan alle Menschen durch den technischen Fortschritt zu Wohlstand gelangen und im "ewigen Frieden" (Kant) miteinander leben könnten.

      Und die Klassiker des Liberalismus entwickelten die dazu passende Vorstellung von einem ökonomischen Interessenausgleich zwischen den Individuen auf freien Märkten.

      Bei ihrem Modell einer Marktwirtschaft versäumten Adam Smith und die anderen liberalen Klassiker aber darauf zu achten, dass allen Menschen der Boden und seine Schätze zu gleichen Bedingungen zugänglich werden. Und indem sie das Geld als ein bloß neutrales Tauschmittel betrachteten, übersahen sie, dass mit dem Geld auch eine strukturelle Macht verbunden ist, die auf den Märkten die Menschen immer wieder in Ärmere und Reichere spaltet.

      Während sich aufgrund dieser Gegebenheiten in wenigen Händen große Geld- und Sachkapitalvermögen akkumulierten, vor allem durch die Wirkungen von Zins und Zinseszins, entstand im 19. Jahrhundert auf der anderen Seite ein armes Industrieproletariat. Trotz vielfältiger technischer Arbeitserleichterungen, die hundert Jahre vorher kaum vorstellbar waren, kam es zu keiner allgemeinen Ausbreitung des neuzeitlichen Wohlstands. Neben der wachsenden Kluft zwischen Reichtum und Armut wiederholten sich immer wieder Krisen und Konjunktureinbrüche, deren Folgen überwiegend von der Mehrheit der abhängig Beschäftigten zu tragen waren.


      Zu solchen Einbrüchen kam es vor allem dann, wenn sich währe…


      [ 1: Genau das ist passiert: Denkt mal an unser vagabundierendes Kapital, welches schon weltweit auf der Suche nach dem letzten Prozent Rendite ist, und bei Minimaler Veränderung der Rahmenbedigungen sofort flüchtet und lokale Krisen auslöst- Rußland, Asien 1998, Südamerika, 2002 dieverse weiter Beispiele

      und 2: an die Entwicklung der Börsen die letzten Jahre. Ein Hype ist meistens das Ende einer solchen Suche nach Rendite ]

      Die Folge waren sogenannte Reinigungs- oder Gesundschrumpfungskrisen, die zu einer partiellen oder breiteren Vernichtung von Kapital bzw. zumindest einer deutlichen Unterbrechung der Kapitalbildung führten.

      Damit konnten die Zinsen wieder steigen und die Konjunkturzyklen von neuem beginnen – bis zur nächsten Krise.

      Doch nicht nur durch die allgemeinen Wirtschaftskrisen und zivilen Kapitalvernichtungen wurde immer wieder Raum für neue Investitionen und Geldanlagen geschaffen, sondern auch durch marktfremde Güterproduktionen wie vor allem die Rüstung und noch mehr natürlich durch kriegerische Zerstörungen.

      Eine andere Möglichkeit, Raum für neue Investitionen zu schaffen, war die Herrschaftsausweitung der europäischen Länder auf die übrige Welt, vor allem im Zuge kolonialer Eroberungen in Übersee, die gleichzeitig mit der Ausnutzung billiger Rohstoffquellen und Arbeitskräfte sowie der Ausweitung der Absatz- und Wachstumsmärkte verbunden war.

      . . .


      Auf die Zusammenhänge zwischen Krieg und Zinshöhe hat auch der große englische Dichter George Bernhard Shaw während des Zweiten Weltkriegs aufmerksam gemacht:

      "Ich verabscheue den Krieg und sehe keinen Unterschied an Grauenhaftigkeit zwischen den Bombardierungen Londons, Neapels und Kölns. Sie alle sind abscheulich für mich. Damit stehe ich nicht allein. Alle Kapitalisten, die ich kenne, hassen den Krieg genau so wie ich. Anzunehmen, dass einer von uns wohlüberlegt ein angezündetes Streichholz in ein Pulvermagazin schleudern würde, damit der Zinssatz um zwei oder drei Prozent steigt, ständen in krassestem Widerspruch zur Natur des Menschen und zu den nackten Tatsachen ... Und trotzdem folgt auf zweieinhalb Prozent mit der gleichen Gewißheit Krieg, wie die Nacht dem Tag folgt." [3]

      Und der schweizerische Theologe Karl Barth hat diese Beziehungen zwischen Zins, Kapital und Gewalt auf folgenden Nenner gebracht:

      "Wo nicht der Mensch, sondern das zinstragende Kapital der Gegenstand ist, dessen Erhaltung und Mehrung der Sinn und das Ziel der politischen Ordnung ist, da ist der Automatismus schon im Gang, der eines Tages die Menschen zum Töten und Getötetwerden auf die Jagd schicken wird." [4]

      Doch trotz all dieser Erfahrungen und Warnungen blieb das zinstragende Kapital auch nach dem zweiten Weltkrieg weiterhin das `goldene Kalb`, um das sich alles Wirtschaften drehte, auch wenn man manche Rüstung durch andere letztlich fragwürdige Investitionen und Produktionen ersetzen konnte und manche kriegerischen Auseinandersetzungen alten Stils durch ein ständiges Wirtschaftswachstum, das in vielen Fällen zu einen Krieg gegen die Natur ausartete.
      Avatar
      schrieb am 16.03.03 23:52:17
      Beitrag Nr. 56 ()
      Gerhoch Reisegger

      Die wahren Ursachen des drohenden Irak-Krieges


      “Wenn eine Lüge nur groß genug ist und ständig wiederh…


      In den US-Medien wird der wahre Grund des geplanten Irak-Krieges gänzlich verschwiegen: es geht um die Währung im Öl-Geschäft. Die US-Regierung will um jeden Preis verhindern, daß andere OPEC-Länder dem Beispiel des Irak folgen und den Euro als Standard einführen. Dies würde das Ende der US-Vorherrschaft bedeuten. Da der Irak über die zweitgrößten Ölreserven verfügt, wollen die USA aus strategischen Gründen sich in den Besitz dieser Ölvorkommen setzen, damit das OPEC-Kartell durch eine sehr stark hochgefahrene Ölförderung im Irak gebrochen werden kann.

      Jede andere Lösung würde die US-Wirtschaft massiv gefährden, da sie allein auf der Vorherrschaft des Dollars als Reserve-Währung beruht, mit der die USA faktisch ihren ungeheuren Öl-Hunger gratis stillten: das Privileg der USA seit 1945 besteht ja darin, daß sie „Dollar produzieren“ – eben „fiat-money“* – und der Rest der Welt Güter, die gegen diese „Petro-Dollar“ getauscht werden.

      Inzwischen muß ja aufgefallen sein, daß es keine internationale Unterstützung für den Sturz Saddam Husseins gibt. Auch die ständigen Wiederholungen der USA werden nicht mehr ernst genommen, daß “Saddam die Welt täusche”, obwohl er bisher alle UN-Forderungen zu erfüllen bereit war, und die Tatsache, daß 300 Waffeninspektoren nichts fanden, was irgendwie mit den behaupteten „Massenvernichtungs-Waffen“ (MVW) zu tun hätte. Trotz aller Rhetorik konnte Bush bzw. seine CIA die Welt auch nicht überzeugen, daß Saddam Hussein und Al Qaeda etwas miteinander zu tun haben. – Warum wohl?

      Weil der einzige Grund Saddam zu stürzen seine Entscheidung vom November 2000 ist, statt Dollar in Zukunft Euro zu nehmen. Damit hatte er sein Schicksal besiegelt. Bush – als der Öl-Industrie verpflichtet – hat sozusagen deren geo-strategische Sicht[1] bezüglich des Öls, womit ein „fabrizierter“ zweiter Golfkrieg seither in der Luft liegt, darüber hinaus droht der ohnedies schwerstens angeschlagenen US-Wirtschaft der tödliche Stoß, wenn der Euro zur Öl-Währung avancieren sollte.

      Daß der Irak auch seine 10 Mrd.$ Reserven bei der UNO (vom Programm „Öl-für-Nahrung“;) in Euro umwandelte, war eine Draufgabe. In diesem Krieg geht es eben nicht um Saddam oder MVW, sondern auch darum, die OPEC einzuschüchtern (auch den anderen Regierungen könnte das Schicksal Saddams drohen) bzw. direkt zu hindern, dem Beispiel des Iraks zu folgen. Dieser hatte sich zum Euro entschlossen, als er bei 80 Cents lag, um wie viel eher liegt ein Umstieg nahe, nachdem der Dollar an die 20% seines Wertes gegenüber dem Euro seit Ende 2002 einbüßte?[2]

      Was wäre wenn … die OPEC plötzlich – statt geordnet (d.h. schrittweise) - auf Euro umstiege? – Nun, alle Öl-verbrauchenden Staaten und deren Zentralbanken müßten die „Währungs-Reserven“ von Dollar auf Euro umstellen. Der Dollar würde sofort bis zur Hälfte seines Wertes verlieren – mit den entsprechenden Folgen (u.a. ungeheurer Inflation) für die US-Wirtschaft, die ein derartiger Zusammenbruch der Währung nach sich zöge. Eine Flucht aller ausländischen Anlagen aus dem Dollar – den Aktien und Dollar-bezogenen Wertpapieren – würde einen Sturm auf die Banken wie in den 30-er Jahren auslösen, das Außenhandelsdefizit wäre nicht mehr aufrechtzuerhalten und der Staatshaushalt würde faktisch bankrott sein, usw. Die Krise Rußlands, Lateinamerikas, mit einem Wort der „Dritten Welt“, das Schicksal der Ersten[3].

      Vor dem Öl-Problem, das weit über den Irak hinausgeht – und Iran, Saudis, Venezuela inkludiert - und der Aufrechterhaltung des Reserve-Währungs-Status des Dollars ist wohl alles andere nebensächlich. Die Gefahr für den Dollar ist so groß, daß selbst kurzfristige Probleme für die US-Wirtschaft – ein Euphemismus angesichts der Lage - in Kauf genommen werden, um den drohenden Crash des Dollars abzuwenden, der mit einem Umstieg der OPEC auf Euros unvermeidlich wäre. Die Rolle Rußlands, Indiens, Chinas im „Großen Spiel“ scheint klar zu sein, wie ja mit dem Ausbau der „Landbrücken“ hinreichend gezeigt wurde.





      Bisher beherrschten die USA die anderen Länder durch ihre Währung, sie monopolisieren den Welthandel. Man kann darauf wetten, daß der „Militärisch-industrielle Komplex“ der USA die bisherigen Abweichungen vom „Pfad der Tugend“ wieder rückgängig machen wird / will: zurück zum Dollar. – Wenn ...

      Eine weitere in US-Medien nicht kolportierte Geschichte über die „Achse des Bösen“ ist der Umstand, daß auch der Iran daran denkt, Öl gegen Euros zu verkaufen[4]. Die Iranische Zentralbank ist dafür, überhaupt jetzt, wo der Euro stärker geworden ist. Im Jahr 2002 hat sie übrigens den Großteil ihrer Reserven in Euros umgetauscht[5]. Das ist ein starkes Indiz für den Wechsel zum Euro als Öl-Währung[6]. Wen wundert es also, daß der Iran das nächste Ziel in „Kriege gegen den Terror“ ist?

      Venezuela, viertgrößter Öl-Produzent und ebenfalls OPEC-Mitglied, könnte dem Beispiel Iraks folgen. Hugo Chavez hatte auch bereits begonnen, Bartergeschäfte mit den Nachländern zu schließen, Öl gegen dringend benötigte Güter, wobei der (dem Lande mangelnde) Dollar aus dem Transaktions-Zyklus effektiv ausgeschaltet wurde. Auch er braucht sich keine Sorgen machen, daß die US-Regierung weiter gegen ihn konspirieren wird. Wegen der laufenden Ereignisse hatte Bush ohnehin schon im April 2002 den gescheiterten Militär-Putsch gutgeheißen, bei dem gewiß die CIA aktiv als Drahtzieher beteiligt war.[7] Aber das könnte Venezuela schneller dazu bringen, auf Euro umzusteigen – und damit gerade das bewirken, was die USA am meisten zu verhindern trachteten.

      Alarmierend und in den US-Medien ebenfalls völlig totgeschwiegen sind die Umschichtungen – vom Dollar zum Euro - bei den Währungsreserven ausländischer Regierungen: China, Venezuela, wie erwähnt Iran und einige andere OPEC-Länder und kürzlich auch Rußland![8]

      Nord-Korea entschied sich ebenfalls am 7. Dezember 2002, offiziell anstelle des Dollars den Euro als Handelswährung einzuführen[9]. Neben gewiß politischen Ursachen dürfte dies auf das US-Öl-Embargo zurückzuführen sein, welches das Land hart getroffen hat. Man erhofft sich vielleicht einen „Handel“ mit den USA: wieder die benötigten Güter zu bekommen, wenn man die jüngsten Entscheide zurücknähme. (Was das Atomprogramm Nord-Koreas betrifft, erwies sich damit einmal mehr die amerikanische Verlogenheit in Bezug auf die MVW-Vorwürfe an den Irak.)

      Javad Yarjani, Chef des Öl-Markt-Analyse-Departments der OPEC, hielt im April 2002 in Spanien eine sehr beachtete Rede[10]. Sie setzte sich mit der Frage der Öl-Währung der OPEC in Bezug auf Dollar und Euro auseinander. (Auch diese Rede wurde in den US-Medien zensuriert.)

      Er erwähnt u.a.:

      „In den späten 90-ern gehen mehr als 4/5 der Währungstransaktionen und die Hälfte der Welt-Exporte auf Dollar-Rechung. Daneben stellt die US-Währung 2/3 der offiziellen Welt-Währungsreserven. Die Abhängigkeit der Welt vom US-Dollar für ihren Handel sah die Länder an Dollarreserven gefesselt, die völlig außerhalb jedes Verhältnisses zu Amerikas Anteil an der Weltproduktion stehen. Der Anteil des Dollars am Welthandel ist viel höher, als der Anteil des US-Welthandels. ... Die Euro-Zone hat einen größeren Anteil am Welthandel als die USA, und während die USA ein riesiges Außenhandelsdefizit haben, hat die Euro-Zone eine ausgeglichene Position. ... Im übrigen ist zu bemerken, daß die Euro-Zone auch ein viel größerer Öl- und Ölprodukte-Importeur als die USA ist.“ ... „Kurzfristig werden die Mitgliedsländer der OPEC weiterhin Dollarzahlungen akzeptieren. Die OPEC wird aber die Möglichkeit einer Fakturierung und Bezahlung in Euro in Zukunft nicht ausschließen. ... Sollte der Euro die Stärke des Dollars herausfordern, was im wesentlichen bedeutete, ihn als Zahlungsstandard für Öl-Rechungen mit einzubeziehen, dann könnte dies bedeuten, daß ein System entstünde, das langfristig vielen Ländern dient. Mit einer erweiterten europäischen Integration und einer starken europäischen Wirtschaft könnte dies vielleicht Realität werden.“ ...

      Diese grundlegende Rede und die kommende EU-Erweiterung im Jahr 2004 – 450 Millionen Menschen und ein BIP von ca. 9,5 Billionen – könnte ein Anstoß für die OPEC sein auf den Euro umzusteigen. Hier ist aber noch nicht einmal das Potential von England, Norwegen, Dänemark und Schweden als Mitglieder der Währungs-Union inkludiert, die sie ja derzeit noch nicht sind. Seit April – als diese Rede gehalten wurde – hat sich die Dollar-Euro Relation umgekehrt, und wie es aussieht, wird der Dollar weiter fallen.

      Sollte sich Norwegen entschließen, sein Brent-Öl in Euros zu fakturieren und England tatsächlich den Euro einführen, wären dies die Wendepunkte für die OPEC, ebenfalls zum Euro zu wechseln. Für Norwegen könnte das schwedische Votum einen Vorbildcharakter haben, dem sich Dänemark nicht entziehen würde. Der springende Punkt ist also – wieder einmal – England, ob der Euro international Reserve-Währung werden könnte. Nichtsdestoweniger ist einiges in Bewegung, was der Dominanz des Dollars entgegenwirkt. Bereits Mitte des Jahrzehnts könnte die OPEC so weit sein zu wechseln.

      Dies würde die US-Wirtschaft hart – um nicht zu sagen: tödlich - treffen, da sie auf´s Engste mit der Rolle des Dollars als Reserve-Währung verbunden ist. Insbesondere dann, wenn sie nicht endlich ihre strukturellen Anpassungen macht, wofür die Zeit und Umstände inzwischen eigentlich zu knapp bemessen erscheinen. Das Ergebnis eines Zusammenbruchs des Dollars würde schließlich bewirken, daß die USA und die EU die Rollen in der Welt-Wirtschaft tauschen, was wohl nicht im Sinne der USA ist. – So könnte die massive US-Drohung mit der militärischen Macht die Ereignisse in den OPEC-Staaten doch eher bestimmen.

      Es ist aber so, daß die egoistische US-Politik - "America first" -, die Mißachtung von Völkerrechts-Verträgen, der aggressive Militarismus, den Bogen überspannt haben. Die offene Kriegshetze von Bush hat die USA gezeigt, wie sie tatsächlich sind: Kriegstreiber seit eh und je, die sich nun erklärterweise auch nicht mehr um eine Zustimmung des UN-Sicherheitsrats kümmern und nach eigenem Gutdünken losschlagen.

      Das Ende der US-Vorherrschaft wird aber schließlich kommen. Mit dem Militär alleine ist sie nicht aufrechtzuerhalten. Im Gegenteil, dies ist das Zeichen der Schwäche und des Niederganges. Der französische Historiker Emmanuel Todd, der den Untergang des sowjetischen Imperiums 1976 voraussagte hat dies in ähnlicher Weise für das amerikanische getan. Hauptgründe werden also – aus oben Gesagtem – sein: ein zu hoher Ölpreis und eine starke Abwertung des Dollars.

      Außer den bereits erwähnten politischen Risiken, bedeutet insbesondere die angeschlagene Wirtschaft Japans eine große Gefahr. Japan könnte – wegen eines Krieges – einen über längere Zeit anhaltenden höheren Ölpreis (45$/barrel) nicht verkraften. Würden Banken krachen, und wegen ihrer außerordentlichen (100%-igen) Abhängigkeit vom Öl die Wirtschaft zusammenbrechen, hätte dies eine Kettenreaktion in Südostasien und in weiterer Folge in Europa und Rußland zur Folge. Und das würde die USA in derselben Weise treffen.

      Wie sind einige der Rahmenbedingungen?

      Der US-"war on terrorism" hat, soweit man sieht, bereits jetzt riesige Defizite zur Folge – und dazu ein historisch höchstes Handelsbilanz-Defizit.


      Viele Entwicklungsländer folgen dem Beispiel Venezuelas und Chinas (und anderer Länder), ihre Dollar-Währungsreserven gegen Euros (und Gold) zu tauschen.


      Die OPEC könnte auf Euro umsteigen – oder eine eigene Öl-gedeckte Währung schaffen. [Terra] Die anderen Aktivitäten in der islamischen Welt bezüglich eines Gold-Dinars – von Malaysias Premier Mahathir sehr gefördert - sind noch nicht einmal ausgelotet.


      Entwicklungsländer mit geringen Dollar-Reserven beginnen ihren Handel auf Barter-Geschäfte umzustellen, indem sie mit Computer-unterstützten Tauschgeschäften ihre unterbewerteten Grundstoffe handeln (Venezuelas Präsident Chavez hat dreizehn solcher Öl-Barter-Verträge geschlossen).


      Die USA könnten nicht länger ihr Handels-Defizit (5% vom BIP) finanzieren und auch den angeblichen, weltweiten Krieg ohne Ende „gegen den Terror“ nicht fortsetzen.

      Über die Probleme der US-Wirtschaft haben wir schon so viel gesagt, daß es hier nicht nötig ist darauf nochmals einzugehen.

      Was die (US-)Eliten ja verstehen, aber sonst nicht allgemein bekannt sein dürfte, ist der Umstand, daß die Stärke des Dollars per se nicht auf der Leistung der US-Volkswirtschaft beruht. In Wahrheit beruht sie seit 1945 auf dem Privileg, internationale Reserve-Währung zu sein - und als fiat-Währung für die weltweiten Öl-Transaktionen (Petro-Dollar) verwendet zu werden. Die USA drucken Hunderte Milliarden dieser fiat-Petro-Dollar, die dann von den Nationalstaaten zum Kauf von Öl/Energie bei den OPEC-Produzenten (mit Ausnahme des Irak und einiger noch zaghafter Versuche Venezuelas und demnächst wohl des Iran) verwendet werden.

      Diese Petro-Dollar werden dann von der OPEC zurück in die USA über Treasury-Bills oder andere Dollar-bezogene Werte wie US-Aktien, Immobilien, etc. rezykliert. Dieses Rezyklieren der Petro-Dollars ist der Preis, den die Ölproduzenten zu bezahlen und den sich die USA für ihre bisherige Duldung des OPEC-Kartells ausbedungen haben.

      Der Dollar war und ist das globale Instrument der USA schlechthin, und nur der USA[11], die per „fiat!“ produzieren konnten. Der Dollar, eine fiat-Währung, ist trotz des US-Handelsbilanz-Rekorddefizits und der gigantischen Schulden (die USA sind die am meisten verschuldete Nation) auf einem 16-jährigem Hoch. Der Welthandel ist also ein Spiel, bei dem die USA Dollars „produzieren" und der Rest der Welt erzeugt Güter, - die man mit dem Dollar kaufen kann!


      Dieser Absatz ist außerordentlich wichtig, nicht nur weil e…


      Dollar-Hegemonie

      Per definitionem müssen die Dollar-Reserven in US-Anlagen investiert werden, womit ein Überschuß im Kapital-Verkehr für die US-Wirtschaft entsteht. Sogar nach einem Jahr scharfer Korrekturen sind die US-Aktien immer noch auf einen 25-Jahres-Hoch, wobei sie mit einer Prämie von 56% im Vergleich zu aufstrebenden Märkten gehandelt werden. Der Überschuß der US-Kapital-Bilanz (von ausländischen Investitionen) finanziert damit das Defizit der Handelsseite. Darüber hinaus ist jeder in Dollar geführte Wert, unabhängig von seiner Lokation, effektiv ein US-Wert. Wenn Öl also aufgrund der staatlichen Aktionen in Dollar gehandelt wird, und der Dollar ein fiat-Geld ist, besitzen die USA effektiv die Welt-Ölvorräte zu ihrer freien Verfügung. Und je mehr die USA „greenbacks“ (Dollar) produzieren, umso höher steigt der Preis für US-Werte. Somit bedeutet eine Politik des starken Dollars in doppelter Weise für die USA einen Gewinn.

      Diese gegenwärtige ungerechte Situation mit der US-Wirtschaft ist aber nur so lange aufrechtzuerhalten, als:

      die Völker das nötige Öl und andere Lebensnotwendigkeiten weiter auf Dollarbasis nachfragen und bezahlen,


      die fiat-Reserve-Währung für weltweite Öl-Geschäfte der Dollar – und nur der Dollar - bleibt.

      Die Einführung des Euro ist aber ein neuer wesentlicher Faktor, und er erscheint als die hauptsächlichste Bedrohung der wirtschaftlichen US-Hegemonie.

      Angesichts dieser Lage wird Amerika den Irak-Krieg führen, Saddam stürzen und dann eine gigantische Ausweitung der irakischen Ölproduktion beginnen, um den Ölpreis nach unten zu drücken, womit man das OPEC-Kartell zu zerstören hofft - und damit die Möglichkeit das Ölgeschäft auf Euros umzustellen unterbindet. Darum geht es also beim „Kriege gegen den Terrorismus“. Wie das inszeniert wird ist auch klar: die USA sagten es ja bereits. Eine US-Militärregierung im eroberten Irak wird dies sicherstellen und als erstes den Irak wieder zum Dollar zurückführen. Dann kann eine Marionetten-Regierung wie in Afghanistan „regieren“. Selbstverständlich werden die Ölfelder vom Militär „geschützt“, damit die Bush-Junta die Förderung bis zur fünffachen der heutigen hochfahren kann, womit alle OPEC-Länderquoten (für den Irak insgesamt 2 Millionen Fässer pro Tag) gesprengt würden. (Wer würde – und könnte aus wirtschaftlichen Gründen - freiwillig seine Quote reduzieren?)

      Während des Programmes „Öl-für-Nahrungsmittel“ hat der Irak in 5 Jahren für 60 Mrd.$ Öl verkauft, das sind weniger als 1 Mio. Faß/Tag. Nach entsprechenden Investitionen in die Förderanlagen könnte das auf 7 Mio. pro Tag (2,5 Billionen barrel/Jahr) gesteigert werden. Bei einer Weltproduktion von 75 Millionen/Tag und OPEC 25 Mio./Tag ist klar, daß dies die OPEC vernichten, und weiters daß der Ölpreis auf vielleicht 10$/b. sinken würde, Damit sparten sich die Öl-importierenden Länder 375 Mrd.$ pro Jahr bei ihrer Ölrechnung.

      So heißt es auch: "The Iraq war is not a moneymaker. But it could be an OPEC breaker." (Der Irak-Krieg ist kein Geschäft, aber der Zerstörer der OPEC.)

      Diese Überlegungen werden natürlich auch von den Betroffenen angestellt. Was die USA betrifft, so wäre in diesem gefährlichen Spiel das die „beste Möglichkeit“, die dabei herauskommen könnte, wenn alles glatt liefe. Ob aber die OPEC tatenlos zusieht, wenn die USA das irakische Öl auf Teufel-komm-raus zu fördern planen, was ihrem Selbstmord gleichkäme, ist mehr als fraglich. Daß dies nicht der Fall sein dürfte, zeigen auch die weltweiten Widerstände gegen das US-Vorgehen (wobei den Menschen in den Massendemonstrationen diese Zusammenhänge kaum bewußt sind), die praktisch die politischen Initiativen bis hin zu den Erpressungsversuchen der USA de facto scheitern ließen.

      Die OPEC wird also aus Selbsterhaltungsgründen das Öl auf Euros umstellen. Diese Entscheidung wäre das Ende der US-Dollar-Hegemonie, - und das Ende des Supermacht-Status.

      Der Economist schrieb vor einem Jahr vom Paradox der amerikanischen Macht[12], die zwar auf lange Sicht nicht ernsthaft gefährdet werden könne, aber vor Herausforderungen stünde, die es geraten erscheinen ließen, „Koalitionen“ mit anderen Staaten einzugehen, um nicht mit bloßer Gewalt, sondern mit „soft power“ die Welt dazu zu bringen, das zu tun, was Amerikas Wille ist. Die Argumentation ist eine Mischung aus Wahrheit und Desinformation, Analyse und Drohung.

      Interessant ist aber die Betrachtung der „drei Arten der Macht“. Es sind dies:

      die militärische Ebene,


      die wirtschaftliche und


      die „transnationalen Beziehungen jenseits der Kontrolle der Regierungen[13]“

      Das ist gewiß richtig, aber doch kaum neu, denn Carl Clausewitz oder Sun-Tsu im frühen China, haben wohl ihre Beurteilung der Lage nicht bloß auf die zahlenmäßige Stärke der Streitkräfte ausgerichtet, und schon die Feststellung Clausewitz´, daß der Krieg die Fortsetzung der Politik unter Beimischung anderer – militärischer – Mittel sei, zeigt dies deutlich.

      Nye sieht die militärische Macht der USA als „unipolar“ an; sie allein sind in der Lage, atomare und konventionelle Streitkräfte weltweit zu „projizieren“, d.h. damit zu drohen – und Krieg zu führen. Das mag heute so erscheinen, aber noch funktioniert die „Rote Armee“ mit ihren Atomraketen, und China ist einfach zu groß, als daß es von der US-Militärmacht besiegt werden könnte. Die diesbezügliche Ungewißheit liegt wohl darin, daß sowohl Rußland als auch China, als Kulturvölker, es kaum auf eine Probe auf´s Exempel ankommen lassen; womit die amerikanische Drohung[14] – noch – wirkt.

      Bei der zweiten Dimension, der wirtschaftlichen – räumt Nye ein, daß sie multipolar sei: Europa, Japan und die USA stünden für 2/3 der Welt-BIP. – Dies ist aber bereits eine verzerrte Sicht mit monetaristischen Größen und einem fiat-Geldsystem. Amerika ist wie wir gezeigt haben – entgegen der Darstellung Nyes – in Wahrheit bankrott. Es lebt von den nicht bezahlten Importen vom Rest der Welt. Obwohl hier „Multi-Polarität“ eingeräumt wird, ist Amerika gerade hier am tödlichsten bedroht.

      Die dritte Dimension, die transnationalen Beziehungen, sind ebenfalls ein eigener Fall. Die Rolle der Banken wird geradezu bescheiden neben Hacker und Internet gestellt. Sie ist aber überwältigend und in Quasi-Friedenszeiten das bevorzugte US-Kriegsmittel zur Destabilisierung fremder Länder. Hier erzählt Nye von einer „weitgestreuten Macht, und es hat keinen Sinn, hier überhaupt von Unipolarität, Multipolarität oder Hegemonie zu sprechen“.

      Nun, dieses Herunterspielen einer anonymen Macht (des Dollars), die natürlich eine eindeutige Adresse hat, gehört zu den Arkana der US-Politik. Wo man nicht weiß, wo oder von wem man angegriffen wird, ist die Gegenwehr schwierig, wenn nicht unmöglich.


      Aber hier spielen die USA, oder sollte man präziser sagen: die „Ostküste“, eine dominante Rolle. Sehen wir z.B. die Lage in Japan an. Um seine Finanz- und Schuldenprobleme zu lösen, müßte Japan nur etwa eine Billion Dollar (1.000 Mrd. $) an amerikanischen Werten – die es besitzt! - auflösen. Dies würde die USA in den Abgrund stürzen, – und daher machte auch der (inzwischen zurückgetretene) US-Finanzminister O´Neill klar, daß den Japanern diese Option nicht offensteht!

      Aber gerade diese Ebene funktioniert nur so lange als Machtfaktor, als der Rest der Welt sich die US-Regeln aufoktroyieren läßt: d.h. den Dollar als Reservewährung akzeptierte. Auch dann noch, als 1971 Nixon die Golddeckung des Dollars widerrief, und der Dollar seither nur noch Papiergeld der Art ist, wie es John Law auch zur Zeit der Französischen Revolution „erfand“, also legales Falschgeld ohne jegliche Deckung.

      Nyes spricht also sehr genau die Schlüsselbereiche an, vernebelt sie aber auch mit Desinformation. Er sagt uns, „daß die internationale finanzielle Stabilität von vitaler Bedeutung für das Wohlergehen der Amerikaner sei, aber die Vereinigten Staaten hier die Kooperation anderer benötige, um dies sicherzustellen.“ – Nur das ist nun zu Ende. Daher stürzt das Gebäude ein, dem eine seiner tragenden Säulen weggebrochen ist.

      Eines der kleinen schmutzigen Geheimnisse der „Weltordnung“ ist also, daß der „Rest der Welt“ die USA vom Thron stürzen könnte, wann immer man sich zum Sturz des Dollar-Standards entschlösse. Diesem Dilemma kommt Amerika in nächster Zukunft nicht mehr aus. Daß dies noch nicht in Gang gesetzt wurde, hängt mit den damit verbundenen tiefgreifenden Erschütterungen aller „westlichen“ Nationen zusammen, die sie fürchten. Das könnte sich aber ändern, je mehr sich die USA selbst als „super-rogue“ (größter Schurke) vor der ganzen Welt gebärden. Es könnte also gerade dazu kommen, was die USA mit ihrer Politik verhindern wollen.

      Japans Wirtschaft könnte bei einem Krieg – und zeitweilig hohen Ölpreisen – kippen, Iran, Venezuela und all die erwähnten anderen Länder könnten sich zum Euro als Handelswährung wenden, womit die OPEC-Entscheidung für den Euro als fiat-Währung (die auch der Euro ist!) nur beschleunigt würde. Darüber hinaus ist die US-Regierung in der konkreten Politik bei ihren Untugenden geblieben:

      massive Ausweitung des Defizits,


      Mangel an einer durchgreifenden Durchsetzung wirksamer Börsenaufsicht (SEC),


      gescheiterte Wirtschafts- und Steuerpolitik.

      Die Amerikaner haben davon kaum eine Ahnung, da dies aus den US-Massenmedien ausgeblendet wird. Sie werden – wie auch Europa – mit Konsum und Unterhaltung (panem et circenses) abgefüttert. Nur im Internet und „Samisdat“-Veröffentlichungen stehen noch „echte Informationen“.

      Résumé

      Es ist wahrscheinlich, daß jeder Versuch von OPEC-Staaten, zum Euro überzugehen – im Mittleren Osten oder Lateinamerika – von den USA mit offener militärischer Intervention oder verdeckter Geheimdienst-Operation bekämpft wird. Unter dem Vorwand des andauernden „Krieges gegen den Terror“ manipuliert die US-Regierung die Amerikaner – und über die US-beherrschten Medien – die ganze Welt, und täuscht sie über die wirtschaftlichen Gründe des drohenden Irak-Krieges. Dieser hat nichts mit irgend welchen Bedrohungen durch Saddam Husseins MVW-Programm zu tun. Es ist ausschließlich ein Krieg um die weitere Vorherrschaft des Dollars als Öl-Währung. Diese Situation ist nicht erst eine, die sich in den letzten Monaten entwickelt hätte, sondern stand schon vor dem Regierungsantritt Bushs – als Lobbyist der Öl-Konzerne – fest, wie auch die bankrotte Lage der USA schon lange so ist wie sie ist. Der 11. September war daher – wie viele dies klar erkannten – das „zweite Pearl Harbour“, mit dem die Kriegspropaganda angeworfen wurde.

      Die Auseinandersetzung des Dollars mit dem – von den USA eigentlich miterfundenen - Euro wird unvermeidlich sein. Damit wird zu den „Religions-“ und „ideologischen“ eine neue Kategorie von Kriegen kommen: Währungs-Kriege. Die hatte man ja noch nicht 1945 abgeschafft.


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      * Auf die Hervorbringung von Geld bezogene Anspielung aus dem Schöpfungsbericht des Alten Testaments: "Fiat lux!" (lat.) - "Es werde Licht!"

      [1]Man erinnere sich des IHT-Artikels von William Pfaff über den „gekauften Präsidenten“. International Herald Tribune vom 24. 1. 2002, „The American Problem is Domination of Politics by Money”.

      [2] Diese Informationen sind in den US-Medien völlig totgeschwiegen; nur ein Radio Free Europe-Artikel vom 6. Nov. 2000 besprach dieses Quasi-Staatsgeheimnis, von dem auch der Spiegel hier berichtete. Recknagel, Charles, Iraq: Baghdad Moves to Euro, http://www.rferl.org/nca/features/2000/11/01112000160846.asp

      [3] Auch hier der Hinweis auf Ch. Goodhart, der bezogen auf die Euro-Einführung auch hier die Möglichkeit des Staatsbankrotts sah.

      [4] Gutman, Roy & Barry, John, Beyond Baghdad: Expanding Target List (Über Bagdad hinaus: Erweiterung der Liste: Washington denkt über eine Reorganisation der arabischen und islamischen Welt nach), 11. August 2002

      http://www.unansweredquestions.net/timeline/2002/newsweek081…

      [5] „Mehr als die Hälfte der Devisenreserven des Landes wurden in Euro getauscht“, erklärte Mohammad Abasspour von der Entwicklungskommission des Parlaments. `Forex Fund Shifting to Euro`, Iran Financial News, 25. August 2002. http://www.payvand.com/news/02/aug/1080.html .

      [6] `Economics Drive Iran Euro Oil Plan, Politics Also Key` (Die Wirtschaft ist für den Euro-Öl-Plan ausschlaggebend, aber auch die Politik spielt eine Schlüsselrolle), August 2002

      http://www.iranexpert.com/2002/economicsdriveiraneurooil23au…

      [7] Birms, Larry & Volberding, Alex, `U.S. is the Primary Loser in Failed Venezuelan Coup`, (Die USA sind die Hauptverlierer des gescheiterten Putsches in Venezuela), Newsday, 21. April 2002

      http://www.coha.org/COHA%20_in%20_the_news/Articles%202002/n… .

      [8] `Euro continues to extend its global influence` (Der Euro dehnt seinen globalen Einfluß weiter aus), 7. Januar 2002

      http://www.europartnership.com/news/02jan07.htm

      [9] Gluck, Caroline, `North Korea embraces the Euro` (Nord-Korea schließt sich dem Euro an), 1. Dezember 2002

      http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/asia-pacific/2531833.htm .

      [10] `The Choice of Currency for the Denomination of the Oil Bill,` (Wahl des Währungs-Standards für Öl), Rede von Javad Yarjani, OPEC Marketing Analysis Department, April 2002

      http://www.opec.org/NewsInfo/Speeches/sp2002/spAraqueSpainAp… .

      [11] Um genau zu sein, sind es nicht die Vereinigten Staaten, sondern es ist eine private Bank in jüdischem Besitz! Das Federal Reserve System ist keine staatliche Behörde wie z.B. die Deutsche Bundesbank oder das US-State Department, sondern ein privates Bankenkonsortium, das aus folgenden Geldhäusern besteht:

      - Rothschild Bank of London

      - Rothschild Bank of Berlin

      - Lazard Brothers of Paris

      - Israel Moses Seif Banks of Italy

      - Warburg Bank of Hamburg

      - Warburg Bank of Amsterdam

      - Lehman Brothers New York

      - Chase Manhattan Bank of New York

      - Kuhn-Loeb Bank of New York

      Goldman Sachs Bank of New York

      [12] The Economist vom 23. März 2002 „The new Rome meets the new barbarians“ (Rom trifft auf die neuen Barbaren) von Joseph Nye, Dekan von Harvards Kennedy School of Government und früherer „Assistent Secretary of Defense“ (1994-95), steht gemeinsam mit Samuel Huntington als Herausgeber von „Global Dilemmas“ im Zentrum der Ideologie-Schmiede, die die heutige US-Politik de facto bestimmt.

      [13] Beispielsweise die elektronischen Transfers gigantischer Summen durch das Bankensystem, die (unvermeidlichen) terroristischen Netzwerke, die weltweit Waffen und Drogen verschieben, das Internet(!), oder Computer-Hacker(!).

      [14] Madeleine Albright: „... we have the means and the will to use it!“ (… wir haben die Mittel, und den Willen sie einzusetzen!)




      http://www.staatsbriefe.de/1994/2003/kriegsgruende1.htm#_ftn…
      Avatar
      schrieb am 17.03.03 08:46:50
      Beitrag Nr. 57 ()
      ...sbi, wenn Du willst, dass der Thread gelesen wird, dann solltest Du den Leuten auch Gelegenheit geben, mal Pause zu machen, ohne dass sie danach ein "Dickes Buch" lesen müssen.

      Soll das eine Diskussion oder ein Vortrag werden?



      Ansonsten: danke für die Antworten. Fangen wir also mal ganz vorne an. Der Mensch ist also nicht nur gut, sondern hat auch schlechte Seiten. Wie sieht deshalb ein "gutes System" aus?

      Sicher nicht so, dass es völlig die schlechten Eigenschaften des Menschen ignoriert. So ein System ist vor kurzem noch in Deutschland Ost gnadenlos gescheitert. Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, dass die Menschen dort "noch nicht reif" für diese Form der Gerechtigkeit waren. Dass die "gute Idee" zu früh gestorben ist. Ich vermute aber, dass dies auf absehbare Zeit nicht anders werden wird.
      Denn der Sozialismus scheiterte ja nicht nur daran, dass die "Subalternen" zu faul oder zu bequem gewesen wären. Nein, gerade auch diejenigen, die an der Spitze waren, die also quasi der Prototyp des "neuen besseren Menschen" gewesen sein müßten, mit jedem Blutstropfen für den Sozialismus, die waren ja auch nicht besser.
      Die wollten auch nicht im Plattenbau leben wie ihre "gleichen Brüder und Schwestern". 15 Jahre auf den Trabbi warten. Mussten sie auch nicht.



      Folge: ein gutes System macht sich nicht nur die Stärken des Menschen zu nutze, sondern auch seine Schwächen. Seine Gier, seine Faulheit usw...
      Das heißt: es muss Leistunganreize schaffen. Es muss dafür sorgen, dass es sich lohnt, mehr zu tun, schlauer zu sein, stärker zu sein. Damit die Fleißigen, Starken, Klugen ihre Kraft auch einsetzen.
      Und zwar einsetzen für sich selbst. Und dann profitieren auch diejenigen, die weniger stark oder schlau sind. Oder gar schwach. Weil die Starken das System vorantreiben und damit mehr Wohlstand für die anderen erreicht wird. Zudem zahlen die Starken Steuern und Abgaben.

      Es gibt auch Starke, die zum Beispiel sozial inkompetent sind oder deren Stärke sonst nur ein einem Bereich liegt, während sie in anderen schwach sind. Deshalb muss ein gutes System auch "arbeitsteilig" sein. Damit die Leute ihre Stärke da einsetzen, wo sie liegt.

      Wir kommen dann noch mal auf die DDR und vergleichbare Staaten: ein gutes System überfordert seine Bürger auch nicht. Es lässt ihnen Freiräume. Es gibt ihnen nicht in jeder Kleinigkeit Vorgaben, was richtig und was falsch ist. Es setzt auf ihre eigene Vernunft und ihren Ideenreichtum. Weil meistens viele verschieden Leute bessere Ideen haben als ein paar Führungskräfte. Besseren Einblick in die eigenen Bedürfnisse, in das, was zu verbessern wäre, was man ggf. tun kann, es zu verbessern. Ein gutes System macht sich das nunutze und lässt den Leuten diese Freiheit. Statt ihnen zu sagen, dass ihre eigenen Ideen wertlos sind, vielmehr wisse die Führungsebene besser, was am besten für sie sei.

      Schließlich muss ein gutes System auch im Interesse der Starken "sozial" sein. Es darf also nicht die Schwachen ausgrenzen, beleidigen, verachten. Das ist im Interesse aller, weil sonst die Verachteten zu Mitteln greifen, ihre Verachtung auszuleben. Kriminalität ist eines davon.
      Es ist also sinnvoll, dass geteilt wird. Aber eben geteilt, nicht mit dem Rasenmäher oben abgeschnitten und dann unten gleichmäßig verstreut. So dass alles gleich ist. Unterschiede zu nivellieren, das ist nicht sozial, sondern dumm.


      Wieder die Frage: ist das korrekt? Kann man dies als Ausgangspunkt nehmen?
      Ein gutes System bietet Leistungsanreize, ist arbeitsteilig, ist liberal (lässt den Menschen Freiheit, gängelt sie nicht) und sozial? Oder gibt es Einwände?



      Denn man kann eine Diskussion über Einzelprobleme nur führen, wenn die gemeinsame Basis klar ist.
      Avatar
      schrieb am 17.03.03 09:03:47
      Beitrag Nr. 58 ()
      xylo, sehr gut, so sehe ich das auch.

      Alle Werte kann ich unterschreiben,
      und das mit der DDR beispielsweise sehe ich tatsächlich genauso!

      Und, wie ich schon versucht habe zu zeigen, haben wir selbst auch kein gerechtes System, weil ein Zinssystem selbst schon ungerecht ist...

      Und daraus resultieren alle Probleme, nicht anders!

      Ich möchte schon diskutieren, bin manchmal ein wenig zu schnell. Und meine Position wird gerne zerredet!
      Avatar
      schrieb am 17.03.03 10:09:28
      Beitrag Nr. 59 ()
      @Sittin zur "Mißachtung des Lebens"..sie liegt meines Erachtens in der INFLATIONÄREN ENTWICKLUNG DER MENSCHLICHEN POPULATION. Was im Überfluß vorhanden ist, wird grundsätzlich verachtet. Hier lugt der "Darwinismus" hervor.
      Avatar
      schrieb am 17.03.03 11:08:14
      Beitrag Nr. 60 ()
      @SBI: also mir sind deine Texte zu lang, um sie am Bildschirm zu lesen.:( Wie wärs mal mit verlinkungen und/oder das Beschränken auf wesentliche Passagen:confused: die Kunst der "Inhaltsangabe" beherrscht du sicher auch ;):p

      Das würde mehr zu einer echten diskussion (auch mit spontanen elementen), als zu langen Vorträgen führen;)

      So, hab den Schräd jetzt mal ausgedruckt und werde mir die Sache in Ruhe auf Papier durchlesen.
      Avatar
      schrieb am 17.03.03 11:32:38
      Beitrag Nr. 61 ()
      Punk, mir ehrlich gesagt auch, ist aber eine gute Idee mit dem ausdrucken.

      Übrigens habe ich es schon mal mit Verlinkungen in Metathread probiert- war aber ebenso kein Renner-


      weils niemand interessiert? :confused:


      Ein wenig lesen muß man schon, ich kann schlecht alle Grundlagen selbst schreiben! ;)


      Wenn wir hier 4-5 Leute sind, ist es doch schon OK.

      Ich mache mich dran, hinterher unsere Ergebnisse zusammenzufassen und verständlich aufzubereiten, versprochen!
      Avatar
      schrieb am 17.03.03 11:47:20
      Beitrag Nr. 62 ()
      @sbi

      ist halt für die elite. :laugh:

      scnr,
      Cole_T
      Avatar
      schrieb am 17.03.03 12:06:58
      Beitrag Nr. 63 ()
      @Sittin Deine Texte sind wirklich zu lange. Ehe man sch versieht, liest man ein BUCH!!! Trotzdem sehr informativ nur leider muß ich nebenbei auch noch arbeiten.:D
      Avatar
      schrieb am 17.03.03 12:22:07
      Beitrag Nr. 64 ()
      @ Schinderluder, Cole-T

      ;)


      Nun, was sagt hier nun konkret zu der hier dargestellten Vermutung, dass unsere Währungssysteme Schuld sind an der ganzen Malaise, die wir beobachten können?
      Angefangen von der systemimmanenten Umverteilung,
      über die Konzentration von Macht,
      den Auswirkungen auf den Großteil der Weltbevölkerung als Verlierer des Geldsystemes, nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch sozialer Natur,

      All das mit der logischen Folge von Kriegen, wenn bestimmte Fehlentwicklungen verstärkt auftreten?

      Hauptsächlich dabei die Überbevölkerung,
      aber auch die grundsätzliche Richtung das menschliche Arbeit tendenziell unnötiger wird?
      Avatar
      schrieb am 17.03.03 12:46:42
      Beitrag Nr. 65 ()
      Dieser Beitrag wurde schon am 10.10.01 hier gepostet, igor1 sei dank!





      Die geheime Geschichte der amerikanischen Kriege


      Verschwörung und Krieg in der US-Außenpolitik





      “Seit es die USA gibt, ging es darum,
      andere Staaten zu dominieren. Wir habe
      sie wirtschaftlich abhängig gemacht. Wir geben militärisch den Ton an. Und wir setzen dank CIA und FBI auf ihrem Gebiet unsere Politik durch”

      Gore Vidale,
      US-Schriftsteller



      Mansur Khan
      Die geheime Geschichte der amerikanischen Kriege

      Seit dem Zusammenbruch des Sowietimperiums sind die Vereinigten Staaten von Amerika unbestritten die Weltmacht Nummer eins, und sie sind in der Lage, überall auf der Erde ihre Interessen durchzusetzen. Daß sie dazu auch gewillt sind, haben sie im letzten Jahrzehnt durch mehrmaliges militärisches Eingreifen auf den verschiedenen Kontinenten bewiesen. Dabei haben sie stets vorgegeben, für die Stärkung der Demokratie und die Sicherung der Freiheit eingetreten zu sein, obwohl es in Wahrheit eher um harte wirtschaftliche und materielle Vorteile ging.

      Wie ein roter Faden zieht sich durch die Geschichte der USA die rücksichtslose Durchsetzung eigener Macht. Aus einer Kolonie wurde in rund zweihundert Jahren durch fast pausenlose Kriege und weiträumige Eroberungen eine
      imperiale Macht, die heute die ganze Erde kontrolliert und andere Völker wirtschaftlich ausbeutet, die mit dem von ihr geschaffenen Instrument der Vereinten Nationen (UNO) Strafexpeditionen in den verschiedenen Teilen der Welt unternimmt und mit der NATO auch in Europa entscheidenden Einfluß ausüben kann.

      Dieses Buch gibt einen Überblick über die Kriegsgeschichte der USA von den Anfängen bis zur Gegenwart und hellt die Hintergründe dieser Entwicklung auf. Es beschreibt die Landnahme, die mit dem Völkermord an den Indianern und der Ausbeutung von Millionen schwarzer Sklaven verbunden war, die Eroberung des riesigen Landes bis zum Pazifik, den amerikanischen Bürgerkrieg und die Auseinandersetzungen mit Mexiko um die großen Territorien im Südwesten. Ausführlich wird das imperiale Ausgreifen seit Ende des vorigen Jahrhunderts behandelt, werden die Kriege um Kuba und die Philippinen, das Eingreifen in Mittelamerika wie in Europa im Ersten und Zweiten Weltkrieg geschildert. Die dann folgenden Kriege in Korea, Vietnam, am Persischen Golf, in Afghanistan oder Somalia setzen diese militärische Linie über kleinere Einsätze in Haiti, Grenada oder Nicaragua bis zur Gegenwart fort.

      ”Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit”
      Senator Hiram Johnson, 1917

      Dabei stehen vor allem die Motive und Hintergründe der US-Politik im Vordergrund. Ist es Zufall, daß fast jeder größere Krieg der letzten hundert Jahre gerade dann in Washington vom Zaun gebrochen wurde, wenn eine wirtschaftliche Rezession die Vereinigten Staaten heimsuchte, die dann erfolgreich durch die neuen Aufträge für die Rüstungsindustrie behoben werden konnte? Hat die US-Regierung nicht stets den kommenden Gegner über längere Zeit zu beabsichtigten Reaktionen provoziert, wofür die >Lusitania<, Pearl Harbor oder der Tonkin-Zwischenfall beispielhaft stehen, um selbst als der Angegriffene zu erscheinen und die kriegsunwillige eigene Bevölkerung zur Befürwortung eines Kriegs zu treiben?

      Wie kam es, daß die USA im Ersten Weltkrieg von einer tief verschuldeten Nation zum Gläubigerstaat wurden und im Zweiten Weltkrieg das britische Empire beerbten, indem sie beide Male einen möglichen früheren Verständigungsfrieden in Europa durch ihr Eingreifen verhinderten?

      Die These des Buches ist, daß eine >Machtelite< in den USA das Sagen hat und die jeweiligen Präsidenten als Ausführungsgehilfen benutzt. Wenn diese das Gewünschte nicht ausfahren wollen, wie Lincoln oder Kennedy, schreckt man auch nicht vor Mord zurück, um sie zu beseitigen. Kriege dienen dem Profit dieser Machtelite, werden teilweise künstlich verlängert, um zum einen viel Kriegsmaterial zu verbrauchen und zum anderen große Zerstörungen zu verursachen, an deren Beseitigung anschließend noch einmal verdient werden kann.

      Nachbarn wie Nordund Südkorea, Irak und Iran oder Irak und Kuwait werden vorher beide aufgerüstet und dann gegeneinander gehetzt, so daß US-Truppen eingreifen können. Die von Präsident Theodore Roosevelt kultivierte >Politik des großen Knüppels< ist durch Männer wie Kissinger und Reagan nun auf die ganze Welt erweitert worden, und Washington sieht seine unmittelbaren Interessen heute in fast allen Ländern der Erde berührt.

      “Wir müssen unseren moralischen Verpflichtungen nachkommen, die, sind sie einmal erfüllt, sich anscheinend immer mit unseren Interessen decken.”
      US-Präsident Jimmy Carter

      Wer die Politik unseres Jahrhunderts verstehen will, muß diese Zusammenhänge kennen, muß wissen, wo die Drahtzieher des wirklichen Geschehens sitzen, und sich nicht mit der üblichen oberflächlichen Darstellung nach dem Geschichtsbild der Sieger und das ist eben die US-Machtelite - zufriedengeben. In diesem Sinne ist dieses Werk ein Aufklärungsbuch und dient dem historischen Revisionismus.




      :eek:


      Nie war es so klar zu erkennen wie heute!
      Avatar
      schrieb am 17.03.03 12:49:41
      Beitrag Nr. 66 ()
      @SittinBull es wäre wohl besser, "im speziellen" zu grapschen. Meiner Meinung nach zu komplex, wenngleich Du versuchst, Verbindungen herzustellen. Man muß hier von Anfang an mitlesen. Trotzdem bemerkenswert es wäre mir jedoch lieber gewesen, wenn Du das Thema INVESTMENTBANKEN mal näher beleuchten würdest.
      Die großen Hedge-Fonds, welche Investment-Banken dahinterstecken, welche im Verborgenen unter dem Ausschluß der Öffentlichkeit agieren. Hinter dem "Quantum-Fonds" steckt ja schießlich nicht SOROS alleine!

      So gibt es mehrere solcher Fonds, deren kritische Größe auch mal von allerhöchstem Interesse wären.
      Avatar
      schrieb am 17.03.03 14:38:26
      Beitrag Nr. 67 ()
      Schinderluder: Search for it!


      Auch wenn es eine linke Quelle ist, wird sie wohl ziemlich richtig liegen!


      http://www.wem-gehoert-die-welt.de/
      Avatar
      schrieb am 17.03.03 14:50:20
      Beitrag Nr. 68 ()
      um mal ein paar spontane elemente einzubringen ;)

      Wie könnte ein neues Wirtschaftssystem aussehen? Nun erst wird einmal das Alte zusammen brechen. Wir können dies nicht mehr verhindern ....leider. Aber wir können uns an dieser Stelle Gedanken über ein nachhaltigeres System der Zukunft machen.

      Beim Zins könnte dies vielleicht so aussehen:

      Ein degressiver Zins von +5 bis –5% würde ein exponentielles Wachstum verhindern.

      Kleine Guthaben, die zur individuellen Vorsorge dienen werden höher verzinst, als große Guthaben, die der Wirtschaft Geldmittel entziehen. Das Horten exzessiv hoher Geldmengen wird mit negativen Zinsen bestraft.

      z.B. : 0-2500 EUR = 5%
      2501-5000EUR= 4%
      5001-10000EUR= 3%
      10001-50000EUR = 2%
      50001-100000EUR= 1%
      100001-250000EUR= 0%
      ab 250001 neg. Zinsen in ähnlicher Abstufung

      Sollzinsen werden abgeschafft. Statt dessen wird eine Kreditausfallversicherung bei jedem Kredit abgeschlossen. Die Höhe der Prämie richtet sich nach Kredithöhe und Bonität des Schuldners. Dazu können die Banken noch eine Abwicklungsgebühr erheben, die ihren Arbeitsaufwand abdeckt und eine angemessene Gewinnmarge sichert.

      In einem solchen System gibt es kein exponentielles Wachstum, weder auf der Haben-, noch auf der Sollseite.

      Quelle: Punk’s Bauch :D
      Avatar
      schrieb am 17.03.03 15:48:23
      Beitrag Nr. 69 ()
      Gut deine Gedanken, noch sind sie zum Glück frei!

      Du hast natürlich jetzt schon ein paar Schritte übersprungen, die normale User hier nicht so einfach nachvollziehen können. ;)


      Die Erkenntnis, warum unsere Systeme immer wieder kollabieren muß sich erstmal etablieren, die Ursachen als Ursachen wahrgenommen werden. . .



      Noch sind die meisten nicht so weit-

      Geld und Zinsen wie wir sie kennen, wird als Nonplusultra empfunden, weil wir es nicht anders kennen...

      Und weil uns das jeden Tag vorgebetet wird...

      Mittlerweile sind die Probleme so evident und die Krise in jedem Haus spürbar, die Auswirkungen unübersichtlich, die Weltmacht USA hat Erklärungsnotstand...


      All das bemerkt man natürlich- nur weiß man normalerweise nicht wieso-


      hier suchen wir die Antworten!
      Avatar
      schrieb am 17.03.03 16:00:14
      Beitrag Nr. 70 ()
      @sbi

      die zinsbetrachtung finde ich zu statisch.
      einerseits kann durch zinserträge durchaus etwas
      substanzielles gechaffen und wieder in den
      wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden. solche erträge
      aber wieder in etwas nichtsubstanzielles (geld ist eine
      vereinbarung und hat keine substanz) zu investieren und in
      dieser art zinseszinseszinses....zinserträge zu
      erwirtschaften (quasi ein perpetuum mobile) führt zu einer
      substanzarm aufgepumpten blase, die irgendwann platzt, so
      wie es an den börsen von zeit zu zeit geschieht. das ist
      ein periodischer prozess, der der gesundung des systems
      dient, also durchaus seinen sinn hat.

      den derzeitigen konflikt zwischen den usa und old europe
      kann man vielleicht sogar aus dieser perspektive sehen;
      die usa auf der einen seite, die meinen man müsste jetzt
      wieder massiv pumpen und old europe auf der anderen, die
      der ansicht sind, das system müsse weiter gesunden, also
      konsolidieren, bevor es weitergeht.

      welche auswirkungen das auf die welt hat, no idea, da hast
      du ja schon gute texte abgeliefert.

      was die überbevölkerung betrifft: kann es überhaupt noch
      passieren, dass ein volk aufgrund lebensraumerweiterung
      einen krieg anzettelt?

      mfg,
      Cole_T
      Avatar
      schrieb am 17.03.03 16:19:58
      Beitrag Nr. 71 ()
      Cole_t


      nicht nur Lebensraum ist eine Ressource, genauso wichtig in der Betrachtung sind Rohstoffe.

      Vor allem energietragende Rohstoffe.



      das ist
      ein periodischer prozess, der der gesundung des systems
      dient, also durchaus seinen sinn hat.



      Diesen Sinn mußt du mal näher beleuchten. Zerstörung und Krieg als logische Folge dieses Sinnes?


      Unbestritten auch von mir der positive Effekt des Zinses als höchstmöglicher Zwang zur Kapitalallokation.


      Nur sind die negativen Begleitumstände einfach zu gravierend, wie hier schon geschildert.
      Avatar
      schrieb am 17.03.03 17:56:49
      Beitrag Nr. 72 ()
      als `abart` des systems:

      das aufgeblähte system kann natürlich auch im
      nachhinein künstlich mit `substanz` gefüllt werden.
      bspw. im fall des irak als sicherung des zugangs zu und
      die ausschöpfung von rohstoffen, wenn man so will (öl$).
      das dann auch mit kriegerischen mitteln, wenn nötig.
      nur wird es selbstverständlich immer schwieriger, das
      system nachzufüllen, da die ressourcen nicht wie die
      zinsen nachwachsen können.

      kaufen, wenn die kanonen donnern.:confused:

      mfg,
      Cole_T
      Avatar
      schrieb am 17.03.03 18:03:02
      Beitrag Nr. 73 ()
      @ sittin,

      puh, bin durch jetzt.
      Danke der Darstellung.

      Wuerde die Mehrzahl der Deutschen den Thread durchgelesen
      haben, wuerden die kommenden Einschnitte/Reformen unseres
      Staeatchens` vielleicht nicht kampflos hingenommen werden....

      Bis spaeter mal, muss jetzt mal arbeiten.
      Avatar
      schrieb am 17.03.03 19:39:47
      Beitrag Nr. 74 ()
      M.Haze:

      Richtig, weil wir nicht die eigentlichen Ursachen der Fehlentwicklung bekämpfen, sondern nur offensichtliche Folgen dieses Fehlers: Arbeiten lohnt immer weniger, weil sämtliche "Lasten" dem immer kleiner werdenen Kreis der "tatsächlichen" Arbeitenden aufgebürdet wird.

      Eine höchst undemokratische unsoziale unmarktwirtschaftliche Wirkung.


      Unser Sozialsystem der Absicherung läßt uns das nur eher spüren, weil es uns mehr und mehr belastet-
      grundsätzlich sind die Probleme in den USA und überall anders genauso vorhanden, trotz minimaler Sozialkosten entsteht eine Schicht die wir "Working Poor" nennen, "Arbeitende Armut", während die Superreichen immer reicher werden.
      Avatar
      schrieb am 17.03.03 23:43:58
      Beitrag Nr. 75 ()
      Hier kommt die Geisteshaltung perfekt zum Ausdruck:


      "Es ist den Preis wert"
      Artikel von Edward S. Herman, übersetzt von Markus Reichert, in `junge Welt` vom 29.9.2001

      In der Fernsehshow `60 Minuten` am 12. Mai 1996 fragte Lesley Stahl die US-Außenministerin Madeleine Albright: "Wir haben gehört, daß eine halbe Million Kinder gestorben sind (wegen der Sanktionen gegen den Irak). "Ich meine, das sind mehr Kinder, als in Hiroshima umkamen. Und - sagen Sie, ist es den Preis wert?" Albright: "Ich glaube, das ist eine sehr schwere Entscheidung, aber der Preis - wir glauben, es ist den Preis wert."

      Versuchen Sie, sich einmal vorzustellen, wie die Mainstream-Medien der USA und Intellektuelle darauf reagieren würden, wenn sich herausstellen würde, daß bei einem frühen Planungstreffen der Terroristen, die für die Anschläge auf das Welthandelszentrum und das Pentagon verantwortlich sind, sich die Frage gestellt hätte, ob der "Kollateralschaden" von möglicherweise Tausenden toten Zivilisten nicht ziemlich übertrieben wäre, aber daß die Angelegenheit erledigt gewesen sei, als ihr Anführer antwortete: "Wir glauben, es ist den Preis wert"?...

      Wären die Mainstream-Medien und Intellektuellen nicht voll wilder Entrüstung über das inhumane Denken des "kaltblütigen Kalküls" der Terroristen? Würden sie nicht wie aus einem Munde antworten, daß es absolut unmoralisch, böse, und per se nicht zu verteidigen sei, für eine politische Aussage eine riesige Zahl von Zivilisten zu töten. Und würde nicht auch darauf gepocht werden, daß es unmoralisch und unerhört sei, überhaupt von einem "gerechten Antrieb" zu sprechen oder die Terrorattacken so wie sie in New York und Washington geschehen sind, in irgendeiner anderen Form zu legitimieren? Daß die einzige Frage in so einem Fall von Gewalt "Wer", und nicht "Warum" ist? (Diese letzten zwei Sätze sind Formulierungen aus der erregten Argumentation eines amerikanischen liberalen Historikers.) Und tatsächlich, die US-Meinungsführer haben es durch die Bank abgelehnt, über das "Warum" zu reden, abgesehen von oberflächlichen Behauptungen, der Feind sei irrational, hasse Demokratie, usw.

      Wenn wir uns jetzt der tatsächlichen Verwendung von "Es ist den Preis wert" zuwenden, kommen wir zu der Antwort, die US-Außenministerin Madeleine Albright in der Fernsehshow "60 Minuten" am 12. Mai 1996 Lesley Stahl gegeben hat: Stahl: "Wir haben gehört, daß eine halbe Million Kinder gestorben sind (wegen der Sanktionen gegen den Irak). Ich meine, das sind mehr Kinder, als in Hiroshima umkamen. Und - sagen Sie, ist es den Preis wert?" Albright: "Ich glaube, das ist eine sehr schwere Entscheidung, aber der Preis - wir glauben, es ist den Preis wert."

      Wie auch immer, in diesem Fall, obwohl die Anzahl der Toten hirnzersetzend ist, war Albrights Rationalisierung dieses Massenmordes für die Mainstream-Medien und Intellektuelle in keiner Weise von Interesse. Der Satz wurde in den führenden Medien kaum zitiert, und es gab keinen Aufschrei oder auch nur den Einwand, daß der Massenmord an Kindern, um irgendwelche politischen Ziele zu erreichen, unmoralisch und erschütternd sei.

      Seit den Morgenstunden am Dienstag den 11. September waren die toten Zivilisten bei den Terrorangriffen auf das Welthandelszentrum/Pentagon Objekt der intensivsten und detailliertesten und emotionalisiertesten Aufmerksamkeit, sie haben das Leiden klar und dramatisch gemacht und das Gefühl der Empörung genährt. Im Gegensatz dazu sind die Hunderttausenden toten Kinder im Irak so gut wie unsichtbar, ihr Leiden und Sterben ist außerhalb des Blickfeldes...

      Das "Wer" im Falle des irakischen Massensterbens ist klar - in überwältigendem Maß die amerikanische und britische Führung - aber das "Wer" ist wegen der Art der Antwort auf das "Warum" hier irrelevant. Dieses "Warum" wird impliziert. Madeleine Albright sagte, daß es die Toten wert sind, weil die US-Politik sich darauf geeinigt hat - und indem Albright sagt, das ist "Warum", ist die Sache für die Medien gegessen.

      Das reflektiert die Arbeit eines souveränen Propaganda-Systems. Die US-Regierung findet, daß der Massentod von irakischen Kindern "es wert" ist, die Medien lassen das Schicksal dieser "wertlosen Opfer" im schwarzen Loch verschwinden und erlauben dadurch die unbehinderte Fortführung dieser Politik. Sind die Vereinigten Staaten selbst das Opfer des Terrorismus, tritt der umgekehrte Prozeß in Kraft: bei diesen "ultra-wertvollen Opfern" inszenieren die Medien deren Leiden und Tod ausführlich und interessieren sich nicht für die tieferen Gründe, sondern nur dafür, "wer" es getan hat; sie rühren die Kriegstrommel unermüdlich und schieben die regressivsten Kräfte im Land ins Rampenlicht, machen damit Gewalt und Repression zu den wahrscheinlichsten Früchten ihrer Arbeit. Aber sie werden Zeitungen verkaufen, ihre Quoten verbessern, das "nationale Interesse" unterstützen, und den Rechten beweisen, daß sie echte Amerikaner sind.

      Der Text wurde redaktionell gekürzt.
      Das Original im Internet: www.zena.secureforum.com/Znet/hermanworthit.htm
      Quelle: http://www.jungewelt.de




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      Aha! Meinungen?
      Avatar
      schrieb am 18.03.03 10:10:30
      Beitrag Nr. 76 ()
      Gleichzeitig ist es auch der Grund, warum so viele Verschwörungstheorien durchs Netz geistern.


      Nur ist das alles Humbug, eine Verschwörung findet geheim statt, dass hier läuft vor unserer Nase und wir verteidigen es auch noch, weil wir es gar nicht begreifen.
      Avatar
      schrieb am 18.03.03 21:09:14
      Beitrag Nr. 77 ()
      Huhu, noch jemand dabei? :D


      Die Zukunft der Demokratie


      «We are the world»

      Michael Jackson



      «Es ist illusorisch zu glauben, wir könnten mit aufklärerischen Mitteln auf demokratischem Wege Mehrheitsverhältnisse schaffen, die das Schlimmste verhüten»[15], schreibt der Autor Dirk C. Fleck.

      «Sicherlich, der Umweltschutzgedanke hat in den vergangenen 20 Jahren erheblich an Terrain gewonnen», führt er weiter aus. «Daß wir in der gleichen Zeit eine Auto-Mobilmachung um das Doppelte erleben mußten, (...) daß Böden und Meere nahezu gesättigt sind von Giften, daß durch die Bautätigkeit das vernetzte Ökosystem weltweit am seidenen Faden hängt», seien jedoch Anzeichen dafür, daß die Probleme der Umweltzerstörung von demokratischen Gesellschaften nicht zu lösen seien.



      Diese Einschätzung ist durchaus nachvollziehbar. Sie stellt jedoch den demokratischen Grundkonsens unserer Gesellschaft in Frage. Dennoch befindet sich der Autor damit in guter Gesellschaft.

      «Ich bleibe dabei, daß die Wachstumsmaschine verwerflich ist; sie setzt die dynamischen Systeme in Gang, die in die Katastrophe führen. Wir müssen Wege finden, das materielle Wachstum, den Energieverbrauch, den Müllanfall, die steigenden Koeffizienten zu bremsen»[16], erläutert der Bürgerrechtler Jens Reich die zentralen Probleme unserer Gesellschaft. «Weil die Parteien sich nicht auf einen Konsens einigen können, weil irgendwelche Lobbys blockierende Stöcke in die Räder stecken», fordert er eine Institution, die «so laut befehlen kann, daß die Politik endlich aufwacht». Reichs Einschätzung gipfelt in der Äußerung: «Wirkliche Veränderung ist nicht möglich, wenn ständige Wahlkämpfe alles blockieren».

      Reich unterstellt dabei, daß Politiker, Wirtschaftsbosse und Verbraucher ihre Entscheidungen wider besseren Wissens und ohne Rücksicht auf die Umwelt treffen. Tatsächlich fehlt es ihnen jedoch an der Erkenntnis, wie Ökonomie (vor allem der Wachstumszwang der Wirtschaft) und Ökologie miteinander vereinbar sind.



      Festzuhalten ist, daß die Demokratie nur dann ihre Existenzberechtigung behält, wenn es gelingt eine sozial und ökologisch verträgliche Wirtschaftsweise durchzusetzen.



      Die demokratische Idee hat viel von ihrer Anziehungskraft verloren. In vielen Ländern bedarf es immer mehr Show und Werbung, um eine angemessene Wahlbeteiligung zu gewährleisten. Der amerikanische Präsident wird von kaum mehr als einem Viertel der wahlberechtigten Menschen gewählt. Und selbst in den jungen Demokratien Osteuropas oder Afrikas hat sich bald nach dem Erlangen der neuen Freiheiten Ernüchterung und Resignation breitgemacht.



      Untersuchungen zufolge sind es insbesondere junge Menschen und in dieser Gruppe vor allem Frauen, die glauben, sie können keine Änderungen bewirken.[17] Das wundert nicht, da Politik und Wirtschaft nach wie vor von Männern zwischen 40 und 70 beherrscht werden. Es sind ihre Regeln und die von ihnen geschaffenen Sachzwänge, die unser aller Leben bestimmen. Sie sind es, die zum Beispiel mit Spekulationsgeschäften Millionen verdienen; sie sind es, die mit dem Fuß auf dem Gaspedal freie Fahrt für freie Bürger fordern; sie sind es, die auf lukrativen Posten oft mehr Schaden anrichten als nützliche Arbeit zu verrichten.



      Handlungsspielräume für politische Entscheidungen werden immer geringer. Alternativen für anstehende Entscheidungen sind nicht selten bedeutungslos. Das Diktat der Sachzwänge - oder vermeintlicher Sachzwänge - begrenzt die zu führenden Diskussionen, bis sie nahezu überflüssig sind.


      Politiker und Wirtschaftsforscher beschwören sich gegenseitig und die Öffentlichkeit, alles zu tun, um Wirtschaftswachstum und Produktivitätssteigerungen zu garantieren. So zitiert der ‹Spiegel› den amerikanischen Präsidenten Clinton mit den Worten: «Das ist das Geheimnis. Wir müssen unserem Volk beweisen, daß der Wandel für unsere Bürger von Vorteil ist und Produktivitätssteigerung immer noch den Schlüssel zu Beschäftigung und Wachstum darstellt.»[18]



      Die Sachzwänge Wachstum und Standortsicherung bestimmen die politische Diskussion. Für die Gestaltung einer lebenswerten Zukunft bleibt wenig Spielraum. Die Teilnahme an Meinungs- und Willensbildungsprozessen wird in allen Lebensbereichen immer uninteressanter, ob in den Betrieben oder den Parlamenten. Daß sich unter diesen Bedingungen Staats- und Parteiverdrossenheit breitmachen, verwundert nicht.



      Engagement ist zunehmend notwendig, um Erreichtes zu sichern und Schützenswertes vor Schaden zu bewahren. Neues zu entwerfen und zu gestalten ist in den politischen Gremien immer seltener gefragt. Auf dieser Grundlage ist die Teilnahme an gesellschaftlichen Aufgaben in den meisten Fällen durch negative Gefühle wie Angst und Verzweiflung geprägt. Bürgerbewegungen und parlamentarische Initiativen versuchen in der Regel Entwicklungen, die uns von der Wirtschaft aufgezwungen werden, zu verhindern oder ihre negativen Auswirkungen zu begrenzen. Ein Großteil der Umweltschutzaktivitäten, Anstrengungen gegen Nikotin- und Alkoholkonsum, Kampagnen gegen Aufrüstung und Rüstungsexport, die Verhinderung von Sozialabbau und der Kampf um angemessene Lohnanpassungen sind einige dieser Kämpfe, in denen die Vernunft gegen die Wirtschaftsinteressen aufbegehrt.



      Bei Menschen führt diese Negativ- Motivation früher oder später zur Distanzierung und zum Rückzug in die Häuslichkeit. Die Privatsphäre soll zur Festung gegen Frust und Bedrohungen von außen werden. Die Teilnahme an gesellschaftlichen Prozessen bedroht das eigene Wohlgefühl. Angst und Hilflosigkeit führen zu einer allgemeinen Politikverdrossenheit. Daß sich dieses Verhalten zwangsläufig gegen das Individuum wenden muß, wird so lange wie möglich verdrängt.

      Das nachlassende Interesse der Bürger an politischen Entwicklungen unterstützt die Tendenz, daß Politik in großem Maße von fest verankerten Interessengruppen bestimmt wird. Grundlegende Weichenstellungen können und werden so zum Vorteil kurzfristiger Gruppeninteressen verhindert.



      Soll die Idee der Demokratie Basis einer zukunftsorientierten Gesellschaft sein, muß sie weiterentwickelt werden.


      Die demokratischen Gremien müssen gestalterische Funktionen erlangen, die nicht durch wirtschaftliche Vorgaben auf Nischen reduziert sind.

      Die auswuchernde Staatsbürokratie, die mehr und mehr Handlanger des Kapitals ist, muß verändert werden. Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die einen Rückbau des Staates ermöglichen, um den Bürgern mehr Freiraum für eigene Entfaltung einzuräumen. Gesellschaftliche Prozesse sind so zu gestalten, daß staatliche Leistungen überflüssig werden, ohne daß dadurch Mangel oder Not entstehen. Nur so kann einer allgemeinen Staatsverdrossenheit entgegengewirkt werden.





      Wirtschaftsleben
      contra Gesellschaft


      «Wir haben ein sogenanntes Haushaltsdefizit.
      Das ist, als würde diese Farm buchstäblich auf Schulden laufen. Ihr werdet von den Schulden angetrieben und arbeitet, um die Schulden abzubezahlen, und deswegen kommt ihr nie von der Stelle. So funktioniert meine Regierung. Sie hat kein Geld, tut aber so, als hätte sie welches.»

      Rita Mae Brown[19]



      Unsere Gesellschaft fußt auf zwei maßgeblichen Pfeilern, der Wirtschaft und dem demokratischen System. Von ihrem funktionieren hängt das Wohl von Millionen Menschen ab. Obschon beide Bereiche von außen betrachtet voneinander getrennt sind, sind sie doch personell wie auch strukturell eng miteinander verwoben. Unsere Wirtschaft kann nur effektiv funktionieren, wenn ihr durch die parlamentarischen Organe die richtigen Rahmenbedingungen vorgegeben werden. Ebenso gilt, das zeigt uns die Entwicklung in vielen Teilen der Welt, daß eine demokratische Kultur gefährdet und anfällig ist, wenn die wirtschaftliche Entwicklung instabil wird. Die Demokratie braucht eine solide Wirtschaft, um sich im humanistischen Sinne bewähren zu können.







      A. Welche Aufgaben hat die Wirtschaft?


      Wer unser Wirtschaftsgeschehen beobachtet, erlangt leicht den Eindruck, das ganze Treiben diene einzig dazu, möglichst viel zu verkaufen und den Menschen möglichst viel Arbeitsleistung zu denkbar günstigen Konditionen abzuverlangen. Dies sind aber Symptome einer falsch strukturierten Gesellschaft. Tatsächlich sollte der Bereich des Wirtschaftens einen anderen Sinn verfolgen.

      Das Wirtschaftsgeschehen dient dazu Bedürfnisse und Ressourcen zusammenzubringen. Es stimmt Angebot und Nachfrage aufeinander ab und bringt die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Individuen zueinander. Aufgabe des Wirtschaftslebens ist es, Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, so daß materielle Not überwunden werden kann. Das Wirtschaftsgeschehen sollte die existentiellen[20] Bedürfnisse aller Mitglieder der Gesellschaft abdecken, um so die Basis für ein angstfreies und gleichberechtigtes Miteinander zu schaffen. Die Bewahrung der Umwelt, der sparsame und verantwortungsvolle Umgang mit Rohstoffen, Reinhaltung von Boden, Luft und Wasser sollten grundlegender Rahmen allen Wirtschaftens sein.



      Ein ordentlich funktionierendes Wirtschaftsleben führt Angebot und Nachfrage zueinander und gleicht so Überfluß und Mangel aus. Es minimiert dadurch soziale Spannungen und schafft eine Atmosphäre friedlichen und partnerschaftlichen Miteinanders. Die Wirtschaft, als Sphäre von Produktion, Dienstleistung und Tausch, bildet so verstanden, die Basis für eine gerechte, soziale und humane Gesellschaft. Auf der Grundlage eines regen und gerechten Wirtschaftssystems können sich Kunst, Kultur und Ethik optimal entfalten und so das Gesellschaftsgeschehen zur Blüte bringen.





      Anspruch und Realität klaffen auseinander


      Selbstverständlich entspricht diese Vorstellung nicht unserer gegenwärtigen Realität. Sie ist sogar so weit von ihr entfernt, daß wir kaum in der Lage sind, uns diesen wünschenswerten Zustand als Wirklichkeit vorzustellen. Die Kluft zwischen Armut und Reichtum, Not und Wohlstand, Wunsch und Wirklichkeit ist so groß, daß eine Annäherung nicht möglich erscheint. Überall auf der Welt plagen sich Millionen Menschen, die vom Wirtschaftsgeschehen verursachten Schäden zumindest stückweise zu beheben. Engagierte Menschen und Gruppen bemühen sich permanent, die Natur vor einer sinnentleerten und zügellos wütenden Wirtschaft zu beschützen.



      Entgegen dem eigentlichen Sinn ihrer Existenz, ist es in aller Regel die Wirtschaft, die Angst auslöst, obwohl sie Sicherheit schaffen sollte. Sie ist es, die unter anderem mit immer neuen Rüstungsgütern ein blutiges und unmenschliches Austragen von Konflikten schürt. Anstatt Bedürfnisse zu befriedigen, zwingt sie uns immer mehr Umsatz und größeren Konsum auf und fördert zudem die Vereinzelung und Vereinsamung der Menschen. Anstatt das Miteinander von Mensch und Natur zu ermöglichen, wurden die Lebensgrundlagen des Menschen im rasanten Tempo vernichtet. Statt sich tendenziell überflüssig zu machen, schiebt sich die Industrie als Keil zwischen den Menschen und seine ursprüngliche Umwelt.


      Wirtschaftsentscheidungen sind im allgemeinen nicht davon bestimmt, wie man mit Investitionen Menschen und Umwelt am sinnvollsten nützt. Unter den Bedingungen der kapitalistischen Marktwirtschaft dominiert eine andere Frage: Wie hoch ist die Rendite für eine Investition?

      Diese Frage ist für wirtschaftliches Handeln so bestimmend, daß andere Motivationen kaum wahrnehmbar sind. Die Höhe der Rendite[21] entscheidet tagtäglich über den Kapitalfluß von Milliarden Mark. Fällt diese Rendite deutlich unter zehn Prozent ab, oder bleibt sie dauerhaft auf einem niedrigem Niveau, verweigert sich das Kapital, das heißt, es schiebt einen Riegel zwischen Produzenten und Konsumenten. Auch dann, wenn das Angebot wünschenswert und sinnvoll ist. Die direkte Folge davon ist: Der Arbeiter wird arbeitslos, der Bedarf bleibt unbefriedigt. Hohe Renditen dagegen fördern Entwicklungen, die gesellschaftspolitisch betrachtet ohne Sinn und Verstand sind.





      Neue Prämissen


      Jede Gesellschaft ist von der Art und Weise ihres Wirtschaftens und damit ihrer Produktionsweise geprägt. Sicherlich beeinflussen die Menschen über die Politik und ihr Konsumverhalten die wirtschaftliche Entwicklung. Die Macht einzelner Wirtschaftssektoren ist aber oft so groß, daß sie den maßgeblichen Einfluß auf die Rahmenbedingungen haben.



      Um gesellschaftliche Prozesse lenken zu können ist es wichtig, die Bedürfnisse der Wirtschaft zu verstehen und einzubeziehen. Eine realistische Perspektive zur Durchsetzung von Reformen braucht starke Befürworter. Reformen, die den Interessen der einflußreichen Lobby-Vereinigungen zuwider laufen, sind gewöhnlich nicht durchsetzbar. Je angespannter die ökonomische Situation, umso reformfeindlicher ist das Klima. Das machen zum Beispiel die Bemühungen um die Reduzierung des CO2 Ausstoßes deutlich. Alle noch so großen Anstrengungen um den Erhalt der Lebensgrundlagen sind verschwendete Energie, solange ihnen die Bedürfnisse der Industrie und die Gesetzmäßigkeiten des Kapitals entgegenstehen.



      Der Grüne Punkt und das Sammeln und Sortieren von Abfall - weder die günstigste noch die ökologischste Möglichkeit - hat sich deswegen durchsetzen können, weil die Industrie dort gute Verdienstmöglichkeiten sah. Wären der Verpackungs- und Recyclingmarkt nicht als Wachstumsbereiche von Bedeutung, hätte sich sicherlich Müllvermeidungsstrategien durchsetzen können.



      Eine Wirtschaft der Zukunft hat andere Prämissen. Um die vielfältigen Probleme unserer Industriezivilisation lösbar zu machen, bedarf es veränderter Bedingungen für das Wirtschaftsleben und insbesondere für die Industrieproduktion. Produzieren und Investieren einzig zum Zwecke der Kapitalvermehrung sollten und können wir uns auf Dauer nicht leisten. Das Kapital wird seine Vormachtstellung verlieren müssen. Es muß in der Gesellschaft eine untergeordnete Rolle spielen, um nicht länger das Marktgeschehen zu dominieren.

      Das Geld, das Blut des Wirtschaftskreislaufs, muß im Dienste der Allgemeinheit zirkulieren.



      Die kapitalistische Anschauung, daß einzig die Anhäufung von Macht und Besitz Leitlinien für individuelles und gesellschaftliches Handeln sind, beruht auf einer Primitivform ethischer Entwicklung. Diese Ordnung schafft Widersprüche, die nicht hingenommen werden müssen.

      So werden beispielsweise Egoismus und Altruismus als zwangsläufige Gegensätze verstanden. Dabei nützt, unter vernünftigen Rahmenbedingungen, egoistisches Handeln letztlich auch der Gemeinschaft. Und ebenso gilt, daß das, was ich für alle tue, auch meinem persönlichen Wohlbefinden dient.



      Die wachsende Produktivität kommt in immer größerem Maße den Kapitalbesitzern und immer weniger den arbeitenden Menschen zugute. Dies ist unsinnig und gefährlich, weil es die Gesellschaft destabilisiert. Umso mehr Maschinen die Arbeit der Menschen verringern oder überflüssig machen, desto mehr Menschen geraten in Not. Funktioniert das Verteilungssystem richtig, werden wir alle immer weniger Zeit aufwenden, um die notwendigen Arbeiten zu erledigen. Ohne die kapitalistische Verzerrung der Marktwirtschaft wird die enorme Produktivitätssteigerung zum Segen für die Gesundheit und das Privatleben aller Menschen.



      Ziel des Wirtschaftens in einer post-kapitalistischen Ordnung kann es nicht länger sein, die Produktion um ihrer selbst Willen zu steigern. Das Abdecken von Nachfrage und Bedarf zu gewährleisten muß vorrangig werden.

      In Zukunft wird es nicht länger Aufgabe der Industrie sein, Arbeitsplätze um jeden Preis zu erhalten oder zu schaffen. Die Grundlagen und Rahmenbedingungen werden so gestaltet sein, daß jedem Mitglied der Gemeinschaft Auskommen garantiert und die Entfaltung seiner Fähigkeiten möglich wird.



      Gesellschaftliche Service-Einrichtungen und Investitionen werden sich auch ohne staatliche Subventionen rentieren. Überflüssige und schädliche Branchen wie der Kohlebergbau, der Flugverkehr und die Tabakindustrie, werden nicht länger durch nachsichtige Gesetzgebung am Leben erhalten oder sogar durch Steuervorteile subventioniert.







      B. Interessen von Wirtschaftslobby
      und Bevölkerung


      Die Wirtschaft und ihre Verbände stellen in unserer Gesellschaft einen entscheidenden Machtfaktor dar. Diese Macht hat viele Aspekte und ist nicht grundsätzlich negativ. Ein Hauptgrund für Politiker auf Ratschläge aus der Wirtschaft zu hören ist, daß Unternehmen als Arbeitgeber auftreten und Arbeitsplätze schaffen und sichern. Zudem gehen viele Politiker noch davon aus, daß die großen Firmen ein Gros unseres Steueraufkommens erbringen.

      Das Wirtschaftsgeschehen ist zweifellos das Fundament der Gesellschaft. Daher kann derjenige, der im Namen der Wirtschaft spricht, für sich in Anspruch nehmen, den wichtigsten Baustein unserer Gesellschaftsordnung zu repräsentieren.



      Solange die Bedürfnisse des Wirtschaftssektors mit den Interessen der Bevölkerung übereinstimmen, ist der Einfluß der Wirtschaftslobby wenig problematisch. Leider unterliegt die Wirtschaft aber einer solchen Eigendynamik, daß sie der Allgemeinheit schwere Schäden zufügt.

      Für den Finanz- und Industriesektor ist es zwingend, ständig expandieren und wachsen zu können. Es liegt in der Logik der kapitalistischen Geldordnung, daß ohne Wachstum der Ruin droht. Ob das mögliche Wachstum mit den Interessen der Menschen übereinstimmt, hat unter diesem Druck keine Bedeutung. Der Zwang zur Expansion ist der Hauptgrund, warum sich Lobbyisten häufig den berechtigten Anliegen von Umweltschützern in den Weg stellen.



      Auf den demokratischen Willensbildungsprozeß nimmt die Wirtschaftslobby direkt und auf Umwegen Einfluß, mit dem Ziel, Rahmenbedingungen in ihrem Sinne zu gestalten. Arbeitet sie erfolgreich, schlägt sich dies zum Beispiel in der Gesetzgebung nieder.

      So verabschiedete der Bundestag 1967 das ‹Gesetz zur Sicherung von Wachstum und Stabilität›, in dem die Regierung verpflichtet wird, permanentes Wachstum zu gewährleisten. Folge dieses Gesetzes ist, daß die Steuerzahler immer höhere Steuern aufbringen müssen, um eine Entwicklung zu finanzieren, die ihre Umwelt zunehmend zerstört.

      Wachstum und Investitionsförderung wurden mit diesem Gesetz über die direkten Interessen der Bürger gestellt. Würden einzelne, besonders gravierende Maßnahmen demokratisch legitimiert werden, sähe manches anders aus. Einige Beispiele dafür wie Steuermittel in absurdem Umfang zur Kapitalsubventionierung in umstrittene Investitionen fließen, werden im Kapitel ‹Der Staat als Retter des Kapitalismus› näher erörtert.



      Das Grundproblem besteht demnach nicht darin, daß die Wirtschaft ihre Interessen durchsetzt. Das Dilemma sind die Interessengegensätze. Entscheidend für den notwendigen gesellschaftlichen Wandel ist es, eine weitgehende Übereinstimmung der verschiedenen Interessen zu erzielen. Eine notwendige Voraussetzung hierfür besteht darin, eine Wirtschaftsweise zu ermöglichen, die auf Expansion verzichten kann, und doch Vollbeschäftigung, Wirtschaftlichkeit und Konkurrenzfähigkeit sicherstellt.







      C. Arbeit, Selbstverwirklichung
      und Auskommen


      Die Funktionsweise und das Selbstverständnis der kapitalistischen Wirtschaftsweise zu analysieren und in Frage zu stellen, hat für die Zukunft der Demokratie eine zentrale Bedeutung. Ebenso wichtig ist es, unser Verständnis von Arbeit und Erwerbstätigkeit zu aktualisieren. Auch in diesem Bereich führt das Festhalten an unzulänglichen Konzepten in Sackgassen der gesellschaftlichen Entwicklung.

      · Warum schafft der Staat eine Kluft zwischen sogenannter Lohnarbeit und einer Hobbytätigkeit?

      · Warum schuften sich viele Menschen krank, während andere an Arbeitslosigkeit zu Grunde gehen?

      · Was macht unsere Arbeit so teuer und zu oft unbezahlbar?



      Die Erwerbsarbeit hat heute zwei wichtige Funktionen: Sie muß dem Arbeitenden den Unterhalt sichern, und sie muß ihm eine Rolle in der Gesellschaft ermöglichen, die ihm Anerkennung und Befriedigung verschafft. Die Möglichkeit für jeden Arbeitswilligen, einen angemessenen Arbeitsplatz zu finden, ist grundlegend für eine friedliche und soziale Gesellschaft.

      Dies soll nicht heißen, daß jeder Erwachsene einer Erwerbsarbeit nachgehen sollte. Da es in einer gesättigten Marktwirtschaft nur einen begrenzten Bedarf an Arbeitsleistung gibt, ist es durchaus positiv, wenn sich Einzelne den Pflichten der Erwerbsarbeit zeitweise entziehen und sich dem Müßiggang, der Bildung oder dem Familienleben widmen. Sofern sie ihren Ausstieg aus dem Arbeitsalltag durch zuvor geleistete eigene Arbeit finanzieren können, ist dies nicht verwerflich.





      Strafen für zu harte Arbeit


      In der heutigen kapitalistischen Ordnung werden der Erwerbsarbeit zwei gewaltige Lasten aufgebürdet:

      Zum einen werden über die Lohnsteuer und die Lohnnebenkosten ein Großteil der öffentlichen Kassen sowie die sozialen Sicherungssysteme finanziert. Zum anderen müssen die Arbeitsleistenden - was oft übersehen wird, obschon es folgenreicher ist - jede Mark, die in diesem Land als Rendite erwirtschaftet wird, an Mehrleistung erbringen.



      Für jeden Arbeitsplatz ist eine Investition nötig. In Deutschland beträgt die durchschnittliche Kapitalsumme pro Arbeitsplatz derzeit circa 250.000 Mark. Bei einem Zinssatz von sechs bis acht Prozent muß der durchschnittliche Arbeitsplatz zusätzlich zu den Lohnkosten 15.000 bis 20.000 Mark an Zinsen erwirtschaften. Kann ein Arbeitsplatz die notwendige Kapitalverzinsung nicht erbringen, findet die Investition gar nicht erst statt oder der Investor geht pleite. Durch die hohe Kapitalbelastung wird Arbeit in vielen Fällen ineffizient oder sogar unbezahlbar. Dies ist eine entscheidende Ursache für die Massenarbeitslosigkeit in unserer Gesellschaft.



      Die Steuerlast auf Löhne und Gehälter ist im Laufe der vergangenen Jahrzehnte stetig angestiegen. Zwischen 19 und 24 Prozent ihres Bruttogehalts müssen die Arbeitenden mittlerweile an Lohnsteuer zur Finanzierung des Staatshaushalts aufbringen. 1969 zahlten sie hierfür nur 10,2 Prozent an den Fiskus.[22] Die finanzielle Belastung der Arbeitskraft ist so hoch, daß sie das Arbeiten regelrecht bestraft.

      «Der Durchschnittsverdiener zahlt 1995 47,8 Prozent Steuern und Sozialabgaben. 1997 muß er bereits 48,9 Prozent abliefern. Bei 50 Prozent Abgabenlast beginnt der Kommunismus, hat Helmut Kohl einmal gesagt. Aber das war Mitte 1982. Da war er noch nicht Bundeskanzler und hatte nicht die Verantwortung für die Misere»[23], beschreibt ‹Die Woche› treffend die Situation.

      Die hohen Lohnzusatzkosten sind mitverantwortlich dafür, daß sich viele Tätigkeiten nicht mehr lohnen oder nicht mehr finanzierbar sind. 84 Pfennige auf eine Mark Lohn, so rechnet der Bundesverband der Deutschen Industrie[24], müssen für die menschliche Arbeitsleistung zusätzlich zum Lohn aufgebracht werden. Diese 84 Pfennige setzen sich im wesentlichen zusammen aus den Beiträgen für die Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung sowie zur Finanzierung der Renten.



      Warum aber werden Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung beinahe ausschließlich aus der Arbeit abhängig Beschäftigter finanziert? Und warum finanziert sich unser Staat zusätzlich zu über einem Drittel aus der Lohnsteuer? 1995 betrug der Anteil der Lohnsteuer am Gesamtsteueraufkommen 36,9 Prozent[25], Tendenz steigend. Für 1996 machte diese Einnahmequelle des Staates 263,4 Milliarden Mark[26] aus. Bedenkt man, daß die Tätigkeit von Menschen grundsätzlich positiv zu bewerten ist, und im allgemeinen im Interesse der Gesellschaft steht, muß die Frage erörtert werden, warum sie durch die Steuer- und Sozialgesetze bewußt überproportional belastet wird. Da die steuerliche Belastung der Arbeit eine der Ursachen für die derzeitige Massenarbeitslosigkeit ist, wird diese Praxis noch unverständlicher.

      «Ein europaweiter Anstieg der Besteuerung der Arbeit in den vergangenen Jahren um 9,4 Prozentpunkte, so das Ergebnis einer Analyse der Weltbank, sei für vier der elf Prozent Arbeitslosigkeit verantwortlich.»[27] Der Anstieg der Arbeitslosigkeit verursacht zusätzliche Lohnnebenkosten, die wiederum die Situation verschärfen.



      Die Besteuerung der Arbeitseinkommen mag historisch gewachsen und sinnvoll gewesen sein. Für unsere gesellschaftliche Zukunft ist sie unbrauchbar.





      Gleiches Recht für jede Arbeit


      Es stellt sich die Frage, welchen Sinn es macht, zwischen zu versteuernder Arbeit und steuerfreier Arbeit zu differenzieren? Wenn der Staat zukünftig auf die Besteuerung von Arbeitseinkommen verzichten würde, ergeben sich ganz neue Perspektiven.

      Es würde dann die Trennung zwischen steuerpflichtiger Arbeit, Schwarzarbeit, und Hobbytätigkeiten nicht mehr geben. Ohne staatliche Einmischung wäre es jedem Menschen selbst überlassen, wo, wann und für wen er welche Tätigkeit ausübt. Der Verdienst würde individuell ausgehandelt und bliebe dem Arbeitenden in vollem Umfang erhalten. Dies hätte für die persönliche Entfaltungsmöglichkeiten der Menschen erhebliche Vorteile. Die Nutzung der eigenen Talente würde damit einfacher.



      Die durch den Staat aufrecht erhaltene Trennung zwischen Unternehmern und Selbständigen auf der einen Seite sowie Arbeitern und Angestellten auf der anderen Seite, ist durch die Realität längst zur Farce geworden. Es wird geschätzt, daß es mittlerweile eine halbe bis eine Million sogenannte ‹Scheinselbständige›[28] gibt. Viele von ihnen leben und arbeiten unter weit schlechteren Bedingungen als abhängig Beschäftigte, die die gleiche Arbeit verrichten.



      Die Trennlinie sollte nicht länger zwischen den verschiedenen Arbeitsverhältnissen gezogen werden. Diese künstlich durch das Steuerrecht gezogenen Trennungen bedingen absurde Entwicklungen. Sinnvoll wäre, die Ungleichbehandlung der verschiedenen Arbeitseinkommen durch eine Befreiung von der Steuerlast zu beenden. Wie eine derartige Umstrukturierung tatsächlich finanzierbar ist, wird aus den folgenden Kapiteln deutlich.



      In der aktuellen Diskussion wird von vielen Autoren eine weitere Trennung von Arbeitswelten aufgebaut: Demnach existieren nebeneinander ein «marktwirtschaftlicher», ein «staatlicher» und der sogenannte «Dritte Sektor».[29] Nach diesem Ansatz, dessen wohl populärster Vertreter der Wissenschaftskritiker Jeremy Rifkin ist, werden im Produktionsbereich immer weniger Menschen beschäftigt. Da aber nur in diesem «marktwirtschaftlichen Sektor» das Geld erwirtschaftet wird, soll «ein möglichst großer Anteil des Produktivitätszuwachses vom marktwirtschaftlichen Sektor in den Dritten Sektor übertragen»[30] werden. Davon soll dann gemeinnützige Arbeit bezahlt werden, die der Staat sich nicht mehr leisten kann. Rifkin und andere gehen davon aus, daß man das Herstellen eines Handys und das Pflegen einer Parkanlage grundsätzlich in produktive und nicht-produktive Arbeit aufteilen kann.

      Auschlaggebend ist aber nur die Nachfrage nach der Dienstleistung oder dem hergestellten Produkt. Entscheidend ist demnach wie die Kaufkraft verteilt ist und wie hoch die Preise durch Steuern belastet werden. Ausschlaggebend für die Entwicklung der Kaufkraft ist unter anderem die Verteilung des Produktivitätszuwachses. Solange er in wachsendem Maße den Kapitalbesitzern zufließt, landet er in Kassen ohne Bedarf. Überschüssiges Geld wird zur Spekulation verwendet. Er fehlt dann als Nachfrage in den Sektoren des täglichen Lebens wie Gesundheitsversorgung, Bildung, Kultur und Pflege des Lebensumfelds.

      Wenn die Kaufkraft aller Bürger zunimmt, werden sie die Angebote des «staatlichen Sektors» und des sogenannten «Dritten Sektors» privat nachfragen. Diese Tätigkeitsfelder werden damit ‹produktiv› und die staatliche Subventionierung überflüssig.



      Der entscheidende Impuls für einen gesellschaftlichen Wandel besteht darin, daß die Arbeitsleistung einen neuen Stellenwert erhält. In der Konkurrenz zum Kapital, und damit insbesondere zur industrialisierten Produktion, sowie zum Energie- und Rohstoffeinsatz wird die menschliche Arbeit in der post-kapitalistischen Gesellschaft billiger und damit stärker nachgefragt.







      D. Ist jede Leistung eine Leistung?


      «Frauen leisten 65 Prozent der Arbeit, ihnen gehören zehn Prozent der Einkommen und ein Prozent des Besitzes»

      Jürgen Thebrath[31]



      Eine Neubewertung wird es ebenfalls bei den Begriffen Leistung und Besitz geben müssen. Die Bewertung von Leistung ist heute eine fragwürdige Angelegenheit. Was ist überhaupt eine Leistung? Genauer: Was ist aus Sicht der Gesellschaft eine Leistung?



      Dazu ein konkretes Beispiel:

      In weiten Teilen der Gesellschaft wird es für selbstverständlich erachtet, daß ein vermögender Spekulant an einem Grundstücksgeschäft Millionen verdient, während eine Mutter für die Erziehung von drei Kindern alles in allem kaum 150.000 Mark Kindergeld erhält? Um genau zu sein, das Geld erhält sie nicht einmal für ihre Arbeit. Es soll lediglich helfen, die Kosten für die Kinder zu decken.

      Reicht der Verweis auf das Risiko des Bodenspekulanten aus, um dieses Mißverhältnis zu akzeptieren? Reicht als Rechtfertigung der Hinweis, daß die Mutter von ihren Kindern reich beschenkt wird, zunächst emotional und später vielleicht auch materiell?

      Warum bewerten wir die Spekulation mit Grundstücken als Leistung, wo sie doch die Gemeinschaft nur unnötig belastet? Ist es gesellschaftlich wünschenswert, daß die Arbeit leistenden Menschen etwa ein Drittel ihres Arbeitsertrags für die Zinseinkünfte der Geldbesitzer aufbringen müssen? Warum verhindert unser System, daß diejenigen die Arbeit erbringen, auch deren vollen Ertrag erhalten?



      Wohlstand und Reichtum gründen sich längst nicht immer auf Leistung.

      Genau genommen ist es heute eher eine Ausnahme, wenn man mit handwerklicher oder geistiger Arbeit reich wird.
      Wer jedoch erst einmal ein Vermögen erlangt hat, tut sich leicht damit, dieses weiter zu vermehren.

      Reichtum und Macht können das Resultat von überdurchschnittlichen Leistungen sein. In diesem Fall haben sie eine Berechtigung als Gradmesser für Prestige und Anerkennung. Kein Mensch aber kann auf Grund seiner Arbeit ein Millionenfaches seiner Mitmenschen leisten. Das Zustandekommen entsprechend großer Besitztümer und einer entsprechend großen Machtfülle ist daher kritisch zu beleuchten. Milliardenvermögen haben selten etwas mit dem Leistungsgedanken zu tun, von dem liberale Ökonomen gerne sprechen. Wenn sich Reichtum und Macht losgelöst von gesellschaftlich relevanter Leistung anhäufen und selbständig vermehren, verdienen sie nicht in gleicher Weise unsere Wertschätzung.

      Einkommen aus Besitztiteln (Bodenpacht und Zinserträge) entstehen auf Kosten anderer oder müssen von der Allgemeinheit erbracht werden. Entsprechend sind sie auch zu bewerten.



      Zinserträge und Gewinne aus Grundstücksgeschäften unterscheiden sich dabei wesentlich von Lotteriegewinnen und dem Spekulieren mit Aktien. Während erstere ‹garantierte Gewinne› sind, die durch die Arbeit der Bürger zustande kommen, sind letztere ‹Poker-Erträge›. Die zweite Kategorie unterscheidet sich dadurch, daß die Mitspieler einen Einsatz riskieren. Aus dem gemeinsamen Pool wird der Gewinn verteilt. Geschädigt werden die aktiven Mitspieler, nicht aber die Allgemeinheit.



      Die Verteilung von Besitztümern zu hinterfragen, ist in diesem Land eine besonders heikle Angelegenheit. Tatsächlich ist der Besitz sehr ungleich verteilt. Jenseits von Sozialneid und Enteignungsträumen ist jedoch zu unterscheiden, wie ein Besitz erworben wurde. Ist ein Vermögen angespart aus einer Arbeitsleistung oder hat es sich aus sich selbst heraus vermehrt? Ist es demnach aus der Arbeit Unbeteiligter entstanden? Besitz der ohne eigene Arbeistleistung anwächst, beraubt die Allgemeinheit und schädigt die Mitmenschen. Bereits Martin Luther hatte diesen Zusammenhang erkannt und angeprangert:

      «Darum ist ein Wucherer und Geizhals wahrlich kein rechter Mensch; er sündigt auch nicht eigentlich menschlich! Er muß ein Werwolf sein, schlimmer noch als alle Tyrannen, Mörder und Räuber, schier so böse wie der Teufel selbst! Er sitzt nämlich nicht als Feind, sondern als ein Freund und Mitbürger im Schutz und Frieden der Gemeinde und raubt und mordet dennoch greulicher als jeder Feind und Mordbrenner. Wenn man daher die Straßenräuber, Mörder und Befehder rädert und köpft, um wieviel mehr noch sollte man da erst alle Wucherer rädern und foltern, alle Geizhälse verjagen, verfluchen und köpfen...».[32]



      Der destabilisierende Charakter gilt insbesondere dann, wenn Geldvermögen aus dem Geldkreislauf zurückgehalten werden können oder nur gegen hohe Zinsen und bei hoher Inflation der Allgemeinheit überlassen werden. Auch wenn dieser Mechanismus auf Grund der flexiblen Geldmengenpolitik der Notenbank heute nicht mehr so offensichtlich zutage tritt wie zu Zeiten Martin Luthers, bleibt der Effekt bis heute erhalten. Die Erpressung von Zinseinkünften beraubt die Arbeitenden um einen Teil ihres Lohns und ist damit Quelle von Ungleichheit und Ungerechtigkeit.



      Wahr ist, daß die Vermögen und der Besitz der Superreichen in dem Maße wachsen, wie Not und Bedürftigkeit zunehmend mehr Menschen erfassen. Dies gilt für nationale ebenso wie für internationale Entwicklungen.


      Unter der Überschrift:

      «358 Superreiche besitzen mehr als die halbe Menschheit», war in der Ulmer Südwestpresse zu lesen:

      «Ein paar hundert Superreiche haben mehr Geld als die halbe Menschheit. Das ist eines der Ergebnisse des Berichts der Vereinten Nationen ‹Über die menschliche Entwicklung›. Danach hat sich die Einkommensungleichheit in den vergangenen Jahrzehnten weltweit verdoppelt. Vom globalen Wirtschaftswachstum profitierte nur eine Minderheit der Staaten, und auch die Kluft zwischen den Wohlhabenden und den Armen in den Industrieländern selbst wird immer größer.»[33]



      Im Unterschied zur Arbeitsleistung des Einzelnen hat der private Besitz für die Gesellschaft keinen Nutzen. Die Arbeit eines Menschen bringt in der Regel für ihn und für die Allgemeinheit einen Vorteil. Der Besitz eines Guts stellt für die Allgemeinheit jedoch nur insofern einen Vorteil dar, als es von der Privatperson gepflegt, genutzt und verwaltet wird. Hieraus kann allerdings nicht abgeleitet werden, daß Privateigentum schlecht oder unmoralisch sei. Es entspricht dem Bedürfnis der Menschen über Eigentum zu verfügen. Der vorhandene Wohlstand sollte daher von allen Menschen gleichermaßen zu erwerben sein.



      Negative Folgen für die Gesellschaft ergeben sich aus einer extremen Konzentration des Besitzes, da dies eine angemessene Verteilung verhindert und im Extremfall vielen Menschen den Erwerb von Eigentum unmöglich macht. Es stellt sich daher die Frage, warum in einer Demokratie die Akkumulation toleriert oder sogar gefördert wird.

      Die Aneignung riesiger Vermögen kann durch das Steuerrecht lediglich eingeschränkt werden. Um eine ausgewogene Verteilung des Besitzes zu ermöglichen, wäre eine progressive Besteuerung angebracht. Wer viel anhäuft, zahlt viel. Was heute unsinnigerweise bei den Arbeitseinkommen praktiziert wird, macht einen gewissen Sinn, wenn es auf die leistungslosen Einkünfte und den Besitzstand angewendet wird. Wenn übergroße Vermögen so stark besteuert werden, daß sie tendenziell geringer werden, bleibt dementsprechend mehr Besitz übrig, den die Übrigen erwerben können.



      Letztlich wäre es jedoch effektiver und sinnvoller die Ursachen der Vermögensakkumulation zu überwinden. Wenn dies durch eine Boden- und Geldreform geschieht, wird sich das Problem der extrem ungleichen Besitzverhältnisse weitgehend erübrigen.





      E. Ist es der Mensch oder ist es das System?


      Was hat das Chaos in unserer Gesellschaft mit Geld zu tun? Ist der Mensch so schlecht, daß er vor Habgier und aus Egoismus alles zerstört? Bestimmt der Mensch bewußt die gesellschaftlichen Entwicklungen, oder nimmt er sie eher in Kauf? Prägt der Mensch das System oder mehr das System die Menschen? Bestimmt «die Kraft des Guten» das menschliche Wesen oder ist der Mensch eher böse und zerstörerisch? Ist der Kapitalismus die Quelle der destruktiven Kräfte, und wenn ja, was macht diesen Kapitalismus heute aus? Müssen wir auf Privatbesitz verzichten um ‹gut› sein zu können, wie es uns der Mar-xismus nahelegt?

      Die Liste der Fragen läßt sich fortsetzen. Nur wenige Menschen differenzieren exakt bei der Analyse von Ursachen und Auswirkungen. Die Verantwortlichen in allen Bereichen richten sich mit ihren Widersprüchen ein. Die Veränderer konzentrieren sich auf einzelne, oft sehr schwerwiegende Symptome.

      Die Zahl derer, die für Menschenwürde, die Bewahrung der Schöpfung, Solidarität mit den Schwächeren, für Verstand, Herz und Vernunft kämpfen, ist erfreulich hoch. Und doch registrieren wir täglich, daß sich die Verhältnisse zum Nachteil der Masse der Menschen entwickeln.

      Um sich dies erklären zu können, flüchten viele in die Überzeugung: Der Mensch ist dumm, faul und rücksichtslos dazu. Die Schlußfolgerung aus dieser Überzeugung ist: Nur wenn wir den Menschen ändern, können wir das System verändern.



      Die Geschichte hat uns bewiesen, daß der Mensch nicht gezielt veränderbar ist. Versuche in dieser Richtung endeten in Diktatur und Despotie oder sie führten zu chaotischen Verhältnissen in Wirtschaft und Gesellschaft, die letztlich eine Restaurierung der alten Ordnung bewirkten. Diese Einschätzung bezieht sich lediglich darauf, daß den Menschen moralisch verantwortliches Verhalten nicht aufgezwungen werden kann.

      Selbstverständlich entwickelt sich menschliches Verhalten im Laufe der Zeit. Das Handeln der Menschen paßt sich ihrem gesellschaftlichen Umfeld an. Ein Kind, das täglich mit Gewaltszenen konfrontiert wird, wird eher zur Gewaltanwendung neigen, als eines, das in einem Umfeld groß wird, in dem Gewalt eine Ausnahme darstellt. Dasselbe gilt für den Steuerzahler, der Jahr für Jahr ehrlich seine Steuerschuld entrichtet. Wenn er erlebt, wie Steuerhinterziehung zur Normalität wird, wird dies auch seine moralischen Maßstäbe beeinflussen.



      Der erwachsene Mensch ist für sein Tun verantwortlich. Die Summe des selbstverantwortlichen Handelns bildet das gesellschaftliche Bewußtsein. Sie bestimmt unsere Wertmaßstäbe. Aus dem Wechselspiel von individuellem Handeln und gesellschaftlichem Einfluß ergibt sich eine Dualität für die Ursachenanalyse.




      Ein Beispiel: Aufgabe der Erziehungsberechtigten ist es, ihren Kindern einen positiven Umgang mit dem Medium Fernsehen zu vermitteln. Mißbrauchen sie den Fernseher als Babysitter oder überlassen sie ihr Kind widerstandslos den Verführungen der Fernsehmacher, kommen sie ihrer Verantwortung nicht nach. Im schlimmsten Fall wird ihnen eines Tages vorgeworfen, sie hätten bei der Erziehung ihrer Kinder versagt. Die Aufgabe dieser Eltern ist schwierig, denn ihnen stehen Menschen gegenüber, die dieses ‹Versagen› mit allen Mitteln provozieren. Wir leisten uns Programmacher, Werbefachleute und gut bezahlte Spezialisten, deren Aufgabe es ist, Kinder an den Fernseher zu binden. Diese Menschen gelten als erfolgreich, wenn die Einschaltquoten hoch sind und Kinder täglich Stunden vor der Mattscheibe verbringen! Zu den Schattenseiten ihres Jobs gehört, daß Kinder die im Programm erlebte Gewalt in der Schule umsetzen. Es wird ihnen jedoch nicht als versagen ausgelegt, wenn eine Generation heranwächst, für die Haben mehr bedeutet als Sein, denen Konsumieren wichtiger ist als Kommunizieren! Es ist die zwangsläufige Folge ihrer Arbeit. Es gehört zu ihrem gesellschaftlichen Auftrag.

      Ähnlich verhält es sich mit dem Autofahrer, der dem Rausch der Geschwindigkeit oder dem Irrsinn der permanenten Mobilität erliegt. Ein Heer von Werbestrategen arbeitet schließlich darauf hin, dem Konsumenten zu suggerieren, wie toll sein schädliches Verhalten sei. Es werden Milliarden ausgegeben, damit den Konsumenten keine Zweifel an dieser Lebensweise kommen.



      Die kapitalistische Produktionsweise kann den verantwortungsbewußten Bürger gar nicht verkraften. Kategorien von Moral und Vernunft stehen den Anforderungen an den Menschen als Konsumenten geradezu entgegen. Daß wir uns als Gesellschaft Strukturen leisten, die ein Versagen des Einzelnen geradezu herausfordern, ist absurd und veränderbar.



      Es sind die Menschen, die diese Strukturen schaffen und akzeptieren. Kann man daraus jedoch ableiten, daß die Menschen es letztlich so wollen, wie es ist - sei es aus Bequemlichkeit, Egoismus oder Habgier motiviert? Die Menschen haben sich dieses System geschaffen und sie haben sich darin eingerichtet. Müssen wir demnach nicht doch zuerst die Menschen ändern, bevor wir die Zustände ändern können?



      Die Bürger der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft haben sich mehr oder weniger gezielt für Strukturen entschieden, von denen sie annahmen, sie würden eine optimale Entwicklung der Gesellschaft ermöglichen. Zu diesen Strukturen gehört das parlamentarische[34] Wahlsystem, das die Siegermächte den Deutschen verordneten. Weitere Bestandteile sind die soziale Marktwirtschaft und die Zuordnung von Aufgaben an staatliche Einrichtungen sowie die Garantie der Menschenwürde und des Privateigentums. Bestimmte Entwicklungen im Modell ‹Soziale Marktwirtschaft› wurden dabei im Laufe der Zeit eher in Kauf genommen oder einfach nicht verhindert. Hierzu gehören die Bildung und Aufrüstung der Bundeswehr, die zunehmende Konzentration und Machtfülle großer Konzerne, die Duldung von Bodenspekulation und das gefährliche Anschwellen der großen Geldvermögen.



      Zu diesen Entwicklungen zählt auch, daß unsere Wirtschaftsordnung auf grenzenloses Wachstum angewiesen ist. Es ist kaum jemandem bewußt, daß Marktwirtschaft auch ohne Kapitalismus möglich ist, daß Wohlstand auch ohne Wachstum gewährleistet werden kann. Und wer weiß schon, daß die ungerechtfertigte Verteilung des Bodens Quelle milliardenschwerer Einnahmen ist, den die Nutzer an die Besitzer entrichten müssen?



      Sicherlich sind es die Menschen, die durch ihr Verhalten das politische und wirtschaftliche System prägen. Gleichzeitig gilt aber auch, daß die Verhältnisse das Verhalten der Menschen prägen. Solange unsere Wirtschaft auf unkritische und unaufgeklärte Konsumenten angewiesen ist, wird die Hoffnung auf die Einsichtsfähigkeit der Menschen enttäuscht werden. Politische und wirtschaftliche Gegebenheiten werden nicht durch moralische Appelle verändert.



      Um Gesellschaft aktiv gestalten zu können, bedarf es einer genauen Analyse der Fehler und ihrer Ursachen. Darüber hinaus ist eine konkrete Vorstellung davon notwendig, welche Korrekturen zum gewünschten Erfolg führen. Fehlt aufgrund einer falschen oder fehlenden Analyse diese Perspektive, neigen Menschen leicht zu Resignation. Durch die daraus resultierende Untätigkeit entsteht der Eindruck, die Menschen akzeptierten das bestehende System. Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann sich zeigen, daß die Menschheit durchaus in ihrer Gesamtheit in der Lage ist, ihrer globalen Verantwortung für den Planeten gerecht zu werden.


      http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/popp/zinswahn/
      Avatar
      schrieb am 19.03.03 09:58:55
      Beitrag Nr. 78 ()
      Ich lese noch mit, soweit die Zeit es erlaubt.
      Avatar
      schrieb am 19.03.03 19:02:36
      Beitrag Nr. 79 ()
      http://www.antizyklik.de/

      Wer braucht schon diesen Krieg ...?

      6. März 2003 von Andreas Hoose

      Massendemonstrationen gegen eine militärische Auseinandersetzung im Irak machten kürzlich nicht nur hier zu Lande Schlagzeilen. Der internationale Widerstand gegen einen Militärschlag der Vereinigten Staaten wächst. Doch nicht nur in der Bevölkerung macht sich Unmut breit. Zunehmend beziehen auch die diplomatischen Vertretungen vieler Länder offiziell Stellung gegen die Position von US-Präsident Bush. Dieser jedoch scheint entschlossener denn je, den US-Truppen demnächst den Marschbefehl zu erteilen.


      Dabei fällt auf, dass sich George W. Bush mit seiner Kriegsrhetorik in eine Position manövriert hat, die einen geordneten Rückzug zunehmend schwieriger, wenn nicht unmöglich macht. Wer als Staatspräsident der einzig verbliebenen Weltmacht derart lauthals und vehement für einen Krieg trommelt, nur um anschließend alles wieder abzublasen, der gibt sich in diplomatischen Kreisen der Lächerlichkeit preis. Das weiß auch der US-Präsident. Es ist daher kaum anzunehmen, dass ausgerechnet der Texaner George W. Bush am Ende als zahmer Bettvorleger in die Geschichte eingehen wird.

      Die Frage nach dem „Warum“ wird da immer drängender. Was treibt den mächtigsten Mann der Welt dazu, Stimmen aus dem Ausland zu überhören und die Kriegsmaschinerie allen Widerständen zum Trotz immer weiter voranzutreiben? Hinter vorgehaltener Hand wird immer wieder das Thema Öl ins Spiel gebracht. Bekanntlich verfügt der Irak über die zweitgrößten Ölreserven der Welt. Man kann sich leicht vorstellen, dass die Kontrolle hierüber für die USA als größten Energieverbraucher der Welt in Zeiten schwindender Ressourcen höchst verlockend ist.

      Fachleute für internationale Politik glauben, dass noch weitere Ursachen im Spiel sein könnten: Wichtiger als die Ölreserven, die Massenvernichtungswaffen und der Sturz Saddam Husseins könnte den Vereinigten Staaten die Sicherung ihrer weltweiten Vormachtstellung im 21. Jahrhundert sein. Dazu wollten die Amerikaner ihre nach dem 11. September entwickelte Präventivkriegsdoktrin durchsetzen. Diese besagt, dass Amerika sich "wehren" darf, noch bevor es angegriffen wird.

      Doch vielleicht gibt es ja noch einen weiteren Grund für einen Irak-Krieg – einen Grund allerdings, der sich nur herleiten lässt, wenn man einen Zusammenhang herstellt zwischen den aktuellen politischen Ereignissen und den drückenden weltwirtschaftlichen Problemen.

      Es sieht so aus, als hätten alle wichtigen Volkswirtschaften der Welt derzeit mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben, wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Pessimisten vergleichen die gegenwärtige Situation bereits mit den Anfängen der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren. Ob wir irgendwann tatsächlich vergleichbare Verhältnisse sehen werden, weiß niemand. Das ist auch gar nicht nötig. Es genügt, sich klar zu machen, dass alles, was in den einschlägigen Medien über die angeschlagene Verfassung der Weltwirtschaft verbreitet wird, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur die halbe Wahrheit ist.

      Doch natürlich wissen ein paar Zeitgenossen mehr als der „Mann auf der Straße“. Die Herren Bush, Greenspan und Co. zum Beispiel. Man kann davon ausgehen, dass man im Weißen Haus sehr genau darüber informiert ist, wie es um den Dollar und die Unternehmensgewinne, wie es um die Lage der Wirtschaft ganz allgemein wirklich bestellt ist. Und man braucht auch nicht viel Phantasie, sich vorzustellen, dass die ungeschminkte Wahrheit womöglich noch ein wenig unangenehmer wäre als das, was hie und da offiziell verkündet wird. Es dürfte klar sein, dass die Mächtigen dieser Welt einen Teufel tun würden, dieses Wissen unverblümt hinauszuposaunen, sollte es tatsächlich dazu geeignet sein, Unruhe im Volk zu stiften.

      Mit ein wenig Sachverstand kann man sich trotzdem einiges zusammenreimen: Wenn beispielsweise über einen Zeitraum von rund 18 Monaten zwölf Zinssenkungen in Folge an den Börsen völlig wirkungslos verpuffen, dann ist das ein deutlicher Hinweis darauf, dass in dem System, so wie es jahrzehntelang funktioniert hat, irgend etwas nicht mehr stimmt. In der Vergangenheit waren zwei Zinssenkungen hintereinander bereits ausreichend Treibstoff für die Börsen.


      Oder nehmen wir das Thema Verschuldung: Noch nie in den vergangenen 100 Jahren hatte die Staatengemeinschaft mit einem derartigen Schuldenberg zu kämpfen. Besonders brisant ist das Problem in den Vereinigten Staaten. Von den 50 Bundesstaaten in den USA sind 46 praktisch zahlungsunfähig. Sie können zwar nicht im üblichen Sinne pleite gehen, weil ihr politischer Status als Bundesstaat sie vor manchem schützt, was konkursreifen Privatunternehmen droht. Nach allen denkbaren Maßstäben sind sie dennoch längst bankrott. Bedenkt man zudem, dass die Vereinigten Staaten bei Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1929 Nettokreditgeber waren, heute dagegen der größte Nettoschuldner der Weltgeschichte, dann wird klar, dass die Zeiten durchaus noch sehr viel ungemütlicher werden könnten.

      "Binnen eines Jahrzehnts könnten die USA mit einer ähnlichen Haushaltslage dastehen wie Brasilien"

      Es gibt übrigens noch ein paar weitere „kleine“ Unterschiede zu den 30er Jahren, die natürlich gerne verschwiegen werden: 1929 hatten die USA kein Handelsbilanzdefizit, in diesem Jahr dürfte es offiziell bei rund 500 Milliarden US-Dollar liegen. 1929 hatten die US-Bürger die Tugend der Sparsamkeit noch nicht verlernt, während die heutige Generation nur noch aus dem Vollen schöpft – und zwar auf Pump. Unmittelbar vor 1929 herrschte in den USA „Null-Inflation“, heute liegt die Rate offiziell bei drei Prozent; inoffiziell dürfte der Wert wegen des ungebremsten Geldmengenwachstums allerdings noch weit höher notieren.

      „Binnen eines Jahrzehnts könnten die USA mit einer ähnlichen Haushaltslage dastehen wie Brasilien“, wetterte der angesehene Ökonom Paul Krugman kürzlich. Doch im Weißen Haus gelten rote Zahlen nicht mehr als unfein. Selbst der neue Finanzminister John Snow, einstmals ein vehementer Verfechter einer soliden Haushaltspolitik, erklärte gegenüber der Business Week: „Wir könnten ein Defizit von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in alle Ewigkeit laufen lassen und würden die Finanzmärkte damit nicht aus der Ruhe bringen.“ Hört, hört.

      "Nebenbei bemerkt: Gerade US-Aktien sind ja trotz der Kursverluste alles andere als billig, was durchaus für eine Fortsetzung der Talfahrt sprechen würde."

      Nehmen wir also an, Präsident Bush und seine Berater wissen wesentlich mehr über den fragilen Zustand der US-Wirtschaft, als sie öffentlich kund tun. Beispielsweise könnte den Herrschaften durchaus klar sein, dass wegen der angesprochenen Verschuldungsproblematik zahlreiche weitere Firmen in Konkurs gehen werden, vielleicht sogar einige große Banken auf der Kippe stehen, dass die Gewinne der Unternehmen weiter schrumpfen werden, sich ein neuerlicher Einbruch an den Aktienmärkten womöglich gar nicht mehr verhindern lässt. Nebenbei bemerkt: Gerade US-Aktien sind ja trotz der Kursverluste alles andere als billig, was durchaus für eine Fortsetzung der Talfahrt sprechen würde.

      Wie praktisch, wenn man da einen Krieg „aus dem Hut zaubern“ kann, dem sich all dies im Nachhinein in die Schuhe schieben lässt. Dow Jones bei 5000? Leider, leider – der Krieg im Irak! Der Dollar im Sturzflug? Saddam ist schuld! Die Verbraucher sparen wieder? Kein Wunder – es ist Krieg!

      Doch das Pferd ließe sich auch noch von einer anderen Seite aufzäumen. Ganz offenkundig sind die historisch niedrigen Zinsen derzeit nicht in der Lage, der US-Wirtschaft Impulse zu verleihen. Wie auch? Unternehmen und Verbraucher sind verschuldet bis über beide Ohren. Die Kapazitäten der Firmen sind nach wie vor nicht ausgelastet, neue Investitionen werden nicht getätigt. Um ihren Kopf zu retten, könnten die Machthaber nun versuchen, über einen massiven Anstieg der Staatsausgaben jene Liquidität einer Verwendung zuzuführen, die durch das Wachstum der Geldmenge entstanden ist. Denn dass die Ausrottung von Schurkenstaaten zum Wohle der Nation „ein bisschen“ Geld kostet, das versteht schließlich jeder. Selbst die Verschuldung könnte mit Hilfe dieser Argumentation problemlos weiterwachsen.

      Ähnlich wie in Japan, wo man in der Vergangenheit ebenfalls versucht hat, durch Konjunkturprogramme des Staates die Wirtschaft anzukurbeln, könnten Bush und seine Berater nun also mit dem Gedanken spielen, einen Krieg im Irak als Stimulus für die gebeutelte US-Wirtschaft zu ge-, oder besser gesagt, zu missbrauchen. Denn so perfide es ist, aber ein bewaffneter Konflikt im Irak könnte für weite Teile der US-Wirtschaft wie ein staatliches „Konjunkturprogramm“ wirken – vor allem, wenn der Krieg nicht nur ein paar Tage dauert.

      "Der Verfall des US-Dollar kommt schließlich nicht von ungefähr"

      Doch so einfach ist die Sache leider nicht: Anders als Japan, das seit Jahren Überschüsse in der Handelsbilanz erwirtschaftet und so seine Währung stützt, stöhnen die Vereinigten Staaten unter der Last eines gigantischen Handelsbilanz-Defizits. Der Verfall des US-Dollar kommt schließlich nicht von ungefähr. In einer solchen Situation, die gekennzeichnet ist durch wirtschaftliche Schwäche und immense ausstehende Kredite, die Verschuldung über Kriegsausgaben weiter anzuheizen, könnte den Greenback in allergrößte Schwierigkeiten bringen und den Weg in ein finanzielles Fiasko ebnen.

      Da ist es schon einen Asbach Uralt wert, und damit kommen wir zum Ausgangspunkt der Überlegungen zurück, wenn in einer solchen Situation nicht mehr das eigene Versagen schuld ist an der Misere, sondern der Bösewicht in Bagdad. Im übrigen wären derartige Winkelzüge nicht neu: Kriege fern der Heimat waren schon immer ein beliebter Trick, um von innenpolitischem Versagen abzulenken.
      Avatar
      schrieb am 19.03.03 19:06:30
      Beitrag Nr. 80 ()
      ich versuche auch noch mitzulesen. Hab aber zur Zeit wenig Zeit.
      Avatar
      schrieb am 19.03.03 19:16:36
      Beitrag Nr. 81 ()
      Schön! :)

      "Die Dinge haben sich zu weit entwickelt"
      Exklusiv-Interview mit Morris Berman

      [Morris Berman]
      © Tom Holt

      Englische Version

      Herr Berman, die deutschsprachige Ausgabe Ihres Buches "Twilight of American Culture" erscheint unter dem Titel "Kultur vor dem Kollaps" bei der Büchergilde Gutenberg. Worum geht es darin und mit welchem Ziel haben Sie dieses Buch geschrieben?

      "Twilight" war für mich ein Versuch, meine Eindrücke von der amerikanischen Gesellschaft in einen geordneten, historischen Rahmen zu stellen. Man sieht heute überall in Amerika die Symptome des kulturellen Niedergangs und es stellt sich die Frage, wohin das alles führen wird. Es ist meine persönliche Überzeugung, dass dies keine zufälligen oder episodenhaften Geschehnisse sind. Wir haben es meiner Meinung nach vielmehr mit Symptomen zu tun, die die Endphase einer Zivilisation ankündigen und ich vermute, dass Amerika nach nunmehr 225 Jahren in die Phase des Abstiegs tritt.

      Welche Anzeichen sehen Sie für diesen Niedergang?

      Die Anzeichen sind interessanterweise diesselben, die auftraten, als sich das Römische Reich aufzulösen begann. - das heißt etwa vom 3. Jahrhundert an - wenn auch in einer zeitgemäßen Form. Die Parallelen sind folgende:

      die sich vergrößernde Kluft zwischen arm und reich.

      die zunehmende Unfähigkeit für Unterstützungsmaßnahmen und Administration zu zahlen, die eine funktionierende Kultur ermöglichen.

      rapide ansteigender Analphabetismus und die Abnahme intellektuellen Bewusstseins.

      das, was ich und vermutlich auch Oswald Spengler, als "spirituellen Tod" bezeichnen: Die Korrumpierung der Politik, die Aushöhlung kultureller Marken ("Republik" im Fall des Römischen Reiches, "Demokratie" im Falle Amerikas), weitverbreitete Gefühle von Zynismus, Apathie etc.

      Wie definieren Sie den Begriff "Kultur" in diesem Zusammenhang?

      "Kultur" ist im wesentlichen die Gesamtheit der Symbole und Werte, unter denen eine Gemeinschaft (darunter verstehe ich auch im weitesten Sinne die Nationalstaaten) lebt, und die Institutionen, die sie hervorbringt.
      Lassen wir jetzt das Römische Reich beseite und betrachten wir die vier Faktoren, die ich oben genannt habe:

      Alle vier Faktoren sind im heutigen Amerika deutlich sichtbar - in meinem Buch habe ich das im Detail dokumentiert. Man kann das anhand von Einzelbeispielen zeigen oder anhand von Statistiken - ich tue beides.
      Nehmen wir als Beispiel die Abnahme des intellektuellen Bewusstseins. Amerikanische Komiker machen sich mittlerweile über die unglaubliche Ignoranz der einfachen Mittelklasse lustig, indem sie Interviews auf der Strasse duchführen: Erst kürzlich sah ich eine Fernsehsendung mit dem Titel "Street Smarts". Der Moderator fragte einen Mann: "Welches Instrument spielt ein Cellist?" Die Antwort: "Piano". Dann fragte er eine Frau: "Wer schrieb Dantes Inferno?" Die Antwort: "John Schlesinger". (Wer in aller Welt ist John Schlesinger?) Man erlebt diese Dinge heute täglich, während es noch vor 15 Jahren relativ selten war. Welche statistischen Belege gibt es für diese Beobachtungen? Organisationen wie die "National Science Foundation", "Gallup Poll" und andere führen ständig Umfragen durch, Erhebungen, die enthüllen, dass

      21% der Amerikaner glauben, die Sonne kreise um die Erde,

      weitere 7% wissen nicht, was um was kreist,


      40% der erwachsenen Amerikaner wissen nicht, wer der Feind im Zweiten Weltkrieg war.

      42% können Japan auf einer Weltkarte nicht ausfindig machen,

      15% sind noch nicht einmal in der Lage die USA zu lokalisieren.

      120 Millionen Amerikaner sind Analphabeten oder zumindest funktionale Analphabeten,

      50% sind nicht in der Lage einen einfachen Geschäftsbrief zu verfassen.

      Sie sind nicht sehr optimistisch, was das Engagement kleiner Privatinitiativen angeht. Sehen Sie eine Chance, eine bessere Gesellschaft in unserer Lebenszeit zu schaffen?

      Was die aktuelle Lage in Amerika angeht, bin ich nicht optimistisch für die nahe Zukunft, denn es gibt keine Ausnahme zur historischen Gesetzmäßigkeit: Wie Individuen gehen auch Zivilisationen durch einen Lebenszyklus: Geburt, Blütezeit und Verfall. Eine Zivilisation im Niedergang kann sich sicherlich von Zeit zu Zeit erholen wie Arnold Toynbee gezeigt hat, aber der übergeordnete Verlauf kann nicht geändert werden. Daher ist "meine" Lösung der amerikanischen Krise langfristig angelegt, eine, die ihre Parallele in der römisch-europäischen Erfahrung hat: Das Auftauchen einer Gruppe von Menschen (Mönche mit klösterlichen Bibliotheken), die sich dem Erhalt des kulturellen Erbes verpflichtet haben. In Europa waren sie es, die schließlich entscheidend für die Geburt der Renaissance wurden.

      Ihre Lösung, kulturelle Traditionen in dunklen Zeiten zu bewahren, heißt "Die monastische Option", oder "geistiges Nomadentum", eine Tradition des mittelalterlichen Europa. Sie meinen damit nicht nur technologisches oder philosphisches Wissen sondern auch Lebensweisen. Können Sie das erläutern?

      Richtig, daher beschäftige ich mich in meinem Buch mit Individuen, die sich der Erhaltung von Kulturen widmen. Ich nenne diese Menschen "neue monastische Individuen", neu deshalb, weil ihre Arbeit etwas anderes ist, als die von Mönchen, die sich in Klöster zurückziehen und meditieren. Ein Beispiel ist die Arbeit von Earl Shorris, ein Mann der 1995 das "Great Book Program" (eine Art geisteswissenschaftliche Akademie für Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Anm. des Übersetzers ) für die Armen der Innenstadt in New York aufgebaut hat. Ein Programm, das großen Erfolg hatte und das sich seither in andere Städte verbreitet hat. Nun glaube ich zwar nicht, dass die Fähigkeit, sich die Ideen von Goethe und Voltaire anzueignen, die Armut lindern wird, aber ein Programm wie dieses kann helfen, die Schätze der Aufklärung für ein zukünftiges Zeitalter zu bewahren. Ray Bradbury hat vor vielen Jahren in seinem berühmten Roman Fahrenheit 451 von etwas ganz ähnlichem gesprochen.

      Politische Bewegungen wie ATTAC versuchen den Einfluss von multinationalen Konzernen zurückzudrängen, versuchen die Auswirkungen der Globalisierung zu bekämpfen. Wie stehen Sie zu diesen Bewegungen? Können sie das Schicksal der Weltgemeinschaft ändern?

      Man kann nicht sagen, dass diese Initiativen nichts bewirken. Diese Initiativen auf Gemeindebasis, die Demonstrationen in Seattle und anderswo, die Arbeit von amnesty international, die Wiederbelebung der Gewerkschaftsbewegung sind alle im lokalen Zusammenhang und in kurzen Zeiträumen notwendig und wertvoll. Aber ich glaube nicht, dass damit der Niedergang im Großen aufgehalten werden kann und sicherlich nicht jetzt: Die Dinge haben sich zu weit entwickelt.

      Das 20. Jahrhundert wird das "amerikanische Jahrhundert" genannt. Was bedeutet das für Europa und für all die anderen Länder auf der Welt?

      Was die politische und wirtschaftliche Hegemonie angeht, so scheint es angemessen, das 20. Jahrhundert das "amerikanische Jahrhundert" zu bezeichnen; seine Dominanz löste diejenige Großbritanniens nach dem Ersten Weltkrieg ab. Ich würde hinzufügen, dass was die kulturelle Hegemonie angeht, das 21. Jahrhundert das "amerikanisierte Jahrhundert" sein wird, verkörpert durch die Ausbreitung von Coca-Cola, MTV und Kentucky Fried Chicken in die entlegendsten Winkel der Welt. Keine gute Entwicklung meiner Meinung nach, vor allem weil wir auch eine "wirkliche" Kultur haben, Schriftsteller wie Don DeLillo beispielsweise oder Komponisten wie Miles Davis, aber die Flutwelle der Globalisierung (wirklich ein phantasievoller Name für Imperialismus) ist einfach zu stark.

      Nehmen Sie die Handys als Beispiel: Man sieht diese Technologie im kleinsten italienischen Dorf. Mit welchem Ergebnis? Sie erweitert die Sphäre der Arbeit und des Business in jeden Bereich des menschlichen Lebens und reißt die Barrieren zwischen Öffentlichkeit und Privatleben nieder.

      Seit dem 11. September hört man viel vom "Angriff auf die westliche Zivilisation". Was halten Sie von dieser Aussage?

      Ich glaube nicht, dass man den Angriff auf das World Trade Center - so schrecklich er auch gewesen ist - als Angriff auf die westliche Zivilisation bezeichnen kann. Die Terroristen wählten ihre Ziele sehr sorgfältig aus. Sie steuerten ihre Maschinen schließlich nicht in die Freiheitsstatue oder beispielsweise in die Columbia University. Das wäre wirklich ein Angriff auf die westliche Zivilisation gewesen, auf die Symbole der Aufklärung.

      Aber diese Symbole repräsentieren das heutige Amerika nicht mehr, die Wall Street dagegen umso mehr. Und wenn eine Kultur den Punkt erreicht, an dem Geld und Konsum die wichtigsten Werte geworden sind, dann ist die Kultur wirklich am Ende.


      Das ist eine Kultur, in der die Welt der Waren mit Lebensqualität verwechselt wird. In dem Maße, in dem Europa dem verführerischen Ruf dieses Denkens widerstehen kann und darauf beharrt, dass Geld und Geschäft Mittel sind, nicht Zweck, solange wird es seinen Bürgern ein sinnerfülltes Leben bieten können. Man kann nur darauf hoffen.

      Interview und Übersetzung von Jürgen Sander
      www.buechergilde.de
      Avatar
      schrieb am 19.03.03 19:43:45
      Beitrag Nr. 82 ()
      Sittin könntest du pro Tag nur einen langen Text reinstellen. Dann kann man über diesen diskutieren. Ich habe wirklich nicht die Zeit deine Texte zu lesen, geschweige denn etwas dazu zu sagen. Weniger ist manchmal mehr.
      Avatar
      schrieb am 19.03.03 21:15:04
      Beitrag Nr. 83 ()
      OK!


      Das geht! ;)
      Avatar
      schrieb am 21.03.03 00:47:57
      Beitrag Nr. 84 ()
      Johannes Heinrichs:




      SPRUNG AUS DEM TEUFELSKREIS

      Kapitel:
      DIE LIEBE UND DAS LIEBE GELD




      "Der Kostenpunkt scheidet uns voneinander."
      (Ingeborg Bachmann, Die Zikaden, München 1962, 110)
      Liebe kann unter den Bedingungen des heutigen Geldwesens in vielfacher Hinsicht schlecht gedeihen. Das scheinbar Private hängt von der öffentlichen Institution des Geldwesens ab. Erst recht Liebe in ihren nicht so privaten, die Menschheit umfassenden Formen, wie die Fernstenliebe zu den täglich Verhungernden, Hoffnungslosen und Unterdrückten.

      6.0.1. Einleitendes


      6.0.1.1. Tausch und Freundschaft
      "Beim Geld hört die Freundschaft auf", heißt es oft. Was wir hier leider manchmal erfahren müssen, läßt sich philosophisch beschreiben. Der auf der wirtschaftlichen Ebene berechtigte Eigennutz schlägt in die Sphäre der höheren (kommunikativen) Gegenseitigkeit der Freundschaft durch, weil die derartige Gegenseitigkeit zu schwach ausgeprägt ist.[42] Das Strukturgesetz von Freundschaft kann das ihm vor- oder untergeordnete Gesetz des (strategischen) Eigennutzes nur in sich "aufheben" (bewahren und in die höhere Stufe integrieren), wenn die eigentliche Freundschaft stark genug ausgeprägt ist. Wo die scheinbare Freundschaft nur ein strategisches Zweckbündnis ist, zerbricht sie, sobald finanzielle Konflikte auftreten, die nicht mehr überwindbar zu sein scheinen.
      Kennzeichnend für Freundschaft sind nicht der wohlberechnete Gütertausch oder die jeweilige Interessenverfolgung, sondern das freigebige Schenken. Wo dieses nicht funktioniert, selbst wenn es eine Zeit lang einseitig bleiben kann, wo die Gefühle des Ausgenutztwerdens oder die Absicht der Ausnutzung sich einschleichen und tonangebend werden, hält die Freundschaft nicht stand. Leider ist ein Großteil unseres heutigen Schenkens insgeheim zu Gütertausch oder Zweckbündnis verkommen. Wer kann noch schenken und ein Geschenk annehmen, ohne gleich an Ausgleich zu denken? Das vertrauensvolle, liebevolle Umsonst wird erdrückt vom allgemeinen Tauschdenken.
      Es scheint: Gerade weil Tausch da, wo er zurecht maßgebend und in Ordnung ist (im wirtschaftlichen Gütertausch zu beiderseitigem Überleben und Vorteil), er aber vom Geld als Kapital überfremdet und in seinem richtigen Funktionieren völlig verdunkelt wird, schleicht sich als "Ersatz" ein verkürzendes Tauschdenken dort ein, wo die höhere Gegenseitigkeit des nicht berechnenden Schenkens am Platze ist.

      6.0.1.2. Käufliche Liebe
      Hört nicht auch die Liebe leicht auf, wo Geld ins Spiel kommt? Statt Ausdruck zu sein von Liebe als Freiheit mitsamt ihrer wunderbaren paradoxen Fähigkeit, sich selbst wegzugeben, wird im Extremfall die völlig losgelöste Sexualität zum Ausdruck der Ausbeutung eines gesellschaftlichen Liebes-Notstandes, als käufliche Liebe; ganz zu schweigen vom ökonomischen Notstand der Prostituierten, wird hier der Versuch gemacht, mit Geld etwas grundsätzlich nicht Käufliches zu erlangen.
      Prostitution ist die zur öffentlichen Unkultur der Liebe notwendige Subkultur. Sobald und solange es diese Subkultur in größerem Umfang gibt, ist sie ein untrügliches Anzeichen dafür, daß in einer Kultur die Liebe Schaden nimmt. Insofern stellt das Naserümpfen anständiger Bürger über die unanständigen Individuen ein Beispiel für die individuelle Moralisierung eines gesellschaftlichen Problems dar. Prostitution beinhaltet weniger ein individuelles Fehlverhalten als vielmehr einen öffentlichen Notstand.
      In einer Gesellschaft stimmt Grundlegendes nicht, in der Menschen den wahnwitzigen Versuch machen müssen, sich Liebe zu erkaufen. Nicht einmal das sexuelle Begehren als solches kann ohne Gegenseitigkeit und ohne Begehrtwerden der/des anderen zur Befriedigung gelangen. Was weiters nicht stimmt, ist unter anderem die noch fortwirkende traditionelle Sexual- und Ehemoral, welche die Prostitution notwendig machen, indem sie die Ehe zum Besitzverhältnis abstempeln, indem sie auch inhalts- und lustlos gewordene Ehen zum einzig legitimen Ort sexueller Begegnungen erklären und indem sie die unverklemmte Begegnung der Geschlechter mit echten Verantwortungsmaßstäben blockieren.
      Die gewerbliche und quasi-gewerbliche Ausübung käuflicher "Liebe" bildet aber nur einen Ausschnitt aus dem größeren Bereich der verdeckten, informellen Prostitution: Erpressung wirtschaftlich und sozial abhängiger Menschen zu sexuellen oder anderen Handlungen. Das Wirtschaftliche dringt auf breiter Front ins Spiel der Liebe ein.

      6.1. Ehe als Wirtschafts- oder Liebesgemeinschaft?
      Nicht fern liegt die These, die Institution der Prostitution sei die logische Ergänzung zum traditionellen Eheverständnis: Ehe als Vertrag, der zum mindesten dem Mann das ausschließliche Recht auf den Körper der Frau gibt, sowie die Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft.
      Historiker belehren uns, daß die eigentliche Liebesehe kulturgeschichtlich neu sei. Manche kirchlich orientierte Soziologen erblicken in der Verbindung von Ehe und Liebe gar die eigentliche sexuelle Revolution (Andrew Greely in "Erotische Kultur"). Doch diese Version ist eher ein Manöver, die durch die sexuelle Revolution unseres Jahrhunderts längst in Gang gekommene Loslösung von Liebe und Ehe zu überdecken. Die enorm gestiegenen Scheidungsziffern bestätigen: Wo Liebe in der Ehe nicht mehr erlebt wird, hält man sie nicht mehr für sinnvoll fortsetzbar. Der Ausstieg wird oft unter erheblichen materiellen Opfern gesucht, mit oder auch ohne schon vorhandene Aussicht auf eine neue, dauerhafte Liebe.
      Es sind zwei Strömungen zu unterscheiden: Zum einen die Entflechtung der Wirtschaftsgemeinschaft Ehe von der Liebe. Vor allem die Frauen sind in großer Zahl nicht mehr bereit, aus wirtschaftlichen Rücksichten die Ehe fortzuführen. Sie finden den Mut zum Ausstieg, auch wenn er mit großen wirtschaftlichen und sozialen Unsicherheiten (der alleinerziehenden Mütter beispielsweise) verbunden ist. Daß die Ehe in hohem Maße Wirtschaftsgemeinschaft war und immer noch ist, läßt sich bei aller Beschwörung der Heiligkeit der Ehe nicht leugnen. Gerade deshalb läßt sich die These, Prostitution sei die allzu logische Ergänzung zur Ehe als wirtschaftlicher Zwangsgemeinschaft, nicht von der Hand weisen: Der gemeinsame Nenner ist wirtschaftliche Nötigung!
      Zum anderen geht es in der Diskussion um die Ausschließlichkeit des sexuellen "Besitzes", also um sexuelle "Treue" und freie Liebe. "Liebe kann nicht eingezäunt werden", schreibt Sabine Lichtenfels in einem mutigen Buch dazu:
      "Liebe ist keine Privatsache. Das weiß die neue Frau. Du kannst nur treu sein, wenn du auch andere lieben darfst. Treue bewährt sich nicht durch die Ausschließung, sondern durch die Einbeziehung anderer. Das ist ein selbstverständlichen Prinzip einer neuen weiblichen Ethik. Eifersucht gehört nicht zur Liebe, sondern zu einem krankhaften System von Verlustangst und Mißtrauen. Für die Verwirklichung freier Liebe und dauerhafter Treue brauchen wir Gemeinschaften, in denen Wahrheit, Transparenz und Vertrauen entstehen können. Die Befreiung der Liebe von Angst, Einengung, Anklammerung und falschen Treueschwüren geschieht durch Vertrauen. Treue entsteht dort, wo wir selbst uns entscheiden, dem, was wir lieben, treu zu werden und dafür öffentlich einzutreten. Wenn eine Frau im Zustand der Liebe ist, kann sie niemals verlassen werden."[43]
      Diese prekäre Diskussion kann hier nicht zu Ende geführt werden. Zu bejahen ist jedenfalls - hierin liegt die Verbindung der beiden Strömungen wirtschaftliche Emanzipation der Ehe und "freie Liebe" - die radikale Entflechtung von Liebe und wirtschaftlichem Besitzdenken.
      Erst wenn die Ehe von finanziellen Zwängen befreit ist, die von den jetzigen Steuervorteilen für Verheiratete geradezu staatlich gefördert werden, wird deutlicher werden, wie sich die falschen Besitzansprüche auf Seele und Körper des anderen Menschen auswirken und der positive Sinn von freier Treue als der zeitlichen Dimension der Liebe klarer erlebbar werden.
      Der im vorigen Kapitel besprochenen überrationalen Wertung und zwischenmenschlichen Wertekommunikation ist gerade in Sachen Liebe und menschliche Verantwortung mehr Kompetenz beizumessen als kirchlich-staatlichen Gesetzesvorschriften. Verantwortungsbewußtsein und soziale Kommunikation in Werten funktionieren nur unter Bedingungen der Freiheit und der zugetrauten Entscheidungsfähigkeit.

      6.1.1. Exkurs über Geld und Liebe bei Marx
      Wieviel am Menschen ist käuflich und verkäuflich im bestehenden Geldsystem? Karl Marx hat die geheimnisvolle Macht des Geldes, alle natürlichen Werte zu verkehren, treffend zur Sprache gebracht:
      "Das Geld verwandelt die Treue in Untreue, die Liebe in Haß, den Haß in Liebe, die Tugend in Laster, das Laster in Tugend, den Knecht in den Herrn, den Herrn in den Knecht, den Blödsinn in Verstand, den Verstand in Blödsinn.(...) Setze den Menschen als Menschen und sein Verhältnis zur Welt als ein menschliches voraus, so kannst du Liebe nur gegen Liebe austauschen, Vertrauen nur gegen Vertrauen etc. Wenn du die Kunst genießen willst, mußt du ein künstlerisch gebildeter Mensch sein; wenn du Einfluß auf andere Menschen ausüben willst, mußt du ein wirklich anregend und fördernd auf andere wirkender Mensch sein. Jedes deiner Verhältnisse zum Menschen - und zu der Natur - muß eine bestimmte, dem Gegenstand deines Willens entsprechende Äußerung deines wirklichen individuellen Lebens sein. Wenn du liebst, ohne Gegenliebe hervorzurufen, das heißt wenn dein Lieben als Lieben nicht die Gegenliebe produziert, wenn du durch eine Lebensäußerung als liebender Mensch dich nicht zum geliebten Menschen machst, so ist deine Liebe ohnmächtig, ein Unglück."[44]
      Das Geld aber bringt diese natürlichen Verhältnisse völlig durcheinander und macht sie unkenntlich. Es entsteht eine allgemeine Käuflichkeit, für den, der über diesen Joker ausreichend verfügt: Liebe, Wissen, Wahrheit, Bildung, Kunstverstand, Schönheitssinn, Geltung und Ehre, politische Macht, selbst das Recht, werden allesamt käuflich. Wer meint, hier handle es sich (zumindest im Hinblick auf heute) um Übertreibungen eines Prinzipienreiters, hat bisher nur einen kindlich naiven Einblick in unsere sogenannte demokratische, an den kommunikativen, "menschlichen" Werten orientiert sein wollende Gesellschaft gewonnen.
      Heute wird der Zusammenbruch des sogenannten Sozialismus[45] zum Vorwand genommen, Marx für schlechthin widerlegt und unsere Demokratie für "in Ordnung" zu halten: eine gewaltige Täuschung der Gedankenlosigkeit.
      Gerade am Beispiel Liebe will Marx verdeutlichen, daß alles am Menschen und in der Gesellschaft zum Tauschwert gegen das heutige "Äquivalenzmaß" Geld verfälscht werden kann, während die echten Qualitäten des Menschen ebenso wie die echten Gebrauchswerte der Güter auf einmal eine untergeordnete Rolle zu spielen beginnen. Marx hat allerdings nicht gesondert hervorgehoben, was genau am Geld es ist, was ihm eine derart "entfremdende" Rolle für das zwischenmenschliche Leben gibt.
      So kann der Eindruck entstehen, daß er das Geld als solches, zusammen mit dem Verhältnis zwischen Geldbesitzer und Arbeiter, für dieses gesellschaftliche Unheil verantwortlich machte. Silvio Gesell gewann die zugespitzte Einsicht, daß speziell die Zinswirtschaft das Geld vom Tausch zum sich selbst vermehrenden Akkumulationsmittel und somit zum Unheil macht, indem es selbst von seiner primären Funktion entfremdet wird, allgemeines Tauschmittel, also gesteigerte Ermöglichung und Erleichterung des Gütertausches zu sein. Es sollte, von der Liebe als Hauptbeispiel ausgehend, auf die alle menschlichen und gesellschaftlichen Werte verfremdende, den Menschen also sich selbst und seinesgleichen wie seinem Arbeitsprodukt entfremdende Wirkung allgemeiner hingewiesen werden.

      6.2. Ungeliebte Arbeit als "Prostitution"
      Im Unterschied zur Liebe scheint die Arbeitskraft des Menschen käuflich zu sein. Dabei gibt es eine ständige Nötigung durch das Geld im Bereich jenes gesellschaftlichen Handelns, das wir Arbeit nennen.
      Nicht bestritten wird, daß Arbeit sowohl aus der Sicht des einzelnen wie auch der Gesellschaft notwendig und sinnvoll ist. Vergessen wurde aber, daß Arbeit trotz ihrer Mühe Freude machen kann und soll, daß sie auf jeden Fall als sinnvoller Dienst an der Gesellschaft erfahren werden muß. Nicht alle Erfahrung oder Ahnung von Sinn ist allerdings zugleich unmittelbare Lust- und Glückserfahrung.
      Wo der Mensch mit seiner Liebe wie mit seinem ganzen Streben und Tun käuflich wird, indem wirtschaftliche Not, indem ein ganzes System ihn dazu zwingt, Dinge zu tun, die er aus freiem Antrieb niemals tun würde, kommt so etwas wie allgemeine Prostitution im übertragenen Sinne zustande.
      Wo Menschen sich ohne Freude an der Mühe der Arbeit - und sei diese Freude "nur" die Einsicht, daß ihre Arbeit ein Dienst fürs soziale Ganze ist - "verdingen", sich demnach zum Ding herabwürdigen müssen, gleicht die Arbeit der Prostitution.
      Wie Prostitution eine Karikatur von Liebe, sogar von lustvoller sexueller Liebe, darstellt, so auch die Arbeit, die nicht im Bewußtsein eines sozialen Dienstes getan werden kann. In Arbeit ohne Liebe, also in sinnloser Arbeit oder seiner persönlichen Natur widerstrebender Arbeit, prostitutiert sich der Mensch. Die Arbeit, die eigentlich mit Liebe (wenn auch nicht immer ohne Mühe) verrichtet werden müßte, wird ausschließlich um des Geldes willen geleistet. Wo dies auf Dauer und in großer Breite geschieht - und das ist in unseren reichen Ländern mit ihrer Überproduktivität ebenso der Fall wie in den sogenannten Entwicklungsländern - , handelt es sich um eine Entwürdigung des einzelnen und um einen gesellschaftlichen Mißstand: Er ist einer der vielen Folgen unseres monetären Systems.
      Woran liegt es sonst, daß die Mehrzahl der Menschen ihre Arbeit nicht als Beitrag zu einem großartigen, sinnerfüllten Ganzen liebt, daß die meisten Menschen vielmehr den (ebenfalls kapitalistisch dirigierten) kurzen Jahresurlaub als ihre eigentliche Lebenszeit fixieren? Diese Überbewertung des Urlaubs entspringt der Lust- und Geistlosigkeit unseres Arbeitsbetriebes, und diese wiederum den monetären Grundlagen unseres Systems.
      Die Begleiterscheinung der prostituierten Arbeit primär im Dienste des Geldsystems ist die Arbeitslosigkeit. Wenigstens durch sie sieht sich unser heutiges Wirtschaftssystem selbst in Frage gestellt, wenngleich nur deshalb, weil sie mittlerweile zu kostenaufwendig wird. Anfang der achtziger Jahre machte sich bereits eine strukturelle Arbeitslosigkeit mit über einer Million Arbeitsloser in der Bundesrepublik Deutschland deutlich bemerkbar. Der politische Zynismus, mit dem damals bereits eine Zweidrittel-Gesellschaft - demnächst ist es eine Einfünftel-Gesellschaft - der am wirtschaftlichen Leben positiv beteiligten Menschen in Kauf genommen wurde, wird heute erst durch die öffentliche Geldnot, durch die nicht mehr tragbaren Kosten und Steuerausfälle, in Frage gestellt. Wäre es nicht zu teuer, würde man die Nichtbeteiligung eines kritisch hohen Prozentsatzes der Bevölkerung am wirtschaftlichen Leben weiter in Kauf nehmen.

      6.2.1. Opportunismus
      Die menschliche Würdelosigkeit, mit der nicht allein die Arbeitskraft, sondern darüber hinaus Wahrheits- und Wertüberzeugungen, auch Werte der Liebe und Freundschaft, wegen vordergründiger Vorteile preisgegeben werden, hält jeden Vergleich mit der bloß körperlichen und aus der Not geborenen Prostitution aus!
      Diese Zeitkrankheit Opportunismus, von der wir gegenwärtig in geschichtlich nie dagewesenem Ausmaß befallen sind, kann man zutreffend als geistige Prostitution bezeichnen.
      Wir leben in einer Gesellschaft der unerhört florierenden Geistes- und Seelenprostitution. Das ist keine Subkultur, wie das daneben noch harmlose sexuelle Prostitutionswesen, sondern eine Krankheit der Kultur selbst.
      Opportunismus bedeutet: (unnötige) Verleugnung höherer Werte um vordergründiger Vorteile willen.[46] Wird Opportunismus zur Zeitkrankheit, ist er mit einer allgemeinen Wahrheits- und Wertrelativierung verbunden. Was bedeutet diese Art sozialer "Wendigkeit" in Bezug auf Liebe?
      Es bedeutet, daß jemand hohe Werte der Liebe der vordergründigen Lust oder den vordergründigen sozialen und finanziellen Vorteilen opfert.
      Was unter den eigentlichen Opportunismus in Liebesdingen fällt, sind vor allem die Verleugnung oder Vernachlässigung der Freundschaft um eines anderen Vorteils willen. Es geht dabei also um das `Nichtstehen` zu einer Freundin oder einem Freund, obwohl sie oder er es gerade nötig hätte. Wie verbreitet dieses Phänomen zu allen Zeiten war, besonders aber in Epochen geringer Freundschaftskultur wie der unseren, kann jeder Leser selbst beurteilen.
      Eine andere Art von Opportunismus scheint allerdings in früheren Zeiten mindestens ebenso floriert zu haben wie heute: die Partnerwahl aus Rücksichten, die der Liebe fremd sind, ja gegen den Spruch des Herzens - aus Gründen des sozialen Ansehens, Standes, Konfession, Berufes, der offiziellen Bildungsnormen - und natürlich wegen des "lieben" Geldes selbst.

      6.3. Menschenliebe nicht ohne Liebe zum Einzelnen
      Wie leicht wird die "Bruderliebe" von religiösen Institutionen zur salzlos-unverbindlichen, allgemeinen Menschenliebe heruntergeredet, dem der Einzelne im Grunde von Herzen gleichgültig ist! Es ist eine alte, doch in der Moderne vollends ideologisch gewordene Zumutung, prinzipiell alle Menschen (oder zumindest alle Glaubensgenossen) zu lieben - unter Verzicht auf besondere Zuneigung und Intimität mit dem einzelnen geliebten Menschen.
      Im Namen solcher (für Fanatismus anfällige, bloß allgemein Menschen liebende) können Menschen dazu gebracht werden, einzelne Mitmenschen als Hexen, Ketzer oder boshafte Feinde aus der allgemeinen "Bruderschaft" auszustoßen.
      Allgemeine Menschenliebe kann nur echt sein, wo der Einzelne in seiner Einzelheit ernstgenommen wird. Was auf viele Weisen geschehen kann. Was sich am klarsten manifestiert in der unbedingten Verbundenheit mit einem oder wenigen einzelnen Menschen. Ohne konkrete, und nicht allein karitative, Zuwendung zu Einzelnen bleibt die Liebe zu allen nur ein leeres Wort.

      6.4. Liebe zum Einzelnen nicht ohne allgemeine Humanität
      Doch die Liebe zu Einzelnen kann, so wahr sie Liebe ist, auch umgekehrt die Menschheit nicht vergessen. Die allgemeine Menschenliebe folgt, wo sie echt ist, aus dem religiösen oder spirituellen Charakter der Liebe, sei es rein humanistisch-spirituell, sei es gottgläubig-religiös, wie immer man Gott versteht.
      Wie wir die Menschheit und Menschenliebe heute zu sehen haben, ist eindeutig: als eine zusammengewachsene Sechsmilliarden-Einheit, in der 90 % an Mangel leiden. Jedes der großen Ballungszentren ist mit dem Flugzeug innerhalb eines Tages zu erreichen. Kaum gibt es noch Menschen, die nicht die konkrete Einheit der Menschheit spüren. Was sie allerdings auch spüren und wofür wir Westler oder Bewohner der Nordhalbkugel so unempfindlich sind, ist die unerhörte Trennung dieser einen Menschheit durch Armut und soziales Elend - immer noch durch den Hunger!
      Mitleid mit den Armen ist keine Liebe, solange ich mich nicht selbst als einer von ihnen fühle und ihr Leid mein eigenes ist, das ich nicht mehr vergessen kann. Liebe geschieht nie vom hohen Roß herab.
      Wer immer sich auf Liebe berufen will, darf die Zuwendung zum einzelnen nicht als Vorwand nehmen für Gedankenlosigkeit im Hinblick auf Weltzusammenhänge. Wohl mag der einzelne seinen Beruf wie seine innere Berufung zunächst im kleinen Kreis oder im Dienst an einzelnen sehen: als Handwerker(in), Lehrer(in), Arzt (Ärztin) oder Therapeut(in), oder "einfach" als Mutter (Vater). Nicht jeder muß auch im gleichen Maße politisch interessiert sein, einfach weil die Begabungen und Interessen zum Glück vielfältig sind.
      Doch gerade der Geist der Liebe fordert heute, in einer zusammengewachsenen Welt, sich Gedanken über die allgemeinen, nationenübergreifenden Strukturen von Recht oder Unrecht, von Wohlfahrt oder Elend zu machen.
      Die "Dritte Welt" ist in vielfacher Weise unsere eigene Welt, nicht zuletzt deshalb, weil wir deren Güter kaufen und unsere an sie verkaufen. Durch diese Tausch- und Geldgeschäfte greifen wir (kollektiv, aber auch einzeln) zutiefst in deren Sozialstrukturen ein. Wir können nicht die Unbeteiligten spielen.

      6.4.1. Menschenliebe als beständiges Sinnen auf Veränderung
      Wer von Menschenliebe spricht, braucht heute nicht mehr wie ein Albert Schweitzer in die Dritte Welt zu gehen. Er muß hier bei uns auf grundlegende Änderung hin denken und handeln. Es ist nicht mit jenen Alibi-Kollekten immer noch missionierender und karitativer Institutionen getan.
      Solche Maßnahmen, sofern sie nicht ereignishafte Katastrophenhilfe darstellen, sind ähnlich dazu geeignet, die strukturellen Grundprobleme der Weltwirtschaft ideologisch zu verschleiern, wie die bekannten Appelle an Liebe, Hilfsbereitschaft, Friedfertigkeit und sonstige Ethik der einzelnen.
      Liebe zum Menschen allgemein kann heute nur rastloses Bedenken und Vorbereiten der Veränderung bedeuten.
      Der Liebe fehlt es nicht zuerst in der Dritten Welt an durchdachter "Gesellschaftsfähigkeit", sondern vor allem bei uns selbst, solange wir uns gedankenlos einer Illusion von stets wachsendem Wohlstand und von funktionierender Demokratie, unter den gegenwärtigen monetären und verfassungsmäßigen Bedingungen, hingeben.
      Demokratie kann nicht funktionieren, solange in ihr die Wirtschaft als das Basissystem alles dominiert und solange diese selbst vom Zinssystem hoffnungslos verzerrt wird. Unsere sogenannte Politikverdrossenheit braucht sich gar nicht diffamierend gegen einzelne Politiker zu richten und an ihnen abzureagieren. Wir brauchen diese wertvollen Verdrossenheits-Energien für intelligente Strukturveränderungen.
      Viele Rädelsführer und unbewußt profitierende Rädchen des Systems haben alles Interesse daran, die Liebe als bloße Gefühlsseligkeit zu sentimentalisieren. Es ist das Interesse von Trägheit und Egoismus derer, die auf die Sonnenseite des Lebens geraten sind, ohne die dafür erforderliche Intelligenz und Charakterstärke mitzubringen.

      6.4.2. Die ideologische Entgegensetzung von Kopf und Herz
      Der intensiv Liebende denkt bekanntlich ständig an den anderen Menschen, mit Kopf und Herz. Liebe ist ein Denken mit Gefühlsresonanz. Die Gefühle selbst sind eine Art "gelebtes Denken" - im Unterschied zum Nach-denken, das sie so gern "aufklären" will, ohne jemals zu Ende zu kommen.
      Deshalb ist nur der stark Erlebende zum professionellen Denken geeignet. Wir brauchen nicht den Kopf zu verleugnen, um das Herz sprechen zu lassen, wie uns heute modische Oberflächen-Psychologien weismachen wollen.
      Es vergeht kaum eine Diskussion außerhalb der akademischen Tabu-Zonen, ohne daß diese unselige Entgegensetzung zugunsten des Gefühls gemacht wird, als Ventil und Rache dafür, daß die gefühlsmäßige Ganzheit des Menschen ihrerseits innerhalb der Universitäten zugunsten des angeblich reinen Denkens verleugnet wird. Lieber ein von eigenen Gefühlen geleitetes als ein von parteilichen Interessen korrumpiertes Denken!
      Die Sackgassen des Abendlandes gehen nicht auf seine tatsächlich besondere Kultivierung des Denkens zurück, sondern auf falsches und oberflächliches Denken und dessen Verwirrung. Die größten denkerischen Leistungen Deutschlands (zur Zeit des deutschen Idealismus) gingen Hand in Hand mit größter künstlerischer Empfindsamkeit und Produktivität, übrigens auch mit politischer Veränderungskraft.
      In vielem eilen Gefühl und Intuition dem Denken voraus. Die Einsichten Gesells waren ohne viel Intuition gar nicht möglich. Sie waren zweifellos auch von dem Gefühl getragen, das unzählige Menschen haben: daß etwas mit unserem Geldsystem von Grund auf nicht stimmt. Es ist die Hellhörigkeit des Denkens auf solche Gefühle, geleitet vom unbeirrbaren Wahrheitswillen, wodurch es gelingt, das dunkel Gefühlte klar zur Sprache zu bringen.
      Auf nationaler wie menschheitlicher Ebene zeigt sich Liebe nicht als kraftloses Schwärmen und Bemitleiden, sondern als erfinderisches, klares Denken und Handeln mit Mut.
      Wie las ich kürzlich auf einem Werbeplakat? "Mut tut gut." Er hat geradezu therapeutische Wirkung in der kapitalistischen Gesellschaft des Opportunismus, der billigen Käuflichkeit von Überzeugungen.


      http://www.uni-ulm.de/uni/intgruppen/memosys/tkreis08.htm
      Avatar
      schrieb am 21.03.03 13:57:23
      Beitrag Nr. 85 ()
      Warum Menschen, die eine Außenseitermeinung vertreten, durchschnittlich besser informiert sind, als Menschen, die eine weit verbreitete Meinung vertreten



      Jeder, der sich gerne mit Außenseitermeinungen beschäftigt, stellt irgendwann ein merkwürdiges Phänomen fest: Vertreter von Außenseitermeinungen sind besser informiert, als Vertreter von weit verbreiteten Meinungen! Und nicht nur das: Sie argumentieren sachlicher, geben im allgemeinen die zur weiteren Informationsuche nützlicheren Quellenangaben und machen meist weniger sachliche Fehler.
      Kaum zu glauben? Ist aber so.

      Nur heißt das halt noch lange nicht, daß Außenseitermeinungen häufiger richtig sind, als weit verbreitete Meinungen. Tatsächlich hat dieser Effekt ganz andere Ursachen:


      Wie kommt man zu einer weit verbreiteten Meinung?
      Man interessiert sich eigentlich kaum für das Thema und verläßt sich deshalb darauf, daß das was "alle" sagen, schon stimmen wird. (Wer "alle" sind hängt dann aber vom persönlichen Umfeld ab... )
      Man besucht eine beliebige Hochschule und lernt dort die drei am weitesten verbreiteten Meinungen kennen, denkt kurz über deren Argumentation nach und nimmt dann das plausibelste.
      Wie oben, nur daß diesmal eine Bibliothek oder Buchhandlung die Quelle ist, in der - wie meist - nur die verbreitetsten Meinungen vertreten sind.
      Auf all diese Möglichkeiten, zu einer weit verbreiteten Meinung zu kommen, kann natürlich eine Phase folgen, in der der Besitzer dieser Meinung sich sorgfältig informiert. Das ist aber gemessen an der Zahl der Besitzer dieser Meinung relativ selten, da es so viele Themen gibt, zu denen man IRGENDEINE Meinung in sein Weltbild integrieren muß, um im Alltag handlungsfähig zu sein, daß jeder nur bei einem Bruchteil von unter einem Prozent seiner eigenen Meinungen wirklich eine gründliche Meinungsbildung betreiben kann. Manche Leute bilden sich dagegen in ihrem ganzen Leben kein einziges Mal eine eigene, wirklich unabhängige und fundierte Meinung.
      Wie kommt man zu einer Außenseitermeinung?
      Man hat eine der weitverbreiteten Meinungen und stößt auf einen Hinweis, daß sie höchswahrscheinlich falsch ist. Daraufhin leitet man eine gründliche Meinungsbildung ein und kommt zu dem Ergebnis, daß eine der Außenseitermeinungen richtig ist - oder erfindet selber eine neue Außenseitermeinung.
      Man hat einen nahen Verwandten oder nahen Bekannten, der eine so intensive Meinungsbildung betrieben hat. Und ist dadurch gut über das Thema informiert.
      Man gehört einer Sekte an.
      Die ersten beiden Möglichkeiten führen zwangsläufig dazu, daß der Betreffende sich überdurchschnittlich gut informiert hat. Die dritte Möglichkeit hat den Nebeneffekt, daß man von dem Betreffenden die Meinung vermutlich nur dann erfährt, wenn man derselben Sekte angehört. Diese Meinung fällt also bei der Beschäftigung mit Außenseitermeinungen in den meisten Fällen unter den Tisch. Ausnahmen bilden nur Bücher aus Sekten mit so guter und klarer Beweisführung, daß sie auch von Außenstehenden weiterempfohlen werden.
      Was passiert, wenn man eine Außenseitermeinung hat?
      Das ist jedoch nur der erste Schritt der Ursachenkette für die durchschnittlich bessere Informiertheit der Vertreter von Außenseitermeinungen. Das offene Vertreten einer Außenseitermeinung außerhalb des geschützten Rahmens, den eine geschlossene Gruppe mit derselben Meinung bietet, hat nämlich aus folgenden Gründen einen erheblichen erzieherischen Effekt:
      Man bekommt von der Gegenseite oft persönliche Beleidigungen und unsachliche Argumentation zu hören, ohne sich wirkungsvoll wehren zu können, wenn man sich selber jedoch einen solchen Fehler erlaubt, bekommt man das sofort von allen Seiten vorgeworfen. Also bemüht man sich um sachliche, gut belegte Argumentation oder schweigt. (Und von denen, die schweigen, merkt man natürlich bei der Suche nach weiteren Informationen nichts.)
      Bei der Suche nach neuen Informationen, macht man die Erfahrung, daß es nicht mehr reicht, in die nächste Buchhandlung oder Bücherei zu gehen und zu fragen, welches denn ein Standartwerk zum Thema ist, sondern daß man bei der Suche nach guter Literatur zu Außenseitermeinungen zum größten Teil auf gute Qellenhinweise anderer mit dem Thema Beschäftigter angewiesen ist.
      Durch diese Erfahrung lernt der Betreffende, daß Quellenhinweise etwas Wertvolles sind, und achtet deshalb auch selbst darauf, gute Quellenhinweise zu geben.
      Eine Außenseitermeinung wird nie ohne Beweise als richtig akzeptiert, jeden Fehler in der Beweisführung reibt einem irgendwann jemand unter die Nase, jede Schwäche bekommt man vorgeworfen. Man erhält also in der Summe einen sehr ausführlichen Unterricht in sauberer Beweisführung.
      Daraus läßt sich schließen: Für labile Persönlichkeiten ist es ratsam, sich vom Vertreten von Außenseitermeinungen fernzuhalten. Das Maß an persönlichen Angriffen, das Vertreter von Außenseitermeinungen abbekommen, könnte über die eigenen Kräfte gehen.
      Wer aber fähig ist, das schadlos zu verkraften, für den lohnt sich das offene Vertreten einer Außenseitermeinung, weil er daraus viel lernen kann.

      In absoluten Zahlen: Gibt es mehr gut informierte Vertreter von Außenseitermeinungen oder von weit verbreiteten Meinungen?
      Keine Ahnung.
      Das ist ungefähr so, als hätte jemand einige Stecknadel in einen großen Heuhaufen geschmissen und ein paar andere in eine Schachtel, wo eine Handvoll Heu drin ist. Es ist praktisch unmöglich, alle Stecknadeln im Heuhaufen zu finden - ja sogar nur ein Zehntel der Stecknadeln aus dem Heuhaufen wieder herauszufischen ist nahezu unmöglich. Aber die Stecknadeln in der kleinen Schachtel, die findet man alle wieder. Nur die Frage, wo denn nun mehr reingeworfen wurden Heuhaufen oder Schachtel - läßt sich durch Stecknadeln wieder heraussammeln nicht sicher klären.

      Vergleichbar ist das mit dem wirklich gut informierte Leute zu einer weit verbreiteten Meinung finden - zwischen den ganzen schlecht informierten Besserwissern, sind sie wirklich so schwer aufzustöbern, wie eine Stecknadel im Heuhaufen. Gut informierte Leute zu einer Außenseitermeinung finden, ist dagegen ganz einfach - man bekommt sie von nahezu allen, die diese Meinung offen vertreten geradezu aufgedrängt.



      Aufgrund der aufgeführten Mechanismen nehme ich an, daß Menschen, die in irgendeinem Bereich eine Außenseitermeinung offen außerhalb des Rahmens einer Gemeinschaft, die diese Außenseitermeinung teilt, vertreten oder über einen längeren Zeitraum vertreten haben, im großen und Ganzen ein realistischeres Weltbild haben, als Menschen, die in keinem Bereich eine Außenseitermeinung offen vertreten. Und zwar unabhängig davon, ob diese Außenseitermeinung zutrifft. Nachbemerkung:
      Eine Frau, die sechs Jahre studiert hatte - Biologie - und jetzt in der Krebsforschung arbeitet, las diesen Text und meinte, sie hätte aber überhaupt nicht den Eindruck, daß Vertreter von Außenseitermeinungen (in der Medizin) besser informiert seien, als Vertreter von häufigen Meinungen.

      Ich war zuerst einmal überrascht, ob dieser Antwort - bei ihrem Beruf mußte sie eigentlich irgendwo schon einmal gelernt haben, was der Begriff repräsentative Stichprobe bedeutet.

      Und sie müßte sich an fünf Fingern abzählen können, daß ihr persönlicher Bekanntenkreis zweiffellos keine repräsentative Stichprobe aus der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland darstellt. - Zumindest die in der Krebsforschung arbeitenden gut informierten Fachleute, die weit verbreitete Meinungen verteten, dürften erheblich überrepräsentiert sein.

      Abgesehen davon mag sie einiges für Außenseitermeinungen halten, was in unserer Gesellschaft ganz gewiß keine außenseitermeinung mehr ist. Beispielsweise gibt es - wie jeder mit einem kurzen Blick ins Telefonbuch feststellen kann eine erheblich Anzahl an Heilpraktikern - etwa ein drittel bis ein Viertel der Anzahl der Ärzte. Die weitaus meisten Heilpraktiker machen unter anderem auch homöopathie - und von daher kann man die behauptung, daß Homöopathie eine brauchbare Heilmethode sei, wohl kaum als Außenseitermeinung in unserer Gesellschaft betrachten

      Quelle: Reiche ich nach...
      Avatar
      schrieb am 24.03.03 20:16:38
      Beitrag Nr. 86 ()
      Georg Simmel im 21. Jahrhundert
      Textinterpretationen aus heutiger Perspektive


      Das Geld: Wirkungen auf das individuelle und kollektive Handeln


      Monica Thoma
      Gertrudstrasse 58
      8003 Zürich

      Zürich, im Oktober 2000





      . . .
      Die Kulturkritische Sicht Simmels kann besonders deutlich an der modernen Gentechnik verdeutlicht werden. Es schien bei der Entschlüsselung des menschlichen Genoms vor allem um eine Frage des Profits zu handeln. Um Investitionen in diesem Feld anzuregen, wurde vorallem die Nützlichkeit solcher Forschungserkenntnisse für die Behandlung von bisher unheilbaren Krankheiten hervorgehoben. Hat man aber die Bedeutung des Wetttkampfs mit der Zeit für die in diesem Feld tätigen Unternehmen beachtet, bleibt ein übler Nachgeschmack. Das Ziel dieser Firmen schien eher die Erzielung möglichst hoher Börsengewinne zu sein, als die tatsächliche Nutzung dieser Technologien zur Verbesserung menschlichen Lebens. Wenn man die heutige Situation unter die Lupe nimmt, zeigt sich, dass viele Krankheiten mittels Gentechnik zwar vor Ausbruch der Symptome diagnostiziert werden können, eine Mögliche erfolgreiche Therapie der Krankheit mittels Gentechnik oder anderen Mitteln aber immer noch aussteht. Natürlich kann damit argumentiert werden, dass die nutzenbringenden Erkenntnisse erst aufgrund hoher Investitionen in Gentechnik-unternehmen zustande kommen. Das mag auch stimmen. Der springende Punkt ist hier aber, dass mit diesem Beispiel verdeutlicht wird, dass das Geld in den Köpfen der Menschen zum Mittelpunkt und zur hauptsächlichen Antriebskraft ihres Handelns geworden ist. Die Seele des Menschen spielt eine immer geringere Rolle. Die Wissenschaft und die darin enthaltene Möglichkeit des immer berechenbareren Umgangs mit unserer Wirklichkeit wird zum Glaubensbekenntnis des modernen Menschen. Das Bewusstsein darüber aber, das der Mensch von einer nicht selbst geschaffenen natürlichen Umwelt abhängig ist, scheint ihm manchmal abhanden gekommen zu sein.

      Das Zeitbewusstsein spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Bei einem solch stark ausgeprägten Konkurrenzkampf der Unternehmungen der heutigen Weltwirtschaft, hat der Mensch immer weniger Zeit sich an Änderungen seiner Umwelt anzupassen. Eine Lösung dieses Problems kann natürlich nicht pauschal gegeben werden. Ein aus Simmels Analyse gewonnener Ansatz könnte aber darin bestehen, sich wieder stärker den grundlegenden menschlichen Bedürfnissen bewusst zu werden, sowie dem Fortschritt dementsprechende Grenzen einzuräumen.
      Avatar
      schrieb am 27.03.03 12:57:32
      Beitrag Nr. 87 ()
      Network solutions for global governance
      Jean-François Rischard
      16 - 1 - 2003


      Jean-François Rischard, the author of High Noon: 20 global problems, 20 years to solve them, talks to openDemocracy about his proposal for a new way of addressing the most intractable questions about the way the world is ruled.






      openDemocracy: What are you hoping to achieve with your book High Noon?

      Jean-François Rischard: High Noon is a very personal book. I wrote it in my own capacity even though I am Vice-President at the World Bank. I wrote it because I am convinced that our planet faces a whole new generation of global issues which need solving in the next two or three decades at most, and which the existing worldwide set up is not very well organised to deal with.

      I am trying to prompt the reader into lateral thinking about global governance – not the representational and hierarchical terms that we are so used to, but in terms of the possibilities offered by a networked approach.

      It’s not globalisation, stupid

      JFR: There are three parts to my analysis – detailed in the three parts of my book. The first is that there is not one big mushy force called globalisation. Rather, there are two distinct forces which will change the world massively in the next twenty years.

      The first force is population increase. We are going from five billion people ten years ago to around eight billion people twenty years from now. Our planet is already very stressed, so this growth implies a whole series of environmental and social stresses becoming even stronger.

      The second big force is the new world economy – and here I mean a much broader set of changes than the hi-tech economy people have talked about so much. This new world economy is very different from anything the world has experienced before. It will completely change the way things get done over the next twenty years. We’re only at the beginning of the changes.

      These two big forces – which I explore at more length in the book – are soaring ahead of our ability to manage them. Existing institutions – nation states, government departments, ministries or international institutions – evolve very slowly in comparison to these two big forces. As a result, there is a major governance gap, and in that gap there is a lot of trouble breeding.

      One example is the world financial crisis that has been with us now for five years, affecting country after country. Another kind of trouble is the bad mood in politics everywhere and the distrust people have that politicians will solve the big issues of the world fast enough. One of the results you see is an increasing amount of protest, as people express their discontent around big international gatherings.

      Twenty global issues

      But the biggest casualty of the gap – and this is the second part of my analysis – is the failure to solve twenty pressing global issues (see panel). And, by the way, there could be five more, or there could be only seventeen – it doesn’t really matter: the point is to identify the priorities. None of these are issues to be solved thirty, forty, fifty years from now; they are all of a type that means that we need to solve them in the next five, ten, fifteen or twenty years – if not yesterday, as in cases such as fisheries.

      In reality, these issues are not difficult or costly to solve. The short-term costs of solving them are lower than the long-term costs of not solving them. There are technical solutions for most of them. But, by and large, they are unsolved.

      TWENTY GLOBAL ISSUES

      Sharing our planet: issues involving a global commons

      Global warming
      Biodiversity and ecosystem loss
      Fisheries depletion
      Water deficits
      Maritime pollution and safety
      Sharing our planet: issues requiring a global commitment

      Massive step-up in the fight against poverty
      Peacekeeping, conflict prevention, combating terrorism
      Education for all
      Global infectious diseases
      Digital divide
      Natural disaster prevention and mitigation
      Sharing our rule book: issues needing a global regulatory approach

      Reinventing taxation for the 21st century
      Biotechnology rules
      Global financial architecture
      Illegal drugs
      Trade, investment, and competition rules
      Intellectual property rights
      E-commerce rules
      International labour and migration rules
      For analysis, see High Noon: 20 global problems, 20 years to solve them.




      The failure of existing global institutions

      JFR: The third part of my analysis is an examination of why these global issues are not being solved. Firstly, it’s important to understand how the international system works. Broadly speaking, it can be divided into four ‘chunks’. The first is treaties and conventions; the second is United Nations (UN) conferences such as those in Monterey and Johannesburg; thirdly, there are groupings of countries such as the G8 and the G20; fourthly, there are some 45 global multilateral institutions such as the World Bank, the International Monetary Fund (IMF), the World Trade Organisation (WTO) and the many UN agencies.

      These four parts of the international system do many useful things. I am not knocking them at all. But, the four parts together have not amounted to a system that will solve the big global issues.

      oD: Why not?

      JFR: Treaties and conventions are usually very slow at solving global issues. Take global environmental problems. There have been no fewer than 240 treaties put in motion since 1960. And yet in Johannesburg a few months ago the leaders of the world had to confront once more that there hasn’t been much progress in the environmental area – there has been a regression in many cases.

      This is usually for one of the following reasons. Many treaties are very slow to be ratified; it can take decades. Or when treaties are ratified they exclude some major players. Or when they are ratified they don’t have secretariats. Or they are not being enforced at all.

      The big UN conferences are very useful in raising the awareness of people worldwide about a particular set of issues for a brief time. In that sense they do play an important role. But they are not good at producing real solutions to these issues. They don’t last very long. There is no real brainstorming going on, and essentially the communiqués and calls for action are too general to amount to a detailed set of solutions.

      Groupings such as the G8 and the G20 (which is an offshoot of the G8 looking at the international financial architecture) have their own set of shortcomings. They do useful things but they are not very good at long-term problem solving. Their methodology is largely reactive.

      Another problem with G8-type groupings is their exclusiveness. India and China are not in the G8 even though one person in three on the planet lives there. Also, they tend to lack a full range of relevant knowledge. Civil servants only know so much – they need the complementary knowledge and insights that come from business and civil society.

      Then there are the global institutions such as the World Bank, IMF and the UN agencies. Many of these institutions do very useful work and often have precious knowledge. But they can’t fly solo when it comes to global problem-solving, in part because the countries that control them won’t let them. They also have far less power than is often ascribed to them by public opinion. The WTO, for example, has a very small budget. They are often criticised heavily by protestors, if only because they are the visible part of the system.

      The alternative – global issues networks, not global government

      oD: So if none of these four parts of the international system are capable of the kind of long-term problem-solving needed, what is the alternative?

      JFR: Some people advocate the creation of a global government. My view is that even if it could be done – and I very much doubt that it could be done – it would take many decades, and we don’t have that much time.

      Instead, I propose a solution that would not mean reinventing the international system but would put it under pressure to perform faster and to perform better. I have in mind something called Global Issues Networks (GINs), one for each of the twenty issues. These would be permanent networks – not on-and-off affairs like the G8-type groupings and UN conferences. They would assemble around each of the twenty global issues described knowledgeable representatives on that particular issue from three parts of societies – governments, business, and civil society groups. An existing multilateral institution would help convene each of the networks, acting as a facilitator rather than as a problem solver.

      The networks would start small and start now with just twenty, thirty or forty people with expertise on a given issue in each sector. There would be a one year long constitutional phase where the network agreed a code of conduct and put together a platform of knowledge and resources. Then, in a second phase, which could last two or three years, they would increase in size to several hundred people – still from business, government and civil society. In this second phase, they would take a problem apart. For example, take fisheries, which are being very quickly depleted; the network would analyse the sub-problems, assess how much time there is to solve it, the options, and create a vision for sustainable fisheries.

      Finally in this second phase, it would ask what are the legal norms and standards that will coax the various players towards the intermediate steps leading to that final vision of a solved fisheries problem. This would be what I term ‘norm production’.

      In the third phase, membership of a given GIN would increase from several hundred to several thousand members. This phase would last ten years or more, and in that phase the network would become more like a rating agency. Its job would now be to monitor how all the nation states of the world, all the big multinational companies and all the other big players are doing in the light of the norms and standards that have been put out by the network, and to name and shame those players that are not abiding by the standards.

      The naming and shaming phase is very similar to what happened two years ago when the Financial Action Task Force (FATF) produced forty criteria for assessing the tolerance of money laundering for any particular country. The FATF published a list of fifteen countries guilty of money laundering, and a year later half the countries on that list had passed legislation to get off it. So, imagine essentially twenty big GINs doing the same sort of thing very systematically and thoroughly, with a lot of worldwide knowledge and credibility behind them.

      oD: Many people do not perceive the global issues you describe to be crises. What would give the sense of urgency and goodwill to make the GIN idea actually work?

      JFR: It is true that for many of the twenty global issues I have listed there isn’t an outside crisis that is visible. At the same time if you look at them closely, as I do in my book, you clearly get a sense that they must be solved within the next twenty years and that many of them are actually make or break for the planet. Global warming is a good case where scientist are not exactly sure how large the problem is, but they know there is a big problem brewing. But if you wait long enough to get the evidence for it, the process may be irreversible and it could be far too late.

      ‘Expanding the concept of rogueness’

      If you don’t have an obvious crisis, the question is how to get nation states especially – territorial creatures, whose politicians have a four- or five-year electoral horizon – to think globally and fast about these issues. I think these GINs with their very particular methodology are ways to increase the pressure on the nation states by exposing their performance as global citizens in a very public way.

      Naming and shaming those who do not respond effectively could have an enormous effect. Rogue states are defined in a very narrow way these days, but what I’m describing implies an expansion in the notion of rogueness. Thus, you don’t necessarily have a crisis, but you create pressure and awareness publicly in the world as to who’s playing ball and who isn’t. You create a public opinion crisis for the countries that will be delinquent. The crisis will come first of all from people inside that country being extremely embarrassed about the behaviour of their government, and also the rest of the world being very critical about that country or that company or that player – and then actually engaging in all kinds of reprehension and other popular sanction.

      Making it work

      oD: How could this work in countries where people are not free, or powerless to put pressure on their governments?

      JFR: First, networks are flexible creatures. They can get to people who don’t have much voice in the world today. What’s more, it may prove possible to incorporate lots more people and lots more countries than we do today through existing systems. Take the example of fisheries again. One of the countries you would include in that GIN is Mauritania; it has an enormous stake in this resource, but at present has little influence in the international community. In the UN system, it has only one small voice among some 185 countries. But in a Global Fisheries Network, Mauritania would play a much larger role because of all the expertise and interested parts of society that it has. So when you cut it into twenty problem-solving vehicles, you make more room for including in a meaningful way many poor countries, who will be very glad to work on an issue they are familiar with and experienced in.

      Secondly, as I describe in my book, each of these GINs would host – as an adjunct forum but not as a decision-making vehicle – an electronic town meeting: an internet site designed to consult thousands, maybe tens of thousands, of people across the world as to what they think about the diagnostics and the solutions being discussed inside each network. Through this form of electronic democracy, which has only come up in the last few years; through the idea of ‘rough consensus’, which comes from the internet’s self-regulation world; through the peculiar methodology of the networks I describe in the book; you can help create norms and standards, and involve people genuinely concerned about the issue. So here again there is a new way to bring in new voices – people who care about fisheries or drug trading issues or about taxation or about global warming.

      I know that some academics and others may find some of these ideas naïve. But I wonder whether the real naïveté actually lies in trusting that the current international system, or minor variations of it, will deliver solutions in time. It won’t. By contrast, if we think creatively, along network lines, there’s a chance.


      gefunden bei

      opendemocracy.net
      Avatar
      schrieb am 27.03.03 19:49:48
      Beitrag Nr. 88 ()
      auch so etwas gehört mal hier rein! :)

      ************************************************
      #3027 von landingzone 27.03.03 19:38:37


      Christian Stroeble, the German Green Party MP, declared on television that an Iraqi war, in which hundreds of thousands would be killed, could not be justified by cheaper oil, while at the same time Green Party spokesmen warned that this war must be avoided at all costs, because it would lead to higher oil prices, and this would be detrimental to the world economy

      Ströbele hat versucht, ein Paradox auszudrücken: Wer auf Raubzug nach billigem Öl geht, wird unter Umständen überhaupt keines mehr bekommen. Wer den Wüstensturm säht, kann einen Orkan ernten. Last but not least:

      Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.


      Putins Verhalten ist nicht viel annehmbarer als das von Bush. Die Tolerierung des Tschetschenienkrieges seitens des Westens war eine der Maßnahmen im Rahmen des "Antiterror"-Regimes. Was die Neokonservativen in Wirklichkeit ausdrücken wollen: Der Versuch des Einforderns von Kumpanei unter Kriminellen hat doch bei Putin gut geklappt, warum nur wollen die Deutschen denn nicht mitmachen?


      Der schaurige Kosename des Krieges "iraqi freedom", die ultimative Begründung der Ölritter
      Schiiten als Opfer
      (...) Doch so gerne die unterdrückte schiitische Mehrheit im Irak Saddam loswerden wollen, so sehr mißtrauen sie den USA. Von George Bush senior fühlten sie sich 1991 im Stich gelassen, nachdem er sie zum Aufstand anstachelte und dann tatenlos zusah, wie Saddams Republikanische Garde rund 100.000 Rebellen ermordete. Die größte schiitische Oppositionsgruppe in Irak hat bereits angekündigt, nach dem Sturz von Saddam Hussein eine amerikanische Besatzungsmacht zu bekämpfen. "Die Kräfte der Koalition sind uns so lange willkommen, so lange sie dem Volk helfen, die Diktatur von Saddam Hussein zu beenden. Falls sie unser Land besetzen oder kolonialisieren wollen, werden sich die Iraker wehren", sagte der Führer der Gruppierung Oberster Rat für die Islamische Revolution in Irak, Ajatollah Mohammed Bekir el Hakim, in Teheran. (...) http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,242159,00.html


      Wer schützt uns vor den Langsamdenkern der NYTimes?
      Columnist Page: Thomas L. Friedman
      (...) Have we been able to explain why some Iraqi forces are putting up such a fierce fight? ... hier kommen tausend Vermutungen, hauptsächlich dummes Zeug - dann hat er die erlösende Idee: Or is this happening because even Iraqis who detest Saddam love their homeland and hate the idea of a U.S. occupation — and these Iraqis are ready to resist a foreign occupier, even one that claims to be a liberator? Knowing the answer is critical for how we reconstruct Iraq. It is not at all unusual for Arabs to detest both their own dictator and a foreign occupier. (See encyclopedia for Israel, invasion of Lebanon, 1982.) http://www.nytimes.com/2003/03/26/opinion/26FRIE.html

      Die USA hätten gerne die Handlungsfreiheit der Russen in Grosny, müssen Massaker aber dummerweise begründen. Das ist der Nachteil der Moralwaffe. Kann zu Kopfschmerzen und langen NYTimes-Artikeln führen.

      Die vorgebliche moralische Vormachtstellung ist noch vor der militärischen am Zerbrechen. Einfacher hat es die Regierung. Sie bleibt banal und nutzt ihre Vormachtstellung in abstrusem Gefasel: "Gott ist mit uns" oder: "Es ist für uns eine Kleinigkeit, wenn die Welt aus Uneinsichtigkeit gegen uns ist". Sowas wächst an jedem Bush.


      Die historischen Kreuzfahrer haben unter einem ähnlichen Motto ähnliche (un)vorstellbare Schlächtereien verübt. Auch damals wurde das Lied von der Freiheit gesungen: Die "Befreiung" Jerusalems. Das Drehbuch der Geschichte muß niemals neu geschrieben werden. Alles vorproduziert seit Jahrhunderten, serienreif.
      Man kann nicht einmal ausschließen, daß sich die schießbudenreifen Neokonservativen bei den Sowjetkommunisten bedient haben: Die bekannte Parole: Freiheit, Frieden und Fortschritt eignete sich damals wie heute bestens, wenn Unterdrückung und Terror "moralisch" begründet wurden. Genauso nahe liegt die Erkenntnis, daß die Anhänger von Militarismus und Totalitarismus aller Jahrhunderte und jeder ideologischen Provenienz die gleiche Sprache sprechen und das identische Bedürfnis zum Verspritzen von Moralinsäure haben. Woran man sie, nebenbei, ziemlich einfach erkennen kann.



      Das mit dem Glauben ist so eine Sache. Die bibelfesten Amerikaner und ihre britischen Vasallen haben nicht nur vergessen, wer sie sind und was sie tun, sondern auch, wo sie sind:
      "Intensifying military actions, killing civilians and attacking holy sites in Iraq will increase hostility and therefore extremism in the region," Foreign Minister Kamal Kharrazi said, according to the official IRNA news agency.
      "The world does not see that America and Britain are going to bring peace and democracy for Iraqis by hitting them with heavy bombs," Kharrazi added.
      http://biz.yahoo.com/rm/030327/iraq_iran_1.html
      Avatar
      schrieb am 12.04.03 18:55:11
      Beitrag Nr. 89 ()
      #3098 von sittin bull inv 01.04.03 20:15:15 Beitrag Nr.: 9.052.744 9052744
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      landingzone
      @sittin bull inv

      Schwundgeld ist vom Ansazt eine nette Idee. Aber Zinsen als Wurzel alles Übels zu identifizieren, kommt mir doch etwas anachronistisch vor und erinnert mich an die nachweislich fragwürdigen Behauptungen der Goldfreunde. Immerhin ist das Anlegen von Vorräten, um mal in der Gesell-proudhonistischer Diktion zu reden, eines der ältesten Bedürfnisse. Wenn man das den Leuten nicht mehr erlaubt, ist es vor allem eine neue Art von Unterdrückung.

      dazu nur kurz:
      Bernard Lietaer, von www.holis.de entnommen:
      Der erste Mensch, der damit begonnen hat, als Schutz gegen die Unwägbarkeiten der Zukunft eine Menge Güter anzuhäufen, mußte damit automatisch seinen Besitz gegen den Neid und die Bedürfnisse anderer Menschen verteidigen. Wenn eine Gesellschaft Angst vor Knappheit hat, wird sie eine Atmosphäre schaffen, in der die Ängste wohlbegründet sind. Es handelt sich hier um eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

      Dazu weiter: Geld ist dasjenige welches, was immer künstlich knapp gewerden halten muss, sonst würde es nicht funktionieren. Matriachalische Gesellschaften kannten keine Knappheit. Schenkungswirtschaften sind heute noch rudimentär vorhanden. Sie funktionieren auch,
      wenn auch nicht so effizient wie unsere.
      Zwar ist Geld auch die beste Erfindung des Menschen, weil sie Tauschgeschäfte erleichtert und allem einen Wertmaßstab gibt, und damit den Fortschritt maßgebend beeinflußt, gleichzeitig aber auch die schlechteste und antidemokratischte Erfindung, weil immer nur einige wenige profitieren, und alle anderen dafür bezahlen müssen,
      diese Umverteilung nimmt über den Zins auch noch jedes Jahr zu...was auch noch zu sozialen Problemen der Individuen und Gesellschaften führt.

      Wieso haben wir also Angst vor Knappheit?

      Außerdem soll es Gesellschaften gegeben haben, in denen Schwundgeld sehr gut gewirkt haben soll-
      die sogenannte Blütezeit des Mittelalters, mit den Brakteaten...

      Sehr empfehlenswert u.a. "Karl Walker, Die Geschichte des Geldes", als Volltextversion unter u.g. Link zu finden!

      Siehe auch Thread 711988






      Zweitens wird sich das Bedürfnis nach solchem Prozessen in anderen Kanälen entladen. Die Leute horten dann einfach Edelmetalle, Hühnereier oder sonstwas. Mir leuchtet die ganze Idee nicht ein, was aber an meiner begrenzten Vorstellungskraft und an der Tatsache liegen kann, daß ich mich noch nicht sehr damit auseinandergesetzt habe. Ich kann im übrigen die Befürchtung nicht ganz loswerden, daß die Anti-Zins-Bewegung mittelalterlich-antisemitische Wurzeln hat.

      Nein. Korrekterweise waren lange Zeit in allen drei Weltreligionen Zins und Wucher verpönt. Nur Juden war es erlaubt, Zinsen von Nichtjuden zu verlangen. Daher der Trend seit den Anfängen des Geldwesen zu Antisemitismus. Was natürlich Quatsch ist, denn nicht die Empfänger sind das Übel, sondern das System selbst. Interessanterweise ist es verpönt, überhaupt nur in solche Richtung nachzudenken.
      Erst als die christliche Kirche selber Geldbesitzer wurde, "vergaß" man alte Gebote zum Zins

      Simple Frage: Wie soll denn bspw. das Kreditrisiko bezahlt werden? Etwas ähnliches ist ja der Zins.

      In der Tat kann man das mit herkömmlichen Erklärungsansätzen nicht verstehen. So weit ich verstanden habe will man aber den Zins nicht abschaffen, sondern den Zinsfuß ins negative legen! Aber auch darüber hat man sich schon seit 70 Jahren ungehört Gedanken gemacht,
      ich habe es im Thread 696565 zusammengestellt, wie man sich es vorstellen kann!


      Interessant ist auf der anderen Seite die deutliche Überschneidung mit islamischen Prinzipien. Bei den Moslems ist das Erheben und Zahlen von Zinsen schlichtweg verboten, ungefähr so wie der Alkoholkonsum (was aber einige fortschrittliche Moslems m.W. inzwischen als eine Art historisches Mißverständnis bezeichnen). Ich bin aber ziemlich sicher, daß sie dennoch irgendeinen Weg gefunden haben, um mit der Frage, wie werden Kredite honoriert, umzugehen

      Logisch! Vielleicht ist deshalb doch der Islam der Hauptfeind der NeoCons?


      Und hier noch ein sehr guter Link:

      http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/


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      Helmut_Kohl
      @ sittin

      Du bist Freiwirtschaftler. Definiere das doch mal. So weit ich weiss, basiert Freiwirtschaft auf Schwundgeld, dessen Sinn ich nicht ganz verstehe. Auf der Seite derdritteweg werden jedenfalls ziemlich laecherliche Behauptungen losgelassen:

      Wir fordern die Einführung einer Geldumlaufsicherung in Form einer gesetzlichen Gebühr auf zurückgehaltenes Geld, und zwar nur auf Bargeld.

      Haha! Und was soll dadurch bewirkt werden? Es befinden sich 635 Mrd Dollar im Umlauf, davon (vorsichtig geschaetzt) die Haelfte im Ausland. Macht etwa 300 Mrd. im Inland, also 3% vom GDP.

      Im uebrigen, darf ich mal ganz fundamentale Zweifel am Sinn des Schwundgelds anmelden. Erster Satz der Wohlfahrstoekonomie: Gleichgewichte sind Pareto Effizient. D.h. ohne irgenwelche Externalitaeten sind proportionale Steuern wohlfahrtsmindernd.
      Jetzt zeige mir doch mal, wo denn Externalitaeten oder andere Gruende sind, die eine Steuer auf Bargeld begruenden koennten!

      Das ganze Konzept der Geldhortung, ist meiner Meinung nach eine versteckte kommunistische Agenda zur Enteignung. Geldknappheit herrscht vielleicht in der Geldboersen der Freiwirte, und deshalb sind sie – aus reinem Neid – fuer die Geld-Steuer.

      Boden aus Privatbesitz kann nur noch an die öffentliche Hand verkauft werden. Dieser Gemeinbesitz wird einem öffentlichen Bodenfonds zugeführt, der alle angebotenen Grundstücke aufkauft. Auf diese Grundstücke werden dann keine privaten Eigentumsrechte mehr vergeben, sondern nur noch Nutzungsrechte in Form von Pacht und Erbbaurecht.

      Ahhhh! Katze aus dem Sack! Der Gemeinbesitz wird auch Volkseigentum genannt, richtig? Oder Kolchose?

      Und noch ein Schmankerl:

      Wenn die heutigen leistungslosen Einkünfte aus dem reinen Eigentum an Boden (Bodenrente) wie auch die knappheitsbedingten Wertsteigerungen der Allgemeinheit zugeführt werden, erhöht sich das Angebot an verfügbarem Boden.

      Aha! Wenn Deutschland Schwundgeld einfuehrt, dann wachsen wir von 350000 km^2 auf 700000 km^2. Polen sollte schon mal mit dem Aufruesten anfangen! (achtung Ironie!)

      Lieber sittin: Interessiert Du Dich eigentlich auch Frei-Physik und Frei-Chemie? So’ne Art transzendentale, ganzheitliche Naturwissenschaft. Ganz ohne Gleichungen, aber mit viel mehr Beachtung fuer die Persoenlichkeitsrechte der Atome. Da werden keine Atome mehr unterdrueckt! Kein Atom muss mehr eine Verbindung eingehen, wenn es nicht will. Und wenn wir so fleissig weiter forschen, dann koennen wir bestimmt innerhalb der naechsten zwei Wochen den Frei-Physik cold fusion reactor bauen. Dann waeren alle Probleme der Welt geloest, genauso wie Schwundgeld fuer die Freiwirtschaftler und “Ausbau der Eurasischen Landbrücke” fuer den Bueso alle Probleme loest.

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      #3103 von sittin bull inv 02.04.03 06:12:34 Beitrag Nr.: 9.055.854 9055854
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      Helmut-Kohl, ich weiß das es müßig ist, mit dir über so etwas zu diskutieren, die Links waren für jsutformoney gedacht- du wirst es mit deiner Vorbildung nie verstehen können, sel´bst wenn du es ernsthaft versuchen würdest.

      Mein Gefühl und mein Verstand sagen mir, dass dort irgendwo die bessere Lösung liegt, wie sie auch immer genau aussehen wird.


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      #3106 von sittin bull inv 02.04.03 09:59:53 Beitrag Nr.: 9.057.035 9057035
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      Das goldene Mittelalter - durch zinsfreies Geld

      In der Zeit von 1150 bis 1450 gab es in Mitteleuropa eine krisenfreie Zeit, welche durch eine geniale zinsfreie Währung erreicht wurde: Um 1150 begann Erzbischof Wichmann (1110-1192) aus Magdeburg damit, Münzen herauszugeben, welche zweimal im Jahr zum Umtausch aufgerufen wurden. Ziel war es, die Steuern einfach und regelmäßig einzutreiben. Dabei wurden 12 alte Pfennige gegen 9 neue ausgetauscht, die Differenz war Steuer. Um die Münzen schnell und ohne viel Aufwand wieder einschmelzen und umprägen zu können, waren sie nur einseitig geprägt und aus dünnem Blech, daher ihr Name "Brakteaten" (bractes = dünnes Blech). Bald schon breitete sich diese Methode über das ganze Land aus. Das führte dazu, daß sich Geldhortung nicht mehr lohnte. Um dem nächsten Umtausch zu entgehen, wurde Geld zinslos weiterverliehen, da nur der Besitzer der Münzen die Umtauschgebühr zahlen mußte. Damit war Geld wieder reines Tauschmittel, nicht mehr Schatzmittel. Wie gewaltig dieser wirtschaftliche Aufschwung gewesen sein muß, zeigt die Entwicklung der Städte in Deutschland



      Nun, nur durch die immer schneller Austauschgeschwindigkeit gieriger Herrscher wurde dieses System gestoppt. Es hat sehr lange recht erfolgreich gearbeitet!
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      #3109 von frutta 02.04.03 17:33:12 Beitrag Nr.: 9.062.828 9062828
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      @sittin bull,
      im Laufe des 12. Jahrhunderts ging die kaiserliche Macht zurück und immer mehr lokale Herrscher errichteten lokale Münzstätten, die für sie natürlich sehr lukrativ waren. Mitte des 13. Jahrhunderts gab es ca. 500 verschiedene Münzstätten.Dabei war es üblich die Pfenniggewichte immer weiter herabzusetzen. Deshalb wurden die Pfennige bei größeren Geschäften nicht mehr gezählt, sondern gewogen. Um den Staatsbetrug aufrecht zu erhalten, entwickelte sich dann der miese Trick den Feingehalt des Silbers durch den Zusatz von billigern Metallen zu verringern. Das war viel schwerer zu erkennnen. Der Höhepunkt des Betruges war dann die Einführung der sogenannten Münzverrufung. Die umlaufenden Geldstücke wurden einfach für ungültig erklärt, eingezogen und man erhielt für 4 alte 3 neue Pfennige. Mit diesem Betrug finanzierten Kirche und Adel ihren Luxus. Diese häufigen Münzverrufungen waren aber nur möglich, wenn die Münzbilder deutlich verschieden waren. Deshalb kam man auf den Gedanken, die Münzen nur aus dünnem Silberblech zu prägen und größer zu machen. Diese etwa 5cm großen sogenannten Brakteaden wurden nur einseitig geprägt. Diese Form des Staatsbetrugs ist nichts anderes als die künstliche Einführung einer jährlichen 50 %igen Inflation. Bei einer solchen Geldentwertung versucht natürlich jeder das Geld so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Dieser Tatsache schreiben die Anhänger des Schwundgeldes eine wirtschaftsbelebende Wirkung zu. Der Haken an der Sache ist nur, daß eine solche miese Währung automatisch zu Nebenwährungen führt, weil die Verkäufer von Waren dieses Geld einfach nicht mehr annehmen. Das letzte Beispiel dafür war die Zigarettenwährung der Jahre 1945 bis 1948. Für das offizielle Geld bekam man gar nichts mehr. Für Zigaretten bekam man alles. Zigaretten übernahmen die Rolle des Geldes. Ebenso lief es in der Zeit der Münzverrufungen. Da der Handel mit dem Schwundgeld nicht funktionierte, weil man viele Waren nur noch im Tausch gegen ander Waren erhielt, wurde das Münzrecht quasi privatisiert. Viele Fürsten gaben gegen Bezahlung das Münzrecht an Städte. Städte wie Lübeck, Basel, Erfurt, Hamburg und Lüneburg führten den sogenannten ewigen Pfennig, der wieder beidseitig geprägt war, ein. Das geschah so ab ca. 1220. Die Zeit der Brakteaden war relativ kurz, und ist bestimmt nicht für die relativ krisenfeste Zeit verantwortlich. Natürlich ging das Spiel mit der Münzverschlechterung später wieder von vorne los. Die Geschichte des staatlichen Geldes ist eine Geschichte des fortwährenden staatlichen Betruges an den Bürgern.
      Gruß frutta

      *********************************************************


      #3110 von sittin bull inv 02.04.03 17:39:12 Beitrag Nr.: 9.062.904 9062904
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      @ frutta:


      Wir werden das wohl nicht klären,
      aber vielleicht kennst du diese Links!

      http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/kritik/brakteatmaer.html

      und die Antwort drauf

      http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/kritik/replik.htm

      *********************************************************

      #3111 von frutta 02.04.03 18:05:53 Beitrag Nr.: 9.063.307 9063307
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      Vor ungefähr 100 Jahren versuchte der italienische Finanzwissenschaftler Amilcare Puviani die Frage zu beantworten, wie eine Regierung möglichst viel Geld aus ihren Untertanen pressen kann, ohne offenen Widerstand zu provozieren. Er machte folgende Vorschläge:
      # Erhebe mehr indirekte als direkte Steuern, um so die Steuer im Preis der Waren zu verstecken.
      # Finanziere einen wesentlichen Teil der Staatsausgaben durch Kredite, um so die Steuern auf künftige Generationen zu verschieben.
      # Fördere die Inflation, denn diese mindert die Staatsschulden.
      # Besteuere Schenkungen und Luxusgüter, denn der Empfang oder die Gabe von etwas Besonderem mindert den Ärger über die Steuer.
      # Führe "zeitlich befristete" Steuern ein, um eine "Notlage" zu überwinden, wobei allerdings die Ausnahmesituation immer bestehen bleibt und mit ihr die temporäre Steuer.
      # Nutze soziale Konflikte durch die Besteuerung von unpopulären Gruppen, wie z. B. den Reichen.
      # Drohe mit dem sozialen Zusammenbruch und der Verweigerung von Diensten, auf welche die Regierung ein Monopol hat, falls Steuern verringert werden sollen.
      # Treibe die Steuern in kleinen Raten über das ganze Jahr verteilt ein.
      # Halte die Steuerzahler in Unwissenheit über die tatsächliche Höhe ihrer Belastung.
      # Führe die Haushaltsberatungen im Parlament so, daß kein Normalbürger ihnen folgen kann.
      # Verstecke im Haushaltsplan die einzelnen Ausgabepositionen unter wohlklingendenAllgemeinbegriffen wie "Erziehung" oder "Verteidigung", damit Außenstehende nicht die tatsächlichen Bestandteile des Budgets erkennen können.
      BEKANNT ?

      ***********************************************************
      #3113 von frutta 02.04.03 18:19:28 Beitrag Nr.: 9.063.493 9063493
      Dieses Posting: versenden | melden | drucken | Antwort schreiben
      @sittin bull,
      das brauchen wir auch nicht zu klären. Aber wir können sehen, was in Ländern passiert ist, in denen die Kaufkraft des Geldes schnell dahinschwindet. Sie haben alle eins gemeinsam. Ein großer Teil des Handesl findet nicht in der Landeswährung, sondern in irgendeiner Nebenwährung statt, z.B. im Dollar in Südamerika, der DM in Osteuropa und der Türkei. Eine gallopierende Inflation ist besonders für die sozial schwachen sehr nachteilig.
      Ein anderes Problem sind die Zinsen. Wenn ich dich richtig verstanden habe, ginge es dir eigentlich darum. Vielleicht sind die Zinsen tatsächlich für diese zyklischen Zusammenbrüche der Wirtschaft verantwortlich. Ich befürchte, wir haben wieder einen vor uns. Nachher werde ich deine Links lesen. Jetzt muß ich weg.
      Gruß frutta" target="_blank" rel="nofollow ugc noopener">http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/kritik/brakteatmaer.html

      und die Antwort drauf

      http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/kritik/replik.htm

      *********************************************************

      #3111 von frutta 02.04.03 18:05:53 Beitrag Nr.: 9.063.307 9063307
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      Vor ungefähr 100 Jahren versuchte der italienische Finanzwissenschaftler Amilcare Puviani die Frage zu beantworten, wie eine Regierung möglichst viel Geld aus ihren Untertanen pressen kann, ohne offenen Widerstand zu provozieren. Er machte folgende Vorschläge:
      # Erhebe mehr indirekte als direkte Steuern, um so die Steuer im Preis der Waren zu verstecken.
      # Finanziere einen wesentlichen Teil der Staatsausgaben durch Kredite, um so die Steuern auf künftige Generationen zu verschieben.
      # Fördere die Inflation, denn diese mindert die Staatsschulden.
      # Besteuere Schenkungen und Luxusgüter, denn der Empfang oder die Gabe von etwas Besonderem mindert den Ärger über die Steuer.
      # Führe "zeitlich befristete" Steuern ein, um eine "Notlage" zu überwinden, wobei allerdings die Ausnahmesituation immer bestehen bleibt und mit ihr die temporäre Steuer.
      # Nutze soziale Konflikte durch die Besteuerung von unpopulären Gruppen, wie z. B. den Reichen.
      # Drohe mit dem sozialen Zusammenbruch und der Verweigerung von Diensten, auf welche die Regierung ein Monopol hat, falls Steuern verringert werden sollen.
      # Treibe die Steuern in kleinen Raten über das ganze Jahr verteilt ein.
      # Halte die Steuerzahler in Unwissenheit über die tatsächliche Höhe ihrer Belastung.
      # Führe die Haushaltsberatungen im Parlament so, daß kein Normalbürger ihnen folgen kann.
      # Verstecke im Haushaltsplan die einzelnen Ausgabepositionen unter wohlklingendenAllgemeinbegriffen wie "Erziehung" oder "Verteidigung", damit Außenstehende nicht die tatsächlichen Bestandteile des Budgets erkennen können.
      BEKANNT ?

      ***********************************************************
      #3113 von frutta 02.04.03 18:19:28 Beitrag Nr.: 9.063.493 9063493
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      @sittin bull,
      das brauchen wir auch nicht zu klären. Aber wir können sehen, was in Ländern passiert ist, in denen die Kaufkraft des Geldes schnell dahinschwindet. Sie haben alle eins gemeinsam. Ein großer Teil des Handesl findet nicht in der Landeswährung, sondern in irgendeiner Nebenwährung statt, z.B. im Dollar in Südamerika, der DM in Osteuropa und der Türkei. Eine gallopierende Inflation ist besonders für die sozial schwachen sehr nachteilig.
      Ein anderes Problem sind die Zinsen. Wenn ich dich richtig verstanden habe, ginge es dir eigentlich darum. Vielleicht sind die Zinsen tatsächlich für diese zyklischen Zusammenbrüche der Wirtschaft verantwortlich. Ich befürchte, wir haben wieder einen vor uns. Nachher werde ich deine Links lesen. Jetzt muß ich weg.
      Gruß frutta
      Avatar
      schrieb am 12.04.03 18:59:54
      Beitrag Nr. 90 ()
      #3115 von helmut_kohl 02.04.03 18:46:23 Beitrag Nr.: 9.063.845 9063845
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      @ sittin bull inv

      Helmut-Kohl, ich weiß das es müßig ist, mit dir über so etwas zu diskutieren, die Links waren für jsutformoney gedacht- du wirst es mit deiner Vorbildung nie verstehen können, sel´bst wenn du es ernsthaft versuchen würdest.

      So schreibt jemand dem die Argumente ausgehen. Die Frei-Physiker werfen den herkoemmlichen Physikern vor sie haetten “zu viel Bildung” . Tatsache ist, dass eine Forderung wie die nach Schwundgeld immer durch ein Modell gestuetzt sein muss. Und ich moechte im Modell mit Ursache und Wirkung sehen koennen, warum wir Schwundgeld brauchen. Bis dahin ist Freiwirtschaft ein Pudding, den man leider nicht an die Wand nageln kann.

      In der Zeit von 1150 bis 1450 gab es in Mitteleuropa eine krisenfreie Zeit, welche durch eine geniale zinsfreie Währung erreicht wurde:

      Meine Fragen an Dich:
      Wie hoch war das Wachstum p.a. in dieser Zeit? Ich will nicht wissen, ob Staedte gewachsen sind (wie sind wohl die Staedte in den USA nach 1900 gewachsen?), sondern ich will harte, nackte Zahlen. % per annum!
      Wenn wir mal ab 1450 das Wachstum extrapolieren, wie hoch waere dann das GDP in Deutschland?

      Ernst gemeinte Fragen!!!!

      **********************************************************



      #3118 von sittin bull inv 02.04.03 23:27:24 Beitrag Nr.: 9.066.900 9066900
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      @ Helmut_Kohl: Warum ich es als müßig empfinde mit dir zu diskutieren liegt nicht an meinen ausgehenden Argumenten,
      sondern an deinem Diskussionsstil!

      Ich bin so nett und suchte trotzdem nach den Daten.

      Kann etwas dauern, brauche dafür etwas Zeit.

      Die GDP-Daten wird es nicht geben, wer sollte die auch haben, eine Grafik zu den (angenommenen) Städtegründungen kann ich liefern, wenn es beliebt.
      Extrapolieren macht auch keinen Sinn, wie du sicherlich weißt bewegt sich jedewede Zinswirtschaft in Zyklen, in denen regelmäßig sämtliches Vermögen und Kapital vernichtet wird.

      Ich kann zum besseren Überblick mal etwas aus Helmut Creutz Geldsyndrom zitieren!



      Die Probleme des kapitalistischen Wirtschaftssystems hängen mit dem Geldbereich zusammen, die Probleme im Geldbereich mit zwei Überentwicklungen:

      der Überentwicklung der Geldmenge,
      die zur Inflation führt,

      und der Überentwicklung der Geldvermögen, die zur Überschuldung und zum Wachstum zwingt.


      Um diese Überentwicklungen zu überwinden, muß die Geldmenge kontrollierbar und der Umlauf verstetigt werden. Beides ist durch eine konstruktive Umlaufsicherung zu erreichen, die den Zins und die Inflation für diese Aufgabe überflüssig macht. Dazu wiederum müssen drei Widersprüchlichkeiten überwunden werden:
      1. (bezogen auf das Geld) der Widerspruch zwischen öffentlichem und privatem Eigentum,
      2. (bezogen auf die Geldfunktionen) der Widerspruch zwischen Tausch- und Wertaufbewahrungsmittel,
      3. (bezogen auf das Giralgeld) der Widerspruch zwischen seiner Nutzung als Nachfrage- und Kreditmittel.

      Der erste und der dritte Widerspruch verhindern heute eine konkrete Geldmengensteuerung und damit die Überwindung der Inflation. Der erste und der zweite Widerspruch verhindern eine marktgerechte Absenkung der Zinsen. Mit den ständig positiven Zinsen aber bleiben die Geldvermögens- und Verschuldungseskalationen sowie die ungerechten Verteilungen des Volkseinkommens nicht nur bestehen, sondern nehmen noch ständig zu.

      Die Folgen sind Fehlentwicklungen schwerwiegender Natur. Sie zeichnen sich als zunehmende und immer weniger beherrschbare soziale, ökonomische und ökologische Störungen ab, die schließlich in Zerstörungen enden müssen.


      In der nachfolgenden zweiteiligen Grafik Nr. 77 sind die in diesem Buch dargelegten Gesamtzusammenhänge zwischen Geld und Gesellschaft noch einmal als ineinandergreifendes Rädersystem dargestellt. In der linken Hälfte ist der monetäre Bereich wiedergegeben und in der rechten der realwirtschaftliche. Schnittpunkt und Übergang beider Bereiche ist die Wirtschaft.
      Im monetären Bereich haben wir einen Kreislauf (1), der sich selbst hochschaukelt: Mit den ständig steigenden Zinserträgen des Geldkapitals wachsen die Geldvermögen und Bankumsätze weiter an. Damit wiederum nehmen die Überschuldung und die Zinsbelastung der Wirtschaft zu, was erneut die Zinserträge und die Geldvermögen wachsen läßt, usw.
      In der Sprache der Kybernetiker haben wir es hier mit einem „positiv rückgekoppelten Regelkreis“ zu tun. Vergleichbar ist das mit einem falsch programmierten Heizungsthermostat, der bei steigenden Raumtemperaturen das Ventil weiter öffnet statt schließt. Funktionierende technische wie natürliche Regelkreise sind dagegen „negativ rückgekoppelt“, das heißt, Überentwick-
      lungen bremsen sich selbst ab.
      Im rechten Teil der Darstellung sind die Folgen des monetären Überwachstums in zwei Halbkreisen aufgezeigt. Der obere Halbkreis (2) gibt die ökonomisch-sozialen Auswirkungen wieder, der untere (3) die ökologischen. Gehen wir zuerst dem oberen Halbkreis nach:
      Die ständig zunehmenden Ansprüche des Geldkapitals an das
      Sozialprodukt führen zu einer Verringerung des Restanteils, der für die Arbeitsleistenden übrigbleibt. Das heißt, die Einkommen der Unternehmer und/oder der Arbeitnehmer sinken mit der Verschuldungszunahme.

      Die Folgen sind Nachfrage- und Investitionsrückgänge, Firmenpleiten und Arbeitslosigkeit. Auf Dauer
      und mit jedem Konjunktureinbruch zunehmend, werden die so-
      zialen Spannungen unerträglicher. Am Ende können Unruhen,
      Gewalt und Aufstände bis hin zu Kriegen das Ergebnis sein.
      Vermeidbar ist die Einkommensminderung der Arbeitsleisten-
      den nur, wenn man - wie der Halbkreis 3 zeigt - das Sozialprodukt jedes Jahr vergrößert, mindestens um jenen Anteil, den das Kapital von Jahr zu Jahr mehr beansprucht. Soll die gegebene Verteilungsrelation zwischen Kapital und Arbeit beibehalten werden, muß das prozentuale Wirtschaftswachstum sogar dem des Geldkapitals entsprechen. Eine solche dauernde Leistungssteigerung vergrößert jedoch sowohl den Ressoursenverbrauch wie die
      Umweltzerstörung.

      Dieser „Ausweg“ aus der sozial-ökonomi-
      schen Krise führt also beschleunigt in die ökologische. Damit drohen nicht nur Umweltkatastrophen, sondern ebenfalls gewaltsame Auseinandersetzungen um die natürlichen Ressourcen.
      Wie diese zusammenfassende Darstellung noch einmal zeigt,
      gehen die entscheidenden Probleme von dem Überwachstum der
      Geldvermögen aus. Für die Politiker ergibt sich daraus eine doppelte Zwickmühle. Werden die wachsenden Geldvermögen nicht über Kredite in die Wirtschaft zurückgeschleust, kommt es zu einer deflationären Rezession. Führt man die wachsenden Geldvermögen über Kredite in den Wirtschaftskreislauf zurück,
      kommt es zur Überschuldung und Verarmung der Werteschaffenden und damit zu einem ökonomisch-sozialen Kollaps.

      Kurbelt man zu dessen Vermeidung die Wirtschaftsleistung ständig an, droht uns der ökologische Zusammenbruch. In unserer Wirklichkeit läuft die Entwicklung auf beides hinaus: Der soziale Kollaps ist unausweichlich, weil das Wirtschaftswachstum nicht in dem Tempo der Geldvermögenszunahme gesteigert werden kann, der
      ökologische Kollaps, weil die Umwelt auch dieses unzureichende Wachstum nicht mehr verkraftet, schon gar nicht bei gleichzeitiger Bevölkerungszunahme auf unserem Planeten.

      Diese ineinandergreifenden Problementwicklungen, die das
      „Geldsyndrom“ beschreiben, lassen sich nur an einem einzigen Punkt nachhaltig verändern, nämlich der Zinshöhe : Mit einer Absenkung der Zinssätze läßt das Überwachstum der Geldvermögen nach und damit der weitere Verschuldungszwang. Mit nachlassender Verschuldung und sinkenden Zinssätzen wird die Wirtschaft entlastet. Damit reduziert sich die Verarmung der Arbeitsleisten-
      den und damit wiederum der Zwang zum Wachstum. Ein Absinken der Zinshöhe ist jedoch nur erreichbar, wenn wir die Möglichkeit der Geldzurückhaltungen überwinden. Das wiederum erfordert eine andere Umlaufsicherung für das Geld. Ohne eine Verstetigung des Geldumlaufs und der damit möglich werdenden Absenkungen der Inflations- und Zinssätze, muß unser Geld so wie es heute ist, aus einfachen mathematischen Gründen sich selbst und
      damit unsere Gesellschaft zerstören.


      http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/creutz/geldsyndrom/zs…


      *********************************************************

      Helmut_Kohl

      @ sittin bull inv

      Die GDP-Daten wird es nicht geben, wer sollte die auch haben, eine Grafik zu den (angenommenen) Städtegründungen kann ich liefern, wenn es beliebt.

      Es muss aber irgendwelche anderen Daten zum Lebensstandard geben. GDP-Zahlen fuer 1300 sind in der Tat nicht zu bekommen.

      In Sachen Creutz:

      Der Mann stellt im Schaubild 77b folgende Kausalkette auf:

      1: Hoehere Zinsen
      2: Niedrigere Lohn-Einkommen/Gewinne
      3: Soziale Spannungen
      4: Krieg/Krise
      5: Umweltverschmutzung
      6: Einziger Ausweg Mehr Wachstum
      7: Hoehere Zinsen

      Ein Teufelskreis, wenn denn die Kausalkette stimmen wuerde. Tut sie aber nicht.

      1->2 ist falsch. Von 1946 bis 2002 ist nominales GDP im Schnitt um 7.2% p.a. gewachsen. Loehne und Gehaelter auch um exact 7.2%. Die Sicht, dass hoehere Zinsen auf Kosten der Einkommen gehen, ist rein statisch: Wenn der Kuchen gleich gross bleibt, dann nehmen die Zinsen dem Arbeitseinkommen in der Tata etwas weg. Wenn der Kuchen auch waechst, muss das nicht der Fall sein, und wie die Zahlen zeigen, ist es auch nicht der Fall.

      5->6 verstehe ich nicht. Umweltverschmutzung fuehrt zu mehr Wachstum???


      **********************************************************


      #3126 von sittin bull inv 03.04.03 20:23:56 Beitrag Nr.: 9.076.519 9076519
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      Huh?

      1->2 ist falsch. Von 1946 bis 2002 ist nominales GDP im Schnitt um 7.2% p.a. gewachsen. Loehne und Gehaelter auch um exact 7.2%. Die Sicht, dass hoehere Zinsen auf Kosten der Einkommen gehen, ist rein statisch: Wenn der Kuchen gleich gross bleibt, dann nehmen die Zinsen dem Arbeitseinkommen in der Tata etwas weg. Wenn der Kuchen auch waechst, muss das nicht der Fall sein, und wie die Zahlen zeigen, ist es auch nicht der Fall.


      Das daher der Zwang zum Wachstum kommt ist mir doch auch klar- aber deine Zahlen beleg bitte erstmal mit Quelle.


      Und dann nicht vergessen, wie das Wachstum "erkauft" wurde-
      siehe Titel dieses Threads!

      *********************************************************

      #3129 von helmut_kohl 03.04.03 22:26:29 Beitrag Nr.: 9.077.965 9077965
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      @ sittin

      Das daher der Zwang zum Wachstum kommt ist mir doch auch klar- aber deine Zahlen beleg bitte erstmal mit Quelle.

      Die Quelle ist: BEA.gov “relation of GDP, GNP and National Income”

      Im uebrigen bedeutet Zins nicht Zwang zum Wachstum. Positiver Zins und Null-Wachstum sind miteinander vereinbar.

      Allgemein muss ich sagen: Die Creutz’sche Theorie hat aus meiner Sicht einen Nachteil: Sie will vorschreiben wie hoch denn der Zins sein soll, ohne eine exakte Theorie ueber die Auswirkungen von Zins auf a) das Angebot (Sparverhalten) und b) die Nachfrage (Investitionsverhalten) nach Kredit zu entwickeln. Zumindest aus meiner Sicht ist das ein Nachteil. Aus Creutz’ Sicht ist das ein Vorteil, denn ohne Theorie kann man alles moegliche behaupten. Warum nicht +100%? Oder –50%? Oder pi/e^2? Im theorie-losen Raum kann dann jeder Depp Forderungen aufstellen, belegt durch das laecherliche Zahnrad-Diagram auf der Creuz’schen Homepage.

      *********************************************************

      #3130 von helmut_kohl 03.04.03 22:43:20 Beitrag Nr.: 9.078.115 9078115
      Dieses Posting: versenden | melden | drucken | Antwort schreiben
      Und hier noch ein News-Flash ueber das paradiesische Leben im Mittelalter:

      http://www.abpischools.org.uk/resources/medicines-and-drugs/…

      How did they live?
      Many people in the Middle Ages were less healthy than earlier people had been. The Romans had known that good buildings, clean water and sewers were important. But after the collapse of the Roman Empire many people lived in poorer and dirtier conditions. Many of the Romans’ ideas about medicine were lost too.
      What did they think caused disease?
      Some people believed that diseases were a punishment from God. Others thought illnesses were linked to the positions of the stars and planets. Another theory was that there was an invisible poison in the air, which they called ‘miasma’. Greek and Roman ideas about the four humours of the body still existed too.
      The Black Death
      During these years there were several outbreaks of bubonic plague, called ‘the Black Death’. The disease started in Asia and spread across Europe along the trading routes. Bubonic plague is carried by the fleas on rats. Huge numbers of people died.
      People tried many different ways to prevent and cure the Black Death. There were herbal medicines, superstitious remedies, recipes for clearing the air of ‘miasma’ and religious punishments. None of them worked, because people did not actually understand what caused the plague.
      Did medicine improve at all?
      There were some improvements in medicines. The many wars in this era led to an increase in the number of doctors. They began to use wine as an antiseptic to treat wounds. They also used opium as an anaesthetic. But only men were allowed to be doctors. If women tried to practice medicine they were hanged as witches.



      OK, OK, Spass beiseite. Ich will nicht die Null-Zinsen fuer alles Ueble des Mittelalters verantwortlich machen. Das waere genauso laecherlich wie sittin’s Behauptung die Null-Zinsen waeren fuer alles positive verantwortlich. Obwohl ich beim besten Willen nicht viel positives finden kann: Zahlreiche Kriege (haben die Leute im Mittelalter denn nichts von Helmut Creutz geoert???), Black Death (der sich dank Staedtegruendungen so richtig schoen ausbreiten konnte!!!), Null Fortschritt und sogar Rueckschritte in Medizin und Hygiene. Also ich zahle lieber Zinsen und lebe dafuer doppelt so lange.

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      #3131 von sittin bull inv 03.04.03 23:04:11 Beitrag Nr.: 9.078.282 9078282
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      Helmut, was du da zum Mittelalter schreibst stimmt-
      es war ja auch sehr lang, und nach der prosperierenden Phase gab es die von dir genannten Erscheinungen.

      Und die Leute konnten sich nicht erklären woran es lag.




      Im uebrigen bedeutet Zins nicht Zwang zum Wachstum. Positiver Zins und Null-Wachstum sind miteinander vereinbar.



      Ja? Wo? Wie? Wann? Warum?

      Zumindest aus meiner Sicht ist das ein Nachteil. Aus Creutz’ Sicht ist das ein Vorteil, denn ohne Theorie kann man alles moegliche behaupten. Warum nicht +100%? Oder –50%? Oder pi/e^2? Im theorie-losen Raum kann dann jeder Depp Forderungen aufstellen, belegt durch das laecherliche Zahnrad-Diagram auf der Creuz’schen Homepage.

      Deine Kritik in allen Ehren, doch lächerlich brauchst den armen Creutz jetzt nicht machen.
      Die Zinstreppe um Null ist nicht willkürlich gewählt.
      Auch diese wird sich auf dem Markt bilden,
      wenn eine Umlaufsicherung eingeführt wird.

      Moment:




      Der freiwirtschaftliche Ansatz bedarf keiner Gebote und Verbote. Er beeinträchtigt auch nicht die notwendigen Funktionen des Zinses. Inflationsausgleich, Knappheitspreis und Risikoaufschlag werden ebensowenig manipuliert wie die Kreditvermittlungskosten, die ebenfalls Bestandteil der Kreditkosten sind. Lediglich der Grundzins[54], der Ökonom John Meynard Keynes prägte den Begriff ‹Liquiditätsverzichtsprämie›, der sich aus der Überlegenheit des Geldes ableitet, wird eliminiert. Dieser Grundzins beträgt etwa drei Prozent. Er allein erzwingt die exponentielle Vermehrung der Geldvermögen jener Menschen, die ihr Geld nicht zum Leben ausgeben müssen. Der Grundzins stellt das Geldkapital außerhalb der Gesetzmäßigkeiten von Angebot und Nachfrage.



      Die Umtauschgebühr - eventuell schon die bloße Androhung solcher Kosten - belastet das Spekulieren auf steigende Zinssätze. Es ist somit nicht mehr rentabel überschüssige Geldvermögen zurückzuhalten. Das Geld steht nun unter Angebotsdruck.

      Auch bei niedrigsten Zinssätzen wird so ein ausreichendes Kreditangebot zur Verfügung stehen. Dieser Mechanismus zwingt überschüssige Geldvermögen, sich gegenseitig im Preis zu unterbieten.[55] Das Geld, das bisher Monopoleigenschaften hat, unterliegt jetzt den Regeln der Marktwirtschaft. Eine ausreichende Geldmenge drückt seinen Preis, den Grundzins[56], gegen den Wert Null.

      Über die Höhe einer Umlaufgebühr und die Häufigkeit einer Umtauschaktion muß eine Notenbank individuell und unabhängig entscheiden können. Wichtig ist, daß beide Faktoren mäßig eingesetzt werden, um Vertrauen in und Akzeptanz für die Währung nicht zu gefährden. Der erwartete Effekt muß aber dennoch so groß sein, daß bei Null-Inflation und gesättigten Märkten die Verzinsung langfristiger Geldausleihungen um null Prozent beträgt.

      http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/popp/zinswahn/



      Ich bin mir ziemlich sicher, dass du das als Schwachsinn titulieren wirst. Es wundert mich eh`, dass du noch nie davon gehört haben solltest!


      *********************************************************



      #3133 von sittin bull inv 03.04.03 23:58:23 Beitrag Nr.: 9.079.026 9079026
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      http://www.geldcrash.de/Aktuelles/Artikel/Teufelskreis/teufe…


      Nun, auch die einsetzende Arbeitsteilung ausgelöst durch die Geldwirtschaft war an der prosperienden Phase beteiligt- doch augenscheinlich war später nur dieser Faktor alleine kein ausreichendes Kriterium für Prosperität.


      Sehr interessant in dem Zusammenhang:

      "Das Geld in der Geschichte"
      von Karl Walker

      hier gibt es das gesamte Buch zu lesen:

      http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/walker/gdg.htm



      Und noch etwas finde ich überaus aufschlußreich!

      Es weiß wirklich kaum einer, wie Geld funktioniert...

      Helmut du als Experte einmal ausgenommen.

      Dabei stellt Geld doch so einen umfassenden Einfluß auf unser Leben da...

      Schizophrenes Geld
      Um es auf den Punkt zu bringen: unser herkömmliches Geld soll mehrere Funktionen bzw. Aufgaben gleichzeitig erfüllen. Die Aufgaben, um die es hier besonders geht, bestehen darin, daß es
      a) als Tauschmittel
      b) als Vermögensgegenstand

      und außerdem noch als Preismaßstab dienen soll. Als Preismaßstab ist es natürlich auch sehr wichtig, aber es werden hier vor allem die beiden ersten Funktionen untersucht, da sie einen "unlösbaren" Widerspruch, ein Dilemma, hervorrufen.

      Ein Tauschmittel kennzeichnet sich dadurch, daß es weitergegeben wird; ein Vermögensgegenstand aber gerade dadurch, daß er nicht weitergegeben wird. Geld als Tauschmittel zu benutzen bedeutet folglich, es als Vermögensgegenstand aufzugeben, wohingegen es als Vermögensgegenstand nicht gleichzeitig als Tauschmittel benutzt werden kann (weder von einem selbst, noch von all jenen, die es in der Folge bekommen hätten, wenn man es benutzt hätte).

      Ein reines Tauschmittel müßte eine öffentliche Einrichtung sein, die allen zur Verfügung steht, die an Tauschprozessen teilnehmen. Ein Vermögensgegen-stand ist aber ein ausgesprochen privates Gut, das alle anderen Teilnehmer von der Benutzung ausschließt


      http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/probst/


      Deflationen in unseren Tagen sind also nicht mehr Folge ungenügender Geldversorgung oder Geldverknappung durch die Notenbanken, sondern Folge gestörter Geldnutzung, also die Folge von Kaufkraftblockierungen. Jede Unterbrechung des Geldkreislaufs aber erzeugt liegen bleibende Waren, reduzierte Nachbestellungen und Neuproduktionen und damit, bei ungekürzten Arbeitszeiten, sogar Arbeitslosigkeit. Während also Inflationen heute nur dann entstehen können, wenn die Notenbanken die Geldmenge vorher über den Bedarf hinaus vermehrt haben, kann es zu Deflationserscheinungen auch bei ausreichend vorhandener Geldmenge kommen, wenn die Kaufbereitschaft der Bevölkerung zurückgeht. Die Notenbanken können dann nur noch versuchen, die Nachfrage durch Absenkung der so genannten Leitzinsen zu stimulieren, der Staat durch höhere Verschuldung und die Vergabe öffentlicher Aufträge. Kurz, das was wir heute Deflationen nennen, kann - genau betrachtet - eine ganz natürliche Entwicklung auf Grund zunehmender Sättigungen sein.



      http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/creutz/creutz-deflati…

      Eine zentrale Ursache für die Krisen-
      entwicklung und damit ein Dilemma unserer sozialen Marktwirtschaft, daß mittlerweile so effektiv und so viel produziert wird, daß es immer schwieriger wird, für die erzeugten Produkte Nachfrage zu finden oder zu schaffen. Absatzstockungen aber reduzieren die Rentabilität und damit in Folge die Investitionen. Eine anhaltende Stagnation führt schließlich zur Senkung der Kapitalrendite und einer Geldzurückhaltung mit deflationären Symptomen. Das bedeutet: Anhaltende Kaufzurückhaltung, Produktionsrückgang, Entlassungen. Erst wenn der Mangel an Gütern so groß geworden ist, daß sich Investitionen wieder ‹lohnen› weil wieder ‹vernünftige› Preise zu erzielen sind, kann die Krise überwunden werden.



      Es sind zeitlich begrenzte Zuspitzungen, mit besonders deutlich wahrnehmbaren Veränderungen in der Gesellschaft, die als Krisen bezeichnet werden.

      Daß die Überproduktion von Waren und Dienstleistungen zur Wirtschaftskrise und damit zu Versorgungsengpässen führt, ist für sich genommen widersinnig und unnötig. Es ist nur damit zu erklären, daß Geld den notwendigen Tausch- und Investitionsvorgängen vorenthalten werden kann.


      Wenn die Rentabilität des Finanzkapitals eines Tages nicht mehr gewährleistet werden kann, wird das Finanzsystem kollabieren und unsere Gesellschaft in Not und Elend stürzen.


      http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/popp/zinswahn/


      Die klassische Deflation, ausgelöst durch einen tatsächlichen Geldmangel, ist nach wie vor mit Recht ein Schreckgespenst, vor allem im Hinblick auf die sich beschleunigende und schwer zu bremsende Abwärtsspirale.
      Wenn aber in einer gesättigten Wirtschaft Verbrauchszunahme und Wachstumsraten zurückgehen und im Gleichschritt damit die Zinsen und Preise, ist das keine problematische, sondern eher eine natürliche und wünschenswerte Entwicklung. Ebenfalls ist es ganz normal, dass unter diesen Gegebenheiten auch das Wachstum der Investitionen und der Kreditaufnahmen rückläufig ist. Problematisch ist dabei jedoch, dass mit diesen rückläufigen Entwicklungen die ausgegebene Geldmenge nicht im Gleichschritt reduziert wird, sondern deren Überschüsse sich in den privaten Tresoren sammeln. Denn mit dieser sich ansammelnden Differenz zwischen der ausgegebenen und der notwendigen aktiven Geldmenge, bildet sich ein aufgestautes Nachfragepotential, das bei einem Anspringen der Konjunktur und einer Wiederbelebung des Wachstums zu einem Inflationsschub führen muss. Die damit wieder ansteigenden Zinsen aber könnten bei den hohen Schulden in Lande für die Wirtschaft "tödlich" sein, vor allem für den überschuldeten Staat.

      http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/creutz/creutz-deflati…


      ***********************************************************



      Wenn man das Gehaben und Streben der Menschen betrach-
      tet, ihr Tun und Lassen, ihr Jagen nach Reichtum, Ansehen
      und Macht, möchte man meinen, es würde die ewige Seligkeit
      von der Erreichung dieser Ziele abhängen. Wenn man aber
      weiss, wieviel Heuchelei, Kriecherei und Rücksichtslosigkeit, wieviel Unwürdigkeit, Charakterlosigkeit und Gewissenlosigkeit zur Erreichung dieser Ziele vielfach erforderlich ist und wieviele Mitmenschen unter diesem Machtstreben zu leiden haben, wenn man andererseits sieht, wie der ewige Gleichmacher Tod von aller Macht und Herrlichkeit nur ein Stoppelfeld
      übrig lässt, drängt sich jedem die Erkenntnis geradezu auf,
      dass das Streben nach diesen materiellen Gütern nicht im
      Sinne einer ewigen Ordnung liegen kann

      http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/ellocco/theseus/


      Der erste Mensch, der damit begonnen hat, als Schutz gegen die Unwägbarkeiten der Zukunft eine Menge Güter anzuhäufen, mußte damit automatisch seinen Besitz gegen den Neid und die Bedürfnisse anderer Menschen verteidigen. Wenn eine Gesellschaft Angst vor Knappheit hat, wird sie eine Atmosphäre schaffen, in der die Ängste wohlbegründet sind. Es handelt sich hier um eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.
      Die Angst vor Mangel, die Folge unseres Geldsystems, erzeugt Gier und das Horten von Geld. Dadurch wird dem Geldkreislauf Geld entzogen, was wiederum Knappheit und somit Mangel nach sich zieht



      http://www.holis.de



      Die Phönizier haben das Geld erfunden - aber warum so wenig?


      Sprichwort



      «Die Schwierigkeit liegt nicht in den neuen Ideen, sondern darin, den alten Vorstellungen zu entkommen.»

      John Maynard Keynes

      Aus dem Vorwort der "Allgemeinen Theorie", nach Campester, in "Der Dritte Weg", 5/1995, S. 21" target="_blank" rel="nofollow ugc noopener">http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/popp/zinswahn/


      Die klassische Deflation, ausgelöst durch einen tatsächlichen Geldmangel, ist nach wie vor mit Recht ein Schreckgespenst, vor allem im Hinblick auf die sich beschleunigende und schwer zu bremsende Abwärtsspirale.
      Wenn aber in einer gesättigten Wirtschaft Verbrauchszunahme und Wachstumsraten zurückgehen und im Gleichschritt damit die Zinsen und Preise, ist das keine problematische, sondern eher eine natürliche und wünschenswerte Entwicklung. Ebenfalls ist es ganz normal, dass unter diesen Gegebenheiten auch das Wachstum der Investitionen und der Kreditaufnahmen rückläufig ist. Problematisch ist dabei jedoch, dass mit diesen rückläufigen Entwicklungen die ausgegebene Geldmenge nicht im Gleichschritt reduziert wird, sondern deren Überschüsse sich in den privaten Tresoren sammeln. Denn mit dieser sich ansammelnden Differenz zwischen der ausgegebenen und der notwendigen aktiven Geldmenge, bildet sich ein aufgestautes Nachfragepotential, das bei einem Anspringen der Konjunktur und einer Wiederbelebung des Wachstums zu einem Inflationsschub führen muss. Die damit wieder ansteigenden Zinsen aber könnten bei den hohen Schulden in Lande für die Wirtschaft "tödlich" sein, vor allem für den überschuldeten Staat.

      http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/creutz/creutz-deflati…


      ***********************************************************



      Wenn man das Gehaben und Streben der Menschen betrach-
      tet, ihr Tun und Lassen, ihr Jagen nach Reichtum, Ansehen
      und Macht, möchte man meinen, es würde die ewige Seligkeit
      von der Erreichung dieser Ziele abhängen. Wenn man aber
      weiss, wieviel Heuchelei, Kriecherei und Rücksichtslosigkeit, wieviel Unwürdigkeit, Charakterlosigkeit und Gewissenlosigkeit zur Erreichung dieser Ziele vielfach erforderlich ist und wieviele Mitmenschen unter diesem Machtstreben zu leiden haben, wenn man andererseits sieht, wie der ewige Gleichmacher Tod von aller Macht und Herrlichkeit nur ein Stoppelfeld
      übrig lässt, drängt sich jedem die Erkenntnis geradezu auf,
      dass das Streben nach diesen materiellen Gütern nicht im
      Sinne einer ewigen Ordnung liegen kann

      http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/ellocco/theseus/


      Der erste Mensch, der damit begonnen hat, als Schutz gegen die Unwägbarkeiten der Zukunft eine Menge Güter anzuhäufen, mußte damit automatisch seinen Besitz gegen den Neid und die Bedürfnisse anderer Menschen verteidigen. Wenn eine Gesellschaft Angst vor Knappheit hat, wird sie eine Atmosphäre schaffen, in der die Ängste wohlbegründet sind. Es handelt sich hier um eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.
      Die Angst vor Mangel, die Folge unseres Geldsystems, erzeugt Gier und das Horten von Geld. Dadurch wird dem Geldkreislauf Geld entzogen, was wiederum Knappheit und somit Mangel nach sich zieht



      http://www.holis.de



      Die Phönizier haben das Geld erfunden - aber warum so wenig?


      Sprichwort



      «Die Schwierigkeit liegt nicht in den neuen Ideen, sondern darin, den alten Vorstellungen zu entkommen.»

      John Maynard Keynes

      Aus dem Vorwort der "Allgemeinen Theorie", nach Campester, in "Der Dritte Weg", 5/1995, S. 21
      Avatar
      schrieb am 12.04.03 19:03:10
      Beitrag Nr. 91 ()
      #3134 von frutta 04.04.03 03:01:40 Beitrag Nr.: 9.079.370 9079370
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      Deflation entsteht durch die Exzesse die vorausgingen. Durch die Mania an den Börsen konnten sich Firmen via Aktienausgaben leicht große Summen Geldes in die Kasse holen und investieren. Es entstanden dadurch Überkapazitäten. Oder sie besorgten sich das Geld billig an den Kreditmärkten für die Investitionen. Ohne billiges Geld keine Mania. Zu niedrige Zinsen können auch großen Schaden anrichten. Die Verbraucher finanzierten gleichzeitig durch die gute Stimmung einen Teil des Konsumes mit Kredit. Sie gaben viel mehr Geld aus, als sie verdienten und häuften dadurch Schulden an. Man braucht kein Wissenschaftler zu sein um die Folgen zu verstehen. Es ist ganz einfach. Auf der einen Seite Überkapazitäten und auf der anderen Seite weniger Nachfrage als Folge der Verschuldung und der sich verschlechternten Stimmung. Es gibt somit gleichzeitig Nachfragerückgang bei den Investitionen und beim Konsum. Zu allem Elend muß der Staat auch noch sparen, weil er prozyklisch in den guten Zeiten Schulden auf Teufel komm raus gemacht hat. Es entsteht so eine Abwärtsspirale, die zwangsläufig zu hoher Massenarbeitslosigkeit, Pleiten usw. führt. Niedrige Zinsen nutzen in dieser Situation überhaupt nichts mehr. Die Katastrophe ist m.E. unvermeidbar. Wenn dann noch die Probleme durch die Überalterung der Gesellschaft dazukommen, ist es ausweglos. Die Sozialkassen sind pleite, weil die Politik noch populistische Geschenke verteilt hat, als es längst klar war, daß sie wegen der Überalterung unfinanzierbar sind (Siehe 1998 Rücknahme der Rentenreform der Vorgängerregierung). Wenn die Rente umlagenfinanziert ist, muß man den Leuten rechtzeitig sagen, daß ihre Rente kleiner wird, wenn sie zuwenig Kinder in die Welt setzen. Und man muß es auch entsprechend regeln. Heute werden den jungen Leute riesige Rentenversicherungsbeiträge abgenommen , obwohl sie sich anhand der demographischen Daten ausrechnen können, daß sie nie eine adäquate Rente erhalten werden. Fehler auf allen Seiten, bei den Unternehmern, den Politikern, den Gewerkschaften und den Konsumenten. Das muß in den nächsten Jahren ausgebadet werden. In 50 Jahren werden dann spätere Generationen wieder die gleichen Fehler machen, weil die Menschen nie dazulernen. Sie glauben immer, daß sie schlauer sind als frühere Generationen. Da können Wissenschaftler Bücher schreiben, alle möglichen Theorien aufstellen, es ist alles zwecklos. Adam Smith hat schon alles gewußt. Es nutzt gar nichts. Letzten Endes ist es das menschliche Verhalten, das immer wieder zu den gleichen Problemen führt. Die Menschen ändern sich nie.
      Das Geld hat sich verändert. Früher bestimmte der Materialwert der Münzen die Kaufkraft. Das Geld war gleichzeitig eine Ware. Das heutige Geld entsteht durch Kreditvergabe und ist auf das Vertrauen angewiesen. Geht das Vertrauen verloren, ist jede Währung im Eimer. Dabei ist der Wechsel zwischen Inflation und Deflation anscheinend nicht zu vermeiden. Wichtig ist deshalb nur, daß man erkennt, was gerade droht und seine Dispositionen darauf einrichtet.
      Gruß frutta

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      #3135 von sittin bull inv 04.04.03 06:45:43 Beitrag Nr.: 9.079.448 9079448
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      Alles richtig- aber viel zu defätistisch.

      Unser Geldsystem hat sich zwar verselbstständigt, ist aber ein von Menschen geschaffener Wert, und damit auch wieder änderbar.

      Das einzige wo ich dir nicht widersprechen sondern eher sagen würde das war nicht weit genug gedacht ist dein Einleitungssatz:

      Deflation entsteht durch die Exzesse die vorausgingen. Durch die Mania an den Börsen konnten sich Firmen via Aktienausgaben leicht große Summen Geldes in die Kasse holen und investieren. Es entstanden dadurch Überkapazitäten. Oder sie besorgten sich das Geld billig an den Kreditmärkten für die Investitionen

      Es ist so richtig, aber denk mal weiter über die Ursachen der Manie- und dann denk mal über folgende Sache nach:
      Dem Kursanstieg folgen die Begründungen.
      So hat man noch für jede Euphorie reale Gründe gefunden-
      die, bei näherer Betrachtung sich immer als Luft erwiesen haben. ( genug Beispiele gibt es ja hier im Thread- Hedonics, Pensionsrückstellungen, Kosten verschleiert, Aktienoptionen, Pro Forma-Ergebnisse etc. )

      In Wirklichkeit gibt es hauptsächlich andere Gründe für dieses Booms- vagabundierendes Geld, welches in seiner Masse keine Anlagemöglichkeit mehr in Sachkapital findet,
      weil dort die Verzinsung zu gering geworden ist.
      Fällt auch die Börse oder andere Kompensationsmöglichkeit ( Immobilien, Gold, etc. ) aus, entzieht sich Geld einfach dem System, eine Deflation ist unvermeidbar!

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      #3136 von frutta 04.04.03 11:18:03 Beitrag Nr.: 9.081.207 9081207
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      @sittin bull
      guten Morgen Frühaufsteher,
      die Ursache der Mania. Hauptschuldiger ist m.E. die US Notenbank, die die Märkte mit billigem Geld überschwemmt hat, anstatt rechtzeitig dagegenzuhalten. 1998 nach dem Zusammenbruch dieses Hedgefonds der Nobelpreisträger (da sieht man was preisgekrönte Economen von Wirtschaft verstehen), dann wieder Ende 1999 aus Angst von der Katastrophe, die angeblich am 1.1.2000 ausbrechen sollte. Die Ursache waren eigentlich zu niedrige Zinsen, was zu die gefährliche Verschuldung ermöglichte. Ohne diese Verschuldung auch keine deflationäre Krise.
      Vorhin habe ich den "Teufelskreis gelesen". Dazu ein paar Bemerkungen.
      Im "goldenen" Mittelalter entstand über 90 % des Sozialproduktes in der Landwirtschaft. Genausogroß war der Anteil der Menschen, die auf dem Lande lebten. Die angeblich so guten Lebensbedingungen gab es nur für eine winzige Minderheit, für den Adel, die Kirchenfürsten und die Bürger, die in wohlhabenden Städten wohnten. Die Mehrheit auf dem Lande arbeitete 16 Stunden am Tag und lebte armselig. Die Wohlhabenden lebten von der Ausbeutung dieser Menschen. Die Städte waren im Vergleich zu heute winzig. Freiburg z.B. hatte nicht mal 10 000 Einwohner, gegenüber heute über 200000. Freiburg war zusätzlich reich durch die Silberbergwerke. Die Stadtflucht war sehr schwierig. Es war nicht so einfach in die geschlossene Stadtgesellschaft hineinzukommen.
      Eigentlich war es keine zinsfreie sondern eine kreditfreie Zeit. Es gab keine Kredite und somit automatisch keine Zinsen. Nur wer Schulden macht zahlt Zinsen. Wenn keiner Schulden macht, kann niemand Zinsen einnehmen. In Italien war das aber während dieser Zeit anders. Da gab es schon ein Bank- und Kreditwesen und natürlich Zinsen für diese Kredite.
      Ich könnte nochmehr dazu schreiben, aber ich hab jetzt keine Zeit mehr.
      Gruß frutta

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      #3138 von sittin bull inv 04.04.03 12:59:53 Beitrag Nr.: 9.082.462 9082462
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      @ frutta:

      nur kurz: Die Verschuldungsproblematik besteht ja wohl schon länger als erst seit 98.

      Sie ist systemimmanent.


      Zeigen tut sie sich nicht unbedingt immer, aber es kommen immer wieder Krisenherde zum Vorschein.
      Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Krisenherde nur das offensichtliche Auftauchen des Systemfehlers ist- es gibt ihn überall!


      Mittelalter: Wir werden da wohl nicht weiter kommen, da wir zu wenig darüber wissen.
      Ich glaube es kommt ebenso bei der Betrachtung darauf an, von welchem Standpunkt man es sieht.
      Liest man sich Karl Walker " Das Geld in der Geschichte" durch, kommt man zu anderen Schlüssen.
      Ich weiß auch, es ist nicht alles Gold was glänzt, Zyklen sind ein fester Bestandteil in allem was in der Natur vorkommt, warum also auch nicht in der Wirtschaft.

      Nur erreichen wir mit unseren Aufschieben des normalen Zyklus nur eines- der Zusammenbruch wird in die Zukunft verlegt und umso schlimmer, je länger man die Wachstumskarte ausreizen will/muß

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      #3140 von frutta 04.04.03 16:24:02 Beitrag Nr.: 9.084.932 9084932
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      klar gabs schon vorher Verschuldung, aber in der zweiten Hälfte der 90er Jahre gab es eine Explosion der Verschuldung bei Konsumenten und Firmen in den USA. Das wurde durch die leichtfertige Politik der Notenbank verursacht.
      gruß frutta

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      #3141 von landingzone 04.04.03 20:20:28 Beitrag Nr.: 9.087.281 9087281
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      @sittin bull inv


      ungern, aber mir fiel gerade ff. auf:

      In Wirklichkeit gibt es hauptsächlich andere Gründe für dieses Booms- vagabundierendes Geld, welches in seiner Masse keine Anlagemöglichkeit mehr in Sachkapital findet, weil dort die Verzinsung zu gering geworden ist.

      Wie verhindert ein Schwundgeldsystem Fehlallokationen?
      Fördert es sie nicht eher?
      Weiter gefragt: gibt es nicht bereits Schwundgeld?

      Beliebiger Inhaber einer Lohnsteuerkarte: Er weiß, was Schwundgeld ist... Die reale Verzinsung von Giro-Bankguthaben und Sparbüchern war immer nahe der Null-Rate. Oma/Opa und ihr Sparbuch hatten praktisch ein Schwundgeldproblem. Man konnte das bevorstehende Ende der Manie erkennen, als sie in jedem beliebigen Journal aufgefordert wurden, in Sachanlagen zu gehen. Aktien sind Sachanlagen in Reinkultur.

      Sparer (oder Investoren), die mit real existierendem Schwundgeld konfrontiert sind, versuchen nichts anderes, als alterrnative Chancen zu nutzen. Ergebnis: Fehlallokationen, entscheidend für die Auslösung der Krise. Venture Capital = extremste Form: Kosten von Geld völlig gleichgültig, funktioniert mit und ohne Schwundgeld, Sachanlage = Beteiligungsmodell unter Berücksichtigung statistischer Ausfallraten. Ideale Schwundgeld-Implementation.

      Prinzip wechselseitiger Ablösung spezifischer Bubbles: Kaum die Technologie- und Aktienbubble in USA geplatzt -> Abwandern der Anlager (in Besorgnis um das Schwundgeld) in Sachanlage Immobilien. Folge: neuer Markt (extremer noch in GB) mit Bubble-Strukturen. Allerdings ist die Flucht aus dieser Sachanlage nicht leicht möglich: Diese Bubble wird massiven Geldschwund generieren. Erwünscht? Nein, zwangsläufig.

      Im Hirn der Anleger waren sog. konservative Geldanlagen doch nie etwas anderes Schwundgeld. Rein in Aktien, Immobilien und was-weiß-ich-was-noch-kommt => der geforderte Zwang zur Investition. Realität: Das Experiment ist bereits in vollem Gange. Nicht umgekehrt. Die staatpolitische Implementation des Schwundgeld-Prinzips: Versprechen oder Drohung?

      Geld und Gewinnstreben sind wie Wasser. Beides sucht sich seinen Weg und fließt in jede Ritze. Glaubt man im Ernst, Geld wird ohne Gewinnstreben verliehen werden? In einer marktwirtschaftlichen, also im althergebrachten Sinn strukturell anti-ethischen Ordnung?

      fruttas Erklärungsansatz scheint zu stimmen. Er übersieht m.E. aber, daß die ultimative Klimax aller Bubbles die Aggressions- und Militarismus-Bubble ist.

      Der große "Weißmacher"? Simplifizierende Erklärungsansätze? Partielle Reformansätze vielleicht, aber als Lösungsparadigma -> denke, Fehlallokation.


      ok, Du sagst Bescheid, wenn ich etwas mißverstanden habe? Ich blicke nicht, was die Gesellianer uns da eigentlich empfehlen wollen.



      Was ich zero nachvollziehen kann:

      Eine zentrale Ursache für die Krisenentwicklung und damit ein Dilemma unserer sozialen Marktwirtschaft, daß mittlerweile so effektiv und so viel produziert wird, daß es immer schwieriger wird, für die erzeugten Produkte Nachfrage zu finden oder zu schaffen.

      Effizienz = Krise? Dann muß man umgekehrt schließen, daß ineffiziente Organisation die Lösung ist. Wie ist das zu verstehen?


      Daß die Überproduktion von Waren und Dienstleistungen zur Wirtschaftskrise und damit zu Versorgungsengpässen führt, ist für sich genommen widersinnig und unnötig. Es ist nur damit zu erklären, daß Geld den notwendigen Tausch- und Investitionsvorgängen vorenthalten werden kann.

      Wer definiert "notwendig"? Ist das ein Plädoyer für shop `till you drop auf Verordnung? Schwundgeld soll mich dazu zwingen, irgend etwas adhoc zu kaufen, damit ich mich vom Geld befreie? Scheint Unsinn zu sein, sorry. Und schon wieder: Eine Aufforderung zur Fehlallokation.
      Es muß meine Sache sein, Investitionsentscheidungen zu treffen, wann ich es will und nicht eine Schwundgelddiktatur. Es wäre bspw. lächerlich, diejenigen, die entscheiden, n Jahre auf eine Immobilie zu sparen, weil sie keine Kredite wollen, a priori zu bestrafen. Das wäre aber die Konsequenz im Schwundgeldsystem? -> ein neuer absurder Zwangsapparat?


      Problematisch ist dabei jedoch, dass mit diesen rückläufigen Entwicklungen die ausgegebene Geldmenge nicht im Gleichschritt reduziert wird, sondern deren Überschüsse sich in den privaten Tresoren sammeln. Denn mit dieser sich ansammelnden Differenz zwischen der ausgegebenen und der notwendigen aktiven Geldmenge, bildet sich ein aufgestautes Nachfragepotential, das bei einem Anspringen der Konjunktur und einer Wiederbelebung des Wachstums zu einem Inflationsschub führen muss. Die damit wieder ansteigenden Zinsen aber könnten bei den hohen Schulden in Lande für die Wirtschaft "tödlich" sein, vor allem für den überschuldeten Staat.

      Schon, aber werden da nicht nominelle und reale Zinsen durcheinandergebracht?

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      #3142 von frutta 05.04.03 02:47:59 Beitrag Nr.: 9.089.038 9089038
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      ja, das Schwundgeld. Die nächste Kneipe, die ich zu Fuß erreichen kann, verlangt für ein Glas Bier 0,3l 2,60 €. Das sind umgerechnet 5,09 DM. Laut einer Getränkekarte vom Dezember 1998 kostete das gleiche Bier 3,20 DM. Der Preis ist also in 4 Jahren und und 4 Monaten (52 Monaten) um 59,06 % teurer geworden. Das ergibt eine durchschnittliche Jahresinflation von 13,68 %. Mein Nettoverdienst ist in der gleichen Zeit um ganau 8,37 % gestiegen. Wenn das kein Schwundgeld ist. Die Qualität des Bieres ist in dieser Zeit nicht besser geworden. Ebensowenig der Service. Die offizielle statistische Inflation lag in der gleichen Zeit bei ca. 6,8 %. Anscheinend wird in dieser Statistik nicht viel Bier getrunken. Oder es wird statistisch unterstellt, daß man 2 mal im Jahr einen neuen PC kauft. Bei den PC ´s haben wir ja gallopierende Deflation. Für mich gilt das nicht, denn ich schreibe diesen traurigen Bericht mit einem PC, der schon 3,5 Jahre alt ist. Ich kann mir keinen neuen kaufen, weil das Bier so teuer ist. Übrigens nicht nur das Bier. Auch das Benzin, die Müllabfuhr, die Krankenkasse, der Strompreis (+ 36 %), die Äpfel, die Tomaten, das Brot, der Salat, das Klopapier, die Autoreparaturen und viele andere Dinge tragen zum Schwund meines Geldes bei. Also mir reicht der Schwund des Geldes vollkommen. Ich plädiere eigentlich eher für die Abschaffung des Schwundgeldes.
      Jetzt fällt mir noch ein, der Wasserpreis hat sich während der letzten 4 Jahre genau verdoppelt. Deswegen ist das Bier so teuer. Da ist zuviel Wasser drin.
      Prost
      frutta
      **********************************************************

      #3143 von sittin bull inv 05.04.03 04:35:23 Beitrag Nr.: 9.089.088 9089088
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      @ landingzone, frutta


      wo soll ich anfangen?

      Wie verhindert ein Schwundgeldsystem Fehlallokationen?
      Fördert es sie nicht eher?
      Weiter gefragt: gibt es nicht bereits Schwundgeld?


      Unser bisheriges Geld ist Schwundgeld-
      weil Inflation beständiges Thema für unsere Währungen ist-
      aber nicht gleichermaßen für alle!



      Während die Einnahmen des Bundes, das Bruttosozialprodukt sowie Löhne und Gehälter zwischen 1968 und 1982 auf ungefähr das Dreifache (300%) anstiegen, erhöhten sich die Zinslasten des Bundes auf mehr als das Elffache (1160%). Die Tendenz wird deutlich - die Schulden und Schuldenzinsen in den Volkswirtschaften nehmen schneller zu als die Einkommen, was früher oder später zum Kollaps führen muß, selbst in den industrialisierten Nationen. Wenn ein Kind zwischen seinem 1. und 10. Lebensjahr um das dreifache wächst, seine Füße im selben Zeitraum jedoch um das 11-fache wachsen, würde jeder es krank nennen. Das Problem ist, daß nur sehr wenige Menschen die Zeichen der Krankheit im Geldsystem erkennen und daß noch weniger ein Heilmittel kennen. Denn bisher war niemand in der Lage, ein gesundes Geldsystem aufzubauen, welches Bestand hatte.

      Inflation wirkt wie eine andere Form von Besteuerung, mit der die Regierungen eine Möglichkeit haben, die schlimmsten Probleme der ansteigenden Schulden zu bewältigen. Es ist offensichtlich, daß die benötigte Inflation umso größer sein muß, je größer die Lücke zwischen nationalem Einkommen und Schulden ist. Die Regierungen können ihre Schulden vermindern, indem sie den Notenbanken gestatten, Geld zu drucken



      http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/kennedy/kap1.html


      Eine dritte Fehlvorstellung über unser Geldsystem könnte so formuliert werden: Weil jede/r Zinsen bezahlen muß, wenn er/sie sich Geld leiht und Güter oder Dienstleistungen kauft und weil jede/r Zinsen bekommt, wenn er/sie Geld spart, geht es uns allen gleichermaßen gut (oder schlecht) mit dem gegenwärtigen Geldsystem.

      Abbildung 4

      Auch dies stimmt nicht. In der Tat besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen denjenigen, die in diesem System gewinnen und denjenigen, die bezahlen. Abbildung 4 zeigt einen Vergleich zwischen Zinszahlungen und Einkommen aus Zinsen bei 10 zahlenmäßig gleichen Bevölkerungsanteilen in der Bundesrepublik. Es zeigt sich, daß die ersten 80% der Bevölkerung mehr Zinsen bezahlen als sie erhalten, 10% erhalten etwas mehr als sie bezahlen und die letzten 10% erhalten etwa doppelt soviel Zinsen wie sie bezahlen. Das ist zusammengenommen genau der Teil, den die ersten 80% der Bevölkerung verloren haben. Dies erklärt vorbildlich einfach einen Mechanismus, vielleicht den wichtigsten, der die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden läßt.




      Das mit dem eher fördern bitte nochmal konkretisieren.
      So kann ich da nicht drauf antworten.
      Per Gefühl schon mal: Nein!

      *********************************************************


      #3144 von frutta 05.04.03 05:23:42 Beitrag Nr.: 9.089.092 9089092
      Dieses Posting: versenden | melden | drucken | Antwort schreiben
      Sittin bull bist schon wieder da, oder immer noch ? Ich bin immer noch da. Mich hat einfach mal der Beginn dieses Thread interessiert, der jetzt immerhin 3143 Beiträge zu verzeichnen hat und 75100 mal gelesen wurde. Ich habe jetzt die ersten 133 Beiträge gelesen und bedaure, daß der Initiator "gieristnichtgut" nchts mehr von sich hören läßt. Er hat am 22.01.01 mit seiner berechtigten Sorge um die Verschuldungsorgie der Amerikaner den Thread eröffnet. Dein erstes Posting, sittin bull ist vom 7.2.01, die # 38. Du gehörst also zu den Veteranen. Am 16,3.01 stieß dann Helmut_Kohl dazu #58. Zwischen Dir und Helmut war die Diskussion immer kontrovers. An Euch bewundere ich, Ihr habt immer kontovers diskutiert, wart nur selten einig, trotzdem wurde die Sache eigentlich nie persönlich. Es wurde zwar manchmal schon ein wenig scharf, aber nie beleidigend. Kompliment. Landingzone, Du kamst am 24,03.01 mit # 133 dazu. Ein Beitrag, den man m.E. noch mal lesen sollte. Deshalb kopiere ich ihn einfach nochmal hier herein, damit er nochmal gelesen wird.
      Dieser Thread befaßt sich mit einem Thema, das für uns alle, ob wir links, rechts, oben, unten oder hinten oder vorne sind (gesinnungsmäßig), wichtig ist. Unterschiedliche Meinungen sind für eine gute Diskussion wichtig und gut, wenn es so abläuft, wie zwischen Sittin bull (trägst Du einen Colt) und Helmut. Und jetzt der Beitrag von #133 von Landingzone:

      "Ich glaube, man muß unterscheiden, wie Konjunkturzyklen verstanden werden. Im allgemeinen werden sie heute mehr oder weniger als Wachstumsdellen, bzw. Wachstumswellen gesehen, also als Phasen größeren oder kleineren Wachstums. Das gilt als selbstverständlich.

      Was nicht als selbstverständlich und falls, dann eher als biblisches Verhängnis gesehen wird, ist die Vorstellung der großen, einschneidenden Zyklen. Die Finanz- und Wirtschaftspolitik glaubt heute eher, mit entsprechend cleveren Steuerungsmethoden diese Zyklen vermeiden zu können. Gelegentlich wird ja auch vom "Ende der Zyklen" gesprochen.

      Das Risiko eines solchen Großzyklus läge unter anderem darin, daß sich herausstellte: Dieses Versprechen ist nicht einhaltbar. Die Folgen einer großen Krise wären deshalb, wie schon einmal erwähnt, ernsthafte politische Konsequenzen: Man erinnert sich an die gebrochenen Versprechungen - auch wenn in Wirklichkeit nichts Neues und nur das Unvermeidbare geschehen wäre. Aus dieser Sicht wäre es sinnvoller, wenn dieses Versprechen nie gegeben worden wäre.

      Zur Zyklentheorie: Marxisten halten sie ("tendenzieller Fall der Profitrate" ohnehin für naturgegeben. Das heißt aber nicht, daß es ihre Domäne oder Idee ist: Von Kontratjew bis Schumpeter, Forrester/MIT und Kahn vom Hudson Institute haben auch marktwirschaftlich orientierte Theoretiker die Theorie der großen Zyklen immer wieder wissenschaftlich neu aufgearbeitet.

      Kahn beispielsweise hat Anfang der 80er ein Buch mit dem bezeichnenden Titel "Der kommende Boom" veröffentlicht, in dem er ein v.a. auf IT-Innovationen gestütztes Wachstum bis ca. zum Jahr 2000 voraussagte und danach eine Abschwächung vermutete. Er hat damit exakt recht behalten. Allerdings hat er die Fortschreibung seiner ansonsten recht klaren Darstellung der Schwierigkeiten am Ende eines großen Zyklus vermieden. Aus damals einsichtigen Gründen, denn er wollte seinerzeit seinen Lesern eher Mut machen."

      Soweit also Landingzone am 2.03.01. also vor gut 2 Jahren.
      Respekt.

      Später Gruß von frutta
      also jetzt gehe ich aber in die Falle." target="_blank" rel="nofollow ugc noopener">Während die Einnahmen des Bundes, das Bruttosozialprodukt sowie Löhne und Gehälter zwischen 1968 und 1982 auf ungefähr das Dreifache (300%) anstiegen, erhöhten sich die Zinslasten des Bundes auf mehr als das Elffache (1160%). Die Tendenz wird deutlich - die Schulden und Schuldenzinsen in den Volkswirtschaften nehmen schneller zu als die Einkommen, was früher oder später zum Kollaps führen muß, selbst in den industrialisierten Nationen. Wenn ein Kind zwischen seinem 1. und 10. Lebensjahr um das dreifache wächst, seine Füße im selben Zeitraum jedoch um das 11-fache wachsen, würde jeder es krank nennen. Das Problem ist, daß nur sehr wenige Menschen die Zeichen der Krankheit im Geldsystem erkennen und daß noch weniger ein Heilmittel kennen. Denn bisher war niemand in der Lage, ein gesundes Geldsystem aufzubauen, welches Bestand hatte.

      Inflation wirkt wie eine andere Form von Besteuerung, mit der die Regierungen eine Möglichkeit haben, die schlimmsten Probleme der ansteigenden Schulden zu bewältigen. Es ist offensichtlich, daß die benötigte Inflation umso größer sein muß, je größer die Lücke zwischen nationalem Einkommen und Schulden ist. Die Regierungen können ihre Schulden vermindern, indem sie den Notenbanken gestatten, Geld zu drucken


      http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/kennedy/kap1.html


      Eine dritte Fehlvorstellung über unser Geldsystem könnte so formuliert werden: Weil jede/r Zinsen bezahlen muß, wenn er/sie sich Geld leiht und Güter oder Dienstleistungen kauft und weil jede/r Zinsen bekommt, wenn er/sie Geld spart, geht es uns allen gleichermaßen gut (oder schlecht) mit dem gegenwärtigen Geldsystem.

      Abbildung 4

      Auch dies stimmt nicht. In der Tat besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen denjenigen, die in diesem System gewinnen und denjenigen, die bezahlen. Abbildung 4 zeigt einen Vergleich zwischen Zinszahlungen und Einkommen aus Zinsen bei 10 zahlenmäßig gleichen Bevölkerungsanteilen in der Bundesrepublik. Es zeigt sich, daß die ersten 80% der Bevölkerung mehr Zinsen bezahlen als sie erhalten, 10% erhalten etwas mehr als sie bezahlen und die letzten 10% erhalten etwa doppelt soviel Zinsen wie sie bezahlen. Das ist zusammengenommen genau der Teil, den die ersten 80% der Bevölkerung verloren haben. Dies erklärt vorbildlich einfach einen Mechanismus, vielleicht den wichtigsten, der die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden läßt.




      Das mit dem eher fördern bitte nochmal konkretisieren.
      So kann ich da nicht drauf antworten.
      Per Gefühl schon mal: Nein!

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      #3144 von frutta 05.04.03 05:23:42 Beitrag Nr.: 9.089.092 9089092
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      Sittin bull bist schon wieder da, oder immer noch ? Ich bin immer noch da. Mich hat einfach mal der Beginn dieses Thread interessiert, der jetzt immerhin 3143 Beiträge zu verzeichnen hat und 75100 mal gelesen wurde. Ich habe jetzt die ersten 133 Beiträge gelesen und bedaure, daß der Initiator "gieristnichtgut" nchts mehr von sich hören läßt. Er hat am 22.01.01 mit seiner berechtigten Sorge um die Verschuldungsorgie der Amerikaner den Thread eröffnet. Dein erstes Posting, sittin bull ist vom 7.2.01, die # 38. Du gehörst also zu den Veteranen. Am 16,3.01 stieß dann Helmut_Kohl dazu #58. Zwischen Dir und Helmut war die Diskussion immer kontrovers. An Euch bewundere ich, Ihr habt immer kontovers diskutiert, wart nur selten einig, trotzdem wurde die Sache eigentlich nie persönlich. Es wurde zwar manchmal schon ein wenig scharf, aber nie beleidigend. Kompliment. Landingzone, Du kamst am 24,03.01 mit # 133 dazu. Ein Beitrag, den man m.E. noch mal lesen sollte. Deshalb kopiere ich ihn einfach nochmal hier herein, damit er nochmal gelesen wird.
      Dieser Thread befaßt sich mit einem Thema, das für uns alle, ob wir links, rechts, oben, unten oder hinten oder vorne sind (gesinnungsmäßig), wichtig ist. Unterschiedliche Meinungen sind für eine gute Diskussion wichtig und gut, wenn es so abläuft, wie zwischen Sittin bull (trägst Du einen Colt) und Helmut. Und jetzt der Beitrag von #133 von Landingzone:

      "Ich glaube, man muß unterscheiden, wie Konjunkturzyklen verstanden werden. Im allgemeinen werden sie heute mehr oder weniger als Wachstumsdellen, bzw. Wachstumswellen gesehen, also als Phasen größeren oder kleineren Wachstums. Das gilt als selbstverständlich.

      Was nicht als selbstverständlich und falls, dann eher als biblisches Verhängnis gesehen wird, ist die Vorstellung der großen, einschneidenden Zyklen. Die Finanz- und Wirtschaftspolitik glaubt heute eher, mit entsprechend cleveren Steuerungsmethoden diese Zyklen vermeiden zu können. Gelegentlich wird ja auch vom "Ende der Zyklen" gesprochen.

      Das Risiko eines solchen Großzyklus läge unter anderem darin, daß sich herausstellte: Dieses Versprechen ist nicht einhaltbar. Die Folgen einer großen Krise wären deshalb, wie schon einmal erwähnt, ernsthafte politische Konsequenzen: Man erinnert sich an die gebrochenen Versprechungen - auch wenn in Wirklichkeit nichts Neues und nur das Unvermeidbare geschehen wäre. Aus dieser Sicht wäre es sinnvoller, wenn dieses Versprechen nie gegeben worden wäre.

      Zur Zyklentheorie: Marxisten halten sie ("tendenzieller Fall der Profitrate" ohnehin für naturgegeben. Das heißt aber nicht, daß es ihre Domäne oder Idee ist: Von Kontratjew bis Schumpeter, Forrester/MIT und Kahn vom Hudson Institute haben auch marktwirschaftlich orientierte Theoretiker die Theorie der großen Zyklen immer wieder wissenschaftlich neu aufgearbeitet.

      Kahn beispielsweise hat Anfang der 80er ein Buch mit dem bezeichnenden Titel "Der kommende Boom" veröffentlicht, in dem er ein v.a. auf IT-Innovationen gestütztes Wachstum bis ca. zum Jahr 2000 voraussagte und danach eine Abschwächung vermutete. Er hat damit exakt recht behalten. Allerdings hat er die Fortschreibung seiner ansonsten recht klaren Darstellung der Schwierigkeiten am Ende eines großen Zyklus vermieden. Aus damals einsichtigen Gründen, denn er wollte seinerzeit seinen Lesern eher Mut machen."

      Soweit also Landingzone am 2.03.01. also vor gut 2 Jahren.
      Respekt.

      Später Gruß von frutta
      also jetzt gehe ich aber in die Falle.
      Avatar
      schrieb am 12.04.03 21:54:36
      Beitrag Nr. 92 ()
      #3145 von sittin bull inv 05.04.03 10:28:46 Beitrag Nr.: 9.089.475 9089475
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      frutta: Veteran ist schon ganz richtig!

      gieristnichtgut war nur konsequent!

      Etwas was einem Geld sparen konnte!


      Zur Zyklentheorie: Nun ja, es kommt ja nicht von ungefähr- jeder Vorgang der Natur oder des Lebens ist ein Zyklus.

      Und Wirtschaft kann man in vielen Dingen mit Leben vergleichen, ganz logisch eigenlich, wenn man versteht, das Wirtschaft nichts anderes ist als die Zusammenfassung
      der Verhaltensweisen Millionen Lebendiger!

      Und es ist richtig- würden wir wirklich normale Wirtschaftszyklen zulassen, gäbe es kaum Probleme mit einer Zinswirtschaft. Aber irgendwie scheint es nicht vereinbar zu sein, mal ein paar Jahre auf Wachstum verzichten zu können. Heute sowieso nicht mehr, auf Grund der exorbitanten Verschuldung fressen uns die Zinsen auf
      ( was man tatsächlich beachten kann, dazu auch meine Grafik )





      Gerade Staatsschulden haben nun auch noch die Eigenschaft, ständig akkumuliert zu werden, weil sie die Zyklen verhindern sollen.

      Generell halte ich diese Artikel für sehr lesenswert!

      http://www.geldcrash.de/Aktuelles/Artikel/Buchergilde/bucher…

      und wartet mal, Rechner zerlegt sich gerade...

      ( Wurde das in den Hedonics berücksichtigt? )
      #3146 von sittin bull inv 05.04.03 10:47:37 Beitrag Nr.: 9.089.564 9089564
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      Und diesen Link hier, auch wenn er schon mal hier gepostet wurde!

      http://home.t-online.de/home/dieter.meyer/homepage.htm



      Meine Vermutung ist nun ja, das die Verschuldungsmaschine nicht von ungefähr kommt.
      H-K behauptet zwar, wir hätten die Wahl ob wir uns verschulden oder nicht, ich stehe auf Lietaers Standpunkt,
      das Geldschöpfung zwingend ein Verschuldungsprozeß ist,
      der durch den Zins auf Wachstum und damit zunehmende Verschuldung angewiesen ist-
      und wir gar keine andere Wahl haben!

      Deshalb nützt auch das ganze Gegenüberstellen der Vermögen zu den Schulden nichts, natürlich gibt es das.
      Nur die Frage- wie viel davon ist bloß heiße Luft,
      und wie viel wirklich hart durch Sachkapital unterlegt?

      Und vagabundierendes Geld ( was zweifellos auch durch deine Theorie der niedrigen Zinsen vermehrt entsteht )
      ist eigentlich nur heiße Luft, in das wir noch unser Vertrauen setzen, welches aber tatsächlich schon heute nicht mehr gerechtfertigt ist.

      Die heiße Luft wird sich im Rahmen der Bereinigung verflüchtigen, dazu zähle ich insbesondere jedwede Form der Staatsanleihe und sämtlicher Geldwertentsprechungen, jedoch weniger die der Aktienwerte
      ( dort sind nämlich wirkliche Werte hinterlegt, weil es Firmen geben soll, die Gewinn machen und Dividende ausschütten! )

      Also obacht- wir sind schon am abrutschen vom Zenit-
      dieses Mal wird der Fall sehr heftig werden, es gibt keine Möglichkeit dem noch zu entgehen.

      Und es wird defintiv schlimmer als 1929-33

      Hoffen wir, das es nicht zu den alten Fehlern wieder kommt, obwohl ich jetzt mit der Bushregierung ernste Sorgen habe, ob die NeoCons nicht einen globalen Krieg als Marktbereinigungsmöglichkeit in Betracht ziehen!

      Empfehlen kann ich nur Wissen, selbst Gold ist unsicher, im Zweifelsfall nährt man nur die Raubgier der anderen, und kann dafür trotzdem nichts essen.
      Und die Nähe zur Naturalwirtschaft.

      In 2. Generationen werden wir wieder wissen, was Leben ist und wo es herkommt- nicht für Geld aus dem Supermarkt!

      Auch wenn es düster klingt, und ich ja auch kein Fachmann bin ( )
      Ich würde mich nicht darauf verlassen, das irgendeiner unserer Meinungsgestalter uns so etwas sagt, denn es wäre eine Self-Fulfilling-Prophecy, wenn man Anzeichen von Vertrauensverlust verbreitet, und diese ist Tabu.

      Wie die Nachfragen zum Geld. Warum eigentlich?

      Vetrauen ist die Basis von allem.

      Und Wissen kann Vertrauen zerstören.


      Oder uns blind machen...

      #3147 von frutta 05.04.03 14:34:46 Beitrag Nr.: 9.090.388 9090388
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      normalerweise gibt es ca. alle 4 Jahre eine Rezession, in der die Dinge bereinigt werden. Diesmal wurde dies durch eine übertrieben expansive Politik verhindert. Die Verschuldung wuchs auf ungesunde Weise und die Verschuldung hat ja das Wachstum gefördert. Denn die Schuldner haben das geliehene Geld entweder in Investitionen oder in den Konsum gesteckt. Die ungesündesten Schulden waren dabei diejenigen, die zum Rückkauf eigener Aktien vewendet wurden. Denn damit haben die Firmen ja auch noch ihr Eigenkapital verringert. Das geschah hauptsächlich um den Gewinn pro Aktie zu erhöhen, denn dieser steigt ja auch bei gleichbleibendem Gewinn, wenn sich die Zahl der ausstehenden Aktien verringert. Auch die Anleger haben ungeheuere Mengen Aktien mit Kredit gekauft. Es kam zu der bekannten Aktien Blase. Und es kam zu Überkapazitäten besonders im Bereich Telekom. Viele der ausstehenden Schulden sind schon verloren gegangen und wir sind noch lange nicht am Ende. Sittin bull, du hast völlig Recht, daß in da noch jede Menge heiße Luft raus muß. Um das alles zu verstehen, braucht man keinerlei Fachwissen. Der gesunde Menschenverstand genügt vollkommen. Das Fachwissen besteht in der Volkswirtschaft ohnehin zum größten Teil nur aus einem völlig überflüssigen Fachjargon, mit dem sich die angeblichen Fachleute wichtig tun. Ihre wahren Fähigkeiten kommen immer zu Tage, bei ihren Prognosen. Hier liegen sie so oft falsch, daß man sich nur wundern kann.
      Nur man darf nicht das Kind mit dem Bad ausschütten. Wenn es keine Zinsen gäbe, gäbe es auch keinen Kredit. Denn keiner würde jemand ohne Zinsen Geld leihen, denn er weiß ja genau, daß er nach der Rückzahlung des Geldes einen Kaufkraftverlust erleidet und ein Ausfallrisiko besteht auch. Eine moderne Wirtschaft ohne Kredit ? Keiner könnte sich selbständig machen oder ein Haus bauen. Wenn er sich das Geld erst zusammensparen müßte (er bekäme ja auch zu allem Elend keine Zinsen) wäre er dann zu alt zur Firmengründung und das Haus bräuchte auch nicht mehr, weil inzwischen seine Kinder erwachsen wären. Also Kredit ist nicht von vornherein etwas schlechtes. Es darf nur nicht übertrieben werden. Dafür haben die regelmäßigen 4 jährigen kleinen Rezessionen zu sorgen.
      Das nutzt uns jetzt aber alles nichts, denn die Fehler sind gemacht und müssen ausgebadet werden. Kriege verstärken die Malaise dabei zusätzlich. Im Falle Irak könnte sich ein positiver Effekt dann ergeben, wenn es zu niedrigeren Ölpreisen kommt. Im Augenblick hat sich Rohöl ja vom Hoch schon um 11 Dollar verbilligt, das sind immerhin 27 %. Nur merken wir davon nicht viel, weil der Preis der Endprodukte zu 75 % aus Steuern besteht. Wenn sich die restlichen 25 % um 27 % verbilligen, sind das am Endpreis gerade mal noch 6,7 %.
      Wir können nur versuchen uns auf die Zukunft einzustellen. Dazu gehört vor allem, möglichst keine Schulden zu machen und mit dem Geld sparsam umzugehen. Blöderweise verstärkt das richtige Verhalten, auch noch die wirtschaftliche Malaise.
      Gruß frutta

      *******************************************************


      #3149 von sittin bull inv 05.04.03 21:24:21 Beitrag Nr.: 9.092.876 9092876
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      @ frutta:
      Grundsätzlich stimme ich dir zu- bis auf diesen Teil:



      Nur man darf nicht das Kind mit dem Bad ausschütten. Wenn es keine Zinsen gäbe, gäbe es auch keinen Kredit. Denn keiner würde jemand ohne Zinsen Geld leihen, denn er weiß ja genau, daß er nach der Rückzahlung des Geldes einen Kaufkraftverlust erleidet und ein Ausfallrisiko besteht auch. Eine moderne Wirtschaft ohne Kredit ? Keiner könnte sich selbständig machen oder ein Haus bauen. Wenn er sich das Geld erst zusammensparen müßte (er bekäme ja auch zu allem Elend keine Zinsen) wäre er dann zu alt zur Firmengründung und das Haus bräuchte auch nicht mehr, weil inzwischen seine Kinder erwachsen wären. Also Kredit ist nicht von vornherein etwas schlechtes. Es darf nur nicht übertrieben werden. Dafür haben die regelmäßigen 4 jährigen kleinen Rezessionen zu sorgen.



      Niemand fordert heutzutage noch ernsthaft die Abschaffung des Zinses. Habe ich schon mehrfach geschrieben.
      Durch eine Umlaufsicherung soll der Zinsfuß sinken.

      Kein Kredit mehr?

      Da schüttest du das Kind mit dem Bade aus, weil du da Schlüsse ziehst, die einfach nicht richtig sind.
      Wer behauptet, das eine Umlaufsicherung bedeutet, dass niemand mehr Geld verleiht, irrt.
      Eher das Gegenteil ist der Fall.

      «Die Schwierigkeit liegt nicht in den neuen Ideen, sondern darin, den alten Vorstellungen zu entkommen.»

      John Maynard Keynes

      Aus dem Vorwort der "Allgemeinen Theorie", nach Campester, in "Der Dritte Weg", 5/1995, S. 21


      Thema Verschuldung: Weg mit dem Wachstumszwang, weg mit dem Verschuldungszwang.
      Wäre Geld wirklich nur ein Tauschmittel, könnte man es als Geldmenge wesentlich besser steuern, wenn es denn schon eine Fiat-Währung sein muß.


      Bernd Senf:
      Zinssystem und Staatsbankrott
      Um es gleich vorwegzunehmen: Der folgende Beitrag rührt an einem Tabu, das sich auf erstaunliche Weise in einer ansonsten doch recht aufgeklärten Gesellschaft hat halten können. Gemeint ist das Zins-Tabu, die Tabuisierung der Zinsproblematik, d.h. des Zusammenhangs zwischen Zinssystem und vielfältigen Krisensymptomen. Dazu gehören Krisen der Wirtschaft, der Umwelt, der Gesellschaft, des Staates und der Dritten Welt. Hier soll es vor allem um die Krise des Staates - genauer: des Staatshaushalts - gehen, um die Eskalation der Staatsverschuldung und deren Finale, den Staatsbankrott.

      Zweimal Staatsbankrott in Deutschland
      In Deutschland hatten wir ihn in diesem Jahrhundert schon zweimal, und jedesmal verbunden mit sozialen Katastrophen: Im Gefolge des Ersten Weltkriegs die Inflation von 1923, und nach dem Zweiten Weltkrieg der Zusammenbruch der Währung 1948. Beide Male hatte die Währung den an sie gestellten Anspruch - nämlich zu währen, d. h. ihre Kaufkraft zu bewahren - eingebüßt.
      Auf dem Höhepunkt der Inflation 1923 konnte man für 1 Billion Mark gerade mal noch ein Brot kaufen, in so astronomische Höhen waren die Preise gestiegen. Bis im November 1923 eine Währungsreform stattfand und die alte Währung im Verhältnis 1 Billion : 1 in die neue »Rentenmark« umgerechnet und umgewechselt wurde. Von dieser Umrechnung waren alle Geldgrößen betroffen, Geldvermögen ebenso wie Schulden, auch Staatsschulden, die der Staat u. a. zur Finanzierung des Ersten Weltkriegs aufgenommen hatte. Durch die große Inflation und anschließende Währungsreform hat sich demnach der Staat auf "elegante" Art, aber mit dramatischen Folgen, seiner gigantischen Staatsschulden entledigt, im wahren Sinne des Wortes »für`n Appel und `n Ei« - denn mehr waren die Staatsschulden und ihre Rückzahlung nicht mehr wert.

      Die Inflation hatte die Forderungen derjenigen, die dem Staat freiwillig oder per Zwangsanleihe Geld geliehen hatten, aufgefressen. Die Leidtragenden waren die Inhalber von Sparguthaben, von Lebensversicherungen und anderen Geldvermögen, deren Kaufkraft praktisch auf Null zusammengeschrumpft waren; und die Gewinner waren die Schuldner und die Eigentümer von Realvermögen (Boden, Mietshäuser, Fabriken oder andere Wertgegenstände), die all dies unbeschadet über die Inflation hinüberretten konnten. Und wer vor der Inflation über große Geldvermögen verfügte, war früh genug in Sachwerte umgestiegen, im Unterschied zu den kleinen Sparern und Lebensversicherten, denen derartige Möglichkeiten verbaut waren.

      Der verdeckte Staatsbankrott, abgewickelt über die galoppierende Inflation, ging mit einer dramatischen Umverteilung einher, deren Opfer insbesondere das Kleinbürgertum war. Seine Existenzgrundlagen wurden in einer Welle von faktischen Enteignungen zerstört, während das große Kapital davon profitierte. Daß zunächst vor allem das Kleinbürgertum in der Weimarer Republik anfällig für faschistische Ideologie war, lag auch in dessen ökonomischem Absturz und in seiner dadurch verursachten Identitätskrise begründet.

      Unter der Herrschaft des Nationalsozialismus wurde der sich erneut anbahnende Staatsbankrott auf andere Weise verschleiert. Die über Geldschöpfung »finanzierten« gigantischen Rüstungsprogramme trugen zunächst zu einer »Belebung der Wirtschaft« bei (welche Sprachverwirrung!). Unter marktwirtschaftlichen Bedingungen wäre die Folge eines wachsenden Nachfrageüberhangs - nach Auslastung der Produktionskapazitäten - eine Inflation gewesen; und unter demokratischen Verhältnissen hätten die Gewerkschaften um einen Inflationsausgleich gekämpft. Beides fand unter der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus nicht statt: Die Gewerkschaften wurden zerschlagen, und der Wirtschaft wurde ein Lohn- und Preisstop aufgezwungen. Dadurch kam die Inflation nicht an die Oberfläche, sondern- blieb "zurückgestaut« und brach erst durch, nachdem die nationalsozialistische Gewaltherrschaft zusammengebrochen war - nach dem Zweiten Weltkrieg.

      Hier erst wurde mit einiger Verzögerung offensichtlich, daß die Währung nichts mehr wert war. Die Konsequenz davon war die Währungsreform 1948, bei der eine Umstellung der alten Reichsmark auf die neue D-Mark in den drei westlichen Besatzungszonen im Verhältnis 10: 1 (zum Teil 6,5: 1) erfolgte. Und wiederum waren Geldvermögen und Schulden gleichermaßen entwertet, zum Nachteil der Inhaber von Geldvermögen und zum Vorteil der Schuldner. Der Staat hatte sich zum zweiten Mal durch Bankrott aus seinen Schulden herausgestohlen, hatte sich durch den Zusammenbruch der Währung entschuldet - aber mit keinem Wort bei den Geschädigten dafür entschuldigt, geschweige denn sie dafür entschädigt.

      So ist es eben bei einem Bankrott: Der eine kommt seinen Verpflichtungen nicht mehr nach, und andere haben davon ihren Schaden und müssen auf die Einlösung ihrer Forderungen ganz oder teilweise verzichten. Und wenn es nicht ganz so schlimm kommt, können sie sich noch aus einem Teil der Konkursmasse bedienen. Aber was ist denn eigentlich die Konkursmasse des Staates, wenn er bankrott macht? Und wird der Laden danach wirklich dicht gemacht, wie beim Konkurs eine Privatunternehmens? Irgendwie scheint es doch Unterschiede zu geben zwischen dem Bankrott eines Privatunternehmens und einem Staatsbankrott. Aber worin liegen sie, und worin sind sie begründet? Und was zum Teufel hat die Staaten immer wieder in den Bankrott getrieben, und wird sie vielleicht auch künftig dahin treiben?

      Auf dem Weg in einen neuen Staatsbankrott?
      Oder sind wir gar schon mitten auf dem Weg dorthin? Die USA z. B., die Ende 95/Anfang 96 zeitweise nicht einmal in der Lage waren, ihre Staatsbediensteten zu bezahlen, und sie deshalb mehrmals vorübergehend in unbezahlten Zwangsurlaub schickten? War das schon der Anfang eines Staatsbankrotts? Oder bei uns die sich verschärfenden Auseinandersetzungen um die Sparpakete der öffentlichen Haushalte - auf Bundesebene, bei den Ländern und den Gemeinden, um die Gefährdung der Renten, um die Demontage des Sozialstaats? Sind das alles Vorboten eines neuerlichen Staatsbankrotts? Und wenn ja: Wie könnte er diesmal abgewickelt werden? Und mit welchen Folgen? Wir wollen diesen Fragen etwas systematischer nachgehen, und das erfordert zunächst einige etwas trockene Modellüberlegungen. Aber sie werden uns helfen, die wesentlichen Zusammenhänge besser zu verstehen und den Nebel zu durchdringen, der normalerweise über sie gelegt ist.
      Der Bankrott privater Unternehmen und seine Folgen
      Betrachten wir zunächst die Rolle des Bankrotts bei privaten Unternehmen. Der drohende Bankrott ist sozusagen die Peitsche, mit der das Unternehmen auf Trab gehalten wird. Das Zuckerbrot sind die Gewinne, über die das Unternehmen - nach Steuerabzug - frei verfügen kann. Aber so ganz frei auch wieder nicht: Denn wenn die Gewinne z. B. vollständig konsumiert oder ausgeschüttet werden und damit Nettoinvestitionen (die über die Ersatzinvestitionen hinausgehen) unterbleiben, fällt das Unternehmen im Konkurrenzkampf gegenüber anderen investierenden Unternehmen zurück. Weil es nicht - wie die anderen - z. B. mit modernen Produktionsmethoden die Stückkosten und damit die Preise senken kann und ihm die Käufer davonlaufen. Ihm ergeht es wie einer Figur auf einem abwärts laufenden Band: Wer stehenbleibt, dem droht der Abgrund, eben der Konkurs oder Bankrott. Die gesunkenen Erlöse reichen schließlich nicht mehr aus, um die Kosten zu decken, um den eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen, um die Lieferanten und die Beschäftigten zu bezahlen und die Schulden zu bedienen.
      Was bleibt einem privaten Unternehmen angesichts des drohenden Konkurses? An zwei Seiten kann die Sanierung ansetzen, nämlich an der

      - Senkung der Kosten und/oder

      - Steigerung der Erlöse.

      Was die Kostenseite anlangt, läuft es vielfach auf Rationalisierung und entsprechende Senkung der Arbeitskosten hinaus, z. B. durch Kurzarbeit oder Entlassungen. Auch Material- und Maschinenkosten geraten unter Druck und erzwingen Material- (und Energie-) Einsparungen und die Erschließung billiger Bezugsquellen. Oder unrentable Teile des Unternehmens werden ganz stillgelegt. Nur bei den Finanzierungskosten läßt sich relativ wenig einsparen, weil sie sich aus den "Altlasten" des Schuldenbergs und dem über Jahre hinweg aufzubringenden Schuldendienst ergeben.

      Ein vom Konkurs bedrohtes Unternehmen könnte natürlich auch versuchen, anstelle der unangenehmen Sanierungsmaßnahmen neue Kredite aufzunehmen, um die Lücke zwischen Erlösen und Kosten zu schließen. Aber es wird dafür kaum Banken finden, die unter solchen Bedingungen bereit wären, ihm Kredit zu geben. Denn die Banken achten in der Regel sehr genau darauf, daß ihre Kredite auch mit Zinsen bedient und zurückgezahlt werden, und sie sichern sich ihre Kredite mit dinglichen Sicherungen wie Grundstücken, Häusern und Produktionsanlagen ab. Im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wird auf solche Sicherheiten zurückgegriffen, sie werden versilbert, d. h. verkauft und in Geld verwandelt, und aus dem Erlös werden die Ansprüche der Banken bedient. Ihre Forderungen werden sozusagen mit Unbarmherzigkeit eingetrieben, und sei es denn, daß das Unternehmen selbst dabei auf der Strecke bleibt und sich die Banken aus dem Unternehmensleichnam noch ihre Teile herauspicken - natürlich auch im Interesse der Geldanleger, die ihnen ihr Geld gegen Sparzinsen überlassen haben.

      An die Rolle des Zinses - des Kreditzinses wie des Sparzinses - haben wir uns alle gewöhnt. Und dennoch verbindet sich mit ihm eine Dynamik, die in vieler Hinsicht langfristig verheerende Wirkungen hervortreibt und die eine wachsende Zahl privater Unternehmen und auch den Staat in Richtung Bankrott treibt wobei sich die Abwicklung des Staatsbankrotts allerdings grundsätzlich von der des Unternehmensbankrotts unterscheidet. Wir kommen später darauf zu sprechen.

      Zur Problematik des Zinssystems
      Betrachten wir zunächst einmal die Rolle des Zinses aus der Sicht der Geldanleger. Jede Bank oder Lebensversicherung rechnet einem vor und stellt es in entsprechenden Grafiken anschaulich dar, wie sich festverzinslich angelegtes Geld im Laufe der Zeit - scheinbar wie von selbst - vermehrt. »Geld wächst und wächst und wächst« oder »Lassen Sie Ihr Geld arbeiten« sind Werbeslogans, die jeder kennt. Werden die jährlichen Zinserträge nicht entnommen und für Konsumausgaben verwendet, sondern auf das angelegte Geldvermögen jeweils draufgepackt, dann ergibt sich gemäß der Zinseszinsformel ein exponentielles Wachstum des Geldvermögens, das sich von Jahr zu Jahr immer weiter beschleunigt.
      Zinssystem, Wachstumsdruck und monetärer Teufelskreis
      Wo aber kommt dieses Wachstum her, worin hat es seine Grundlage? Letztlich muß es irgendwo an anderer Stelle in der Produktion von Gütern und Dienstleistungen erwirtschaftet werden. Denn die angelegten Gelder fließen als Kredite z.B. an Unternehmen, die damit investieren. Um die aufgenommenen Kredite mit Zinsen zu bedienen und zurückzuzahlen, müssen die Unternehmen ihre Produktion, ihren Absatz und ihre Erlöse ausweiten. Gesamtwirtschaftlich bedeutet das: Das Zinssystem setzt die Produktion unter einen permanenten Wachstumsdruck. Dem exponentiellen Wachstum der Geldvermögen steht im übrigen ein entsprechendes exponentielles Wachstum der Schulden gegenüber. Helmut Creutz hat diesen Zusammenhang als »monetären Teufelskreis« bezeichnet.
      Indem das angelegte Geldvermögen als Kredit weiterverliehen wird, begründet es an anderer Stelle eine entsprechende Verschuldung. Deren Bedienung (Tilgung plus Zinsen) führt zu vergrößerten Rückflüssen, und die auf diese Weise vergrößerten Geldvermögen suchen sich neue Schuldner, usw. Als Schuldner kommen in Frage: private Unternehmen, private Haushalte und Staat im Inland sowie »das Ausland«.

      Betrachtet man die Entwicklung der Verschuldung im Verhältnis zur Entwicklung des Sozialprodukts in der Bundesrepublik von 1950 - 1993, so zeigt sich (ebenfalls nach Creutz) ein ungleich viel schnelleres Anwachsen der Schulden: Während sich das Sozialprodukt in diesem Zeitraum um das 8-fache erhöht hat, ist die Verschuldung (von Unternehmen, Haushalten und Staat zusammen) auf das 18-fache angestiegen.

      Der wachsende Schuldenberg fordert in wachsendem Maße seinen Tribut in Form von Zinslasten, die von den Schuldnern im Durchschnitt immer schwerer aufzubringen sind, die immer größere Teile des Sozialprodukts beanspruchen und an die Geldvermögensbesitzer bzw. an die Banken fließen.

      Zinssystem und Wirtschaftskrise
      Solange das Sozialprodukt (SP) noch kräftig wuchs und die Zinslasten nur einen geringen Prozentsatz ausmachten (aufgrund der durch die Währungsreform 1948 zusammengeschrumpften Schulden), fiel das Wachstum der Zinslasten nicht weiter auf. Es blieb immer noch ein absolut wachsender Rest des Sozialprodukts zur Verteilung übrig. Aber in einer Welt begrenzter Ressourcen und Absatzmärkte kann die Produktion auf Dauer unmöglich mit dem vom Zins geforderten exponentiellen Wachstum mithalten. Wenn sich das Wirtschaftswachstum aber verlangsamt, drücken die weiter wachsenden Zinslasten immer mehr auf das Sozialprodukt - und drängen andere Ansprüche an das Sozialprodukt immer mehr in die Defensive. Die Schuldner geraten dadurch immer mehr in die Klemme. Bleiben die erforderlichen Erlössteigerungen aus, denn müssen die privaten Unternehmen andere Kosten senken - mit der Folge von Entlassungen, gesamtwirtschaftlichem Nachfragerückgang, einer steigenden Zahl von Konkursen usw., kurz: mit der Folge einer Wirtschaftskrise (in Abb. 1 dargestellt durch den Blitz). Die Zinslasten wachsen demnach wie ein Tumor, zuerst ganz langsam und unauffällig, dann immer dramatischer, und entziehen dem »sozialen Organismus« immer mehr Lebenskräfte, bis er daran zusammenbricht. Das Erstaunliche ist, daß die Wirtschaftswissenschaftler diesen Zusammenhang bisher so gründlich übersehen haben. Für sie ist der Zins eine Grundlage für die »Optimale Allokation der Ressourcen« und für das »Gleichgewicht am Kapitalmarkt« zwischen Sparen und Investieren. Sie verstehen das Wesen dieser wuchernden Schulden ebenso wenig wie die Schulmedizin das Wesen der Krebskrankheit.
      Zinssystem und Staatsverschuldung
      lm Unterschied zu privaten Unternehmen muß der Staatshaushalt auf Dauer und im Durchschnitt keine Gewinne erzielen, sondern die Staatsausgaben durch entsprechende Einnahmen decken. Er erzielt diese Einnahmen nicht in erster Linie durch Verkauf von öffentlichen Gütern und Dienstleistungen, sondern vor allem durch Steuereinnahmen, die einen grundsätzlich anderen Charakter haben als die Erlöse der privaten Unternehmen. Sie entstehen kraft hoheitlicher Gewalt des Staates, der seinen Bürgern Steuern auferlegen kann. Wenn sich laufende Ausgaben und laufende Einnahmen die Waage halten, handelt es sich um ein ausgeglichenes Budget.
      Es gibt aber auch für den Staat gute Gründe, sich zu verschulden, insbesondere dann, wenn damit langfristige Zukunftsinvestitionen finanziert werden, deren Früchte auch noch von späteren »Generationen« von Steuerzahlern als öffentliche Leistung in Anspruch genommen werden (z. B. Verkehrssystem, Bildungssystem). Würden derartige Investitionen allein aus Steuermitteln finanziert, so müßten die jetzigen Steuerzahler für etwas aufkommen, was zum erheblichen Teil auch von späteren Generationen genutzt wird, und im übrigen ließe sich ein Großteil dieser Investitionen ohne Kredite gar nicht finanzieren und müßte entsprechend unterbleiben. Ohne Verschuldung könnte der Staat demnach einen wesentlichen Teil seiner Funktionen gar nicht erfüllen, und ob diese Funktionen hinreichend durch privatwirtschaftliche Aktivität erfüllt werden könnten, ist äußerst fraglich. Durch Kreditfinanzierung werden die Lasten auch auf spätere Steuerzahler verteilt. Denn zur Verzinsung und Tilgung der Staatsschulden bedarf es späterer Steuereinnahmen, die über die späteren laufenden Staatsausgaben hinausgehen.

      Das Aufbringen wachsender Steuereinnahmen und die Bedienung der Staatsschulden ist solange kein Problem, wie das Sozialprodukt entsprechend wächst - und mit ihm (selbst bei gleichbleibenden Steuern und konstanten Steuersätzen) das Steueraufkommen. Angesichts der Dynamik der Zinseszinses und der entsprechend exponentiell wachsenden Zinslasten müßte aber das Sozialprodukt auf Dauer ebenfalls exponentiell anwachsen, was aus besagten Gründen unmöglich ist. Mit nachlassendem Wirtschaftswachstum fallen aber die Steuereinnahmen geringer aus, als es für die Bedienung der Staatsschulden erforderlich wäre. Damit gerät auch der Staat in die Schuldenklemme.

      Unterschiede zwischen Privat und Staatsschulden
      Ähnlich wie bei privaten Unternehmen gibt es auch für den Staat zunächst einmal zwei Ansatzpunkte, auf die Schuldenklemme zu reagieren:
      - Steuererhöhung und/oder

      - Staatsausgabensenkung (Sparprogramme)

      Bezüglich der Einnahmenerhöhung befindet sich der Staat in einer prinzipiell anderen Situation als die privaten Unternehmen, denn er kann die Steuererhöhung hoheitlich durchsetzen. Aber es schafft politische Konflikte, und in demokratischen Gesellschaften ist die Regierung spätestens bei den nächsten Wahlen auf ausreichende Mehrheiten angewiesen - oder in laufenden Legislaturperioden auf das Mitziehen von Koalitionspartnern bzw. auf ausreichende Mehrheiten im Parlament. Was die Ausgabenkürzungen anlangt, sieht es ähnlich aus. Auch sie schaffen politische Konflikte, wenn auch an anderen Stellen, und auch hier geht es um die Angst vor dem Verlust an Wählerstimmen und Mehrheiten.

      Was also liegt für die Regierungen näher, als sich eines anderen Mittels zu bedienen, das den Privatunternehmen so nicht zur Verfügung steht: der wachsenden Neuverschuldung, diesmal aber nicht nur zur Finanzierung von Zukunftsinvestitionen, sondern zum Teil auch zur Bedienung der Altschulden. Früher aufgenommene Kredite werden teilweise mit neu aufgenommenen Krediten zurückgezahlt - eine scheinbar elegante Lösung. Die Politik vermeidet auf diese Weise das Austragen der sonst unvermeidlichen Konflikte an der Einnahmen- bzw. Ausgabenfront. Nur: das Problem der Staatsverschuldung und ihrer Bedienung wird dadurch nicht gelöst, sondern in die Zukunft verlagert - und vergrößert. Und wenn in den folgenden Jahren der gewachsene Schuldenberg einen wachsenden Schuldendienst fordert, der nun noch weniger aus den laufenden Steuereinnahmen gedeckt werden kann, dann wird die Neuverschuldung eben noch weiter erhöht. Und so fort.

      Keynesianismus: Geldschöpfung als Droge
      Aber wer wird denn einem solchen Staat noch weiterhin Kredite geben? Wenn die versprochenen Zinsen hinreichend attraktiv sind, finden sich vielleicht genügend private Geldanleger, die entsprechende Staatsanleihen kaufen und auf diese Weise dem Staat ihr Geld leihweise zur Verfügung stellen.
      Sie vertrauen darauf, daß der Staat zur Bedienung der Schulden - anders als Privatunternehmen - notfalls die Steuern erhöhen und/oder die Staatsausgaben senken kann. Und wenn sich nicht genügend private Geldanleger finden, bleibt immer noch die Zentralbank (von der bisher überhaupt noch nicht die Rede war). Sie braucht im Prinzip nur den Geldhahn aufzudrehen, zusätzliches Geld zu drucken und dieses Geld an den Staat fließen zu lassen, damit dieser zusätzliche Staatsausgaben tätigen oder alte Schulden bedienen kann. Vornehm ausgedruckt heißt das: »Der Staat hat sich bei der Zentralbank verschuldet«, oder: »Die Zentralbank hat im Zuge ihrer Offenmarktpolitik Staatspapiere angekauft«.

      Rein technisch bestehen seit Abkoppelung des Geldes vom Gold keinerlei Schwierigkeiten oder Grenzen für eine solche Art von zusätzlicher Geldschöpfung, der kein entsprechendes Sozialprodukt gegenübersteht. Und die Zentralbanken der westlichen Industrieländer haben nach dem Zweiten Weltkrieg auch mehr oder weniger davon Gebrauch gemacht - mit der Folge schleichender Inflation in den 60er und 70er Jahren. Das war die Blütezeit des Keynesianismus, einer auf Keynes zurückgehenden Wirtschaftspolitik, die mit geldschöpfungsfinanzierten Defiziten im Staatshaushalt (deficit spending) die Konjunktur ankurbeln wollte - und es anfangs auch geschafft hat.

      Nur: Über Risiken und Nebenwirkungen gab es damals keine Packungsbeilage, und auch keinen Arzt oder Apotheker, den man diesbezüglich hätte fragen können. Die Nebenwirkung des Keynesianismus, die schließlich immer mehr zum Hauptproblem wurde, war die schleichende Inflation. Das System war süchtig geworden nach Geldspritzen, die zur Überwindung oder Vermeidung wirtschaftlicher Depression von den Zentralbanken verabreicht wurden - und die anfänglich tatsächlich wie Wunder wirkten (z. B. in der Bundesrepublik bei der Überwindung der ersten Nachkriegsrezession 66/67). Allerdings, wie das bei Drogen so ist: Nach einer Weile läßt die Wirkung nach, und um erneut die gleiche Wirkung zu erzielen, muß die Dosis gesteigert werden; und dadurch werden die Nebenwirkungen immer bedrohlicher.

      Die Entziehungskur der Monetaristen
      Bezogen auf die immer schneller schleichende Inflation gab diese Entwicklung ab Mitte der 70er Jahre denjenigen Auftrieb, die dringend das Absetzen der Geldspritze, d.h. eine Antiinflationspolitik forderten: den Monetaristen. Sie schoben die ganze Schuld an der Inflation den Keynesianern zu, und in den Wirtschaftswissenschaften und später in der Wirtschaftspolitik entbrannte ein heftiger Streit zwischen Monetaristen und Keynesianern, wobei die Monetaristen mehr und mehr die Oberhand gewannen.
      Ausgerüstet mit monetaristischer Munition führte Ronald Reagan 1980 seinen Wahlkampf um die amerikanische Präsidentschaft, forderte drastische Sparmaßnahmen und einen Abbau von Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit und wurde zweimal zum Präsidenten der USA gewählt. Das Resultat seiner 8-jährigen Amtszeit bestand darin, daß im sozialen Bereich rigorose Kürzungen durchgezogen wurden, während der Rüstungshaushalt ins Gigantische gesteigert wurde - und damit insgesamt das Haushaltsdefizit und die Staatsverschuldung sich nicht verminderten, sondern im Gegenteil dramatisch anwuchsen. Darüber hinaus wechselten die USA ihre Rolle vom bis dahin größten Auslandsgläubiger zum größten Auslandsschuldner.

      Droht eine erneute Inflation?
      In Deutschland ist die Situation nicht so dramatisch, aber schwierig ist sie mittlerweile auch. Die Nachrichten über Defizite in den öffentlichen Haushalten von Bund, Ländern und Gemeinden und über wachsende Staatsverschuldung überschlagen sich in letzter Zeit geradezu, und die vor diesem Hintergrund eingeleiteten Sparmaßnahmen der öffentlichen Haushalte dürften erst der Anfang einer Entwicklung sein, die sich immer weiter zuspitzen wird. Bislang hat die Deutsche Bundesbank die geldpolitischen Zügel noch relativ straff gehalten und eine allzu inflationäre Geldschöpfung vermieden, sicherlich auch deshalb, weil die Inflationsangst aufgrund der historischen Erfahrungen in Deutschland besonders tief sitzt - und weil die Bundesbank als Konsequenz aus diesen Erfahrungen eine relative Autonomie gegenüber der Regierung bekommen hat, mehr als die Zentralbanken anderer Ländern. Aber ob diese stabilitätsorientierte Geldpolitik auf Dauer durchgehalten werden kann, ist äußerst fraglich. Schon jetzt sind - von der Öffentlichkeit fast unbemerkt - die Weichen gestellt worden, um im Bedarfsfall dem Staat neu geschöpftes Geld direkt zufließen zu lassen, was in der Bundesrepublik bisher nur indirekt möglich war. Denn die Bundesbank durfte nur solche Staatspapiere aufkaufen, die schon vorher vom Kapitalmarkt aufgenommen und insofern auf ein hinreichendes Vertrauen gestoßen waren. Inzwischen kann sich die Bundesbank aber mit dem Staat kurzschließen und in beliebiger Höhe neu ausgegebene Staatspapiere gegen neu gedrucktes Geld hereinnehmen.
      Sollte gar die für 1999 geplante Europäische Währungsunion mit einer Europäischen Zentralbank Wirklichkeit werden (was ich bezweifle und worin ich - sollte sie doch realisiert werden - große Gefahren für Europa sehe), dann ist mit einer Stabilitätspolitik nach Art der Bundesbank sowieso nicht mehr zu rechnen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die Euroäische Zentralbank ihren Sitz ebenfalls in Frankfurt/Main haben soll. Als hinge die Qualität der Geldpolitik vom geografischen Standort der Zentralbank ab!

      Die Verdrängung der Zinsproblematik
      Aber ganz gleich, wie die Handhabung der eskalierenden Staatsverschuldung und der krebsartig wuchernden Zinslasten der öffentlichen Haushalte in Zukunft erfolgen wird, über immer drastischere Sparmaßnahmen, Steuererhöhungen oder über weiter wachsende Neuverschuldung und inflationäre Geldschöpfung: die wesentliche zugrundeliegende Ursache wird weder auf die eine noch auf die andere Art thematisiert oder gar behoben, sondern verdrängt. Es ist die destruktive Dynamik des Zinssystems, von der - entgegen dem ersten Anschein - nur ein verschwindend kleiner Teil der Gesellschaft profitiert.
      Dazu gehören nicht etwa die kleinen und mittleren Sparer und Geldanleger, die sich über ihre jährlichen Zinserträge freuen und dabei gar nicht merken, daß ihnen - über unsichtbare Zinsanteile in den Preisen, Mieten und Steuern - pro Jahr eine viel größere Summe an Zinslasten auferlegt und aus der Tasche gezogen wird. Offizielle Zahlen darüber gibt es bezeichnenderweise nicht, und deshalb ist man bislang auf Schätzungen angewiesen. Helmut Creutz schätzt den Anteil der Zinskosten, den die Unternehmen auf die Preise überwälzen und in die Preise einkalkulieren, auf durchschnittlich ungefähr 1/3 der Konsumgüterpreise. Um zu den Gewinnern des Zinssystems zu gehören, müßte man also jährlich Zinserträge beziehen, die 1/3 der eigenen jährlichen Konsumausgaben übersteigen. Und das sind in der Bundesrepublik nur ganze 10 % der Einkommensbezieher. Bei weiteren 10% halten sich Zinserträge und unsichtbare Zinslasten in etwa die Waage, und 80% der Einkommensbezieher zahlen drauf, tagtäglich, unsichtbar, unbewußt - und tragen auf diese Weise mit dazu bei, daß sich die Geldvermögen in den Händen dieser 10% immer weiter vergrößern - während Teile der Wirtschaft, der privaten Haushalte und der Staat von der gleichermaßen wachsenden Schuldenlast immer mehr erdrückt werden. Der Vergleich mit einem wachsenden Tumor drängt sich immer mehr auf.

      Und irgendwann bleibt nur noch der Schnitt: Einschnitte ins soziale Netz oder - als Endstation einer galoppierenden Inflation - der Währungsschnitt, die Währungsreform. Oder der Staat erklärt offen seine Zahlungsunfähigkeit, aber nicht nur - wie in jüngerer Zeit mit drastischen Sparmaßnahmen - gegenüber den sozial Schwachen, sondern auch gegenüber denjenigen, von denen er sich das Geld für seine Staatsschulden geliehen hat: indem er die Schulden nicht mehr bedient und für sich einen teilweisen oder vollständigen Schuldenerlaß verkündet.

      Das Besondere um Staatsbankrott
      Wie war es doch gleich bei Privatunternehmen, wenn sie zahlungsunfähig werden? Die Gläubiger treiben das Unternehmen in den Konkurs und holen sich aus der Konkursmasse ihren Anteil, allen voran die Kreditgeber mit ihren dinglichen Sicherungen. Und beim Staatsbankrott? Die Gläubiger, d.h. die Inhaber von Staatspapieren, müßten gegenüber dem Staat das Konkursverfahren einleiten. Aber wo ist in diesem Fall die Konkursmasse, wo sind die dinglichen Sicherungen? Sollten etwa der Staat oder Teile seines Vermögens zwangsversteigert werden, und sollte der Staat dann ein für allemal von der Bildfläche verschwinden - wie ein Privatunternehmen im Falle des Konkurses? Nein! Es gibt in diesem Sinn kein öffentliches Konkursrecht, und es gibt keine dinglichen Sicherungen für Staatsanleihen, außer das Vertrauen auf die hoheitliche Gewalt des Staates und darauf, daß er das Geld für die Bedienung der Schulden schon irgenwie eintreiben wird.
      Und selbst wenn der Staat bankrott macht: Er wird als Staat nicht verschwinden, sondern nach dem Bankrott wie Phönix aus der Asche steigen - mit einer neuen Regierung, vielleicht sogar mit einer neuen Staatsform und Verfassung, vielleicht auch als mehrere neue Staatengebilde, in die der alte Staat zerfallen ist; aber in seiner Funktion als Staat bleibt er erhalten. Und von allen Schulden (wenn auch nicht von aller Schuld) befreit, kann er das makabre Staatstheater mit dem Finale »Staatsbankrott« von neuem beginnen - mit einer Spieldauer von einigen Jahrzehnten. Die ökonomischen und sozialen Spannungen, die sich im Gefolge dieses Prozesses immer weiter erhöhen, tendieren dahin, sich nach außen und/oder innen gewaltsam zu entladen. Optimale Allokation der Ressourcen? Nein - Destruktion! Die dazu notwendigen Objekte des Hasses sind bisher noch immer gefunden worden, und die dazu notwendigen Rechtfertigungen auch. Das Zinssystem schafft Pulverfässer, weltweit, und der Zinssatz wirkt wie ein sozialer Sprengsatz. Aber kaum einer schaut hin. Obwohl die Sprengsätze tagtäglich mitten unter uns, direkt vor unseren Augen, gelegt werden wie bei »Biedermann und die Brandstifter«.

      Die Befreiung des Geldes vom Zins
      Der Zusammenhang zwischen Zinssystem und Krise der öffentlichen Haushalte (sowie weiteren Krisensymptomen) wird bis heute in der Wirtschaftswissenschaft, in der Politik oder in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Und dies, obwohl die Grundlagen für diese Einsicht schon vor rund 100 Jahren gelegt wurden - von Silvio Gesell, dem Begründer der sogenannten Freiwirtschaftslehre. Ein wesentlicher Gedanke dieser Schule liegt in der Forderung nach Überwindung des Zinssystems - durch eine Befreiung des Geldes vom Zins. Aber nicht einfach durch Zinsverbot; denn das würde nur dazu führen, daß das nicht für Konsum verwendete, überschüssige Geld nicht mehr dem Kapitalmarkt zufließt, sondern stattdessen gehortet und dadurch dem Wirtschaftskreislauf entzogen wird mit der Folge gesamtwirtschaftlicher Kreislaufstörungen und eines entsprechenden Kollapses der Wirtschaft.
      Vielmehr sollte das Geld auf andere Weise als mit dem destruktiven Zins in Umlauf gehalten werden: durch eine sogenannte konstruktive Umlaufsicherung des Geldes, durch eine Art Parkgebühr für gehortetes Geld. Diese Liquiditätsgebühr sollte etwas höher sein als die Liquiditätsvorteile des Hortens (die sich z. B. aus Spekulationsmöglichkeiten ergeben). je länger das Geld durch Horten dem Kreislauf entzogen und dadurch seiner öffentlichen Funktion als Tauschmittel beraubt wird, umso höher sollte die Gebühr werden. Unter solchen Bedingungen würde das überschüssige Geld nicht erst dann zum Kapitalmarkt weiterfließen, wenn es einen hinreichenden Zins bekommt, sondern allein schon deshalb, um der "Umlaufsicherungsgebühr" zu entgehen. Als Folge dieses wachsenden Geldangebots am Kapitalmarkt würde der Zins ganz von selbst immer weiter absinken - und mit ihm die vielfältigen destruktiven Tendenzen, die er langfristig hervortreibt.

      Angesichts der eskalierenden Staatsverschuldung, aber auch anderer Krisensymptome, die durch das Zinssystem hervorgetrieben bzw. verstärkt werden und sich derzeit in atemberaubendem Tempo immer weiter zuspitzen, scheint es mir dringend geboten, am bislang so wohl gehüteten Zins-Tabu zu rütteln und die Problematik des Zinssystems verstärkt in die öffentliche Diskussion zu rücken. Auch wenn die Grundlagen dafür schon vor 100 Jghren gelegt wurden, sind die entsprechenden Gedanken nicht veraltet, sondern werden im Gegenteil von Tag zu Tag aktueller. Es ist an der Zeit, sie wieder aufzugreifen und bezogen auf die heutigen Verhältnisse weiterzuentwickeln.
      Avatar
      schrieb am 12.04.03 21:56:12
      Beitrag Nr. 93 ()
      #3150 von sittin bull inv 05.04.03 21:29:22 Beitrag Nr.: 9.092.902 9092902
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      Die Schuldenfalle – Die Zeit läuft ...

      Artikel von Sascha Jakobi, 20.05.2000, 20:15 Uhr MEZ

      Ein Börsenboom kann lange dauern, er kann länger dauern und sehr lange dauern aber irgendwann ist er zuende. Und weiterhin gilt dann: Je länger, höher, weiter desto schlimmer wird die darauffolgende Durststrecke.

      Hier ein Chart zur US-Staatsverschuldung:





      Zu diesem Chart könnte man sich eigentlich jeden Kommentar sparen. Aber da ich immer wieder ungläubig darauf angesprochen werde bin ich gerne bereit diesen Chart nochmals etwas zu erläutern:

      Obwohl wir seit Beginn des Charts im Jahr 1940 in den USA keine einzige wirklich schwere Rezession hatten sind die Schulden gigantisch angestiegen. Vielmehr hatten wir in den USA seit 1940 ein starkes Wachstum, oftmals über viele Jahre.

      Manche mögen jetzt etwas positives am Chart sehen und zwar, daß die Steigung ab 1995 etwas abnimmt. Richtig! Sehr richtig! Das ist aber keine Trendwende sondern lediglich der positive Effekt aus dem Wahnsinnsboom der US-Wirtschaft seit der 91/92er-Rezession. Denn seit diesem Datum gab es kein einziges Quartal negatives BIP-Wachstum, d.h. eine Schrumpfung der Wirtschaft.

      In solchen Boomphasen gibt es wenige Arbeitslose (die Arbeitslosenrate lag in ihrem Tiefpunkt bei knapp unter 4%!!!) was wiederum bedeutet, daß der Staat wenig für Soziales und Arbeitslose ausgeben muß dagegen aber von vielen Erwerbstätigen Steuereinnahmen erhält. Und auch die in dieser Zeit fett gestiegenen Unternehmensgewinne dürften dem Staat etwas die Kassen gefüllt haben. Zumindest mußte er weniger Schulden machen. Das klingt positiv aber denken wir hier mal weiter.

      Ist das nicht toll? Der Staat muß weniger Schulden machen. Nein meiner Meinung nach ist das sogar ganz schlecht. Denn ich interpretiere das anders. Selbst in einem 8-jährigen starken bis sehr starken Wirtschaftswachstum, einem boomenden Konsum, einer stark gestiegenen Kaufkraft, steigender Weltwirtschaft und den Boombörsen sowie der niedrigen Arbeitslosigkeit hat man summa summarum keinen einzigen Pfennig der Schulden abgebaut. Nach jedem Gipfel kommt ein Tal und jeder kann sich wohl denken das dieses Tal die Schulden wieder kräftig erhöhen dürfte. Wohl noch kräftiger als je zuvor denn alleine die gigantischen Zinsen, die effektiv gar nichts bringen weil dafür keine einzige Investition getätigt werden kann und es einfach nur verlorenes Geld ist, treiben die Verschuldung in immer größere Höhen.

      Ich denke jetzt dürfte doch wohl dem letzten klar sein, daß dieses System (soviel Wohlstand wir heute auch haben) irgendwann umkippt und seinem Ende entgegengeht. Was man nicht weiß ist ab wann es knallt, d.h. man weiß nicht ab wann die Schuldenlast erdrückend wird. Sind es 8 Billionen US-$, sind es 9 Billionen US-$ oder vielleicht erst 10 oder 15 Billionen US-$.

      Doch eins dürfte wohl jedem klar sein. So kann`s auf lange Sicht nicht weitergehen. Und denken wir doch mal nach. Wer zum Geier soll den diesen Wahnsinnsschuldenberg jemals noch abbezahlen??? Wer?

      Und jetzt kommt der dicke Hammer. Diese Wahnsinnsstaatsverschuldung ist nicht nur ein Problem der USA. Wir können uns die Verschuldung von Japan, Frankreich oder meinetwegen auch Deutschland anschauen. Die Charts sind alle sehr ähnlich. Deutschland ist sogar durch die Gelder die in den Osten flossen noch etwas stärker betroffen als manch anderer. Generell ist dies ein Problem der Industriestaaten. Man lebte und lebt in großen Wohlstand denn es kann sich nun wirklich keiner beklagen das wir in Deutschland arm sind. Wir haben von der Zahnpasta, Bananen bis hin zu Pepsidosen und Computern alles was wir wollen. Dieser Wohlstand beruht zu einem großen Teil auf Arbeit und Engagement denn "Von nichts kommt Nichts" aber er beruht mittlerweile zu einem großen Teil auch auf Pump. Damit muß man sich einfach abfinden: Die Industriestaaten leben momentan und seit Jahren mit dem Geld von Anderen. Vor allem das Halten des Wohlstandes beruht auf dem Schuldenmachen der letzten Jahre.

      Nehmen wir uns mal das Beispiel Deutschland vor. Seit Jahren und Jahrzehnten sind mehrere Trend eindeutig erkennbar. Die Steuern steigen langjährig immer weiter und sind mittlerweile gegenüber der unmittelbaren Nachkriegszeit auf einem verrückt hohen Niveau. Doch selbst die gestiegenen Steuern reichten irgendwann nicht mehr aus. Also mußte man Ende der 60er/Anfang der 70er zusätzlich zu dem "Steuer erhöhen" noch damit beginnen Schulden zu machen. Denn um die erste Rezession zu bekämpfen die Anfang der 70er in der Türe stand (Stichwort u.a. auch "Ölkrise" ging man zur berühmten deficit-spending-Politik über, d.h. der Staat macht Schulden und investiert dieses Geld in Bauprojekte/Infrastruktur um der Wirtschaft damit wieder auf die Beine zu helfen und dieses geliehene Geld wieder mit erhöhten Steuereinnahmen durch die verhinderte Rezession bzw. den erweckten Aufschwung wieder zurückzuzahlen. Soweit die Theorie. In der Realität sieht es anders aus. Das geliehene Geld konnte die Rezession zeitlich kurz halten und die Schwere der Rezession mindern aber Schulden durch Deficit-Spending konnten danach niemals zurückgezahlt werden. Der zweite Trend den ich daher nennen will (ist ja aber sowieso schon bekannt) sind die Seit Ende der 60er/Anfang der 70er immer weiter steigenden Schulden. Dazu kommt ein weiterer Trend. Die Wachstumsraten der Wirtschaft (BIP-Wachstum) werden tendenziell langjährig ebenfalls immer geringer und die Arbeitslosigkeit (egal ob sie jetzt gerade bei 3,9 oder 4,3 Millionen liegt) stieg langfristig tendenziell immer mehr.

      Also Leute wohin führt das alles?

      Ein Problem habe ich übrigens noch vergessen zu nennen: Die Demographie. Der demographische Aufbau ist in fast allen Industriestaaten ähnlich. Schauen wir uns die Altersstruktur Deutschlands an. Was sehen wir?

      Viele Altersstarke Jahrgänge gehen bald in Rente. Ach ist das nicht wunderbar? Dann werden doch haufenweise Arbeitsplätze frei. Das ist aber nur die halbe Wahrheit denn jeder auf diese Weise entstandene Arbeitsplatz hat einen weiteren Rentner zur Folge. Ein Arbeitnehmer soll für einen Rentner aufkommen. Wie soll denn das finanziell gehen. 100% Abgaben vom Lohn/Gehalt für die Rentenversicherung? Nein so einfach ist es nicht. Zusätzlich kann man gegen diese Theorie noch anführen, daß viele qualifizierte Arbeitsplätze frei werden aber der Arbeitslosensockel fast nur aus relativ unqualifizierten (vom Bildungsstand) Leuten besteht. Das soll kein Vorwurf gegen Arbeitslose sein aber es werden eben Stellen frei die nicht mit den "normalen" Arbeitslosen besetzt werden können.
      Eine mögliche Lösung des Problems wäre, die Geburtenrate mal wieder nach oben zu schrauben denn wir alle wissen ja, daß die Sterberate in Deutschland (weltweit fast nirgendwo so) höher ist als die Geburtenrate was zu einer negativen Wachstumsziffer der Bevölkerung führt (vgl. auch "Das fünfstufige Modell des demographischen Übergangs". Um die Geburtenrate zu heben bedarf es aber andererseits bei so hohen Steuern einer Förderung von Kindern. Kinder kosten nicht nur Geld, sie kosten viel Geld. Ein Magazin hat mal ausgerechnet, daß ein Kind etwa 500.000 DM (oder waren es US-$) im Schnitt kostet. Darin ist alles enthalten. Das Kind braucht ein eigenes Zimmer, Klamotten, muß was essen, ist auch mal krank, braucht entweder Betreuung oder die Mutter oder der Vater kann nix schaffen (denn nicht immer wohnt die Oma zufällig im gleichen Haus oder nebendran! Falsch!), ein Zimmer mehr vergrößert die Wohnungsfläche und damit muß man auch mehr heizen, und und und...). Es hilft also gar nichts wenn wir das Kindergeld um wahnsinnige (Ironie) 50, 70 oder 100 DM anheben. Es muß mehr geschehen aber klar: Woher soll das Geld denn kommen. Wir alle wissen doch das unser Staat nicht gerade reich ist. Wir sehen es spätestens daran, daß immer öfter diverse Schilder "Brückenschäden", "Straßenschäden" auf Autobahnen zu finden sind die dort jahrelang rumstehen bevor mal die Straße neu gemacht wird. Eines der Zeichen, daß man dem Ende näher kommt. Genauso ein Zeichen sind die Sparmaßnahmen in allen Ressorts (Kasernen schließen, weniger Geld für Waffen), dort und hier überall wird eingespart. Auf der anderen Seite steigt die Staatsverschuldung trotz eines einmaligen UMTS-Einnahmeeffekts von knapp 100 Mrd. DM munter weiter und Steuersenkungen sind eine Mär. Es mag sein, daß durch die Steuerreform einige Leute tatsächlich mehr im Geldbeutel haben. Aber eine wirkliche Steuersenkung ist es nicht. Denn das wird spätestens dann klar wenn man die kalkulierten Steuereinahmen für die nächsten Jahren betrachtet (natürlich um die Inflation bereinigt bzw. herausgerechnet). Die steigen nämlich. Das alles ist also nur eine neue Umverteilung und mehr auch nicht. Was die einen einsparen zahlen die anderen drauf. Insgesamt bringts nichts und Null.

      So dies war jetzt mal wieder eine wichtige Mail mit der ich hoffentlich wieder interessante Fakten übermitteln konnte. Ich sehe schwerere Zeiten auf uns zukommen. Ab wann dies den Leuten direkt deutlich wird oder werden muß weiß ich nicht aber ich kenne ehrlich gesagt bisher noch keine Lösung für o.g. Problem welches in allen Industriestaaten weltweit so besteht. Denn letztlich läuft`s immer wieder auf die Frage hinaus: Wer zahlt eigentlich mal die ganzen Schulden zurück?

      Noch was: Es besteht ein großer Unterschied zwischen Schulden eines Privatmannes und denen eines Staates. Geht man privat pleite weil man sich ein zu großes Auto kaufte oder zu luxuriös lebte dann gibt es seit einigen Jahren ein Insolvenzgesetz. Nach sieben Jahren kann man dadurch tatsächlich wieder schuldenfrei sein und einen kompletten Neuanfang wagen. Ein Staat kann seinen Gläubigern zwar auch sagen: "He Leute hört mal her! Wir müssen die Zinszahlungen aussetzen (für Bundesschatzbriefe, Bundesanleihen usw.) wir ham` grad nix in der Kass`" aber die Folgen sind doch klar. Wer investiert in einem solchen Staat den jemals wieder? Jeder wird versuchen aus diesem Staat (der damit ja seine Bankrotterklärung) offiziell abgegeben hätte sein Geld noch zu retten nachdem darauf sofort ein massiver Währungseinsturz einsetzen würde.

      Dies beantwortet auch die Frage nach dem "Wann" zumindest ein wenig. Momentan bezahlt der Staat die Schuldzinsen für alte Schulden durch das Aufnehmen von immer neuen und mehr Schulden. Es werden Bundesanleihen herausgegeben die durch Verzinsung den Anlegern weltweit schmackhaft gemacht werden. Diese Anleger geben dem Staat Geld und erhalten dafür Zinsen. Somit kann der Staat dieses Geld aus Anleihen (und auch Bundesschatzbriefen und ähnlichen Dingen) verwenden um sich zu sanieren oder seine alten Schulden zu tilgen. Nun aber zu dem Wann. Schlimm wird es genau dann, wenn die Leute raffen, daß die Staatsverschuldung bombastisch ist und ihr Geld selbst für schmackhafte Zinsen dem Staate nicht mehr anvertrauen weil sie tatsächlich Angst davor bekommen das der Staat vielleicht nicht zahlen könne. Es kommt nicht von ungefähr das Staaten wie Brasilien, Rußland und die Türkei auf ihre Staatsanleihen Zinsen von 20 bis 30% und noch mehr Zahlen. Die hohen Zinsen sind gewissermaßen der Risikoaufschlag bzw. der "Bonus für die Mutigen" denn keiner würde wegen lächerlichen 3 oder 5% Zinsen sein Geld an Staaten wie Rußland & Co. anbieten die ja sogut wie Pleite sind. Aus den immer höheren Zinsen die der Staat langfristig zahlen muß erwächst das Problem, daß der Staat diese hohen Zinsen dann auch wiederum zahlen muß und somit höhere Aufwendungen für die Zinsen der Staatsverschuldung hat. Der Teufelkreis schaukelt sich dann irgendwann relativ schnell hoch. Aber trotz "Risikobonus" bzw. höheren Zinsen kommt irgendwann immer DER PUNKT an dem niemand mehr (selbst für sehr hohe Zinsen) dem Staate noch Geld geben bzw. vorstrecken will. Dann kann der Staat seine Zinsen nicht mehr bedienen und nicht mehr zahlen. Man nennt dieses Ereignis dann: Staatsbankrott

      Ich danke allen Lesern!

      Sascha Jakobi
      Für Fragen, Kritik und Anmerkungen bin ich jederzeit dankbar / [eMail an Sascha Jakobi]



      http://www.geocities.com/saschajakobi/20010520schulden.htm


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      #3151 von sittin bull inv 06.04.03 17:19:13 Beitrag Nr.: 9.095.979 9095979
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      Kürzer, besser und prägnanter geht es fast nicht!

      Möglicher Ausweg?
      Vorstellung des "Dritten Weges" / Alternative zu Kapitalismus und Kommunismus / Vollendung der freien und sozialen Marktwirtschaft
      Von Matthias Miguel Braun und Bijan Nowrousian

      Wir haben uns schon fast daran gewöhnt: Jeder Tag bring neue Hiobsbotschaften mit sich. Hungerkatastrophe in Afrika, Vernichtung der EG-Lebensmittelüberschüsse, wachsende Armut auch in den Industriestaaten, Obdachlosigkeit, Haushaltsdefizite, Abholzung der Regenwälder, Ozonloch ... diese Liste ließe sich beliebig lange so fortsetzen. Angesichts solcher Meldungen empfinden immer mehr Menschen Hilflosigkeit und resignieren.

      Wird aber System in diese Fülle von Katastrophen und Fehlentwicklungen gebracht, so kristallisieren sich neben der drastischen Zunahme der Weltbevölkerung folgende Problemgruppen heraus:

      Eine weltweit zunehmende Arbeitslosigkeit bei theoretisch durchaus vorhandenen Beschäftigungsmöglichkeiten (z. B. Verbesserung der Infrastruktur in Osteuropa).
      Eine weltweit steigende Gesamtverschuldung (öffentliche und private Haushalte, Unternehmen).
      Ein ständiges Auseinanderdriften der Einkommen von immer mehr Armen und immer weniger Reichen, sowohl global, als auch innerhalb der einzelnen Nationen.
      Eine bedrohliche Umweltzerstörung, vor allem als Folge einer zwanghaften Zunahme von Produktion und Verbrauch (Umweltzerstörung wird letztendlich in Kauf genommen, um die Konjunktur, d. h. ein möglichst ständiges Wachstum der Wirtschaft zu garantieren).
      Tabuisierte Bereiche aufbrechen
      Welche Diagnose würde ein Arzt unserer Erde, diesem kranken Organismus, stellen? Wo sind die Ursachen dieser Entwicklung? Es mag an dieser Stelle verwundern, wenn wir nun von Geld- und Bodenordnung reden werden, denn weder in der öffentlichen Diskussion, noch in wissenschaftlichen Fachkreisen, wird ein Zusammenhang zwischen den oben beschriebenen Phänomenen und der Problematik der Geld- und Bodenordnung gesehen. Aber scheitert nicht gerade die gesamte herkömmliche Volkswirtschaftslehre mit ihren Denk- und Erklärungsschemata bei dem Versuch, brauchbare Lösungsvorschläge zu erarbeiten?

      Es ist daher unumgänglich, bisher ausgeklammerte und tabuisierte Bereiche unserer Wirtschaftsordnung auf ihre Funktionsweise und ihre Bedeutung für die Wirtschaft hin zu untersuchen. Alle Güter müssen, sobald sie hergestellt worden sind, auch angeboten werden: Wer eine Kiste Äpfel besitzt, muß diese möglichst schnell auf den Markt bringen, da sonst die Äpfel verderben. Aber auch Produkte, die nicht verderben, müssen möglichst bald angeboten werden, da sie zum Beispiel Lagerhaltungskosten verursachen, oder die Nachfrage nachläßt oder von anderen befriedigt wird. Man kann also bei allen Gütern einen Angebotszwang feststellen.

      Lediglich das Geld unterliegt keinem Angebotszwang. Es verdirbt nicht, verursacht keine Lagerkosten und wird jederzeit nachgefragt. Dies macht es, neben seiner Universalität, allen anderen Gütern überlegen. Insofern ist eine Hortung von Geld theoretisch möglich. Die Folge einer solchen Hortung ist aber, daß das Geld dem Wirtchaftskreislauf entzogen wird und somit nicht mehr dem Austausch von Waren dienen kann; Geld besitzt also eine "Streikfähigkeit". Für jede Volkswirtschaft ist es jedoch von höchster Wichtigkeit, daß das Geld im Umlauf bleibt. In unserem jetzigen Wirtschaftssystem wird dies auf zweierlei Weise erreicht: Durch das "Zuckerbrot" der Zinsen und die "Peitsche" der Inflation.

      Inflation = "Peitsche"
      In einem Wirtschaftssystem mit inflationärer Währung ist jedes Wirtschaftssubjekt daran interessiert, ob der drohenden Entwertung das Geld so schnell wie möglich wieder auszugeben. In einem solchen Falle unterliegt also auch das Geld einem Angebotszwang. Die Aufgabe der Inflation als Umlaufsicherung des Geldes ist einer der Gründe dafür, daß keine Währung der Welt ohne Inflation auszukommen scheint. Dies hat allerdings den Nachteil, daß das Geld seine Funktion als stabiler Preismaßstab und als gleichbleibendes Wertaufbewahrungsmittel, die ihm eigentlich neben seiner Funktion als Tauschmittel zukommen sollte, verliert. Deshalb ist diese Art der Umlaufsicherung allein ihrer sozialen Ungerechtigkeit wegen für die gesamte Gesellschaft äußerst negativ.

      Die zweite Art der Umlaufsicherung in unserem Wirtschaftssystem ist der Zins. Dabei bekommt das Wirtschaftssubjekt, welches sein Geld nicht hortet, sondern dem Wirtschaftskreislauf über den Bankensektor erneut zur Verfügung stellt, eine Prämie. John Maynard Keynes sprach in diesem Zusammehang vom Zins als "Liquiditätsprämie". Um Wesen und Wirkung des Zinses darzustellen, müssen wir etwas weiter ausholen, als dies bei der Beschreibung der Inflation notwendig war.

      Zuerst muß verdeutlich werden, daß Zins über den Zinseszins-Effekt zu einem exponentiellen Anwachsen der Geldvermögen führt. Dies sei an folgendem Beispiel kurz erläutert:

      Hat man eine Spareinlage von 10 000 Mark bei einer jährlichen Verzinsung von 6%, so hat man nach 50 Jahren alleine durch den einfachen Zins (Verzinsung nur des Grundkapitals, also jedes Jahr 6% Zins für 10 000 Mark) einen Kapitalzuwachs von 30 000 Mark. Durch den Zinseszins (Verzinsung des Grundkapitals plus bisher angefallener Zinseinkommen) kommt dazu noch einmal ein Betrag von 134 000 Mark. Innerhalb von 50 Jahren hat sich das Guthaben also von 10 000 auf 174 000 Mark erhöht!!

      Dieses Beispiel verdeutlicht zuerst einmal, daß es sich beim Zins eben nicht, wie häufig angenommen, um eine einfache Bezahlung der Dienstleistung des Geld-zur-Verfügung-Stellens handelt.

      Entscheidend jedoch ist die Frage, wem der Guthabenbesitzer aus unserem Beispiel seine wundersame siebzehnfache Geldvermehrung denn eigentlich verdankt. Den Zinseinnahmen muß schließlich auch eine Arbeitsleistung gegenüberstehen. Die Banken sind ja keine selbstlosen Wohltäterinnen, die aus einem unerschöpflichen Füllhorn Geldgeschenke an sparsame Bürger verteilen. Allen Zinseinnahmen müssen daher auf der anderen Seite Schulden, d. h. Zinsenlasten, gegenüberstehen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, darauf hinzuweisen, daß nicht nur Schuldner Zinsen zahlen, sondern wir alle! Insofern nämlich alle Unternehmer gezwungen sind, die Zinsenlasten ihrer Kredite auf den Preis umzuschlagen, zahlt auch jeder indirekt Zins. Zur Zeit beträgt der Zinsanteil im Warenpreis durchschnittlich 30%! Man muß also mehr als 30% seines Einkommens aus Zinsgewinnen bestreiten, um zu den Gewinnern des Systems zu gehören.

      Der Zins führt lediglich zu einer ständigen Umverteilung des Geldes von den Ärmeren zu den Reicheren, von der Arbeit zum Besitz. Insofern also auf der einen Seite die Zinsvermögen und Zins-einnahmen, auf der anderen Seite aber auch die Zinsenlasten und damit der Geldbedarf ständig steigen, handelt es sich hierbei um einen "positiv rückgekoppelten Kreislauf", d. h. eine sich selbst beschleunigende Entwicklung. (Die nachfolgende Grafik verdeutlicht diesen Sachverhalt noch einmal)

      Neben den bereits erklärten Phänomenen des ständigen Auseinanderdriftens von Arm und Reich sowie der ständig wachsenden weltweiten Verschuldung ist auch der Wachstumszwang, dem unsere Wirtschaft unterliegt, eine Folge dieses monetären Teufelskreises: Insofern die Verschuldung, wie gezeigt, ständig wächst, wächst auch der Anspruch des Zinses auf die Arbeitseinkommen. Ein immer größerer Teil des Einkommens muß aufgewendet werden, um den Zins zu bedienen. Will man die dadurch vorprogammierte Verarmung breiter Bevölkerungsschichten verhindern, ist man gezwungen, die Arbeitsleistung ständig zu steigern. In einem Zinssystem ist die Wirtschaft also gezwungen, ständig zu wachsen, um den wachsenden Zins zu bedienen (in Deutschland ist die "Notwendigkeit" zum Wachstum sogar per Gesetz, dem Gesetz für Stabilität und Wachstum, festgelegt). Vergegenwärtigt man sich nun jedoch, daß die Ressourcen der Erde, auf deren Verarbeitung letztendlich jede Wirtschaft beruht, begrenzt sind und daß in einem begrenzten Raum kein unbegrenztes Wachstum möglich ist, erkennt man, daß ein fortwährendes Wirtschaftswachstum zwangsläufig zur Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen führt.

      In dem bestehenden System bleibt demzufolge nur die Wahl zwischen dem ökologischen oder dem sozialen Kollaps.

      Phänomen Arbeitslosigkeit
      Wenn der Leser sich nun an die vier eingangs aufgelisteten Problemfelder erinnert, so wird deutlich, daß die unter 2. bis 4. erwähnten Probleme (Verschuldung, Auseinanderdriften von Arm und Reich, Umweltzerstörung/Wachs-tumszwang) bereits erklärt sind.

      Einer Erläuterung bedarf nur noch das Phänomen der Arbeitslosigkeit. Auch hier spielt der Zins eine wichtige Rolle: Bei jeder volkswirtschaftlichen Investi-tion ist man gezwungen, mindestens soviel Gewinn zu machen, wie das Kapital bringen würde, wenn es verzinst auf der Bank läge. Kann ein wirtschaftliches Unterfangen diese Bedingung nicht erfüllen, so ist es so gut wie unmöglich, Geld dafür zu bekommen. Das Kapital verweigert sich, der Zins wird zum Investitionshemmer. Man spricht in diesem Zusammenhang vom sogenannten Rentabilitätsprinzip (das Gegenteil dazu ist das Wirtschaftlichkeitsprinzip, d. h. ein Unterfangen lohnt sich bereits dann, wenn es sich selbst trägt).

      Die fatalen Folgen dieses Prinzips lassen sich gerade in Deutschland gut erkennen: Es gibt über vier Millionen Arbeitslose, obwohl es an Aufgaben, die gemacht werden müßten, gerade in den neuen Ländern wahrlich nicht mangelt. Das Kapital jedoch, anstatt sich bei geringerer Rendite dem Aufbau in den neuen Ländern zur Verfügung zu stellen, zieht renditeträchtige Langzeitverzinsungen der Devisen- und Aktienspekulationen vor. Wo das Geld wirklich gebraucht wird, ist es nicht, und wo es ist, wird es eigentlich nicht gebraucht.

      Neben der ungerechten Geldordnung ist die herrschende Bodenordnung das zweite Grundübel unseres Wirtschaftssystems. Diese wird genausowenig wie die Geldordnung als Problem erkannt, da das Recht auf Bodenbesitz vielen Menschen ebenso selbstverständlich ist, wie das Recht auf den Besitz an Gütern. Boden ist aber in vielerlei Hinsicht nicht mit anderen Gütern zu vergleichen: Zum einen ist Boden ein Gut, das jeder Mensch zum Leben braucht, zum anderen ist Boden nicht vermehrbar. Da man Boden also weder herstellen, noch verbrauchen kann (es sei denn, man vergiftet ihn!) sondern er eigentlich nur genutzt wrden kann, dürften am Boden eigentlich nur Nutzungsrechte bestehen. Dabei sollte jeder nur soviel Boden bekommen, wie er braucht bzw. bearbeiten kann.

      Diesen Forderungen wird die heutige Bodenordnung nicht gerecht. Boden wird als spekulative Kapitalanlage mißbraucht, durch Zurückhaltung künstlich zusätzlich verknappt und ist Quelle ungerechtfertigter Bereicherung einzelner. Über Mieten, Pachten und damit letztendlich allen Preisen entsteht auch hier, wie beim Zins, ein Geldstrom von der Arbeit zum Besitz.

      Die heutige Geld- und Bodenordnung, die ungerechtfertigte, arbeitsfreie Einkommen einiger auf Kosten der Allgemeinheit zur Folge hat, ist mithin die eigentliche Ursache zahlreicher Probleme unserer Zeit!

      Dritter Weg
      Es stellt sich nun natürlich die Frage, welcher Weg aus dieser Situation herausführen kann. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus fällt dieser als Alternative weg. Daß es jedoch ein Trugschluß ist, anzunehmen, der Kapitalismus sei nun wohl oder übel das einzig funktionierende Systm, das halt trotz seiner "kleinen Fehler" akzeptiert werden müsse, zeigt sich an der offenen und verdeckten Ratlosigkeit, mit der sich Wissenschaft und Politik den Problemen "mutig" stellen. So hat z. B. der Nobelpreisträger für Ökonomie von 1976, Milton Friedman von der renommierten Chicago School, vor kurzem angeregt, den monetären Problemen durch eine staatlich kontrollierte Hyperinflation beizukommen!!

      Das Ende des Kommunismus bedeutet also nicht etwa den Sieg des Kapitalismus, sondern vielmehr sein Übrigbleiben!

      Um den Lösungsansatz, den die sogenannte freiwirtschaftliche Schule bietet und den wir hier als "dritten Weg" vorstellen, nachvollziehen zu können, ist es notwendig, sich noch einmal daran zu erinnern, was ganz zu Beginn über das Geld gesagt wurde: Geld unterliegt keinem Angebotszwang, kann folglich dem Wirtschaftskreislauf entzogen werden. Insofern dieses für eine Volkswirtschaft höchst schädlich ist, besteht prinzipiell immer die Notwendigkeit, es mit einer Umlaufsicherung zu belegen, d. h. die Wirtschaftssubjekte dazu zu bringen, ihr Geld dem Kreislauf erneut zur Verfügung zu stellen. In unserer Wirtschaft geschieht dies durch Inflation und Zinsen, mit allen daraus resultierenden Folgen.

      Der freiwirtschaftliche Lösungsansatz besteht nun darin, die schädliche Umlaufsicherung Zins und Inflation durch eine andere Umlaufsicherung zu ersetzen: Geld muß, wie alle anderen Güter auch, einem Angebotszwang unterworfen werden. Es müssen "Lagerhaltungskosten" für das Geld eingeführt werden, indem Gebühren für Geld entstehen. Konkret kann dies zum Beispiel bedeuten, daß Geldscheine nur dann gültig sind, wenn der jeweilige Besitzer am Monatsende eine zu erwerbende Marke darauf klebt (wie in Freigeldversuchen der 30er erfolgreich praktiziert wurde), oder daß bestimmte Geldserien nach dem Zufallsprinzip von der Notenbank aufgerufen (laut Bundesbankgesetz kann die Bundesbank schon heute Geldserien einziehen) und gegen einen etwas geringeren Betrag eingetauscht werden. Um die Grundidee noch einmal ganz deutlich zu machen: wurden bisher diejenigen, die ihr Geld dem Kreislauf erneut zur Verfügung stellten, "belohnt" (mittels Zins), so sollen nach freiwirtschaftlichen Vorstellungen diejenigen, die ihr Geld nicht erneut dem Kreislauf zur Verfügung stellen, "bestraft" werden (mittels Nutzungsgebühr). Jeder wäre also gezwungen, sein Geld entweder direkt dem Kreislauf zur Verfügung zu stellen, indem er es ausgibt, oder indirekt, indem er es bei einer Bank zinsfrei anlegt, die es dann zinsfrei gegen geringe Gebühren verleiht. (Es bestünde also kein Konsumzwang!)

      Damit das Geld aber auch seine Funktion als Wertmaßstab und Wertaufbewahrungsmittel erfüllen kann, muß es inflationsfrei sein. Diese Forderung ist in einer freiwirtschaftlich organisierten Wirtschaft schon deswegen viel leichter zu realisieren, da die Inflation in ihr ihre Funktion als Umlaufsicherung verliert. Daneben bedarf es einer unabhängigen Notenbank, die mittels einer Beobachtung des Großhandelsindex die Geldmenge dem Bedarf ständig anpaßt und so eine Entwertung des Geldes verhindert (Der Großhandelsindex beziffert die Preise, die der Großhandel für Produkte zahlt. Er reagiert sehr viel schneller auf Veränderungen, so daß die Geldmenge angepaßt werden kann, bevor die Verbraucherpreise sich ändern.).

      Die Bodenfrage läßt sich sowohl steuer-, als auch sachrechtlich lösen, indem entweder ungerechtfertigte Gewinne durch Steuern abgeschöpft werden, oder auf evolutionärem Wege mittels Erb- und Bodenrecht das Privateigentum an Boden durch ein Erbpachtsystem ersetzt wird.

      Während der Kapitalismus das private Eigentum und die private Nutzung an Boden vorsieht und der Kommunismus das staatliche Eigentum und die staatliche Nutzung, sieht die Freiwirtschaft einen gemeinschaftlichen Besitz (z. B. durch die Gemeinden) und private Nutzung (Erbpacht) vor.

      Die Durchführung dieser Reformen wäre problemlos im Rahmen des Grundgesetzes möglich: Lediglich das Bundesbankgesetz sowie Passagen des Erb-, Boden- und Wirtschaftsrechtes müßten geändert werden, um aus der kapitalistischen eine freiwirtschaftliche Ordnung zu machen!

      Silvio Gesell
      Die oben ausführlich dargestellten Vorschläge wurden zum erstenmal von Silvio Gesell (1862 - 1930) in seinem 1916 veröffentlichten Buch "Die natürliche Wirtschaftsordnung" NWO unterbreitet. In diesem Buch forderte er u. a. auch damals völlig utopische Dinge wie die Abschaffung der Golddeckung der Währung und eine unabhängige Notenbank sowie eine Indexwährung. Heute sind diese Dinge selbstverständliche Realität.

      Dies spricht ebenso für die Realisierbarkeit freiwirtschaftlicher Ideen wie die Freigeldversuche zu Beginn der 30er, von denen insbesondere der erfolgreiche Versuch in der österreichischen Marktgemeinde Wörgl/Tirol zu nennen ist, der gerade wegen seines Erfolges von der Regierung per Erlaß beendet wurden (da sich ca. 170 weitere Gemeinden für das Experiment interessierten, sah die Nationalbank ihr Monopol gefährdet!).

      Wir halten diese Ideen für äußerst beachtenswert. Auch wenn die Details für eine Durchführung in einer ganzen Volkswirtschaft natürlich noch nicht ganz ausgereift sein mögen, so glauben wir doch, daß sich hier tatsächlich ein Ausweg auftut.


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      Dieser Beitrag erschien erstmalig im November 1993 in der Schülerzeitung "Ex & Hopp" des Carl-Humann-Gymnasiums, Essen-Steele. Wir danken den Autoren für die freundliche Nachdruckgenehmigung. (Die Redaktion)


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      Abgedruckt in DER DRITTE WEG, Zeitschrift für die natürliche Wirtschaftsordnung, 25. Jahrgang/Nr. 1, Januar 1994
      Avatar
      schrieb am 12.04.03 21:58:49
      Beitrag Nr. 94 ()
      Helmut-Kohl

      @ sittin bull inv

      Du schuldest mir immernoch Erklaerungen:

      Was ist die genaue Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen nominalen Zinsen und der realen Wirtschaft. Solange Du (oder Roehrig, Kennedy, Creutz) das nicht beantworten, koennen wir uns jede oekonomische Diskussion sparen. Z.B. wenn Du von Fehlallokation sprichst, was ist denn eine richtige Allokation, und warum? Oekonomen haben das Konzept der Pareto Effizienz, was haben die Freiwirte?

      Wie unsinnig naemlich die Diskussion mit Leuten ist, die sich im Wissenschafts-freien Raum (auch Stammtisch genannt) bewegen, zeigen Die ausfuehrungen von Kennedy:

      Abbildung 4 zeigt einen Vergleich zwischen Zinszahlungen und Einkommen aus Zinsen bei 10 zahlenmäßig gleichen Bevölkerungsanteilen in der Bundesrepublik. Es zeigt sich, daß die ersten 80% der Bevölkerung mehr Zinsen bezahlen als sie erhalten, 10% erhalten etwas mehr als sie bezahlen und die letzten 10% erhalten etwa doppelt soviel Zinsen wie sie bezahlen.

      Warum ist eine Ungleichverteilung von Zinseinkommen/ausgaben schlecht? Ist das nur ungerecht (dann koennen wir uns jede Diskussion sparen, da Klassenkampf) oder oekonomisch schaedlich, dann bitte mit exakter Erklaerung der Ursache-Wirkung.

      Dies erklärt vorbildlich einfach einen Mechanismus, vielleicht den wichtigsten, der die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden läßt.

      Da ist gar nichts erklaert. Aus diesem STATISCHEN!!!!!!! Schaubild ergibt sich gar nicht, dass Reiche immer Reicher werden.


      @ frutta

      Jetzt fällt mir noch ein, der Wasserpreis hat sich während der letzten 4 Jahre genau verdoppelt.

      Du kritisierst am Schwundgeld exakt das, was mich auch immer wundert: Die Schwundgeld-Propheten verstehen naemlich nicht den Unterschied zwischen real- und nominal-Zinsen.


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      #3155 von frutta 07.04.03 22:03:06 Beitrag Nr.: 9.107.870 9107870
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      ich halte diese sogenannte Freiwirtschaftsordnung für einen hahnebüchenen Blödsinn.
      Ich will nur ein paar Dinge herausgreifen:
      30 % der Konsumentenpreise sind Zins ? Eine Behauptung, die völlig falsch ist. Es wird halt einfach mal eine Zahl hingeworfen, damit man ein Argument hat.
      Ich bezweifle nicht, daß das Wachstum der Staatsschulden schlimm ist. Aber mit einem linearen Chart wird es noch maßlos übertrieben dargestellt. Hier muß ein % tualer Maßstab angewendet werden.
      Die These, daß es durch Zinsen zu einem Kapitalzuwachs käme, ist falsch. Es kommt zu einem Zuwachs beim Gläubiger und einer Abnahme beim Schuldner. Der Saldo ist null. Der Zinseszinseffekt unterstellt, daß der Gläubiger die Zinsen nie ausgibt. Völlig irreal. Geld wird nur dem Kreislauf entzogen, wenn es unter der Matratze liegt. Deswegen ist eine Umlaufsicherung überflüssig, weil es immer umläuft.
      Die Erhebung von Lagerhaltungskosten des Geldes, ist auch nichts anderes als die Geldverrufung des Mittelalters. Es entwertet die Kaufkraft des gesparten Geldes, d. h. es ist nur eine andere Form der Inflation.
      Die Folge wird sein, daß das Geld seine Funktion als Zahlungsmittel verliert, weil sich in dieser Wirtschaftsordnung ein riesiger schwarzer Markt entwickeln wird,in dem Waren und Dienstleistungen nicht gegen das miese Geld, sondern gegen reale Gegenleistungen abgeboten werden. So wie es im Ostblock und bei uns vor der Währungsreform 1948 war. Die Funktion als Wertaufbewahrungsmittel kann dieses Geld sowieso nicht haben, also werden die Leute Gold, Diamanten usw. kaufen, wenn sie sparen wollen. Dann möchte ich mal wissen, was der Unterschied zwischen Staatseigentum und gemeinschaftlichem Besitz sein soll. Das ist doch de facto dasselbe. Das ganze System ist nichts anderes, als ein etwas abgewandelter Kommunismus. In der Praxis,würde dieses System kläglich scheitern. Auch die Umwelt würde darunter leiden. Siehe die DDR. Da gab es bei der Wende 7 Kläranlagen, soviel wie bei uns in jedem Landkreis. In Bitterfeld, ging die ganze Chemiesoße ungereinigt in den Boden, Bäche und Flüsse. Eine dreckigere Umwelt, als in den kommunistischen Staaten gibt es nirgens, auch ohne Wachstum. In der Freiwirtschaft wäre es nicht besser.
      Die Ursache der Arbeitslosigkeit ist der Produktivitätsfortschritt. Das läßt sich nicht aufhalten. Heute wird eine Baugrube von einem Baggerführer ausgehoben, früher waren da 30 Mann mit Pickel und Schaufel beschäftigt. Mit dem Geld hat das nichts zu tun.
      Gruß frutta

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      #3156 von sittin bull inv 07.04.03 22:46:24 Beitrag Nr.: 9.108.359 9108359
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      @ Helmut: Also sind die Politiker schuld an den Schulden?



      ich dachte man hatte gar keine Wahl weil man die Fahnen des Wachstums hochhalten wollte?


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      Was ist die genaue Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen nominalen Zinsen und der realen Wirtschaft. Solange Du (oder Roehrig, Kennedy, Creutz) das nicht beantworten, koennen wir uns jede oekonomische Diskussion sparen. Z.B. wenn Du von Fehlallokation sprichst, was ist denn eine richtige Allokation, und warum? Oekonomen haben das Konzept der Pareto Effizienz, was haben die Freiwirte?

      Ich denke wenn Kapital sich nicht mehr dem Markt zur Verfügung stellt, weil die Rendite zu niedrig ist,
      ist z.B. eine Fehlallokation.
      Obwohl genügend Arbeitskräfte da sind, gibt es nicht mehr genügend Geld ( und wohl auch nicht genügend Arbeit )
      um diese in Lohn und Brot zu bringen.



      Wie unsinnig naemlich die Diskussion mit Leuten ist, die sich im Wissenschafts-freien Raum (auch Stammtisch genannt) bewegen, zeigen Die ausfuehrungen von Kennedy:

      Abbildung 4 zeigt einen Vergleich zwischen Zinszahlungen und Einkommen aus Zinsen bei 10 zahlenmäßig gleichen Bevölkerungsanteilen in der Bundesrepublik. Es zeigt sich, daß die ersten 80% der Bevölkerung mehr Zinsen bezahlen als sie erhalten, 10% erhalten etwas mehr als sie bezahlen und die letzten 10% erhalten etwa doppelt soviel Zinsen wie sie bezahlen.

      Warum ist eine Ungleichverteilung von Zinseinkommen/ausgaben schlecht? Ist das nur ungerecht (dann koennen wir uns jede Diskussion sparen, da Klassenkampf) oder oekonomisch schaedlich, dann bitte mit exakter Erklaerung der Ursache-Wirkung.

      Ungerecht ist sie allemal, aber auch ökonomisch schädlich: weil sie alle Wirtschaftsteilnehmer Jahr für Jahr mehr belastet, und ein VE-Kuchen nur einmal verteilt werden kann, wobei der Zinsanstieg schon von vornherein feststeht. Daher auch der Zwang zum Wachstum, um die zunehmende Zinslast zu tragen. Und nicht nur derjenige, der Schulden hat, jeder muß über alle Preise die Zinslasten einer Volkswirtschaft zahlen.
      Das sich dabei ein Konzentrationsprozeß ergibt gebietet schon die Logik- und übrigens ist diese wirklich überall zu beobachten!

      Dies erklärt vorbildlich einfach einen Mechanismus, vielleicht den wichtigsten, der die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden läßt.

      Da ist gar nichts erklaert. Aus diesem STATISCHEN!!!!!!! Schaubild ergibt sich gar nicht, dass Reiche immer Reicher werden.



      S.o. Sie werden es augenscheinlich aber. Denk an Krugmann, den du ja überhaupt nicht magst- deine Antipathie zu ihm ist ja schon fast legende-
      vielleicht weil es zu sehr schmerzt, wenn es tatsächlich so sein könnte- das dein System eben doch nicht das beste ist?


      @ frutta: Zu dir fällt mir überhaupt nix ein, außer das ich Zweifel habe, ob du von Geldschöpfung schon hinreichend genug verstehst!

      Helmut ist da ja schon viel weiter!

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      #3157 von sittin bull inv 07.04.03 22:58:36 Beitrag Nr.: 9.108.459 9108459
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      das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen-

      Diplomierte Volkswirte, die behaupten, der einzelne ( oder hier die Politiker ) würden Fehler machen, wenn einer Schulden macht


      Dabei ist unser gesamtes Geldsystem auf Schulden aufgebaut-
      jede Geldschöpfung bei einer Zentralbank ist ein Verschuldungsprozeß.

      Oder wie kommt ihr zu euer Geld?

      Schenkt man euch es? Nimmt man keine Zinsen dafür?


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      #3159 von helmut_kohl 08.04.03 00:05:36 Beitrag Nr.: 9.109.020 9109020
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      @ frutta

      Ich bezweifle nicht, daß das Wachstum der Staatsschulden schlimm ist. Aber mit einem linearen Chart wird es noch maßlos übertrieben dargestellt. Hier muß ein % tualer Maßstab angewendet werden.

      Ich habe die selben Zweifel: Wie unten beschrieben, bedeutet staendige Neuverschuldung nicht unbedingt, dass die Schulden rel. zum GDP explodieren.

      Der Zinseszinseffekt unterstellt, daß der Gläubiger die Zinsen nie ausgibt. Völlig irreal.

      Womit der Nonsens des Josephspfennig widerlegt waere. Danke!

      Die Ursache der Arbeitslosigkeit ist der Produktivitätsfortschritt. Das läßt sich nicht aufhalten. Heute wird eine Baugrube von einem Baggerführer ausgehoben, früher waren da 30 Mann mit Pickel und Schaufel beschäftigt.

      Falsch. Du setzt voraus, dass es eine fixe Menge von Arbeit gibt. Dann bedeutet Fortschritt in der Tat, dass die Leute dank Fortschritts ihren Job verlieren. Aber es gibt unendlich viel potentielle Arbeit. Dank Fortschritt steigen die Gehaelter, steigende Gehaelter produzieren mehr Nachfrage nach anderen Guetern und im Idealfall entstehen dadurch wieder genug Jobs fuer die Leute, die weg-rationalisiert wurden. Ich sage im Idealfall, denn in Deutschland ist das leider nicht der Fall. Deutschland, auch bekannt als Volksrepublik Deutschland, hat so viele Regulierungen, dass neue Arbeitsplaetze nicht so einfach geschaffen werden koennen.



      @ sittin bull

      das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen-
      Diplomierte Volkswirte, die behaupten, der einzelne ( oder hier die Politiker ) würden Fehler machen, wenn einer Schulden macht

      Ich habe nirgends geschrieben, dass dies ein Fehler ist: Im Gegenteil, aus der Sicht des einzelnen ist es absolut rational. Die ggw. Handlungsweise deutscher Politker ist: Maximiere Staatsausgaben (ergo Chancen auf Wiederwahl) unter der Nebenbedingung, dass die Neuverschuldung nicht zu arg hoch ausfaellt. 100% rational.

      Ich denke wenn Kapital sich nicht mehr dem Markt zur Verfügung stellt, weil die Rendite zu niedrig ist, ist z.B. eine Fehlallokation.

      Entschuldige, dass ich so auf den Details rumreite, aber die Verwendung des Wortes “zu” insbes. “zu hoch” setzt voraus, dass Du ein weisst, wie hoch es denn optimaler-weise sein sollte. Wie hoch soll die Rendite sein, und warum ist das optimal und in welchem Sinne ist es optimal. Das kannst Du nur beantworten, wenn Du hier meine “big picture” Frage beantwortest: Was ist der Zusammenhang zwischen Zinsen/Rendite und der Real-Wirtschaft.

      Ungerecht ist sie allemal, aber auch ökonomisch schädlich: weil sie alle Wirtschaftsteilnehmer Jahr für Jahr mehr belastet,

      Das setzt voraus, dass die Ungleichverteilung jedes Jahr grosser wird und diese Ungleichverteilung schaedlich ist (aber wie???).

      S.o. Sie werden es augenscheinlich aber.

      Die Begruendung fuer steigende Belastungen ist “sie werden es aber”. Ich glaube Du musst etwas haerter arbeiten, bis ich Dich Ernst nehme!

      Im uebrigen: Du hast bis jetzt auch noch nicht bewiesen, dass Ungleichverteilung schlecht ist: Wenn mein Konsum um 1% p.a. steigt und der meines Nachbarn um 2%, dann wird unser Konsum immer ungleicher verteilt, trotzdem geht es beiden von uns immer besser.
      Wenn jemand natuerlich kommunistische Veranlagungen hat (ergo Neid), dann zaehlt nicht der eigene Konsum, sondern die Ungleichverteilung.
      Also: Was fuer Praeferenzen hast Du? Was zaehlt fuer Dich? Eigener Konsum, oder eigener Konsum relativ zu anderen?
      Und was wenn die steigende Ungleichverteilung darauf zurueckzufuehren ist, dass mein Nachbar besser ausgebildet ist? Oder haerter arbeitet? Ist das auch oekonomisch schaedlich, dass leistungsfaehigaere Leute mehr verdienen?

      nk an Krugmann, den du ja überhaupt nicht magst- deine Antipathie zu ihm ist ja schon fast legende-
      vielleicht weil es zu sehr schmerzt, wenn es tatsächlich so sein könnte- das dein System eben doch nicht das beste ist?

      Erstens denke ich sehr selten an Krugmann. Akademisch gesehen ist seine Laufbahn zu ende. Er schreibt keine nennenswerte Forschung mehr. Er hat noch nie Studenten produziert. Vollkommenes intellektuelles Vakuum. Wissenschaftlich gesehen schreibt er auf dem Niveau eines Gymnasiasten. Da geistig nichts wesentliches von ihm zu erwarten ist, schaue ich doch lieber sie Simpsons oder South Park, wenn ich mich unterhalten will.
      Avatar
      schrieb am 12.04.03 22:02:38
      Beitrag Nr. 95 ()
      #3160 von frutta 08.04.03 00:42:03 Beitrag Nr.: 9.109.221 9109221
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      Sittin_bull,
      also ich bekomme mein Geld für meine Arbeit und keiner nimmt Zinsen dafür. Wenn ich was fürs Alter zurücklege, will ich aber Zinsen sehen. Von den Zinsen, die ich bekomme, muß ich Einkommensteuer bezahlen, obwohl die Hälfte der Zinsen nur die Inflation ausgleicht.
      Daß der Geldmengenzuwachs, Kreditgeld ist, weiß ich schon. Es ist Aufgabe der Notenbank, diesen Zuwachs in vernünftigem Rahmen zu halten. Das hat die Bundesbank fast immer gut gemacht. Trotzdem sind die Staatschulden zu hoch. Das liegt einmal tatsächlich daran, daß die Politiker gern einen ausgeben, damit sie wieder gewählt werden. Seit 1989 spielen bei uns die Ost Subventionen die größte Rolle. Eins ist auch klar, je höher die Steuereinnahmen, je höher die Schulden. Dann wird das Geld richtig verbuttert. Das sieht man am besten bei den Gemeinden. Die Gemeinden mit den höchsten Steuereinnahmen pro Kopf, haben auch die höchsten Schulden pro Kopf. Meines Erachtens ist ein Haushaltsdefizit nur in der Rezession sinnvoll. Ansonsten müssen die Steuern reichen. Danach muß das aber wieder ausgeglichen werden. Die Steuereinnahmen müssen auf Dauer für die Haushaltsführung ausreichen. Das gehört in die Verfassung. Die öffentliche Geldverschwendung ist gigantisch. Was allein diese riesige Bürokratie kostet. Sie kostet nicht nur Geld, sondern auch Wachstum. Ich wéiß nicht, was Du gegen Wachstum hast. Wachstum macht uns alle wohlhabender und macht mehr Umweltschutz bezahlbar.
      Die öffentliche Verschuldung hat mit dem Geldsystem überhaupt nichts zu tun, sonder mit schlechter Politik. Wie blöd die Politiker sind, sieht man daran, daß sie immer ausgerechnet in der Rezession anfangen zu sparen. Im Boom sollte gespart werden und in der Rezession geklotzt.
      Falsch ist auch die Behauptung, es gäbe nicht genug Geld um den Leuten Arbeit zu geben. Die Beschäftigung hängt zum einen von der Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen ab und zum anderen auch von den Verhältnissen am Arbeitsmarkt. Die meisten Arbeitnehmer arbeiten nicht in der Industrie, sondern in kleinen und mittleren Betrieben. Gerade in kleinen Betrieben, überlegt man es sich gründlich, ob man Mitarbeiter einstellt. Wird die Auftragslage schlechter (so wie jetzt), wird man sie nicht mehr los und geht pleite. Deswegen werden dort in guten Zeiten halt Überstunden gemacht. Mit Freigeld ändert sich daran nichts. Im Gegenteil, da wird dann nur noch schwarz gearbeitet.
      Es gibt viele schöne Theorien, die für die Praxis nicht tauglich sind. Das Freigeld gehört dazu.
      Gruß frutta

      *********************************************************#3162 von frutta 08.04.03 01:33:48 Beitrag Nr.: 9.109.347 9109347
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      @Helmut K.
      mein Beispiel mit dem Baggerfahrer ist zu einfach. Aber ich glaube nicht, daß der von Dir beschriebene Effekt, alle 29 wegrationalisierten aus meinem Beispiel auffängt. Dazu kommt, daß die Art der neuen Jobs oft nicht zu der Qualikation der freigesetzten passt. Es war ja lange so, daß wir auf der einen Seite Arbeitskräftemangel und gleichzeit hohe Arbeitslosigkeit hatten. Neuerdings gibt es aber immer mehr Arbeitslose mit guter Ausbildung. Das ist natürlich die Folge der(statistisch noch nicht vorhandenen) Rezession.
      Gruß frutta

      ***********************************************************


      #3163 von investival 08.04.03 11:11:28 Beitrag Nr.: 9.111.717 9111717
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      Interessante Diskussionsrichtung (danke, @sittin bull), lohnt ja wieder zu lesen, wobei ich in Anbetracht der Börsensituation da [@helmut_kohl, ] eine aktuelle Leseschwäche konstatieren muß, [Ihr habt mit Börse direkt derweil offensichtlich nicht allzu viel am Hut... Was sicher auch seine Vorteile hatte und haben kann, *g*]
      Deshalb nur ein paar adhoc-Anmerkungen, der wissenschaftlichen Korrektheit zuliebe, :

      @helmut_kohl,

      Wenn mein Konsum um 1% p.a. steigt und der meines Nachbarn um 2%, dann wird unser Konsum immer ungleicher verteilt, trotzdem geht es beiden von uns immer besser.
      Es kommt darauf an, WAS konsumiert wird, damit es einem TATSÄCHLICH besser geht. Wenn Du 1 % mehr in Fitnessausrüstung/-dienstleistung konsumierst, geht es Dir mit hinreichender Sicherheit besser als Deinem Nachbarn, der 2 % mehr (fr)ißt und darüber verfettet. [Ja, ich weiß... er MUSS nicht verfetten, *g*] Abgesehen davon, daß "Mehr"konsum auch volkswirtschaftlich mehr Kosten verursachen kann (via zeitverzögertem "Feedback", z.B. infolge ökologischer Schäden), und es dann allen schlechter geht.
      Es ist eben nicht alles Quantität im Leben.

      Ist das auch oekonomisch schaedlich, dass leistungsfaehigaere Leute mehr verdienen?
      Ich will @sittin bull nicht vorgreifen, aber diese Diskussion hatten wir doch bereits... Nur LeistungsFÄHIGKEIT (die nicht per se an der Ausbildung hängt) reicht eben nicht - LEISTUNG ist, was nützt.


      **********************************************************


      #3166 von sittin bull inv 08.04.03 12:43:05 Beitrag Nr.: 9.113.051 9113051
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      frutta: du merkst ja noch nicht mal wo du dir selbst widersprichst...


      Daß der Geldmengenzuwachs, Kreditgeld ist, weiß ich schon. Es ist Aufgabe der Notenbank, diesen Zuwachs in vernünftigem Rahmen zu halten. Das hat die Bundesbank fast immer gut gemacht. Trotzdem sind die Staatschulden zu hoch


      Ein Wirtschaftssystem wie wir es haben ist auf diesen Geldmengenzuwachs angewiesen. Wachstumszwang.

      von Punk24:
      Geld ist ein Tauschobjekt für Waren und Dienstleistungen. Nur wenn dieser Gegenwert vorhanden ist, ist auch das Geld mehr Wert, als das bedruckte Papier. Durch zins vermehrt sich Geld, also muss sich auch der Gegenwert(Waren u. Dienstleistungen) erhöhen. dies wird erreicht durch Wirtschaftswachtum und Produktivitätssteigerung. Diese sind jedoch nicht unbegrenzt steigerbar. Da durch Zins die Geldmenge exponentiell und theoretisch unbegrenzt steigen kann, führt dies zwangsläufig irgendwann zum Zusammenbruch und das ganze geht, startend bei einem niedrigeren Level von neuem los.



      Es ist völlig egal, wer die Schulden macht, Zinsen müssen also immer drauf gezahlt werden.
      Der Unterschied bei den Staatsschulden ist nur der verstärkte Zinseszinseffekt, weil noch nie ein Euro Staatsschulden zurückgezahlt wurde, nirgendwo auf der Welt. Private Schuldner gehen dagegen eher insolvent!


      Meines Erachtens ist ein Haushaltsdefizit nur in der Rezession sinnvoll. Ansonsten müssen die Steuern reichen. Danach muß das aber wieder ausgeglichen werden. Die Steuereinnahmen müssen auf Dauer für die Haushaltsführung ausreichen. Das gehört in die Verfassung. Die öffentliche Geldverschwendung ist gigantisch. Was allein diese riesige Bürokratie kostet. Sie kostet nicht nur Geld, sondern auch Wachstum. Ich wéiß nicht, was Du gegen Wachstum hast. Wachstum macht uns alle wohlhabender und macht mehr Umweltschutz bezahlbar.
      Die öffentliche Verschuldung hat mit dem Geldsystem überhaupt nichts zu tun, sonder mit schlechter Politik. Wie blöd die Politiker sind, sieht man daran, daß sie immer ausgerechnet in der Rezession anfangen zu sparen. Im Boom sollte gespart werden und in der Rezession geklotzt.


      Es steht in Deutschland in der Verfassung, das Stabilitätsgesetz 1967 wurde Deficit Spending damit publik gemacht- man hatte doch hehre Ziele, wollte man doch garantieren, das wir alle weiter vom Wachstum garantieren können, weil erste Rezessionen zu erkennen waren.
      Frage: Warum hat der Staat nun dieses weitere Wachstum über schulden erkauft?
      Klar, Wachstum ist gut für uns- es verhindert nämlich, das der Zinseszinseffekt sich zu schnell zeigt-

      aber Wachstum erkauft auf Staatsschulden rächt sich gleich mehrfach-
      es ist logisch nicht unendlich möglich
      es bereitet einen umwelttechnische Sorgen
      wir müssen beständig mehr Geld für Wachstum ausgeben,
      wenn nicht neue Märkte erschlossen werden,
      da ansonsten das Volkseinkommen die natürliche Begrenzung aller Ausgaben darstellen muß
      wir müssen Zinsen und Zinseszinsen zahlen, meist immer eine Generation später.


      Warum die ganze Chose?

      Auch mittelständische Firmen investieren nicht in Arbeit wenn sie keinen ausreichenden Gewinn erwirtschaften-
      und der Zins muß erstmal verdient werden.
      Frag mal Kapitalgeber, ab wie viel Prozent Rendite sie bereit sind, ihr Kaputal in Arbeit zu investieren!


      Hier nochmal ein Überblick:

      WIE FUNKTIONIERT UNSER GELDSYSTEM?

      Das Geld hat in unserer Wirtschaft eine "Jokerstellung", weil der Geldinhaber beliebig lange auf günstige Bedingungen für die Anlage seines Geldes warten kann. Dies können die beiden anderen Hauptbeteiligten der Wirtschaft nicht: Der Arbeiter kann nicht beliebig lange warten, weil er auf den Lohn zum Leben angewiesen ist. Der Unternehmer kann nicht warten, weil sonst seine Waren verderben oder unmodern werden. Wenn aber viel Geld zurückgehalten wird, (mit dem Anlegen gewartet wird) kann dies zur Deflation führen, die noch schlimmere Folgen als Inflation hat. Diese Geldzurückhaltung wird normalerweise durch den lockenden Zins vermieden. Zins ist die Entschädigung, die der Schuldner dem Verleiher für dessen Verzicht auf Liquidität (Möglichkeit, jederzeit über Bargeld oder sofort abrufbares Geld zu verfügen) bezahlen muß. Geld verleiht nur, wer bereits genügend bzw. zu viel hat. Geliehen wird Geld von Leuten, die zu wenig haben.

      WAS IST PROBLEMATISCH AM ZINS?

      Die für Zinsen und Zinseszinsen anfallende Summe wächst exponentiell, d. h. am Anfang sehr langsam und mit der Zeit immer schneller. Bei einem Guthaben von 10000 € und einer Verzinsung von 6 % fallen im ersten Jahr 600.- € Zinsen an. Wenn dieser Betrag nicht abgehoben wird, bekommt man im nächsten Jahr auch für diese 600 € Zinsen, also Zinsen für die Zinsen ("Zinseszins". Bei längeren Zeiträumen spielt dieser Zinseszins eine entscheidende Rolle. Nach 50 Jahren hat man 164000 € an Zins und Zinseszins bekommen, das 16,4 fache des gesamten Darlehens. Zinseszins kann auch bei Schulden anfallen, wenn für die Bezahlung der Zinsen neue Darlehen aufgenommen werden müssen, wie dies viele Entwicklungsländer, aber auch der deutsche Staat tun.
      Übrigens haben in der Vergangenheit Religionsgründer, z. B. Moses, Jesus, Mohammed und Luther immer wieder den Zins verurteilt. Die Geschichte lehrt, daß Verbote und Verurteilungen das Zinsproblem nicht lösen können. Inzwischen haben sich die meisten Religionen mit dem Zins arrangiert, lediglich in den islamischen Staaten gibt es noch Banken, die zinslos arbeiten.

      WIE KOMMT ES ZU DER SICH IMMER WEITER ÖFFNENDEN SCHERE ZWISCHEN ARM UND REICH ?
      AUF DER NATIONALEN EBENE

      Viele haben mehr oder weniger große Beträge auf Banken und Sparkassen festgelegt und freuen sich über die anfallenden Zinsen. Weniger bekannt ist, daß jeder Tag für Tag, bei jedem Einkauf im Durchschnitt 40% in den Preisen versteckte Zinsen bezahlt. Täglich verlieren so die arbeitenden Menschen 500 Millionen €<8> Durch die Zinsproblematik sammeln sich bei wenigen Personen und Institutionen unvorstellbar große Kapitalien an und verleiten zur Spekulation.
      Ein Mitglied der Familie Quandt z. B. verfügte auf diese Weise bereits 1990 über ein tägliches Zinseinkommen von 325000 €<2>. Diese riesigen Beträge werden im jetzigen System nur dazu verwendet, den unvorstellbaren Reichtum von wenigen täglich weiter zu vermehren. Sie wären aber dringend erforderlich, um z. B. wirksame Maßnahmen zur Senkung der Arbeitslosigkeit und zur Vermeidung und Beseitigung von Umweltschäden zu treffen.

      INTERNATIONAL:

      Für die steigende Armut in den Ländern des Südens spielen sicher auch die oft genannten Gründe Korruption und Mißwirtschaft eine Rolle. Die Hauptursachen liegen aber an anderer Stelle. Die armen Länder exportieren meist Rohstoffe, deren Preise von den Industrieländern immer weiter gedrückt werden. Um die steigenden Preise für Industriegüter bezahlen zu können, mußten sie Kredite aufnehmen. Viele der armen Länder können die Zinsen für ihre Schulden nur bezahlen, indem sie immer neue Darlehen aufnehmen. Dadurch haben die Schulden eine solche Höhe erreicht, daß diese Länder überhaupt keine Chance mehr zur Abtragung haben.

      ARBEITSLOSIGKEIT

      Die Hauptgründe für die Massenarbeitslosigkeit sind

      * gestiegene Produktivität

      * zunehmende Marktsättigung

      * zunehmende Zahl von Arbeitsuchenden

      Wege aus der Arbeitslosigkeit sehen viele vor allem in Wirtschaftswachstum und Deregulierung, d. h. Befreiung des Marktes von staatlichen Vorschriften.
      Wirtschaftswachstum ist bei einem weitgehend gesättigten Markt hauptsächlich über eine Steigerung des Exports möglich. Dieser wiederum schafft starke Abhängigkeiten. Wenn z. B. ein für uns wichtiges Exportland in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommt, schlägt dies sofort auch auf uns durch, weil der Export dorthin zusammenbricht.
      Wachstum bringt außerdem meist steigende Umweltschäden.
      Deregulierung ist eine gefährliche Maßnahme. Der Markt von sich aus kann soziale (und ökologische) Probleme nicht lösen, weil er rein ökonomischen Gesetzen folgt. Ja, ein unregulierter Markt schafft gerade solche Probleme, z. B. die katastrophalen Arbeitsbedingungen in den Fabriken am Anfang der Industrialisierung.

      Ein erfolgversprechender Weg zur Verringerung der Arbeitslosigkeit ist sicherlich die Reduzierung der Arbeitszeit, um die vorhandene Arbeit auf mehr Personen zu verteilen.
      Ein wichtiger Punkt wäre die Verringerung des Zinsdrucks auf die Wirtschaft. Die meisten Betriebe haben für die Gründung, Erweiterung oder Modernisierung Kredite aufgenommen. Für die Bedienung der Kredite sind wegen des Zinses ständig und immer steiler steigende Summen Geldes erforderlich. Die Gesamtverschuldung der deutschen Industrie wird inzwischen auf 600 Milliarden DM geschätzt. <2> Außerdem muß sich die gesamte Wirtschaft an den durch Spekulation möglichen Gewinnen messen lassen. Sinnvolle Investitionen (die Arbeitsplätze schaffen) werden oft nicht getätigt, weil sie nur niedrigere oder gar keine Gewinne versprechen. Die wachsende Konkurrenz führt zu einem starken Rationalisierungszwang, der Arbeitsplätze kostet. Ungünstig wirkt auch die Steuergesetzgebung. Arbeitseinkommen sind mit dem Gros aller Steuern belastet. Investitionen in Maschinen, die meist Arbeitsplätze kosten, bedeuten dagegen eine steuerliche Entlastung für den Unternehmer.

      CHRONISCH LEERE STAATSKASSEN

      Die Verschuldung des deutschen Staates selbst (ohne die Industrie) hat inzwischen eine Höhe von 2200 Milliarden DM erreicht. Zum Abzahlen dieser Summe müßten -selbst, wenn die Zinsen sofort wegfallen würden- 60 Jahre lang täglich 100 Millionen aufgebracht werden.
      Vielleicht wenden Sie jetzt ein, die Staatsverschuldung berührt mich persönlich nicht, ich habe keine Schulden und zahle keine Zinsen. Die Zinsen für die Staatsverschuldung zahlt jedoch jeder über die Steuern!
      Die Hauptursache für die Staatsschulden sind nicht unfähige Politiker. Das sieht man daran, daß praktisch alle Staaten mehr oder weniger hoch verschuldet sind. Die Staatsverschuldung entsteht aus mehreren Gründen:
      · Sinkende Einnahmen durch Steuerausfälle
      · Steigende Ausgaben, z. B. durch Vergabe von Aufträgen an die Industrie zur Belebung der Wirtschaft
      · Da die Zinsen für die bestehenden Schulden nicht aufgebracht werden können, müssen Jahr für Jahr weitere Kredite aufgenommen werden
      Die zunehmende Verschuldung führt zu jährlich wachsenden Zinszahlungen. Dieser Posten ist inzwischen an die 2. Stelle im Haushalt gerückt. Das bedeutet, daß der Handlungsspielraum der Politik immer mehr eingeengt wird: Wichtige Vorhaben können aus Geldmangel gar nicht erst angegangen werden. Wenn die Verschuldung nicht weiter wachsen oder gar abnehmen soll, bleibt dem Staat nichts anderes übrig, als die Steuern zu erhöhen, was die Kaufkraft der Bürger vermindert oder die Inflation anzuheizen, was Einkommen und Ersparnisse in ihrem Wert herabsetzt. Durch die zunehmende Globalisierung der Wirtschaft gerät der Staat weiter unter Druck. Erforderlich ist deshalb auch eine Globalisierung der Politik.

      STÄNDIG ZUNEHMENDE UMWELTSCHÄDEN

      Jeden Tag werden 55000 Hektar Tropenwald vernichtet, nimmt das verfügbare Ackerland um 20000 Hektar ab und sterben 100 bis 200 Tier- und Pflanzenarten aus. (<7> 23/98, nach OECD)
      Es gibt auch Wissenschaftler, die einen Zusammenhang zwischen der Orkankatastrophe 1998 in Mittelamerika und der Klimaveränderung durch CO2 - Ausstoß annehmen. Was hat das mit Zins zu tun? Der zunehmende Konkurrenzdruck verführt manche Firmen der reichen Länder dazu, sich durch Ausbeutung von Rohstoffen, Leerfischen der Ozeane, usw. Kostenvorteile zu verschaffen. Die Entwicklungsländer andererseits sind oft gezwungen, z. B. durch radikales Abholzen des Regenwaldes und Export des Holzes sich die Devisen zu verschaffen, die für das Bezahlen der Zinsen erforderlich sind. Außerdem geht wertvolles Ackerland dadurch verloren, daß riesige Weiden für Schlachtvieh angelegt werden, das ebenfalls exportiert wird.
      Die Festsetzung von Energiepreisen unter rein ökonomischen Aspekten hat zu einer weltweiten Verkehrslawine mit enormem Co2-Ausstoß geführt. z. B. werden Kartoffeln aus Deutschland nach Polen transportiert, um dort gewaschen zu werden, weil dies dort etwas billiger möglich ist. Wenn der Preis für Benzin im gleichen Maß wie für Lebensmittel gestiegen wäre, läge der Benzinpreis bereits heute bei über 1,50€..
      Sorge bereitet den Experten auch der stark zunehmende Flugverkehr und der damit verbundene Schadstoffausstoß in großen Höhen. Dies wird sich kaum ändern, solange z. B. ein "Last-Minute-Flug" nach Portugal billiger ist als eine Bahnfahrt nach Hamburg. Erforderlich ist vor allem eine Besteuerung von Flugkraftstoffen.
      Die niedrigen Energiepreise bewirken auch, daß für Wärmedämmung von Häusern oder alternative Energieerzeugung nur sehr wenig Geld ausgegeben wird.

      HABEN AUCH KRIEGE ETWAS MIT ZINSEN ZU TUN?

      Kriege können vielerlei Ursachen haben, ethnische, religiöse, soziale usw. Es gibt auch Kriege, bei denen die Sicherstellung der Rohstoffversorgung der reichen Länder eine große Rolle spielt, z. B. der letzte Golfkrieg. Dann gibt es auch sogen. Stellvertreterkriege, wie z. B. der Bürgerkrieg in Angola, bei dem die eine Partei insgeheim von den USA, die andere von Frankreich unterstützt wurde. Untersuchungen zeigen, daß z. B. die USA und England enorme Summen beim Golfkrieg einmal an den vorher an den Irak verkauften Waffen und danach am Wiederaufbau verdient haben.
      Aus der ständigen Suche nach neuen Märkten ist eine starke Rüstungsindustrie entstanden. Diese "versorgt" die armen Länder mit Waffen (gegen Kredit natürlich). Hierdurch sind erst solche langen Kriege wie in Uganda, in Jugoslawien und in Mittelamerika möglich. Der erste indisch-pakistanische Krieg 1950 dauerte nur wenige Tage, dann waren alle Panzer kaputt und alle Munition verschossen.
      45% der weltweiten Rüstung kommen aus den USA. Der Marktführer auf diesem traurigen Gebiet, die Firma Lockheed-Martin, hat 1998 16,5 Milliarden € umgesetzt. Die Rüstungsgüter, die unkontrolliert z. B. 1997 im Wert von 15 Milliarden nach Nordafrika und in den nahen Osten gingen, gefährden die Stabilität dieser Regionen erheblich. Die starke Aufrüstung von radikalen Gruppen, z. B. fundamentalistische Islamisten, erhöht die Wahrscheinlichkeit eines bewaffneten Konflikts und die entstehenden Schäden bei einem Konflikt dramatisch (Zahlen nach "International Institut for Strategy Studies", London, in "Allgem. Sonntagsblatt" 43/98). Die USA besitzen übrigens noch 12000 Atomwaffen, 65 davon in Deutschland (ZDF "Heute" v. 8. 12. 98).
      Auch die Kapitalvernichtung durch Kriege- so grotesk sich das anhört - spielt im Hintergrund eine Rolle.

      WAS KÖNNTE ZUR LÖSUNG DER GENANNTEN PROBLEME BEITRAGEN?

      Geldknappheit hat für eine Wirtschaft noch katastrophalere Folgen als Inflation. Dies zeigte die Wirtschaftskrise 1929. Geldknappheit kann vor allem dadurch entstehen, daß Menschen viel Geld zurückhalten, d. h. als Bargeld halten, auf Girokonten belassen oder ins Ausland schaffen und auf dieser Weise unserer Wirtschaft entziehen. Bisher verhindert der Zins dieses Zurückhalten, weil bei zunehmender Geldknappheit die Zinsen steigen und es deshalb attraktiv wird, sein Geld gegen Zinsen zu verleihen, d. h. der Zins sichert den Umlauf des Geldes in der Wirtschaft.


      http://werner.stiffel.bei.t-online.de/Geld1.htm

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      #3167 von sittin bull inv 08.04.03 12:59:07 Beitrag Nr.: 9.113.186 9113186
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      @ sittin bull

      >>das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen-
      Diplomierte Volkswirte, die behaupten, der einzelne ( oder hier die Politiker ) würden Fehler machen, wenn einer Schulden macht<<

      Ich habe nirgends geschrieben, dass dies ein Fehler ist: Im Gegenteil, aus der Sicht des einzelnen ist es absolut rational. Die ggw. Handlungsweise deutscher Politker ist: Maximiere Staatsausgaben (ergo Chancen auf Wiederwahl) unter der Nebenbedingung, dass die Neuverschuldung nicht zu arg hoch ausfaellt. 100% rational.


      Und 100 % Folge unserer Zinswirtschaft

      >>Ich denke wenn Kapital sich nicht mehr dem Markt zur Verfügung stellt, weil die Rendite zu niedrig ist, ist z.B. eine Fehlallokation.<<

      Entschuldige, dass ich so auf den Details rumreite, aber die Verwendung des Wortes “zu” insbes. “zu hoch” setzt voraus, dass Du ein weisst, wie hoch es denn optimaler-weise sein sollte. Wie hoch soll die Rendite sein, und warum ist das optimal und in welchem Sinne ist es optimal. Das kannst Du nur beantworten, wenn Du hier meine “big picture” Frage beantwortest: Was ist der Zusammenhang zwischen Zinsen/Rendite und der Real-Wirtschaft.

      Das mit dem Anreiz Kapital nicht dem Prozeß zu entziehen ist schon richtig- der Zins fiunktioniert perfekt in dieser Rolle, das bestreite ich auch gar nicht-
      ihr müßt nur die negativen Effekte sehen lernen-
      und dann klappts auch mit den Nachbarn!



      >>Ungerecht ist sie allemal, aber auch ökonomisch schädlich: weil sie alle Wirtschaftsteilnehmer Jahr für Jahr mehr belastet,<<

      Das setzt voraus, dass die Ungleichverteilung jedes Jahr grosser wird und diese Ungleichverteilung schaedlich ist (aber wie???).

      Sinkende Kaufkraft allerorten, sinkende Unternehmergewinne,
      steigende Schulden und Zinslasten



      >>S.o. Sie werden es augenscheinlich aber.<<

      Die Begruendung fuer steigende Belastungen ist “sie werden es aber”. Ich glaube Du musst etwas haerter arbeiten, bis ich Dich Ernst nehme!

      Ich bin schon froh das du dich ernsthaft dmait auseinandersetzt, ohne hier ständig Nebenprobleme zu Hauptschlachtfeldern zu machen! *fg


      Im uebrigen: Du hast bis jetzt auch noch nicht bewiesen, dass Ungleichverteilung schlecht ist: Wenn mein Konsum um 1% p.a. steigt und der meines Nachbarn um 2%, dann wird unser Konsum immer ungleicher verteilt, trotzdem geht es beiden von uns immer besser.
      Wenn jemand natuerlich kommunistische Veranlagungen hat (ergo Neid), dann zaehlt nicht der eigene Konsum, sondern die Ungleichverteilung.
      Also: Was fuer Praeferenzen hast Du? Was zaehlt fuer Dich? Eigener Konsum, oder eigener Konsum relativ zu anderen?
      Und was wenn die steigende Ungleichverteilung darauf zurueckzufuehren ist, dass mein Nachbar besser ausgebildet ist? Oder haerter arbeitet? Ist das auch oekonomisch schaedlich, dass leistungsfaehigaere Leute mehr verdienen?


      Unterscheidliche Leistung muß unterschiedlich entlohnt werden, Ungleichbehandlung ist kein Problem-
      nur die durch den Zins ist es, weil sie sich verselbstständigt und wir ihr alle hinterherennen müssen.
      Leistungslose Einkommen-


      >> an Krugmann, den du ja überhaupt nicht magst- deine Antipathie zu ihm ist ja schon fast legende-
      vielleicht weil es zu sehr schmerzt, wenn es tatsächlich so sein könnte- das dein System eben doch nicht das beste ist?<<

      Erstens denke ich sehr selten an Krugmann. Akademisch gesehen ist seine Laufbahn zu ende. Er schreibt keine nennenswerte Forschung mehr. Er hat noch nie Studenten produziert. Vollkommenes intellektuelles Vakuum. Wissenschaftlich gesehen schreibt er auf dem Niveau eines Gymnasiasten. Da geistig nichts wesentliches von ihm zu erwarten ist, schaue ich doch lieber sie Simpsons oder South Park, wenn ich mich unterhalten will.


      Nun ja, das du niemanden ernst nimmst, der nicht mindestens die gleiche Ausbildung wie du genossen hast wissen wir ja schon länger.

      Wie sieht es mit der Aussage aus- die Quelle ist zwar nicht 100 %, weil ich sie minderschätze, sie sagt aber trotzdem etwas, über das man überlegen sollte?

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      #3168 von frutta 08.04.03 15:37:27 Beitrag Nr.: 9.115.189 9115189
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      @sittin_bull
      durch Zins erhöht sich die Geldmenge nicht. Sonst würde sich die Geldmenge auch erhöhen wenn Du mir für irgend eine anderen Dienst Geld gibst. Du zahlst mir für ein Darlehen 1000 € Zins, dann habe ich 1000 € mehr in der Kasse und Du hast 1000 € weniger in der Kasse. Die Geldmenge hat sich durch den Zins nicht verändert.
      Gruß frutta

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      #3169 von sittin bull inv 08.04.03 15:43:24 Beitrag Nr.: 9.115.250 9115250
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      Falsch.

      Vielleicht hilft dir eine Fabel!



      Das elfte Lederstück
      Es war einmal ein kleines Dorf im australischen Busch. Dort bezahlten die Menschen alles mit Naturalien. An jedem Markttag spazierten sie mit Hühnern, Eiern, Schinkenkeulen und Broten herum und verhandelten lange miteinander über den Tausch der Güter, die sie brauchten.
      In wichtigen Zeiten im Jahr, etwa zur Ernte oder wenn jemand nach einem Unwetter seinen Stall reparieren mußte, erinnerten sich die Menschen wieder an die Tradition, einander zu helfen, die sie aus der alten Heimat mitgebracht hatten. Jeder wußte, wenn er einmal in Schwierigkeiten geraten sollte, würden die anderen ihm helfen.
      An einem Markttag tauchte ein Fremder auf. Er trug glänzende schwarze Schuhe und einen eleganten weißen Hut und beobachtete das Treiben mit einem sardonischen Lächeln. Beim Anblick eines Farmers, der verzweifelt versuchte, die sechs Hühner einzufangen, die er gegen einen großen Schinken eintauschen sollte, konnte er sich das Lachen nicht verkneifen. »Die armen Leute«, stieß er hervor, »wie primitiv sie leben.«
      Die Frau des Farmers hörte seine Worte und sprach ihn an. »Meinen Sie, Sie kämen mit den Hühnern besser zurecht?« fragte sie ihn. Mit den Hühnern nicht«, erwiderte der Fremde, »aber es gibt einen viel besseren Weg, sich den ganzen Ärger zu ersparen.« »Ach ja, und wie soll das gehen?« »Sehen Sie den Baum dort?« sagte der Fremde. »Ich gehe jetzt dorthin und warte, bis einer von euch mir eine große Kuhhaut bringt. Dann soll jede Familie zu mir kommen. Ich werde euch den besseren Weg erklären.«
      Und so geschah es. Er nahm die Kuhhaut, schnitt gleichmäßige runde Stücke davon ab und drückte auf jedes Stück einen kunstvoll gearbeiteten, hübschen kleinen Stempel. Dann gab er jeder Familie ein rundes Stück und erklärte, daß es den Wert von einem Huhn habe. »Jetzt könnt ihr mit den Lederstücken Handel treiben anstatt mit den widerspenstigen Hühnern.«
      Das leuchtete den Farmern ein. Alle waren sehr beeindruckt von dem Mann mit den glänzenden Schuhen und dem interessanten Hut. »Ach, übrigens«, meinte er noch, nachdem jede Familie ihre zehn runden Lederstücke entgegengenommen hatte, »in einem Jahr komme ich zurück und sitze wieder unter diesem Baum. Ich möchte, daß jeder von euch mir elf Stücke zurückgibt. Das elfte Stück ist ein Unterpfand der Wertschätzung für die technische Neuerung, die ich in eurem Leben eingeführt habe.«
      »Aber wo soll das elfte Stück denn herkommen?« fragte der Farmer mit den sechs Hühnern. »Das werdet ihr schon sehen«, erwiderte der Mann und lächelte beruhigend.
      Angenommen, die Bevölkerungszahl und die Produktion bleiben im folgenden Jahr genau gleich, was, glauben Sie, wird geschehen? Bedenken Sie, daß das elfte Lederstück gar nicht abgeschnitten wurde. Darum, so lautet die Schlußfolgerung, muß jede elfte Familie ihre gesamten Lederstücke verlieren, auch wenn alle gut wirtschaften, den nur so können die übrigen zehn ihr elftes Stück bekommen.
      Als das nächste Mal ein Unwetter die Ernte einer Familie bedrohte, waren die Menschen nicht so schnell bei der Hand mit dem Angebot, beim Einbringen der Ernte zu helfen. Zwar war es wirklich sehr viel bequemer, an Markttagen nur die Lederstücke auszutauschen und nicht die Hühner, aber die neue Sitte hatte die unbeabsichtigte Nebenwirkung, daß sie die traditionelle spontane Hilfsbereitschaft im Dorf hemmte. Statt dessen entwickelte das neue Geld einen systembedingten Sog zum Wettbewerb zwischen allen Beteiligten.

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      #3170 von frutta 08.04.03 15:49:03 Beitrag Nr.: 9.115.293 9115293
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      Sittin_bull
      wie kommst Du auf die Idee, daß es ohne Staatsverschuldung kein Wachstum geben könnte ? Das ist doch Unsinn. Es gibt doch ständig Produktivitätsfortschritte, die zu mehr Produktion mit weniger Arbeitszeit und anderen Kosten führt. Durch diese Produktivitätsfortschritte können höhere Löhne bezahlt werden. Dafür gibts die Gewerkschaften, daß die Arbeiter hier nicht zu kurz kommen. Die höheren Löhne führen zu mehr Ausgaben der Arbeiter. Es muß wieder inverstiert werden um die erhöhte Nachfrage zu bedienen usw. Ein Kreislauf, der jederzeit ohne Staatsverschuldung ablaufen kann.
      Gruß frutta

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      #3171 von sittin bull inv 08.04.03 15:53:13 Beitrag Nr.: 9.115.332 9115332
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      Ohne Staatsverschuldung kein Wachstum?

      Wer hat denn so etwas behauptet-
      du verdrehst hier offensichtlich etwas meine Äußerungen!


      Es heißt: Zwangsweises Wachstum, finanziert über Schulden-

      Normal hätte eine kleine Rezession alles bereinigt, Zyklen scheinen doch normal zu sein- ja warum zu Hölle macht man alles, um jedes noch so kleine Rezessiönchen zu verhindern?


      Wenn du das nicht beantworten kannst...



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      #3172 von frutta 08.04.03 16:11:46 Beitrag Nr.: 9.115.519 9115519
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      aber Wachstum erkauft auf Staatsschulden rächt sich gleich mehrfach-
      es ist logisch nicht unendlich möglich
      es bereitet einen umwelttechnische Sorgen
      wir müssen beständig mehr Geld für Wachstum ausgeben,
      wenn nicht neue Märkte erschlossen werden,
      da ansonsten das Volkseinkommen die natürliche Begrenzung aller Ausgaben darstellen muß
      wir müssen Zinsen und Zinseszinsen zahlen, meist immer eine Generation später

      das hast Du doch geschrieben. Und genau das stimmt eben nicht. Wir müssen nicht beständig mehr Geld für Wachstum ausgeben. Das Wachstum entsteht wie ich es beschrieben habe, durch Produktivitätsfortschritt. Und dafür sind keine Staatschulden notwendig.
      Ich habe übrigens in einem früheren Posting ausdrücklich dafür plädiert, den kleinen Rezessionen (alle 4 Jahre) ihren Lauf zu lassen, weil sonst eines Tages eine große kommt. An diesem Punkt sind wir jetzt. Wenn man solche Fehler macht, muß man das ausbaden. Ursache ist nicht das Geldsystem, sondern politische Fehlleistungen.
      Gruß frutta

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      #3173 von frutta 08.04.03 16:32:15 Beitrag Nr.: 9.115.735 9115735
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      jetzt zu Deinem Lederdieb.

      derjenige, der ihm die Kuhhaut gegeben hat, würde die Kuhhaut in unserem Geldsystem nicht umsonst geben, sondern er würde den entsprechenden Gegenwert verlangen, nämlich 10 Hühner. Diese 10 Hühner könnte sich der fremde Mann bei den Hühnerfängern kaufen, indem er jedem 1/10 Stück der Kuhhaut gibt. Das Ergebnis wäre:
      1.Der Verkäufer der ganzen Kuhhaut hat 10 Hühner
      2.Die 10 Hühnerverkäufer haben jeder 1/10 Stück der Kuhhaut
      3.Der fremde Mann hat überhaupt nichts.

      Diese Fabel unterstellt, daß der Eigentümer der Kuhhaut,dem fremden Mann die Kuhhaut schenkt. Das kommt im wirklichen Leben nicht vor. Ein Kredit kommt in der richtigen Fabel gar nicht vor. Das Münzgeld aus Gold oder Silber hatte ja einen realen Warenwert, wie die Kuhhaut in der Fabel. Der Fürst der das Geld ausgab, mußte zuerst Gold kaufen, es in einer Münzerei gegen Bezahlung prägen lassen und dann konnte er es in Umlauf bringen. Niemand hat ihm Gold geschenkt oder umsonst geprägt, wie in Deiner Kuhhautfabel.

      Gruß frutta
      Avatar
      schrieb am 12.04.03 22:06:11
      Beitrag Nr. 96 ()
      #3174 von frutta 08.04.03 16:47:30 Beitrag Nr.: 9.115.878 9115878
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      noch etwas:

      Du unterstellst, daß in unserem Geldsystem Geld zurückbehalten wird. Es gibt dafür ein einfaches Wort, man spart. Meist wird für irgend etwas bestimmtes gespart. Für ein Hausbau, ein Autokauf, oder einfach fürs Alter. Dieses Geld wird aber nicht im Kopfkissen versteckt, sonder man bringst zur Bank. Dieses Geld ist also ebenfalls ständig im Umlauf. Es gibt kein zurückbehaltenes Geld. Höchstens eine alte Oma, die der Bank nicht traut. Wenn das Vertrauen in das Geld verloren geht, gibt es erst Recht kein zurückbehaltenes Geld. Im Gegenteil, es will keiner mehr Geld haben und der Tauschhandel kommt zurück, trotz einer vorhandenen Währung.
      Die Freiwirtschaftler unterstellen Sachverhalte, die es nicht gibt.
      Gruß frutta


      *********************************************************
      #3175 von frutta 08.04.03 16:55:03 Beitrag Nr.: 9.115.959 9115959
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      zum Schluß noch zu der Behauptung, daß in jeder Ware ein Zinsanteil von 40 % enthalten sei. Es wird immer mehr. Durch Wiederholung wird es nicht wahrer. Das ist eine frei erfundene Zahl, die völlig falsch ist.
      Gruß frutta

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      #3176 von helmut_kohl 08.04.03 17:19:27 Beitrag Nr.: 9.116.238 9116238
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      @ sittin

      Das elfte Lederstück

      Das ist alles sehr interessant, aber so wie in der Fabel funktioniert unser Geld nicht. Wenn ein Lederstueck einem Huhn entspricht, dann wuerde der gute Mann mit den blanken Schuhen (alias Zentralbank) nicht die Lederstuecke an die Leute ohne Gegenwert verteilen. Er wuerde die Huehner als Reserve (Federal Reserve Bank !!!!) einbehalten. Dann entspricht ein Lederstueck einem Huhn, und jeder, der ein Huhn hinterlegt, bekommt ein Lederstueck.
      Nach einem Jahr schulden die Geld-Halter der Zentralbank gar nichts. Die Zentralbank hat ja ein Jahr lang Huehner halten koennen, ohne dafuer Zinsen zu bezahlen. Die Eier, die die Huehner ein Jahr lang gelegt haben, nennt man Seignorage = Zentralbank-Gewinn.
      Der Denkfehler in der Fabel (und bei den Freigeld-Chaoten allgemein) ist, dass sie ein grundlegendes Konzept der Oekonomie nicht verstehen: opportunity cost. Opportunitaetskosten sind hier die entgangenen Profite (Eier) der Geldhaltung. Durch Geldhaltung entgeht mir der Gewinn, den ich ansonsten durch Huehnerhaltung erwirtschaften koennte. Das sind Kosten, die aber nicht als Cash-Flow auftauchen. Wenn die Freigeld-Chaoten das trotzdem tun, dann wuerden sie die Kosten zweimal (und das ist einmal zuviel) verbuchen: Einmal als opportunity cost, einmal als cash flow.

      Und wieder einen Freigeld-denkfehler aufgedeckt!

      Nun ja, das du niemanden ernst nimmst, der nicht mindestens die gleiche Ausbildung wie du genossen hast wissen wir ja schon länger.

      Krugmann hat die gleiche Art von Bildung wie ich genossen, aber das ist ja das traurige: Wenn er davon mal was anwenden wuerde, dann wuerde er nicht einen solchen Nonsens schreiben.

      Ein erfolgversprechender Weg zur Verringerung der Arbeitslosigkeit ist sicherlich die Reduzierung der Arbeitszeit, um die vorhandene Arbeit auf mehr Personen zu verteilen

      Der gleiche Denkfehler, wie schon so oft. Es gibt nicht eine fixe Menge von Arbeit. Z.B. ist die labor force participation rate fuer Frauen von 1948-2003 von 30% auf 60% gestriegen. Sind die jetzt alle arbeitslos? Nein! Frauen erhalten Einkommen, generieren Nachfrage und natuerlich Jobs.

      Unterscheidliche Leistung muß unterschiedlich entlohnt werden, Ungleichbehandlung ist kein Problem-

      Ahhhhh!!! Danke!!!

      nur die durch den Zins ist es, weil sie sich verselbstständigt und wir ihr alle hinterherennen müssen. Leistungslose Einkommen-

      Ich sehe immer noch nicht wie sie sich verselbstaendigt, weil die Freiwirte mir immer noch die Erkaerung schuldig sind, wie und warum die Zinsen zu einer Dynamik fuehren. Die Fabel mit den Lederstuecken, in der Kosten zweimal gebucht werden, zaehlt ja nun offensichtlich nicht.
      Leistungslos sind die Einkommen auch nicht, weil verzinsliches Vermoegen (nach einigen Stationen im Bankensystem) immer den Weg ins productive Kapital findet. Und dort werden dank Kapital Arbeitsplaetze geschaffen.


      @ frutta

      mein Beispiel mit dem Baggerfahrer ist zu einfach. Aber ich glaube nicht, daß der von Dir beschriebene Effekt, alle 29 wegrationalisierten aus meinem Beispiel auffängt.

      1: Der Fortschritt passiert nicht von heute auf morgen, sondern %-weise jedes Jahr ein bisschen. 2: Du machst immer noch den gleichen Fehler wie vorher. Es gibt unendlich viel potentielle Arbeit. Mit dem Bagger wird es billiger zu bauen, mehr Leute koennen sich ein Haus leisten, und es gibt mehr Nachfrage nach Haeusern. Frag mal andersrum: Angenommen wir geben den Leuten Loeffel, anstatt Schaufeln. Dann brauchen wir nicht 30, sondern 3000 Leute um die Grube auszuheben. Toll! Jede Menge Arbeit, aber niemand kann sich mehr den Hausbau leisten. Oekonomisch gesehen sind 30 Baggerfahrer besser als 3000 arbeitslose Loeffel-Bauarbeiter.

      Dazu kommt, daß die Art der neuen Jobs oft nicht zu der Qualikation der freigesetzten passt.

      Dazu kommt hauptsaechlich die Starrheit unseres Arbeitsmarktes und Protektionismus. Keine Industrie wird von heute auf morgen obsolet. Aber wenn Politker seit Jahrzehnten den dt. Schiffbau, Kohlebergbau usw. kuenstlich am Leben erhalten, dann haben wir in der Tat hundert-tausende von Arbeitern, die in unbrauchbaren Industrien arbeiten und zu nichts anderem zu gebrauchen sind. Es ist ein Verbrechen an der Wirtschaft, wenn in den letzten 20 Jahren noch junge Leute als “Kumpels” auf der Zeche angefangen haben.

      zum Schluß noch zu der Behauptung, daß in jeder Ware ein Zinsanteil von 40 % enthalten sei. Es wird immer mehr. Durch Wiederholung wird es nicht wahrer. Das ist eine frei erfundene Zahl, die völlig falsch ist.

      20-30% ist so ungefaehr richtig. Aber Dumusst bedenken, dass die Freiwirte hier ihr eigenes “funny accounting” betreiben. Einerseits behaupten sie, dass Zinsen den Unternehmensgewinnen etwas wegnehmen, andererseits rechnen sie beim o.g. Zinsanteil die Unternehmensgewinne mit hinein. Das ist einerseits natuerlich vernuenftig, denn corporate profits sind Verzinsung von Eigenkapital, aber leider inconsistent, wenn behauptet wird, dass Zinsen die Gewinne schmaelern: Gewinne sind in den 30% schon enthalten.

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      #3177 von Punk24 08.04.03 17:21:27 Beitrag Nr.: 9.116.256 9116256
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      @ frutta:

      Produktivität ist aus thermodynamischen Gründen nicht unendlich steigerbar

      Geld ist im Grunde ein Tauschwert für Waren und Dienstleistungen. Ohne diesen Gegenwert ist Geld nichts weiter, als bedrucktes Papier. Nun vermehrt sich Geld durch Zinsen.
      Auch Zinsen an sich stellen kein Problem dar, wenn der entsprechende Gegenwert vorhanden ist. Da Zinsen aber exponentiell steigen, besteht auch ein dauerhafter Zwang zum Wirtschaftswachstum (sonst platzt die Blase noch schneller). Die Wirtschaft kann aber nicht dauerhaft und damit exponentiell wachsen, da Energie und sonst. Resourcen beschränkt sind. (Der menschliche Verstand auch, wenn er das Gegenteil behauptet).

      Ein Ausweg könnte die effizientere Nutzung von Energie und Rohstoffen sein, also eine Erhöhung der Produktivität. Aber auch hier sind theoretische und praktische Grenzen gesetzt. Die Wirtschaft ist im Grunde ein thermodynamisches System (u.a. weil auch die an ihr beteiligten Teilsysteme wie Menschen und Maschinen thermodynamische Systeme sind). Man steckt Energie und Rohstoffe rein (input) und erhält am Ende ein Produkt oder eine Dienstleistung (output). Eine einfache aber korrekte Definition für die Produktivität ist:

      P= output/input

      Man kann also im Einklang mit dem Energieerhaltungssatz nicht mehr rausbekommen, als man reingesteckt hat. Die maximale Produktivität kann also bei 100% (oder dezimal ausgedrückt 1) liegen. Dieser Wert wird aber in der Praxis nicht erreicht, da es keine völlig reibungsfreien Maschinen und Arbeitsabläufe gibt. Es geht also immer Energie in Form von Wärme verloren (Der Mensch schwitzt und die Maschine oder der Computer stahlt Wärme ab).

      Aber auch eine Erhöhung der Energiezufuhr kann nicht beliebig vorgenommen werden. Es gilt nämlich für ein thermodynamisches System folgender Zusammenhang

      1 = 1 - (T2:T1)

      Das ist die Formel für den Wirkungsgrad (Carnot Formel):. T2 ist die bei Verrichtung der Arbeit abgeführte Wärme (oder Energie), die nicht in das Produkt einfließt. T1 ist die eingesetzte Energie zu Beginn des Prozesses. Dieser Zusammenhang verdeutlicht, dass auch bei einer Erhöhung der Eingangsenergie T1 der Wirkungsgrad 1 niemals erreicht werden kann, da T2 immer < T1 sein muss, weil folgender Zusammenhang gilt: T1=T2-verrichteter Arbeit.

      Für Produktions- und Dienstleistungsprozesse bedeutet dies allerdings auch, dass eine Erhöhung der Produktivität mit immer höherer Energiezufuhr erkauft werden muss, je näher ich mich der max. Produktivität von 100% nähere.

      Dieser Exkurs zeigt, dass Wirtschaft nicht unendlich und damit exponentiell wachsen kann und auch eine effizientere Nutzung von Energie und Rohstoffen aus thermodynamischen Gründen schnell an ihre Grenzen stößt. Da ein auf Zinsen basierendes Wirtschaftssystem genau dies verlangt, ist es nach einer gewissen Zeit zum Untergang verurteilt.

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      #3178 von Punk24 08.04.03 17:29:37 Beitrag Nr.: 9.116.336 9116336
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      uuuups kleiner Fehler...nicht die Zinsen steigen exponentiell, sondern das Geld durch die Zinsen

      Wer ohne Fehl ist, der werfe den ersten Stein (Jesus Christus)

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      #3179 von frutta 08.04.03 19:57:13 Beitrag Nr.: 9.117.743 9117743
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      @punkt24
      das ist der springende Punkt. Geld vermehrt sich eben nicht durch Zinsen. Die eine Seite bekommt Zinsen und die andere Seite bezahlt die Zinsen. Beim Zahler ist weniger Geld und beim Empfänger ist mehr Geld. Die Summe des Geldes ändert sich nicht. Da vermehrt sich überhaupt nichts.
      Gruß frutta

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      #3180 von helmut_kohl 08.04.03 21:31:16 Beitrag Nr.: 9.119.023 9119023
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      @ Punk24

      Produktivität ist aus thermodynamischen Gründen nicht unendlich steigerbar

      Erstens, verlangt auch keiner, dass Produktivitaet unendlich lange steigen muss. Nur die Freiwirte glauben, dass unser Geldsystem unendlich langes exponentiellem Wachstum benoetigt. Das hat man mir bis aber noch nicht beweisen koennen, und deshalb ist die ganze Freiwirt-Meschpoke auch eher eine Glaubensgemeinschaft, als eine Wissenschaft. Das wirst Du als wissenschaftlich vorbelasteter Mensch sicherlich genauso sehen. Unser Geld-/Wirtschafts-System ist auch mit Null-Produktivitaets- und Wirstschafts-Wachstum moeglich.
      Zweitens, Deine Thermodynamik-Kenntnisse in Ehren, aber Du verstehst leider nicht was Produktivitaet ist. Es geht nicht um Wirkungsgrad, GDP wird nicht in Joule gemessen, genausowenig wie der Input in Joule gemessen. Der Input wird in Stunden Arbeit gemessen, der Output in Dollar. Sicherlich gibt es eine absolute Obergrenze fuer Produktivitaet. Aber diese Obergrenze ist leider nicht so trivial wie in Deinem Beispiel Output/input <= 1, weil hier Input und output zwei ganz verschiedene Dinge sind!


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      #3181 von sittin bull inv 08.04.03 22:00:17 Beitrag Nr.: 9.119.426 9119426
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      wir glauben nicht, wir fügen Puzzleteile und Indizien zusammen-

      die herkömmliche Wissenschaft kennt dagegen nur Scheuklappen.

      Warum das so ist kann man sogar noch erklären...

      @ Helmut:

      Hier hat schon mal jemandes kurz erklärt...

      lies´ doch einfach mal die Schriften von Prof. Dr. Suhr, die sich an Wissenschaftler und nicht an interessierte Laien wenden. Und wenn Dir das auch noch nicht wissenschaftlich genug ist, so empfehle ich Dir das Werk von Prof. Dr. Huth: "Die Goldene Regel als Wettbewerbsgleichgewicht. Ein Versuch über Keynes." (http://www.amazon.de/exec/obidos/tg/stores/detail/-/books/34… Übrigens: Der eigentliche Kern der Freiwirtschaftstheorie ist folgender: Während nach der ganz herrschenden Lehre (und dem Marxismus!) der Zins des Realkapitals einen bestimmenden Einfluß auf den Zins des Geldes ausübt, behauptet die Freiwirtschafttheorie das Gegenteil: Der Geldzins setzt (wegen des sog. Urzinses (Gesell) bzw. der sog. Liquiditätsprämie (Keynes)) den Standard für den Zins des Realkapitals. Im gegenwärtigen System, d.h. ohne die von den Freiwirtschaftlern geforderten künstlichen Durchhaltekosten für Geld, bedeutet dies: Wenn eine Investition nicht mindestens den Urzins abwirft, unterbleibt die Investition. Das Realkapital muß daher zwangsläufig (!) knapp bleiben; es wird daher stets einen Zins abwerfen. Es liegt also ein Marktversagen vor, das wir beseitigen wollen.

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      #3182 von sittin bull inv 08.04.03 22:05:10 Beitrag Nr.: 9.119.478 9119478
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      Sent: Thursday, January 02, 2003 4:57 PM
      Subject: ist der zins ein problem??

      liebe leute,

      das stimmt, die attac-geld-liste ist unterfrequentiert. als heftig an der zinsproblematik interessierter hab ich allerdings einige probleme mit der argumentationsweise der zinskritiker, anbei einige thesen, an denen ich festhänge:

      a) der zins kommt nicht aus dem geldsystem, sondern sehr überwiegend aus dem wirtschaftssystem. das erkennt man am deutlichsten, wenn man sich zeiten anguckt, in denen zinsen verboten waren. dann wurde das kind halt anders genannt, etwa "gewinnbeteiligung".

      b) wenn eine bank kredit vergibt, so will sie mehr zurück, um ausfälle, bearbeitung, etc.. zu finanzieren, gewinne zu machen. das steckt im zins alles mit drinnen. nullzins ist unter marktbedingungen nicht machbar, da die zukunft unsicher ist. setzt man nullzins trotzdem durch und etabliert einen mechanismus, der die kreditwünsche überprüft UND dieser den wahrscheinlich profitabelsten investoren gewährt, so ändert man überhaupt nix, ausser, dass einkommensflüsse weniger stark auf vermögensbesitzer hin konzentriert werden.

      c) setzt man vernünftige vermögens- und erbschaftssteuern durch (was sogar in den usa in erheblichem größerem umfang als in deutschland stattfindet), so ist die verteilungswirkung des geldsystems wurscht. in den usa besteht exakt dasselbe geldsystem wie in deutschland, trotzdem ist die vermögensverteilung um viele größenordnungen perverser als in deutschland - also kann das nicht am geldsystem liegen.

      d) die wachstumsdynamik unseres wirtschaftssystems rührt von der innovativität der wirtschaftssubjekte her. seit anbegin der industriellen revolution haben wir ein pro-kopf-wachstum von ca. 1.8 %, was auf sehr, sehr viele ursachen zurückgeht (stichwort "totale faktorproduktivität". das finanzsystem ist ein koordinationsmechanismus, um potentielle investitionen auch zu finanzieren.

      e) ich behaupte: die exponentielle entwicklungsdynamik würde durch ein alternatives geldsystem nicht verändert. das wesensmerkmal jeder exponentiellen dynamik ist, dass der Zugewinn proportional zum schon vorhandenen ist. wenn keine sättigungsdynamik vorhanden ist, geht`s ungebremst weiter. z.b.: es kann um so mehr wissen zusätzlich geschaffen werden, auf je mehr wissen es basieren kann. es kann um so mehr investiert werden, je mehr substanz bereits vorhanden ist [und eben nicht: je mehr geld bereits vorhanden ist].

      f) wenn man bedenkt, dass investitionen heute zinsen kosten und in einem anderen geldsystem diese evt. billiger sind, so wird mehr investiert, womit wahrscheinlich das wirtschaftswachstum auch ansteigt.

      g) es gibt keinen direkten wachstumszwang aus dem finanzsystem, ein unternehmen geht freiwillig kreditverpflichtungen ein. problematisch wird es, wenn akteure mit dem rücken zur wand stehen ("überschuldung", z.b. der entwicklungsländer, auch von industriestaaten - und es KEINE insolvenzverfahren gibt). wachstumszwänge resultieren viel eher aus dem konkurrenzmechanismus, welcher durch shareholder-value-denken völlig pervertiert wird.

      gruss,


      --------------------------------------------------------------------------------
      Monday 13.January 2003, 23:23
      Wolfgang Roehrig (roehrig@geldreform.de):

      Eine Erwiderung von Helmut Creutz zu den vorgenannten Thesen:

      ----------------------------

      Liebe Runde,

      leider habe ich keine Zeit auf alle 17 (inzwischen etwas verwirrende) Textseiten einzugehen, kann mir aber einige Anmerkungen nicht verkneifen.

      Zu a) Herkunft des Zinses:

      Der Zins kommt aus der Überlegenheit des Geldes und überträgt sich auf alle Wirtschaftsgüter, die mit Hilfe dieses Geldes finanziert wurden. Im Gegensatz zu den Knappheitsgewinnen bei Produkten, die mit der Marktsättigung im Wettbewerb gegen null gehen, kann das Geld das marktgerechte Absinken der Zinsen durch künstliche Verknappung verhindern. Ähnlich wie beim Boden, handelt es sich beim Zins also um ein Grundmonopol.

      Zu b) "Zins ist unter Marktbedingungen nicht machbar":

      Doch! - Dann nämlich, wenn die Zinspreisbildung nicht mehr durch marktwidrige Verknappung unterlaufen werden kann und sich damit Kreditangebot und -nachfrage auch bei sinkenden Zinsen ausgleichen können! Dass der Aufschlag auf die Zinsen, die Bankmarge für Vermittlungsaufwand und Risiko, auch bei Nullzins weiterhin bestehen bleibt, ist selbstverständlich.

      Zu c) Problemlösung durch Steuern

      ist ein Kurieren an Symptomen, das gegen die Zins-Wucherungen so wenig nützt wie die Behandlung der Metastasen bei einem richtigen Krebs. Im übrigen wird auch in den USA mit den Steuern nur ein Bruchteil der Zinszuwächse abgeschöpft. Dass dort die Vermögensverteilung noch perverser als bei uns ist, ist auf die längere Laufzeit des Systems zurück zu führen.

      Zu d) Ursachen der Wachstumsdynamik

      sind zweifellos auch Innovativität und Bedarf. Das daraus entstehende Wachstum ist aber von jenem zu unterscheiden, dass über die Zinsbedienung der im Übermaß wachsenden Geldvermögen und Schulden erzwungen und mit Hilfe immer größerer Werbeorgien durchgesetzt werden muss, wenn der soziale Friede noch für eine Weile gerettet werden soll.

      Zu e) "Alternatives Geldsystem ändert nichts an Zinsdynamik":

      Wenn bei gesättigten Märkten der Knappheitsgewinn Zins genau so wie die Knappheitsgewinne auf den Gütermärkten gegen null heruntergeht, ist die Zinsdynamik verpufft. Sie lebt allenfalls vorübergehend wieder auf, wenn die Nachfrage nach Krediten das Angebot zwischenzeitlich übersteigt.

      Zu f) "Mit niedrigeren Zinsen wird noch mehr investiert":

      Wenn mehr investiert wird, können die Zinsen gar nicht sinken! Deswegen können sie auch nur in gesättigten Wirtschaftsbereichen gegen null herunter gehen! Entscheidend ist, dass mit marktgerecht sinkenden Zinsen der Zwang zum Wachstum nachlässt! Und dass das Wachstum selbst bei Nullzins stagnieren kann, erleben wir seit Jahren in Japan.

      Zu g) "Es gibt keinen direkten Wachstumszwang aus dem Finanzsystem":

      Wenn bei einem Einzelhaushalt, Einzelunternehmen oder einem einzelnen öffentlichen Haushalt die Schulden und damit die Zinslasten schneller steigen als die Leistung und das Einkommen, dann hilft nur Gütel-enger-Schnallen oder mehr Arbeitenl und mehr Geld verdienen, also Wachstum. Das gleiche gilt auch für ein eine Gesamtwirtschaft in der die Schulden, Geldvermögen und Zinsströme rascher zunehmen als die Wirtschaftsleistung.

      Da ich gerade einige Zahlen zur Hand habe, dazu ein paar konkrete Beispiele:

      Von 1991 bis 2001 ist das BIP um 37% gestiegen, die Bruttolöhne aber nur um 29 und die Nettogrößen sogar nur um 23%. Die Geldvermögen aber legten um 100 und die Zinsaufwendungen der Banken um 95% zu.

      Und das Ganze in absoluten Zahlen: Anstieg der Nettolöhne und -gehälter in den zehn Jahren von 481 auf 590 = 109 Mrd Euro, Anstieg der Zinsaufwendungen der Banken (= Zinseinkommen der Geldgeber) von 155 auf 303 = 148 Mrd Euro (womit sich der Rückfall der Lohngrößen bereits weitgehend erklären lässt!). Und während diese Zinseinkommen 1970 noch bei15% der Nettolohngrößen lagen, hatten sie 2001 bereits 51% erreicht. Die Bankzinserträge (= Zinslasten der Wirtschaft) lagen 2001 mit 382 Mrd Euro sogar bei 65% der Nettlohneinkommen und gemessen am Steueraufkommen sogar 80%!

      Und noch eine Bemerkung zu Samirah:

      Bitte zwischen den Krediten der Notenbanken (die der Geldversorgung der Wirtschaft dienen und mit denen bei Bedarf Geld geschöpft wird) und den Krediten der Banken unterscheiden (mit denen die Ersparnisse in den Wirtschaftskreislauf zurückgeschleust werden und bei denen sich nicht das Geld, sondern nur die Guthaben-Schuldenbeziehungen vermehren!). Würde die Geldmenge mit den Bankkrediten steigen, hätten wir längst eine galoppierende Inflation. Außerdem brauchten sich die USA und andere Staaten nicht das Geld im Ausland zu leihen, sondern könnten es sich von ihren Banken schöpfen lassen! - (Mehr dazu im Geld-Syndrom und noch ausführlicher in der Zeitschrift für Sozialökonomie Nr.108)

      Gruß an alle,

      Helmut Creutz
      Avatar
      schrieb am 12.04.03 22:09:15
      Beitrag Nr. 97 ()
      #3183 von sittin bull inv 08.04.03 22:08:45 Beitrag Nr.: 9.119.506 9119506
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      Die moralische Verdammung des Zinses durch die Jahrhunderte beantwortet freilich nicht die Frage, warum es den Zins überhaupt gibt, sondern fordert sie gerade heraus. Warum muss man mehr Geld zurückzahlen, als man bekommen hat, obwohl Geld nicht abgenutzt wird?

      Die Frage geht an Hans-Christoph Binswanger, einem emeritierten Professor für Volkswirtschaft an der Universität St. Gallen. Der Mann hat ein Buch über Zins und Gewinn verfasst (Geld und Wachstum) und kann die einzelnen Theorien, die sich um das Phänomen Zins ranken, schnell runterbeten, allerdings nicht, ohne auch gleichzeitig in ihre Kritik einzusteigen.

      Für die Klassiker, wie Adam Smith, ist der Zins ein Teil des Profits, den der Schuldner mithilfe von Produktionsmitteln erworben hatte, die durch Kredite finanziert worden waren. Dieser stand nun dem Gläubiger zu. Klingt plausibel und auch Binswanger sagt diese Theorie noch am ehesten zu. Ihr Schönheitsfehler jedoch: Auch derjenige Schuldner hat Zinsen zu entrichten, der keinen Gewinn macht.

      Die Neoklassiker wollen den Entleiher belohnen, der auf seinen gegenwärtigen Konsum zugunsten des Schuldners verzichtet. „Man kann aber auch aus anderen Gründen auf Konsum verzichten als nur wegen Zinsen“, sagt Binswanger, „zum Beispiel, um fürs Alter zu sparen.“

      Also, zur Seite damit, und das Blickfeld frei für John Maynard Keynes. Der US-Ökonom spricht von Zins als Liquiditätsprämie, die Menschen für die Annehmlichkeit und Sicherheit, die Geld bietet, zu zahlen bereit seien. Geben sie diese Annehmlichkeit auf, verlangen sie nach einer Belohnung – dem Zins. Binswanger freilich überzeugt der Grundgedanke, wonach es eine Prämie für gehaltenes Geld gäbe, nicht: „Wegen der Tatsache allein, dass ich Geld nur halte, kriege ich noch gar nichts.“

      Ernüchterndes Ergebnis der Nachfrage: Ökonomen können die Höhe von Zinsen zwar recht einfach berechnen, indem sie einem vom Schuldner abhängigen Risikozuschlag zur Inflation addieren, die sie für die Dauer des Darlehens erwarten. Aber, so Binswanger: „Die Frage, warum es Zinsen gibt, hat die Ökonomie bis heute nicht gelöst. Dies ist eine moralische Frage, die der Ökonom nicht los wird.“ Womit wir beim Anfang wären.

      (c) DIE ZEIT 06/2003

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      #3184 von Punk24 08.04.03 22:31:07 Beitrag Nr.: 9.119.704 9119704
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      @

      ich schätze die Qualität deiner Beiträge, auch wenn ich meist anderer meinung bin .

      Pflücken wir das Ganze mal auseinander:
      "Unser Geld-/Wirtschafts-System ist auch mit Null-Produktivitaets- und Wirstschafts-Wachstum moeglich.
      "

      Ach ja??? Und warum bricht das Weltwirtschaftssystem nach zwei jahren gering- bzw. nullwachstum auseinander? Weil Geld ohne den Gegenwert in Produkten und Dienstleistungen nichts weiter als bedrucktes Papier ist...oder wertloser Zahlenmüll auf einem Kontoauszug.

      "Deine Thermodynamik-Kenntnisse in Ehren, aber Du verstehst leider nicht was Produktivitaet ist. Es geht nicht um Wirkungsgrad, GDP wird nicht in Joule gemessen, genausowenig wie der Input in Joule gemessen. Der Input wird in Stunden Arbeit gemessen, der Output in Dollar."

      Wie soll man in- und output denn sonst messen, wenn nicht in Energieeinheiten? Es ist ein Kardinalfehler vieler Wirtschaftswissenschaftler, dass sie meinen, den Energieerhaltungssatz ignorieren zu können. glaub es mir einfach, es gibt kein System, bei dem man am Ende mehr rausbekommt, als man eingesetzt hat. Gewinne sind letztlich nur auf kosten von Verlusten anderer möglich.


      "und deshalb ist die ganze Freiwirt-Meschpoke auch eher eine Glaubensgemeinschaft, als eine Wissenschaft"
      Ich denke, der volkswirtschaftliche Mainstream hat oft eher einen religiösen Charakter

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      #3185 von Punk24 08.04.03 22:41:53 Beitrag Nr.: 9.119.781 9119781
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      noch was helmut, wo wir gerade bei denkfehlern sind:

      sbi:"Ein erfolgversprechender Weg zur Verringerung der Arbeitslosigkeit ist sicherlich die Reduzierung der Arbeitszeit, um die vorhandene Arbeit auf mehr Personen zu verteilen"

      "helmut kohl: Der gleiche Denkfehler, wie schon so oft. Es gibt nicht eine fixe Menge von Arbeit. Z.B. ist die labor force participation rate fuer Frauen von 1948-2003 von 30% auf 60% gestriegen. Sind die jetzt alle arbeitslos? Nein! Frauen erhalten Einkommen, generieren Nachfrage und natuerlich Jobs."

      Richtig ist zunächst, dass die Menge an Arbeit keine fixe Größe ist. Sie steigt durch Wirtschaftswachstum, sinkt aber gleichzeitig durch steigende Produktivität. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt, dass letzterer Effekt bei weitem überwiegt. Das ist ja auch grundsätzlich nichts Schlechtes, wenn diese Produktivitätssteigerung dann in Form von Arbeitszeitverkürzung an die Beschäftigten weitergegeben wird. Dies findet aber nicht statt. Im Gegenteil, einer Rekordzahl an Überstunden steht eine Rekordzahl an Arbeitslosen gegenüber.

      Dann wird von einigen Fachleuten noch eine Arbeitszeitverlängerung gefordert. In einem anderen Schräd habe ich mal aufgezeigt, dass eine Arbeitszeitverlängerung auf 40 Stunden bei gleicher Produktionsmenge rechnerisch rund 2 Mill. Arbeitsplätze überflüssig macht. Durch Erhöhung der Produktionsmenge werden natürlich bei einer Arbeitszeitverlängerung die Produkte billiger. Wenn aber alle dies so machen gleicht sich das wieder aus und keiner hat einen Vorteil, ausser dass dass wir jetzt 2 Mill. Arbeitslose mehr haben.


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      #3186 von helmut_kohl 08.04.03 23:28:31 Beitrag Nr.: 9.120.189 9120189
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      @ sittin bull inv

      Zu den Ausfuehrungen von Creutz ist zu sagen: Daraus kann ich nicht entnehmen warum der Zins Null sein soll, weil ich immer noch nicht sehe wie sich in Creutz’ Welt Zinsen auf reale Wirtschaft auswirken. Wir sind demnach in Sachen Mechanismus von Geldzins in Richtung Reale Wirtschaft immernoch am “square one”. Oder square zero.

      Ich weiss nicht von wem folgendes Zitat kommt. Ist es von Dir?

      Das Realkapital muß daher zwangsläufig (!) knapp bleiben; es wird daher stets einen Zins abwerfen. Es liegt also ein Marktversagen vor, das wir beseitigen wollen.

      Wer auch immer das geschrieben hat, weiss anscheinend nicht, dass alle Gueter knapp sind. Die Frage ist also nicht, ob Kapital knapp sein soll, sondern wie knapp es sein soll. Kanppheit ist kein Marktversagen. Knappheit ist der Grund warum es Maerkte gibt.
      Bei der Frage wie knapp Kapital sein soll, brauchen wir wieder eine Theorie wie sich Zinsen auf Reale Wirtschaft auswirken. Hat mir bis jetzt noch niemand geliefert.

      Der einzige, der ein epsilon an Wirtschaftsverstand hat, ist anscheinend Prof. Huth. Er hat wenigstens die einschlaegige Literatur gelesen. Er hat sie nicht verstanden, aber er hat sie wenigstens gelesen. Sein Buch werde ich mir nicht antun, aber mein websearch hat folgende Seite geliefert:
      http://www.systemfehler.de/huth.htm
      Er hat also Ramsey (1920) gelesen, und weiss wie das neoklassische Wachstumsmodell (NKWM) funktioniert. Auch wenn er schreibt:
      Fährt man schweres mathematisches Geschütz [...] auf,
      Was er schweres Geschuetz nennt, ist ziemlich triviale Mathematik. Lernt man im ersten Semester, aber ist immer wieder schoen zu sehen, dass ein FH-Professor mit sowas schon ueberfordert ist. Wie auch immer, er hat leider nicht verstanden worum es geht. Denn er schreibt:
      Ein (normatives) Theorem der theoretischen Volkswirtschaftslehre sagt aus, dass der Pro-Kopf-Konsum in einer wachsenden Volkswirtschaft maximal sein wird, wenn der Realzinssatz ebenso hoch wie die Wachstumsrate ist. Aber sowohl die existierenden neoklassischen, postkeynesianischen oder auch marxistischen Wirtschaftstheorien kommen zu dem Ergebnis, dass der Zinssatz immer höher als die Wachstumsrate sein wird.
      Das begruendet seiner Meinung nach eine Fehlleistung fuer die Neoklassiker, weil das NKWM die golden rule verletzt. Wenn er etwas ueber intertemporale Optimierungsmethoden wuesste (was nicht der Fall ist, weil er ja offensichtlich keine Ahnung von Mathematik hat), dann wuesste er, dass die golden rule Sparraten im NKWM sub-optimal sind. Das liegt daran, dass fuer jede Ausgangssituation der Konsum nach Golden Rule zwar langfristig hoeher waere, aber fuer Jahre (wenn nicht gar Generationen) lang waere er niedriger als das NKWM generieren wuerde. Deshalb ist golden rule sub-optimal, und die Tatsache, dass NKWM positive Zinsen generiert, ist ein natuerliches, optimales und rationales Ereignis.
      Daraus kann man weder eine Fehlleistung des NKWM noch die Notwendigkeit fuer Null-Zinsen ableiten.


      @ Punk24

      Weisst Du, wenn Du bei uns Erwachsenen mitdiskutieren willst, dann solltest Du mal die Qualitaet Deiner Beitraege etwas verbessern.

      Wie soll man in- und output denn sonst messen, wenn nicht in Energieeinheiten?

      GDP wird in Dollar gemessen. Und das ist auch gut so. Wenn Du in Zukunft das US-Bruttosozialprodukt in Joule messen willst, dann schreibe doch ans BEA in Washington und schlage das vor. Die haben da eine eigene Abteilung, in der solche Zuschriften “bearbeitet” werden.
      Ist immer wieder interessant zu sehen, wie bei Leuten, die sonst wissenschaftlich denken, der Verstand aussetzt, wenn sie das Labor verlassen. Sag mal, wirst Du eigentlich auch in Joule bezahlt oder in Euro? Kann man in Europa auch Joule am Geldautomaten abheben? Mann, Mann, Mann. Hier ist was los. Was man so alles fuer Leute trifft in diesem Forum!

      Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt, dass letzterer Effekt bei weitem überwiegt.

      Aha! Zahlen bitte, keine uninformierten Behauptungen! Ich will Zahlen sehen bzgl. Deutsches vs. Amerikanisches WiWachstum, Produktivitaetswachstum und geschaffener Arbeitsplaetze fuer die letzten 20-30 Jahre.

      Ach ja??? Und warum bricht das Weltwirtschaftssystem nach zwei jahren gering- bzw. nullwachstum auseinander?

      Wo ist unser Wirtschaftssystem zusammengebrochen?


      ********************************************************

      #3187 von sittin bull inv 08.04.03 23:42:59 Beitrag Nr.: 9.120.264 9120264
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      Wir sind schon fast bei der Frage, was war zuerst da, Henne oder Ei.


      Ich weiss nicht von wem folgendes Zitat kommt. Ist es von Dir?

      Das Realkapital muß daher zwangsläufig (!) knapp bleiben; es wird daher stets einen Zins abwerfen. Es liegt also ein Marktversagen vor, das wir beseitigen wollen.

      Wer auch immer das geschrieben hat, weiss anscheinend nicht, dass alle Gueter knapp sind. Die Frage ist also nicht, ob Kapital knapp sein soll, sondern wie knapp es sein soll. Kanppheit ist kein Marktversagen. Knappheit ist der Grund warum es Maerkte gibt.


      Das Zitat ist nicht von mir, ich hatte absichtlich kein Verfasser angegeben- es stammt ebenfalls aus dem Systemfehler-Forum.

      Was war zuerst knapp- die Güter- oder das Kapital für die Güter?

      Beim Kapital ist es sehr einleuchtend, das es knapp ist, es hätte sonst keinen Wert-
      aber Güter sind nicht unbedingt so knapp, wie das Kapital sie macht- siehe Faktor Arbeit.

      Dann gibt es noch die Informationsgüter, die auch keinerlei Merkmale von Knappheit zeigen.


      Übrigens, kennst du die alten matriachalischen Mütterkulte?

      Die setzten nicht auf Knappheit, sondern auf Überfluss, so wie die Natur sie hervorbrachte ( gibt es ja gar nicht- so etwas- sie hörten erst auf zu existieren, als jahrhundertelange Dürren wirklich Knappheit hervorbrachten )
      ( wo ich schon mal beim Thema bin- wie viel Lebensmittel werden heute weltweit produziert, für wie viel Leute würde das reichen und viel wie Leute hungern, weil sie kein Geld zum Erwerb der Nahrungsmittel haben? )

      Lietaer dazu:

      Der erste Mensch, der damit begonnen hat, als Schutz gegen die Unwägbarkeiten der Zukunft eine Menge Güter anzuhäufen, mußte damit automatisch seinen Besitz gegen den Neid und die Bedürfnisse anderer Menschen verteidigen. Wenn eine Gesellschaft Angst vor Knappheit hat, wird sie eine Atmosphäre schaffen, in der die Ängste wohlbegründet sind. Es handelt sich hier um eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.
      Die Angst vor Mangel, die Folge unseres Geldsystems, erzeugt Gier und das Horten von Geld. Dadurch wird dem Geldkreislauf Geld entzogen, was wiederum Knappheit und somit Mangel nach sich zieht.



      http://www.holis.de

      Und was mir dazu spontan einfiel:


      Die Phönizier haben das Geld erfunden - aber warum so wenig?


      Sprichwort


      Den Rest kannst dir getrost schenken, das Problem bei euch Wissenschaftlern ist das ihr euch mittels hochtrabender Sprache von uns normalen Volk absetzen wollt-
      würdet ihr wirklich wollen, das man euch versteht könntet ihr das bestimmt auch einfacher erklären-

      so stelle ich mich mal auf deine Position: Ist ein haufen Fachchinesisch, von zweifelhafter Herkunft, erkläre das mal genauer und mit einfacheren Worten!

      Merke: Nicht der Empfänger ist zu dumm, wenn er so etwas nicht versteht, sondern der Sender, weil er es dem "dummen" Empfänger nicht begreiflich machen will/kann



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      #3188 von Punk24 09.04.03 06:30:43 Beitrag Nr.: 9.120.875 9120875
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      @ elmut Col

      Ich verwende extra so einfache formulierungen, damit auch du es verstehst

      Ich habe hier selten eine so geballte Arroganz wie in 3186 gelesen

      Wenn alle außer dir dumm und unwissend sind, was tust du dann hier ....missionarischer Eifer?

      Dollar oder Joule, ist das wirklich so ein Unterschied?

      Wirtschaftsgüter entstehen durch Einsatz und Umwandlung von Energie. Diese stellt uns die Erde in begrenztem Umfang in Form von fossilen Brennstoffen zur Verfügung. Diese Brennstoffe sind letztlich nichts anderes, als kondensierte Sonnenenergie.

      Um von der etwas "umständlichen" Tauschwirtschaft wegzukommen, haben wir irgendwann das Geld erfunden. Wir tauschen also nicht mehr Wirtschaftsgüter gegeneinander, sondern Geld gegen Wirtschaftsgüter. Geld ist somit ein Energieäquivalent. Dabei muss nicht unbedingt das energieintensivste Produkt auch das teuerste sein. Angebot und Nachfrage lassen durchaus Schwankungen zu. Aber in der Summe sollten sich Wirtschaftgüter und Geld schon in etwa entsprechen, sonst sind wir wieder beim bedruckten Papier .

      Wenn Geld letztlich ein Energieäquivalent ist, dann darf ich z.B. das US-BIP auch in Joule messen

      Ich bin mir bewusst, dass dies ein sehr reduktionistischer Denkansatz ist, aber er ist deswegen nicht falsch.

      du dagegen mein lieber Elmut Col verlierst dich in deinem Elfenbeinturm in Details und übersiehst grundlegende Zusammenhänge. dieses Defizit überspielst du dann mit Fachausdrücken (VWLer-Latein) um hier Eindruck zu schinden.Du negierst sogar das Offensichtliche, wie den Zusammenhang zwischen steigender Produktivität und sinkenden Arbeitsplätzen....Ist ein solches Verhalten für einen Erwachsenen angemessen


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      #3189 von sittin bull inv 09.04.03 09:26:23 Beitrag Nr.: 9.121.783 9121783
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      das mit der Information ist ein sehr anschauliches Mittel,
      wie künstlich Knappheit erzeugt wird.

      Auch wenn Information nicht wirklich ein typisches Gut ist,
      an ihr kann man die Wirkungsweise erkennen.


      Informationen sind ohne Kostenzuwachs beliebig vermehrbar,
      weil kopierbar. Theoretisch könnten sie also von jeden verbraucht werden. Schauen wir uns das mal bei Software an, z.B.

      Hier kann man gut erkennen, wozu es führt, wenn man einem Gut, welches eigentlich nicht knapp ist ( Kopieren der Software kostet nur Datenträger + Strom )
      ( jaja, die Erzeugung einer Software kostet wirklich auch Arbeitsleistung, aber eben nur einmal! )
      künstlich knapp macht- es entstehen Monopole wie bei Microsoft- die Zukunft wird noch zeigen was wir davon haben werden, beängstigend ist die Entwicklung allemal.
      Siehe neues Urheberrecht und Überlegungen zum Kopierschutz...

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      #3190 von Coubert 09.04.03 09:54:58 Beitrag Nr.: 9.122.019 9122019
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      > Siehe neues Urheberrecht ...

      Im neuen Patentrecht steht es um das "Liberale" katastrophal. Und von den Ordoliberalen erhebt kaum einer die Stimme, soweit ich weiss. Alles brave Reih`-und-Glied-Steher.



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      #3193 von frutta 09.04.03 11:23:06 Beitrag Nr.: 9.123.094 9123094
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      Eine wichtige Voraussetzung für die Theorien der Freiwirtschaftler ist doch offensichtlich die Behauptung, daß sich durch Zinsen die Geldmenge erhöht. Ich habe geschrieben, daß dies nicht zutrifft und habe es begründet. Ich würde mal gern die Begründung für Eure Behauptung lesen. Keiner hat dazu was geschrieben.
      Gruß frutta
      Avatar
      schrieb am 12.04.03 22:14:30
      Beitrag Nr. 98 ()
      #3194 von sittin bull inv 09.04.03 11:28:11 Beitrag Nr.: 9.123.151 9123151
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      weil es so hanebüchen falsch war das mir dazu nichts mehr einfiel!


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      #3195 von sittin bull inv 09.04.03 12:46:55 Beitrag Nr.: 9.124.175 9124175
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      H-K behauptet,

      Erstens, verlangt auch keiner, dass Produktivitaet unendlich lange steigen muss. Nur die Freiwirte glauben, dass unser Geldsystem unendlich langes exponentiellem Wachstum benoetigt. Das hat man mir bis aber noch nicht beweisen koennen, und deshalb ist die ganze Freiwirt-Meschpoke auch eher eine Glaubensgemeinschaft, als eine Wissenschaft. Das wirst Du als wissenschaftlich vorbelasteter Mensch sicherlich genauso sehen. Unser Geld-/Wirtschafts-System ist auch mit Null-Produktivitaets- und Wirstschafts-Wachstum moeglich.



      es sei möglich- schön das du gleich den Konjunktiv benutzt-
      möglich ist fast alles, vielleicht gibt es ja auch Außerirdische.


      Nur konkret mal wieder nix.

      Keinerlei Erklärungsansatz wie es möglich sei,
      keinerlei Erkenntnis der Probleme unseres heutigen Systems,
      über Ursache und Wirkung.

      Man könnte fast von Drogen sprechen, du schreibst wie ein Junkie, der leugnet vom Stoff abhängig zu sein,
      und sagt: Es sei doch gar kein Problem, von der Droge runterzukommen.

      Beiden ist gemeinsam die Realität bestmöglich zu verdrängen, ohne Erkenntnis einer Abhängigkeit gibt es kein Problembewußtsein und ergo auch gar kein Problem.
      Alles supi! Richtig!
      Beiden gemeinsam ist zudem noch das unklare Wie- selbst wenn man Probleme erkennen sollte, ist die Therapie höchstgradig umstritten. Weil der eine behauptet, es liegt gar nicht am Stoff, sondern an der Kleidung des Abhängigen.
      Oder am Wetter. Oder...
      Aber nie an der Droge selbst...


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      #3196 von sittin bull inv 09.04.03 12:51:07 Beitrag Nr.: 9.124.251 9124251
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      sorry, den Konjunktiv nehme ich zurück.

      Es ist so wie es ist


      also alles OK!



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      #3197 von sittin bull inv 09.04.03 14:42:28 Beitrag Nr.: 9.125.736 9125736
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      Wirtschaftswachstumszwang

      Viele stellen sich die Frage, warum die Wirtschaft überhaupt immerzu wachsen müsse, wo doch in der realen Welt nichts unbegrenzt größer werden kann, ohne letztlich zugrunde zu gehen. Nicht umsonst heißt es im Sprichwort: Kein Baum wächst in den Himmel! Weil jedoch die Kaufkraft der Bevölkerung begrenzt ist, muss durch immer aggressivere Werbung, schnell wechselnde Modeerscheinungen und Wegwerfprodukte ständig neues, künstliches Verlangen nach dem immer größer werdenden Produktionsberg geschaffen werden. So verzehnfachte sich die Anzahl der Werbespots im Fernsehen von 1986 bin 1997. Reichte vor 15 Jahren noch ein Auto pro Familie, kommt heute bereits das Dritt- oder Viertauto ins Gespräch. Wie fatal sich ein exponentielles Wachstum auf die Umwelt auswirkt, zeigt folgende Überlegung: Grob geschätzt reichen die vermuteten fossilen Energieträger beim heutigen Verbrauch noch 1000 Jahre. Bei nur 5% Steigerung des Verbrauchs jährlich, wären die Vorräte bereits nach 81 Jahren aufgebraucht. Unsere Wirtschaft muss deswegen wachsen, weil der Anteil des Vermögens, den die breite Bevölkerung an der Wertschöpfung hat, immer mehr zugunsten der Kapitalverzinsung zurückgedrängt wird. Die Unternehmen sind durch die explodierende Verschuldung dazu gezwungen, neben den Einsparungen auf dem Personal- und Umweltsektor die Produktionskapazität weiter zu steigern, um die Zinslast zahlen zu können. Bei einer Verzinsung von beispielsweise zehn Prozent, verdoppelt sich das zu bedienende Kapital alle sieben Jahre, bei sieben Prozent alle zehn Jahre. Am Anfang einer Volkswirtschaft, meist nach einem Krieg, ist der zu verzinsende Kapitalanteil noch klein und kann von den Unternehmen leicht durch ein kräftiges Wirtschaftswachstum bezahlt werden. Weil die Zinskosten exponentiell, also mit zunehmender Geschwindigkeit wachsen, kommen die Firmen mit laufender Zeit in Zahlungsprobleme, da im Gegenzug der Markt gesättigt und damit der Wettbewerb der Marktteilnehmer untereinander zunimmt. Das Einzelunternehmen kann deshalb den Gewinn nicht über höhere Preise steigern. Die einzige Möglichkeit, die ausufernden Kapitalkosten bedienen zu können, besteht darin, den Produktausstoß jährlich zu erhöhen. Diese Produktionserhöhung führt selbstverständlich zu einem wachsenden Energie- und Rohstoffverbrauch und einer Steigerung der Müllmenge.Volkswirtschaftlich lässt sich dieser Zusammenhang anhand einer Modellrechnung erklären: Der Zinsanteil an der Volkswirtschaft steigert sich durch den exponentiellen Zinseszinsprozess ständig, womit der Anteil, der den Produktivkräften (Arbeiter und Unternehmer) zufällt, immer kleiner werden muss. Die arbeitende Bevölkerung würde ohne Wirtschaftswachstum innerhalb kurzer Zeit verarmen. Deshalb sind die Entscheidungsträger in Politik und Ökonomie bemüht, die Wirtschaftsleistung weitestnöglich zu steigern, um ein schnelles Absacken des Lebensstandards der breiten Bevölkerung zu verhindern und um den steigenden Anteil der Kapitalverzinsung in der Volkswirtschaft bezahlen zu können. Es ist das gleiche, wie wenn ein Krebskranker sein Körperwachstum immer mehr steigern würde, damit der Anteil des wachsenden Tumors am Gesamtgewicht des Körpers konstant bliebe. Sobald sein Wachstum auch nur etwas langsamer oder aufhören würde, hätte das zur Folge, dass der Anteil der Tumorzellen letztlich die Überhand bekäme und das Ende nur noch eine Frage der Zeit wäre.

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      #3198 von frutta 09.04.03 15:13:37 Beitrag Nr.: 9.126.276 9126276
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      @sittin bull
      die Zinsen werden immer bezahlt und fast immer auch eine Tilgung. Deswegen kommen die Firmen keineswegs in Schwierigkeiten. Es gibt tausende von Firmen, die keinerlei Wachstum aufweisen und trotzdem kerngesund sind. Nur Firmen die Verluste machen,oder sich mit Investitionen übernehmen, kommen in Schwierigkeiten.
      Du unterstellst einfach, daß die Zinsen immer der Schuld und dem Kapital zugeschlagen werden. Das gibt es nur in der Fantasie der Freiwirtschaftler. Im wirklichen Leben werden die Zinsen regelmäßig bezahlt.
      Und sie erhöhen auch nicht die Geldmenge. Dagegen hast Du kein Argument zur Verfügung, deswegen sagts Du lieber gar nichts.
      Die Freiwirtschaftler wollen mit weltfremden Theorien die Welt verbessern.
      Gruß frutta

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      #3199 von sittin bull inv 09.04.03 15:53:20 Beitrag Nr.: 9.127.018 9127018
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      das kann doch keine Glaubensfrage sein, es muß doch einen volkswirtschaftlichen Erklärungsansatz geben.

      Wir kommen so jedenfalls nicht weiter-unsere Positionen schließen einander aus.

      Nur wie funktioniert unser Geldwesen denn nun in Wirklichkeit?

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      #3201 von helmut_kohl 09.04.03 17:21:18 Beitrag Nr.: 9.128.157 9128157
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      @ Punk24

      Dollar oder Joule, ist das wirklich so ein Unterschied?

      Ja. Ich verdiene 10mal so viel wie eine Putzfrau, obwohl ich viel weniger Joule einsetze. Ich sage nicht, dass man GDP nicht in Joule messen kann, ich sage nur, dass das GDP dann ganz anders aussehen wuerde, weil naemlich nicht fuer alle Gueter (und vor allem Dienstleistungen!!!) der Quotient Joule/Dollar gleich ist, sondern ziemlich arg variieren wird.

      du dagegen mein lieber Elmut Col verlierst dich in deinem Elfenbeinturm in Details und übersiehst grundlegende Zusammenhänge. dieses Defizit überspielst du dann mit Fachausdrücken (VWLer-Latein) um hier Eindruck zu schinden.

      Also zunaechst mal hast Du damit angefangen, hier einen Hauptsatz der Thermodynamik zu zitieren. Damit hast DU Dein Defizit ueberspielt. Ich frage hier nur nach Daten. Wenn Du das als VWLer-Latein bezeichnest, dann gute Nacht! Ein wenig Allgemeinbildung wuerde Dir ganz gut tun!

      Du negierst sogar das Offensichtliche, wie den Zusammenhang zwischen steigender Produktivität und sinkenden Arbeitsplätzen....Ist ein solches Verhalten für einen Erwachsenen angemessen

      Ich negiere gar nichts. Ich will Fakten sehen. Bis dahin halte ich Dich fuer einen Sesselpupser, der ueber Daten diskutieren will, aber sich noch nie die Muehe gemacht hat, sich die Daten anzuschauen. Was Du “offensichtlich” nennst, ist gar nicht offensichtlich, und wird auch nicht dadurch offensichtlich, wenn Du es nur oft genug wiederholst.


      @ sittin bull inv

      in Sachen Rockheimsky: Die gleiche Kritik wie vorher, auch hier wieder.

      Dann gibt es noch die Informationsgüter, die auch keinerlei Merkmale von Knappheit zeigen.

      Info ist auch knapp. Es ist nicht kostenlos ins Internet zu gehen. Die monetaeren Kosten moegen klein sein, aber sind nicht null, und die nicht-monetaeren Kosten (Zeit) sind auch nicht null. Aber streiten wir uns nicht um semantics.

      Die Angst vor Mangel, die Folge unseres Geldsystems, erzeugt Gier und das Horten von Geld. Dadurch wird dem Geldkreislauf Geld entzogen, was wiederum Knappheit und somit Mangel nach sich zieht.

      In den USA sitzen Netto-Vermoegenswerte von 40 Billionen (4e+13) Dollar, davon nicht einmal 1% in Bargeld. Der Rest ist in anderen Vermoegen angelegt. Wenn jemand neidisch auf das Vermoegen ist, dann bestimmt nicht aufs Bargeld.

      Den Rest kannst dir getrost schenken, das Problem bei euch Wissenschaftlern ist das ihr euch mittels hochtrabender Sprache von uns normalen Volk absetzen wollt-
      würdet ihr wirklich wollen, das man euch versteht könntet ihr das bestimmt auch einfacher erklären-

      OK, wir haben hier zwei Punkte, die Du anscheinend nicht verstehst (keine Kritik, es bedeutet nur, dass ich es nicht gut genug erklaert habe):

      1: Die golden rule Sparraten sind sub-optimal.
      2: Bei optimalen Sparraten und null Wachstum muessen positive Zinsen herrschen.

      Zu 1: Angenommen Du bist Schiffbruchiger und hast zwei Inseln zur Auswahl:
      Insel 1: gibt Dir taeglich anfaenglich C=1100 Kalorien. Danach steigt C an und zwar zum langfristigen Gleichgewicht 1200 Kalorien.
      Insel 2: gibt Dir taeglich anfaenglich C=900 Kalorien. Danach steigt C an und zwar zum langfristigen Gleichgewicht 1300 Kalorien.

      (Du kannst die Kalorien auch durch Frauen/Autos/Bier/ usw. ersetzen )

      Auf welcher Insel wuerdest Du lieber leben (Du musst Dich fuer eine entscheiden und kannst nicht wechseln)? Golden Rule wuerde besagen: Insel 2, und zwar “no matter what”. Auch wenn Du dort erst 200 Jahre mit weniger leben muesstest als auf Insel 1, golden rule sagt, Du sollst auf Insel 2 zuschwimmen.
      Ein optimierender Mensch wuerde genau abwaegen, wie lange er auf Insel 2 weniger bekommt, und eventuell Insel 1 bevorzugen. D.h. ein optimierender Mensch optimiert nicht das langfristige Gleichgewicht, sondern den gesamten Strom von Konsum. Was nuetzt es mir, wenn ich in 200 Jahren mehr konsumiere (oder meine Nachfahren), wenn es mir bis dahin miserable geht). Da golden rule aber nur das langfristige Gleichgewicht (und somit den Konsum in weiter Zukunft) maximiert, ist die Allokation der golden rule sub-optimal, wenn der gesamte Horizont betrachtet wird.

      Ist vielleicht etwas kompliziert ausgedrueckt, aber einfacher geht es nur unter Benutzung von Mathematik, genau gesagt, Euler Equations. Die habe ich vorher schonmal gezeigt, ohne grossen Erfolg.

      Zu 2:

      Zinsen muessen auch im stationaren Gleichgewicht (steady state, d.h. Null-Wachstum) positiv sein, solange zukuenftiger Konsum abdiskontiert wird. Um genau zu sein, der Zins muss exakt so hoch sein wie der Discount-Factor.

      Oder anders ausgedrueckt: Mit Null Wachstum und Leuten, die abdiskontieren, koennen die Zinsen nicht null sein.
      Null Wachstum bedeutet, ich produziere (Y) und konsumiere (C) konstante Mengen. Wenn C heute und morgen das gleiche ist und ich Konsum morgen abdiskontiere und Zinsen Null sind, dann ist das offensichtlich nicht optimal: Ich koennte Konsum heute um epsilon erhoehen, Konsum morgen um epsilon reduzieren. Das ist moeglich , weil die Zinsen exact Null sind und ich wuerde meinen Nutzen erhoehen, weil ich Konsum morgen abdiskontiere. Widerspruch, zur Optimality.
      Anders ausgedrueckt, damit diese redistribution im steady state nicht moeglich ist, muss der Zins positiv sein, als Kompensation fuer abdiskontierten zukuenftigen Konsum.

      War das verstaendlich ausgedrueckt?

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      #3206 von sittin bull inv 10.04.03 10:58:45 Beitrag Nr.: 9.135.119 9135119
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      Das mit der Insel greif ich doch gleich mal auf!


      Die Robinsonade

      Robinson baute einen Kanal und mußte sich also auf 3 Jahre, der Dauer der ganzen Arbeit, mit Vorräten versehen. Er schlachtete Schweine, bedeckte das Fleisch mit Salz, füllte ein Loch in der Erde mit Getreide und deckte es sorgfältig zu. Er gerbte Hirschfelle und verarbeitete sie zu Kleidern, die er in einer Kiste verschloß, nachdem er als Mottenscheuche noch eine Stinktierdrüse hineingelegt hatte.

      Kurz, er sorgte nach seiner Ansicht gut für die nächsten drei Jahre.

      Wie er nun eine letzte Berechnung darüber anstellte, ob sein "Kapital" für das geplante Unternehmen auch ausreichen würde, sah er einen Menschen auf sich zuschreiten.

      Hallo, rief der Fremdling, mein Kahn ist hier zerschellt, und so landete ich auf dieser Insel. Kannst du mir mit Vorräten aushelfen, bis ich einen Acker urbar gemacht und die erste Ernte eingeheimst habe?

      Wie schnell flogen bei diesen Worten die Gedanken Robinsons von seinen Vorräten zum Zins und zur Herrlichkeit des Rentnerlebens! Er beeilte sich, die Frage zu bejahen.

      Vortrefflich! antwortete der Fremdling, aber ich will dir sagen, Zins zahle ich nicht; sonst ernähre ich mich lieber von Jagd und Fischfang. Mein Glaube verbietet mir sowohl Zins zu nehmen, wie auch Zins zu geben.

      R.: Da hast du eine prächtige Religion. Aus welchem Grunde aber glaubst du denn, daß ich dir Vorräte aus meinen Beständen herleihen werde, wenn du mir keinen Zins gibst?

      Fr.: Aus Eigennutz, Robinson; auf Grund deines wohlverstandenen Vorteiles, weil du dabei gewinnst, und sogar ziemlich viel.

      R.: Das, Fremdling, mußt du mir erst vorrechnen. Ich gestehe, daß ich nicht einsehe, welchen Vorteil ich davon haben kann, dir meine Vorräte zinsfrei zu leihen.

      Fr.: Nun, ich will dir alles vorrechnen, und wenn du es mir nachrechnen kannst, so wirst du mir das Darlehn zinsfrei geben und dich noch bei mir bedanken. Ich brauche zunächst Kleider, denn du siehst, ich bin nackt. Hast du einen Vorrat an Kleidern?

      R.: Die Kiste ist bis oben voll.

      Fr.: Aber Robinson, wirklich, ich hätte dich für gescheiter gehalten! Wer wird denn Kleider für drei Jahre in Kisten vernageln, Hirschleder, den Lieblingsfraß der Motten! Außerdem müssen diese Kleider immer gelüftet und mit Fett eingerieben werden, sonst werden sie hart und brüchig.

      R.: Du hast recht, aber wie sollte ich es anders machen? Im Kleiderschrank sind sie nicht besser geborgen; im Gegenteil, hier kommen Ratten und Mäuse noch zu den Motten hinzu.

      Fr.: Oh! Auch in die Kiste würden die Ratten gedrungen sein, - sieh, da haben sie schon genagt!

      R.: Wahrhaftig! Man weiß sich auch wirklich nicht davor zu retten!

      Fr.: Du weißt dich nicht vor Mäusen zu schützen, und du sagst, du hättest rechnen gelernt? Ich will dir sagen, wie Leute in deiner Lage sich bei uns gegen Mäuse, Ratten, Motten, Diebe, gegen Brüchigwerden, Staub und Schimmel schützen. Leihe mir diese Kleider, und ich verpflichte mich, dir neue Kleider zu machen, sobald du welche brauchst. So bekommst du ebensoviele Kleider zurück, wie du mit geliefert hast, und zwar werden diese Kleider, weil neu, bedeutend besser sein als diejenigen, die du später aus dieser Kiste ziehen würdest. Obendrein werden sie nicht mit Stinktieröl verpestet sein. Willst du das tun?

      R.: Ja, Fremdling, ich will dir die Kiste mit den Kleidern abtreten, denn ich sehe ein, daß es für mich vorteilhaft ist, dir auch ohne Zins die Kleider zu überlassen. (1)

      Fr.: Nun zeige mir mal deinen Weizen. Ich brauche solchen sowohl zur Saat wie für Brot.

      R.: Dort am Hügel habe ich ihn vergraben.

      Fr.: Du hast den Weizen für drei Jahre in einem Erdloch vergraben? Und der Schimmel, die Käfer?

      R.: Das weiß ich, aber was sollte ich machen? Ich habe die Sache nach allen Seiten überlegt und nichts Besseres für die Aufbewahrung gefunden.

      Fr.: Nun bück` dich mal! Siehst du die Käferchen an der Oberfläche herumspringen? Siehst du das Gemüll? Und hier diese Schimmelbildung? Es ist die höchste Zeit, daß der Weizen herausgehoben und gelüftet werde.

      R.: Es ist zum Verzweifeln mit diesem Kapital! Wenn ich doch nur wüßte wie ich mich verteidigen soll gegen diese tausendfältigen Zerstörungskräfte der Natur.

      Fr.: Ich will dir sagen, Robinson, wie wir das bei uns zu Hause machen. Wir bauen einen luftigen, trockenen Schuppen und schütten auf den gut gedielten Boden den Weizen aus. Und regelmäßig alle drei Wochen wird der Weizen sorgfältig gelüftet, indem wir mit Schaufeln das Ganze umwerfen. Dann halten wir eine Anzahl Katzen, stellen Fallen auf, um die Mäuse zu fangen, versichern das Ganze gegen Feuer und erreichen so, daß der jährliche Verlust an Güte und Gewicht nicht mehr als 10 % beträgt.

      R.: Aber bedenke doch, diese Arbeit, diese Kosten!

      Fr.: Du scheust die Arbeit und willst keine Kosten? Ich will dir sagen, wie du es dann anfangen mußt. Leihe mir deinen Vorrat, und ich werde dir das Gelieferte aus meinen Ernten in frischem Getreide zurückzahlen, und zwar Pfund für Pfund, Sack für Sack. So sparst du die Arbeit, einen Schuppen zu bauen, brauchst das Getreide nicht umzuschaufeln und keine Katzen zu füttern, verlierst nichts am Gewicht und hast statt alten Korns immer saftiges, frisches Brot. Willst du?

      R.: Mit tausend Freuden nehme ich den Vorschlag an.

      Fr.: Also du lieferst mir das Korn zinsfrei?

      R.: Versteht sich, zinsfrei und mit Dank meinerseits.

      Fr.: Ich kann aber nur einen Teil gebrauchen, ich will nicht alles haben.

      R.:Wenn ich dir nun den ganzen Vorrat anbiete, mit der Maßgabe, daß du mir für je 10 Sack nur 9 zurückzugeben brauchst?

      Fr.: Ich danke, denn das hieße ja mit Zins arbeiten - zwar nicht mit aufschlagendem (positivem), sondern mit kürzendem (negativem) Zins -, und statt des Gebers wäre der Nehmer Kapitalist. Aber mein Glaube verbietet den Wucher, er ver- bietet auch den umgekehrten Zins. Ich mache dir aber den Vorschlag, deinen Weizenvorrat unter meine Aufsicht zu nehmen, den Schuppen zu bauen und alles Nötige zu besorgen. Dafür wirst du mir für je 10 Sack jährlich zwei Sack als Lohn bezahlen. Bist du damit einverstanden?

      R.: Mir ist es gleich, ob deine Leistung unter dem Titel Wucher oder aber als Arbeit gebucht wird. Ich gebe dir also 10 Sack, und du lieferst mir 8 Sack zurück. Ein- verstanden!

      Fr.: Ich brauche aber noch andere Sachen: einen Pflug, einen Wagen und Handwerks- zeug. Willst du mir das alles auch zinsfrei überlassen? Ich verspreche, dir alles in gleicher Güte zurückzuerstatten: für einen neuen Spaten einen neuen Spaten, für eine neue Kette eine neue, rostfreie Kette!

      R.: Gewiß bin ich dazu bereit. Denn jetzt habe ich von all diesen Vorräten nur Arbeit. Neulich war der Bach übergetreten und hatte den Schuppen überschwemmt, alles mit Schlamm bedeckend. Dann riß der Sturm das Dach fort, so daß alles verregnete. Nun haben wir trockenes Wetter, und der Wind treibt Sand und Staub in den Schuppen. Rost, Fäulnis, Bruch, Trockenheit, Licht und Dunkelheit, Holzwürmer, Termiten, alles ist unausgesetzt an der Arbeit. Noch ein Glück, daß wir keine Diebe und Brandstifter haben. Wie freue ich mich, jetzt durch Verleihen die Sachen so schön und ohne Arbeit, Kosten und Verlust für später verfügbar zu behalten.

      Fr.: Also du erkennst es jetzt als einen Vorteil, mir die Vorräte zinsfrei zu überlassen? (2)

      R.: Unumwunden erkenne ich es an. Aber warum, so frage ich mich jetzt, bringen drüben in der Heimat solche Vorräte dem Besitzer Zins ein?

      Fr.: Die Erklärung mußt du im Gelde suchen, das drüben solche Geschäfte vermittelt.

      R.: Was? Im Gelde soll die Ursache des Zinses liegen? Das kann doch nicht sein; - denn höre, was Marx vom Geld und Zins sagt: "Die Arbeitskraft ist die Quelle des Zinses (Mehrwert). Der Zins, der das Geld in Kapital verwandelt, kann nicht vom Geld herrühren. Wenn es wahr ist, daß das Geld Tauschmittel ist, so tut es nichts anderes, als die Preise der Waren bezahlen, die es kauft. Wenn es solcher- maßen unveränderlich bleibt, so nimmt es nicht an Wert zu. Daher muß der Mehr- wert (Zins), von den gekauften Waren herrühren, die teurer verkauft werden. Diese Veränderung kann weder beim Kauf noch beim Verkauf stattfinden; in diesen beiden Handlungen werden Äquivalente ausgetauscht. Es bleibt darum nur eine Annahme frei, daß die Änderung durch den Gebrauch der Ware nach dan Kauf und vor dem Wiederverkauf vor sich gehe." (Marx: Das Kapital, Kap. VI.)

      Fr.: Wie lange bist du schon auf dieser Insel?

      R.: Seit dreißig Jahren.

      Fr.: Das merkt man. Du berufst dich noch auf die Wertlehre. Ach, lieber Robinson, diese Sache ist erledigt. Die Wertlehre ist ausgestorben. Es ist überhaupt niemand mehr da, der sie vertritt.

      R.: Was, du sagst, die Marxsche Lehre vom Zins wäre ausgestorben? Das ist nicht wahr! Wenn auch sonst niemand mehr da wäre, - ich vertrete sie!

      Fr.: Gut, so vertritt sie, doch nicht nur mit Worten, sondern auch mit der Tat. Vertritt sie, wenn du willst, mir gegenüber. Ich trete von dem soeben geschlossenen Handel zurück. Du hast hier in deinen Vorräten das, was nach Wesen und Bestimmung als die reinste Form dessen zu betrachten ist, was man gemeinhin "Kapital" nennt. Ich fordere dich auf, als Kapitalist mir gegenüber aufzutreten. Ich brauche deine Sachen. Kein Arbeiter ist jemals einem Unternehmer so nackt gegenübergetreten, wie ich jetzt vor dir stehe. Niemals ist das wahre Verhältnis vom Kapitalbesitzer zum Kapitalbedürftigen so rein zutage getreten, wie in unserem gegenseitigen Verhältnis. Nun versuche, ob du von mir Zins erlangen kannst! Wollen wir also den Handel wieder von vorne anfangen? (3)

      R.: Ich verzichte. Die Ratten, Motten und der Rost haben meine kapitalistische Kraft gebrochen. - Aber sage, wie erklärst du die Sache?

      Fr.: Die Erklärung ist einfach. Bestände hier auf der Insel Geldwirtschaft, und ich als Schiffbrüchiger bedürfte eines Darlehns, so müßte ich mich nach Lage der Dinge an einen Geldgeber wenden, um die Dinge, die du mir soeben zinsfrei geliehen hast, zu kaufen. Diesem Geldgeber aber, den Ratten, Motten, Rost, Feuer und Dachschäden nicht bedrücken, kann ich nicht wie dir gegenübertreten. Den Ver- lust, der mit dem Besitz der Waren verknüpft ist, - sieh, da schleppt der Hund einen von deinen, will sagen, von meinen Hirschfellen fort! - den trägt nur der- jenige, der die Waren aufzubewahren hat, nicht der Geldgeber; diesen berühren all diese Sorgen und die herrlichen Beweise nicht, mit denen ich dich so mürbe gemacht habe. Du hast die Kiste mit den Fellkleidern nicht zugeschlagen, als ich dir jede Zinszahlung verweigerte. Die Natur des Kapitals machte dich zu weiteren Verhandlungen geneigt. Der Geldkapitalist aber schlägt mir die Tür des Geldschrankes vor der Nase zu, wenn ich ihm sage, ich würde keinen Zins zahlen. Dabei brauche ich das Geld an sich ja nicht, sondern die Fellkleider, die ich mit dem Geld kaufen würde. Die Fellkleider gibst du mir zinsfrei; das Geld dazu muß ich verzinsen!

      R.: So wäre die Ursache des Zinses doch im Gelde zu suchen, und Marx wäre im Unrecht? Auch da, wo er sagt: Im eigentlichen Handelskapital erscheint die Form `G.W.G.` (Geld - Ware - Mehrgeld) = kaufen, um teurer zu verkaufen, am reinsten. Anderseits geht seine ganze Bewegung innerhalb der Zirkulationssphäre vor sich. Da es aber unmöglich ist, aus der Zirkulation selbst die Verwandlung von Geld in Kapital zu erklären, erscheint das Handelskapital unmöglich, sobald Äqui- valente ausgetauscht werden, daher nur ableitbar aus der doppelten Übervorteilung der kaufenden und verkaufenden Warenproduzenten durch den sich parasitisch zwischen sie schiebenden Kaufmann. Soll die Verwertung des Handelskapitals nicht aus bloßer Prellerei der Warenproduzenten erklärt werden, so gehört dazu eine lange Reihe von Mittelgliedern." (Marx, Kapital, 6. Aufl., Bd. I, S. 127.)

      Fr.: Hier sowohl wie da ist er vollkommen im Irrtum. Und da er sich im Gelde irrte, diesem Zentralnerv der ganzen Volkswirtschaft, so muß er überall im Irrtum sein. Er beging - wie alle seine Jünger es taten - den Fehler, das Geldwesen aus dem Kreis seiner Betrachtungen auszuschalten.

      R.: Das haben mir unsere Verhandlungen über das Darlehn bewiesen. Das Geld ist für Marx ja auch nur Tauschmittel, aber es tut, wie es scheint, mehr als nur "die Preise der Waren bezahlen, die es kauft". Daß der Bankmann dem Darlehnsnehmer den Geldschrank vor der Nase zuschlägt, wenn dieser keinen Zins zahlen will, und nichts von den Sorgen kennt, die die Besitzer der Waren (Kapital) drücken, das verdankt er nur der Übermacht, die das Geld an und für sich über die Ware hat, - und da liegt der wunde Punkt!

      Fr.: Wieviel Beweiskraft doch die Ratten, Motten und der Rost haben!


      Ende
      (1) So selbstverständlich die Sache ist, so ist es doch Tatsache, daß bis heute noch keiner von allen Zinstheoretikern diesen Vorteil erkannt hat. Sogar Proudhon sah ihn nicht.

      (2) Knut Wicksell: Wert, Kapital und Rente, S. 83: "Indessen behauptet Boehm-Bawerk, daß die gegenwärtigen Güter den künftigen mindestens gleichstehen, da sie ja nötigenfalls für die Verwendung in der Zukunft einfach "aufbewahrt werden können". Das ist gewiß eine große Übertreibung. Boehm-Bawerk erwähnt freilich eine Ausnahme von dieser Regel, nämlich in betreff von Gütern, die dem Verderb unterworfen sind, wie Eis, Obst und dergl. Allein dasselbe trifft ja in höherem oder niedrigerem Maße bei allen Nahrungemitteln ohne Ausnahme zu. Ja, es gibt vielleicht keine anderen Güter als etwa die edlen Metalle oder Steine, deren Aufbewahrung für die Zukunft nicht besondere Arbeit und Fürsorge erheischt, wozu noch die Gefahr kommt, daß sie dennoch durch Unfälle, wie Feuer und dergl. verloren gehen können." (Für Gold, Edelsteine, Wertpapiere gibt es jetzt in den Banken besondere Kammern für Privatgebrauch. Aber man muß hier eine Miete bezahlen, um deren Betrag "das gegen- wärtige dem künftigen" Gut mindestens nachsteht.)

      (3) Man beachte die Vorbemerkung!

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      #3207 von Tarantoga 10.04.03 12:33:45 Beitrag Nr.: 9.136.288 9136288
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      @frutta, @all

      Hi!

      Schöne Diskussion habt Ihr hier. Nur weiter so!

      Zu Deiner Frage, wie der Zins die Geldmenge erhöht:

      Direkt tut er das natürlich gar nicht. Aber der Zins verlangt zu seiner Zahlung immer eine erhöhte zukünftige Verschuldung. Im Bereich des Realkapitals bedeutet Rendite, daß mir ein Geschäft nach Abschluß desselben mehr hinterläßt, als ich zu Anfang hatte. Dies passiert gewöhnlich dadurch, daß etwas produziert oder geschaffen wurde. Im Bereich des Realkapitals ist dieser Erfolg aber zweifelhaft, es besteht ein unternehmerisches Risiko.

      Im Bereich des Geldes kann der Zins als reine Geldrendite eine Vermehrung nur bewirken, wenn zusätzliches Geld geschaffen wird. Dies geschieht durch neue zusätzliche Verschuldung. Das ist der Grund, weswegen sowohl Staats- als auch Unternehmens- und Konsumschulden in ihrer Gesamtheit ständig steigen. Ein einzelnes Unternehmen kann natürlich ohne neue Verschuldung auskommen, ja sogar entschulden, aber dann muß sich jemand anders stattdessen verschulden. Egal welche Zahlen Du Dir ansiehst, in jeder Volkswirtschaft steigt die Gesamtheit der Schulden mit geringen Unterbrechungen. Die nennt man dann Rezessionen.

      Beim Zins ist es aber im Gegensatz zur Realrendite so, daß seine Höhe nicht erst im nachhinein feststeht, sondern bereits zum Zeitpunkt der Kreditvergabe vereinbart wird. Der Gläubiger hat damit ein alles oder nichts Risiko. Entweder kann der Schuldner aufgrund seiner Investition genug Geld zusammenbringen um Tilgung und Zinsen zu leisten, oder er fällt aus und geht pleite. Die Folge ist, daß sobald keine ausreichende Neuverschuldung mehr passiert, immer mehr Schuldner pleite gehen und natürlich die Gläubiger mit sich reißen. Sobald also die Neuverschuldung des Systems unter die Höhe der alten Zinsen fällt, kommt es zur Krise, wie wir sie zur Zeit erleben. Zinskapitalismus hat Ähnlichkeiten mit einem Kettenbriefspiel. Ist der Prozess der Neuverschuldung einmal am Ende, stürzt das Kartenhaus zusammen.

      Nun müßte der Neuverschuldungsprozess eigentlich nie enden. Es besteht jedoch das Problem, daß wenn die Renditen unternehmerischer Investitionen nahe Null gefallen sind und die Geldzinsen dem gefolgt sind, der Zustand eintritt, wo den Geldbesitzern die gebotenen Zinsen nicht mehr ausreichen. Der Kreditmarkt kommt in dieser Liquiditätsfalle zum Erliegen, die Umlaufsicherung Zins ist wirkungslos. Einzig der Staat, dem Rendite egal ist, kann dann noch Kredit schaffen. Nach seinen Anleihen besteht immer ein Bedürfnis, da sie Grundlage der Geldschöpfung der Notenbank sind. Der Liquiditätsdruck zwingt zum Zeichnen von Staatsanleihen. Deshalb steigt am Ende vor allem die Staatsverschuldung, wie in Dollar, Euro und Yen schön zu sehen.

      Zuletzt noch etwas zur "Hortung". Man darf davon heute keine Vorstellung mehr haben, die an eine Matratze denken läßt. Geld soll eigentlich das Mittel sein, das die Realgüterproduktion in Arbeitsteilung unterstützt. Wann immer Geld nicht mehr in die Realwirtschaft - also die Produktion von Gütern und Dienstleistungen - investiert wird, wird es gehortet. Das bedeutet, daß all das Geld, das sich Händler an der Börse zuschieben, das hinter der Derivateblase steckt, das jene berühmten 90%+ des Devisenhandels ausmacht, der nur Spekulation ist, vielleicht auch alles Geld in Staatsanleihen etc., Hortung ist. Mit anderen Worten: es wird heute eine irrsinnige Menge an Geld gehortet. Wenn es eines Tages zur Fluchtbewegung aus den Papierwerten in die Realwerte kommt, gibt es eine fürchterliche Hyperinflation, die berits heute zwingend angelegt ist.

      Noch etwas zur Inflation: Meiner Meinung nach muß man das heutige Fiat Money System als Kompromiss zwischen einem wertbeständigen Goldgeld und einem schwindenden Freigeld sehen. Fiat Money könnte man als Keynes-Geld sehen. Solange die Neuverschuldung stimmt, wofür als letzter der Staat einzustehen hat, funtkioniert das Ding. Leider sehen wir heute die Grenzen dieses Konzeptes, das bei seiner Einführung als Lösung der damaligen deflationären Probleme gedacht war. Echtes Freigeld wäre nun der notwendige nächste Schritt um beim nächsten Systemstart nochmal weniger Probleme zu haben.

      Liebe Grüße

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      #3211 von Punk24 10.04.03 17:23:33 Beitrag Nr.: 9.140.249 9140249
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      @ #Tarantoga: sehr schöner Beitrag

      Wer die Augen öffnet sieht dieses Szenario aktuell in allen "gesättigten" Industrienationen. Nur wie kommen wir da wieder raus .

      Ich möchte hier nicht als Weltuntergangsprophet auftreten, aber ich denke, dass die Verschuldung vieler Staaten, gerade auch der USA und Japan den "Point of no return" längst überschritten hat .

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      #3214 von Tarantoga 10.04.03 18:58:28 Beitrag Nr.: 9.141.297 9141297
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      Hi punk24!

      Danke. Ich will aber noch anmerken, daß meiner Meinung nach in unserem System die Verschuldung absolut notwendig ist. Sie hatte mit dem ersten Tag die Grenze überschritten, wo es kein zurück mehr gab. :-)

      Die Verschuldung ist so weit auch kein Problem, wenn Sie im Inland und in inländischer Währung erfolgt. Wie in Japan zu sehen ist, gibt es nahezu keine Grenze.

      Das Problem ist nur, daß sich zunehmend nur noch der Staat neu verschulden kann und deswegen immer größere Bereiche der Wirtschaft unter seine Kontrolle und in seine Abhängigkeit kommen. Der Weg führt dann eben in die "DDR-Light".


      Ich habe schon lange nicht mehr auf WO mitgelesen oder etwas geschrieben. Wie es scheint haben sich inzwischen aber mehr und mehr Leute von der Börse abgewandt und den grundsätzlichen Themen zugewandt. Finde ich gut!

      Liebe Grüße

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      #3215 von frutta 10.04.03 20:26:32 Beitrag Nr.: 9.142.159 9142159
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      Tarantoga,
      danke für Deine Erklärung. Allerdings bin ich nicht Meinung, daß die Zunahme der Verschuldung systembedingt ist. Die Ursache ständiger Staatsverschuldung ist nicht zwangsläufig, sondern die Folge von Fehlentscheidungen. Ein vernünftiges Wirtschaften wäre möglich. Der Wille die Macht zu erhalten, verleitet Politiker mehr auszugeben, mehr Wohltaten zu verteilen, als wir uns eigentlich leisten können. Man finanziert diese Wünsche, indem man die Zukunft belastet. Von 1948 bis 1966 hat der Bund kaum Schulden gemacht, ohne negative Folgen. Im Unternehmensbereich dagegen werden normalerweise Schulden aufgenommen, um Investitionen in die Zukunft zu finanzieren. Diese erwirtschaften im Normalfall die fälligen Zinsen. Das sind "vernünftige" Schulden. Genauso verhält es sich, wenn sich Private verschulden, um z.B. ein Haus zu bauen. Die heutigen Probleme haben ihre Ursache in den Fehlentscheidungen. Unternehmer, die mit Kredit finanziert eigene Aktien zurückkaufen, andere Unternehmen zu Mondpreisen übernehmen usw. oder Private, die sich für irgend einen überflüssigen Luxus verschulden, weil ihr Depot ihnen in der Mania Reichtum vorgaukelt. Die Ursachen der heutigen auswegslosen Situation, sind diese massenhaft in den 90er Jahren begangenen Fehler.
      Auch was die Hortung angeht, bin ich anderer Meinung. Das Geld das der Staat durch Staatsanleihten einnimmt, gibt er sofort wieder aus, sodaß es immer im Kreislauf ist (auch wenn er damit Zinsen bezahlt). Auch bei der Spekulation mit allem Möglichen, gibt es immer einen Käufer, der Geld ausgibt und einen Verkäufer, auf dessen Konto das Geld des Käufers eingeht.
      Die Katastrophe ist m.E. die Folge von massenhafter Unvernunft und nicht des Systems.
      Daß es immer wieder zu Katastrophen kommt, liegt am menschlichen Verhalten. Jahrzentelanger Wohlstand, macht die Leute anspruchsvoll und übermütig und sie fallen auf Politiker herein, die ihnen das Blaue vom Himmel versprechen. Dazu kommt jetzt auch noch die Überalterung der Gesellschaft. Dafür kann man das Geldsystem bestimmt nicht verantwortlich machen.
      Gruß frutta

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      #3216 von helmut_kohl 10.04.03 20:39:55 Beitrag Nr.: 9.142.301 9142301
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      @ Tarantoga

      Direkt tut er das natürlich gar nicht. Aber der Zins verlangt zu seiner Zahlung immer eine erhöhte zukünftige Verschuldung.

      Tut er nicht. Wenn ich mir als Firma Geld leihe, dann unter der Praemisse, dass ich das Geld produktiv anlege un der Gewinn dieser Investition den Zins uebersteigt. Ich kann mir also $100 leihen, Produziere genug Gewinn, dass ich die Zinsen zahlen kann, und habe nach einem Jahr immernoch $100 Schulden.
      Was die Freiwirte immer voraussetzen um zu ihren abstrusen Ergebnissen zu kommen ist, dass a) Schuldner das Geld nicht nicht produktiv anlegen, sondern die Schulden dann exponentiell steigen lassen und b) Glaeubiger das Geld immer weiter wachsen lassen und nie Zinsen konsumieren.

      Und ein weiterer Denkfehler der Freigeld-Gemeinde aufgedeckt!


      @ sittin bull inv

      Da ich von Dir nichts gegenteiliges gehoert habe, koennen wir uns also darauf einigen, dass a) Huth mit seiner golden rule und Null-Zins-Hypothese falsch lag, und b) positive Zinsen auch bei Null-Wachstum nicht nur auftreten koennen, sondern muessen.

      Was Deine neuerlichen Robinson-Geschichten angeht: Klar, wenn der einzige Weg zum Sparen das Vergraben von Kartoffeln waere, dann waeren Zinsen nicht positiv. Nur, wenn ich Geld in meinem 401(k) anlege, dann wird das nicht als Kartoffeln vergraben, sondern produktiv angelegt. Damit ist das Beispiel Robinson also relativ uninteressant fuer unsere Diskussion ueber Zinsen in einer wirklichen Oekonomie.


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      #3218 von Tarantoga 11.04.03 00:07:37 Beitrag Nr.: 9.144.543 9144543
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      Hi!

      Zunächst eine ganz einfache Frage: Wo kommt denn Geld her? Ich meine, druckt das die BuBa oder die Fed einfach und verteilt es dann beliebig? Nein, das was da passiert ist folgendes: Es entsteht ein Kreditvertrag, weil zwei das eben so vereinbaren (Details tun nichts zur Sache). Bei bestimmten Kreditverträgen (z.B. Staatsanleihen) kann dann der Gläubiger zur ZB gehen und seinen Anspruch als Sicherheit hinterlegen um so an Geld zu kommen. Die ZB verwandelt also gewissermaßen nur langlaufende Schuldansprüche in sofort fälliges Geld.

      Das bedeutet aber schlicht, daß es mehr Geld nur mit mehr Schulden geben kann. Es gibt kein Geld "netto". Jedem Geld stehen Schulden in mindestens der selben Höhe gegenüber, daher bezieht es seinen Wert.

      Den Zins zusätzlich zur Rückzahlung zu leisten, verlangt dann aber natürlich zusätzliches Geld, das am Anfang nicht da war.

      Nun zum produktiven Investieren: Wenn Du in eine Notenpresse investierst und Dir Dein Geld selber druckst, dann erwirtschaftest Du direkt Geld (zumindest scheinbar). Ansonsten schaffst Du Produkte, die Du erst gegen Geld eintauschen mußt. Das bedeutet aber, daß das Geld irgendwoher kommen muß. So niemand hortet, ist es zumindest theoretisch noch möglich, sich die Ausgangskreditsumme auf den Märkten wieder zu verdienen. Der Zins als Zusatz ist da aber nur zu holen, wenn jemand zusätzliche Schulden gemacht hat. Der Zins ist übrigens, selbst wenn er hinterher vollständig verkonsumiert würde (was selten vorkommt, er wird eher als Eigenkapital für das nächste Kreditgeschäft verwendet), zu zahlen, bevor er wieder konsumiert werden kann. Ein verkomsumierter Zins kann also auch nur über einen neuen (Überbrückungs-)Kredit verdient werden.

      Noch etwas zur Hortung: Die Finanzmärkte haben natürlich eine wichtige Funktion zur Kapitalallokation. Das Geld fließt da aber nicht reibungslos durch. Zumindest etwas "Schmiermittel" bleibt immer hängen. Je größer die Finanzmärkte werden, je mehr da das Geld nur hin und her geschoben wird, je mehr sie Selbstzweck werden, umso mehr ist es Hortung. Wenn auf den Devisenmärkten nur noch unter 10% (ich glaube, es ist noch viel weniger) der Warentransaktion dient und der Rest Zockerei ist, dann wird da Geld unproduktiv zurückgehalten.
      Jeder Marktteilnehmer muß sich zumindest ein bißchen Liquidität halten um handlungsfähig zu sein. Dieses Geld wird nicht investiert, nichtmal auf Umwegen, schließlich muß es dem Händler sofort zur Verfügung stehen. Je mehr solche Händler es gibt, je aufgeblähter der Finanzapparat ist, umso mehr Geld hält er von den Realmärkten zurück, auf denen tatsächlich produktiv investiert wird.
      Auch wachsende Vermögensblasen kann man als Hortung sehen, egal ob es Aktien oder Anleihen sind.

      Wenn Ihr auf der Suche nach Denkfehlern der Freigeldtheorie seit, müßt Ihr an anderer Stelle suchen. Die Theorie von Heinsohn/Steiger (Eigentum, Zins und Geld), nach der Geld nicht in erster Linie Tauschmittel, sondern Eigentumsderivat ist, bietet da größere Schwierigkeiten.

      Liebe Grüße

      ***********************************************************

      #3219 von sternenstaub 11.04.03 00:08:36 Beitrag Nr.: 9.144.547 9144547
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      Ich würde gern einen Aspekt bei der
      Verschuldung der USA, deren Leistungsbilanzdefizit
      und deren Kapitalbilanzdefizit ins Spiel bringen.

      Wird nicht bei allen Diskussionen übersehen, dass dies
      Gegenfinanziert ist in den Währungsströmen.

      Und zwar durch den Handeln von Rohstoffen gegen Dollar,
      d.h. alle auf dem Weltmarkt exportierenden Länder
      lassen sich Ihre Rohstoffe ( Gold, Öl) in Dollar
      bezahlen.

      Daraus ergibt sich meiner Meinung folgendes

      1. Zum BIP der USA müßten noch die in $ gehandelte Rohstoffproduktion der Welt gerechnet werden.
      Genauso wie man für den EURO das BIP der Euro Länder nimmt,d.h. der Länder in den Waren mit Euro verrechnet werden.

      2. Dann müßte man zu den Schulden der USA die Schulden
      der Reinen Rohstoffländer rechnen

      3. Dies würde ergeben, das die Verschuldung im Vergleich
      zum BIP doch nicht so schlimm ist.

      4. Der $ schächt sich deswegen gegenüber dem EURO und dem YEN nicht so ab, weil das Kapitalbilanzdefizit durch
      die Dollarnachfrage in Folge der weltweiten Nachfrage nach Dollar für Käufe auf den Rohstoffmärkten ausgeglichen wird.


      Meine Frage dazu ist nun

      1. Was ihr dazu meint

      2. Ob es irgendwo eine volkswirtschaftliche Studie gibt,
      die das Thema des Einlusses auf den Dollar das die Rohstoffmärkte in Dollar notieren, behandelt.
      Avatar
      schrieb am 12.04.03 22:20:14
      Beitrag Nr. 99 ()
      #3220 von Tarantoga 11.04.03 01:11:14 Beitrag Nr.: 9.144.716 9144716
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      @Sternenstaub

      Sehe ich ähnlich wie Du. Die USA können sich ihre Verschuldung und ihr Handelsbilanzdefizit nur leisten, weil die Rohstoffmärkte in Dollar handeln.

      Wenn man z.B. für sein Öl nur Dollar bekommt, dann ist es naheliegend und fast zwingend sein Geld auch im Dollarraum anzulegen. Daher haben die USA eine große Fähigkeit, sich im In- und Ausland zu verschulden.

      Ich denke nicht, daß man das irgendwie ins BIP einrechnen müßte. Man sollte es bedenken und die Märkte preisen es ohnehin ein.

      Aus der von Dir genannten Tatsache folgt aber auch, daß die amerikanische Verschuldungsmaschine und die amerikanische Wirtschaft an der Dominanz des Dollar hängen. Würde die OPEC beschließen, keine Dollar mehr zu akzeptieren, die USA wären ziemlich am Ende. Eine Armee wie heute könnten sie sich dann nicht mehr leisten. Die arabische Welt müßte hier eigentlich nur einmal einig sein...

      Liebe Grüße

      *****************************************************
      #3221 von sternenstaub 11.04.03 01:39:00 Beitrag Nr.: 9.144.746 9144746
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      @tarantoga

      1.Also um eine einigermaßen objektive Beschreibung
      der Lage zu bekommen, sollte man sich schon mal
      den Spaß machen und die Volkswirtschaft der USA
      mit denen der großen Erdölförderer BIP>60% aus Erdöl
      in einen Topf werfen.

      2. Wenn man die Stärke der USA aus der Faktorierung
      der Rohstoffe in Dollar ansieht, dann kommt man
      zum Ergebnis, dass der Ostblock nicht von der USA
      in die Knie gezwungen wurde, sondern von der Welt
      und teilweise somit von Ostblock selber, da die Welt
      über den Dollar die für die Hochrüchtung notwendige
      Staatsverschuldung der USA finanziert hat und die SU hat
      ihr Erdöl auch in Dollar faktoriert.

      Wenn man das auf sich wirken läßt, ist das krass.

      3.Der Irak hat sein Erdöl seit 2000 in Euro faktoriert,
      der Iran macht das jetzt auch.
      Ein interessantes Korn in der Suppe der Gründe.

      4. Was mich nur wundert, warum faktorieren die Russen
      nicht ihre Rohstoffe in Euro. Die müßten doch ein
      Interesse daran haben den Amis eins auszuwischen oder
      liegt es daran, dass ihre Auslandsschulden in Dollar sind.

      ********************************************************


      #3227 von Tarantoga 11.04.03 10:07:43 Beitrag Nr.: 9.146.205 9146205
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      @Sternenstaub

      1. Wenn Du Dir die Mühe machen willst, das BIP neu zu berechnen, ich halte Dich nicht auf. Ich halte es aber für schwierig und außerdem bin ich kein Zahlenfetischist. :-)

      2. Das ist sehr richtig beobachtet. Für mich machte es damals auch Sinn, die USA gewissermaßen dafür zu bezahlen, daß sie die Militärleistung bringen, die dem Rest der Welt den Staatskommunismus vom Hals hielt. Leider haben die USA da auch viele Sachen gemacht, die man nicht hätte machen dürfen, Vietnam wäre nur das größte Beispiel.

      Meiner Ansicht nach vergessen die USA heute, daß das, was sie bisweilen als ihr Imperium ansehen, nur darauf basiert, daß die Welt einen Söldner gegen die SU brauchte. Dieser Söldner wird heute aber nicht mehr gebraucht. Die Welt hat die US Armee mitfinanziert und könnte das heute einstellen. Dann bricht aber die amerikanische Hegemonie zusammen.

      3. Das dürfte ein wesentlicher Kriegsgrund sein. Ums Öl an sich geht es sicher nicht. Was sollten die Irakis denn damit machen, wenn nicht verkaufen? Bekommen würde es der Westen so oder so. Die Frage ist nur, ob es in Dollar gehandelt wird.
      Ein weiterer Kriegsgrund könnte natürlich auch darin liegen, daß mit Krieg die Unternehmen der Bush-Gang das Öl bekommen, und nicht irgendwelche andere westliche Unternehmen. So kann sich eine kleine Gruppe daran bereichern, daß ein ganzes Land die Kosten zu tragen hat.
      Ob es wirklich schon so weit ist, kann ich nicht sagen, die Bush-Gang hätte aber eine ganze Menge guter Kriegsgründe.

      4. Die Auslandschulden können es eigentlich nicht sein. Mit Blick auf diese ist es nur wichtig, die stärkste Devise einzunehmen. Das muß aber nicht der Dollar sein. Die russische Wirtschaft und der Rubel sind insgesamt intensiv mit dem Dollar verbandelt.
      Es wundert mich ehrlich gestanden auch. Eines ist klar: Würde Rußland auf Euro wechseln, sie wären auf der Liste der Schurkenstaaten! :-) Aber wenn Europa und Rußland einen dollarunabhängigen Rohstoffhandel einführen könnten, wäre das eine ziemliche Macht.

      @Haderach

      Die USA sind aus mehreren Gründen ein Sonderfall:

      1. Über mehrere Kanäle haben die westlichen Länder die USA während des kalten Krieges als Schutzmacht bezahlt. Daher könnte man sagen, daß wir hier die Kugeln und Bomben mitbezahlen und deshalb verantwortlich sind. Wenn hier gegen die USA demonstriert wird, dann ist das nur der Wunsch den eigenen Wachhund zurückzuhalten. Deutschlands Verflechtung mit Rußland oder China ist viel geringer.

      2. Die meisten hier bei uns sind in dem Glauben aufgewachsen, daß die USA "die Guten" sind. In dem Augenblick, wo man diesen Glauben (ob er jemals berechtigt war oder nicht) verliert, besteht da ein ganz anderes psychologisches Moment. Vielleicht schämt man sich für die Unterstützung, die man dem einmal gegeben hat und will diese nun wettmachen.

      3. So weit es um Antiamerikanismus geht, ist die Friedensbewegung nur Teil einer Strömung, die insbesondere in Europa eine Loslösung von der amerikanischen Hegemonie will. Dieser Trend besteht und ihm wird größtenteils unwissentlich gefolgt. Meiner Meinung nach macht diese Loslösung sogar ökonomisch Sinn. Selbst ein cleverer neoliberaler Kapitalist könnte für diese sein.

      4. Für das einfache Volk auf der Straße geht es aber tatsächlich um Frieden. Bei den Kämpfen des kalten Krieges konnte die Merheit die Notwendigkeit noch einsehen, heute wird das allgemein nur als ein Spiel der "Mächtigen" um noch mehr Geld gesehen. Als solches ist die Friedensbewegung nur ein Teil einer neuen Stufe der Enthierarchisierung einer Gesellschaft. Die amerikanischen Kriege stehen uns kulturell da einfach näher. Sind die Amis doch selber schuld, wenn sie uns ihren Mist auch noch im Fernsehen zeigen! :-)

      Liebe Grüße

      ******************************************************


      #3234 von helmut_kohl 11.04.03 17:27:12 Beitrag Nr.: 9.152.383 9152383
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      Ist ja richtig Leben in der Bude. Und Hilfe bekomme ich auch vom wackeren haderach! Vielen Dank.

      @ sternenstaub

      Ich würde gern einen Aspekt bei der Verschuldung der USA, deren Leistungsbilanzdefizit und deren Kapitalbilanzdefizit ins Spiel bringen.

      Die USA haben einen Kapitalbilanz-Ueberschuss.

      @ Tarantoga

      Sehe ich ähnlich wie Du. Die USA können sich ihre Verschuldung und ihr Handelsbilanzdefizit nur leisten, weil die Rohstoffmärkte in Dollar handeln. Wenn man z.B. für sein Öl nur Dollar bekommt, dann ist es naheliegend und fast zwingend sein Geld auch im Dollarraum anzulegen.

      Dank freier Devisenmaerkte ist das aber gar nicht zwingend.

      Die amerikanischen Kriege stehen uns kulturell da einfach näher. Sind die Amis doch selber schuld, wenn sie uns ihren Mist auch noch im Fernsehen zeigen! :-)

      Diesen Absatz muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Da wird den Amerikanern (auch und gerade von den Linken) immer vorgeworfen sie wuerden an der Glotze verbloeden, aber dann gehen die Linken auf die Strasse um ausschliesslich gegen die Kriege zu demonstrieren, die im TV zur besten Sendezeit ausgestrahlt werden. Wer hier wohl TV-Verbloedet ist? Nach dem Motto Wozu Kernkraft, wir kriegen unsern Strom aus der Steckdose wird hier auch wieder all das augeblendet, was nicht auf Spiegel-TV gesendet wird.


      ********************************************************


      #3235 von sittin bull inv 11.04.03 17:37:21 Beitrag Nr.: 9.152.498 9152498
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      @ Helmut:

      wo bleibt deine Erwiderung zu tarantogas Einwänden bez. des Zinses? Das täte mich sehr interessieren!

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      helmut-Kohl

      @ sittin bull inv

      wo bleibt deine Erwiderung zu tarantogas Einwänden bez. des Zinses? Das täte mich sehr interessieren!

      Fuer currency muessen in der Tat rgendwo Zinsen gezahlt werden. Nicht vom Geldhalter, sondern von demjenigen, dessen bonds bei der FRB oder EZB als Reserve im Keller liegen. Im Fall der USA liegen etwa 650 Mrd. Dollar als Reserve in From von treasuries bei der Federal Reserve. Heisst das, dass sich auf Grund unseres Geldsystems der Staat immer weiter verschulden muss? Nein, denn die Seignorage geht wieder zurueck an den Finanzminister. Der Staat mag sich zwar immer weiter verschulden, aber das liegt an gierigen Politikern, nicht an der Federal Reserve.

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      #3240 von Tarantoga 11.04.03 22:50:50 Beitrag Nr.: 9.154.696 9154696
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      @helmut_kohl

      Ich erlaube mir mal, auf Deine Antwort einzugehen: Sie sagt eigentlich nichts wesentliches zu meiner These aus. :-)
      Der Staat muß sich nicht notwendig immer weiter verschulden. Die Gesamtverschuldung aus Privaten und Staat muß notwendig steigen. Wenn sich der Staat nicht weiter verschuldet, müssen sich die Privaten mehr verschulden und umgekehrt.
      Die Privaten haben aber tatsächlich die Tendenz, sich vernünftig zu verschulden. Und deshalb muß man froh sein, wenn der Staat mit aller "Unvernunft" einspringt. Denn der Staat kann als einziger einfach hochbuchen, also alte Zinsen mit neuen Schulden bezahlen. Der Staat ist derjenige, der sich der Krise am längsten durch Neuverschuldung enziehen kann.
      Keynes hat da schon ganz recht. Leider haben gewisse deutsche Politiker ihn etwas in Verruf gebracht.

      Liebe Grüße

      ********************************************************

      #3241 von Sig 12.04.03 11:16:59 Beitrag Nr.: 9.156.754 9156754
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      Mal etwas zum Nachdenken.
      Warum ist es denn eine Katastrophe für die USA wenn Öl plötzlich in Euro abgerechnet wird, das man dafür selbst Kriege führt?
      Wie wir wissen funktioniert ein System das andere die Dinge produzieren läßt die man selbst konsumieren möchte nur auf Schuldenbasis.
      Bei einer festen Geldmenge hätten so folglich die Produzenten irgendwann die gesamten Dollarbestände (ich beziehe mich jetzt einfach einmal nur auf die USA) der USA in ihrer Hand und könnten Amerika damit praktisch aufkaufen.
      Um also weiter wie bisher auf Pump leben zu können sorgt die FED dafür das den USA die Dollar nie ausgehen, sprich man druckt Geld und bezahlt die produzierenden Länder damit letztendlich mit Papier.
      Man kann es auch anders sagen, Amerika treibt so über ihr Leistungsbilanzdefizit eine Art Weltsteuer ein die ihnen ihr angenehmes Leben ohne entsprechende Gegenleistungen zu erbringen ermöglicht.
      Was bedeutet es also für Amerika wenn in Zukunft der wichtigste Rohstoff in Euro abgerechnet wird? Mit jedem nachgedruckten Dollar verteuert sich dann nämlich das Öl um den Faktor der Inflationierung und damit würde die Dollarabwertung nicht mehr wie bisher nur die ausländischen Dollargläubiger treffen sondern von da an Amerika selbst!
      Genau deshalb wird man auch in Zukunft gegen JEDEN der diesen Tribut nicht mehr zahlen will Krieg führen und das macht mir Angst vor der Zukunft.

      SIG

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      #3242 von sittin bull inv 12.04.03 12:01:45 Beitrag Nr.: 9.156.947 9156947
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      Sig, ich teile deine Ansicht!


      Und auch die Befürchtungen.


      Außerdem warte ich weiter gespannt auf eine wirkliche Antwort Helmut Kohls zum Zinsthema ( tarantoga! )

      Wenn ihr es nicht entkräften könnt, werden noch mehr Ahnungen bei mir bestätigt!


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      #3244 von Sig 12.04.03 14:27:00 Beitrag Nr.: 9.157.439 9157439
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      @sittin,
      du bist zu sehr auf das Zinsproblem fixiert, es sind aber nicht nur die Zinsen, es ist alles was dem Geldkreislauf frei im Umlauf befindliches Geld entzieht.
      Einlagen von Kleinsparern, Konzernrücklagen die nicht wieder reinvestiert werden oder Spekulationsgewinne die nun auf Schweizer Konten schlummern wirken ebenfalls krisenverschärfend.
      Das freie Geld wird so immer weiter verknappt bis es irgendwann keines mehr gibt, dann kommt es zu Volksaufständen oder einem Finanzcrash.
      Japan hat die Zinsen auf 0 gesenkt und wie man sieht hat es nichts gebracht.
      Ein Gegenmittel um alles beim Alten zu belassen (die einen arbeiten und die anderen leben), ist immer genügend flüssiges Geld nachzudrucken.
      Problem - Rohstoffe, weil diejenigen die darüber verfügen sagen könnten wir geben diese Rohstoffe nicht mehr gegen Papiergeld heraus, siehe Irak.
      Das ist auch der Grund warum die EZB nicht einfach auch Geld nachdruckt. Den wirtschaftlich schädlichen Wirkungen des starken Euro stehen die damit sinkenden Rohstoffpreise entgegen. Eine Rechnung die aufgehen könnte wenn sich unsere einheimische Industrie wieder auf die eigenen Konsumenten statt auf den Export nach Amerika konzentrieren würde, tut sie aber nicht!
      Amerika hat mit dem Irakkrieg eine Botschaft an die Völker dieser Welt verkündet, wer unseren Dollar nicht nimmt bekommt unsere Fernlenkwaffen.
      Deshalb kann Bush den Irakern auch vollmundig verkünden, die Einnahmen aus dem Ölverkauf komme weiterhin dem irakischen Volke zugute, natürlich nur solange Die Dollar dafür nehmen, versteht sich.
      Auch Herr Schröder scheint inzwischen die Botschaft verstanden zu haben, man beteiligt sich nun am Wiederaufbau des Irak. Freilich feilscht man noch darum das diese Aufträge nicht nur an britische und amerikanische - sondern auch an deutsche Firmen vergeben werden sollen, aber zweifelt hier noch jemand daran wie es letztendlich ausgehen wird?
      So bleibt nach einem Aufstand der Zwerge doch wieder alles beim Alten, ausländisches Geld fließt weiter nach Amerika und wenn das verbraucht ist kommt der nächste
      Krieg.
      Merke, wer nicht aufrüstet der zahlt eben den anderen ihren Wohlstand und das die Amis nicht schlecht von unserem Geld leben seht ihr daran das wir Deutschen uns jetzt immer weniger leisten können.
      So nimmt denn die Logik des Krieges ihren Lauf, bis zum bitteren Ende.

      SIG
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      3245 von Tarantoga 12.04.03 16:36:09 Beitrag Nr.: 9.157.991 9157991
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      @sig @sitting bull

      Das mit dem Geld nachdrucken hat schon etwas. Man bekommt aber immer zumindest mit dem Außenwert Probleme. Die USA haben die nicht, weil alle um Rohstoffe zu kaufen erstmal Dollar kaufen müssen. Daher besteht eine große Nachfrage nach Dollar, die den Preis oben hält. Würde umgekehrt in Euro abgerechnet, müßten die USA mit ihren inflationierten Dollars erstmal Euro kaufen. Das würde den Dollar in Bodenlose fallen lassen, was dann Importe erheblich verteuern würde. Dann würde die amerikanische Verschuldung, die ja das Thema hier ist, voll zum Tragen kommen.

      Ein Zinssystem wie wir es haben, ist immer darauf angewiesen, die Systemprobleme gewissermaßen zu exportieren. Die USA tun das, indem sie mit Hilfe von Waffengewalt Rohstoffe und Arbeitsleistung für buntes Papier einkaufen, das sie beliebig drucken. Die restlichen großen Wirtschaftsmächte tun es, indem sie einen Exportüberschuß erzielen, dadurch auch viel buntes Papier bekommen und so ebenfalls billig Rohstoffe kaufen können.
      Ein autarkes stabiles Wirtschaftssystem dürfte keinen Zins so wie wir ihn heute haben kennen.

      Die Nullzinsen in Japan sind tatsächlich faszinierend. Ich gehe davon aus, daß es bei uns auch so werden wird. Tatsächlich ist es so, daß die Zinsen ganz natürlich gegen Null fallen, wenn keine rentablen Investitionen mehr getätigt werden können. Das Problem ist dann aber, daß bei so niedrigen Zinsen der Kreditmarkt nicht mehr funktioniert. Die Zinsen haben ja die wichtige Funktion, einen Anreiz zum Geldverleihen zu geben. In der Liquiditätsfalle passiert das nicht mehr und deshalb erlahmt die Wirtschaft.

      Die Lösung der Freiwirtschaft wäre eine Umlaufgebühr, die der zu zahlen hat, der zu einem Stichtag das Geld hält. Dann würde jeder sein Geld loswerden wollen, es folglich ausgeben oder investieren, auch wenn die Rendite nicht mehr positiv wäre. Die Umlaufgebühr könnte zum Beispiel dem Staat zugute kommen (wie eine Steuer), der sie wiederum ausgibt. Noch interessanter erschiene es mir aber, daß Notenbankmonopol aufzugeben und konkurrierende private Tauschmittel zuzulassen. Dann könnte sich auf dem Markt das Beste durchsetzen.

      Ich weiß nicht, ob der Link hier schonmal gepostet wurde, auf www.geldreform.de gibt es jedenfalls die beste Sammlung an Texten zu dem Thema.

      Sehr interessant finde ich das System der Wattos in Japan. Das ist ein Tauschgeld, das völlig ohne Zentralbank auskommt. Infos dazu gibt es hier:
      http://home.debitel.net/user/RMittelstaedt/Money/watto.htm

      Ein wertstabiles Privatgeld nach Gesells Ideen hat Oldy in Kanada entworfen. Oldy kann man im Systemfehlerforum ( http://f23.parsimony.net/forum52169/index.htm) finden, er freut sich bestimmt über einen Besuch.Hier seine Seite mit vielen Infos:
      http://www.sunshinecable.com/~eisehan/

      Ein schönes, sonniges Wochenende!

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      helmut-Kohl

      @ Sig

      Bei einer festen Geldmenge hätten so folglich die Produzenten irgendwann die gesamten Dollarbestände (ich beziehe mich jetzt einfach einmal nur auf die USA) der USA in ihrer Hand und könnten Amerika damit praktisch aufkaufen.

      Mit Verlaub, aber das ist wirklich der Reifegrad eines Grundschuelers. Ich erspare mir hier jede Erklaerung, warum das falsch ist, und hoffe darauf, dass Du in 10 Jahren puenktlich zum Abitur selbst drauf kommst.


      @ Tarantoga

      Liebe Gruesse auch zurueck.

      Der Staat muß sich nicht notwendig immer weiter verschulden. Die Gesamtverschuldung aus Privaten und Staat muß notwendig steigen. Wenn sich der Staat nicht weiter verschuldet, müssen sich die Privaten mehr verschulden und umgekehrt.

      Du verwendest 3mal das Wort muss/muessen und einmal das Wort notwendigerweise. Jetzt will ich von Dir Punkt fuer Punkt eine Erklaerung dafuer haben. Ein Beispiel mit Bilanz/GuV-Rechnung, aus dem hervorgeht, dass mit positiven Zinsen die Verschuldung steigen muss.

      Ich warte!

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      #3248 von Tarantoga 12.04.03 17:48:58 Beitrag Nr.: 9.158.326 9158326
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      Hallo Helmut!

      Ich war ungenau: es muß nicht, aber wenn die Schulden nicht wachsen, gibt es auch nicht mehr Geld. Und ohne mehr Geld gibt es auch kein Wachstum insgesamt. Dann führen die Zinsen dazu, daß die Schuldner pleite gehen und die Gläubiger auf die Sicherheiten durchgreifen und sich so das Eigentum der Schuldner nehmen.

      Eine GuV Rechnung kann man da nicht so einfach aufmachen. Ich drehe den Spieß aber mal um. :-) Die Geschichte hinkt an mehreren Stellen, das tut aber für die Frage des Wachstumszwangs nichts zur Sache:

      Nimm mal bitte an, es gäbe noch kein bißchen Geld. Es beginnt bei Null. Du bist der einzige Handelspartner der Zentralbank und der einzige, der von da Geld beziehen kann. Du willst ein bißchen Geld haben und die ZB (nehmen wir an, die ZB wäre gleichzeitig auch der Gläubiger) leiht Dir, sagen wir 100 Euro. In einem Jahr will sie dafür 102 Euro (nehmen wir der Einfachheit halber mal einen Zinssatz von 2 % an) zurück. Du wirtschaftest ganz toll und produzierst die tollsten Sachen die alle haben wollen. Nach einem Jahr hast Du Dir deswegen Deine gesamten investierten 100 Euro wieder zurückverdient. Außerdem hast Du sicher eine Menge schöner neuer Sachen für Dich gekauft. Du gehst zur ZB und die will doch tatsächlich 102 Euro haben! Wo es doch nur 100 Euro überhaupt gibt! Wo nimmst Du die 2 Euro her? Ich sags Dir, Du leihst Dir fürs nächste Jahr mehr Geld. Und so beginnt das Spiel.

      Solange Du mehr beleihbare Güter produzierst, als Du Kredite brauchst, ist das auch kein Problem, dann bleibt das Verhältnis vernünftig. Aber hast Du schonmal erlebt, daß die Zinsen niedriger als der BIP-Zuwachs waren? Und das obwohl die bezahlten Zinsen auch noch ins BIP gehen.

      Im übrigen: das Thema ist echt zu komplex, als das ich Dich dazu zwingen könnte, es zu verstehen. Wenn es Dich interessiert, denk mal selber darüber nach, ließ einige Bücher von Freiwirten und entscheide Dich dann, was Du für richtig hältst.

      Liebe Grüße

      *******************************************************


      #3249 von Tarantoga 12.04.03 18:03:36 Beitrag Nr.: 9.158.374 9158374
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      @helmut_kohl

      Noch etwas, eigentlich läßt sich Deine Frage noch viel einfacher beantworten: Weißt Du was Geld ist? Ich hatte es schonmal angedeutet, offensichtlich ist es aber untergegangen. Die ZB verteilt Geld nicht einfach, dann wäre es auch wertlos. Sie verleiht es gegen Sicherheiten, wobei die Sicherheiten bestehende Schulden (bevorzugt Staatsanleihen) sind. Dann zahlt der Schuldner der Sicherheitsschuld seine Zinsen an seinen Gläubiger und der gibt einen Teil an die ZB weiter.
      Das bedeutet aber, daß alles Geld durch die Schulden von irgendjemand gedeckt ist. Es kann also nie mehr Geld als Schulden geben. Die Aufgabe der ZB besteht darin, nur die "besten" Schulden anzunehmen, weshalb es immer mehr Schulden als Geld gibt. Wenn nun keine neuen Schulden mehr gemacht werden, gibt es kein neues Geld oder die Deckung des Geldes wird immer schlechter (siehe USD), bis alle Schulden monetarisiert sind. Aber auch dann bleibt das Zinsproblem.
      Wenn kein neues Geld entsteht, gibt es kein Wachstum mehr, weil nicht mehr investiert werden kann.
      Du siehst: ohne mehr Schulden, nicht mehr Geld und nicht mehr Wachstum.

      Um die Verschuldung zu verstehen, muß man Geld und Schulden als eine zusammengehörende Einheit sehen. Guthaben/Schulden Paare sind das. Ich mag die Wattos (s.u.) so, weil sie diese Tatsache eben berücksichtigen und nicht vorgaukeln, es gäbe Geld "netto". Wenn man das mal begriffen hat, dann weiß man, daß es zu jedem Geldschein, den man in der Tasche hat, einen gibt, der ihm verzweifelt nachrennt, um nicht pleite zu gehen.

      Nochmal liebe Grüße!

      ********************************************************

      #3251 von landingzone 12.04.03 18:46:33 Beitrag Nr.: 9.158.557 9158557
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      @tarantoga

      einfache Frage, einfache Antwort: Wenn er weiß, daß er 102 zurückzahlen muß, hat er die Möglichkeit, sie aus seinem erwirtschafteten zurückzulegen. Dein Beispiel ist zu schlicht und erläutert keinesfalls, daß es einen Zwang dazu gibt, unvernünftig zu wirtschaften.
      Das kriegst Du nur mit komplexeren Modellen hin. Bitte nicht zu sehr simplifizieren, es überzeugt nicht, sorry. Daß Geldschöpfung über das Kreditsystem generiert wird, ist ebenso richtig wie allgemein bekannt
      Nochmal: Das Modell erläutert nicht im geringsten, wie Instabilität durch ein Zinssystem installiert wird. Ich kann genausogut sagen, es erläutert das Gegenteil.

      Die Lösung der Freiwirtschaft ist ironischerweise das, was in Wirklichkeit in Japan bereits passiert: Die Japaner erzeugen derzeit gigantische Fehlinvestitionen in die Infrastruktur, die völlig unrentabel sind. Sie tun das, um nominell die Zirkulation zu fördern; damit eigentlich indirekt das, was die Freigeldler fordern. Keine Kontrolle, ob diese Investitionen in irgendeiner Weise sinnvoll sind. Das ist die Krux und Freigeld verschärft dieses Problem.

      "Freigeld" ist nach allem, was man wahrnehmen kann, die Aufforderung zur zwangsweisen Allokation unter Androhung von Enteignung -> Fehlallokation. Abgesehen davon: Es gibt diese Enteignungsverfahren doch schon längst. Was anderes sind die Diskussionen über Zinsbesteuerungen? Und was meinst Du, wohin von der Freigeldwirtschaft bedrohtes Geld fließen wird? Kommen dann humanitäre Militärinterventionen gegen Länder, die sich diesem Verfahren verweigern? Wie wolltest Du das sonst verhindern? Was, wenn anstelle Geld sofort Ersatzwerte ins Spiel gebracht werden, die nicht durch unsinnigen Wertverzehr bedroht sind und vom Freigeldstaat nicht kontrolliert werden können? Das kann nicht verhindert werden, es sei denn in Orwell-Systemen -> Freigeld wird obsolet und nur für sehr kurze Zeit als Tauschmedium gehalten werden. Folge: Das System bricht sofort zusammen.

      Die Abschaffung der Verfügungsfreiheit über private Investitionszusagen, die auch vom Zeitpunkt abhängig sind: Wie soll für eine Investition die notwendige Akkumulation hergestellt werden, wenn sie von vorneherein über Geldvernichtung abgewürgt wird?

      Bitte um Erläuterung.

      **********************************************************


      3252 von Tarantoga 12.04.03 19:48:09 Beitrag Nr.: 9.158.848 9158848
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      @landingzone

      In dem Beispiel geht es nur darum, klarzustellen, daß die Verschuldung steigen muß. "Vernünftig" ist noch etwas anderes.

      Du kannst so viel vom erwirtschafteten zurücklegen, wie Du willst. Die ZB nimmt es nicht, sie nimmt nur ihr Produkt: Geld. Das mußt Du leisten, und das mußt Du Dir besorgen. Das Beispiel dreht sich nur darum, daß sich dafür Du oder jemand anders neu verschulden muß.

      Um das klarzustellen: Japan ist keine Freiwirtschaft. Japan ist auf dem Weg zur Staatswirtschaft und das notwendige Endstadium einer Wirtschaft, die >nicht< Freiwirtschaft ist.

      Die Situation der Nullrendite haben sich die Japaner nicht ausgesucht und sie ist auch nicht Folge von Fehlallokationen. Um Rendite zu erwirtschaften, muß man ein Produkt haben, daß knapp und deshalb wertvoll ist. Wenn der Bedarf weitgehend gedeckt ist und keine Produkte erfunden werden, für die die Leute bereit wären, etwas zusätzlich zu leisten, dann gibt es keine Rendite.
      Das ist ein tatsächliches Problem und keines einer Wirtschaftspolitik. Und solange es Dir genauso wie mir nicht möglich ist ein solches Killerprodukt zu erfinden, sollten wir den Japanern keinen Vorwurf machen.

      Freigeld versucht nun ein Tauschmittel zu sein, daß auch in solchen Phasen der Stagnation, die ganz natürlich sind, zu funktionieren. Enteignet wird dabei nur, wer unbedingt in Geld sparen will.

      Der Außenwert solchen Freigelds ist die Frage eines Marktpreises. In einer Situation wie jetzt, wo der illusionäre Charakter des Zinsgeldes offensichtlich wird, weil es eben in die Krise führt, wird der Vorteil und der Wert von Freigeld klar. Alles Zinsgeld wird am Ende wertlos, Freigeld wird dagegen jedes Jahr ein Stückchen weniger wert und kann so viel länger und besser funktionieren. Das würden auch Märkte honorieren. Die Argentienier hätte ihre Pesos liebend gern in ein Freigeld getauscht und wer sich heute aus dem Ausland Yen leiht, der muß weniger zurückzahlen, als er bekommen hat. Dagegen ist Freigeld mit Sicherheit außenwertstabil.
      Der Unterschied zwischen Freigeld und heutigem Geld ist nur, daß heute die Geldhalter alle ca. 60 Jahre enteignet werden, während bei Freigeld die Entwertung jedes Jahr, dafür aber viel niedriger zu leisten ist. Außerdem bitte ich Dich die Inflation zu bedenken, die etwas ähnliches wie eine Umlaufgebühr versucht, es aber viel schlechter schafft.

      Aber ob es möglich wäre, das heutige Geld durch eine Umwandlung in Freigeld zu retten, ist ziemlich fraglich. Wahrscheinlich wäre das der Startschuß für eine Hyperinflation. Unter der Bedingung einer Umlaufgebühr hätten wir heute viel zu viel Geld.

      Ich würde deshalb die parallele Einführung privaten Freigeldes bevorzugen. Dann kann sich am Markt zeigen, was gut ist und ein Wechselkurs bestimmt das Verhältnis zu altem Geld.
      Es gibt da in Deutschland gesetzliche Schranken die so etwas einschränken und leider muß man Steuern auch in Euro zahlen. Das sollte geändert werden. Ansonsten: Alle Freiheit den Menschen! Nicht umsonst nennen manche Silvio Gesell den Marx der Anarchisten.

      Liebe Grüße
      Avatar
      schrieb am 12.04.03 23:26:42
      Beitrag Nr. 100 ()
      ...sorry mein Text ist wirklich kurz, und geht eventuell
      ein bisschen am Thema vorbei, aber ich kann nicht widerstehen... :D ...100
      Avatar
      schrieb am 13.04.03 10:19:01
      Beitrag Nr. 101 ()
      In der Kürze liegt ja auch die Würze!!! ;)
      Avatar
      schrieb am 22.04.03 00:26:01
      Beitrag Nr. 102 ()
      Ist eigentlich ein "Umschalten" von Zins- auf Freiwirtschaft denkar:confused:? Wie könnte sowas aussehen? Die Freiwirtschaft scheint mir für "gesättigte" Volkswirtschaften das einizige Mittel zu sein, den wirtschaftlichen Zusammenbruch aufzuhalten.

      Für junge Volkswirtschaften scheint die Zinswirtschaft eher Vorteile zu bringen, da hier schnelleres und höheres Wachstum möglich ist.

      Ist es denkbar, dass beide Systeme parallell existieren. Z.B in den westl. Industrieländern die Freiwirtschaft, um den erlangten Lebensstandard zu halten in den Entwicklungsländern Zinswirtschaft, um schnell den Lebensstandard zu erhöhen.

      Oder habe ich zuviel Wein getrunken :D;):rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 22.04.03 06:27:46
      Beitrag Nr. 103 ()
      Hallo Punk!

      Hatte gerade mit oldy eine Diskussion drüber-


      das Problem sind die 98 % Kapitalien, die sich als Spekulationsblase zeigen, und die sich nur als Hyperinflation auflösen können.

      Da kann auch keine Freiwirtschaft zu helfen.

      Außerdem geht von Zinsgesellschaften immer ein Zug aus,
      der Zug des Todes, der aber auf der Fahrt die vermeintlich bessere Lösung verspricht...


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