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    Spiegel : Die grosse Flucht - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 23.03.02 20:51:36 von
    neuester Beitrag 31.03.02 18:49:50 von
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      schrieb am 23.03.02 20:51:36
      Beitrag Nr. 1 ()
      TITEL

      Die Deutschen als Opfer

      Mehr als ein halbes Jahrhundert nach Ende des Zweiten Weltkriegs bricht in der von Normalität beseelten Berliner Republik ein Thema auf, das längst vergessen schien: Die unbelastete nachgeborene Generation interessiert sich für Flucht und Vertreibung.

      Auf der Leipziger Buchmesse ist er am Freitagabend vergangener Woche der große Star und seine Veranstaltung der Höhepunkt: Die Literaturszene bestaunt den Schriftsteller und Nobelpreisträger Günter Grass, als er in der Stadtbibliothek am Wilhelm-Leuschner-Platz aus seinem neuen Werk vorliest.
      Erfolg macht attraktiv, und den hat er zurzeit. Die Versammelten feiern den eigentlich etwas ins Abseits geratenen alten Dichterfürsten, dem ein kaum noch für möglich gehaltener Hit gelang.


      DER SPIEGEL

      Heimat in der Fremde


      In mehr als 300 000 Exemplaren kauften die Bundesbürger bisher seine erst im Februar publizierte Novelle "Im Krebsgang" - eine aus fiktiven und realen Versatzstücken gefügte Schicksalsstory, die einen lange gemiedenen Stoff aufgreift.

      Es geht dabei (siehe SPIEGEL-Titel 6/2002) um den Untergang der "Wilhelm Gustloff", eines im Dritten Reich von den Nazis gebauten Touristendampfers, den in den letzten Kriegsmonaten mit nahezu 10 000 Flüchtlingen und Soldaten an Bord die Russen in der Ostsee versenkten.

      Und der in Danzig geborene "Praeceptor Germaniae" ("Süddeutsche Zeitung") textet nicht nur, er schlägt auch wirksam die Trommel: Welche Qualen die eigenen Landsleute unter dem von Adolf Hitler entfachten Weltenbrand erlitten, sei zu lange in Schweigen gehüllt worden - er selbst habe sich ein "bodenloses Versäumnis" anzulasten.

      Die Deutschen als Opfer - ein im Jahre 12 des wiedervereinigten Landes aufbrechendes dunkles Kapitel, das nicht allein Günter Grass entdeckte. Der Leidensweg von über 14 Millionen Ostpreußen, Pommern oder Schlesiern, die zwischen 1944 und 1947 ihre Heimat verloren (und von denen Hunderttausende, vielleicht gar zwei Millionen starben), ist jetzt unvermittelt zum Spitzenthema avanciert.

      Über Flucht und Vertreibung schreibt der bei Bremen lebende Kollege Walter Kempowski, 72, ("Echolot") und die 33 Jahre alte Autorin Tanja Dückers ("Himmelskörper"). Der Klassiker der am vergangenen Freitag mit einem Staatsakt in Hamburg zu Grabe getragenen Publizistin Marion Gräfin Dönhoff, 92 - "Namen, die keiner mehr nennt" - ist inzwischen in die 32. Auflage gegangen.

      Die Entwurzelung schmerzte so sehr, dass selbst die auf Ausgleich bedachte Marion Gräfin Dönhoff jahrzehntelang litt.

      In Berlin, Düsseldorf oder Potsdam veröffentlichen Historiker gelehrte Abhandlungen - etwa der junge Philipp Ther über das tragisch ineinander verschlungene Schicksal der deutschen und polnischen Vertriebenen, oder Manfred Zeidler, der sich der Verbrechen der Roten (Besatzungs-)Armee annimmt.

      Was geschah da, als sich der von Hitler und seinen willigen Vollstreckern geführte Vernichtungskrieg dem bitteren Ende näherte? Wie es kam, dass in einem harten, schneereichen Winter 1944/45 bereits Zigtausende auf dem großen Treck Richtung Westen erfroren oder erschossen wurden, möchten mehr als ein halbes Jahrhundert später vor allem die nachgeborenen Deutschen wissen.

      "Die fragen jetzt häufig ihre Großväter", berichtet der aus Nordböhmen stammende Osteuropa-Experte Hans Lemberg. In dieser Altersklasse zeige sich "eine bemerkenswerte Veränderung der Optik - going to the roots".

      Über alle Erwartungen hohe Einschaltquoten von TV-Dokumentationen bestätigen das ebenso wie etwa eine gerade angelaufene Serie des populären Fernseh-Historikers Guido Knopp im Massenblatt "Bild". In einem SPIEGEL-Gespräch erklärt der mit der Problematik seit vielen Jahren vertraute Geschichtswissenschaftler Hans-Ulrich Wehler einen Teil der Gründe:

      Die Deutschen hätten nun augenscheinlich "ein zeitliches und emotionales Sicherheitspolster", das ihnen die Möglichkeit gebe, den Schrecken an sich heranzulassen - eine insgesamt heilsame Art der Befassung.

      Und so ähnlich scheint darüber auch eine stattliche Zahl vorwiegend junger Bundesbürger zu denken. Die Geschichten aus der alten kalten Heimat, die lange Zeit eher Verdruss erzeugten oder mit unverhohlenem Argwohn verfolgt wurden, haben plötzlich Hochkonjunktur.

      Passé jedenfalls die Wortführerschaft derer, die sich nahezu ausschließlich auf die Schandtaten der Nazis und ihrer Mitläufer fixierten. Wer wie die Erfinder des Holocaust und anderer Scheußlichkeiten den Völkern unsägliche Gräuel zugemutet habe, möge in eigener Sache gefälligst den Mund halten, hatten zumindest die gegen ihre Väter als Täter antretenden 68er verlangt.

      Doch die Zeiten, in denen es schlicht als ungebührlich galt, nicht allein das vom NS-Terror der Welt zugefügte, sondern auch das selbst erlittene Leid zu diskutieren, gehen nun offenkundig zu Ende.

      Die Enkel-Generation sieht in einem Land, das ja auch sonst in atemraubender Geschwindigkeit ungeahnte Normalisierungsprozesse durchläuft, die zurückliegenden Ereignisse mit neuem, nüchternem Blick. Eine Verhaltensweise, die in eine dritte und letzte Stufe der viel zitierten Vergangenheitsbewältigung münden könnte. Denn die erste, die gleich nach dem Verlust der Ostgebiete von den unmittelbar Betroffenen forciert wurde, lag noch zu nahe an der Katastrophe. Zwar beklagten im Westen zahllose Ostpreußen oder Schlesier das ihnen auferlegte Schicksal, mehr als andere büßen zu müssen - bloß, was half das schon?

      Tabu war die von den Siegermächten etwas fühllos zum "Bevölkerungstransfer" heruntergeredete Zwangsumsiedlung im sowjetischen Vasallenstaat DDR. In der Bonner Republik bildete sich zwar ein "Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten" (BHE), der zeitweilig sogar in den Bundestag einzog, aber dann rasch an Einfluss verlor.

      Während die Funktionäre der einzelnen Landsmannschaften radikal und zusehends weltfremd auf einem Vaterland "in den Grenzen von 1937" beharrten, pflegten Millionen von Flüchtlingsfamilien zwischen Flensburg und Garmisch ihren privaten Erinnerungskult.

      Die Entwurzelung schmerzte dabei so sehr, dass selbst Vertriebene wie die auf Ausgleich bedachte Marion Gräfin Dönhoff jahrzehntelang litten. Noch im September 1964 bekundete die trauernde Ostpreußin ihr Verständnis für den hinhaltenden Widerstand gegenüber allen Verzichtsleistungen: "Das wäre so", schrieb sie im Namen der Flüchtlinge, "als verlangte man von ihnen, ihre Toten zu verraten."

      Zum 2. Teil
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      schrieb am 23.03.02 20:54:59
      Beitrag Nr. 2 ()
      Die Deutschen als Opfer (2)

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      DER SPIEGEL

      Versöhnungspolitiker Brandt in Warschau*: Bemerkenswerte Erinnerungsarbeit


      Ein schönes Bekenntnis, das sich dann allerdings peu à peu am anfangs noch tristen Alltag aufrieb. Den ihrerseits erheblich belasteten "Einheimischen" gingen die unentwegten Geschichten von der verlorenen Scholle zunehmend auf die Nerven - und vor allem die Kinder der Vertriebenen, die traumatische Erfahrungen abzuschütteln versuchten, arrangierten sich mit den neuen Verhältnissen.

      Das Kind aus Masuren oder der pommerschen Schweiz sprach sehr bald pfälzisch oder hessisch - Verdrängung und Anpassung als Überlebensprinzip.

      Und auch ansonsten veränderten sich aus guten Gründen die Perspektiven. Spätestens mit der auf Versöhnung ausgerichteten Ostpolitik Willy Brandts haftete den Verbandslobbyisten, die nostalgisch-aggressive Massenveranstaltungen wie das berüchtigte Pfingsttreffen der Sudetendeutschen inszenierten, etwas lähmend Gestriges an.

      Zwar hatten die Vertriebenen in einer 1950 verabschiedeten "Charta" Gelüsten nach "Rache und Vergeltung" abgeschworen, aber nicht nur das Ausland bezweifelte den Verzicht: Alle, die sich dafür stark machten, Königsberg oder Breslau im Herzen zu bewahren, galten in einer sich liberalisierenden und pragmatischen deutschen Öffentlichkeit prompt als "Revanchisten".

      Was immer sich die Hardliner noch klammheimlich an Chancen ausrechnen mochten - der Lauf der Geschichte verwehte ihre Träume. Selbst als nach der 89er Wende der marode Ostblock zerbrach, änderte das nichts an den Beschlüssen von Potsdam und Jalta. Um die Einheit zu sichern, trat die Bundesrepublik die 1945 faktisch eingebüßten Ostprovinzen auch juristisch ab.

      Aber dann kamen ja die Kriege auf dem Balkan, die politisch engagierte Zeitgenossen mit einer bestürzenden Realität konfrontierten. Flucht und Vertreibung - und ärger: die "ethnische Säuberung" als erklärtes militärisches Ziel - gehörten, wie man nun erlebte, keineswegs der Vergangenheit an. Sie erzwangen als europäisches Gegenwartsphänomen eine dem bitteren Dilemma adäquate Antwort.

      Im Angesicht der im Kosovo fliehenden und gejagten Menschen setzte bei der lange unwilligen deutschen Linken ein allmähliches Umdenken ein. Waren das nicht die gleichen Bilder wie vor mehr als einem halben Jahrhundert auf der Kurischen Nehrung oder im Stettiner Haff?

      Zunächst bemühte sich - 1995 - die Vizepräsidentin des Bundestags, Antje Vollmer, selbstzerknirscht um eine neue Einschätzung: Wie sie und ihresgleichen sich bei der "Aufarbeitung historischer Wahrheiten" geirrt hätten, räumte die spürbar verunsicherte Theologin ein, sei "kein Ruhmesblatt" gewesen.

      Das war es auch nicht, sondern laut Innenminister Otto Schily "Ausdruck von Mutlosigkeit und Zaghaftigkeit", den er jetzt gründlich zu korrigieren versprach. Im September 2000 wagte sich als erster sozialdemokratischer Bundeskanzler der für Umschwünge mit feiner Antenne ausgestattete Gerhard Schröder auf einen "Tag der Heimat".

      Spontan regte er dort an, "miteinander zu reden", statt die alten "Vorurteile zu pflegen" - um zunächst die wechselseitige Verkrampfung zu lösen.

      So wurde das Ende einer seit der "68er"-Zäsur andauernden Political correctness eingeläutet, die auch sensible Charaktere wie den einstigen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker beeinflusste. Hatte der nicht noch am 8. Mai 1985 in seiner sonst zu Recht gerühmten Rede über die Vertreibung seiner Landsleute seltsam gewunden von einer "erzwungenen Wanderschaft" gesprochen?

      Aus und vorbei. Mit der unumkehrbaren Hinnahme dessen, was ja schon vom ersten Nachkriegstag an irreversibel war, fühlen sich die neuen Deutschen nun locker entfesselt.

      Von Verdrängung keine Spur mehr. Sogar die in Fragen nationaler Introspektion vorsichtige "Frankfurter Rundschau" konstatiert ein inzwischen "ungeheuer großes Bedürfnis, das Vertreibungsthema in ein breites öffentliches Geschichtsbewusstsein zu integrieren".

      Woher das rührt, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Eine Rolle spielt dabei gewiss die Erkenntnis, dass sich solche Katastrophen auch dann ereignen, wenn den Betroffenen keinerlei Schuld nachzuweisen ist - der hier zu Lande stets als Grund angeführte Sühne-Aspekt also entfällt. Allein in Europa mussten zwischen 1939 und 1947 schließlich nahezu 50 Millionen Menschen unter Zwang ihre Heimat verlassen. Nur jeder Vierte davon war Deutscher.

      Aber reicht das, darüber in einem Land, das den verheerenden Zweiten Weltkrieg zu verantworten hat, endlich unbefangener zu debattieren? Als eine der wenigen kritischen Stimmen bemängelt die "Neue Zürcher Zeitung", der gegenwärtige Diskurs spiegele den "mentalen Status quo der Berliner Republik": Zu deren fortwährendem Normalisierungsgerede gehöre nun offenbar der begehrte "Eintritt in die internationale Opferkultur".

      So mögen - immer noch oder schon wieder - auch die Tschechen denken, während sich die Polen anders verhalten. Ihre einschneidende Erfahrung, selbst vertrieben worden zu sein, bevor sie in den entvölkerten Provinzen Schlesiens, Pommerns oder Westpreußens ihre Heimat fanden, hat zu einer bemerkenswerten Erinnerungsarbeit geführt.

      Polnische Schriftsteller, und gerade solche, die in den einstigen deutschen Ostgebieten leben, sehen in den vormaligen Bewohnern eher Schicksalsgefährten. Sie verfassen Bücher, die davon handeln, dass Beschweigen nicht befreit, sondern die Geschehnisse benannt werden wollen, weil sie nur so - und auch im Hinblick auf ein sich vereinigendes Europa - wirklich zu befrieden sind.

      "Der Aussöhnung zu dienen, indem man sich wechselseitig seine Geschichten erzählt", wünscht sich etwa Philipp von Bismarck, lange Zeit Sprecher der Pommerschen Landsmannschaft - ein Appell, der nicht ohne Echo bleibt. Vor allem die historisch interessierte, nachgewachsene Generation scheint nun einen unverstellten Blick jenseits von Schuld und Selbstkasteiung zu riskieren.

      Sie will nicht "aufarbeiten" oder das Unabänderliche gar in Frage stellen, sondern wissen, was war. Der SPIEGEL versucht, diesem Bedürfnis mit einer vierteiligen Serie nachzukommen.

      HANS-JOACHIM NOACK



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      * Am 7. Dezember 1970 vor dem Denkmal für das Warschauer Ghetto.
      Avatar
      schrieb am 23.03.02 20:57:44
      Beitrag Nr. 3 ()
      Vater, erschieß mich!"

      SPIEGEL-Serie über Flucht und Vertreibung der Deutschen aus dem Osten

      VERTREIBUNG (I):
      Millionen Menschen - Frauen, Kinder, Greise - waren in den letzten Kriegsmonaten auf der Flucht vor der Roten Armee. Für Hunderttausende endete der Treck gen Westen im Inferno. Sie erfroren, ertranken, wurden erschossen oder vergewaltigt.



      In Nemmersdorf lebt niemand mehr, der sich noch erinnern kann. Der Ort heißt heute Majakowskoje, und jetzt wohnen Russen in den kleinen Häusern mit den grauen Dächern. Von der Brücke über den Fluss Angerapp sind nur Steinreste und ein Pfeiler übrig, der mitten aus dem Wasser ragt.
      Wer konnte, ist damals rechtzeitig geflohen, oder wenigstens danach.

      Danach? Gibt es das überhaupt?

      Am 21. Oktober 1944, als eine Vorhut der Roten Armee über das ostpreußische Nemmersdorf herfiel, war für Millionen Deutsche die Geschichte zu Ende. Das Massaker von Nemmersdorf war der Vorbote von Flucht und Vertreibung, mit der alles zerfiel in Hass, Hunger, Entwürdigung, Angst. Hunderttausende, vielleicht sogar zwei Millionen überlebten die Katastrophe nicht.

      Als am 21. Oktober noch der Frühnebel über der ostpreußischen Moränenlandschaft lag, rollten die sowjetischen Tanks des 2. Bataillons der 25. Panzerbrigade die Chaussee von Gumbinnen herab. Die erschöpften Rotarmisten waren seit Tagen im Einsatz. Verbissen verteidigte die Wehrmacht die Ostgrenzen des Reiches.

      Über drei Jahre hatten die Landser auf polnischem und russischem, ukrainischem und lettischem Boden Hitlers Vernichtungskrieg geführt - und waren zurückgeworfen worden. Nun standen Stalins Truppen erstmals auf deutschem Siedlungsgebiet.

      Bei Nemmersdorf, vor den sowjetischen Panzern auf dem schmalen Damm zur Brücke über die Angerapp, drängten sich die Fuhrwerke der Bauernfamilien, die aus den umliegenden Weilern und Gemeinden geflohen waren. Der Weg nach Westen führte über den Fluss.

      Der Himmel am Horizont schimmert blutrot und violett - das sind die von den Russen bereits erreichten brennenden Städte.

      Als er die Brücke sah, ließ der Kommandeur Vollgas geben. Um 7.30 Uhr war sie eingenommen, und hinter den Panzern verquoll auf dem Damm ein Brei aus Pferdekörpern und dem Holz der Fuhrwerke, dazwischen wohl auch Menschenleiber.

      Gerda Meczulat lebte auf der westlichen Seite des Flusses. Ihr Vater Eduard, 71, hatte sich gegen die Flucht entschieden. Die Meczulats besaßen keinen Wagen. Mit einigen anderen Dorfbewohnern suchten sie in einem Unterstand Schutz.

      Was dort passierte, ist bis heute nicht vollkommen geklärt. Gerda Meczulat berichtete später, dass die ersten Russen am frühen Nachmittag in den Unterstand eindrangen. Sie durchwühlten das Handgepäck, waren aber dabei unerwartet freundlich. Einer spielte sogar mit den Kindern. Doch am Abend erschien ein Offizier und befahl die Deutschen barsch nach draußen.

      "Als wir rauskamen, standen zu beiden Seiten des Ausgangs Soldaten mit schussbereiten Gewehren. Ich fiel hin, da ich eine Kinderlähmung habe, wurde hochgerissen und spürte in der Aufregung nichts mehr. Als ich zu mir kam, hörte ich die Kinder schreien und Gewehrschüsse. Dann war alles still."

      Gerda Meczulat überlebte - schwer verletzt - als Einzige, weil der Soldat, der sie töten wollte, ungenau gezielt hatte.

      Als die Wehrmacht die 637-Seelen-Gemeinde am Morgen des übernächsten Tages zurückeroberte, fand sie wenigstens zwei Dutzend Leichen von Frauen, Kindern und Alten vor. Rotarmisten hatten sie erschossen oder ihnen den Schädel eingeschlagen.

      Wie viele Frauen wurden vergewaltigt? Stimmt es wirklich, dass Menschen nackt an ein Scheunentor genagelt worden waren? Oder handelte es sich nur um die Propaganda von Joseph Goebbels, der das Massaker umgehend zum Beleg für das "Wüten der sowjetischen Bestien" hochputschte?

      Über die Details der grauenvollen Szene von Nemmersdorf streiten Historiker und Vertriebenenpolitiker oft mit Zorn. Verharmloser? Revanchisten? Nemmersdorf ist zu einem Inbegriff deutschen Leids geworden.

      Es lässt sich nicht bestreiten: Am 21. Oktober 1944, im vierten Jahr des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion, zeigte sich in Nemmersdorf, dass aus einem Volk der Täter ein Volk der Opfer wurde.

      Dabei wäre in diesem Augenblick der deutschen Geschichte die Katastrophe noch aufzuhalten gewesen. Massenpanik, Todesmärsche, erfrorene Babys eine Beute hungriger Ratten, Hunderttausende vergewaltigter Frauen, über 33 000 Ertrunkene in der Ostsee - das ganze Grauen kam ja nur deshalb über die Betroffenen, weil Adolf Hitler und seine skrupellosen Kriegsherren und Gauleiter noch immer vom Endsieg schwadronierten.

      Verteidigung jeden Quadratmeters Boden im Osten bis zum letzten Atemzug: Diese Floskel erfüllte sich hunderttausendfach in furchtbarer Weise.

      Was wäre gewesen, wenn? 2,5 Millionen Deutsche lebten 1944 in Ostpreußen, 1,9 Millionen in Ostpommern, 4,7 Millionen in Schlesien: Wochen und Wochen wäre Zeit gewesen, sie alle rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, rechtzeitig vor diesem mörderischen Winter, der so kalt wurde, dass erschöpfte Flüchtlinge am Wegesrand einfach zu Eisblöcken erfroren.

      Aber in Hitlers Reich war Weglaufen verboten in jenem goldenen Oktober 1944. Heinrich Himmler hatte auf einer Gauleitertagung in Posen verkündet, dass die Ausweitung des germanischen Reiches nach Osten "selbstverständlich" bevorstehe: "Es ist unverrückbar, dass wir hier die Pflanzgärten germanischen Blutes im Osten errichten." Was für ein Bild.

      Unverrückbar war es da für den ostpreußischen Gauleiter, Erich Koch, in Königsberg, dass Fluchtvorbereitungen nur eine besonders infame Art der Sabotage sein konnten. Landräte, Kreisleiter und Bürgermeister des Gaus bekamen Anweisung, jeden, der so etwas plane, sofort zu melden.

      Und da war die Hoffnung, gegen jede Vernunft, dass es so schlimm nicht werden könne. Nemmersdorf war ja zurückerobert worden. Luftangriffe hatte es hier im Osten auch kaum gegeben - und war es nicht ein wunderschöner Herbst?

      "Das Licht so stark, der Himmel so hoch, die Ferne so mächtig", beschreibt der Arzt Hans Graf von Lehndorff in seinen Aufzeichnungen aus jenem Oktober die Stimmung in seiner Heimat, dem Land des Bernsteins.

      Und doch wussten alle, dass alles vorbei war. Nie würde man die Störche wieder sehen, die sich in diesen Tagen aus Ostpreußen davonmachten, nach Süden.

      Vorboten einer Katastrophe: Tiere trotten herrenlos über die Wiesen, von Gehöften weiter östlich, die von ihren Besitzern schon aufgegeben waren. Auf den Feldern bei Preußisch Holland merkwürdige, laubenartige Konstrukte, nur mühsam mit Planen getarnt. Das sind die Güter der jungen Marion Gräfin Dönhoff, die heimlich Pferdewagen für die Flucht nach Westen ausstatten lässt.

      Im Büro von Doktor Wander, dem Bürgermeister von Insterburg, geht ein Stapel Briefe von der vorgesetzten Stelle in Königsberg ein: streng geheim und im Tresor zu deponieren. Erst wenn das Kennwort "Zitronenfalter" fällt, dürfen diese Briefe an Wirtschafts- und Handwerksleute in Insterburg verteilt werden: Sie enthalten die Aufforderung, Maschinen und Vorräte - nicht aber Menschen - per Bahn nach Westen zu schicken.

      Als der Bürgermeister am Tag nach den Geschehnissen von Nemmersdorf bei der Gauleitung in Königsberg darum bittet, Transportzüge für die Flüchtlinge herzuschicken, die sich, aus dem Osten kommend, schon jetzt am Bahnhof drängeln, wird er spöttisch gefragt, ob er Fieber habe.

      Das bohrende Gefühl, noch beim Schmücken des Weihnachtsbaumes, dass das Leben eigentlich zu Ende ist und alles versinken wird, schon in den folgenden Tagen: Am 12. Januar 1945 rollen russische Panzer in Ostpreußen ein, und niemand hält sie mehr auf. Keine Zeit mehr für "Zitronenfalter" - nun fliehen die Menschen panikartig in Richtung Westen. Die Züge, die den Bahnhof der Metropole Königsberg verlassen, sind schon am ersten Tag überfüllt.

      Es sind meistens Frauen und Kinder, die überstürzt Haus und Hof im Stich lassen. Die Männer dienen entweder an der Front, oder sie gelten, unter Aufsicht der NSDAP, als unabkömmlich beim Volkssturm, dem letzten Aufgebot zur Verteidigung.

      Drei Tage später geht schon fast gar nichts mehr. Die verschneiten Straßen sind von Flüchtlingstrecks verstopft, ein träger Wurm aus Planwagen, von Pferden oder von Menschen gezogen, und dick vermummten Gestalten, die sich mit dem wichtigsten Hab und Gut, ein paar Koffern und Eimern mit Lebensmitteln, aus ihrer Heimat aufgemacht haben.

      Alles, was sie besitzen, lassen sie zurück, die Häuser unverschlossen, das Vieh losgebunden. Und das bisschen, was sie mitnehmen können, werden sie unterwegs meist auch noch verlieren.

      Zum 2. Teil
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      schrieb am 23.03.02 21:00:31
      Beitrag Nr. 4 ()
      Vater, erschieß mich!" (2)

      Zurück zum 1. Teil
      Überholen unmöglich. Zäh schleichen die Trecks voran, die Pferde rutschen auf den spiegelglatten, gefrorenen Straßen aus. Stundenlange Staus an Bahnübergängen, wo Militärtransporte - von der Front, an die Front? - ihnen den Weg abschneiden. Stundenlanges Stehen in der eisigen Nacht: Hinten, in den Panjewagen, sind die in Decken gewickelten Alten schon in den ersten Nächten erfroren. Das Ziel: Die Weichselübergänge bei Marienburg und bei Dirschau. Denn über die Weichsel, das war so eine wilde Hoffnung, würden es die Russen denn doch nicht schaffen.

      Die Angst vor den Eroberern wehte mit dem beißenden Nordoststurm über die Hügel - von Ostpreußen nach Schlesien. Östlich der Oder brachten nun Sonderzüge Menschenmassen ins scheinbar schützende Breslau. Der letzte Transport kam am 18. Januar durch, von da an ging es auch dort nur noch zu Fuß.


      "FRAU, KOMM!"

      18. Januar: An diesem Tag rollen russische Panzer bereits durch den Warthegau, früher Polen, aber seit kurzem Deutschland. Am Vorabend ist in Posen noch ein Zug mit Frauen und Kindern nach Westen losgefahren, aber da die Räumung viel zu spät begann, treten sich nun alle auf die erfrorenen Füße: Die Trecks stehen auf den Straßen, ängstlich horchen die Flüchtlinge, ob sie von hinten das typische Geräusch der Panzerketten hören - der russischen.

      Mit den Pferden bis zum Bauch im Schnee versuchen manche Familien, aus dem Stau über die Felder zu entkommen. Sie bleiben liegen, versuchen oft, die Nacht im Schutz einer Scheune zu überstehen, aber bald sind die nassen Windeln der Säuglinge gefroren. Dann sterben die Kinder. Sie können nicht mal begraben werden, weil die steinharte Erde das nicht zulässt. Wilde Tiere holen sie vom Wegesrand. Und es schneit und schneit.

      Am 19. Januar, 8 Uhr morgens, kommt im ostpreußischen Groß-Nappen, Kreis Osterode, der Dorflehrer zu Lilly Sternberg und schlägt Alarm.

      "Es ist so weit, richten Sie Ihren Treck." Die Ostpreußin hat wie Hunderte das Protokoll ihres Leidensweges in den fünfziger Jahren aufgeschrieben für eine Dokumentation über Flucht und Vertreibung. Das Tausende Seiten umfassende Werk wurde von Historikern im Auftrag des Vertriebenenministeriums zusammengestellt. Die meisten Aussagen sind beeidet und bilden bis heute eine der eindrucksvollsten Sammlungen über das Elend am Ende des Krieges.

      "Sofort los! Nur mit Handgepäck!", protokolliert Frau Sternberg. "Im Nu sind wir auf der Dorfstraße, die voll von jammernden Frauen ist." Der Aufbruch: "Die Kinder finden es herrlich."

      "Mutti, die Russen, was werden sie mit uns machen", hat eines von Lilly Sternbergs Kindern gefragt, als sie unterwegs die Panzer hören. "Nichts, sage ich, während es mich schüttelt, nichts, und lege meine Hand auf die Lippen."

      Die Russen, was werden sie machen? Die schlimmsten Gerüchte stimmten nicht - was wirklich war, war schlimmer. Die Medizinstudentin Josefine Schleiter, in derselben Gegend auf der Flucht, hat erlebt, wie Panzer in ihren Treck rasten.

      "Die Wagen wurden in den Graben geschleudert, die Pferdeleiber lagen verendet, Männer, Frauen, Kinder kämpften mit dem Tode." Die Studentin hörte ein verletztes Mädchen sagen: "Vater, erschieß mich!" Und auch der Bruder bat: "Ja, Vater, ich habe nichts mehr zu erwarten." Der Vater, weinend: "Wartet noch etwas, Kinder."

      Dann ist sie dran. "Drei baumlange Kerls halten mich fest und werfen mich auf ihr Auto. Mein Rufen verhallte im Schneesturm. Der Wagen setzte sich in Bewegung, und ich stand auf dem Auto, von den lauernden Blicken eines Russen beobachtet. Eisige Kälte. Ich war seit Mittag ohne Essen. -Grinsend beobachtete mich einer der Kerle: `Kalt?` Es folgten die entehrendsten Augenblicke meines Lebens, die nicht wiederzugeben sind."

      Als der Wagen hält, springt die Studentin hinunter, flieht in den Wald und läuft, läuft, läuft.

      Das hatte Methode. Vergewaltigungen waren eine furchtbare Waffe der roten Soldaten, ein Mittel des Terrors wie Quälereien, Morde und Brandstiftungen.

      In Ostpommern wird ein Zug mit Flüchtlingen von russischen Soldaten gestoppt, die Lok zerschossen. "Alles raus!" Frauen und Kinder fliehen durch den Schnee in die Felder. Im Dorf Gowitz holen die Verfolger sie ein. "Frau, komm!", das ist der gefürchtete Befehl. Das Mädchen Gabi Köpp, von der ZDF-Historiker Guido Knopp in seinen Berichten über "Die große Flucht" erzählt, weiß noch nicht, was der Befehl für sie bedeutet, sie ist nicht aufgeklärt.

      Wer nicht kam, musste damit rechnen, erschossen zu werden. Der russische Soldat, der im polnischen Groß Dasekow auf verschüchterte Zurückgebliebene traf, zeigte mit dem Finger auf die Jüngste im Haus. Die Schwester berichtet: "Als diese nicht gleich aufstand, trat er dicht vor sie hin und hielt seine Maschinenpistole vor ihr Kinn. Alle schrien laut auf, nur meine Schwester saß stumm da und vermochte sich nicht zu rühren. Da krachte auch schon der Schuss ..."

      Die in den Dörfern zurückblieben, weil sie nicht fliehen konnten oder wollten, wurden von den Eroberern oft nicht besser behandelt als die Opfer von Nemmersdorf. Als das Bundesarchiv Mitte der siebziger Jahre Zeitzeugenbefragungen auswertete, zählten die Wissenschaftler rund 3300 so genannte Tatorte östlich von Oder und Neiße, an denen deutsche Zivilisten erschlagen oder erschossen, zu Tode vergewaltigt oder bei lebendigem Leibe verbrannt wurden. Das Bundesarchiv ging davon aus, dass mindestens 120 000 Deutsche auf der Flucht starben.

      Zum 3. Teil
      Avatar
      schrieb am 23.03.02 21:03:04
      Beitrag Nr. 5 ()
      Vater, erschieß mich!" (3)

      Zurück zum 2. Teil
      Wie viele Menschen insgesamt Flucht und spätere Vertreibung das Leben kostete ist ungeklärt. In den fünfziger Jahren schätzte das Statistische Bundesamt einfach die Zahl der Deutschen, die vor 1945 östlich von Oder und Neiße gelebt hatten, und zog davon jene ab, die nach dem Krieg in der Bundesrepublik, Österreich und der DDR oder in der alten Heimat lebten; die Differenz betrug über zwei Millionen.

      Dass diese Größenordnung zu hoch gegriffen sein musste, zeigten schon damals Listen verschollener Zivilisten; nur knapp ein Zehntel - etwa 200 000 Menschen - wurden von Angehörigen und Freunden gesucht. Freilich machten sich bisher nur die Donauschwaben die Mühe, alle Opfer einzeln zu dokumentieren - und halbierten die Schätzungen des Statistischen Bundesamtes für ihre Region.

      Auf 1,4 Millionen schätzen Historikerinnen die Zahl der Frauen, die damals vergewaltigt wurden. Viele von ihnen nahmen sich danach aus Ekel und Entsetzen das Leben. Noch Monate später, berichten Zeugen, hätten Kinder, heil im Westen, in den Flüchtlingslagern "Frau, komm!" gespielt.

      FURCHTBARE SIEGER

      Die Rote Armee war nie sonderlich diszipliniert gewesen, und außerdem war sie durch den Krieg verroht. Heimaturlaub gab es nicht, junge Männer mussten mit Flammenwerfern in Unterstände des Feindes eindringen, Kameraden beispringen, denen nach einem Bauchschuss die Eingeweide aus der Wunde quollen, ohne solche Ereignisse jemals verarbeiten zu können. "Gleich nach dem Angriff guckt man besser nicht in die Gesichter", notierte eine russische Sanitäterin, "da ist nichts Menschliches drin."

      Die Vernichtung von Millionen Menschen, wie sie Hitler für die Russen plante, hatte Stalin für die Deutschen nicht vorgesehen. Aber als die Rote Armee die Westgrenze der Sowjetunion erreicht hatte, waren viele müde, und Stalins Generäle lockerten - zur Aufmunterung - jene Sicherungen, die auch im Krieg den Unterschied zwischen Soldaten und Mördern ausmachen.

      "Wir werden uns rächen für die in den Teufelsöfen Verbrannten, für die in den Gaskammern Erstickten."

      Über tausend Truppenzeitungen hatten den Hass gesät, der jetzt nötig war, zu siegen. Etwa die Aufrufe Ilja Ehrenburgs: "Wenn du im Laufe eines Tages einen Deutschen nicht getötest hast, ist dein Tag verloren. Zähle nicht die Tage, zähle nicht die Wersten, zähle nur eins: die von dir getöteten Deutschen. Töte den Deutschen."

      Der Tagesbefehl an die 1. Weißrussische Front vor dem Angriff auf das Reich lautete: "Die Zeit ist gekommen, mit den deutsch-faschistischen Halunken abzurechnen. Groß und brennend ist unser Hass. Wir werden uns rächen für die in den Teufelsöfen Verbrannten, für die in den Gaskammern Erstickten, wir werden uns grausam rächen für alles."

      Es scheint, dass Stalins Generäle die Wirkung ihrer Propaganda unterschätzten. Ein bisschen Plündern, ein paar Exzesse, das war vorgesehen.

      Doch die Mord- und Zerstörungswellen in Ostpreußen und Schlesien wurden offenbar auch der russischen Führung unheimlich.


      DER SPIEGEL

      Ostpreußen in den Grenzen von 1937


      Am zehnten Tag der Winteroffensive am Weichselbogen befahl das Oberkommando der 2. Weißrussischen Front, "Rauben, Plündern, Brandstiftung und Massensaufgelage" zu unterbinden. Die Hetzpropaganda allerdings ließ Stalin erst einstellen, als seine Truppen Oder und Neiße überschritten hatten und damit jenen Boden betraten, den der Kreml-Führer in Zukunft den Deutschen lassen wollte - die spätere DDR.

      Was über die Deutschen im Osten hereingebrochen war, hatte es tatsächlich seit dem Frieden von Münster und Osnabrück 1648 in Mitteleuropa nicht mehr gegeben. Damals, nach Ende des Dreißigjährigen Krieges, war es den Befehlshabern gelungen, ihr blutiges Handwerk zu einer leidlich geordneten Angelegenheit zu machen. Seitdem war es üblich, Kriege zwischen Staaten und ihren gelernten Soldaten zu führen, am besten irgendwo abseits, wo die Zivilisten nicht stören und nicht belästigt werden.

      In den folgenden Jahrhunderten wurde der Krieg zum Kabinettskrieg zivilisiert und schließlich sogar der Gebrauch von Waffen und Zwangsmitteln vertraglich geregelt - Vergewaltigung gehörte nicht dazu. Der Krieg, das war das Wichtigste, hatte ein Ziel, das war Frieden, wenn auch ein Frieden zu den Bedingungen des Siegers.

      Doch nun waren alle Schranken niedergerissen, in denen der Krieg, nach den Worten des Berliner Politologen Herfried Münkler, "gehegt" worden war. Der wilde Krieg, der totale Krieg: Das war der Krieg Adolf Hitlers, der Krieg der entgrenzten Gewalt. Totale Vernichtung, nicht Frieden war das Ziel.

      Schon im Mai 1941 hatte Hitlers Bürokratie den gefürchteten "Kriegsgerichtsbarkeitserlass" verbreitet, der es deutschen Soldaten erlaubte, sowjetische Zivilisten straffrei zu töten. Etwa elf Millionen Zivilisten starben in Stalins Imperium an den Folgen des Krieges.

      Hitlers Feldherren waren es, die das erfunden hatten: Menschen zu Kriegsmaterial zu machen, zu seelenlosen Einheiten wie Panzersperren oder Haubitzen, nur eben billiger und überall verfügbar.


      TODESMARSCH AUS BRESLAU

      Völlig unbefestigte Städte wie das schlesische Breslau wurden, als Menschenhaufen sozusagen, zu Festungen erklärt. Ein Ostwall aus Menschenleibern sollte sich den bolschewistischen Panzern entgegenstemmen. "Jeder Häuserblock, jedes Dorf, jedes Gehöft, jeder Graben, jeder Busch", so Heinrich Himmler, "wird von Männern, Knaben, Greisen und - wenn es sein muss - von Frauen und Mädchen verteidigt." Breslau sollte mit seinen 630 000 Zivilisten der Roten Armee trotzen; man würde überall Kanonen aufstellen.

      Zunächst einmal begeben sich die zur Verteidigung unbrauchbaren Frauen und Kinder auf einen von Gauleiter Karl Hanke befohlenen Fußmarsch nach Oppau. Denn Fahrgelegenheiten gab es keine mehr, und auf dem Freiburger Bahnhof, von dem die Züge nach Westen fuhren, war es bei dem Gedränge bereits zur Massenpanik gekommen. Hunderte kleine zertretene Körper sammelte die Bahnhofspolizei ein, als der Zug endlich abgefahren war.

      "Die Menschen liefen in den Straßen kopflos herum. Viele Frauen bekamen Weinkrämpfe. Die Straßenbahnen waren überfüllt, und jeder fuhr in diesen letzten Tagen kostenlos." So erinnert sich Elisabeth Erbrich, die sich am nächsten Tag, es war ihr 20. Dienstjubiläum bei der Landesbauernschaft, auch auf den Weg macht: "Es wurde dieser Tag der schwerste meines Lebens."

      Zum 4. Teil

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      Avatar
      schrieb am 23.03.02 21:06:27
      Beitrag Nr. 6 ()
      TITEL

      "Vater, erschieß mich!" (4)

      Zurück zum 3. Teil
      Auf dem Leib trug sie Unterwäsche und Kleider, so viel sie anziehen konnte, einen Rucksack nahm sie mit, in der Handtasche gekochtes Huhn. Vom Himmel regneten Flugblätter: "Deutsche, ergebt euch, es passiert euch nichts."

      Elisabeth Erbrich aber musste, bei 16 Grad minus und mit Hunderttausenden anderer Frauen und Kinder, hinaus in den endlosen Zug durch den Schnee Richtung Westen. Dieser Marsch aus Breslau kostete Tausende Menschen das Leben. Am folgenden Tag wurden BDM-Mädchen aus der Stadt zum Sanitätsdienst an die Strecke des Trauermarsches abkommandiert, um "die Puppen am Wegrand wegzuräumen".

      Welche Puppen? Es waren alles steif gefrorene Säuglinge, von ihren Müttern liegen gelassen.

      In Quittainen, elf Kilometer vor Preußisch Holland, lebt seit einigen Jahren Gräfin Dönhoff. "Keiner", ahnt sie am Abend ihrer Flucht, "wird diese Namen mehr nennen." Den meisten Menschen, wenn sie irgendwo wegmüssen, bleibt ja die Gewissheit, dass es die verlorene Heimat auch ohne sie geben wird - in Wirklichkeit, nicht nur als Bild. Der Abschied der Menschen von jenseits der Oder kommt dagegen einem Weltuntergang gleich.

      Und das war es auch. Jahrhundertlang bildeten Deutsche und Juden die wohl bedeutendsten Minderheiten in Osteuropa. Doch Hitler ließ erst die Juden ermorden; der von ihm angezettelte Krieg führte dann auch die deutsche Welt ins Chaos.

      Im Mittelalter waren die Ahnen der Krockows und Dönhoffs, der Matzkereits und Dubinskis Richtung Osten gezogen; sie hatten Städte gegründet und Land kolonisiert - scheinbar beständige Konstanten europäischer Geschichte.

      Ferien im ostpreußischen Badeort Cranz oder im schlesischen Kurort Bad Warmbrunn waren für viele Deutsche so selbstverständlich wie heute Urlaub in Travemünde oder am Königssee.

      Jeder kannte sie: den erzreaktionären pommerschen Junker, der schon als Intellektueller galt, wenn er sich aus Berlin den Jagdkalender schicken ließ, oder die bitterarmen schlesischen Weber, deren Schicksal Gerhart Hauptmann ein literarisches Denkmal setzte. Hitlers Krieg ließ von dieser deutschen Welt im Osten so gut wie nichts zurück; nur die leeren Städte und Dörfer.

      "Trudchen, meine Köchin, hatte schnell noch Abendbrot gemacht", schreibt die Gräfin Dönhoff über ihre Flucht. "Wir aßen also noch rasch zusammen. Wer weiß, wann man wieder etwas bekommen würde. Dann standen wir auf, ließen Speisen und Silber auf dem Tisch zurück und gingen zum letzten Mal durch die Haustür, ohne sie zu verschließen. Es war Mitternacht."

      26. Januar. Der größte Teil Ostpreußens ist vom Reich abgeschnitten oder erobert. Auch der Dönhoff-Treck, obwohl er dem Kessel entronnen ist, verliert den Mut. Resigniert kehrt das Völkchen um - lieber zurück zu den Russen als im Schneesturm erfrieren. Nur die Gräfin wendet ihr Pferd nach Westen und reitet weiter, durch die eisige Nacht Richtung Weichsel.


      DIE FLUCHT ÜBERS EIS

      Den Ostpreußen bleibt nur noch der Weg übers Wasser. Von Königsberg ist ein schmaler Streifen zum rettenden Hafen von Pillau frei geblieben, wo nun die ersten großen Flüchtlingsschiffe beladen werden. Für die meisten führt der Weg zur Küste zu Fuß übers zugefrorene Frische Haff, das zwischen Königsberg und Danzig wie ein Riegel vor Ostpreußen liegt - von der Ostsee nur mehr durch einen schmalen Landstreifen, die Frische Nehrung, getrennt.

      Für Zigtausende ist das der einzige Weg in die Freiheit.

      Heiligenbeil am Haff: das letzte Mal fester Boden unter den Füßen. Von hier geht`s aufs Eis. Auf dem neuen Friedhof werden täglich um halb drei die eingesammelten Erfrorenen begraben, durchschnittlich sind es 50, die in Papiertüten den letzten Segen bekommen. Särge sind keine mehr da.

      Wieder so ein strahlender Wintertag. Das Weiß der riesigen Eisfläche schneidet ins Auge. 20 Kilometer lang ist der Weg übers Haff. Er ist von Soldaten mit Bäumchen markiert worden, doch die braucht es bald nicht mehr. Stattdessen säumen Erfrorene, die einfach liegen bleiben, tote Tiere oder zerschmetterte Wagen den Pfad - und Eislöcher.

      Mehrere Wagen sind eingebrochen, Menschen und Pferde im schwarzen Wasser einfach verschwunden. Die endlose Karawane macht kleine Kurven um solche Stellen.

      Hinten, in den Panjewagen, sind die in Decken gewickelten Alten schon in den ersten Nächten erfroren.

      Eine schaurige Flucht. Der Himmel am Horizont schimmert blutrot und violett - das sind die von den Russen bereits erreichten brennenden Städte. Nachts wird es zwar noch kälter, aber dafür können die feindlichen Flieger die Marschkolonne nicht ausmachen. Die Wasserfontäne, die tagsüber hochspritzt, wenn eine Bombe das Eis durchschlägt, ist weithin zu sehen.

      Eine Abiturientin aus Lyck in Ostpreußen war mit Mutter und Schwester unterwegs: "Das Eis war brüchig. Stellenweise mussten wir uns durch 25 Zentimeter hohes Wasser hindurchschleppen. Mit Stöcken tasteten wir ständig die Fläche vor uns ab. Bombentrichter zwangen uns zu Umwegen. Häufig rutschte man aus und glaubte sich bereits verloren. Aber die Todesangst vertrieb die Frostschauer, die über den Körper jagten."

      Die Tieffliegerangriffe der Roten Armee auf die wehrlosen Flüchtlinge, deren dunkle Leiber sich von dem verschneiten Eis wie Schießbudenfiguren abheben, haben das Haff zum Symbol sowjetischer Kriegsverbrechen werden lassen. Als der Frühling kam und das Eis brach, schwemmte das Wasser Tausende von Körpern an den Strand.


      DER SPIEGEL

      Vorstoß aus dem Osten


      Fluchtpunkt Pillau: Das Hafenstädtchen an der Nehrung zeigt sich diesem Ansturm durchgefrorener Eiswanderer nicht gewachsen. Am 26. Januar ist dort auch noch die Munitionsfabrik in die Luft geflogen und hat weite Teile der Stadt verwüstet. Am Hafenkai steht unverrückbar eine Menschenmauer und wartet auf eine Schiffspassage. Wer in dem Gedränge ins eisige Wasser fällt, hat keine Chance mehr.

      Für Sonntag, den 28. Januar, werden 8000 Flüchtlinge erwartet, es kommen aber 28 000, viele per Schiff aus dem nahen Königsberg. Die Kriegsmarine bringt die Menschen provisorisch in Kasernen unter.

      Wenn Boote anlegen, um Passagiere für die großen Schiffe aufzunehmen, die auf der Ostsee liegen, gibt es regelmäßig ein Chaos am Kai. Frauen werfen ihre Kinder den Rettern ins Wasser entgegen, nur um wenigstens ihnen einen Platz zu sichern - und damit sie an Land nicht totgedrückt werden.

      Am Abend dieses Tages lässt Gauleiter Koch bei den Behördenchefs in Königsberg eine Losung durchrufen: Am nächsten Vormittag sei Dienstbesprechung in Fischhausen. Die Ortschaft liegt auf der Straße nach Pillau. Es handelt sich um einen verdeckten Fluchtbefehl.

      Zum 5. Teil



      IN SPIEGEL ONLINE

      · SPIEGEL-GESPRÄCH: Historiker Hans-Ulrich Wehler über die Wiederkehr einer verdrängten Debatte (25.03.2002)

      · Titel: Die Deutschen als Opfer - der neue Blick auf die Vergangenheit (25.03.2002)







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      ©
      Avatar
      schrieb am 23.03.02 21:10:17
      Beitrag Nr. 7 ()
      D R U C K V E R S I O N



      25. März 2002




      TITEL

      "Vater, erschieß mich!" (5)

      Zurück zum 4. Teil
      Danach gibt es kein Halten mehr. Bald drängen Tausende durch den Schneesturm über die Straße nach Fischhausen. Nahe der Ortschaft Metgethen - ein Name, der später kaum minder bekannt wird als Nemmersdorf - fallen sowjetische Soldaten über die Flüchtlinge her und richten ein Blutbad an.

      Der Arzt Graf Lehndorff ist in Königsberg zurückgeblieben und schreibt in sein Tagebuch: "Wo man hinhört, überall wird heute von Cyankali gesprochen, das die Apotheken freigiebig in jeder Menge austeilen. Dabei steht die Frage, ob man überhaupt dazu greifen soll, gar nicht zur Debatte. Nur über die notwendige Menge wird verhandelt, und das in einer leichten, nachlässigen Art, wie man sonst etwa über das Essen spricht."

      Am Tag darauf umringen russische Truppen die Stadt. Königsberg, das etwa noch 100 000 Menschen in seinen Mauern beherbergt, ist abgeriegelt.

      Dieser furchtbare Januar. "Mein Gott, wie wenige in unserem Lande hatten sich das Ende so vorgestellt", notierte nach ihrer Ankunft im Westen Gräfin Dönhoff, die um diese Zeit irgendwo durch die Kälte reitet: "Das Ende eines Volkes, das ausgezogen war, die Fleischtöpfe Europas zu erobern und die Nachbarn im Osten zu unterwerfen."

      Das Ende? Es wird noch dauern.

      Am 30. Januar versinkt die "Wilhelm Gustloff" mit annähernd 10 000 Flüchtlingen und Soldaten auf dem Weg nach Westen in der Ostsee. Und am Strand nahe Pillau, wo trotz dieser Nachricht immer mehr Menschen auf immer neue Schiffe klettern, ist wenige Stunden später ein makabres Feuerwerk zu besichtigen.

      Das ist die Leuchtmunition von SS-Leuten. Sie brauchen Licht, um 3000 Häftlinge in der Dunkelheit am Strand zu erschießen. Die Opfer, meist Frauen, kommen aus dem KZ Stutthof. In Pillau, hatte man ihnen vorgegaukelt, würden sie auf Schiffe verladen. Nun umspült das gleiche Ostseewasser ihre Leichen und die der "Gustloff"-Passagiere.

      Der Westen - das ist nicht nur die verheißungsvolle Richtung deutscher Opfer, sondern auch deutscher Täter. Unter die Flüchtenden reihen sich immer wieder besondere Trecks - abgezehrte Gestalten in schmutzig grauen Häftlingslumpen: Die SS räumt ein KZ nach dem anderen.

      Todesmärsche werden die Elendszüge genannt, weil die SS-Männer Tausende erschossen und erschlagen am Straßenrand zurücklassen.

      Anfang Februar gab es dann kein deutsches Ostpreußen mehr. Von winzigen Zipfeln abgesehen, war der Vorposten des Reiches im Osten fest in sowjetischer Hand. In Oberschlesien begann nun erst die Flucht aus den Dörfern. Viele Menschen versuchten Sachsen zu erreichen, andere zogen in Panik übers Riesengebirge in die Sudeten und wurden dort Opfer der ersten von den Tschechen in Gang gesetzten Vertreibungen.

      Wohin noch fliehen? Was auch immer die Deutschen auf den Straßen unternahmen, wohin sie sich auch wandten - sie erlebten sich als Gejagte. Als Opfer der Kälte, der Rotarmisten, der SS oder zuletzt der Tschechen.

      Gab es denn keine Macht, keinen Mächtigen, der diesem Elend ein Ende hätte machen können?

      Keinen. Es war ja Krieg. Noch drei Monate lang, bis zum 8. Mai, würde noch weiter gestorben, geschossen, gebombt.

      Am 7. Februar findet die vierte Vollsitzung der Konferenz von Jalta statt. Die entscheidenden Männer der USA, Englands und der Sowjetunion, Franklin D. Roosevelt, Winston Churchill und Josef Stalin, sitzen da unter Palmen beisammen, um über die Neuordnung Deutschlands und Polens nach dem Sieg der Alliierten zu sprechen.

      Churchill greift dabei einen Kernpunkt eher beiläufig auf. Die Engländer, sagt er, würden über eine Massenaussiedlung aus dem Osten vielleicht schockiert sein, er selbst aber nicht. Stalin bemerkt, die meisten Deutschen seien ja sowieso bereits vor der Roten Armee geflohen. Darauf der Brite: Das vereinfache die Sache natürlich.

      An der Ostseeküste bahnt sich das nächste Drama an. In Pommern herrscht noch immer Fluchtverbot, und die Räumungspläne - Codenamen "Regen" und "Hagel" -, die etwa im Kreis Deutsch Krone endlich realisiert werden sollen, bleiben auf Geheiß Himmlers bis fast zuletzt in den Schubladen. Ein Referent meldet dem zuständigen Landrat, dass der Reichsführer SS den Befehl über die Heeresgruppe Weichsel persönlich übernommen hat - zur Besorgnis kein Grund.

      Wenige Tage später wird der Kreis in letzter Minute doch noch geräumt. Russische Panzer schneiden dann alle Wege nach Westen ab.

      Die Schlinge um die Flüchtlinge ist gelegt, und langsam zieht Stalin zu. Richtung Norden, an die Ostseeküste, in den Hafen von Kolberg, der Hansestadt, fliehen die Menschen. Kolberg - hier hatten preußische Truppen einst gegen Napoleon ausgeharrt; Goebbels hatte darüber rasch noch einen berüchtigten Propagandastreifen drehen lassen. Doch die Geschichte wiederholt sich nur selten, dieses Mal fällt die Stadt.

      Die Angst vor den Rotarmisten lässt die Menschen in den großen Kesseln an der Küste sogar Richtung Osten, also wieder zurück nach Westpreußen irren - solange noch die Hoffnung besteht, von dort irgendwie wegzukommen.

      Seit dem 7. März wird nun auch in Pommern den Apothekern nahe gelegt, Gift an Frauen rezeptfrei abzugeben - und zwar großzügig. Wozu noch Vorräte horten, wenn morgen die Welt untergeht?

      Ausgerechnet Pommern und Westpreußen, diese kargen Gebiete, die dem spröden Menschenschlag dort nie viel zu bieten hatten, werden zur Hoffnung. Denn von hier, von Danzig, von Gotenhafen, von Kolberg gehen die rettenden Transporte ab, die Zehntausende nach Westen bringen - bis die Städte nacheinander der Roten Armee anheim fallen wie Steine in einem Dominospiel.


      DAS VERSAGEN VON DÖNITZ

      Bis zuletzt unbesetzt bleibt in der Danziger Bucht lediglich eine schmale, vorgelagerte Landzunge, die von Westen her wie ein Blinddarm ins Ostseewasser reicht. Da, wo der Darm spitz endet, liegt Hela, ein Hafenstädtchen, das für Tausende und Abertausende bis in den Mai hinein ein Ort der Hoffnung ist.

      Und es kommen tatsächlich Schiffe. Sie sammeln sich außerhalb der Danziger Bucht, werden zu Geleitzügen zusammengestellt und fahren bei Einbruch der Dunkelheit, gesichert von Einheiten der Kriegsmarine, ohne Licht und Funkverkehr in den Hafen.

      Gut eine Million Menschen versuchten in den letzten Kriegsmonaten, über die Ostsee den Westen zu erreichen. Eine großartige Leistung in all dem Jammer, so scheint es - und so verbreiten es auch später Großadmiral Karl Dönitz, Hitlers Nachfolger in den letzten Tagen des Dritten Reiches, und seine Helfer.

      Die Rettung der Flüchtlinge sei sein "vordringliches Anliegen" gewesen.

      Doch gerade Dönitz zögerte viel zu lange, die knappen Brennstoffvorräte für die Flotte zur Evakuierung der Menschen freizugeben. Hätte er schon früher die ja durchaus vorhandenen Kapazitäten eingesetzt, so der Historiker Heinrich Schwendemann, "hätten sowohl die Bevölkerung als auch die Soldaten aus den Kesseln an der Ostsee vollständig abtransportiert werden können".

      Statt der vielen Kleinen setzen sich die Großen ab; jene, die für den Schlamassel die Verantwortung tragen.

      Am 27. April geht in Hela Erich Koch, ein fanatischer Menschenschinder, an Bord des Eisbrechers "Ostpreußen". Als Gauleiter in Ostpreußen ließ er bis zum Schluss alle Fluchtvorbereitungen als Defätismus verfolgen - die Russen, krakeelte Koch, würden niemals deutschen Boden betreten.

      Also war ihm seine eigene Flucht so unangenehm, dass er dem Kapitän des Eisbrechers befahl, die an Bord befindlichen Zivilisten zurückzulassen. Doch Ostpreußen gab es nicht mehr und daher auch keinen Gauleiter. Der Kapitän weigerte sich, den großkotzigen Anweisungen zu folgen. Der Statthalter des Führers, der dennoch heil über die Ostsee kam, nannte sich künftig Rolf Berger und wurde erst 1949 von den Briten verhaftet.

      Am letzten Tag des Krieges hisst Elisabeth Erbrich, die einige Wochen zuvor mit einem gekochten Huhn in der Handtasche aus Breslau floh, in einem Dorf im Erzgebirge die weiße Fahne. Bis nach Sachsen hat es die Schlesierin geschafft - und nun ziehen die Russen dort ein, die massenhaft vergewaltigen.

      Die Häuser wurden geplündert. "Circa 40 Mal", wird sie später zu Protokoll geben, "mussten wir in der Nacht am 7. Mai die Tür öffnen."

      Wenige Wochen danach befiehlt der kommissarische Bürgermeister allen Flüchtlingen, binnen kurzem in ihre Heimat zurückzukehren.

      Folglich packt sie wieder den Handwagen und schlurft tagelang zu Fuß Richtung Osten durch die öde, verbrannte Frühlingslandschaft.

      Wie es "zu Hause" aussieht, hat Elisabeth Erbrich nie mehr erfahren. Auf der Brücke über die Neiße steht ein polnischer Offizier und erklärt ihr tonlos, dass die Grenzen geschlossen sind.

      THOMAS DARNSTÄDT, KLAUS WIEGREFE
      Avatar
      schrieb am 23.03.02 21:23:59
      Beitrag Nr. 8 ()
      Avatar
      schrieb am 23.03.02 22:01:27
      Beitrag Nr. 9 ()
      Paul Celan

      TODESFUGE

      Schwarze Milch der Frühe
      wir trinken sie abends wir trinken sie mittags und morgens
      wir trinken sie nachts
      wir trinken und trinken
      wir schaufeln ein Grab
      in den Lüften
      da liegt man nicht eng

      Ein Mann wohnt im Haus
      der spielt mit den Schlangen
      der schreibt
      der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland
      dein goldenes Haar Margarete
      er schreibt es und tritt vor das Haus
      und es blitzen die Sterne
      er pfeift seine Rüden herbei
      er pfeift seine Juden hervor
      läßt schaufeln ein Grab in der Erde
      er befiehlt uns
      spielt nun zum Tanz

      Schwarze Milch der Frühe
      wir trinken dich nachts
      wir trinken dich morgens und mittags
      wir trinken dich abends
      wir trinken und trinken

      Ein Mann wohnt im Haus
      und spielt mit den Schlangen
      der schreibt
      der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland
      dein goldenes Haar Margarete

      Dein aschenes Haar Sulamith
      wir schaufeln ein Grab in den Lüften
      da liegt man nicht eng

      Er ruft
      stecht tiefer ins Erdreich
      ihr einen
      ihr anderen singet und spielt
      er greift nach dem Eisen im Gurt
      er schwingts seine Augen sind blau
      stecht tiefer die Spaten ihr einen
      ihr andern spielt weiter zum Tanz auf

      Schwarze Milch der Frühe
      wir trinken dich nachts
      wir trinken dich morgens und mittags
      wir trinken dich abends
      wir trinken und trinken

      ein Mann wohnt im Haus
      dein goldenes Haar Margarete
      dein aschenes Haar Sulamith
      er spielt mit den Schlangen
      Er ruft spielt süßer den Tod
      der Tod ist ein Meister aus Deutschland
      er ruft
      streicht dunkler die Geigen
      dann steigt ihr als Rauch in die Luft
      dann habt ihr ein Grab in den Wolken
      da liegt man nicht eng

      Schwarze Milch der Frühe
      wir trinken dich nachts
      wir trinken dich mittags
      der Tod ist ein Meister aus Deutschland
      wir trinken dich abends und morgens
      wir trinken und trinken
      der Tod ist ein Meister aus Deutschland
      sein Auge ist blau
      er trifft dich mit bleierner Kugel
      er trifft dich genau
      ein Mann wohnt im Haus
      dein goldenes Haar Margarete
      er hetzt seine Rüden auf uns
      er schenkt uns ein Grab in der Luft
      er spielt mit den Schlangen und träumet
      der Tod ist ein Meister aus Deutschland
      dein goldenes Haar Margarete
      dein aschenes Haar Sulamith
      Avatar
      schrieb am 23.03.02 22:10:21
      Beitrag Nr. 10 ()
      :mad:

      alter bist du scheisse odda was:mad:

      er postet hier die titelgeschichte

      die heut noch 1dm kostet!!!!!!


      sei froh du kleiner idiot


      und müll hier nicht den thread zu
      Avatar
      schrieb am 23.03.02 22:13:57
      Beitrag Nr. 11 ()
      @ Tristan

      Armer Mensch !!! :laugh:

      wo ist Isolde ???????????????????

      aber respekt, Wagner, saubere, reine Musik !!!!!! :laugh:

      ps. Posten, mein Freund, tue ich was ich will, ist das Klar ?
      Avatar
      schrieb am 23.03.02 23:27:23
      Beitrag Nr. 12 ()
      also,was ich schreiben wollte,als dieser thread hier kurz gelöscht (??) war:

      Unfassbar,zu was für Taten Menschen fähig sind.Solche Texte muss man lesen,um sich daran zu erinnern,wie gut wir es im Moment hier haben.
      Avatar
      schrieb am 23.03.02 23:39:14
      Beitrag Nr. 13 ()
      @ Ariminos

      Das stimmt. Viele wissen den Wohlstand und Frieden nicht (mehr) zu schätzen, sondern nehmen es als völlig normal hin.
      Bin gespannt wie sie reagieren werden wenn sich einmal ändern sollte..... :(
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 00:03:07
      Beitrag Nr. 14 ()
      Ja, Ariminios.
      Schade nur, daß manche (weehaa)sich nicht schäbig dabei vorkommen, nach solchen Texten ein ideologisches Süppchen zu kochen (ideologisch ist noch wohlwollend).
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 00:06:47
      Beitrag Nr. 15 ()
      mir vergeht dir lust bei solchen typen wie weehaa hier


      alles was irgendwie verbrechen anderer schildert ist rechts des kotzt mich so an des gibts gar nicht


      :mad:
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 00:52:16
      Beitrag Nr. 16 ()
      Wirklich weehaa,ich bin ja sonst auch kein Freund von Prinzeugen,aber hast Du den Text überhaupt gelesen? Der ist nun wirklich nicht rechts oder irgendwas.Im Gegenteil,es wird sogar mehrmals angesprochen,welchen Irrsinn Hitler mit seinem "totalen Krieg" hervorgerufen hat.

      Du solltest Dir wirklich die Zeit nehmen alles zu lesen.
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 01:05:49
      Beitrag Nr. 17 ()
      @Weehaa:

      Die Wahrheit ist unteilbar.
      Einen Teil zu verschweigen bedeutet genauso eine Verfälschung wie eine falsche Darstellung. Stimmst Du dem zu?
      Und teil mir (uns) doch bitte mit, welchen Zweck Dein Posting verfolgte!

      @alle:

      Es ist schon beeindruckend bzw. bedrückend, was der Spiegel hier veröffentlicht (wahrhaftig kein dumpfes Schmierenblatt)!
      Ich hatte schon versucht, den Artikel zu lesen, aber er wollte sich nicht laden lassen. Vielen Dank an Prinzeugen.

      Ich habe vorhin noch 2 andere Artikel gefunden auf der Übersichtsseite http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,k-1247,00.html , die zeigen, wie anfällig jedes Volk für Geschichtsklitterung ist, wenn es gilt, sich der unangenehme Notwendigkeit zu stellen, die vollständige eigene Geschichte anzuerkennen:

      http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,157304,00.html
      http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,157303,00.html

      Vermutlich werden nun wieder Manche argwöhnen, das sei ein Aufrechnungsversuch...
      Ist es aber nicht.


      DerMusiker
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 01:06:03
      Beitrag Nr. 18 ()
      @ Ariminios

      Also wirklich der Text ist nicht Rechts. Hab ich das irgendwo gesagt ?????
      Komisch das alle immer den Gedichtklassiker von Celan so allergisch auffassen :(

      ps. Weshalb die deutschen im Osten so "beliebt" waren, darüber sollte man auch mal nachdenken, oder ?
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 01:20:50
      Beitrag Nr. 19 ()
      der letzte satz war wieder überflüssig;)
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 01:59:51
      Beitrag Nr. 20 ()
      @ musiker

      Klar ist die Wahrheit unteilbar.
      Und was den Deutschen dort angetan wurde ist natürlich ein Verbrechen. Denke darüber muss herrscht klarheit.
      ABER: Ich kann den Hass in dieser Zeit auf die deutschen
      auch nachvollziehen. Schliesslich waren sie es die mit der
      ganzen Scheisse angefangen haben, und noch viel mehr um-
      gebracht haben in den Ostländern. Das diese, die ich nicht gutheisse aber emotional Verstehen kann, Reaktion auf alles
      was "Deutsch" war folgte ist nur eine logische Folge.
      Die Todesfuge von Celan sollte darauf hindeuteten das die Deutschen die Hauptverbrecher und Verursacher des 2.Weltkrieges waren, und sonst niemand. Ohne diesen Wahnsinn von Hitler wären auch diese deutschen nicht
      massakriert worden. Somit hat der Verrückte auch noch diese Menschen auf dem Gewissen.
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 02:02:13
      Beitrag Nr. 21 ()
      Ja weehaa.Es wird auch mehrmals in dem Text angesprochen und klargestellt,dass Hitler angefangen hat.
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 02:04:32
      Beitrag Nr. 22 ()
      NA dann sind wir und doch einig Ariminios.

      Wer hass sät, erntet gewalt, gell ?
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 02:06:04
      Beitrag Nr. 23 ()
      ja.
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 02:13:13
      Beitrag Nr. 24 ()
      weehaa #22
      Hoffe Deine Einstellung ist neuerdings Global.;)
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 02:27:00
      Beitrag Nr. 25 ()
      ooooch oktopodius,

      du weisst ganz genau das G.W.Bush ausserhalb der normalen
      Regeln der Politik steht. Er ist nämlich was ganz besonderes
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 10:14:48
      Beitrag Nr. 26 ()
      "Ohne diesen Wahnsinn von Hitler wären auch diese deutschen nicht massakriert worden. Somit hat der Verrückte auch noch diese Menschen auf dem Gewissen."

      Klar, der Adolf war an allem schuld. Die zigtausenden Befehlsausführenden in Partei und Wehrmacht haben nur ihre Pflicht getan, die konnten nix dafür. Und das KZ-Personal kann auch nix dafür, schließlich mußte ja irgendwer diese Arbeit tun. (Manchen hat`s sogar Spaß gemacht, und das ist doch schön, wenn quasi die Pflicht zum Vergnügen wird.) Und alle diese kleinen karrieregeilen Schweine, für die der ostpreußischen Gauleiter Erich Koch als Beispiel dienen möge, die waren doch alle nur vom Adolf verführt und verdorben...
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 11:45:58
      Beitrag Nr. 27 ()
      @ Prinz Eugen

      Schwerer Kreuzer stell Dir vor dein Heimatland wird von einer Horde Barbaren überfallen , die 25 Mio Mitmenschen Deines Volkes bestialisch ( Todesfuge ) massakrieren ! Gefangene werden zwar gemacht aber eigentlich auch wieder nicht ( 60 % lässt man systhematisch Verhungern ) ! Man fängt Deine Freunde wie Vieh und läd sie in Viehwaggons um Sie als Sklavenarbeiter zu Tode zu bringen . Man lässt dein Vieh töten deine Verwandten , deine Dörfer brennt man nieder . Kurz man Vernichtet deine Lebensgrundlage da es ein Vernichtungskrieg ist den die Barbaren führen !

      Nach 4 Jahren erbitterter Abwehr Schlacht hast du diese Barbaren unter unvorstellbaren Qualen besiegt und stehst in Ihrem Land ! Die Barbaren Familien wissen natürlich was ihre Väter in dem fremden Land angerichtet haben : und flüchten zurecht, denn die Rache wird furchtbar sein !

      Und sie ist zutiefst menschlich !

      Hier gibt es nichts zu beschönigen oder zu bedauern der Sieger stellt die Rechnung aus !

      Und Deutschland hat bezahlt .

      M_B_S
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 14:19:45
      Beitrag Nr. 28 ()
      @M_B_S

      Nein nein nein, so geht´s eben nicht!
      Nichts dagegen, daß Du drastische Formulierungen wählst, um die deutschen Verbrechen im Osten zu beschreiben, aber die Konsequenz zu ziehen, durch sie sei jedes Verbrechen der Gegenseite sanktioniert, ist zutiefst falsch und ärgerlich.

      Mit welchem Recht, mit welcher moralischen Legitimität willst Du denn Verbrechen als Verbrechen benennen und brandmarken und im selben Atemzug Verbrechen der Angegriffenen als berechtigte "Rache" entschuldigen und umdeuten?

      Rache? Eigentlich sollte schon die Bedeutung dieses Wortes dafür sorgen, sie zu ächten.

      Es ist ein Riesenunterschied, den jeder begreifen sollte, daß die Gefühle von Haß und Wut, das Bedürfnis nach Rache nach solchem erlittenen Leid zutiefst menschlich sind, nicht aber das tatsächliche Wüten einer entfesselten Soldateska.
      Daß die Millionenstadt Leningrad mit Hungerfolter überzogen wurde, ist ein Verbrechen, aber nicht das Niederwalzen und Zerbomben von Flüchtlingstrecks? Das Erschießen von Zivilisten seitens der Deutschen ja, aber das Vergewaltigen durch russische Soldaten nicht?

      Warum hat denn dann nicht die ganze rote Armee so gehandelt?
      Und warum mußten, wenn nach Deiner Darstellung die Deutschen nur zu Recht für eigene Untaten büßen mußten, ausgerechnet die Bewohner der Ostgebiete dies erleiden, und da wieder einige besonders (Nemersdorf, Goldap etc.)?
      Wahrheit ist unteilbar, ich sagte es schon, und es gibt keine gerechtfertigten und ungerechtfertigten Verbrechen. Alles andere ist das Verfälschen und Hinbiegen von Fakten und Begründung, wie es einem in den Kram paßt.

      "Hier gibt es nichts zu bedauern"?

      Doch!


      Der Musiker
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 14:47:24
      Beitrag Nr. 29 ()
      Noch etwas:

      Ich glaube nicht, daß ich mich irre, wenn ich in dem Beitrag von M_B_S die Einstellung erkenne, man könne die deutschen Verbrechen und das durch die Deutschen verursachte Leid gar nicht schlimm genug schildern, und angesichts dessen habe man über das Leid auf der eigenen Seite eigentlich zu schweigen.

      Ich bin überzeugt, daß mit dieser Einstellung die eigene Vergangenheit eine offene Wunde bleiben muß; da kann kein Heilungsprozeß einsetzen.

      Dazu folgender Spiegelartikel; die Hervorhebungen sind von mir:


      DER SPIEGEL 40/2001 - 01. Oktober 2001
      URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,160039,00.html

      Teil 22 - Nationale Identität
       
      Mysterium Germaniae

      Nach zwei selbstverschuldeten und verlorenen Weltkriegen suchen Deutsche ihre Identität eher in Europa als in der eigenen Nation - warum eigentlich? Plädoyer für ein entkrampftes Selbstwertgefühl. / Von Richard Schröder

      Die Aktion lief unter dem Motto "Kochen für ein weltoffenes Deutschland". Ein Küchenmesser-Händler hatte Meisterköche engagiert, die für 200 Mark pro Person ein fabelhaftes Menü zauberten. Die Köche verzichten auf ihr Gehalt, die Hälfte der Einnahmen soll an eine Initiative gegen Ausländerfeindlichkeit gehen, was noch das Beste an der Sache ist.

      Auf die Frage, wie diese Idee zu Stande gekommen sei, antwortete einer der Teilnehmer: "Diese Neonazis, da dürfen wir nicht länger wegsehen." Deshalb wolle er jetzt etwas dagegen tun, also "Kochen gegen rechts". Ich wünsche guten Appetit beim Schmausen gegen das Grausen.

      Zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz fand diesmal in Berlin eine prominent besetzte Veranstaltung statt. Motto: "Wehret den Zuständen", denn, so erklärte eine Rednerin, die Anfänge hätten wir ja bereits hinter uns. Gemeint waren die Anfänge des Weges nach Auschwitz. Das ist zwar haarsträubender Unfug, hat aber den Beifall nicht geschmälert.

      "Wehre den Anfängen", hatte Ovid in Sachen Flirt geraten, es könnte schneller ernst werden mit der Liebe, als es einem hinterher lieb ist. Unter Deutschen ist das liebliche Zitat ein bleischwerer Klotz im Betroffenheitsritual geworden. Tu etwas! Später ist zu spät. Aber was eigentlich? Beispielsweise kochen gegen rechts.

      Auch ein anderes Zitat hat der tiefsinnige Deutsche für seine Rituale lieb gewonnen: "Denk ich an Deutschland in der Nacht ..." Die Pünktchen beweisen Kennerschaft - auch Heinrich Heine wusste also schon vom Fluch, der auf Deutschland lastet. Stimmt das so wirklich? Das wollte ich doch mal genau wissen.

      "Nach Deutschland lechzt ich nicht so sehr, wenn nicht die Mutter dorten wär. Das Vaterland wird nie verderben, jedoch die alte Frau kann sterben." Folglich: Kein metaphysisches Mysterium Germaniae, sondern die Sohnesliebe brachte Heine um den Schlaf. Und die da Heine mit besorgter Miene zitieren, haben sicherlich keine Schlafstörungen Deutschlands wegen. Sie behaupten bloß, dass man sie haben müsste. Sie leben nicht schlecht und essen gut, aber zwischendurch heben sie ab und müssen böse Geister bannen.

      So etwas Ähnliches ist unserem Heine schon 1844 aufgefallen: "Franzosen und Russen gehört das Land, das Meer gehört den Briten, wir aber besitzen im Luftreich des Traums die Herrschaft unbestritten." Inzwischen haben wir unsere Herrschaft um das Luftreich des Alptraums erweitert.

      Da wäre die Berliner Republik allerdings auf Dauer schlecht aufgehoben. Gespensterfurcht ist nicht ganz harmlos. Sie macht das Haus, in dem man an sich gut leben könnte, unheimlich. Sie macht angesichts der eingebildeten ganz großen Bedrohung blind für scheinbar banalere, gleichwohl ernste Gefahren. Ganz zu schweigen von den verheerenden Auswirkungen, wenn wirkliche Menschen als die bösen Geister gebrandmarkt werden - wie vergangenes Jahr in Sebnitz.

      1990 ist Deutschland in die Mündigkeit entlassen worden und die DDR in die Freiheit. Aber Mündigkeit und Freiheit verlangen den Menschen auch etwas ab. Das Leben unter Vormundschaft mit beschränkter Haftung hatte auch seine Bequemlichkeiten und bot Platz für Marotten.

      Dazu kommt: Wir haben Schwierigkeiten mit diesem "Wir": Wir Deutsche. Deutschland ist keine Idylle. Probleme haben wir genug. Es sind aber im Wesentlichen dieselben, die unsere Nachbarn haben, die Probleme einer modernen Gesellschaft im Zeitalter der Globalisierung.

      Deutschland hat keine historische Mission, aber es steht unter einem geographischen Imperativ: Das europäische Land mit den meisten Nachbarn muss sich wie kein anderes vor zwei Sonderwegen hüten - der Selbstvergrößerung und der Selbstverkleinerung. Beides, nicht der Größenwahn allein, stiftet Misstrauen bei den Nachbarn. Sie erwarten, dass wir leisten, was wir nach unserer tatsächlichen Potenz tatsächlich leisten können.

      Dass wir uns mit dieser Einsicht so schwer tun, liegt nicht zuletzt an der Gegenwart unserer Vergangenheit. Denn diese anzuerkennen, ohne dass sie uns zum Klotz am Bein auf dem Weg zur Mündigkeit wird und als Ausrede dient - das ist noch nicht geleistet.

      Mitte der neunziger Jahre bin ich nach Washington eingeladen worden zu einer kleinen Gesprächsrunde von Deutschen mit Amerikanern, die an amerikanischen Hochschulen über den Holocaust lehren. Ein Teilnehmer trug Folgendes vor: Auch unter den amerikanischen Juden wirke sich die Säkularisierung aus. Viele verstehen sich nicht mehr von Gottes Erwählung her, sondern sehen ihre Identität im Holocaust begründet: die Juden, das Volk der unsäglichen Opfer. Diese Identität sei aber, einer Waage gleich, nur stabil, wenn die Deutschen den Holocaust in ihre Identität aufnehmen und sich als das Volk der Täter verstehen.

      Ich habe geantwortet, das sei unmöglich. Das würde ja heißen, dass wir uns als das verworfene Volk definieren. Jedes Volk sei frei in der Definition seiner Identität. Mit der Selbstdefinition über andere aber hätten wir Deutschen sehr schlechte Erfahrungen gemacht - wir haben uns nämlich viel zu lange über den Erbfeind Frankreich definiert. Eisiges Schweigen. Da muss ich wohl etwas Unpassendes gesagt haben.

      Auch etwas Verkehrtes? Nein. Wir sind aber jetzt an einem Punkt, an dem sich kleine Missverständnisse verheerend auswirken und Beifall von der falschen Seite alles ins Zwielicht rücken kann.


      Die Verbrechen der Nazi-Zeit sind unaufhebbar Teil der deutschen Geschichte. Unser nationales Erbe ist mit dieser Hypothek belastet. Wer dafür haftet, ist seit 1990 klarer als zuvor. Haften soll hier heißen: die Hypothek einer historischen Schuld anerkennen, sie weder leugnen noch verkleinern, noch aufrechnen.

      Passé sind jedenfalls zwei deutsche Ausreden - der Antifaschismustrick der DDR, die Ostler gehörten an der Seite der Sowjetunion zu den Siegern der Geschichte, und ebenso die westliche Patentformel, die Vertröstung auf einen zukünftigen Friedensvertrag. Denn wir haben inzwischen den "Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland" (Zwei plus Vier) vom 12. September 1990. Wer haftet, ist also endgültig klar: Wir, Deutschland. Deshalb muss auch klar sein, wofür wir haften.

      Sicherlich: Finanzielle Haftung kann nicht adäquat, sondern nur symbolisch sein und muss - schon der Rechtssicherheit wegen - begrenzt werden. Aber was damals geschehen ist und warum, muss uns bewusst bleiben. Es ist deshalb auch ganz in Ordnung, dass das Interesse an der Nazi-Zeit seit 1990 eher stärker als schwächer geworden ist. In Ostdeutschland muss das Zerrbild des Antifaschismus-Mythos korrigiert werden.

      Denn der definierte den "Faschismus" (vom "Nationalsozialismus" sprach man aus nahe liegenden Gründen lieber nicht) als die Ideologie der aggressivsten Kreise des Monopolkapitals und sah dessen Hauptverbrechen in der Verfolgung der Kommunisten und dem Krieg gegen die Sowjetunion. Die Faschisten, das waren immer die anderen. "Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch" (Brecht), drüben nämlich in der kapitalistischen Bundesrepublik. Diese Klassenkampfperspektive war eine salvierende Verharmlosung.

      Dagegen hat sich nach anfänglichem Zögern die westdeutsche Öffentlichkeit schonungslos dem Hauptverbrechen gestellt, der Massenvernichtung vor allem der Juden und ihrer Ermöglichung durch massenhaft bejahte, mindestens aber tolerierte Entrechtung von Mitbürgern. Der Schoß, aus dem das kroch, war nicht eine Klasse, sondern Blindheit, Verführbarkeit und falsche Begeisterung der Mehrheit unserer Eltern und Großeltern. So etwas sich einzugestehen fällt immer schwer und ist auch international nicht gerade üblich.

      Wenn ich das alles anerkenne, warum widerspreche ich dann der Forderung, diese Verbrechen in unsere nationale Identität aufzunehmen?

      Weil wir auch von einem Mörder, der seine Tat gestanden hat, nicht erwarten dürfen, dass er in Zukunft auf die Frage "Wer bin ich?" nur dies eine zu sagen weiß - ein Mörder. Nein, werden wir entgegnen: Du warst nie nur ein Mörder, und du hast auch eine andere Zukunft als nur dieses Stück deiner Vergangenheit.

      Wenn aber so jemand anfinge, damit zu kokettieren, dass er ein Mörder ist, sich also mit seiner Verworfenheit interessant machte, wäre das unerträglich.

      So etwas gibt es auch unter uns, den Nationalismus mit negativem Vorzeichen. 1990 wurde in Berlin und Frankfurt am Main demonstriert unter den Losungen "Deutschland muss sterben, damit wir leben können" und "Nie wieder Deutschland". An Berliner Hauswänden habe ich gelesen: "Deutschland, halt`s Maul." Jeder demonstriert, wie er will. Aber er blamiert sich auf eigene Rechnung. Und das muss man ihm nicht verheimlichen.


      ------------------------------------------------------------------------

      Der westliche Kult um das schreckliche Mysterium Germaniae hat mich 1990 völlig überrascht. Das muss ich erklären. Die DDR-Verfassung von 1949 war ebenso wie die DDR-Hymne für ganz Deutschland gemacht. "Es gibt nur eine deutsche Staatsbürgerschaft."

      "Glück und Frieden sei beschieden Deutschland, unserm Vaterland", reimte unser unglücklicher Kulturminister Johannes R. Becher. Die ersten Jugendweihe-Teilnehmer sind noch auf den Kampf für die Einheit Deutschlands verpflichtet worden. In den siebziger Jahren aber verlor die Nationalhymne ihren Text. Nur noch Noten standen im Schulbuch.

      Unter Erich Honecker wurde die Verfassung von 1968, unsere zweite, revidiert. Aus dem "sozialistischen Staat deutscher Nation" wurde der "sozialistische Staat der Arbeiter und Bauern". Das Kennzeichen "D" musste von den Autos abgeschraubt werden, da kannte unsere Polizei kein Pardon. Und die Fahne hatte noch unter Walter Ulbricht das Emblem ("Blemblem" genannt) bekommen: Hammer und Zirkel im Ährenkranz.

      Von polnischen, tschechoslowakischen, ungarischen Kommunisten hörten wir, sie seien erstens Polen, Tschechoslowaken, Ungarn und zweitens Kommunisten. In der DDR dagegen musste das Wort "sozialistisch" das Wort "deutsch" übertönen. Honecker machte sich als sozialistischer Besserwisser bei seinen Kollegen unbeliebt.

      Aber der Gedanke an die deutsche Einheit, im Osten nunmehr als revanchistisch geächtet, im Westen nicht selten als reaktionär apostrophiert, entwickelte eine heimliche subversive Kraft gegen die Diktatur, nicht auf Papier, selten in Worten, aber in den Köpfen, als Fluchtgedanke: nichts wie weg hier und nach drüben!

      Drüben, das war weder die Schweiz noch Österreich, wo man auch ohne Fremdsprache durchkommt, sondern "der Westen" Deutschlands.

      Dann kamen die Herbstdemonstrationen. Noch vor dem Fall der Mauer forderten Plauener Demonstranten die deutsche Einheit, aufgebracht durch die Sperrung der Grenze zur -SSR und die durchreisenden Züge mit den Prager Botschaftsflüchtlingen. Am 20. November 1989 skandierten die Leipziger Montagsdemonstranten aus der DDR-Nationalhymne "Deutschland einig Vaterland".

      Das war noch schlitzohrig mit Rückversicherung: Die Nationalhymne wird man doch wohl zitieren dürfen. Dazu ein Meer von Fahnen, schwarz-rot-goldenen und grün-weißen sächsischen, denn auch die waren seit der Abschaffung der Länder (1952) verboten.

      Ich weiß noch genau, wie westliche Kommentatoren, inzwischen reichlich in Leipzig vor Ort, indigniert waren über das Fahnenmeer. Sie sahen die republikanische Revolution "Wir sind das Volk" umkippen in nationalistische Selbstüberhebung. Weit gefehlt. Sie haben das Loch in den Fahnen übersehen, das herausgeschnittene Emblem.

      Gemeint war der Widerruf der DDR. Und die war die Selbstüberhebung schlechthin: Westdeutschland um eine Menschheitsepoche voraus, Sieger der Geschichte und die wahre Demokratie.

      Die DDR-Bevölkerung hatte lange schon ihre Witze über das sozialistische Sendungsbewusstsein gemacht: "Der Kapitalismus steht vor dem Abgrund, wir sind einen Schritt weiter." Nun aber hatten die Menschen endgültig genug davon, das eingesperrte Versuchskaninchen in einem längst gescheiterten Experiment abzugeben, sie wollten endlich einfach Deutsche sein.

      "Wir sind ein Volk" hieß zuerst: Helft uns, wir gehören doch zusammen. Dass sich mit diesem Wunsch ein Wirtschaftswunder-Glaube verband, der enttäuscht werden musste, steht auf einem anderen Blatt. Aber nationalistischer Überhebung waren diese Losungen nicht entsprungen.

      Der frei gewählten Volkskammer war sehr bewusst, dass die Rückkehr zur deutschen Identität einige Klarstellungen verlangte. In ihrer ersten Arbeitssitzung hat sie den eitlen Antifaschismus-Anspruch der DDR widerrufen und um Entschuldigung gebeten für das, was den Juden und unseren östlichen Nachbarn von Nazi-Deutschland angetan worden ist.

      Auch für die Beiträge der DDR zum Einmarsch in die -SSR und für die feindselige Israelpolitik haben wir Abbitte geleistet. Nicht wir Ostdeutschen haben uns 1990 der Selbstüberhebung schuldig gemacht, sondern diejenigen Westdeutschen, die damals nichts verstanden und den Vorwurf des Deutsche-Mark-Nationalismus erhoben haben.

      Die alten Griechen haben sich den Mythos von den Gorgonen erzählt. Das sind die Göttinnen des Schreckens. Wer die Gorgonen, das Schreckliche also, anblickt, versteinert. Perseus besiegt die Schreckensgöttin Medusa, indem er sie durch den Spiegel seines Schildes, indirekt also, betrachtet. In diesem Mythos steckt Weisheit.


      "Allen Grund haben wir, uns vor uns als handlungsfähiger Einheit zu fürchten ...
      Wir kommen an Auschwitz nicht vorbei."
      Günter Grass (1990)

      Der unmittelbare Anblick des Schrecklichen lässt erstarren. Das gilt auch für die Bilder der Leichenberge. Sie sind zur täglichen Betrachtung schlechterdings ungeeignet. Auch beim Schrecklichen gibt es, wie beim Intimen, das schamlose Begaffen. Wer hier den Blick abwendet, beweist nicht unbedingt Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern, viel eher ein Wissen von der lähmenden, versteinernden, traumatisierenden Macht des Schrecklichen.

      Vor dem KZ Stutthof in Polen steht ein Schild, das Kindern unter 14 Jahren den Zutritt verwehrt. Nicht überall wird also behauptet, man könne diese Bilder des Schreckens nicht oft genug zeigen und sehen.

      Wir können das Schreckliche nur gespiegelt verkraften. Solche Spiegel, durch die wir uns die Schrecken der Nazi-Zeit vergegenwärtigen können, ohne zu versteinern, sind Geschichten, Biografien, wie das Tagebuch der Anne Frank oder das von Victor Klemperer. Sich mit solchen Schicksalen zu identifizieren ist etwas anderes als sich mit den Verbrechen der Nazi-Zeit zu identifizieren oder eben: sie in unsere nationale Identität aufzunehmen.

      Nachvollziehbar ist, dass jemand, den der Anblick des Schrecklichen gelähmt hat, sagt: Ich kann nicht mehr darüber froh werden, ein Deutscher zu sein. Das sollten wir respektieren. Manchmal hören wir aber ganz andere Töne, kein Leiden an der deutschen Geschichte, sondern einen neuen Stolz: Über so etwas Beschränktes wie die nationale Identität sind wir erhaben, wir sind Europäer, wir sind postnational.

      Das ist bloß ein Trick, wieder etwas ganz Besonderes zu sein und auf die Beschränktheit der anderen hinabzuschauen, die gern oder auch stolz Franzosen, Polen oder Dänen sind.

      ------------------------------------------------------------------------

      Europa ist keine Nation, sondern der Kontinent der Nationen, die zum Staatenbund zusammenrücken. Zur Ersatznation taugt es nicht. Für eine Nation "Europa" ist in Europa derzeit nur noch auf dem Wasser Platz, das Land ist bereits vergeben - oder eben "im Luftreich des Traums".

      Dort schweben diejenigen, die bloß Europäer sein wollen. Die ordinäre Zugehörigkeit zu einer der europäischen Nationen ist ihnen "ein Erdenrest, zu tragen peinlich" (Goethe).

      Wer sagt: "Ich fühle mich nicht als Vater", den fragen wir, ob er Kinder hat oder nicht. Wenn ja, dann stimmt etwas mit seinen Gefühlen nicht. Dasselbe gilt für diejenigen, die erklären: "Ich fühle mich nicht als Deutscher."

      Wenn jemand hinkt, werden wir ihn deswegen nicht bloßstellen. Wer aber behauptet, Hinken sei die einzig moderne Fortbewegungsart, und wer das nicht begreife, der sei zurückgeblieben, macht sich lächerlich.

      Bei Jugendtreffen der Ostsee-Anliegerstaaten stellt jede Delegation ihre Landesfahne vor sich auf den Tisch, nur die Deutschen nicht. Sie halten das für Nationalismus. Die anderen halten das nach anfänglicher Verwunderung nunmehr für eine deutsche Macke.

      In den skandinavischen Ländern sieht man vor vielen Wochenendhäusern die Landesfahne gehisst - unvorstellbar in Deutschland. Bitte, wir müssen das nicht nachmachen, sollten aber ganz schnell den Hochmut ablegen, wir seien deshalb den Skandinaviern eine Menschheitsepoche voraus. In Wahrheit hinken wir.

      Wir sind verklemmt, wenn es um die deutsche Nation geht, und wir sollten aus der Not keine Tugend machen. Wir überlassen sonst das Thema den Falschen, die aus der Not ein Laster machen. Denn diejenigen, die so gern zum Provozieren auf unseren Straßen martialisch marschieren, hinken auch, bloß in die andere Richtung. Sie lehnen ja in Wahrheit unser Deutschland ab, wenn sie nicht unsere Nationalhymne, sondern die erste Strophe des Deutschlandlieds singen und nicht die schwarz-rot-goldene Fahne, sondern die schwarz-weiß-rote schwingen.


      Wie kommen wir zu einem goldenen Mittelweg? Sicher nicht, indem wir nun unsere Flagge wie einen Gesslerhut grüßen und Einbürgerungswillige zu Prüfungszwecken die Nationalhymne vorsingen lassen. Aber die Bedeutung, die wir einer Sache zumessen, ist am Aufwand ablesbar, den wir für sie treiben.

      In Deutschland wird für die Aufnahme in einen Kegelverein oft ziemlicher Aufwand getrieben, bei der Einbürgerung dagegen werden die Papiere meist rübergeschoben wie eine Baugenehmigung. Das hat mir erstaunt eine Australierin erzählt, die Deutsche geworden ist. Für sie war das eine Lebenswende, für den Beamten Papierkram.

      Weil wir offenbar immer etwas Besonderes sein wollen, haben manche von uns den Nationalismus durch peinlichen Moralismus ersetzt. Das lässt sich am Antiamerikanismus illustrieren, der gerade mal wieder durch die Feuilletons geistert, weil manche die Amerikaner für hochgradig belehrungsbedürftig in Sachen Terrorismusbekämpfung halten.


      "Natürlich ist es wünschenswert, dass die Schülerinnen und Schüler Respekt vor unserer Fahne haben und das Deutschland-Lied können."
      Der hessische Ministerpräsident Roland Koch in "Bild am Sonntag" (2001)

      Der Verband deutscher Schriftsteller, der in seiner Abkürzung (VS) das "d" meidet, hat in einer Erklärung zu den "Ereignissen" vom 11. September davor gewarnt, ganze Völker und Regionen für die Anschläge verantwortlich zu machen - so weit, so gut, aber überflüssig -, "damit der Geist vom 9. November 1938 nie wieder Fuß fassen kann". Dass demnächst deutschlandweit mit staatlicher Deckung nachts die Moscheen brennen könnten, ist doch wohl ein bisschen weit hergeholt.

      Oder nehmen wir die bioethische Debatte. In innereuropäischen Diskursen wird gelegentlich von deutscher Seite gesagt: Wir haben da strengere Maßstäbe, unserer Geschichte wegen: Euthanasie, Vernichtung "lebensunwerten Lebens", verbrecherische Experimente an Menschen in den KZs. Es sollte uns zu denken geben, was die Briten dazu sagen: Erst erlaubt ihr euch die schlimmsten Verbrechen, und dann begründet ihr damit ein moralisches Sendungsbewusstsein. Verschont uns mit eurer Geschichte. Wir brauchen euren Nachhilfeunterricht in Sachen Ethik nicht. Wir sind selbst erwachsen.

      Bei einer Anhörung über den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses hat ein West-Berliner einen Polen gefragt, was er als Pole empfände, wenn dieses Symbol Preußens wieder erstehen würde.

      Der hat geantwortet: Wir haben die Marienburg wieder aufgebaut, denn die gehört auch zu unserer Geschichte. Sie war der Sitz des Deutschen Ritterordens, und der war wahrhaftig nicht immer nett zu den Polen. Das Stadtschloss und viele andere historische Gebäude hatte die SED gesprengt als symbolische Hinrichtung der deutschen Geschichte. Den Polen ist solcher historischer Waschzwang fremd - beneidenswert.

      Kürzlich hatten wir einen heftigen Zank zur Leitkultur. Der Ausdruck war unglücklich, die Sache trivial und die Aufregung hysterisch. Die deutsche Kultur ist schon immer eine europäische gewesen, weil sie immer im Austausch gestanden hat mit den anderen europäischen Kulturen, wie jede Gemäldegalerie und die Massen von Übersetzungen hin und her seit Jahrhunderten beweisen.

      Alle unsere Stil-Epochen sind europäisch. Nur deshalb konnten sich die Euro-Länder darauf verständigen, sie auf den Euro-Banknoten abzubilden.

      Erst die Nazis haben diesen Austausch abgebrochen und damit die deutsche Kultur und Wissenschaft für mehr als zwölf Jahre ruiniert. Die Kommunisten haben dasselbe zum Glück nur inkonsequent betrieben. Wir sollten die Nazi-Zeit nicht länger als Sichtblende benutzen, die unser nationales Gedächtnis beschränkt. Dahinter liegen Schätze.

      Was heißt "Ich bin Deutscher"? Nichts Besonderes, aber etwas Bestimmtes. Zweierlei, die gemeinsame Erinnerung und der Wille zu einer gemeinsamen Zukunft, verbindet uns als Deutsche. Dazu gehört auch der Verfassungspatriotismus, weil das Grundgesetz ihn verdient. Aber doch noch mehr. Ich persönlich möchte mich weiterhin noch vieler anderer guter Dinge aus deutschen Landen und deutscher Geschichte erfreuen, zum Mindesten der Reformation und der Aufklärung.

      Die Nation konstituiert ein "Wir" - allerdings nicht das einzige. Es gibt daneben größere: "Wir Europäer", und kleinere: "Wir Sachsen". Konzentrische Kreise sind das. Und es gibt grenzüberschreitende: "Wir Ärzte", "Wir Christen", "Wir Frauen".

      Seitdem es wieder einen deutschen Nationalstaat gibt, hat das nationalstaatliche "Wir" vor allen anderen drei Vorzüge: Nur auf dieser Ebene können wir wirksam handeln, nur auf dieser Ebene ist umfassender Rechtsschutz möglich. Und als Deutsche haben wir einen gemeinsamen Ruf. Es gibt gegen Ausländerfeindlichkeit und jugendliche Brutalität viele Argumente, über deren Bekehrungskraft wir uns allerdings keine Illusionen machen sollten. Es gibt auch ein nationales Gegenargument, und das ist nicht das schlechteste. Ihr blamiert uns. Ihr ruiniert Deutschlands Ruf in der Welt. Das lassen wir uns von euch nicht bieten.

      Deutschlands Ruf sollte uns, den Weltmeistern im Reisen, schon aus Eigennutz am Herzen liegen, auch aus ökonomischem. Sorge haben wir dafür zu tragen, dass dieses Wir weder das Ich verschlingt noch ein exklusives Wir wird, das sich gegen Zuwanderung sperrt.

      Seit dem 3. Oktober 1990 ist Deutschlands Lage so komfortabel wie noch nie in seiner Geschichte. Diesmal haben sich Einheit und Freiheit gereimt. Die russische Besatzungsmacht ist ohne einen Schuss abgezogen. Das dürfen wir Russland nicht vergessen.

      Erstmals in seiner Geschichte lebt Deutschland in allseits anerkannten Grenzen, umzingelt von Freunden. Denn Deutschland in den Grenzen des 3. Oktobers 1990 ist das ganze Deutschland. Wer anderes behauptet, spinnt. Und wir sind durch die europäische und atlantische Einbindung vor der deutschen Krankheit, den Sonderwegen, so gut geschützt wie noch nie.

      Was eigentlich soll uns noch um den Schlaf bringen, wenn wir an Deutschland denken?



      DerMusiker
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 15:12:07
      Beitrag Nr. 30 ()
      @ musiker

      es kann auch kein Heilungsprozess in der BRD einsetzten.
      Vielleicht in ein paar Jahrhunderten.
      Es wäre töricht das zu glauben.

      Alleine die Millionen Angehörigen von Opfern des Holocaust werden dafür sorgen das die BRD immer und immer wieder auf ihre Vergangenheit gestossen wird. Und zwar noch Generationen.

      Deutschland ist das Land der Weltkriege. Da kommt dies Land nie mehr raus aus der Ecke.
      Deshalb ist es dumm zu versuchen unsere Vergangenheit relativieren oder gar weichzeichnen zu wollen.

      schönen sonntach nochhhh.
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 15:55:36
      Beitrag Nr. 31 ()
      @weehaa:

      "es kann auch kein Heilungsprozess in der BRD einsetzten.
      Vielleicht in ein paar Jahrhunderten.
      Es wäre töricht das zu glauben.

      Alleine die Millionen Angehörigen von Opfern des Holocaust werden dafür sorgen das die BRD immer und immer wieder auf ihre Vergangenheit gestossen wird. Und zwar noch Generationen."

      Es wird entscheidend darauf ankommen, wie wir reagieren. Wenn wir in Würde die Anwürfe zurückweisen, die unberechtigt / überzogen / unverschämt sind (Beispiele: Begins Äußerungen über Helmut Schmidt, Margaret Thatcher über Deutsche allgemein), dann werden wir uns auf die Dauer wieder Achtung und Respekt wie jedes andere Volk erwerben; teilweise ist der Weg ja schon beschritten. Wer sich aber nur zu Boden wirft und "mea culpa" wimmert, bekommt in dieser Welt kalter politischer Egoismen höchstens noch Tritte dazu statt Mitleid. Tut mir leid, aber so ist es.

      "Deutschland ist das Land der Weltkriege. Da kommt dies Land nie mehr raus aus der Ecke."

      Weehaa, da ist die internationale Geschichtsschreibung schon längst weiter, besonders übrigens die angelsächsische. So eindeutig Deutschlands Schuld in Bezug auf den 2.Weltkrieg ist, so einhellig werden inzwischen die Ursachen für den Beginn des ersten bei allen europäischen Großmächten gesehen, wobei Deutschland freilich ein beträchtliches Stück zufällt.
      "Nie mehr raus aus der Ecke"? Man muß nur fest dran glauben, so wie Du anscheinend, dann besteht tatsächlich die Gefahr.


      "Deshalb ist es dumm zu versuchen unsere Vergangenheit relativieren oder gar weichzeichnen zu wollen."

      Ich hab´s doch geahnt, wie Du meine Postings (miß)verstehen würdest. Nein, nichts dergleichen war meine Absicht.
      Aber die anderen Leser hier werden jetzt vielleicht noch besser verstehen, warum ich bestimmte Passagen des Spiegel-Artikels hervorgehoben habe.

      P.S.: Noch zu M_B_S:
      Es waren Darstellungen wie "25 Mio Mitmenschen Deines Volkes bestialisch ( Todesfuge ) massakrieren" und "Nach 4 Jahren erbitterter Abwehr Schlacht hast du diese Barbaren unter unvorstellbaren Qualen besiegt", die mich zu der Einschätzung von #29 gebracht haben. Das Maximale an vernichtender Diktion und moralischer Verurteilung, das Maximale an Opferzahl (in allen Geschichtsbüchern stehen 20 Millionen, auch schon entsetzlich genug), das maximale, was Sprache überhaupt hergibt...



      DerMusiker
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 16:10:16
      Beitrag Nr. 32 ()
      Ich habe keinesfalls irgend etwas beschönigt, aber der Mensch tendiert zur Rache ( aktuell Bush ) :
      wer angegriffen wird hat auch heute noch das Recht, sich zu Verteidigen .

      Wenn der Angegriffene dann die Methoden des Angreifers kopiert, und diese ein Verbrechen sind, wird er auch zum Verbrecher .

      Und doch ist er der Angegriffene , das ist der entscheidende Unterschied .

      Im übrigen erinnere ich hier an den Morgentau Plan der westlichen Alliierten !

      Wir sind also noch gut davon gekommen, im Gegensatz zu den aber Millionen von den Nazis ermordeten :(
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 16:34:08
      Beitrag Nr. 33 ()
      #32

      Wir sind also noch gut davon gekommen, im Gegensatz zu den aber Millionen von den Nazis ermordeten

      Angesichts der 4-5 Millionen nach der deutschen Kapitulation ermordeten Zivilisten ist diese Aussage einfach nur widerlich und menschenverachtend.
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 17:23:50
      Beitrag Nr. 34 ()
      @M_B_S

      "wer angegriffen wird hat auch heute noch das Recht, sich zu Verteidigen"

      Das stand nie in Zweifel, nicht wahr?
      Verteidigung ist Verteidigung, und Rache ist Rache.


      "Wenn der Angegriffene dann die Methoden des Angreifers kopiert, und diese ein Verbrechen sind, wird er auch zum Verbrecher ."

      So ist es, und genau das meinte ich.

      "Und doch ist er der Angegriffene , das ist der entscheidende Unterschied ."

      Nun, an dieser Stelle der Diskussion, frage ich Dich: Welche Konsequenzen hat das, Deiner Ansicht nach?

      "Im übrigen erinnere ich hier an den Morgentau Plan der westlichen Alliierten !

      Wir sind also noch gut davon gekommen, im Gegensatz zu den aber Millionen von den Nazis ermordeten "

      Bitte nicht doch wieder nachtreten! Es ist eine Verhöhnung der Geschundenen auf deutscher Seite, wenn man ihnen mit der"Argumentation" kommt: "Beklagt Euch nicht, man hätte Euch auch verhungern lassen können!"
      Du weißt wohl selbst, M_B_S, daß der Plan vorsah, Deutschland auf den Stand eines reinen Agrarlandes zurückzuwerfen. Dessen Möglichkeiten hätten ausgereicht, 20 Millionen Menschen zu ernähren, so die Rechnung des Plans. Alle anderen....
      Die Zahl der Hungertoten durch die Umsetzung dieses Plans hätte in seiner Dimension sogar den Holocaust noch weit in den Schatten gestellt.
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 17:27:45
      Beitrag Nr. 35 ()
      bähhh

      der mbs der widert einen ja an:mad:

      leider sind viele verdrehte sozialromantiker so
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 21:57:48
      Beitrag Nr. 36 ()
      weha die scheisse begann viel früher ;)

      die Frage ist warum haben sie so gehandelt
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 22:16:28
      Beitrag Nr. 37 ()
      Es ist alls vorbestimmt.
      Gleiche Gene, gleiche Sozialisation, gleiche Situation = gleiches Ergebnis.

      Weder der Einzelne , noch die Massen sind frei in ihren Entscheidungen.
      Die Hirnforschung ist gerade dabei das zu bestätigen. Wenn wir glauben bewußt zu entscheiden, hat das "Unterbewußte" längst entschieden.

      Klingt ernüchternd - ist aber so!

      Gesellschaften tun nur so als ob es Verantwortung und gut und böse gibt - die Meisten glauben auch daran und das muß auch so sein, weil es sonst keine Gesellschaftsordnung geben würde!

      Es kommt alles so wie es kommen muß - oder glaubt ihr wirklich, wir hätten nach 15 Mrd. Jahren kosmischer Entwicklung unserere Geschicke selbst in der Hand?
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 22:31:54
      Beitrag Nr. 38 ()
      Die Aktualität dieses Themas geht aus dem Interview im "Spektrum der Wissenschaft" vom Oktober 2000 mit dem Neurobiologen Gerhard Roth (Universität Bremen) und dem Philosophen Gerhard Vollmer (TU Braunschweig) hervor. Diese Forscher sind anscheinend der Überzeugung, daß der klassische Geist-Materie-Dualismus zu Ende gegangen ist und sich als ein "Pseudoproblem" aufgelöst hat. Zwar halten sie es (im Gegensatz zu einigen US-Computerspezialisten) zur Zeit noch für undenkbar, eine Maschine zu konstruieren, die "fühlt" wie ein Mensch. Aber die objektive Erforschung von Unbewußtem und von subjektiven Gefühlen (experimentell, mit Bildgebung) macht nach Überzeugung dieser Forscher solche Fortschritte, daß "bald klar ist, was die Menschen antreibt, auch unbewußt ..." und "warum sie tun, was sie tun". Daher werde sich in ca. zehn Jahren die "Einsicht" durchgesetzt haben, daß es in Wirklichkeit einen freien Willen "im Sinne einer subjektiven Schuldfähigkeit" nicht gebe. "Die Entthronung des Menschen als freies denkendes Wesen ist der Endpunkt, den wir erreichen."

      Unser eigentliches Geist-Materie-Problem liegt konkret in der Willens- und Entscheidungsfreiheit für menschliche Handlungen, wo der "Geist" materiell beobachtbare Konsequenzen bewirkt. Das Problem der Willensfreiheit hat schon früher die Gemüter erregt, z.B. als man im 19. Jahrhundert aufgrund der naturwissenschaftlichen Entwicklung glaubte, alles Geschehen auf der Welt sei aufgrund der Kausalität physikalisch prinzipiell determiniert (auch wenn es wegen seiner Kompliziertheit für uns Menschen oft nicht vorhersagbar ist). Man zog daraus den scheinbar logischen Schluß, daß es dann auch keinen freien Willen geben könne. Durch einen solchen Schluß mußten sich natürlich alle Erziehungswissenschaftler existentiell getroffen fühlen, da ihre Arbeit vom Appell an den freien Willen des Menschen lebt.

      Als dann in der ersten Hälfte des jetzt zu Ende gehenden 20. Jahrhunderts klar wurde, daß aufgrund der Heisenbergschen Unschärferelation auch makroskopische Vorgänge (z.B. in der Atmosphäre, aber auch z.B. in unserem Gehirn) prinzipiell nicht streng determiniert sind, schien der "freie Wille" gerettet, und die Erziehungswissenschaftler atmeten erleichtert auf.

      Bei genauerer Überlegung muß man allerdings sagen, daß diese "Erleichterung" auf einem Mißverständnis beruht: Die prinzipielle Unbestimmtheit physikalischer Elementarprozesse kann nämlich nicht durch den menschlichen Willen beeinflußt und für eine Handlungsentscheidung in der einen oder anderen Richtung nutzbar gemacht werden. Unser Wille wäre infolge dieser Unbestimmtheit zwar nicht der Kausalität, aber dafür der Zufälligkeit physikalischer Elementarprozesse ausgeliefert und damit eher noch unfreier als zuvor!

      Sozusagen "zum Trost" kann man sich aber klarmachen, daß auch der obige, scheinbar logische Schluß von vornherein auf einem Mißverständnis beruhte: Selbst wenn alles materielle Geschehen streng kausal durch Naturgesetze determiniert wäre, könnte man daraus nämlich keine Aussage über die Freiheit oder Unfreiheit des Willens ableiten, solange sich der Begriff "Willensfreiheit" nicht in der Sprache der Naturwissenschaft objektiv definieren läßt. Was wir mit diesem Begriff eigentlich meinen, entzieht sich aber einer objektiven Definition, weil das Gemeinte in einer subjektiven, gefühlsmäßigen Ebene liegt: Wir definieren unseren Willen als "frei", wenn wir unter verschiedenen Handlungsoptionen diejenige auswählen können, die uns am besten erscheint. Welche Option das individuell ist, hängt (wie wir trotz obiger Definition natürlich wissen) außer von zufälligen momentanen Einflüssen maßgeblich von unserem Erbgut und von unserer Erziehung und Bildung ab, also von determinierenden Einflüssen unserer Vergangenheit!

      Derjenige Mensch realisiert am ehesten seinen eigenen, freien Willen, der sich bei seinem Verhalten prinzipiell Rechenschaft ablegt, ob dieses z.B. dazu beiträgt, seine Umwelt so zu erhalten, wie er sich darin wohlfühlt. Diesem Ziel dient er vielleicht am besten, wenn er die Liebe, die er empfangen hat, an seine Mitmenschen weitergibt. Dieses Prinzip läßt sich zusammenfassen durch den simplen Vers:


      "Willst Du glücklich sein im Leben, trage bei zu and`rer Glück;
      denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eigne Herz zurück."
      Ein "weiser" Mensch (der sich über alle Konsequenzen seines Handelns Rechenschaft ablegt) sollte hiernach auch ein "guter" Mensch sein.

      Wer sich solchermaßen an feste Prinzipien hält, dessen Verhalten ist aber viel eher vorhersagbar als das Verhalten eines Menschen, der unreflektiert und planlos zufälligen äußeren Einflüssen und Gelüsten folgt. Daran sehen wir, daß die Unvorhersagbarkeit (im Gegensatz zu dem obigen, scheinbar logischen Schluß) gerade nicht das trifft, was wir eigentlich mit der "Freiheit" des Willens meinen!

      Wenn das Verhalten eines Menschen, der seinen ihm eigenen freien Willen verwirklicht, aufgrund seiner Prinzipien vorhersagbar ist, so wird ein materialistischer Betrachter dazu neigen, es als "determiniert" zu bezeichnen und auf physikalisch-chemische Kausalketten zurückzuführen. Daß solche Kausalketten vorhanden sind, mag sein. Trotzdem wäre es falsch, diesem Menschen deshalb seinen freien Willen abzusprechen, denn sein Wille erfüllt sich ja gerade durch die Verwirklichung seiner Prinzipien! Falls es der Hirnforschung gelingen sollte, die (durch überlagerte Zufallsprozesse evtl. leicht gestörten) Kausalketten dieser Verwirklichung sichtbar zu machen, zeigt sie objektiv ein Stück des physikalisch-chemischen Weges, auf dem sich der Wille verwirklicht. Vielleicht wird das Subjekt während dieser Prozesse das Gefühl haben, daß seine freie Entscheidung in dem Moment gerade erst entsteht. Vielleicht kommt ihm auch zu Bewußtsein, daß es sich aufgrund seiner Gedächtnisinhalte und seiner von ihm selbst programmierten Grundsätze nicht anders entscheiden kann, als es das tut. Es wird aber darum nicht das Gefühl einer "Unfreiheit" haben, weil seine Grundsätze ja Teil seines "Ich" sind. Beim Auftauchen neuer Argumente hat das denkende Ich bis zu einem gewissen Grad auch die Möglichkeit, seine Grundsätze zu ändern (was dem Kausalgesetz keineswegs widersprechen müßte). Nichts anderes ist mit dem Wort "Willensfreiheit" gemeint!

      Mit diesem Dualismus von subjektiver Willensfreiheit und objektiver Determiniertheit menschlichen Handelns können wir also logisch leben - ähnlich wie mit dem Welle-Teilchen-Dualismus in der Quantentheorie: Auch dort mußten wir lernen, daß entgegengesetzte Modelle der Natur, die sich nach dem "gesunden Menschenverstand" scheinbar ausschließen, trotzdem gleichzeitig "wahr" sein können.

      "Bewußtsein" und "freier Wille" sind (ebenso wie "Freude", "Liebe" und "Glück") "subjektive" Begriffe, die sich einer "objektiven" (d.h. durch physikalische Meßinstrumente vollständig dokumentierbaren) Definition entziehen. Natürlich kann man viele physikalisch-chemische Begleiterscheinungen dieser subjektiven Größen objektiv dokumentieren, aber das Wesentliche, was wir subjektiv eigentlich mit diesen Begriffen meinen und empfinden, wird dabei nicht mit erfaßt.

      Solange man die Begriffe "menschlicher Geist" und "menschliches Bewußtsein" nicht in der objektiven Sprache der Physik vollständig definieren kann, kann man wohl keine objektiv beweisbare Aussage darüber erwarten, ob und wie der menschliche Geist die physikalisch beobachtbaren Handlungen des Menschen steuert. Solange man aber einen solchen Glaubenssatz nicht widerlegen kann, sollte man darauf verzichten, die von jedem Menschen als "Tatsachen" empfundenen subjektiven Seiten des Lebens als "objektiv nicht existent" zu betrachten.



      --------------------------------------------------------------------------------
      Avatar
      schrieb am 24.03.02 22:57:57
      Beitrag Nr. 39 ()
      #38 elmarion
      Bin mir sicher Du verstehst das Interview im "Spektrum der Wissenschaft",genauso wird es Dir sicher möglich sein die
      Essenz daraus gekürzt und auch für mich verständlich ,das
      Darzustellen.Muss nicht sein ,aber schön wäre es doch.
      Avatar
      schrieb am 25.03.02 00:05:59
      Beitrag Nr. 40 ()
      @Weehaa

      Millionen Opfer des Holocaust ! Glaubst du daran ?
      Was ist, wenn die Brenn- und Gaskapazitäten von Auschwitz diese Zahl adabsurdum führen ?
      Soll ich dazu einen extra Thread aufmachen ?

      Euer Seuchenvogel
      Avatar
      schrieb am 25.03.02 00:11:29
      Beitrag Nr. 41 ()
      ja Seuchenvogel,

      ja eröffne dazu einen extra-Thread. Und sag` uns DEINE Wahrheit dazu !
      Avatar
      schrieb am 25.03.02 00:32:01
      Beitrag Nr. 42 ()
      :eek:

      eh seuche :eek:

      logik?

      oder Intuition ?
      Avatar
      schrieb am 25.03.02 00:57:54
      Beitrag Nr. 43 ()
      @Joven

      Bei Krematorien kann man die Brennkapazitäten berechnen, da weiß man, wie viele Leichen pro Stunde verbrannt werden können.
      Das rechnet man einfach hoch und kommt so auf die Anzahl der Leichen. Bei Gaskammern kann man eine ähnliche Berechnung durchführen.
      Ausschlaggebend ist die Berechnung der Kapazität der Gaskammern, um die Anzahl der Gastoten zu ermitteln.
      Eine interessante Frage wäre, wie hoch ist der Prozentsatz der Gas-Toten in Ausschwitz.
      Diese Frage hat sich wohl bisher noch niemand gestellt.

      Euer Seuchenvogel
      Avatar
      schrieb am 25.03.02 01:11:39
      Beitrag Nr. 44 ()
      Na los, dann rechne doch mal vor.
      Da du offenbar die offiziellen Zahlen der Toten des Holocaus anzweifelst, wirst du es ja besser wissen !

      Rechne vor ! In dem Thread den du eröffnen wirst zu dem Thema !
      Avatar
      schrieb am 25.03.02 01:25:41
      Beitrag Nr. 45 ()
      Ja,da bin ich auch mal gespannt Seuchen.
      Avatar
      schrieb am 25.03.02 02:22:28
      Beitrag Nr. 46 ()
      @elmarion

      das ist eine interessante Sache, was Du da ansprichst. Ich muß gestehen, daß ich die allermeisten Beiträge in diesem thread nicht gelesen habe, bin jeoch an Deinem Beitrag hängengeblieben. Ich arbeite mich gerade durch die Abhandlung von Gerhard Roth durch, Fühlen, Denken, Handeln, wie das Gehirn unser Verhalten steuert,

      Nach Roth kann man Bewußtsein so fassen: es setzt vorangehende, auch objektivierbare Prozesse im Gehirn voraus, neuronale Ereignisse. B ist ein physikalischer Vorgang mit subjektiver Prägung. Bewußtsein ist, das ist damit auch klar, nicht immatriell, kein Geist. Es findet in der Großhirnrinde statt.

      Natürlich reden wir hier nicht von einem weiter gefaßten Begriff des Bewußtseins, wie etwa das politische, oder das gesellschaftliche Bewußtsein. Es geht um Bewußtsein als Gehirn- Vorgang des Menschen, und die sich daraus ableitenden Konsequenzen für das Verhalten.

      Der Befassung mit dieser Thematik ging für mich die Frage voran, was den Menschen steuert, was also letztlich Handeln erzeugt. Soweit ich das absehen kann, ist es nicht das Wissen des Menschen, es sind Werte, die den Willen binden.

      Individueller Wissenszuwachs ist fast überhaupt nicht an der Willensentfaltung beteiligt, allenfalls über Umwege. Genauer: Über das Wissen, Prägungen zu gestalten, und zu verstärken. Diejenigen, die Ziel dieses Wissens sind, können sich dieser externen Wissens Exekution nicht entziehen. Es wird zu ihren individuellen Werten, denen ihr Wille unentrinnbar folgt. Für den, der dies versteht: sehr problematisch.

      Darauf sind wir hier gestoßen über einen völlig anderen Ansatz, die eigentlich dazugehörigen gehirnorganischen Erkenntnisse ergänzen sich erst jetzt langsam hinzu.

      Ich würde sicher nicht so weit gehen, daß der Mensch keinem Willen unterliegt, einen Willen nicht exekutieren kann.

      Es scheint aber so zu sein, daß er keineswegs frei ist, eine Willensentscheidung herbeizuführen, gar nach seinem Wissen auszurichten, diese Willensentscheidung wird ihm vielmehr vorgegeben durch ein wenig transparentes Gebiet, das wir hier bei uns "Werte" nennen.

      An dieses Werte- Gebäude ist das Bewußtsein gebunden in einer Weise, daß wir Wert sogar so definieren: Bindung des Bewußtseins.

      Das war für uns der Einstieg in Gerhard Roths Erklärungen.

      Nebenbei: daß es Werte sind, und nicht Wissen, die den Willen lenken, sieht man eigentlich jedem der hier zu lesenden Beiträge an.

      SEP
      Avatar
      schrieb am 25.03.02 02:38:49
      Beitrag Nr. 47 ()
      Ad #37 elmarion 24.03.02 22:16:28

      "Es ist alls vorbestimmt."

      So isses. Die Freiheit ist transzendent, d. h. außerhalb unseres Universums. Sämtliche Freiheiten innerhalb unseres Universums sind SCHEINBARE Freiheiten, der Ausgang einer "freien" Wahlmöglichkeit ist jedoch stets determiniert. Zufallsprozesse sind Teil dieses Determinismus. Man betrachte dazu das Universum als eine Abfolge von Zuständen T(x), T(x+1), T(x+2), usw., wobei es für den Übergang T(x) auf T(x+1) einen Satz von Regeln gibt, die auch eine (eher geringe) Zufallskomponente enthalten können. (Die Zufallskomponente muß gering sein, da sonst das Ganze nicht stabil genug ist. Raum, Zeit und alles, was wir kennen, sind Produkte dieser Zustandsabfolge.) Die Freiheit liegt nun darin, diesen Satz von Regeln festzulegen oder während des Entwicklungsprozesses zu ändern - die Freiheit liegt also außerhalb, bei Gott.

      "Gesellschaften tun nur so als ob es Verantwortung und gut und böse gibt"

      Ein Satz, der mißverstanden werden kann. Natürlich gibt es Verantwortung, diese ist durch die fehlende Willensfreiheit nicht aufgehoben. Jeder ist für seine Taten verantwortlich. Allerdings liegt alles, was einer tut, in seinem Schicksal, dem keiner entkommt. Gut und Böse werden von verschiedenen Gesellschaften teilweise unterschiedlich definiert, existieren aber ebenso wie sämtliche Moral- und Wertevorstellungen als Produkte des menschlichen Geistes.

      Der Determinismus ist eine Glaubenssache - als wissenschaftliche Theorie wäre er unbrauchbar, da nicht falsifizierbar. Aus diesem Grund wird er auch von einer Reihe von Philosophen wie z. B. Sir Karl Popper abgelehnt bzw. verächtlich gemacht und als "Kinderschreck" abgetan.

      Die praktische Bedeutung des Determinismus ist eher gering. Er kann als Glaubensüberzeugung einen gewissen psychologischen Trost spenden ("es hat so kommen müssen" ), mehr nicht. Justiz, Strafe etc. sind davon unbeeindruckt.

      "Wir definieren unseren Willen als "frei", wenn wir unter verschiedenen Handlungsoptionen diejenige auswählen können, die uns am besten erscheint."

      Dies ist quasi die "kleine", scheinbare Freiheit, die wir subjektiv fühlen. Wir glauben, unter mehreren Möglichkeiten frei zu wählen - die Wahl ist aber stets vorherbestimmt, so wie alles in unserem Universum vom kleinsten Staubkorn bis zur größten Galaxie vorherbestimmt ist.

      Abschließend ein kleiner Literaturhinweis: Preisschrift über die Freiheit des Willens, gekrönt von der Königlich Norwegischen Societät der Wissenschaften, zu Drontheim, am 26. Januar 1839, verfaßt von Dr. Arthur Schopenhauer.
      Avatar
      schrieb am 25.03.02 10:19:34
      Beitrag Nr. 48 ()
      Die letzten Postings sind hier vom Thema abgewichen, ich kehre
      noch mal zur Vertreibung zurück. Es gibt zwei Aspekte dieser
      Sache, auf die leider sehr selten hingewiesen wird und die
      m.E. die Vertreibung der Deutschen nicht zu einem nur noch
      geschichtlichem Thema sondern zu einem Thema der Gegenwart
      machen. Das eine Thema ist die Vergangenheitsbewältigung
      unserer östlichen Nachbarn. Das Thema der Vertreibung der
      Deutschen war fast 40 Jahre lang tabu. Seit 12 Jahren kam
      das Thema ans Tageslicht und wird unterschiedlich (auch
      zwischen den einzelnen Völkern) beurteilt. Die übliche
      Haltung ist aber: wir sind die Opfer und basta! Diese
      kollektive Opferhaltung reinigt nach deren Meinung
      das Gewissen selbst dieser Leute die Deutsche vergewaltigt,
      ermordet und ihren Besitz gestohlen haben. Auch diese Völker
      müssen ihren Beitrag zur Bewältigung dieser Geschichte
      leisten und müssen öffentlich die Mörder und die Haupt-
      verantwortlichen benennen. Die meisten werden nicht mehr leben,
      aber selbst dann müssen ihre Namen in die Geschichtsbücher einfließen.
      Das dies möglich ist zeigt Polen. Mit erstaunlicher Offenheit ist
      dort unter Nennung von Roß und Reiter in den letzten Jahren
      darüber gesprochen worden, es sind sogar Leute verhaftet
      und der noch lebende Leiter eines polnischen KZ für deutsche
      Zivilisten in Schlesien zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden.
      Das Negativbeispiel sind für mich die Tschechen. Dort ist
      praktisch gar nichts geschehen, der Ministerpräsident von
      Tschechien behauptet alle Sudetendeutschen waren Verbrecher
      und Nazis (und damit hat sie die rechte Strafe ereilt) und die
      Dekrete, auf die sich die Vertreibung juristisch stützte (Benes-Dekrete)
      sind immer noch in Kraft. Für mich sind die Tschechen deswegen
      noch nicht EU-tauglich und solange z.B. die Benes-Dekrete nicht
      für null und nichtig erklärt werden, gehört die Vertreibung m.E.
      noch auf die Tagesordnung der Politik. Der zweite Aspekt der
      Vertreibung der mich ärgert, aber sehr selten angesprochen wird,
      ist folgender: Deutschland hat den Krieg begonnen, hat Leid
      und Elend über halb Europa gebracht und dann den Preis dafür
      bezahlt. Stimmt der Satz so? Nein! Verschiedene Länder und
      Gegenden haben ganz verschiedenen Preis bezahlt. Die Pommern,
      Ostpreußen, Schlesier und Sudetendeutschen habe im Grunde die
      ganze Zehe beglichen. Von 4 Millionen deutschen Toten starben 3
      auf der Flucht, ihre Heimat war weg, Hab und Gut gestohlen.
      Was haben denn ab 1945 die Westdeutschen denn für einen Preis
      bezahlt? Denen ist die Freiheit und Demokratie in den Schoß
      gefallen und der Marschallplan hat sie auf die Beine gestellt.
      O.K.. nach und nach fassten auch immer mehr Vertriebene im
      Westen Fuß und profitierten auch ein wenig davon. Vielleicht
      war es nur gerecht? Waren die Ostdeutschen besonders schlimm?
      Im Gegenteil Hitler hatte in Schlesien z.B. fast überhaupt keine
      Anhänger. Die wählten immer Zentrum, weil viel zu katholisch.
      Wo waren die Hochburgen der Nazis? 1933 gab es Länderregierungen
      der Nazis in Anhalt (teils Sachsen), Hannover, Thüringen , Oldenburg
      und Mecklenburg.
      Avatar
      schrieb am 25.03.02 11:23:06
      Beitrag Nr. 49 ()
      @Schweinehund:
      Wirklich toller Beitrag, dem ich mich zu 100 % anschliesse!
      Außerdem sollte es in einer Demokratie noch möglich sein, ein Verbrechen als Verbrechen bezeichnen zu dürfen, ohne irgendeines Hintergedankens verdächtigt zu werden.
      Außerdem geht es nicht um Rache oder Rückgängigmachung, denn die Täter sind mittlerweile wohl alle tot oder im Sterbeprozess.
      Aber viele der Opfer in allen Ländern, damals noch unschuldige Kinder, leben noch und wollen sich nicht mehr schämen müssen, dass sie Opfer waren. Das viele von denen Rachegedanken hegen, mag menschlich verständlich sein, aber unsere Generation darf die Rachegelüste keinesfalls erben.
      Avatar
      schrieb am 25.03.02 12:35:31
      Beitrag Nr. 50 ()
      #43Seuchenvogel
      Auch wen ein grosser Pronzentsatz der Deutschen Matematiker
      verstorben ist,so sind doch deren Kinder immer noch fähig,
      oder schon wieder ,Kapazitäten der Gaskammern und Brennöfen
      genau auszurechnen.Rechnet man die im Hungerstreik und an
      Krankheiten Gestorbenen ab ,so bleiben ohne deren Sabotage
      nur noch eine kleine Anzahl von Opfern übrig.
      Dankbar nehme ich den Hinweis von Venator #32 zur kenntnis,
      der auf die wahren Opfer und Zahlen aufmerksam macht.
      Avatar
      schrieb am 25.03.02 12:51:04
      Beitrag Nr. 51 ()
      Heiliger Schweine Hund, Du schreibst:

      >>>Die letzten Postings sind hier vom Thema abgewichen, ich kehre noch mal zur Vertreibung zurück<<<<<

      Das wird daran liegen, daß Dir der Sinn dieser Postings, die Bedeutung nicht einleuchten will.

      Der Vertreibung ist eine Werteordnung - die der Nazis - vorangegangen. Diese Werteordnung kollidierte mit der Werteordnung, die damals vorherrschte, und die wir heute kennen.

      Diese Nazi- Werteordnung ist untergegangen. In den betroffenen Ländern seinerseits sind Werteordnungen etabliert worden, die weder zu unserer jetzigen, noch zu der alten Werteordnung zugehörig sind bzw waren.

      Darin plaziert sich nun eine Werteordnung, die Gerechtigkeit fordert, aber gleichzeitig die Art vorgibt, wie Gerechtigkeit auszusehen hat. Das ist sehr, sehr, sehr schwierig, zumal sich dahinter Ansprüche verbergen.

      Denn auch dieses Gedanken- Gebäude ist getragen von Wertvorstellungem, die den Willen eines Individuums, ich rede von Dir, vorgeben, viel stärker als beispielsweise Wissen dies vermag.

      Wieso bist Du der Meinung, dies wäre ein Abweichen vom Thema ?

      Wohl deshalb, weil Du dies so willst.

      SEP
      Avatar
      schrieb am 25.03.02 12:59:15
      Beitrag Nr. 52 ()
      Eine Einigung bis zum Sommer ist entscheidend für Mobilcom. Dann steht bei dem
      Unternehmen eine neue Finanzierungsrunde an. Kurzfristige Verbindlichkeiten in
      Höhe von 4,7 Mrd. Euro müssen umgeschuldet werden. Sollte die Runde scheitern,
      könnte Mobilcom Pleite gehen.

      Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte am Freitag Bankenkreise mit der Aussage,
      dass Mobilcom bereits Mitte April das Geld ausgehen werde, wenn France Telecom
      seinen monatlichen Zuschuss nicht zahle. Mobilcom-Finanzvorstand Thorsten
      Grenz hatte letzte Woche eingeräumt, dass sein Unternehmen laufenden
      Zinszahlungen ohne frisches Geld nicht nachkommen könne.


      Mobilcom erwirtschaftete 2001 einen negativen Cash-Flow von 52 Mio. Euro. Auch
      im laufenden Geschäftsjahr werde der nicht positiv, sagte Grenz. Die Banken
      bildeten Reuters zufolge einen Lenkungsausschuss, um ihre Interessen bei dem
      Darlehen von mehr als 4,7 Mrd. Euro zu sichern.


      © 2002 Financial Times Deutschland , © Illustration: AP



      Kommentare:
      dandy: dafuer hat er aber reichlich die grosse Klappe (mT) - 11:56 25/03/2002
      eingrossesQuack: Ein normaler Dumpf-BLENDER eben! ;)) ot - 12:17 25/03/2002
      trendfinder: Auf seine PR Maschine sind schon immer viele reingefallen - 11:58 25/03/2002
      clarus: Re: da war die Zeit bei Sixt gut für oT - 12:02 25/03/2002
      DOW 25000: Eben...er sitzt am längeren Hebel mT - 11:57 25/03/2002



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      Avatar
      schrieb am 26.03.02 20:22:02
      Beitrag Nr. 53 ()
      Die Barbaren überfallen Russland jetzt auf ZDF !

      Unternehmen Barbarossa !
      Avatar
      schrieb am 26.03.02 20:25:22
      Beitrag Nr. 54 ()
      sowjetische Kriegsgefangene:

      Vernichtung durch Verhungern
      Avatar
      schrieb am 26.03.02 20:31:20
      Beitrag Nr. 55 ()
      Ein dt. Soldat :

      Wir haben alles überrollt / vernichtet !

      Ein grausamer erbarmungsloser Krieg ein Vernichtungskrieg !
      Avatar
      schrieb am 26.03.02 20:39:42
      Beitrag Nr. 56 ()
      da ist mein Onkel verreckt
      Avatar
      schrieb am 26.03.02 20:48:14
      Beitrag Nr. 57 ()
      die barbaren tststs

      mbs du bist auch son barbar
      Avatar
      schrieb am 26.03.02 20:58:34
      Beitrag Nr. 58 ()
      Jetzt, während des Zurückschlagens werden die Russen das entdecken, lernen, was letztendlich zur Überschrift dieses threads führen wird.

      Die Rache, die Übergriffe auf die flüchtende deutsche Zivilbevölkerung.
      Avatar
      schrieb am 26.03.02 21:06:06
      Beitrag Nr. 59 ()
      #40 Seuchenvogel,Deine Berechnung steht noch aus.:(
      Avatar
      schrieb am 26.03.02 21:38:47
      Beitrag Nr. 60 ()
      Richtig Sep !

      Zitat Stalin : "Wenn die Deutschen einen Vernichtungskrieg wollen, werden sie ihn bekommen "!

      Und sie bekamen Ihn :(

      Totaler und radikaler als sie es sich überhaupt vorstellen konnten !
      Avatar
      schrieb am 27.03.02 00:25:15
      Beitrag Nr. 61 ()
      @oktopodius

      Hier ein Link, der Argumente gegen Auschwitzleugner liefert.
      http://www.h-ref.de/_inhalt/indexlgl.shtml

      Euer Seuchenvogel
      Avatar
      schrieb am 27.03.02 00:55:37
      Beitrag Nr. 62 ()
      #61 Seuchenvogel
      Du bist nicht zufällig einer der vielen überlebenden und
      in der VVN organisiert?.Bei einem vortrag der VVN könntest Du Deine Eigene meinung besser einbringen ,damit die wahrheit ans licht kommt.Wäre Nazischwein für Dich über-
      haupt eine beleidigung?.:mad:
      Avatar
      schrieb am 27.03.02 03:20:39
      Beitrag Nr. 63 ()
      Oh ja, sie haben ihn begonnen, und bekommen, den Vernichtungskrieg.

      Und sie haben bezahlt dafür. An vielen Stellen haben die falschen bezahlt. Aber sie hatten Glück im Unglück, falls sie überlebt hatten: nämlich Deutsche zu sein, und damit in einem System, daß versuchte, die Lasten zu verteilen. So ungerecht, unvollkommen alles am Ende blieb, man hatte die Chance eines Lastenausgleichs, und eines Neuanfangs. Den viele ja auch nutzen konnten.

      Nicht alle. Zwangsarbeiter z.B. Verschleppte der Angriffskrieger, die nun immer noch ihre Wunden lecken, wurden erst 50 Jahre später entschädigt, ein vergeudetes Leben, nicht mit der richtigen Nationalität geboren worden zu sein, sondern von dieser Nation versklavt worden zu sein, und sich daraus ein Leben lang nicht befreien zu können.

      Wie ungleich doch manches ausfällt.

      Und wieviel unverdientes Glück sich doch unter dem Dach dieser deutschen Nation versammelt hat.

      Also los, holen wir uns das Sudetenland zurück. Und Königsberg wird auch nicht für immer russich bleiben.

      Im Ernst, ich bedaure auch den Verlust dieser Landstriche, und das Schiksal der daraus Vertriebenen. Und die Bensch- Dekrete sind Unrecht.

      Aber es hat damit zu tun, daß eine Nation zeitweilig der Meinung war, sich aus allen Konventionen der Menschlichkeit verabschieden zu dürfen, und dann hinterher mit dem Echo nicht klarkam.

      Die Dünkel sind heute noch sichtbar, ohne Not lassen sie sich hier bei W0 nachweisen.

      Die Deutschen haben auch bezahlt, weil wir, neben allen unseren Vorteilen, auch Weltmeister im Wegsehen waren.

      Und sind.

      Und wir sind gerade wieder einmal dabei, vor lauter Wegsehen uns in eine tiefe Scheiße hineinzureiten.


      SEP
      Avatar
      schrieb am 27.03.02 10:27:42
      Beitrag Nr. 64 ()
      @ Sep

      Wie recht du doch hast ! Ja, wir sind wieder mit dabei : Angriffskrieg gegen den IRAK !

      Im übrigen spricht Weisheit aus deinen Worten ;)
      Avatar
      schrieb am 27.03.02 12:36:29
      Beitrag Nr. 65 ()
      @oktopodius

      Wir leben in einer Welt des Luges und Betruges. Das erstreckt sich über alle Bereiche, wie die Börse, Politik und Geschichtsschreibung.
      Da würdest du mir doch sicherlich zustimmen ?
      In Sachen Börse habe ich bewiesen, daß ich der erste wahr, der die Wahrheit schonungslos offenbarte.

      zur Geschichtsschreibung
      da gelten allgemeine Naturgesetze
      1) Die Sieger schrieben immer die Geschichte der Besiegten.
      2) Die Bösen waren niemals so böse und die Guten waren niemals so gut.
      3) Auf der einen Seite steht die offizielle Geschichtsschreibung, die durch die Propagandamühlen der jeweiligen sehr vertrauenerweckenden Geheimdienste des jeweiligen Landes geschrieben werden,
      auf der anderen Seite stehen die Verschwörungstheorien, die versuchen durch Plausibilität sie zu widerlegen.

      ein Beispiel
      Die Iraker sollten bei der Invasion in Kuweit Babys aus ihren Brutkästen gerissen haben, wobei die Babys jämmerlich starben. Der CIA bot dafür ein paar Zeugen auf, um damit die Zustimmung für den Golfkrieg gegen IRAK einzuholen.
      Wenn der Irak demokratisiert ist (mittels einer Atombombe ?), werden wahrscheinlich die irakischen Kinder diese Geschichtslüge als Geschichte gelehrt bekommen.

      Sonderfall deutsche Geschichtsschreibung
      Alle Entlastungsbemühungen werden pauschal als rechtsradikal eingestuft, egal ob sie zur Wahrheitsfindung dient oder nicht.
      Eine entlastende deutsche Geschichtsschreibung wird untrennbar mit Rechtsradikalismus gleichgesetzt.
      Beispiel Katyn Der Massenmord an polnischen Zivilisten wurde den Deutschen untergeschoben. Wer dies anzweifelte, ist ein ganz schlimmer Rechtsradikaler, ein durch und durch schlechter Mensch, ein ganz übles Nazischwein.
      Man wundert sich, warum dieser Verbrecher nicht schon im Gefängnis sitzt.
      Nun stellte sich aber heraus, daß es der russische Geheimdienst war, der den Massenmord beging.
      Plötzlich ist man kein Nazischwein mehr, man ist ein gefeierter Volksheld, man wird mit Auszeichnungen überhäuft.
      An diesem Beispiel wird die gesamte Problematik der deutschen Geschichtsschreibung mit der ständigen Gefahr einer rechtsradikalen Verunglimpfung klar.

      Fall Auschwitz
      Offiziell 6 Mio Gastote ?
      Es gab schon immer ein übles Geschacher um die Opferzahlen, die von politischen Interessen motiviert war.
      Jeder sollte selbst beurteilen können, ob er die Meinung der Verschwörungstheoretiker für plausibler hält oder ihm einfach die Geschichtsschreibung glaubwürdiger erscheint.

      Ich Nazischwein ?
      Zu deiner Information, ich besitze kein einziges Buch über den 2.Weltkrieg, was nur sehr sehr wenige von sich behaupten können. Aber das könnte ich vielleicht nachholen.
      Ich habe mich einfach nicht mit der deutschen Geschichte befasst, ich hatte andere Interessen.
      Ich allein entscheide, welche Wahrheit für mich gilt. Ich halte es für eine absolute Unverschämtheit, mein alles überragendes Analysevermögen in eine rechtsradikale Schublade zu stecken.
      Mich wundert deine unqualifizierte Bemerkung, völlig unsachlich und emotional motiviert. So kenne ich dich gar nicht, halte dich eher für intellektuell, der zu differenzieren weiß.

      Urteilsvermögen
      Jedes Urteil stützt sich auf Fakten. Tritt eine Veränderung der Faktenlage ein, muß dementsprechend das Urteil angepaßt werden.
      Es gibt die Flexiblen, die ständig ihr Urteil modifizieren und es gibt die, die immer halsstarrisch auf einen Urteil bestehen.
      Laut meiner Analyse, sind Trader flexibel und eher dem rechtsradikalen Lager zuzuordnen, während die Langfristanleger der Medienpropaganda verfallen sind und eher als links einzuordnen sind.

      Euer Seuchenvogel
      Avatar
      schrieb am 27.03.02 14:12:22
      Beitrag Nr. 66 ()
      #65 Seuchenvogel
      Da ich aus einer Familie stamme, die Perverserweise sowohl
      Opfer wie auch Täter hat ,bin ich in der unglücklichen Lage
      mich für die glaubhaftere entscheiden zu müssen.Aufgrund
      dieser Situation beschäftigt mich dies schon Jahrzehnte
      hauptsächlich von der Opferseite aus.So mein Onkel Angehöriger der SS auf seine Heldentaten zum Sprechen kommt,
      sind bei mir die Zweifel über die Opferzahlen weitgehend
      ausgeräumt.Da ich viele KZ besucht habe und auch Persönlich
      2 Jüdische Ofenbediener kannte ( Verstorben ),finde ich Deinen hinweis zur berechnung der Opferhöhe unter aller Sau.
      Es ist Wahr,Sieger schreiben die Geschichte,aber welche leute schreiben auf Deinem hinweis #61?,der Abschaum der Menschheit,dieses mache ich Dir zum vorwurf und die geschickte umgehung, Deine Eigene Meinung darzustellen.
      Avatar
      schrieb am 27.03.02 14:15:19
      Beitrag Nr. 67 ()
      ist es wichtig, ob es 4, 5 oder 6 Millionen Tote gab?
      Relativiert dies irgend etwas?
      Avatar
      schrieb am 27.03.02 15:22:03
      Beitrag Nr. 68 ()
      @Oktopodius

      Du wolltest eine Opferberechnung #59 ! Natürlich ist dieser Begriff hochgradig zynisch.
      Mein Standpunkt, jeder soll selbst urteilen, deshalb der Verweis auf die Selbstrecherche.
      Nun wird aber selbst von offizieller Stelle, die Opferzahlen ständig nach unten korrigiert, was der Öffentlichkeit (wie dir) unbekannt ist.
      Zuerst waren 6 Mio Gastote die offizielle Version, dann waren es bei Galinski nur noch 4 Mio, die wiederum korrigiert wurden.
      Defacto sind nach dieser Definition die offiziellen Stellen selbst Auschwitzleugner, weil sie die Opferzahlen nach unten korrigierten.
      Erkennst du jetzt die Problematik ?
      Ich würde diese Leute als fanatische Verschwörungstheoretiker bezeichnen, dein Urteil "Abschaum der Menschheit" ist einfach undifferenziert.

      @Rainer6767

      Eine alles belastende Schuld unserer Väter, die in einem irrsinnigen Schmerz auf unseren Seelen lastet, könnte dadurch ein wenig gelindert werden.
      Der Schrei nach Erlösung von diesen Schmerzen, kann und darf nicht als rechtsradikal bzw. Abschaum verunglimpft werden.
      Es ist eine völlig normale psychologische Reaktion, wenn man mit dem Thema Auschwitz konfrontiert wird.
      Der Versuch nach Verdrängung entsetzlicher Geschehnisse wird bei allen Ländern in die Geschichtsschreibung umgesetzt, in Deutschland wird aber genau das Gegenteil praktiziert.

      Euer Seuchenvogel
      Avatar
      schrieb am 27.03.02 15:45:09
      !
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      Avatar
      schrieb am 31.03.02 01:45:11
      Beitrag Nr. 70 ()
      Nach ein paar Tagen der Boardabstinenz (Feeerien :) ) sehe ich einige interessante neue Postings.

      Muß doch mal zu Sep etwas sagen, der anscheinend gern als oberste moralische Instanz und Chefrhetoriker dieses Threads bewundert werden möchte.

      Ja, Sep, Du gerierst Dich hier als eitler Selbstdarsteller. Schade, daß die von Dir angerührte Suppe so dünn ist.
      Dein Rezept sieht nämlich so aus: Man wechsle im Stil einer flotten Schreibe unbekümmert zwischen flockig-lockeren ("Angriffskrieger" ) und den Donnerkeil niedersausen lassenden ("Menschen- Schlächter und Schinder" ) Formulierungen, streue - ganz im Sinne einer schlechten Spiegel-Parodie - kurze, teils unvollständige Sätze mit willkürlichen Sinn-Akzenten und bedeutungsschwangerer Kommasetzung ein ("Das fällt dann auf einen zurück. / Oh ja, sie haben ihn begonnen, und bekommen, den Vernichtungskrieg. / Die Deutschen haben auch bezahlt, weil wir, neben allen unseren Vorteilen, auch Weltmeister im Wegsehen waren. Und sind. / Es wird dann nach dem Krieg eine Betrachtung geben, ob es ein gerechter Krieg war. Ob der Krieg notwendig war. Ob es einen Aggressor gab." ), mische selbsterfundene kategorische Imperative ("Die Nazis haben deswegen Dinge mitgerissen, die eigentlich achtenswert waren, die wir uns aber nicht mehr leisten sollten, anders als andere Staaten und deren Bürger." ) und Erheiterndes, womit dem Affen Zucker gegeben wird ("Man mag Juden nicht mögen wollen, oder Bayern, oder Hunnen, oder einfach den dicken fetten Nachbarn." ), und achte vor allem strikt darauf, daß dem geneigten Leser nicht irgendein "roter Faden" erkennbar wird, mit dessen Hilfe er die einzelnen Sätze auf ihren tatsächlichen Sinngehalt hin abklopfen könnte.

      Bevor jemand Dein inhaltliches Patchwork ernst nehmen kann, solltest Du außerdem die ärgsten semantischen und stilistischen Fehler beseitigen (von den grammatikalischen ganz abgesehen). Wer auf so hohem Roß daherkommt, sollte sich mit derselben Elle messen lassen, die er selbst anlegt ("Die eine Seite, das sind Krieg. In diesen Kriegen gibt es Opfer. / Es gäbe u.U. nicht die Probleme, heute ein Nazi sein zu können / Es ist das Recht der Menschen- Schlächter und Schinder, das zu jeder Unmenschlichkeit den relativierenden Seitenaspekt findet." ).

      P.S.: Zu diesem Quatsch "Die Deutschen haben auch bezahlt, weil wir, neben allen unseren Vorteilen, auch Weltmeister im Wegsehen waren.
      Und sind.
      Und wir sind gerade wieder einmal dabei, vor lauter Wegsehen uns in eine tiefe Scheiße hineinzureiten." lies Dir noch mal die in #17 angegebenen Spiegel-Artikel durch, und denk dran - noch haben wir die militärische Führung im kommenden Irak-Krieg nicht :laugh::laugh::laugh: !


      Der Musiker
      Avatar
      schrieb am 31.03.02 13:17:49
      Beitrag Nr. 71 ()
      @ Musiker

      Es ist OK, wenn Du meine postings ganz einfach überblätterst. Ich würde mich an Deiner Stelle nicht mit jemanden abgeben, den ich in der von Dir gewählten Weise wahrnehme.

      Wenn Du ausgefeilte Semantik wünscht, und überarbeitete Grammatik, dann solltest Du vielleicht nicht ein Forum aufsuchen. Ich bin jedenfalls erstaunt, daß Du dies in diesem Forum glaubst gegen mich vorbringen zu müssen. Das ist wohl schon die Botschaft.

      Außer einer generellen , gefühlsmäßig begründeten Ablehnung
      gelingt es Dir nicht, etwas Substantielles vorzutragen. Deswegen erlaubst du Dir auch verstärkend, einen persönlich diffamierenden Ton anzuschlagen.

      Das ist in Ordnung mit mir und für mich. Für Dich sicher nicht.

      Schreibe mir doch ganz einfach auf, was ich Deiner Meinung nach sagen sollte, was ich Deiner Meinung nach zu denken habe.

      Bis dahin gilt für mich ( für mich !! ) :

      "Die Nazis haben deswegen Dinge mitgerissen, die eigentlich achtenswert waren, die wir uns aber nicht mehr leisten sollten, anders als andere Staaten und deren Bürger"

      " Oh ja, sie haben ihn begonnen, und bekommen, den Vernichtungskrieg. "

      " Die Deutschen haben auch bezahlt, weil wir, neben allen unseren Vorteilen, auch Weltmeister im Wegsehen waren."

      "Und sind."

      "Es ist das Recht der Menschen- Schlächter und Schinder, das zu jeder Unmenschlichkeit den relativierenden Seitenaspekt findet."

      Vielleicht gelingt es Dir, die Aussagen, einzeln stehend, auf ihren Gehalt hin abzuklopfen und diese für sich zu widerlegen.

      Der von Dir vermißte und angemahnte rote Faden ist allein in diesem "patchwork" einwandfrei nachzuweisen.

      Es ging aber wohl eher nur um Anmache, nicht wahr ?

      Musik mit Nagelschuhen.


      SEP
      Avatar
      schrieb am 31.03.02 13:50:54
      Beitrag Nr. 72 ()
      Musiker
      Bzgl.#69 lese ich ganz was anderes als Du raus,ehrlich
      gesagt verstehe ich #70 von Dir nicht.Über Krieg u. Frieden
      würde ich gerne mehr über BM lesen, falls Du Lust hast.
      Avatar
      schrieb am 31.03.02 16:48:28
      Beitrag Nr. 73 ()
      @oktopodius und sep

      Ich würde wirklich gern alle in Rede stehenden Punkte aufgreifen, bin aber im Moment mit Arbeit hoch drei eingedeckt (deshalb, oktopodius: trotz Interesse sitzt im Moment ein BM-Austausch nicht drin).
      Du, sep, hast den Eindruck, ich sei verärgert und wolle Dich vor allem "anmachen". Stimmt, das war auch meine Absicht, aber nicht hauptsächlich.
      Ich will wenigstens die nach meiner Ansicht wichtigsten drei zu kritisierenden Details nennen:

      - Eine in der deutschen Öffentlichkeit seit dem Ende des 2. Weltkriegs teils offen ausgesprochene, teils nur gedachte, aber weithin verinnerlichte Ansicht / These lautet: Die Verbrechen der Nationalsozialisten sind singulär, von einer einzigartigen Monstrosität, und nur erklärlich durch die Annahme einer ganz spezifischen "deutschen" Begabung, um nicht zu sagen moralischen Abnormität. Dadurch, daß kein anderes Volk in der Geschichte je Verbrechen von solcher Dimension begangen habe, seien die Deutschen gewissermaßen herausgehoben aus der "normalen" Völkergemeinschaft und bedürften dauerhaft einer besonderen Kontrolle, da aufgrund ihres vorstehend beschriebenen So-Seins jederzeit mit einem erneuten Ausbruch von atavistischer Gewalt zu rechnen sei.
      Ich habe vor vielen Jahren in einer NDR-Talkshow ein Statement von Margarete Mitscherlich (Euch sicherlich bekannt) gehört, in dem sie äußerte, es könne den Deutschen nichts Besseres passieren als eine möglichst massive Einwanderung, um die einheimische Bevölkerung gewissermaßen zu "verdünnen" und so in ihrer potentiellen "Gefährlichkeit" zu "entschärfen". Dies als - wie ich einräume - extremes Beispiel für die angeführte These.
      So unterwirft man ein ganzes Volk dauerhaft und erstickend einer moralischen Stigmatisierung mit fatalen Folgen, die in dem Essay von Richard Schröder angedeutet sind: Es verliert sein Verhältnis zur eigenen Geschichte - die 12 Jahre der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verdrängen und verstellen den Blick auf Epochen davor -, seine Identität und die Identifikationsfähigkeit in Bezug auf spezifisch Eigenes; es steht in der Gefahr, daß das so entstandene Vakuum von falschen Leitbildern gefüllt wird (z.B. einseitige Orientierung an Materiellem oder Übernahme fremder Kulturvorstellungen); es wird zerrissen zwischen selbstquälerischen Fragen und Vorwürfen (die von interessierten äußeren Kreisen bestärkt werden, s. Hervorgehobenes im Schröder-Artikel) einerseits und dem Aufbegehren von Teilen der Bevölkerung andererseits, die diese Geiselhaft nicht mehr hinnehmen will.
      Vor Jahren hatte ich mal Gelegenheit, mit einem israelischen Diplomaten und zwei weiteren Studenten in Bonn Streichquartett zu spielen. Damals sagte er während eines solchen Treffens, wir hätten keine Ahnung, wie sehr die Folie des verlorenen 2.Weltkriegs und der deutschen Verbrechen der deutschen Politik noch zu schaffen machte, z.B. auf europäischer Ebene. Genaueres wollte bzw. konnte er nicht sagen.
      Ich brauche sicher nicht die vielen Beispiele dafür anzuführen, die allgemein bekannt sind, von den militärischen Planungen der Nato in den 70er und 80er Jahren, die Deutschland "kaltherzig" zum zentralen Schlachtfeld eines potentiellen Atomkriegs mit dem Warschauer Pakt machten (darunter z.B. die französischen Kurzstreckenraketen, die in Süddeutschland explodiert wären), bis zu den absurd hohen Geldleistungen für die EU, die noch auf Rechnungen basieren, als sei die deutsche Wirtschaft führend in der EU.
      Ich werfe Deinen Beiträgen vor, daß sie Äußerungen enthalten, die genau diese Linie weiterverfolgen:
      "Die Deutschen haben auch bezahlt, weil wir, neben allen unseren Vorteilen, auch Weltmeister im Wegsehen waren.
      Und sind.
      Und wir sind gerade wieder einmal dabei, vor lauter Wegsehen uns in eine tiefe Scheiße hineinzureiten."
      "Und, wie sich zeigt, geht hier wohl genetisch noch was rüber, die Sehnsucht, wieder ein Herrenvolk sein zu dürfen, auf andere herabblicken zu können."
      "Die Nazis haben deswegen Dinge mitgerissen, die eigentlich achtenswert waren, die wir uns aber nicht mehr leisten sollten, anders als andere Staaten und deren Bürger."
      (Hervorhebungen sind natürlich von mir.)
      Und genau deshalb ist auch heute noch politisches Handeln und Reden in Deutschland ein ständiger Balanceakt, geprägt von der dauernden Angst, irgendwelche politisch-moralische Tretminen zu erwischen. Vom Golfkrieg kaufte man sich los (was in den USA und Großbritannien finanziell hochwillkommen war), erntete aber international trotzdem keine Anerkennung angesichts "der deutschen Vergangenheit", sondern Häme und Verachtung ("Krämerseelen" ).
      Eine solche Absurdität wie der Falklandkrieg der Briten ist für Deutschland seit 57 Jahren undenkbar - Zitat von Dir: "Wir sind gut ohne Militarismus ausgekommen" (ist britisches und amerikanisches Handeln nach Deiner Ansicht teilweise militaristisch?). Wo bleibt Deine Anerkennung? Ich denke, wir sind Weltmeister im Hinsehen, nämlich auf dieses furchtbare Stück deutscher Vergangenheit, und im Daraus-die-Konsequenzen-ziehen. Schau Dir die Artikel zu Frankreich und Italien an, wie schonmal gesagt.

      - Ein weiterer Punkt ist dieser - Zitate aus #63 und #69:
      "Im Ernst, ich bedaure auch den Verlust dieser Landstriche, und das Schiksal der daraus Vertriebenen. Und die Bensch- Dekrete sind Unrecht.
      Aber es hat damit zu tun, daß eine Nation zeitweilig der Meinung war, sich aus allen Konventionen der Menschlichkeit verabschieden zu dürfen, und dann hinterher mit dem Echo nicht klarkam."
      "Wir beschweren uns über die Rache, und verkennen, daß der Rache etwas vorausgegangen sein muß, für das man sich gerächt hat."
      Das, was ich hierzu schreiben würde, steht in einem Teil der Diskussion zwischen M_B_S und mir: in #32 und #34.

      - Der dritte Punkt ist dieser - Zitat aus #69:
      "Es gibt aber eine Konvention, die man beachten muß, um sich nicht aus der menschlichen Gemeinschaft auszuschließen.
      Wer diese Konvention nicht beachtet, aufzuweichen versucht, rumschwänzelt mit so storys über Katyn, Bombardements von jordanischen Flüchtlingslagern, Stalins Gulags, und ich könnte dies hier endlos fortsetzen, der hat gerne Recht."
      Im Grunde hängt diese These mit dem ersten Punkt zusammen - Stichwort Einzigartigkeit.
      Meines Erachtens gibt es nicht die Konvention, nicht die Trennlinie zwischem Handeln innerhalb und Handeln außerhalb der menschlichen Gemeinschaft und ihrer grundsätzlichen Werte, sondern eine weite Spannbreite zwischen extrem verbrecherischem und völlig humanem Handeln mit "hunderttausend" Möglichkeiten dazwischen. Und deshalb betrachte ich die Nazi-Verbrechen und (jetzt kurzgefaßt als Stichworte) Srebrenica und My Lai und Pol Pot und die Gulags und die palästinensischen Terrorakte und und und...
      und bewerte sie alle, nicht vergleichend oder relativierend, sondern mit Blick auf ihre "Position" innerhalb der oben erwähnten Werteskala.

      Wie ich schon oft sagte: Die Wahrheit ist unteilbar, und - so füge ich hier hinzu - die Maßstäbe von Moral und Humanität müssen überall gelten.


      So, genug für jetzt.
      Du siehst, sep, ich habe mich sämtlicher Polemik enthalten :) .

      Schönen Sonntag!


      DM
      Avatar
      schrieb am 31.03.02 18:49:50
      Beitrag Nr. 74 ()
      Das war schon besser, hat vermieden, mich hier in Bezug zu diesem Forum in eine Rolle zu drängen, die mir fernliegt.

      Ich werde jetzt was essen, dann werde ich Formel 1 sehen.

      Soviel: wir als Deutsche sind ungeeignet, ein fundiertes Urteil darüber abzugeben, wie die Welt uns gefälligst zu sehen hat. Das muß die Welt schon alleine erledigen, und wir müssen das entgegennehmen. Wir sollten uns bemühen, daß dieses Bild so positiv wie möglich ausfällt. Das erreichen wir nicht durch Forderungen, sondern durch Handeln.

      Dieses Handeln hat an Qualität verloren.

      Primär sollte sein unser Wunsch, von uns sagen zu können, daß wir den Beitrag in der Völkergemeinschaft leisten, den wir uns selber abverlangen wollen. Es geht also um uns, was wir uns auferlegen.

      Nicht was die Amis, die Russen oder sonswer von uns verlangen.

      Erfüllen wir die von uns an uns selbst gestellten Auflagen, dann kann keine Forderung von außen uns bekümmern.

      Das kollidiert mit den Vorstellungen unserer Landsleute, die keinen Grund sehen, in irgendeiner Weise sich Gedanken zu machen, ob wir unsere Rolle erfüllen, oder erfüllt haben.
      Denen geigst Du die Melodie.

      Die lamentieren lieber darüber, was die Russen uns angetan haben, verschlucken aber unseren Teil, der die Geschichte komplett macht. Der läßt die Rolle der anderen nicht besser werden, aber er zeigt nicht das gesamte Bild.

      Das Bild nur in Teilen zu zeigen, ist ein Zerr- Bild, das der Sache nicht gerecht werden kann. Dafür führt dann auch zum Begriff der Selbstgerechtigkeit.

      Ich habe mir hier fehlerhafte Semantik, Grammatik, stilistische Fehler, hohes Roß, obere moralische Instanz, Selbstdarsteller und was nicht noch alles von Dir vorwerfen lassen, ich werde mich in diesem Zusammenhang nicht weiter exponieren.

      SEP


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