checkAd

    HINTERGRUND – Insolvenz: Banken im Fadenkreuz - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 03.04.02 16:00:24 von
    neuester Beitrag 04.04.02 11:36:35 von
    Beiträge: 5
    ID: 573.482
    Aufrufe heute: 0
    Gesamt: 2.841
    Aktive User: 0


     Durchsuchen

    Begriffe und/oder Benutzer

     

    Top-Postings

     Ja Nein
      Avatar
      schrieb am 03.04.02 16:00:24
      Beitrag Nr. 1 ()

      von Michael Barck und Robert Sopella

      In jüngster Zeit geistert ein Wort immer wieder durch Deutschlands Wirtschaftslandschaft: Insolvenz. Holzmann, Fairchild Dornier, Mühl und Herlitz sind nur die prominenten Beispiele. Allerdings bedeutet die Insolvenz nicht zwangsläufig das Aus für Unternehmen und Arbeitsplätze.

      „Mit 49.600 hat die Zahl der Insolvenzen im Jahr 2001 einen neuen Höchststand erreicht“. Mit diesem nüchternen und ernüchternden Satz zieht die Wirtschaftsauskunftei Creditreform Bilanz für Deutschlands Wirtschaft. Allein 32.400 Unternehmensinsolvenzen hat der Verband mit Sitz in Neuss im vergangenen Jahr gezählt. Mehr als eine halbe Million Menschen haben in Deutschland dadurch ihren Arbeitsplatz verloren. Die Gesamtsumme der Insolvenzschäden lag bei rund 32,1 Mrd. Euro. Private Gläubiger wie Banken und Lieferanten müssen davon rund 22 Mrd. Euro tragen. Den Rest trägt die öffentliche Hand und damit alle Steuerzahler. Im europäischen Vergleich ist Deutschland damit trauriges Schlusslicht (siehe Grafik).

      Das war im Jahr 2001. Flugzeugbauer Fairchild Dornier, der Baukonzern Holzmann, Baustoffhändler Mühl und Büroartikel-Hersteller Herlitz heißen die jüngsten insolventen (zahlungsunfähigen) Unternehmen in Deutschland. Darüber hinaus ist die Insolvenz der Kirch-Gruppe nicht ausgeschlossen. Die Zeichen stehen auf Konsolidierung in Deutschlands Wirtschaft.

      Der Fall Fairchild Dornier: Volle Auftragsbücher, leere Kassen
      Dass eine Insolvenz nicht unbedingt auf Managementfehler zurückzuführen ist, beweist das Beispiel des Flugzeugbauers Fairchild Dornier. Schließlich sind die Auftragsbücher des bayerischen Unternehmens prall gefüllt. „Wir haben ein Auftragsbuch von 11,7 Mrd. Dollar, davon die Hälfte als feste Bestellungen“, betont Lou Harrington, Vorsitzender der Geschäftsführung gegenüber Journalisten. Allerdings machte den Bayern die Luftfahrtkrise einen Strich durch die Rechnung. Mehrere hundert Millionen Dollar Einnahmen sind in den vergangenen Monaten bei Fairchild Dornier ausgefallen. Zahlreiche Fluggesellschaften haben nach den Terroranschlägen selbst mit finanzieller Not zu kämpfen und verschoben daher Kaufentscheidungen für neue Flugzeuge. Und wer dennoch fest bestellt, will weniger Geld anzahlen. Das war letztendlich der Todesstoß für das Unternehmen, das in Deutschland mit seinen rund 3.600 Mitarbeitern monatlich 50 Mio. Euro verbraucht.

      Zudem kostete die Entwicklung des neuen Regionaljets DO728, dessen Prototyp jüngst vorgestellt wurde. Auf ihm ruhen die Hoffnungen des Konzerns. Schließlich liegen Dorniers Angaben zufolge schon 133 feste und 142 optionale Bestellungen für das Flugzeug vor. Bis zum Jahr 2008 verspricht sich das Unternehmen eine Umsatzsteigerung von zuletzt rund 600 Mio. Dollar auf 5 Mrd. Dollar. Die Zielvorgaben waren dabei nicht einmal zu hoch gegriffen. Die Fairchild-Flieger – und vor allem die Neuentwicklung – gelten als die modernsten der Welt. Es fehlte eben nur ein finanzstarker Partner, der die Zeit zur ersten Auslieferung überbrücken wollte.

      Zwar stand der US-Flugzeugbauer Boeing lange Zeit Gewehr bei Fuß. Eine Partnerschaft galt bereits als beschlossen. Allerdings hielt sich Boeing – das selbst mit der Luftfahrtkrise zu kämpfen hat – bedeckt. Womöglich aus gutem Grund. Den Boeing-Managern dürfte klar gewesen sein, dass Dornier mit seiner Technologie nicht im Erdboden versinken würde, wenn ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Sie hatten demnach die Wahl zwischen einem Einstieg bei einem Unternehmen vor der Insolvenz, das noch einen Berg Schulden vor sich her schiebt und einem Unternehmen nach erfolgreich abgeschlossenem Insolvenzverfahren, das von der Restschuld befreit ist. Von einer Rettung kann bei Dornier also ebenso ausgegangen werden, wie von einem Einstieg Boeings.

      Insolvenzverfahren: Ziel ist die Rettung, nicht das Begräbnis
      Eine solche Rettung ist aber eher die Ausnahme als die Regel. Zwar ist das vorrangige Ziel, die Rettung des Unternehmens zu ermöglichen. Allerdings werden von 100 Insolvenzfällen lediglich schätzungsweise zehn erfolgreich saniert. Das liegt nicht etwa an der mangelnden Kompetenz der vom Gericht bestellten Insolvenzverwalter. Vielmehr wird der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erst viel zu spät gestellt, beklagen diese. Zu retten ist dann bei den meisten nichts mehr. In einem solchen Fall hilft lediglich die Zerschlagung des zahlungsunfähigen Konzerns. Werthaltige Unternehmensteile werden dabei veräußert, um die Forderungen der Gläubiger zu bedienen.

      Der Weg eines zahlungsunfähigen Unternehmens ist dabei strikt vorgeschrieben und durch starre Fristen geregelt. Dadurch soll eine Verschleppung der Insolvenz verhindert werden. So muss die Unternehmensleitung bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung innerhalb von drei Wochen einen Insolvenzantrag beim dafür zuständigen Gericht stellen. Dieses bestellt einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Dieser prüft, ob genug Masse vorhanden ist, um das Verfahren zu eröffnen. Hat ein Unternehmen beispielsweise kein nennenswertes Vermögen aber horrende offene Rechnungen, wird das Verfahren mangels Masse eingestellt. Ist genügend Masse vorhanden, eröffnet der Insolvenzverwalter das Verfahren. Er wird mit Vollmachten ausgestattet und im Unternehmen läuft nichts mehr ohne seine Zustimmung. In Abstimmung mit den Gläubigern erstellt der Verwalter dann einen Insolvenzplan, verhandelt dabei über die Teilverzichte auf Gläubigerforderungen oder sucht einen potenziellen Investor. Wenn sich alle Parteien geeinigt haben, wird der Insolvenzplan durch das Gericht bestätigt, das damit die Aufhebung des Insolvenzverfahrens beschließt. Den Gläubigern werden die verhandelten Leistungen ausgehändigt, das Unternehmen ist schuldenfrei. So endet dann ein erfolgreiches Sanierungsverfahren.

      Holzmann und Herlitz: Opfer von Politik und Banken
      Dass es bei dem Baukonzern Holzmann und dem Büroartikelhersteller Herlitz ähnlich komplikationslos und erfolgreich abläuft, ist allerdings mehr als fraglich. Während bei Holzmann zwischen Banken und Politik Einigkeit herrschte, dass man den Frankfurter Konzern nicht noch einmal vor einem Konkurs bewahren sollte, stritten sich beide Parteien im Fall Herlitz um ein paar Millionen Euro Landesbürgschaft. Ein Bürgschaftsvolumen von 20 Mio. Euro hatten die Banken gefordert, um den 30-Mio.-Euro-Kredit zu gewähren. Berlin und Brandenburg – das Land, in dem der Konzern seinen Hauptsitz hat – waren lediglich zu einer Bürgschaft von 9 Mio. Euro bereit. „Damit sind wir den Banken schon sehr weit entgegen gekommen“, betont Manfred Stolpe, Ministerpräsident des Landes Brandenburg. Die zeigten sich allerdings uneinsichtig und verlängerten die Kreditlinien für Herlitz nicht weiter. Das pikante im Fall Herlitz: Ein Konsortium, in dem unter anderen die Deutsche Bank, die HypoVereinsbank und die Bankgesellschaft Berlin vertreten sind, hält seit Sommer vergangenen Jahres rund 70 Prozent der Herlitz-Anteile.

      Banken sind übervorsichtig geworden
      Die genannten Fälle zeigen: Ins Zentrum der Diskussion um die Insolvenz-Welle geraten immer häufiger die finanzierenden Banken. Dabei sind es nicht nur offensichtliche Versäumnisse und Versagen bei Sanierungs-Bemühungen – siehe die letzten Jahre bei Holzmann – sondern auch immer häufiger eine wesentlich restriktivere Kreditvergabe-Politik, die Anlass zur Kritik bieten. Ließ sich noch in den Jahren vor dem großen Crash an der Börse so ziemlich alles finanzieren, was nur halbwegs den Anschein eines Business-Modells hatte, schlägt das Pendel nun in die andere Richtung aus. Banken beenden ihre Risikoengagements immer häufiger - vor allem kleinere Institute wie Sparkassen und Volksbanken. Haben diese noch im Jahr 2000 bei Börsen-Neuemissionen mitgemischt, ist zum Beispiel die Mühl-Insolvenz auf die Weigerung kleiner Institute zurück zu führen, die Kreditlinien um einige Tage zu verlängern, bis das Sanierungskonzept präsentiert wird. Die neue Risiko-Aversion der Banken hat Gründe. Die Konjunktur-Flaute hat Milliarden-Löcher in die Bilanzen gerissen. Die Abschreibungen auf faule Kredite waren 2001 hoch – und werden es auch 2002 bleiben. Zwar spricht die Branche offiziell noch kaum davon, dennoch ist auch im laufenden Jahr mit einer hohen Zahl von Insolvenzen zu rechnen. Erfahrungsgemäß gehen die meisten Unternehmen dann pleite, wenn der Abschwung seinen Boden findet. Und es ist kaum davon auszugehen, dass bereits alle Risiken bilanziell verarbeitet wurden, die im Laufe des Jahres noch auftreten werden.

      Basel II zwingt Bankmanager zur Risikominimierung
      Dazu wirft Basel II seine Schatten voraus. Zwar werden die neuen Bestimmungen zur Unterlegung des Kreditgeschäftes frühestens 2005 in Kraft treten, doch bereits jetzt zeigen sich die Auswirkungen. Basel II wird die Kreditinstitute zu einer wesentlich risikoorientierteren Unterlegung der Kredite mit Eigenkapital zwingen. Bis dato wurden diese Risiken mehr oder weniger pauschal betrachtet. Der unbesicherte Kredit von Lieschen Müller musste mit genauso viel Eigenkapital unterlegt werden wie der unbesicherte Kredit an Bayer. Mit dieser Praxis macht Basel II Schluss. In Zukunft müssen die Banken solche Kredite verstärkt mit Eigenkapital unterlegen, die erhöhtes Risiko aufweisen. Je mehr Eigenkapital pro Kredit eingesetzt werden muss, desto schlechter allerdings die Wachstumsmöglichkeit. Die Banken sind in ihrer Kreditvergabe eingeschränkt, das maximale Kreditvolumen wird durch das Eigenkapital bestimmt. Engagements mit hohem Risiko werden daher nach den neuen Bestimmungen von Basel II diese Maximalgrenze der Kreditvergabe nach unten setzen. Damit wird es verständlich, dass die Bankmanager die Risiken im Portfolio minimieren wollen. Dies heißt weniger Eigenkapitaleinsatz, es kann ein größeres Kreditvolumen vergeben werden. Was dies heißt, ist eindeutig: Mehr Profit. Da sich Kreditengagements nicht von „jetzt auf gleich“ beenden lassen, werden die Banken schon heute und in den kommenden Monaten jede Gelegenheit nutzen, das Risiko des Kredit-Portfolios zu senken. Pleiten sind da willkommene Gelegenheiten, zumal in vielen Fällen die verliehenen Gelder früher oder später – siehe Holzmann – sowieso uneinbringlich werden. Dann doch lieber früher, denn so weit weg ist 2005 auch nicht mehr. Abgeschrieben sind die Risikoengagements wie Holzmann sowieso schon zum größten Teil – und es locken Beteiligungen an den Perlen der insolventen Unternehmen.

      Staatliche Hilfen sind kein Allheilmittel
      Dass dabei tausende Arbeitsplätze den Bach runter gehen, interessiert in den Chefetagen der Geldtürme nur am Rande. Zu sehr ist man im Wettbewerb um internationales Kapital dem Shareholder Value, und damit dem eigenen Aktionär, verpflichtet. Es leuchtet ein, dass dieses Verhalten der vor allem im Wahlkampf auf jede Stimme schielenden Politiker nicht auf Gegenliebe stößt – allenfalls in der Opposition. So lässt sich die Politik oftmals zu Rettungs-Aktionen und anderen Unterstützungsleistungen wie der berühmten „Subventions-Gießkanne“ hinreißen. Wie sinnvoll vor allem die letztere Maßnahme ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Beispiel heimische Kohle: Durch Milliarden-Subventionen, Kohlepfennig und viel guten Willen jahrelang künstlich am Leben erhalten, zeichnet sich das bevorstehende Ende der Förderung in Deutschland immer mehr ab. Keine Stadt im Ruhrgebiet, die nicht vom Zechensterben gezeichnet ist. Beispiel Herten, eine Stadt am nördlichen Rande des Ruhrgebiets. Früher größte Bergbaustadt Europas, heute wird nicht mehr gefördert. Viele Unternehmen der Branche vor Ort sind pleite, Arbeitnehmer haben sich umorientiert oder sind arbeitslos. Aufgeschoben war hier noch lange nicht aufgehoben. Ähnliches zeigt der Paradefall Holzmann. 1999 noch mit viel Medienrummel von Bundeskanzler Gerhard Schröder gerettet, hat die neue „Holzmann-Herrlichkeit“ nicht einmal drei Jahre gehalten. In der Zwischenzeit sind viele Millionen versickert. Sinnlos? Über den Eingriff der Politik in die marktwirtschaftlichen Bereinigungsvorgänge wird diskutiert. Staatliche Interventionen können die Pleiten in den seltensten Fällen verhindern, nur aufhalten. Gelder, die für Subventionen und Co. bereit gestellt werden, könnten zum Beispiel in die Sanierung des maroden Bildungssystems fließen. Langfristig wären die Effekte aus erhöhten Bildungsstandards vielversprechender. Kurzfristig bedeutet eine Rücknahme solcher Interventionen mehr Arbeitslosigkeit. Politiker jeglicher Couleur haben sich bisher für die Betonung des kurzfristigen Aspektes entschieden, indem sie fleißig die Subventions-Gießkanne ausgegossen haben. Trotzdem verharrt die Arbeitslosigkeit heute auf hohem Niveau. Kein gutes Zeugnis für die bisherige Subventionspolitik – und ein Argument mehr, warum der Staat nicht über seine Rolle als Gesetz gebende Gewalt im Insolvenz-Poker hinaus gehen sollte.

      [Anzeige]
      Mit einer Privaten Krankenversicherung können Sie Monat für Monat bis 200 Euro sparen.

      Wir ermitteln aus über 35 Gesellschaften und über 1000 Tarifkombinationsmöglichkeiten den für Sie günstigsten Versicherer. Fordern Sie jetzt ihren persönlichen Preis- Leistungsvergleich an.


      Autor: Robert Sopella (© wallstreet:online AG),16:00 03.04.2002

      Avatar
      schrieb am 03.04.02 16:33:21
      Beitrag Nr. 2 ()
      Ein sehr guter Bericht, kann man den w:o-Redakteuren nur zu gratulieren!!!
      Avatar
      schrieb am 03.04.02 16:35:18
      Beitrag Nr. 3 ()
      ja guter Bericht

      Deutschland is am Ende
      Avatar
      schrieb am 03.04.02 20:41:55
      Beitrag Nr. 4 ()
      @w:O-redaktion

      glückwunsch wirklich gelungen :D
      Avatar
      schrieb am 04.04.02 11:36:35
      Beitrag Nr. 5 ()
      Sicher ein trefflicher Bericht.

      Um so skandalöser allerdingst der Inhalt

      Wie also sollen unsere zukünftigen Rententräger neue
      Gewerbebetriebe(Arbeitsplätze) auf die Beine stellen??

      Ist es wirklich sinnvoll eine Basel 2 um zu setzen auf
      Kosten von Mittelstand und Arbeitsplätzen.

      Wieviele als Millionär geborene Töchter und Söhne gibt
      es denn in unserem Land, die dann später Existenzen
      gründen?

      Hier ist die Politik in erster Linie gefragt, sich
      mit den nun künstlich geschaffenen Problemen auseinander
      zu setzten, so wie mit der Rente, damit unser Land wieder
      eine Zukunft bekommt im wirtschaftlichen Sinne.
      ES KANN NICHT ANGEHEN, DASS BETRIEBE IN DEN KONKURS GETRIEBEN
      WERDEN, DIE ÜBERLEBEN KÖNNTEN, NUR WEIL THEORETIKER EINE
      LINIE DURCHSETZEN WOLLEN!


      Armes Deutschland


      Beitrag zu dieser Diskussion schreiben


      Zu dieser Diskussion können keine Beiträge mehr verfasst werden, da der letzte Beitrag vor mehr als zwei Jahren verfasst wurde und die Diskussion daraufhin archiviert wurde.
      Bitte wenden Sie sich an feedback@wallstreet-online.de und erfragen Sie die Reaktivierung der Diskussion oder starten Sie
      hier
      eine neue Diskussion.
      HINTERGRUND – Insolvenz: Banken im Fadenkreuz