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    Schwärmer mit Atombombe - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 08.07.02 18:17:55 von
    neuester Beitrag 08.07.02 21:25:42 von
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      schrieb am 08.07.02 18:17:55
      Beitrag Nr. 1 ()
      Hinfällig und nicht immer präsent: Premier Atal Behari Vajpayee weckt Zweifel an seiner Krisentauglichkeit. Trotz Entwarnung durch die USA bleibt die Gefahr eines nuklearen Schlagabtauschs mit dem Erzfeind Pakistan akut.
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      Die bleiche Witwe wirkte arg befangen, kaum fähig zur Konversation. Und auch ihr Gastgeber hatte dem Kommunikationsmittel Wort offenbar abgeschworen. Die beiden saßen sich gegenüber und blickten aneinander vorbei, bis die Peinlichkeit den Umstehenden zu viel wurde. Keine Fragen, keine Zurufe; betreten zogen die Reporter wieder ab.

      Sonia Gandhi, 55, hatte sich im weißen Bungalow des Premierministers eingefunden: die gebürtige Italienerin, die von ihrem ermordeten Mann Rajiv Gandhi die indische Kongresspartei geerbt hat. Atal Behari Vajpayee, 77, Herrscher über eine Milliarde Inder, wollte die Oppositionsführerin konsultieren.

      Nach dem missratenen Auftakt muss es zwischen beiden Schweigern doch noch eine Verständigung gegeben haben. Sonia Gandhi stimmte dem überraschenden Vorschlag des Hindu-Nationalisten Vajpayee zu, einen Muslim zum Staatsoberhaupt Indiens zu machen. Nicht irgendeinen Muslim, sondern Avul Pakir Jainulabdeen Abdul Kalam, 70, den indischen Einstein.

      Der schmächtige Ingenieur mit der weißgrauen Mähne und dem Habitus des zerstreuten Professors hat nicht nur die indischen Atomversuche vom Mai 1998 geleitet - er trägt auch den Ehrentitel "Raketenvater", weil er für Indiens nukleare Sprengköpfe die Trägersysteme entwickelt hat. Sie heißen Agni oder Prithvi und können bei Bedarf mit ihrer Fracht Millionen Pakistaner auslöschen. Dr. Abdul Kalam ist indischer Nationalheld.

      Ein Gläubiger des Islam macht sich derzeit besonders gut als Indiens Präsident - vor allem bei den besorgten Regierungen des Westens. Abdul Kalam vermittelt das von Neu-Delhi gewünschte Bild: Indien bleibe auch unter dem Hindu-Nationalis-ten Vajpayee und seiner weltlich-toleranten Verfassung seiner multikulturellen Identität treu.

      Ein Muslim an der Spitze legitimiert zudem die indische Lesart, der an den Rand des Atomkriegs getriebene Konflikt mit der Islamischen Republik Pakistan sei allein der Aggression aus dem Nachbarland, dem Eindringen islamistischer Extremisten zuzuschreiben und gehöre zum weltweiten Bush-"Krieg gegen den Terror". Verschleiert wird, dass auch das indische Hegemoniestreben mit seiner starken antiislamischen Grundströmung für den Bruderzwist mitverantwortlich ist.

      "Dr. Kalam ist ein großer, aber naiver Wissenschaftler, der sich als Feigenblatt missbrauchen lässt", meint verbittert ein muslimischer Intellektueller in Neu-Delhi. "Es gibt in dieser Regierung Hindu-Führer, die sich mit dem unabhängigen Pakistan nicht abgefunden haben. Einer von ihnen ist Vajpayee."

      Wer dem Premierminister gegenüber- sitzt, fühlt sich zunächst von oben herab betrachtet. "Atalji", wie seine Anhänger ihn zärtlich nennen, lehnt den Kopf weit zurück und zieht die buschigen Augenbrauen hoch, um Besucher zu fixieren. Dahinter steckt weder persönlicher Hochmut noch geerbter Brahmanen-Dünkel, sondern Altersschwäche. Vajpayees Augenlider hängen auf Halbmast, Indiens Regierungschef sieht nicht mehr viel.

      Wie ist es um den schwerfälligen Greis bestellt, der seit Jahresanfang eine Streitmacht von Tausenden Panzern und gut einer halben Million Soldaten invasionsbereit an der Grenze zum Erbfeind Pakistan konzentriert hat? Die Entscheidung über Krieg und Frieden auf dem Subkontinent - und die Verfügungsgewalt über Indiens Atomwaffenarsenal - liegen in der Hand eines Politikers, der physisch in nicht viel besserem Zustand ist als der Papst.

      Die Gerüchte im Parlament und auf den Gartenpartys der Diplomaten sind gnadenlos. Nur eine Niere habe Vajpayee noch, Blase und Leber seien angegriffen, und seine arthritischen Knie könnten den durch übermäßige Naschsucht gedunsenen Leib kaum noch tragen. Indiens Fernsehen übt Selbstzensur, um die Hinfälligkeit des Premiers zu verbergen.

      Umso allergischer reagiert Neu-Delhi auf fremde Krankmeldungen über den Chef. Regierungssprecher geben sich empört - wie einst der Vatikan bei Rücktrittsgerüchten über den Pontifex maximus: "Ohne jede Grundlage, leichtsinnig, falsch informiert." Anhänger des Premiers steckten in Bombay importiertes Schriftgut in Brand, um Atalji vor "amerikanischer Verleumdung" zu schützen.

      Die Zündelei lenkte das Publikum auf einen Bericht des US-Magazins "Time", der für Inder starken Tobak enthielt - etwa die bei einem Atomwaffen-Befehlshaber ominöse Überschrift: "Am Steuer eingeschlafen?" Ein pikantes Detail über Vajpayee: "Im besten Mannesalter trank er heftig, und noch heute genehmigt er sich abends einen Whisky oder zwei."

      Schock und Horror unter frommen Hindus. Ist das derselbe Atalji, der vor einem Vierteljahrhundert zum Außenminister aufstieg und der Welt eine Lektion erteilte? Voller Schwung prostete Vajpayee damals auf Staatsbanketten mit Orangensaft, indes die dekadenten Westler schlechten Gewissens ihren Champagner schlürften.

      Ein West-Botschafter näselte vor Jahren, nach seiner ersten Audienz beim Premierminister: "Sehr frustrierend; es kommt überhaupt nix rüber." Auf derartige Eindrücke von Besuchern geht die "Time"-Version über den Arbeitsstil Vajpayees zurück: "Nicht enden wollende Schweigepausen, undechiffrierbares Gebrabbel, Einschlafen während der Besprechungen." Wie wird der Hindu-Premier reagieren, wenn Islamisten, wie im letzten Dezember, erneut Selbstmordanschläge gegen indische Institutionen verüben? Damals, als der Terrorakt dem tagenden Parlament in Neu-Delhi galt (und weitgehend vereitelt wurde), hat Vajpayee seine Streitmacht an die Grenze zu Pakistan geschickt. Dort wartet sie weiterhin auf den Einsatzbefehl. Sollten Dschihadis abermals zuschlagen, mag Indiens Regierungschef sehr wohl den raumgreifenden Blitzkrieg gegen die Pakistaner entfesseln, der in der Logik der indischen Mobilmachung angelegt ist.

      Ob General Pervez Musharraf dann in der Lage wäre, von seiner atomaren Erstschlagskapazität Gebrauch zu machen, gilt als ungewiss. Indiens Verteidigungsminister George Fernandes gab für alle Fälle die Grusel-Drohung zu Protokoll: "Dann würden wir den Pakistanern in gleicher Münze zurückgeben - mit Zinsen."

      Vajpayee mag in seinem Regierungsbungalow gebrechlich wirken und einschläferndes Englisch reden, vor Menschenmassen und auf Hindi kann er sich immer noch zu rhetorischem Höhenflug aufschwingen. Dann wird ein Rhythmus spürbar in seinen Sentenzen, dann dehnen sich spannend seine Kunstpausen, und mit vorgerecktem Kinn wirft er Brandsätze in die animierte, alsbald jubelnde Menge.

      Vajpayees Steckbrief weist ihn als politischen Träumer aus, der seine Berufung aus dem Patriotismus bezieht. Geboren 1924 als Lehrersohn im zentralindischen Madhya Pradesh. Ausbildung in politischer Wissenschaft. Abgebrochenes Jurastudium. Unter den Briten als Agitator verhaftet (heute ein Adelsprädikat). Nach der Unabhängigkeit 30 Jahre lang als Nationalist vom Mainstream ausgeschlossen. Als Redner von Pandit Nehru, Indiens erstem Premier, trotz ideologischer Gegensätze bewundert. Als Hindi-Poet von Indiens Literaten nicht übermäßig geschätzt.

      Auf eine Übersetzung seiner Gedichte ins Englische legt Vajpayee keinen Wert. Vielleicht, weil in ihnen eine Mentalität erkennbar ist, die auf Westler anachronistisch wirkt. Die Teilung Indiens durch die Briten 1947 hat der von Bharat Mata, Mutter Indien, schwärmende Atalji nie verwunden. Aber er ist als Verseschmied nicht weniger ambivalent denn als politischer Rhetor.

      Der Wunsch nach Frieden mit Pakistan kommt in den Gedichten ebenso zum Ausdruck wie eine Aversion gegen den Islam, die auf die Unterwerfung Indiens durch die Mogulherrscher zurückgeht. Sein von religiösem Eros durchglühter Patriotismus erinnert an die ritterliche Minne General Charles de Gaulles zu Frankreich und zur Jungfrau von Orléans. Mutter Indien ist für den dichtenden Premier eine von Muslimen und Briten geschändete Frau, deren Ehre wiederhergestellt werden muss.

      Schillernd ist Vajpayee auch als Volkstribun. Das war fatal nach dem Ausbruch der Unruhen im westindischen Gujarat, wo Hindu-Chauvinisten - unter Duldung der Landesregierung in Gandhinagar - seit Ende Februar an die 2000 Muslime umgebracht haben. Der Regierungschef tat nichts, um die Massaker zu stoppen, der Rhetoriker aber fand aufrüttelnde Worte für seine Glaubensbrüder: "Männer, Frauen und Kinder bei lebendigem Leibe verbrennen? Sind wir noch Menschen, oder hat ein Dämon von uns Besitz ergriffen?"

      Ebenso sprachmächtig hat Vajpayee kurz darauf das Feuer geschürt, als er Islamisten in Kaschmir in die Schranken wies: "Neuerdings scheint die Parteinahme für den Islam keinen Spielraum für Toleranz zu erlauben", verkündete er. "Wo immer solche Muslime leben, ist der Frieden gefährdet. Sie wollen ihren Glauben durch Terror und Drohungen durchsetzen." Das traf auf eine Minderheit von Islamisten gewiss zu. Militante Hindus in Gujarat aber begriffen die Worte des Premiers als Freibrief für Mordbrenner.

      Voller Widerspruch agiert Krisenmanager Vajpayee auch im explosiven Konflikt mit Pakistan. Für jede islamistische Gewalttat in Indien macht er den Alleinherrscher in Islamabad haftbar - und droht mit Invasion. Dabei ist klar, dass General Pervez Musharraf die Kontrolle über die Radikalen längst verloren hat; die verstärken ihren Terror nun in seinem eigenen Herrschaftsbereich.

      Als die Welt Anfang Juni vor einem Krieg der beiden Atom- und Raketenmächte bangte, haben die Amerikaner für Beruhigung gesorgt. Auf einer Südasien-Tour gab US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld den Indern die Versicherung, Musharraf werde keine Dschihadis mehr über die Grenze schleusen. Vajpayee akzeptierte: Hätten die Amerikaner sich nicht für Musharraf verbürgt, "wäre ein Krieg unvermeidlich gewesen", sagte er.

      Seine Panzer und Soldaten hat der Premier aber von der Grenze Pakistans nicht abgezogen. Und die US-Garantie für Musharrafs guten Willen lässt er offenbar nicht mehr gelten: Gegenüber "Newsweek" gab Vajpayee an, in Pakistan würden in "50 bis 70 Camps" islamistische Terroristen für den Einsatz in Indien vorbereitet.

      Schon der nächste Terrorakt kann - egal, wer dahinter steckt - der indischen Streitmacht als Vorwand dienen. Der Generalstab, heißt es, wittere die letzte Chance zur militärischen Entmachtung Pakistans. Dessen Raketen und Sprengköpfe seien dieses Jahr noch nicht für atomare Gegenwehr gebrauchsfertig. Nach dem Monsun, der jetzt beginnenden Regenzeit, wäre die Stunde günstig für einen indischen Blitzkrieg.

      Während des Monsuns findet in Neu-Delhi die Wachablösung im Präsidentenpalast statt. Dem populären Raketenvater Abdul Kalam, den der Premier aus dem Zylinderhut gezaubert hat, scheint eine Mehrheit im Wahlkollegium gewiss.

      Sollten Vajpayees Generäle sich aber verrechnet haben, könnte der indische Einstein nach der Regenzeit einem nuklearen Armageddon präsidieren.
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      schrieb am 08.07.02 21:25:42
      Beitrag Nr. 2 ()
      Nehmen wir mal an, die Deutschen (Geheimdienst...) stellen
      eine Truppe auf, die vorgibt moslemisch zu sein und
      macht einen Terrorüberfall im Stile der Moslems, könnten
      wir damit zum Auslöser eines Atomkrieges werden ? Ginge das ?
      Den könnte dann praktisch jedes Land der Erde auslösen.
      Ob es den Chinesen wohl auch gelänge ? Oder den Eskimos ?


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