checkAd

    Quo Vadis - PDS ...? - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 08.08.02 15:28:36 von
    neuester Beitrag 14.10.02 08:39:43 von
    Beiträge: 47
    ID: 617.685
    Aufrufe heute: 0
    Gesamt: 684
    Aktive User: 0


     Durchsuchen

    Begriffe und/oder Benutzer

     

    Top-Postings

     Ja Nein
      Avatar
      schrieb am 08.08.02 15:28:36
      Beitrag Nr. 1 ()

      Man fühlt sich einsam im Sattel, wenn das Pferd tot ist

      Sollte, woran kaum zu zweifeln ist, das Abgeordnetenhaus mitspielen, wird Harald Wolf am 29. August Nachfolger des zurückgetretenen Gregor Gysi als Wirtschaftssenator. Das wird der PDS zunächst kaum schaden, denn noch trauert die etwas autoritätshörige Basis ihrem Star nach. Davon wird auch die PDS profitieren. Mittelfristig kann das anders aussehen, denn Gregor Gysi besaß die hervorragende Fähigkeit, auch ohne praktische Erfolge noch einen guten Eindruck zu machen. Ihm und der Beharrlichkeit der überalterten Basis in den Organisationen im Osten hat die PDS es vorrangig zu verdanken, dass sie die erste schwere Etappe nach dem Zusammenbruch der DDR so gut überstand. Aber der Lack ist ab: die PDS-Basis schrumpft von Jahr zu Jahr und die Partei ist in der Republik angekommen. Damit verliert sie den ohnehin unverdienten Bonus, der der fundamentalen Opposition in solchen Zeiten leicht zukommt. Wo sie regiert, und sie regiert nun immerhin in zwei Ländern und stand in einem mit einem Bein ebenfalls in der Regierung, zeigen sich praktisch keine Erfolge. Das haben die Wähler längst registriert und dementsprechend groß ist die Enttäuschung, die nur deshalb nicht so sehr auffällt, weil niemand da ist, dem sie zugute kommen könnte.

      Jetzt ist Gysi erst mal weg, wenn er auch angekündigt hat, seiner Partei im Wahlkampf helfen zu wollen. Nach diesem zweiten Rücktritt wird es ihm schwer fallen, ohne Gesichtsverlust in die große Politik zurückzukehren. Enfant Perdu. Zwar spielt Andre Brie, der als "Vordenker" der PDS gepriesene Stratege des modernen Bernsteinianertums, schon mit ungewöhnlichen Gedanken und denkt an die Bildung einer "kooperationsfähigen Linken", will heißen: einer neuen Partei um Gysi und Lafontaine unter Ausschluß der DDR-Nostalgiker und des Neue-Mitte-Flügels der SPD, aber bis dahin ist noch ein weiter und ungewisser Weg. Vorerst geht es für die PDS vorrangig um´s politische Überleben. Und das wird schwer genug. Durch die Neuaufteilung der Wahlbezirke werden die Direktmandate schwieriger zu erringen sein und Zweitstimmen für eine Partei, deren Verfügbarkeit zur Abwehr Stoibers zumindest fraglich ist, sind auch eine Sache für sich.

      Jetzt steht die PDS in ihrem Vorzeigeland Berlin vor einer schwierigen Aufgabe. Da sie die ökonomischen und politischen Spielregeln der bürgerlichen Gesellschaft voll akzeptiert, ja sogar besser verinnerlicht hat als manche bürgerliche Partei, wird sie kaum irgendetwas anderes entwickeln als einen rigiden Sparkurs, der gerade die Ärmsten der Gesellschaft und auch viele, die ihre Hoffnungen auf die PDS gesetzt haben, vorrangig betreffen wird. Für einen solchen Kurs ist Harald Wolf nun eigentlich genau der richtige Mann. Wie alle Renegaten, und genau das ist der vom "revolutionären Marxismus" (so nennt sich der Trotzkismus bekanntlich) zum - bestenfalls - gemäßigten Sozialdemokraten mutierte neue Mann ja, wird er seine neuen Werte entschlossener vertreten als die genuin bürgerlichen Kräfte. Die sind auch schon ganz aus dem Häuschen. Fachlich können sie ihm nämlich kaum was, so bleibt ihnen nur, seine abenteuerliche Vita verbunden mit allerlei Unterstellungen gegen ihn aufzubieten. Dabei finden sie ihn - zurecht - ganz nett.

      Aber Wolf steckt in der Zwickmühle: wo Gysi buchstäblich aus Scheiße Gold machen konnte und jeden Austeritätskurs mühelos als Sachzwang deklarieren konnte, ohne dass im Himmel gleich sämtliche Glocken läuteten, wird Wolf, assistiert von solch unnachahmlichen Charismatikern wie Flierl und Knake-Werner im Senat, Liebich in der Partei, seine Schwierigkeiten haben, seine eigentliche Hauptaufgabe durchzuführen, nämlich den Sozialetat abzubauen, öffentliche Einrichtungen zu schließen usw. und dabei trotzdem noch Partei und soziale Bewegungen bei der Stange zu halten. So wird sich der neue Senat wahrscheinlich schneller verbrauchen, als es der Opposition lieb sein kann. Vielleicht kommt dann die Stunde der Populisten und schlimmerer Leute.

      Dann wird auch die PDS-Führung merken, dass es einsam im Sattel ist, wenn das Pferd tot ist.

      Quelle: © Philosophischer Salon e.V, Berlin
      Avatar
      schrieb am 08.08.02 15:34:08
      Beitrag Nr. 2 ()

      Gysis Nachfolger

      PDS-Landesvorstand bestätigt Harald Wolf

      Der PDS-Landesvorstand hat den bisherigen Fraktionschef der Partei im Berliner Abgeordnetenhaus am Montagabend einstimmig als PDS-Kandidaten für das Amt des Senators für Wirtschaft, Arbeit und Frauen bestätigt, das durch den Rücktritt Gregor Gysis am Mittwoch vergangener Woche frei geworden war. Wolf muß jetzt noch am 29. August vom Abgeordnetenhaus gewählt werden. Sein bisheriges Amt als Fraktionsvorsitzender soll der Landesvorsitzende Stefan Liebich übernehmen.

      Während Wolf eine "sachliche und zielgerichtete" Arbeit ankündigte, würdigte ihn sein Parteichef Liebich als "personifizierte Brücke zwischen Ost und West". Damit spielt er vor allem auf die Herkunft Wolfs an, der aus Offenbach stammt, politisch aber bedeutend wurde durch seine langjährige Arbeit im Westberliner Milieu der Alternativen Liste, in deren Vorstand Wolf, der ursprünglich aus der "Gruppe Internationaler Marxisten" (GIM), einer trotzkistischen Kleingruppe, stammt, längere Zeit saß. Wolf wird maßgeblicher Anteil an dem Zustandekommen des ersten rot-grünen Senats 1989 unter Walter Momper zugeschrieben. Das damals als Experiment angesehene Unterfangen blieb aber Episode, da sich mit dem Mauerfall und der Vereinigung beider Teile Berlins eine neue Kräftekonstellation ergab.

      In ersten Reaktionen äußerten sich Vertreter der Oppositionsparteien CDU, FDP und Grüne äußerst kritisch, womit sie weniger auf die Politik Wolfs anspielten, als auf dessen Vita. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Steffel bezeichnete Wolf als einen "Marxisten", FDP-Chef Rexrodt nannte ihn einen "Ideologen". Auch die Grünen, aus deren Reihen Wolf stammt, kritisierten, dass er im "falschen Ressort" sei. Auch seine "spröde Art" und "mangelnde Kommunikationsfähigkeit" wurden kritisiert. Wolf kündigte derweil erste Maßnahmen an: Er wolle noch im Herbst eine "One-Stop-Agency" gründen, die als einzige Anlaufstelle für Investoren vorgesehen sei.

      Über die Wahl Wolfs war schon in den letzten Tagen gemunkelt worden, nachdem eine "Findungskommission" der PDS fünf Tage lang gesucht hatte. Sie wollte den Namen aber bis zuletzt nicht bestätigen, um den offiziellen Parteigremien nicht vorzugreifen.

      Quelle: © Philosophischer Salon e.V, Berlin
      Avatar
      schrieb am 08.08.02 15:50:45
      Beitrag Nr. 3 ()

      In Lafontaines Ecke

      Zum Rücktritt des Wirtschaftssenators Gregor Gysi

      Die Gerüchte wollen einfach nicht verstummen, dass Gregor Gysi bei seinem überraschenden Rücktritt, der gleichzeitig ein Rückzug aus der Politik sein soll, keineswegs nur die Motive gehabt hat, die er angab. "Fahnenflucht" wirft man ihm vor und die CDU in Berlin nutzt die Gelegenheit, ihm ein völliges Scheitern seiner Politik vorzuhalten. Andere sagen, Gysi habe die erstbeste Gelegenheit genutzt, um sich aus dem ungeliebten Amt des Wirtschaftssenators zurückzuziehen, in dem jenseits einer eindrucksvollen Selbstdarstellung, die Gysi wie gewohnt praktiziert hatte, auf mittlere Sicht keine Lorbeeren mehr hätte ernten können.

      Ob dies so ist, wird sich nie endgültig beweisen lassen. Richtig ist, der Anlaß, den Gregor Gysi jetzt für seinen Rückzug nutzte, war vergleichsweise banal. Fast erinnert die Angelegenheit an Al Capone, dem man nie etwas nachweisen konnte und der dann wegen "Steuerhinterziehung", dem wohl geringsten Delikt, das man ihm vorwerfen konnte, lebenslang hinter Gitter musste. Aber Gysi ist eben alles zuzutrauen. Zwar war es dem Retter der SED (allerdings um einen hohen Preis) gelungen, sich eine gewisse Popularität aufzubauen und sogar seinen Gegnern einen, widerwilligen, Respekt abzunötigen, aber stet haftete ihm auch etwas Halbseidenes an. Die wirkliche Lösung politischer Probleme hat ihm kaum jemand zugetraut, es wurde eigentlich auch gar nicht von ihm erwartet. Er war der Star der Talkshows, eine Glitterfigur im Reigen der grauen Mäuse, die das Bonner (Berliner) Polittheater bevölkerten.

      Jetzt sind sie ihn los. Einzig die PDS will das immer noch nicht wahrhaben, spricht von der wichtigen Rolle, die Gysi im Wahlkampf noch spielen soll. Da ist der Wunsch der Vater des Gedankens. Vielleicht lässt sich Gysi ja wirklich noch zu einigen Wahlkampfauftritten hinreißen, zu wünschen wäre es ihm nicht. Denn eine bestimmte Rolle, einen bestimmten Gestus kann man nur eine eng begrenzte Zahl nach aufführen. Einmal schon wollte Gysi die Politik verlassen, als er sich als Parteichef und schließlich aus dem Bundestag zurückzog. Er ließ sich - sicherlich geschmeichelt - zu einem Comeback überreden. Aber das lässt sich nicht beliebig wiederholen. Kehrt Gysi jetzt nach kurzer Frist in die Politik zurück, macht er sich zum Clown. Man wird ihn nehmen und verachten, seine politische Rolle ist ausgespielt. So sitzt Gysi jetzt, ob er es nun gewollt hat oder nicht, in der Lafontaineschen Ecke, aus der heraus nur noch gelegentliche Auftritte, Bücher oder Talkshow-Besuche machbar sind. Und das Volk in der Kulisse wird sich recht schnell anderen Unterhaltungskünstlern zuwenden. Gysi wäre nur noch ein Störenfried.

      Richtig sauer wird die politische Klasse in der Republik nicht sein, ausgenommen die der PDS. Die hat noch gar nicht richtig realisiert, wie prekär ihre Lage immer noch ist. Politisch und, was die Parteielite angeht, auch ideologisch zwar längst in der marktwirtschaftlichen Realität angekommen, ist sie das organisatorisch noch lange nicht. Gelingt ihr der Einzug in den Bundestag nicht, ist ohnehin alles nur noch eine frage der Zeit. Gelingt er aber, ohne dass die ersehnte "Macht" näherrückt, muß die PDS wieder auf Linkspopulismus machen. Mit Leuten wie Bartsch oder dem Entschuldigungsweltmeister Claus? Schon richten sich erwartungsfrohe Blicke aus der Sozialdemokratie auf die PDS-Erbmasse.

      Doch vorerst gilt es noch mit einem lästigen Nebeneffekt fertig zu werden. Gysi und Özdemir haben nolens volens Maßstäbe gesetzt. Nach ihren Rücktritten werden es andere Bonusflieger schwer haben, sich davonzustehlen. In der CDU ist bis jetzt nur Günter Nooke fällig, das wird man dort gelassen ertragen, denn der von Herzen unbedeutende Hinterbänkler hat sich nur als bürgerrechtliche Nervensäge einen Status geschaffen. Wenn er fällt, wird uns die CDU zeigen, dass auch sie klammheimliche Freude kennt.

      Quelle: © Philosophischer Salon e.V, Berlin
      Avatar
      schrieb am 09.08.02 02:37:09
      Beitrag Nr. 4 ()

      Eine neue Linke mit Gysi und Lafontaine

      Dokumentation des Interviews vom 02.08.2002 in der Mitteldeutschen Zeitung `André Brie hofft auf die Überwindung alter Feindbilder`

      Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,
      im Zusammenhang mit einer verfälschenden Berichterstattung über ein Interview meines Bruders, André Brie, im Neuen Deutschland, erlaube ich mir (auch um weitere Anrufe in dieser Sache bei mir zu verringern, Ihnen und Euch den vollen Text des Interviews aus der Mitteldeutschen Zeitung zuzusenden und mich damit zugleich als Hüter meines Bruders zu erweisen.
      Mit freundlichen Grüßen,
      Michael Brie

      Berlin/MZ. Der Abgang von Gregor Gysi hat die PDS schwer getroffen. Mit dem PDS-Europa-Abgeordneten André Brie (52), der als führender theoretischer Kopf seiner Partei gilt, sprach darüber unser Korrespondent Jochen Loreck.
      -----------------------------------------------------------------------------------------------------
      Herr Brie, wie stark schadet der Abgang von Gregor Gysi der PDS?

      Brie: Der Verlust wiegt äußerst schwer. Auf Gregor Gysi haben sich viele Hoffnungen konzentriert. Er hat Menschen erreicht, die sonst niemals PDS gewählt hätten. Sein Charme, sein Witz, seine Schlagfertigkeit, seine Intelligenz - all seine herausragenden Fähigkeiten, die werden der PDS nun fehlen. Außerdem: Wenn einer wie Gysi so kurz vor einer schicksalhaften Wahl von Bord geht, dann ist das ein Rückschlag.

      Als die Angriffe der "Bild"-Zeitung auf Gysi begannen, hätte er da nicht stärkere Unterstützung durch die PDS-Führung gebraucht?

      Brie: Ja. Es ist ein Grundproblem in der Spitze der PDS, dass da alle ziemlich einsam sind. Es gibt untereinander zu wenig Gedanken-Austausch, zu wenig Absprachen, zu wenig freimütige Diskussion.

      Gregor Gysi war ja auch ein Sympathieträger im Westen. Wen kann die PDS da jetzt noch als Stimmenfänger aufbieten?

      Brie: Auch im Westen ist die Lücke, die Gregor Gysi hinterlässt, groß. Doch ich setze Hoffnungen auf unsere hessische PDS-Spitzenkandidatin Luc Jochimsen, die frühere Chefredakteurin des Hessischen Rundfunks, und auch auf Florian Havemann, den Sohn des DDR-Bürgerrechtlers Robert Havemann. Wir müssen natürlich auch über Themen im Westen punkten.

      Wie geht es im Osten weiter?

      Brie: Gregor Gysi hat auch hier Menschen an die PDS herangeführt, die sich gar nicht mehr für Politik interessieren. Umso wichtiger ist da nun höchste Professionalität in der Öffentlichkeitsarbeit. Eine moderne Linkspartei braucht Aktion. Sie muss sinnlich erlebbar sein. Ihr Wirken muss ins Auge springen, muss nachdenklich machen. Da haben wir derzeit die größten Defizite. Wir arbeiten aber an Konzeptionen.

      Halten Sie Gysis Rückzug aus der Politik für endgültig?

      Brie: Das will ich nicht hoffen und auch nicht glauben.

      Man könnte ja an eine neue Linkspartei denken, in der Politiker wie Gregor Gysi und Oskar Lafontaine zusammenwirken...

      Brie: Wer für ein neues linkes Projekt, eine neue linke Kraft eintritt, und das tue ich, der kommt an den beiden Zugpferden Gregor Gysi und Oskar Lafontaine nicht vorbei. Beide bleiben für die Zukunft der politischen Linken in diesem Land äußerst wichtig. Aber eine neue linke Kraft kann man nicht am Reißbrett konstruieren.

      Gysi und Lafontaine könnten ja zusammen etwas tun, um die Gräben zwischen PDS und SPD zuzuschütten...

      Brie: Mir liegt sehr daran, die alten Feindbilder zwischen SPD und PDS abzubauen. Wenn Lafontaine und Gysi das gemeinsam tun würden, so würde sich ein Traum erfüllen. Beide sind bestens dafür geeignet.

      Sie träumen von einer vereinigten neuen Linken?

      Brie: Diesen Traum, den Traum von einer kooperationsfähigen Linken in Deutschland, den habe ich in der Tat. Ich träume von einer neuen Linken mit völlig neuen Formen, aber unter Nutzung der vorhandenen Potenziale.

      Es kann ja der Fall eintreten, dass nach dem 22. September sowohl SPD als auch PDS im Bundestag gemeinsam auf den Oppositionsbänken sitzen...

      Brie: In diesem Fall würde sich bestimmt wieder ein stärkerer linker Flügel in der SPD herausbilden. Für eine Annäherung zwischen SPD und PDS wäre das von Vorteil. Wenn es in diesem Land eine wirksame Alternative zum Neoliberalismus geben soll, dann müssen SPD und PDS stärker zusammenrücken. Die PDS allein vermag das nicht, und die SPD braucht einen linken Katalysator.

      Autor: Michael Brie/Andre Brie
      Erstveröffentlichung: Mitteldeutsche Zeitung, Interview, 02.08.2002
      Avatar
      schrieb am 09.08.02 03:48:13
      Beitrag Nr. 5 ()
      Schwein oder nicht Schwein, das ist hier die Frage.


      schweinische Grüße

      Trading Spotlight

      Anzeige
      InnoCan Pharma
      0,1975EUR +7,05 %
      Aktie kollabiert! Hier der potentielle Nutznießer! mehr zur Aktie »
      Avatar
      schrieb am 13.08.02 17:48:58
      Beitrag Nr. 6 ()

      Die PDS erklärt, was ohnehin jeder weiß

      Es ist schön, wenn man sich genüsslich im Sessel zurücklehnen und darauf warten kann, dass das passiert, was ohnehin passieren muß und dabei sowohl die Beteiligten als auch die Presse so tun, als handelte es sich um irgendetwas Besonderes.

      Jetzt ist also passiert, was selbstverständlich auf der Tagesordnung stand: Der Berliner Landesvorstand der PDS kommt als erster aus der Deckung und lässt in Erklärungen verbreiten, er würde eine Bundesregierung Schröder tolerieren und dadurch dazu beitragen, einen Kanzler Stoiber zu verhindern. Dabei - so maunzt die Presse - begäbe er sich in Gegensatz sowohl zum Cottbusser Parteitag als auch zum Bundesvorstand der Partei. Zum Totlachen: Es ist völlig klar, dass, käme es denn zu einer Situation, in der SPD/Grüne und PDS die Stimmenmehrheit im Bundestag gegen CDU/CSU und FDP hätten, der PDS, ob Bund, Land, Kommune , Cottbus oder Garmisch-Partenkirchen, ist dabei völlig egal, irgendeine andere Option hätten, als es irgendwie möglich zu machen, dass Schröder weiter regierte. Der einzige, der in solch einer Situation noch - vielleicht - verschiedene Handlungsoptionen hätte, wäre vielleicht Schröder selbst. Andererseits wäre eine Regierungsbeteiligung der PDS zu diesem frühen Zeitpunkt nur sehr schwer durchzusetzen. Nicht, weil dies die PDS nicht wollte, ganz im Gegenteil, aber sowohl die internationale Situation als auch jener Flügel der SPD bzw. der Grünen, dem man getrost eine gewisse strukturelle Beschränktheit bescheinigen kann, würden dem im Wege stehen. Also Tolerierung. Das ist völlig klar und ohne jede Alternative. Da mag der ach so gefährliche linke Flügel der PDS schäumen und toben, so viel er will. Er wird es übrigens nicht tun.

      Und es ist auch klar, dass die PDS nicht einfach nach der Wahl die Sau rauslassen kann und im Gegensatz zu allen vorherigen Behauptungen dann ganz plötzlich die Richtung wechseln kann. Dazu bedürfte es dann doch akzeptabler Gründe oder sagen wir deutlicher: Vorwände. Im Übrigen ist die Entscheidung der PDS Berlin sachlich vollkommen korrekt. Da keine PDS einen anderen Kurs längere Zeit durchhalten kann, muß sie vor der Wahl mit ihrer Absicht herauskommen. Hübsch, aber nicht unverständlich ist freilich, dass es ausgerechnet die Landesorganisation Berlin ist, die als erste aus der Deckung kommt. Es ist noch nicht so lange her, da machten zwei Genossen, die jetzt beide dem Landesvorstand angehören, dem Verfasser dieser Zeilen im Bemühen (ich war damals noch Mitglied der PDS) ihn zu sich herüberzuziehen, das Versprechen, einer Koalition niemals zustimmen zu wollen und wenn sich das in der Bundespartei nicht durchsetzen ließe, wollten sie aus der Landesorganisation Berlin eine "linke Festung" machen oder austreten. Doch ehe der Hahn dreimal kräht...

      Nein, die Entscheidung der PDS Berlin ist unter allen Gesichtspunkten richtig. Man stelle sich vor, Stoiber würde Kanzler. Gewiß, so irrsinnig viel ändern an der Politik würde sich nicht, Sozialabbau und Beteiligung an internationalen Militäroperationen sind mittlerweile Konsens, aber die in die Opposition verbannten SPD und Grünen würden wieder einen auf Opposition machen und jede eigenständige Entwicklung der Linken erfolgreich absperren, ohne freilich wirklich ihre Positionen zu ändern; dagegen würde Stoiber die Politik machen, die das Kapital fordert und als Clou des Ganzen könnten Schill oder andere seines Kalibers "rechte Volksopposition" machen. Umgekehrt wäre es günstiger: Schröder und seine Fischers in der Helmut-Schmidt-Position als Macher, Stoiber bzw. sein Nachfolger machen druck von Rechts und links bleibt genau der Platz, den man braucht, um endlich eine massenfähige Fundamentalopposition zu installieren. Man muß diese Möglichkeit denn freilich auch sehen und zu nützen wissen. Aber das ist dann nicht mehr die Sache der PDS - weder in Berlin noch im Bund. Also: Weiter so, Petra Pau und Stefan Liebich.

      Quelle: © Philosophischer Salon e.V, Berlin
      Avatar
      schrieb am 13.08.02 18:27:09
      Beitrag Nr. 7 ()
      Ich wähle PDS und damit basta ...! 249 Guerilla Investor 07.08.02 17:52:43

      das sagt eigentlich alles...
      Avatar
      schrieb am 13.08.02 18:32:01
      Beitrag Nr. 8 ()
      So ? Was sagts denn, außer daß du zu faul zum Lesen bist :D
      Avatar
      schrieb am 13.08.02 18:34:38
      Beitrag Nr. 9 ()
      ge

      das du kröte dich an einem 13. august in einem solchen thread zu wort meldest ist mehr als schamlos und geschmacklos

      du sympathisierst mit einer partei, die die opfer von mauer und stacheldraht zu verantworten hat und seit 12 jahren verhöhnt und sich in keinem satz bei ihnen bisher entschuldigte

      so gern wie ich in einem demokratischen rechtsstaat lebe, diese partei hat für mich genausowenig eine existenzberechtigung, wie die nsdap nach dem 2. weltkrieg

      jeglichen kommentar kannst du dir sparen
      Avatar
      schrieb am 13.08.02 18:46:55
      Beitrag Nr. 10 ()
      #9 mi

      Oh, entschuldige ... :) ... ich wußte nicht, daß ich an einem
      13. August hier in meinem Thread nicht posten darf ... :eek:

      Aber Lesen ist doch wohl nicht verboten ... oder ? :eek:

      Daß du als Nicht-Demokrat in unserem demokratischen
      Rechtsstaat leben darfst und einen aufrechten Demokraten
      als Kröte bezeichnest, empfinde ich nun wieder als
      schamlos und geschmacklos - gleichfalls die Unterstellung,
      ich würde mit der PDS sympathisieren ... :p

      Jeglichen Kommentar kannst du dir sparen :laugh:

      Gue
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 19:14:37
      Beitrag Nr. 11 ()

      Alles mit Ansage - die PDS will Schröder, jetzt oder später


      Alle dürfen sich freuen

      Zugegeben: Die Vorstellung wurde schon mal besser gegeben. Damals, als Joschka Fischer und seine "Realos" die Echternacher Springprozession in Grün gaben. Koalition nie, aber Tolerierung, die aber nur mit "unerlässlichen Bedingungen", schließlich dann doch Koalition, die aber nur mit Turnschuhen, die freilich eigens zum Zwecke der Vereidigung gekauft worden waren, schließlich auch mal wieder Opposition. Schon Karl Marx sagte, Hegel zitierend, dass "alle großen Dinge der Weltgeschichte sozusagen zweimal" vorkämen, einmal als Tragödie, einmal als Farce. Doch woher sollten unsere Sozial-Ossis das wissen?

      Jetzt also hat die Frühstücksdirektion der PDS einen Wahlaufruf verfasst, der aus nicht ganz klar ersichtlichen Gründen dafür sprechen soll, PDS zu wählen, gleichzeitig aber klarmacht, dass die PDS auf keinen Fall Stoiber, in jedem Fall aber Schröder wählen will, wenn das Wahlergebnis es erfordert. Jedoch - und das ist die Pointe - nicht zum "Nulltarif". Denn die PDS, von der so ziemlich jede Sau im ganzen Land weiß, dass sie den Schröder wählen wird, wenn sie nur kann - was auch immer er macht - will ihm dafür, dass sie ihm gibt, was er zu wollen gar nicht zugeben darf, Bedingungen stellen: Erstens dürfte die SPD keine Auslandseinsätze der Bundeswehr mehr anordnen, zweitens dürften die Sozialsysteme nicht weiter privatisiert werden, drittens müsste etwas getan werden, um die Kluft zwischen Ost und West nicht zu vergrößern. Hübsch, nicht wahr?

      Alles Käse. Was das in der Praxis heißt, haben die Grünen, genauer: ihre linken Dissidenten, bei der Abstimmung zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, schön demonstriert. Acht von ihnen gaben vor dagegen zu sein, doch als Schröder die "Vertrauensfrage" stellte, mauschelten sie sich eine Patentlösung zusammen, sie symbolisierten ihre Ablehnung, taten das aber so, das Schröder doch weiterregieren konnte. Wie sie die Aufteilung zwischen vier Ja-Sagern und vier Nein-Sagern hingekriegt haben, weiß bis heute kaum ein Mensch außerhalb des inneren Zirkels. Die FDP vermutete eine Art Losverfahren. Vielleicht hatte sie recht. Es ist aber auch egal. Denn die wirkliche Pointe ist die Prioritätensetzung. In der Tat, was ist schon ein Militäreinsatz gegen die Legalisierung der Homo-Ehe.

      Jeder Mensch, der nicht völlig bekloppt ist, weiß welches Spiel die PDS hier spielt. Sie wird alles zugestehen, wenn Schröder sie dazu zwingt. Sie kann ja auch nicht anders, denn wo die Grünen den Widerspruch zwischen Realos und Fundis wenigstens eine zeitlang glaubwürdig spielen konnten, weil sie immerhin Sozialisation und Gehabe der 68er Generation, die ja mehrere Jahre lang drauf und dran war, die Weltrevolution zu machen, mitgebracht hatte, und der Mensch sich nun mal schwer von alten Gewohnheiten trennt (Jutta Ditfurth und Manfred Zieran spielen noch heute Revolutionsgrün) hat die PDS alles mögliche zu bieten, nur nicht den Geist der Fundamentalopposition, woran weder die Kommunistische Plattform noch der rührende Haufen "Linke Opposition in und bei der PDS" etwas ändert. Was hier betrieben wird, ist bestenfalls DDR-Nostalgie.

      Okay: man muß ja Verständnis haben für die Nöte der PDS-Führung. Sie will ja nun mal gewählt werden. Dazu muß sie verständlich machen, dass sie nicht ganz so sozialdemokratisch ist wie die Sozialdemokraten, was zwar nicht stimmt, aber zumindest logisch klingt und sie muß andererseits klarmachen, dass, wer sie wählt, doch eben auch Schröder wählt. Also: nichts für ungut. Aber wenn an dem Satz aus dem Aufruf: "Bei der Bundstagswahl am 22. September steht unser Land vor der Entscheidungsfrage: Mehr soziale Gerechtigkeit, mutige und engagierte Friedenspolitik, ein Neuansatz für den Osten - oder weitere soziale Aufspaltung der Gesellschaft..." irgendetwas dran sein sollte, dann kann es nur von außerhalb des Parlaments kommen. Alles andere wird man danach organisieren müssen. Es wäre Zeit.

      Quelle: © Philosophischer Salon e.V, Berlin
      Avatar
      schrieb am 24.08.02 10:41:12
      Beitrag Nr. 12 ()

      Der taktische Wähler soll’s richten

      BERLIN, 23. August. Das Konzept ist riskant: Die PDS-Führung setzt auf den Wähler, der aus taktischen Gründen für sie stimmt. Seit Wochen pendeln die Umfragewerte gefährlich nah um die Fünf-Prozent-Hürde. Und so wiederholt die Parteichefin Gabi Zimmer seit Wochen immer wieder: Man müsse den Menschen deutlich machen, dass ohne die PDS im Bundestag eine Mehrheit für Schwarz-Gelb unausweichlich ist. Dabei stellt Zimmer auch klar: Zu bestimmten Bedingungen ist die PDS bereit, Kanzler Gerhard Schröder mitzuwählen.
      Doch jetzt plötzlich steigen bei den Sozialdemokraten wegen der Flutkatastrophe die Werte, und auf die PDS kommt es am Ende möglicherweise gar nicht mehr an. Was also soll die PDS tun? Soll sie sich etwa wieder auf ihre Inhalte konzentrieren? Das Konzept werde nicht geändert, heißt es in der Parteizentrale am Freitag. Noch sei der Abstand zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb so groß, dass kein Weg an der PDS vorbeiführe. Und im übrigen nützten gute Werte für die SPD traditionell auch der PDS. Bleibt also nur die Frage: Wird der so viel beschworene strategische Wähler das taktische Wirrwarr auch verstehen? (jöm.)

      http://www.berlinonline.de/aktuelles/berliner_zeitung/politi…
      Avatar
      schrieb am 24.08.02 11:05:50
      Beitrag Nr. 13 ()
      Was also soll die PDS tun? Soll sie sich etwa wieder auf ihre Inhalte konzentrieren?
      [sarkasmus] welche wären das denn? anders gefragt: haben die welche? vielleicht eine mauer bauen als "schutzwall gegen hochwasser" und die elbe aussen rum leiten? weggeschwemmte sandsäcke wegen republikflucht ins zuchthaus? oder gleich auf die feigen dämme schiessen, die zu brechen drohen? und bitte endlich die enteignung der versicherungskonzerne a la vorschlag der wagenknecht, weil sie nicht an alle nichtversicherten kohle rausrücken?
      besonders gefallen mir die friendenspolitischen konzepte, also z.b. sich mit einem serbischen kriegsverbrecher und massenmörder solidarisch zu erklären und händeschüttelnd bei ihm zu hause auf dem sofa für ein foto zu posieren, dafür im bundestag bei bush transparente zum thema "mörder" zu entrollen. das hat was... [/sarkasmus]
      Avatar
      schrieb am 24.08.02 11:48:16
      Beitrag Nr. 14 ()
      #13 Karl

      Ja, ist schon eigenartig, was da bei der PDS zur Zeit abläuft - maßlose Selbstüberschätzung wie in alten Zeiten ...
      Die Vogel-Strauß-Methode "Kopf in den Sand" und abwarten, was passiert ...
      Selbst bei Umfrageergebnissen hart an den 5%, zur Zeit eher weit drunter, rührt sich nix ...

      Kommt die PDS nicht auf direktem Weg in den Bundestag, dann ist ihr Schicksal besiegelt, eine neue Galionsfigur wie Gysi läßt sich nicht in kurzer Zeit aufbauen. Wäre die Mitsprache im Bundestag für weitere 4 Jahre gesichert, könnte diese Zeit dazu genutzt werden, so wie ich das sehe, würden sie aber auch das noch verschlafen ...

      Gue
      Avatar
      schrieb am 04.09.02 22:02:53
      Beitrag Nr. 15 ()

      Das Kreuz des Westens

      Die PDS kommt mit der Westlinken nicht klar

      Die PDS erhebt mit erstaunlicher Hartnäckigkeit den Anspruch eine gesamtdeutsche sozialistische Partei zu sein. Empirisch verifizierbar ist das allerdings nicht. Bislang blieben alle Versuche der PDS-Führung, sich eine quantitativ und qualitativ erwähnenswerte Basis in den alten Ländern zu schaffen.

      Das Problem ist dabei ein doppeltes: zum einen will die PDS genügend Stimmen abgreifen, um ihre eigene Existenz im Bund dauerhaft zu sichern, zum anderen soll es aber auch die "richtige" Basis sein, d.h. eine solche, die die anvisierte "realistische" Reformpolitik, wie sie sich die Parteistrategen um Gysi, Bisky, Bartsch, Gehrcke, Brie vorgestellt haben, trägt.

      Das gestaltet sich schwierig. Das, was die PDS an aktiven Mitgliedern eingesammelt hat, ist größtenteils der Rest der alten westdeutschen Linken mit all den Zügen von Sektenwesen, Demoralisierung, Wichtigtuerei und Unbeständigkeit, die diese Szene nun mal hat.

      Besonders kraß liegen die Verhältnisse in Hamburg. Dort gibt es jetzt - unbeschadet eines noch ausstehenden Spruches der Bundesschiedskommission bzw. einer gerichtlichen Klärung, zwei Landesverbände. Den alten, der den bisherigen von der studentischen "Liste Links" allein gestellten Landesvorstand weiterhin trägt, und einen neuen, der - auf einer separaten Tagung - einen neuen Landesvorstand gewählt hat und sich offensichtlich der Unterstützung des Bundesvorstandes, in jedem Falle aber der Unterstützung des für den "Westaufbau" zuständigen Vorstandsmitglieds Dieter Dehm, verfügt.

      Daß die PDS-Führung mit ihrer Mitgliedschaft im Westen unzufrieden ist und sich am liebsten - und sei es mit parallelen Strukturen an den Landesverbänden vorbei - eine neue suchen würde, ist bekannt. So weit wie in Hamburg gingen die Entwicklungen nie.

      Das Dilemma einer linken Positionierung im Hamburger Konflikt besteht nun darin, daß die Truppe, die gegenwärtig den Landesvorstand stellt, offensichtlich das Sektierertum in seiner reinsten Form verkörpert. Was soll es bedeuten, Gewerkschaftsarbeit abzulehnen, weil "der Kampf um Mehrwertprozente noch immer im Reformismus versackt sei". Oder die Position vertreten wird "linke Kommunal- oder Landespoltik (könne) es nicht geben...". Also erst die Machtergreifung weltweit? Bis dahin Bewußtseinsarbeit? Man ist versucht, den Genossen ein Exemplar von Lenins "Linker Radikalismus als Kinderkrankeit im Kommunismus" zur Lektüre zu schenken. Was soll es darüber hinaus bedeuten, in Friedensinitiativen keine Sozialdemokraten oder Vertreter der Liste "Regenbogen" (einer wegen des Kosovo-Krieges von den Grünen abgespaltenen Gruppe) zuzulassen. "Mit Vertretern aus Kriegsparteien sitzen wir nicht am Tisch. Einmal Grün, immer grün...". Solche sich radikal gebärdenden Narren einzubinden, dürfte hart an die Quadratur des Zirkels heranführen.

      Das ist die eine Seite. Die andere ist, daß die PDS-Führung diese Gelegenheit nutzt, ein Exempel zu statuieren, um sich eine PDS nach ihrem Antlitz zu schaffen. Dabei wähnt sie sich in einer günstigen Lage: gerade der Kurs der "Neuen Mitte", den die Schröder-SPD einschlägt, gibt ihr gute Chancen, ein halblinkes Feld zu besetzen, auf dem sich Gregor Gysi ebenso tummeln könnte wie Oskar Lafontaine, Gabi Zimmer und Dietmar Bartsch, Andrea Nahles und Joachim Bischoff. Das wäre schön, man ließe die alte DDR-Basis gemütlich wegsterben und transformierte sich zum modernen Wiedergänger der USPD. Ein schöner Gedanke und keineswegs so aussichtslos, wie manche zuerst denken mögen. Doch dazu müßte die SPD-Linke springen. Einzelne haben es getan, Dieter Dehm selbst und Fred Gebhardt, schon in den frühen 80er Jahren die Bundestagsabgeordneten Manfred Coppik und Karl-Heinz Hansen. Es blieben Häuptlinge ohne Indianer.

      Ob solche Sandkastenspiele etwas realistisches haben, bleibt abzuwarten. Eine solche Partei hätte natürlich keine Chance, irgendetwas anderes zu betreiben als einen gemäßigten Keynesianismus. Es wäre vielleicht die Möglichkeit, zu zeigen, daß die "Globalisierung" kein Naturereignis ist, dem Widerspruch zumindest eine Stimme zu verleihen. Damit gewönne man Zeit, eine andere Linke zu organisiere. Aber: Träume sind Schäume - oder nicht?

      © Philosophischer Salon
      Berlin, Sa., 22.07.2000
      Avatar
      schrieb am 04.09.02 22:14:52
      Beitrag Nr. 16 ()
      Dienstag, 3. September 2002
      PDS ist sozialistisch
      Falsche Kompromisse
      Die Zukunft der PDS ist weiter offen. Innerhalb der Partei steht Sarah Wagenknecht als Mitglied der Kommunistischen Plattform für streng kapitalismuskritische Positionen. Im Gespräch mit n-tv.de warnt sie vor falschen Kompromissen und kritisiert deutlich die Regierungspolitik der PDS in Berlin.
       
      n-tv.de: Die PDS ist seit einem halben Jahr in Berlin an der Regierung beteiligt. Gerade hier drohen aber nach dem Rücktritt Gregor Gysis Stimmenverluste. Wie sehen sie die Situation?
       
      Wagenknecht: Meine Sorge ist weniger, dass der Rücktritt Gregor Gysis Stimmen kostet, sondern dass viel mehr die Politik des Rot-Roten-Senats in Berlin uns Stimmenverluste einbringen könnte. Ich hoffe, in der PDS wird jetzt darüber nachgedacht, ob wir so weitermachen können
       
      n-tv.de: Wie soll sie sich die PDS denn ihrer Meinung nach verhalten?
       
      Wagenknecht: Die PDS darf sich von der SPD nicht mehr in dieser Form vorführen lassen. Wir stehen jetzt in Berlin bei vielen Fragen auf der falschen Seite. Die Verantwortlichen des Berliner Bankskandals erhalten Renten und Übergangsgelder, während gleichzeitig die Sozialleistungen gekürzt werden. Das dürfen wir nicht mittragen, denn dies kann nicht die Politik der PDS sein.
       
      n-tv.de: Meinen sie, die PDS könnte sich in Berlin besser positionieren, wenn sie nicht an der Regierung beteiligt wäre?
       
      Wagenknecht: Wir dürfen uns nur an der Regierung beteiligen, wenn es wirkliche Alternativen gibt. Zur Zeit sehe ich diese Alternativen nicht. Stattdessen findet eine Politik statt, die so auch von der CDU oder von SPD und Grünen hätte gemacht werden können. Unser Problem ist, dass wir durch zunehmende Regierungsbeteiligungen in den Ländern ein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen haben. Der Platz der PDS sollte meiner Meinung nach viel mehr bei den Gewerkschaften und den sozial Betroffenen sein. Stattdessen werden wir von der SPD für Maßnahmen mitverantwortlich gemacht, die wir im Grunde nicht rechtfertigen können.
       
      n-tv.de: Aber würde die PDS nicht viel unglaubwürdiger wirken, wenn sie sich der Regierungsverantwortung und den damit verbundenen Kompromissen verweigern würde? Kann sie nicht nur durch Regierungsbeteiligungen wenigstens einen Teil ihrer Forderungen durchsetzen?
       
      Wagenknecht: Auf diese Weise haben die Grünen bereits ihr ganzes Rückgrat verloren. Wir wollen uns nicht verweigern, aber wir haben unsere Stimmen dafür bekommen, dass wir eine Partei der sozialen Gerechtigkeit und des Friedens sind. Zwar sind wir weiter die einzige Friedenspartei, aber an unserem sozialen Profil gibt es mittlerweile Zweifel. Das müssen wir ernst nehmen. Wir dürfen nicht in den neoliberalen Sog geraten und plötzlich selber über Sozialkürzungen reden.
       
      n-tv.de: Die Mitgliedschaft der PDS ist deutlich überaltert. Wie will die Partei neue, junge Wählerschichten an sich binden?
       
      Wagenknecht: Junge Leute erreicht man nur durch Visionen. Junge Menschen erreicht man nicht, indem man den anderen Parteien immer ähnlicher wird. Wir müssen glaubhaft Alternativen vermitteln und zwar auch Alternativen jenseits des kapitalistischen Systems. So eine Partei könnte gerade für junge Leute anziehend wirken. Wir sehen dies bei Attac und anderen kapitalismuskritischen Gruppen. Hier muss die PDS sich engagieren.
       
      n-tv.de: Ist die PDS denn überhaupt eine demokratische Partei?
       
      Wagenknecht: Wir sind demokratischer als viele andere Parteien. Wir sind eine sehr pluralistische Partei, in ihr können unterschiedliche Meinungen offen gesagt und vertreten werden. Die anderen Parteien reden zwar mehr von Demokratie aber bei der Bundestagsdebatte über den Kriegseinsatz in Afghanistan wurde ja deutlich, wie beispielsweise eine Partei wie die SPD Abweichler unter Druck setzt. In Bezug auf unsere gesellschaftspolitischen Ziele ist für mich die Überwindung des Kapitalismus die Vorraussetzung für wirkliche Demokratie.
       
      n-tv.de: Wollen sie eher eine Anti-System-PDS als eine PDS der kleinen Kompromisse?
       
      Wagenknecht: Diesen Gegensatz gibt es nicht. Natürlich müssen wir auch hier und heute Kompromisse machen, aber sie müssen in die richtige Richtung gehen. Kompromisse die soziale Verbesserungen mit sich bringen, aber uns nicht weit genug gehen, können wir akzeptieren. Kompromisse bei denen wir soziale Ungerechtigkeiten mittragen müssen, dürfen für uns nicht in Frage kommen. Trotz aller Kompromisse darf aber nicht untergehen, dass wir eine antikapitalistische Partei sind und langfristig andere Zielstellungen haben.
       
      n-tv.de: Wenn sie sich etwas wünschen könnten, wie würde die PDS in zehn Jahren aussehen?
       
      Wagenknecht: Ich wünsche mir vor allem eine sozialere und friedlichere Gesellschaft. Für die PDS wünsche ich mir nicht nur gute Wahlergebnisse, sondern auch, dass wir außerparlamentarisch wieder mehr Bewegung bekommen. Die Menschen sollen sich wehren und wirklich für ihre Interessen einstehen.
       
      (das Interview führte Stefan Wellgraf)
      Adresse:
      http://www.n-tv.de/3062997.html
      Avatar
      schrieb am 04.09.02 22:17:29
      Beitrag Nr. 17 ()
      und hier noch enin heute auf n-tv.de veröffentlichter Brief von Gregor Gysi und André Brie an Oskar Lafontaine

      Mittwoch, 4. September 2002
      Im Wortlaut
      Ein Brief an Lafontaine
      Lieber Oskar Lafontaine,
       
      um mit der Tür ins Haus zu fallen: Wir setzen uns mit diesem Brief nicht für eine wie auch immer geartete Regierungszusammenarbeit zwischen der SPD und der PDS auf Bundesebene ein. Wir halten auch Erwägungen über eine künftige Vereinigung für völlig falsch und unnötig, weil sie politisch und kulturell kontraproduktiv sind. Die Linke sollte in Anbetracht der sozialen und kulturellen Heterogenität der Gesellschaft differenziert organisiert bleiben. Wichtig ist uns, dass zentrale Fragen dieser Gesellschaft, des Lebens der Menschen, in den Vordergrund linker Debatten treten müssen.
       
      Wir glauben, dass die unweigerlich großen gesellschaftlichen und politischen Veränderungen, die in der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union herangereift sind, prinzipiell unterschiedliche Antworten finden können. Verkürzt gesagt, geht es sehr wohl um die Alternative zwischen einer primär neoliberalen und weltmarktorientierten oder einer sozialen, solidarischen, ökologischen und demokratischen Modernisierung der Gesellschaft.
       
      Wir haben in den vergangenen Jahren persönlich gute Erfahrungen im Gespräch, Kontakt und in der Zusammenarbeit mit Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gemacht. Es ist an der Zeit, darüber zu reden, ob SPD und PDS in der Lösung dieser Aufgabe auch gemeinsame Verantwortungen und Möglichkeiten haben. Dabei sind uns die geschichtlichen und aktuellen Differenzen sehr wohl bewusst, und die ursprünglich gemeinsame Wurzel in der Sozialdemokratie August Bebels und Wilhelm Liebknechts mag heute aus unterschiedlichen Gründen nur noch eine geringe Rolle spielen.
       
      Die PDS hat mit der diktatorischen Tradition des osteuropäischen Staatssozialismus gebrochen, einen demokratischen Wandlungsprozess vollzogen, dessen Ehrlichkeit und Verlässlichkeit wichtigen Proben stand gehalten hat, unumkehrbar, wenngleich bei weitem nicht abgeschlossen ist. Es bleibt eine beständige Aufgabe der PDS, der Partei, zu der wir gehören, sich konsequent mit den undemokratischen Teilen der SED-Geschichte und ihren umfassenden Folgen auseinander zu setzen. Dazu gehört auch die restlose Überwindung des so zerstörerischen und törichten Antisozialdemokratismus von KPD und SED. Wir wissen um die beispielhafte demokratische Tradition der SPD innerhalb der deutschen Parteienlandschaft, aber Sie werden verstehen, dass wir die Geschichte und Gegenwart der SPD auch nicht unkritisch sehen.
       
      Von beiden Parteien hoffen wir, dass sie sich den grundlegenden Forderungen und Zielen der modernen internationalen sozialen Bewegungen und ihrem Anspruch öffnen: »Eine andere Welt ist möglich!«
       
      Unserer Meinung nach ist die Zeit herangereift, die Möglichkeiten, Schwierigkeiten und politischen Inhalte einer Zusammenarbeit in Schlüsselfragen aktueller Politik und gesellschaftlicher Reformen offen zu diskutieren. Wir wenden uns an Sie, weil sich die gegenwärtig regierende SPD linken gesellschaftspolitischen Debatten eher verschließt und Sie es bekanntlich waren, der nicht gewillt war, einen neoliberalen Regierungskurs mitzutragen.
       
      Sie, Oskar Lafontaine, und wir waren 1999 ebenso wie nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 überzeugt, dass Kriege die falsche Antwort sind. Niemand kann Sympathie mit dem irakischen Diktator Saddam Hussein haben. Aber ein Krieg gegen den Irak, auch noch unter Bruch des Völkerrechts, muss verhindert werden. Wir sind uns sicherlich einig, dass ein solcher Krieg die Pulverschnur in die explosivsten, eng mit einander verwobenen Regionen dieser Erde entzünden kann. Die Verhinderung dieses Krieges ist möglich. Doch es fällt uns nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre schwer zu glauben, dass die aktuelle Regierungskritik am USA-Kurs über den Wahlkampf hinaus Bestand haben wird. Die militärische Dominanz der USA ist geschichtlich beispiellos und wird für eine imperiale Weltpolitik genutzt.
       
      Die US-Administration ist offensichtlich zu einem Amoklauf gegen das Völkerrecht sowie das Rüstungskontroll- und Abrüstungssystem entschlossen. Die Gefahren dieser Politik sind offensichtlich. Die »uneingeschränkte Solidarität« mit der USA-Politik durch die Bundesregierung war unter diesem Gesichtspunkt von Anfang an falsch. Es geht nicht um einen Antiamerikanismus, sondern um die Verteidigung und Stärkung des internationalen Rechts gegen den US-amerikanischen Sonderweg des Unilateralismus. Deshalb sind ein aktives gesellschaftliches Klima erforderlich und die Alternative einer echten gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik, eine außen- und sicherheitspolitische Emanzipation der EU. Beides sind Aufgaben größter Dimension. Wir meinen, dass SPD und PDS einen Beitrag dazu leisten können und müssen. Wir fordern dabei ausdrücklich unsere eigene Partei auf, sich prinzipiell zu einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU zu bekennen. Deren Verantwortung und Chance besteht nach unserer Überzeugung in der Stärkung kooperativer internationaler Sicherheitsstrukturen, in präventiver und primär ziviler Sicherheitspolitik, in Beiträgen zu einer nachhaltigen globalen Entwicklungs- und Demokratiepolitik, nicht im vergeblichen und die Gefahren nur vergrößernden Versuch, militärisch und militärpolitisch mit den USA mithalten zu wollen.
       
      2. Wir haben in den vergangenen zwölf Jahren eine große Bereitschaft der gesamten Gesellschaft zur Solidarität mit dem Osten Deutschlands erlebt. In der Hochwasserkatastrophe jüngst ist sie wieder eindrucksvoll bewiesen worden. Doch entscheidende Probleme des Ostens sind trotz gewaltiger finanzieller Transfers ungelöst, viele Benachteiligungen nicht überwunden. Gemessen an eigener Wirtschaftskraft, Zurückdrängung der enormen Arbeitslosigkeit und Beseitigung aller Diskriminierungen muss bisher ein Scheitern der Anstrengungen festgestellt werden. Die vielfältigen Schwierigkeiten bei einer umfassenden Veränderung dieser Situation kennen wir. Doch das Ruder muss jetzt herumgeworfen werden. Die wirtschaftlichen Schäden und sozialen Verwerfungen drohen unumkehrbar zu werden. Wir meinen, dass es erstens endlich einen realistischen, aber relativ kurzfristigen Zeitplan für die vollständige Angleichung von Löhnen im öffentlichen und privaten Bereich, der Renten, der Zahlungen an Ärztinnen und Ärzte usw. geben muss. Angesichts der strukturellen Schwäche der ostdeutschen Wirtschaft wird das ohne staatliche Unterstützung nicht möglich sein, aber unserer Meinung nach letztlich die Wirtschaftskraft des Ostens stärken. Zweitens: Beseitigt werden müssen nun endlich auch alle Sondergesetze, die Ostdeutsche benachteiligen. Drittens müssen realisierbare Vorstellungen für eine deutlich gestärkte eigenständige Wertschöpfung in Ostdeutschland entwickelt werden. Viertens sollten wir gemeinsam dazu beitragen, das Miteinander in der Hochwasserkatastrophe zum Miteinander im gesellschaftlichen Alltag zu machen und kulturelle und andere Unterschiede als Bereicherung und nicht als Hindernis für das Zusammenwachsen unserer Gesellschaft zu achten.
       
      3. Unser Gemeinwesen muss demokratisch und sozial gestaltbar bleiben. Es kann nicht dabei bleiben, dass der öffentlichen Hand in Kommunen, Ländern und Bund die finanziellen Mittel dafür fehlen. Die Bundesrepublik 2002 ist doch nicht ärmer als 1990 oder 1995, im Gegenteil. Wir sind mit Ihnen, lieber Oskar Lafontaine, einig, dass die anhaltende Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben empörend und sozial und wirtschaftlich bedrohlich ist. Wir sehen die Vorschläge der Hartz-Kommission durchaus differenziert. Aber wir finden uns nicht ab mit der Grundtendenz – der Vermarktung der Arbeitskraft und dem massiven offiziellen Einstieg in den Niedriglohnsektor. Dazu können, dazu müssen Alternativen diskutiert, gesellschaftlicher Widerstand organisiert werden. Vielleicht ist die Idee einer Besteuerung der kurzfristigen internationalen Devisenumsätze (»Tobin«-Steuer) nicht oder nur schwer praktikabel, aber sollte sie nicht endlich ernsthaft geprüft und öffentlich erörtert werden? Volkswirtschaftlich muss doch zugunsten der Realwirtschaft offenkundig erreicht werden, dass die Verselbstständigung der internationalen Finanzmärkte eingedämmt und zugleich eine gerechtere und wirtschaftlich sinnvolle Verteilung der Finanzen realisiert wird. Auch dafür sind nicht nur Ideen und Entscheidungen, sondern das entsprechende gesellschaftliche Klima notwendig. Aus der Sozialdemokratie und ebenso aus der PDS kamen und kommen immer wieder Vorstellungen zur Wiedererhebung der Vermögenssteuer, zur Veränderung der Erbschaftssteuer. Es gibt sehr unterschiedliche Forderungen nach einer wirkungsvolleren ökologischen Umsteuerung. Sollten, könnten das nicht Felder einer praktischen Diskussion um Alternativen und um die Suche nach breiter gesellschaftlicher Unterstützung für dringende Reformen sein?
       
      Es mag andere Themen und Probleme geben. Das muss offen sein. Wir jedenfalls wollen die Probe aufs Exempel. Wie groß sind unser jeweiliger Realismus, unsere Kompetenz, unsere Bereitschaft zu einer modernen sozialen Orientierung und einer ökologischen Erneuerung, wie groß sind unsere Fähigkeiten, die Beteiligung und die Akzeptanz der Gesellschaft für umfassende Reformen zu fördern?
       
      Wir möchten uns für einen linken Aufbruch in der Bundesrepublik und in der Europäischen Union engagieren. Wir setzen unsere Hoffnung wesentlich in die internationalen globalisierungskritischen Bewegungen. Aber wir möchten uns auch dafür einsetzen, dass SPD und PDS fähig werden, in diesem Sinne strategisch zusammen zu arbeiten, ohne den Reichtum ihrer Unterschiede aufzugeben. Die PDS wird ihren gesellschaftlichen Zielen nur in Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie und den alten und neuen sozialen Bewegungen näher kommen können. Und die SPD, glauben wir, braucht die Herausforderung von links.
       
      Mit herzlichen Grüßen
       
      Gregor Gysi / André Brie
      Adresse:
      http://www.n-tv.de/3063379.html
      Avatar
      schrieb am 04.09.02 22:22:17
      Beitrag Nr. 18 ()
      Wenn ich ihre Grundposition auch nicht teile,
      in Bezug auf die PDS hat sie allerdings recht ... :D
      Avatar
      schrieb am 04.09.02 22:42:45
      Beitrag Nr. 19 ()

      Rückblick nach Brandenburg vor 2 Jahren

      Machiavelli für Anfänger - Schröder kauft die PDS

      Nein, so einfach wie der mecklenburg-vorpommersche PDS-Vorsitzende Helmut Holter darf man es sich nicht machen. Die PDS habe in den Verhandlungen mit Schröder nur die Interessen ihres Landes vertreten. Das ist selbst für Holters Verhältnisse etwas arg blauäugig. Die Wirklichkeit ist ja auch anders. Für die PDS ging es darum, endlich mit in´s Boot zu kommen. Durch das Gespräch mit dem Kanzler, bei dem ihr ja auch einige Zugeständnisse gemacht worden, ist die PDS nun als realpolitischer Faktor anerkannt. Nicht, daß sie wirklich irgendetwas zu bestimmen hätte, aber da geht es anderen Parteien ja auch nicht besser. Entscheidend ist, daß sie überhaupt dabei ist.

      Das Gespräch mit Schröder kam für die in letzter Zeit arg gebeutelte PDS-Führung gerade noch zur rechten Zeit. Nach der Niederlage in Münster, die zumindest nach außen dem Bild einer der Vergangenheit verhafteten Partei zu bestätigen schien - jedenfalls wurde es von den interessierten Medien so aufbereitet - und dem Rückzug ihr Galionsfiguren Gysi und Bisky, von deren Popularität und Eloquenz sie bislang weitgehend gelebt hatte, war auch die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung im Bund, die ursprünglich für 2002 geplant war, in weiter Ferne entschwunden. Nicht unbedingt schlecht für eine Partei, die von der Rolle der radikalen Opposition lebt. Die Grünen haben sich mit diesem Gehabe jahrelang prächtig entwickelt, bevor die Realos fanden, nun sei es Schluß mit lustig. Aber die PDS hat ihre Grundsatzoptionen längst getroffen: sie will Teil sein eines, wenn auch diffusen reformerisch-modernen Blocks. Darauf ist die gesamte Parteielite eingeschworen. Gelingt dies nicht, verliert sie ihre Conditio sine qua non. Da sind kleine Zugeständnisse, und seien sie noch so symbolisch, Gold (und Geld) wert. Schröder hat ihnen dieses Zugeständnis nun gemacht. Rechnerisch wäre das gar nicht nötig gewesen, aber mit der Kaffeerunde bei Kanzlers zu Hause hat die PDS den schwarzen Peter nun zurück bekommen. Statt daß sich die SPD über die PDS streitet, wird nun der innerparteiliche Konflikt in der PDS verschärft. Das war auch der Sinn der Übung.

      Nebenbei hat Schröder auch der neuen CDU-Führung einen weiteren Tritt verpaßt. Wie auch immer man zum Verhalten der CDU stehen mag, klar ist, die Durchsetzungsfähigkeit der Riege um Angela Merkel und Friedrich Merz hat gelitten. Wer noch vor wenigen Wochen als Hoffnungsträger galt, ist nun kaum noch fähig zu einem glaubwürdigen Krisenmangement. Viele Niederlagen können sich Merkel und Merz nicht mehr erlauben. Schon zeigt Altkanzler Kohl in aller Deutlichkeit, wer der Boss ist und wer nicht. Kleinere Peinlichkeiten wie die neue Barspendenaffäre der hessischen CDU kommen hinzu.

      Schröder braucht sich im Moment nicht zu sorgen: zwar ist die Zustimmung für seine Partei nicht weltbewegend, aber bei der Opposition wird ihm kaum Bange sein. Zudem stehen mit den Grünen, der FDP und der PDS die Koalitionspartner Schlange.

      Trotzdem ist Angela Merkel zur zeit ungefährdet: nicht weil sie so stark ist, sondern weil keiner den Posten haben will. Kohl, der vielleicht wollen würde, kann nicht und Stoiber wird sich glücklich preisen, daß seine CSU kein Landesverband der CDU ist. So kann er geduldig in Bayern auf seine Stunde warten. Das ist die Stärke der Angela Merkel. Aber die uhr tickt.

      © Philosophischer Salon
      Berlin, Sa., 15.07.2000
      Avatar
      schrieb am 05.09.02 00:08:33
      Beitrag Nr. 20 ()

      Links, geradeaus oder im Kreise

      Als Gregor Gysi sein Buch "Ein Blick zurück, ein Schritt nach vorn" vorstellte, da half ihm dabei ein anderer ehemaliger Parteivorsitzender, Oskar Lafontaine. Der reklamierte für sich die Einsicht, dass er von einer Vereinigung der kleinen mit der großen sozialistischen Partei ausginge, was zumindest in seinen Verantwortungszeiten - also vor Jugoslawienkrieg und neoliberal angehauchter Wirtschaftsentscheidung - denkbar schien. Gysi schien nicht abgeneigt, betonte aber die Rolle seiner PDS links von der SPD. Nun sind Gedankenexperimente nicht verboten, sondern in wissenschaftlichen Diskussionen, auch im politischen Spinnstuben sinnvoll. Und elder statesman genießen eine gewisse Narrenfreiheit, sie auch auszusprechen. Vor Jahren dachte man auch über eine Arbeitsteilung Grüne West und PDS Ost nach. Nur, es bleiben solange Träumereien, wie politische Voraussetzungen fehlen. Der Blick in die Geschichte legt sicher nahe, dass Parteispaltungen und -absplitterungen - das waren einst die Kommunisten wie mehr als fünf Jahrzehnte später die Grünen - in den Schoß ihrer sozialdemokratischen Mutterpartei zurückkehren. Es bleibt nur die Frage, ob reumütig oder in eine gewandelte SPD.

      Die PDS ist mittlerweile mit ihren Funktions- und Mandatsträger in der Bundesrepublik angekommen, sie wird kaum noch als Buhmann behandelt, trägt heute politische Verantwortung in Ländern und Kommunen. Gerade deshalb muss sie prüfen, wie sie ist ihren linken Anspruch weiter aufrechterhalten und vertiefen will, oder ob sie tatsächlich durch eine "große Entzauberung" zum Widergänger sozialdemokratische Un-Tugenden verkommen will. Da ist praktische Politik das eine, aus Sicht von Teilen der PDS-Macher das Neuschreiben eines Parteiprogramms das andere.

      Hier gab dieser Tage einen neuen Anlauf, das Aufschreiben von "Grundlinien der Überarbeitung und Neufassung des Parteiprogramms". Ein abweichendes Minderheitsvotum von Uwe-Jens Heuer ließ nicht auf sich warten, auch manche Vorständler sind nicht ganz so glücklich, während andere sich freuen, weil "Leben in die Bude kommt" und das Papier "uns auf den Weg bringt".

      Noch erscheint das neue Papier als jenes Fass Öl, das die Wogen des gelegentlich stürmischen Umgangs einiger weniger Parteiintellektueller im "Reformer"- wie im Lager der "Kommunistischen Plattform" bzw. des "Marxistischen Forums" glätten soll. Von der modernen bürgerlichen Gesellschaft und der Modernisierung der Moderne ist nur noch zwischen den Zeilen zu lesen, das Wort Kapitalismus für die Charakterisierung der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse scheint nicht mehr tabu zu sein, die Wertung der DDR wird weitgehend umschifft wie überhaupt geschichtliche Einbindung und Fundierung dieser Partei augenscheinlich keine Rolle spielt.

      Verlockend ist der gewählte Zugang über die Freiheit des Individuums. Die Autoren gehen von der ganz einfachen, elementaren, lebensnahen Frage aus: "Was braucht jeder Mensch für ein Leben in Menschenwürde?" Sie bemühen immerhin Marx und Engels als Ausgangspunkt mit dem "Ziel einer `Assoziation` sein, `worin die freie Entwicklung eines jeden zur Bedingung der freien Entwicklung aller` wird. Es wird deutlich zu machen sein, dass eine solche Perspektive die Überwindung der gegenwärtigen vorherrschenden, von hochgradiger Kapitalkonzentration und einem wachsenden Gewicht international operierender Großbanken, Finanzfonds und transnationaler Konzerne gekennzeichneten Eigentums- und Machtverhältnisse erfordert, dass es aber kurz- und mittelfristig auf dem voraussichtlich langen Weg zu einer gerechten Gesellschaft sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit um viele Teilschritte der Annäherung an eine solche Gesellschaft geht."

      Sie wollen deutlich machen, dass diese Freiheit unbedingt bestimmter "Freiheitsgüter" bedarf: "sozial gleicher Zugang aller zur Wahrnehmung demokratischer Rechte in einer erneuerten Demokratie; Freiheit von der Gefährdung des Lebens durch Kriege und durch Gewalt im Innern; Erhalt der Umwelt und erdumspannend gleiche Anrechte auf gleichen Umweltraum; existenzsichernde Arbeit ; sozial gleicher Zugang aller zu Bildung, Wissen und Kultur; erneuerte soziale Sicherung für alle". Zwangsläufig wird dabei die Sicht des Individuums in den Mittelpunkt gerückt, was in der heutigen Gesellschaft mit ihren stark antikollektivistischen Ausrichtungen durchaus ein kluger Schachzug sein kann.

      Nur, und hier scheint die eigentliche Dialektik von individuellen Existenz- und Emanzipationsbedürfnissen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen Gefahr zu laufen nach jener staatssozialistischen Zwangskollektivierung nun in das andere Extrem auszuschlagen. Gesellschaftliche Strukturen, Gruppen, Klassen, nicht zuletzt die Rolle des Kapitals - zumindest des Großkapitals - muss wohl ebenso ins Kalkül gezogen werden wie die Frage einer notwendigen Organisation jener Individuen - in sozialen Bewegungen, Organisationen, auch Parteien - denn wozu sonst ein Partei-Programm und nicht ein allgemeine Wunschvorstellung als Manifest an alle ins Internet.

      Die Autoren wollen eine "Erzählung" entwickeln: "Die PDS als Partei, die an die Geschichte der Kämpfe sozialer Klassen und Gruppen in den letzten 200 Jahren um gerechte Teilhabe an gesellschaftlichem Reichtum und um gleichen Zugang zu gesellschaftlicher Macht anknüpft, an den Kämpfen der Unterdrückten um die Würde des Menschen. Sozialistische Politik als solche, die dies unter den gravierend gewandelten gegenwärtigen Bedingungen mit eigenem Ziel fortsetzt. Diesen Wandel zu analysieren, bedeutet prinzipielle Kapitalismus-Kritik, aber auch ein Deutlichmachen von Möglichkeiten, die der gewandelte Kapitalismus hervorbringt und zugleich in Fesseln schlägt, die damit Ansätze sozialistischer Politik in der gegenwärtigen Gesellschaft bieten. Sozialistische Politik sollte in Auseinandersetzung mit diesem Kapitalismus als Kampf um gerechten Zugang zu Freiheitsgütern auf entscheidenden Feldern gesellschaftlicher Entwicklung dargestellt werden. Dabei müssen die Alternativen gesellschaftlicher Entwicklung deutlich gemacht werden, für die die PDS steht."

      Die Gefahr, dass es nicht zu einer Erzählung im Sinne eines herausragenden auch literarischen Textes - Marx und Engels haben ihr "Manifest" allerdings schon lange geschrieben - wird, sondern eine Erzählerchen und Wünsch-Dir-was-Programm ist groß. Noch ist das Papier in allen Richtungen offen. Ein Verdikt ist ebenso wie ein Heureka fehl am Platz. Zu denken gibt allerdings die ebenfalls mitgeteilte Tatsache, dass nun bereits - auf dieser Basis - an dem eigentlichen Programmentwurf gearbeitet wird. Sollten sich Heuers Befürchtungen bestätigen, dass der nächste Tagung des 7. Parteitages im Oktober ein solches Programm annehmen soll, dann wäre dies wohl möglicherweise eine ähnlich desaströse Veranstaltung wie Münster. In Cottbus hatte nach dem damaligen Desaster die Parteitagsregie geklappt, aber zu glauben, dass unter der Not der bevorstehenden Bundestagswahl wieder ein Schulterschluss zu erwarten ist, dürfte ins Auge gehen. Eines vergessen die begeisterten Befürworter eines neuen Programms leider immer wieder: Wahlen sind noch am allerwenigsten mit großen Parteiprogrammen gewonnen worden. Wahlprogramme konkreter Politik, handfeste überzeugende Losungen, ausstrahlungsfähige und kompetente Kandidaten, Konzepte für das hier und heute geben immer noch am ehesten des Ausschlag.

      Allerdings: Die Linkssozialisten sollten sich an alte Grundregeln für Parteiprogramme erinnern: klare Analyse des Bestehenden; deutliche Benennung, wogegen und wofür sie sind; das Aufzeigen der programmatischen, gar konkret-utopischen Ziele im Sinne einer sozialistischen Verheißung und verbunden mit der absehbaren Strategie, in unserem Falle zur Zähmung des marktradikalen Kapitalismus; klare Abgrenzung von politischen "Mitbewerbern" im linken und mittigen Bereich mit dem Benennen auch der gemeinsamen Berührungspunkte; Charakterisieren der sozialen und politischen Kräfte der Veränderung. Das Individuum wird das allein nicht richten - es könnte ein genauso ehrenvoller, wie verzweifelter Irrweg werden wie einst der "neue Mensch", der "sozialistischen Menschengemeinschaft".

      © Philosophischer Salon e.V., Berlin
      Berlin, Mo., 26.03.2001
      Avatar
      schrieb am 05.09.02 00:24:39
      Beitrag Nr. 21 ()
      Diese Partei hätte man nach der Wiedervereinigung als erstes verbieten müssen, stattdessen streitet man sich wegen der harmlosen NPD. Einfach unfassbar, dass diese Kommunisten in einer so geschichtlichen Stadt wie Berlin mitregieren. Diese Leute haben jegliches Recht verloren, auch nur noch ein Wort in diesem Land von sich zu geben.
      Avatar
      schrieb am 05.09.02 00:32:03
      !
      Dieser Beitrag wurde vom System automatisch gesperrt. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an feedback@wallstreet-online.de
      Avatar
      schrieb am 05.09.02 00:38:11
      Beitrag Nr. 23 ()
      Körschgen, du solltest auch mal überlegen bevor du hier
      im Jaucheforum postest.
      Könnte wenigstens nicht schaden. Ich lebe in einer
      Stadt in der harmlose "Mitglieder" der NPD Stadtteile
      zu Ausländerfreien Zonen erklären und sich schon am Tage
      ausländische Studenten nur in Gruppen reintrauen.
      Hier wurden schon mehrere Obdachlosenmorde von mehreren
      eindeutig rechtsgesinnten Jugendlichen begangen.
      Der Kreisvorsitzende ist übrigens wegen versuchten Totschlags eines Ausländers verurteilt. Eine Jugendsünde
      wie er meint. Er wartet zur Zeit auf den nächsten Haftantritt...
      Avatar
      schrieb am 05.09.02 00:40:43
      Beitrag Nr. 24 ()
      @Guerilla:
      Man wird sich ja wohl noch zu dieser asozialen Plage äußern dürfen. :laugh:
      Die undankbaren Ossis wählen ja immer noch zu 25% PDS, nachdem man schon ihre Ostmark in einer geistigen Umnachtung 1:1 in DM tauschte und jährlich 150 Mrd. dorthin überweist, um den Schrottberg zu beseitigen, den die Dachdecker- und Maurer-Vereinigung SED angehäuft hat.:laugh:
      Das eigene Volk einmauern, sie um ihre Lebensentwürfe zu betrügen und sich jetzt zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit äußern, das ist einfach die Krönung. Es fehlt nur noch, dass sich Stevie Wonder fürs Bogenschiessen zu Olympia meldet.:laugh:
      Avatar
      schrieb am 05.09.02 00:46:15
      Beitrag Nr. 25 ()
      @EHC:
      Ein Verbot der NPD bringt dennoch nichts. Die paar Idioten soll man ruhig zur allgemeinen Belustigung frei herumlaufen lassen. 80% der WO-User sind auch bekloppt, deshalb gibt es WO ja trotzdem, gelle? :laugh:

      Im Übrigen haben die Fälle, die Du schilderst, nichts mit der NPD, sondern mit mangelnder Ausstattung der Polizei und nachsichtiger Justiz zu tun.
      Avatar
      schrieb am 05.09.02 00:52:34
      Beitrag Nr. 26 ()
      #24 Körschgen ... :D

      Und ? 75% der Stimmen fallen auf CDU/SPD/FDP/Grüne etc.
      Ich denke, das ist die besonders undankbare Mehrheit ... :laugh:

      Gue
      Avatar
      schrieb am 05.09.02 14:24:01
      !
      Dieser Beitrag wurde vom System automatisch gesperrt. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an feedback@wallstreet-online.de
      Avatar
      schrieb am 14.09.02 12:16:17
      Beitrag Nr. 28 ()

      PDS funkt Alarmstufe Rot

      Immer weniger Stimmen für die Demokratischen Sozialisten

      Die Meinungsmacher geben dieser Tage wieder die allerneuste Hochrechnung bekannt und die sieht für die PDS einen tiefen Einschnitt. Wenn kommenden Sonntag Wahl wäre, käme die PDS nach den Ergebnissen der Umfrage führender Meinungsforschungsinstitute bundesweit auf 4 Prozent. Damit liegt die Partei der Demokratischen Sozialisten eine Woche vor der Bundestagswahl deutlich unter der 5-Prozent-Hürde.

      Nach Außen heißt es daher aus dem Karl-Liebknecht-Haus, der Parteizentrale im Osten Berlins: Jetzt erst recht. Die Protagonisten der Partei haben angekündigt, im Osten der Republik noch einmal verstärkt um die Zweitstimme zu werben und insbesondere in Berlin um die Erststimme zu kämpfen.

      Sollte für die PDS die Hürde sich als eine solche entpuppen, könnte sie quasi am Dreidirektmandatestock noch drüberfliegen. Sie benötigt drei Wahlkreise, in denen ihre Direktkandidaten gewinnen. Hoffnungen machen sich Roland Claus in Halle/Saale, Rolf Kutzmutz in Potsdam, Dietmar Bartsch in Schwerin, Rosina Neumann in Rostock und Täve Schur in Leipzig. Aber so richtig gute Aussichten hat die Ostdeutscheinteressenpartei nur in Ostberlin. Dort käme sie derzeit auf nur 26 Prozent der Zweitstimmen.

      Legt man nun die Erststimmen von 1998 auf die (leider) neu gefassten Wahlkreise um, dann liegt die PDS jedoch nur in zwei Wahlkreisen klar vorne. Die träfe auf die Bezirke Marzahln-Hellersdorf mit 46,7 Prozent vor der SPD mit 26,6 Prozent und in Lichtenberg-Hohenschönhausen mit 42,5 Prozent vor der SPD mit 31,7 Prozent zu. Petra Pau und Gesine Lötzsch würden demnach sehr gute Chancen haben und wieder im Reichstag sitzen. Wirklich halbwegs gute Aussichten bestehen jedoch noch in Pankow (mit Weißensee und dem Prenzlauer Berg) und Treptow-Köpenick. Nimmt man die Zahlen der letzten Bundestagswahl von 1998, dann liegt die PDS in Pankow mit 32,7 Prozent hinter der SPD mit 36,1 Prozent und in Treptow-Köpenick mit 34,8 Prozent hinter der SPD mit 37,6 Prozent. Im neuen Wahlkreis Pankow hofft die unfähige und selbst in der Partei unbeliebte Sandra Brunner auf einen Sieg. Früher konnten hier (im Prenzlauer Berg/Mitte) Stefan Heym und Petra Pau gegen Wolfgang Thierse durchsetzen, während sich Manfred Müller in Pankow/Weißensee/Hohenschönhausen gewinnen und verteidigen konnte. Der Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg wird mit hoher Wahrscheinlichkeit an die SPD gehen. Direktkandidatin Bärbel Grygier braucht sich ebenso wie ein engagiert Wähler werbender Christian Ströbele keine Hoffnungen machen.

      Glaubt man den Meinungsforschern, die mit der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse zugleich Meinung machen, dann haben sowohl der Rücktritt von Wirtschaftssenator Gregor Gysi als auch die klare Absage der SPD an einer Beteiligung am kommenden Krieg der USA gegen den Irak ihre Wirkung gezeigt und lässt die Anhänger von Petra Pau und Gabi Zimmer in Osterlin auf 26 Prozent schrumpfen. Die Regierungsbeteiligung in Berlin verschreckt eher die Wähler, hat die auf Opposition machende Partei mehr denn je entzaubert. Nimmt man die Antworten auf die Frage nach dem Personal, dann sieht es noch schlimmer aus. Bei der Bundestagswahl vor vier Jahren war fast jeder zweie Ossi der Meinung, dass die PDS besonders fähige Politiker in der Führung habe - jetzt glaubt das nur noch jeder vierte Wähler.

      Die PDS liegt in Berlin - vor allem in Ostberlin - bei allen Umfragen eine Woche vor der Wahl deutlich im Abwärtstrend. Bei den Kandidaten auf einen waren Abgeordnetenhaussessel schrillen die Alarmglocken. Schwarzer Humor macht sich breit: Demnächst würde nur noch Petra Pau im Reichstag sitzen und bei ihr seien nur die Haare rot.

      Was soll man dazu sagen?

      Quelle: © Philosophischer Salon e.V, Berlin
      13.09.2002
      Avatar
      schrieb am 14.09.02 12:21:26
      Beitrag Nr. 29 ()
      das heisst wohl, die pds kriegt weder drei direktmandate,
      noch schafft sie die fünf-prozent-hürde.
      da geht aber die rechnung einiger nicht auf. :D

      mfg,
      Cole_T
      Avatar
      schrieb am 14.09.02 12:45:47
      Beitrag Nr. 30 ()
      Die 5% werden sicher knapp, auch wenn in den Wahlumfragen eine angeblich steigende Tendenz zu beobachten ist ... :eek:

      2 Direktmandate sind sicher, das dritte in Halle ist hart umkämpft. Ich rechne aber mit 4 Dierektmandaten.

      Damit wäre dann eine Ampel wahrscheinlich, da Rot/grün keine Absolute Mehrheit schaffen wird und eine Tolerierung durch die PDS das größere Übel für die SPD ist, als eine Beteiligung der FDP.

      Mit einer Beteiligung der FDP bietet sich auch gleich bequem der Sündenbock für ein eventuelles späteres Scheitern und dann als Alibi für das Umschwenken auf eine Tolerierung ohne Gegenleistung.

      Gue
      Avatar
      schrieb am 18.09.02 20:55:40
      Beitrag Nr. 31 ()
      POLITIK: Bei PDS-Erfolg würde Gregor
      Gysi in die Bundespolitik zurück
      BERLIN (dpa-AFX) - Bei einem Einzug der PDS in den nächsten
      Bundestag würde der ehemalige PDS-Parteichef und einstige Berliner
      Wirtschaftssenator Gregor Gysi für eine Rückkehr in die Bundespolitik
      bereit stehen. Dies teilte der Nachrichtensender N24 am Mittwoch in
      Berlin mit.

      Gysi sagte: "Ich wette, die PDS zieht ein." In diesem Fall könne es
      "Konstellationen geben, die eine besondere Verantwortung von mir
      verlangen." Davor würde er sich nicht drücken, "wenn es dann auf
      mich zukäme", sagte er in N24. Eine Funktion als Parteifunktionär
      schloss er jedoch aus. "Das Kapitel in meinem Leben ist
      abgeschlossen."/ku/DP/st
      Avatar
      schrieb am 19.09.02 19:19:55
      Beitrag Nr. 32 ()
      Nach der heutigen Rede von Gysi gibt es keinen Zweifel mehr, am Sonntag muß PDS gewählt werden.
      Avatar
      schrieb am 21.09.02 11:41:10
      Beitrag Nr. 33 ()
      #29 Gysi allein ist schon ein Grund, PDS zu wählen, wenigstens einer, der die satten Lobbyisten im Reichstag zumindest rhetorisch aufmischen kann, 4 Jahre gähnende Langeweile hab ich nicht verdient ... :mad:
      Avatar
      schrieb am 21.09.02 13:27:53
      Beitrag Nr. 34 ()
      Tausche Gysi gegen Ströbele
      Avatar
      schrieb am 21.09.02 16:11:27
      Beitrag Nr. 35 ()
      sorry - dies ist ja kein grün-thread...
      Avatar
      schrieb am 21.09.02 16:46:59
      Beitrag Nr. 36 ()
      Ist doch wurscht, ich freu mich über jeden soliden Gast :mad:

      Biete einen Andre Brie und zwei Oskar Lafontaine für
      deinen Ströbele und einen halben Rezzo Schlauch ... :D

      Gue
      Avatar
      schrieb am 21.09.02 17:00:49
      Beitrag Nr. 37 ()
      Ich glaube, Rezzo ist auch als 2 Hälften noch überlebensfähig - wenn doch nur die Derartiges darstellenden smilies nicht allesamt so brutal wären ... nein, ich poste keine Kettensäge am Vorabend der Wahl!
      Avatar
      schrieb am 21.09.02 17:17:21
      Beitrag Nr. 38 ()
      Schlachten wir ihn halt hinterher ... :mad:
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 07:48:46
      Beitrag Nr. 39 ()

      Triste Gesichter in der "Tenne"

      Die PDS-Basis in Brandenburg lastet Gysi das Scheitern ihrer Partei an

      Wolfgang Kohrt

      SCHMACHTENHAGEN, 22. September. Es geht knapp zu in der "Tenne" des Bauernmarktes im brandenburgischen Schmachtenhagen. Der Zeiger der Uhr rückt dramatisch der Sechs entgegen, aber auf der Leinwand ist kein TV-Bild zu sehen. Und die einzigen Töne, die zu hören sind, kommen von "Dammis Diskothek".
      Der parteilose PDS-Direktkandidat Siegfried Mattner hat in der Wellblechhalle mit dem Erntekranz unter der Decke zu seiner Wahlparty geladen. Aber die kommt nicht aus den Startlöchern. Zufällig anwesende Sympathisanten mit technischem Sachverstand arbeiten verbissen an Projektor und Leinwand, doch vorerst ohne Erfolg. So steht Mattner vier Minuten nach 18 Uhr draußen an einem Auto und wartet unruhig, dass die ersten Hochrechnungen im Radio wiederholt werden. Es ist trist. Er steht im Regen, ein paar Meter weiter liegen märkischer Acker und Wald. Dann muss er auch noch das im Radio hören: 4,1 Prozent für die PDS nach der ersten Hochrechnung.

      Katastrophe bei Freibier

      Mattner will jetzt trotzdem anfangen und eilt zu seinen Anhängern in den großen Saal zurück. Da sitzen vielleicht 50 Menschen bei Bier und Kartoffelsalat mit Kassler. Der dunkle Saal ist zu einem Drittel gefüllt. Mattner begrüßt seine Leute und sagt, dass es jetzt Freibier gibt. "Wir brauchen die Hoffnung auf fünf Prozent noch nicht zu begraben", sagt er. In dem Moment geht das Bild an, es zeigt Dietmar Bartsch mit ernstem Gesicht bei Gabi Bauer im Studio. Ernste Gesichter bestimmen auch den Rest des Abends in der "Tenne". Man hält lange aus, aber die Hoffnung auf den Rettungsanker der drei Direktmandate bleibt verhalten.

      An einem der Tische sitzt der 63 Jahre alte Reiner Tietz. Er ist aus Kremmen herübergekommen und sagt, dass er einen Einbruch in dieser Schärfe nicht erwartet hat. Andere sprechen von einer Katastrophe. Tietz glaubt, dass der Gysi-Rücktritt geschadet hat, das "vordergründige Einschwenken Schröders auf einen Antikriegskurs in der Irak-Frage" und die Tatsache, dass Leute die PDS nicht wählten, weil sie Stoiber verhindern wollten. Die Irak-Frage sei ja bis dahin das ureigene Thema der PDS gewesen. "Und wenn ich mir den Verlust gegenüber der letzten Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern anschaue", sagt er, "dann sind wir auch deshalb abgestraft worden, weil unsere Anhänger nicht einverstanden sind mit der Politik, die die PDS in der Schweriner Regierung oder im Berliner Senat betreibt."

      Gegen 21 Uhr läuft Siegfried Mattner durch den Saal und versucht, die Hoffnung auf ein drittes Direktmandat wach zu halten. Im Privatleben ist er ein mittelständischer Unternehmer mit 70 Angestellten. Jetzt aber macht er sich Gedanken darüber, was an diesem Wahltag geschehen ist. "Egal, ob wir noch in den Bundestag einziehen", sagt er, "die Strategien der PDS müssen jetzt auf den Prüfstand. Es muss neue geben, die sich an die Jungen wendet, an Menschen im mittleren Alter, und nicht so ausgeprägt wie bisher an die Alten." Und die Regierungsbeteiligung der PDS in Schwerin und Berlin macht ihm Sorgen. Man müsse sehen, ob das richtig sei, wenn die PDS dadurch ihr Gesicht verliere und die Kernelemente ihrer Politik verrate.

      In einem knappen Monat wird sich die PDS zum Parteitag in Gera treffen, und Mattner sieht die Gefahr eines großen Gemetzels. Auch der PDS-Kreisvorsitzende Giso Siebert befürchtet eine "sehr scharfe Diskussion", weil es nicht gelungen sei, im Wahlkampf die Themen zu setzen, für die die PDS bisher gewählt wurde. "Ob der Vorstand in Gera bestätigt wird", sagt er, "das wage ich nicht zu prophezeien."

      http://www.berlinonline.de/aktuelles/berliner_zeitung/politi…
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 08:35:00
      Beitrag Nr. 40 ()
      #35,36: habe was humaneres gefunden:
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 08:45:20
      Beitrag Nr. 41 ()
      hawk ...

      Ich glaube, es genügt, ihm ganz dezent
      mit einem Tortenheber zu drohen ... :D

      Gue
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 09:30:23
      Beitrag Nr. 42 ()
      Torte? Mjam!
      Avatar
      schrieb am 25.09.02 14:26:07
      Beitrag Nr. 43 ()

      Quo vadis, Gregor Gysi?

      Kommentar: Die Stunde Oskar Lafontaines naht

      Fragen an Gregor Gysi

      Darüber kann kein Zweifel bestehen: die Wahlniederlage bei den Bundestagswahlen trifft die PDS existenziell. Das Ausscheiden aus dem Bundestag - mit Ausnahme der fraktionslosen Abgeordneten Pau und Lötzsch - bedeutet: vier Jahre lang de facto keine Präsenz in der bundesdeutschen Öffentlichkeit, die Entlassung von ca. 200 Mitarbeitern im Umfeld der Bundestagsfraktion - viele davon werden sich beruflich ganz von der Politik abwenden und anders etablieren müssen - bedeutet einen erheblichen Verlust qualifizierten Personals und die bereits seit längerem deutlich spürbaren Demoralisierungstendenzen in der Partei werden nicht nur nicht behoben, sondern sich verstärken. Die Möglichkeiten der PDS Politik zu beeinflussen, ohnehin bisher schon gering, werden sich auch nicht vergrößern. Auch der von Teilen der Partei ins Auge gefasste Rückzug auf den Osten bietet keine - noch so begrenzte - Perspektive auf Dauer.

      Völlig verfehlt ist es in dieser Situation, dass Teile der Partei, die sich als "linke Opposition in und bei der PDS" verstehen, nun ihre Stunde gekommen wähnen. Für nichts ist die Situation weniger günstig als für eine drastische Linkswende der Partei. Täte sie es dennoch, was aber nur in einer sehr emotionalisierten Stimmungslage, die nicht lange vorhalten dürfte, denkbar wäre, würde dies auf jeden Fall die Parteispaltung und das Ende der PDS als linke Wahlpartei bedeuten. Mag sein, dass es einige nicht bedauern, denn in der Tat lässt die politische Praxis der PDS-Führung, insbesondere der auf den Plakaten abgebildeten Truppe Gabi Zimmer, Petra Pau, Dietmar Bartsch und Roland Claus oft die Frage aufkommen, was eigentlich verloren ginge, wenn diese nicht mehr da wären. Eine berechtigte Frage: Sachlich verändern, insbesondere in Hinblick auf einen irgendwie gearteten Sozialismus, werden sie nichts, nicht einmal wenn sie eine absolute Mehrheit hätten. Doch die Frage liegt anders, wenn auch die PDS-Führung alles tut, um das vergessen zu machen , denn tatsächlich ist die PDS der einzige zentrale Bezugspunkt für die Linke in der BRD, jedenfalls in Parteiform.

      Die PDS ist jetzt an einem Scheideweg angekommen. Die Phase, in der eine sozialreformistische Führung, die von der Sozialdemokratie eigentlich nur zwei Dinge unterscheidet, nämlich die östliche Herkunft und der theoretisch-praktische Rückstand zum Neoliberalismus der "Neuen Mitte", eine DDR-nostalgische Basis dazu benutzen konnte, ihre eigenen Karrieren im neuen System basteln zu können, geht unwiderruflich zu Ende. Allein schon deshalb, weil - wie an den Mitgliedszahlen der PDS ersichtlich - diese klassische Basis allmählich ausstirbt. So ist der in der PDS seit 1990 angelegte Bruch jetzt, beschleunigt durch das Wahlergebnis vom 22. September, auf die Tagesordnung gesetzt worden. Eine Wende nach links ist unmöglich - oder kann sich irgendwer Petra Pau oder Dietmar Bartsch an sozialistische Volkstribunen vorstellen?

      Auch die Ausweitung der PDS nach Westen ist - zumindest mit den bisher üblichen Mitteln - gescheitert. Die Wahlergebnisse, die die PDS jetzt im Westen erzielte, gehen nicht über DFU-Ergebnisse aus der Zeit des tiefsten Kalten Krieges hinaus.

      Vielleicht hat Gregor Gysis Ausspruch auf der Wahlparty der PDS in Treptow programmatischere Bedeutung, als man bisher glaubte. Er sagte: "Ich habe wohl die Bedeutung von Personen in diesem Wahlkampf unterschätzt...". Das dürfte das Programm sein, sobald die PDS nach dem Schock etwas Fuß gefasst hat und einige Zeit vergangen ist. Nicht zufällig platzierten Gysi und A. Brie noch kurz vor der Wahl die Idee einer neuen "strategischen Zusammenarbeit" der Linken. Das muß nicht das Ende der PDS bedeuten, jedenfalls nicht sofort, aber es zeichnet sich die Promi-Lösung ab: mit Lafontaine, der eine Basis und einen Apparat sucht, und Gysi, dessen politische Ambitionen auch noch nicht zu Ende sein dürften, böte sich die Basis für eine auf mittlere Sicht garantierte stabile Parlamentspartei, gewissermaßen eine neue USPD. Das wird jetzt kommen.

      Einige Linke werden jetzt "Verrat" schreien. Das ist müßig und bringt nichts. Man darf von einem Ochsen nun mal nichts anderes verlangen als Rindfleisch. Wer mehr will, wird daran arbeiten müssen, hier reicht auf Dauer die außerparlamentarische Arbeit nicht aus, eine politische Kraft, die auch einen Kern von politischen Aktivisten heranbildet, wird erforderlich sein. Dafür ist jetzt vier Jahre Zeit. Aber mit der PDS ist das nicht zu machen.

      Deren Aufgabe wird es auf absehbare Zeit nur sein können, die in der Gesellschaft zu verspürende Rechtswende aufzuhalten bzw. zu verlangsamen.

      Man darf gespannt sein, inwieweit der Parteitag in Gera schon in diese Richtung zeigen wird.

      Quelle: © Philosophischer Salon e.V, Berlin
      Berlin Di., 24.09.2002
      Avatar
      schrieb am 25.09.02 16:01:27
      Beitrag Nr. 44 ()

      Anfang vom Ende?

      Thesen zum Wahldebakel der PDS

      Immer wieder PDS?


      1. Die Verluste zeigen: Für eine zweite SPD gibt es keinen Bedarf.

      2. Die Verluste zeigen weiter: Außer für die Seelsorge gebeutelter und in ihren Lebensleistungen beleidigter Menschen des Ostens braucht niemand eine Organisation, die sich sozialistisch nennt, die aber keinerlei ernsthafte Idee hinsichtlich einer sozialistischen Perspektive entwickelt. Die PDS hat – abgesehen von einem kurzen Lichtblick in der Wende – auch in ihren inneren Strukturen lediglich die Prinzipien westlich etablierter Parteienhierarchien rekonstruiert.

      3. Die Verluste zeigen: Der Versuch, die von der Sozialdemokratie in den letzten Jahrzehnten verlassenen sozialen und politischen Positionen zu übernehmen und den alten westlichen Sozialstaat zu verteidigen bzw. wieder zu aktivieren, wird nicht honoriert. Diese Versuche haben sich auch praktisch und theoretisch blamiert.
      Praktisch ist dies überall dort geschehen, wo sich die PDS an Regierungen beteiligte. In Sachsen-Anhalt, dann in Mecklenburg-Vorpommern und nun dramatisch in Berlin wurde in Tolerierung und Regierungsbeteiligungen bewiesen, dass die sozialstaatlichen Wahlversprechen auch der PDS Illusion oder Betrug sind.
      Theoretisch sind diese Versuche Ausdruck des Unverständnisses für die tieferen Gründe des Verlassens alter sozialstaatlicher Positionen durch alle etablierten Parteien: Mit der alten fordistischen Produktionsweise ist auch der fordistische Sozialstaat obsolet geworden.

      4. Die Verluste zeigen: Die Fortsetzung dieser erfolg- wie begriffslosen Politik wird in überschaubarer Zeit zur völligen Bedeutungslosigkeit der PDS führen.

      5. Gibt es noch irgendeine Chance, dass sich die PDS zu einer tatsächlich sozialistischen Emanzipationsbewegung wandelt?
      Solchen Versuchen stehen wenigstens zwei Kräfte entgegen – die PDS-Führung und ein Großteil der Mitgliedschaft:
      Erstens hat die Führung weder die praktische Fähigkeit noch das theoretische Verständnis dafür, ernsthaft die Frage nach alternativen Arbeits- und Lebensweisen aufzuwerfen. Diese Unfähigkeit ist nicht den einzelnen engagierten Funktionären als Personen anzulasten sondern Ausdruck ihrer gesamten politischen Existenzweise, die auf den Gang in und durch die Machtinstitutionen gerichtet ist. In welcher Zusammensetzung auch immer, die Führung wird nicht in der Lage sein, das zu tun, was von einer sozialistischen Bewegung zu verlangen ist.
      Zweitens kann die – bis auf wenige Ausnahmen – autoritäts- und staatsfixierte PDS-Mitgliedschaft von ihrer ganzen kulturellen Tradition her kein Ausgangspunkt von Emanzipationsbewegungen sein. Einer der ersten Schritte in solche Assoziationen, die praktisch und theoretisch längst die Frage nach neuen Lebens- und Arbeitsweisen aufwerfen, ist eben der Bruch mit den Strukturen etablierter Parteien (die der PDS ebenso eingeschlossen wie die alter Parteien kommunistischen Typus).

      6. Auch wenn die massenhaften Ent-Täuschungen von der PDS-Politik (wie die von allen etablierten Parteien) ein erster Schritt hin zu eigenem Engagement in Emanzipationsbewegungen sein können, angesichts der fortschreitenden barbarischen Durchkapitalisierung des gesamten Lebens ist die Gefahr mindestens genauso groß, dass Rassismus, Nationalismus und Fundamentalismus zunehmen.

      7. Das PDS-Debakel kann also auch für Menschen, die Wege aus dem Kapitalismus suchen und die sich schon lange von den Grünen, von der SPD und der PDS abgewandt haben, kein Grund zum Frohlocken sein. Es kann nur als Herausforderung begriffen werden, jenseits der Grundstrukturen der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft praktisch und theoretisch nach lebbaren Alternativen zu suchen. Mit praktischen Erfahrungen und theoretischen Erkenntnissen sollte aktiv in die jetzigen Prozesse des Ent-Täuschens auch von der PDS eingegriffen werden.

      Autor: © Ulrich Weiß, Berlin, 23.09.2002
      PDS-Mitglied, früher Mitglied des Berliner Landesvorstandes, jetzt engagiert im Verein Helle Panke e.V. (uli@helle-panke.de) und im selbständigen Diskussionskreis Wege aus dem Kapitalismus (siehe: Projekt wak" , Texte: www.opentheory.org/wak/)
      Avatar
      schrieb am 10.10.02 19:08:11
      Beitrag Nr. 45 ()
      Das Projekt PDS, Teil 1

      Mobbing vor der Entscheidung: Zimmer soll in Gera gehen

      So wird eine Vorsitzende zur Aufgabe gedrängt.: Am Montag legte Gabi Zimmer einen eigenen Entwurf für den gemeinsamen Leitantrag des PDS-Bundesvorstands dem Gremium im K-L-Haus vor. Er wurde abgelehnt. Nun soll eine AG unter Leitung von Wolfgang Gehrcke bis Mittwoch einen besseren, d.h. mehrheitsfähigen Vorschlag machen. So etwas ist demokratisch korrekt, aber dennoch paßt es in eine Gemengelage, in der die noch amtierende Vorsitzende demontiert werden soll. Korrekt, aber fies, so wie Mobbing eben ist. Alle wissen Bescheid, aber niemandem ist etwas vorzuwerfen.

      Auf den ersten Blick betrachtet geht es bei der PDS zu wie bei Hempels unter dem Sofa. Petra Pau hat sich - vorsichtig - selbst als Nachfolgerin für Zimmer in´s Gespräch gebracht. Aber natürlich nicht offiziell, denn wer zuerst aus der Deckung kommt, verliert. So ist das immer. Und der PDS ist zumindest nicht der Vorwurf zu machen, daß es bei ihr anders zuginge als bei den anderen Parteien. Nur: Ist das eigentlich ein Lob für eine sozialistische Partei? Lohnt nicht, darüber zu lamentieren, nur noch für diejenigen, die zwei Irrtümern anhingen, nämlich, daß Sozialisten irgendwie bessere Menschen seien als andere und zweitens, daß es sich bei der Parteielite der PDS um Sozialisten handele.

      Also: Dietmar Bartsch, der seinen Posten als Bundesgeschäftsführer de facto bereits losgeworden ist, hat angekündigt, bei einer Wiederwahl von Zimmer "nicht mehr zur Verfügung zu stehen".Pau hat einen draufgesetzt und auch Diether Dehm und Peter Porsch dazu genommen. Genau die sollen aber zu Gabi Zimmers neuem "Kernvorstand" gehören. Doch daraus wird wohl nichts, denn sowohl Stefan Liebich als auch Ralph Christoffers aus Brandenburg haben bereits signalisiert, daß Zimmer aus ihren Landesverbänden nichts zu erwarten hätten. Dafür will Peter Porsch sie eifrig mit den Sachsen unterstützen, ihr eigener Landesverband ebenso. Daß aus Mecklenburg-Vorpommern was kommt, ist angesichts der dortigen Führungsgilde und des nahezu einstimmigen Koalitionsbeschlusses für die Landesregierung nicht zu erwarten. Die Bataillone werden gesammelt, aber die Waage neigt sich deutlich gegen Gabi Zimmer.

      Was vordergründig als eine übliche Querele unter den Mitgliedern der Führung über die Verantwortung der existenziell bedrohlichen Niederlage bei der Bundestagswahl aussieht - angesichts der deutlich reduzierten Plätze im bezahlten Apparat der PDS zumindest verständlich - ist aber in Wirklichkeit die von Michael Chrapa zu recht angemahnte Richtungsentscheidung. Schon mindestens seit Mitte der 90er Jahre war unverkennbar, daß es in der PDS zwei auf Dauer unvereinbare Richtungen gibt, hinter der unterschiedliche soziale Interessen lagen und die nur dadurch überdeckt (so leidlich) werden konnten, daß die Partei auf der Ebene der Wahlen von Erfolg zu Erfolg eilte. Damit ist es nun vorerst aus.

      Die PDS war in mehr als einer Hinsicht eine Nachfolgepartei der SED. Nicht in dem Sinne, daß sie etwa eine revolutionäre oder sozialistische Partei gewesen wäre. Das war sie zu keiner Zeit. Daß sie an dem Namen "Sozialismus" festhielt, war eher der Tradition und der für jede Partei , die überleben will, notwendigen Integrationsaufgabe zuzuschreiben als irgendeinem real definierbaren konkreten Inhalt, sozusagen eine Marke, ähnlich wie Nivea oder Dr. Oetker. Inhaltlich hätte sie darauf auch gut verzichten können, denn was die Gebrüder Brie und Dieter Klein in ihren diversen Thesenpapieren veröffentlichten, hätte etwa Anfang der 80er Jahre auch problemlos in den Frankfurter Heften/Neue Gesellschaft (Theorieorgan der SPD) stehen können. Natürlich ginge das heute nicht mehr. Das liegt aber mehr an Schröder und seiner Neue-Mitte-SPD. Kein Wunder, daß Thomas Meyer, der Leiter der SPD-Grundwertekommission, bei einer Podiumsdiskussion eigentlich konkret nichts so recht kritisieren konnte, außer, daß er darauf hinwies, daß PDS eben immer insgesamt immer noch mehr war als der damals vorgelegte Programmentwurf der drei PDS-Ideologen (um des Friedens willen: Vordenker).

      Obwohl es der PDS gelungen war, sich im Laufe der 80er Jahre zumindest vorläufig in den neuen Bundesländern zu etablieren und dabei einen erheblichen Prozentsatz der dortigen Bevölkerung mit den Mitteln einer "Interessenvertretung Ost" hinter sich zu bringen, blieb der soziale Kerngegensatz der Partei immer erhalten. Zwar war die Partei - grob gesagt- immer die Interessenvertretung der staatstragenden Dienstklasse in der DDR, die den Kern ihrer Mitglieder bildete. Allerdings gespalten in den Teil, der , meist in höherem Alter oder durch biographische Besonderheiten geprägt, den Idealen der untergegangenen DDR nachtrauerte und weniger an konkreter Politik als an Heimatgefühl und sozialer Identität interessiert war, verbunden mit dem Gefühl, um die Leistungen des eigenen Lebens betrogen worden zu sein - ideell und auch materiell -und den Teil, der sich durch den Zusammenbruch der DDR um seine Zukunft als Leiter von Staat und Gesellschaft, für die er ausgebildet worden war und auf die er sich mental vorbereitet hatte, betrogen sah. Dietmar Bartsch hat das auch kurz vor der Wahl 2002 ausgesprochen, was ihm verständnislose und scharfe Kritik gerade einiger älterer PDS-Mitglieder einbrachte, die wütend auf den völlig anderen Klassencharakter der DDR hinwiesen, was zwar stimmte, aber nicht berücksichtigt, daß die nachgewachsene Nomenklatura in der DDR, in de 80er Jahren meist im FDJ-Funktionärsalter, damit wenig im Sinn hatte und aus der positiven Haltung zur sozialistischen DDR längst eine positive Haltung zum Staat gemacht hatte. Was um so leichter fiel, als die politischen Klassen der DDR und der BRD, soweit es sich um die Generationen handelte, die in den entsprechenden Staaten aufgewachsen war, im Kern ein einheitliches soziales Milieu darstellten, hinter dessen Wirken in der BRD immerhin das soziale Interesse der westdeutschen Bourgeosie , die persönlich Besseres zu tun hatte, als sich um praktische Politik zu kümmern, entfaltete, während dahinter in der DDR objektiv nichts stand, außer vielleicht den Sicherheitsinteressen der anderen Weltmacht , was aber das Problem nur verlagert.

      Zwar hatte die PDS-Führung bald erkannt, daß sich eine sichere Zukunft als eigenständige Partei nur gestalten ließ, wenn es gelang, das bundespolitisch immer prekäre Ostgetto zu verlassen und hielt - abgesehen von dem folgenlosen Thesenpapier der Dresdenerin Christine Ostrowski - mit bemerkenswerter Zähigkeit bis in die jüngste Zeit daran fest, allein, es ließ sich keine geeignete Basis finden, die bereit gewesen wäre, die Interessen der Dienstklasse Ost zu ihrem eigenen Interesse zu machen. Versuche, 1990 f die ganze Szene der politischen Landschaft neu aufzumischen und mit Teilen der Grünen, linksmodernistischen Sozialdemokraten oder Promis aus Funk und Fernsehen eine neue Interessenkoalition zu bilden, brachten immer nur Einzelergebnisse: Dehm, Gebhardt, Jochimsen. Doch das waren Häuptlinge, deren Indianer schon lange ausgestorben waren. So blieb die PDS-Führung zu ihrem Verdruß ausgerechnet auf die soziale Basis angewiesen, die loszuwerden ihr ureigenstes Interesse sein mußte, wollte sie ihr ersehntes Ziel, die Akzeptanz in der BRD-Gesellschaft zu erreichen und regierungsfähig zu werden (war ja nun mal ihr Beruf!). Dieser innere Widerspruch zeichnete den Grundcharakter der PDS seit langem deutlich erkennbar aus und so einleuchtend es unter diesen Umständen sein mußte, daß der Teil der traditionssozialistischen Basis, der - freilich ohne ernsthafte Strategie - an den alten Idealen festhielt niemals gegen die junge (bzw. mittelalte) Parteielite würde siegen können, es sei denn um den Preis der Zerstörung der Partei oder des Verlustes der bundespolitischen Parlamentsfähigkeit, so unübersehbar war es auch, daß die PDS-Führung noch für einige Jahre auf die durch Ratlosigkeit geprägte Duldsamkeit des linken Parteiflügels und dessen soldatischer Parteidisziplin angewiesen sein würde.

      Die zum Teil erbarmungswürdige Schwäche und Konzeptionslosigkeit der Linken steigerte freilich die Arroganz und damit den Leichtsinn dieser Parteielite, die bereits lange bevor sie die objektive Stärke zum sehnlichst erwarteten Bruch, den sie allenfalls als "Ballastabwerfen" wahrnehmen konnte , erlangt hatte, in einigen Bundesländern "regierungsfähig" - was sie als "gestaltungsfähig" mißverstand - wurde. So beteiligte sich die PDS 1998 an der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern, im Herbst 2001 am Berliner Senat und tolerierte seit 1997 die Landesregierung in Sachsen-Anhalt. Doch während sich die Sitte, Holter, Gysi und Pau auf dem Weg nach ganz oben wähnten, saßen sie in Wirklichkeit in der Falle. In der Regierungspraxis zeigte sich - was aber eigentlich selbstverständlich gewesen wäre - die Unfähigkeit der PDS, irgendwelche sichtbaren Richtungsänderungen in der Politik vorzunehmen. Lassen wir es einmal dahingestellt, wie ernst es ihr inhaltlich damit war, so bleib doch die Praxis für die Masse der Wähler enttäuschend bis desolat. Die Arbeitslosenzahlen lagen nirgendwo erkennbar unter dem Niveau anderer Länder, die Sozialausgaben wurden flächendeckend gekürzt und die Hinweise der PDS-Minister darauf, daß ohne ihre Mitwirkung alles noch schlechter gekommen wäre und die Sachzwänge schließlich erdrückend seien, wirkten ausgesprochen demoralisierend.

      Daß in dieser Situation der Berliner Wirtschaftssenator Gysi eine seltsame Bonusmeilenaffäre zum willkommenen Anlaß nahm, den "französischen Abschied" einzureichen, nachdem er sich zuvor als Lichtgestalt des Berliner Wirtschaftsaufbaus stilisiert hatte, machte die Sache nur noch schlimmer, wenn sie auch eigentlich keinen Einfluß auf die reale Politik hatte. Immerhin wurde die PDS jetzt durch die Bläßlinge Wolf, Flierl und Knake-Werner repräsentiert, was ihrem sozialen Charakter weitaus eher entsprach als die Kultfigur Gregor Gysi, und plakatierte im Bundestagswahlkampf die Köpfe der Claus, Bartsch, Pau und Zimmer (von links nach rechts) mit der ergreifenden Begründung, sie würde im Zweifel Schröder zum Kanzler wählen und auch sonst nicht weiter stören, was sowohl auf Stamm- als auch auf Wechselwähler überzeugend wirkte und der Partei zu einer vierjährigen Parlamentspause verhalf.

      Doch Häme ist fehl am Platz. Die persönliche Belanglosigkeit der PDS-Führung ist keineswegs Ursache - allenfalls ein verschärfendes Element - für die existenzbedrohende Krise der PDS , die durch die Wahlen nicht verursacht, sondern nur manifest geworden ist. Das wirkliche Problem ist die ungelöste Grundfrage der PDS, welche Rolle sie zukünftig im deutschen Parteiensystem spielen will: Die einer ostdeutsch geprägten Sozialdemokratie, für deren Sonderexistenz es nur noch zwei Gründe gibt, die Sonderinteressen des Beitrittsgebiets von 1990 und den Selbsterhaltungstrieb der Parteielite, die im Falle eines Scheitern der PDS vor dem zweiten großen Fiasko ihrer Lebensgeschichte steht und damit, da nur ein geringer Teil ihrer Kader wirklich in den anderen Parteien, vor allem der SPD, gebraucht werden dürfte, vor dem politischen und oft auch beruflichen Ende oder die eines kämpferischen Sozialreformismus, der die Interessen der arbeitenden und arbeitslosen Menschen, im Osten auch der "Wendeverlierer", vertritt. So sinnvoll letzterer Kurs aus marxistischerSicht sein würde, so muß man aber auch den Preis sehen, den diese Richtungsentscheidung für die PDS mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fordern würde. Sie würde bundespolitisch sofort und landespolitisch vermutlich nach einiger Zeit ihre Parlamentsfähigkeit einbüßen und in dem damit einhergehenden Prozeß der Demoralisierung wäre ein Rückzug großer Teile der Mitgliedschaft in´s Privatleben nahezu unvermeidlich. Daß andere Gruppen, wie die DKP oder die sich gerade neu formierende "linke Opposition in und bei der PDS" diese Kräfte in nennenswertem Umfang auf sich werden orientieren können, muß ernsthaft bezweifelt werden.

      Ein Ende und eine Umkehrung dieser Entwicklung ist erst möglich, wenn im weiteren Verlauf der Krise außerparlamentarische Gegenkräfte auf Massenbasis sichtbar werden und auch eine Parlamentspartei tragen könnte, was derzeit objektiv nicht der Fall ist und sich auch nicht für die nächste Zeit abzeichnet. Die Ankurbelung dieser Bewegung aber überhaupt von einer Zimmer-PDS zu erwarten, ist schon eine Fehleinschätzung. Realistisch ist eher, daß diese PDS diese Bewegungen kanalisiert und davon profitiert. Doch das ist Zukunftsmusik.

      So lautet also die Kernfrage vor Gera (oder wann auch immer diese "Richtungsentscheidung" nun getroffen wird): Wird die PDS eine bundespolitisch außerparlamentarisch wirkende sozialreformistische Kraft, die vielleicht einige Positionen in den Landtagen im Osten halten kann oder gibt es ein Promi-Projekt des Typs Gysi-Lafontaine, wie es offensichtlich von einem Teil der strategischen Köpfe der PDS angestrebt wird.

      Dafür stehen symbolisch die Personen Gabi Zimmer und Petra Pau.

      Autor: Charly Kneffel, 08.10.2002
      © Philosophischer Salon e.V., Berlin
      Avatar
      schrieb am 14.10.02 08:34:20
      Beitrag Nr. 46 ()
      Das Projekt PDS (Teil 2)

      Realos, Realisten und Fundis: Das Remake eines alten Films

      Doch allein die Tatsache, dass Gabi Zimmer nach der Bundestagswahl unversehens zur Gallionsfigur der Parteilinkenmutiert ist, zeigt, wie wenig diese Parteilinke noch anzubieten hat, wie weit die Koordinaten innerhalb der Partei bereits nach Rechts verschoben sind und wie wenig günstig die Situation für einer "Fehlerkorrektur" im Sinne der Wiederaufnahme kämpferischer Positionen insgesamt ist.



      Noch auf dem Münsteraner Parteitag 2001 war Gabi Zimmer eine der Befürworterinnen militärischer Einsätze deutscher Soldaten außerhalb des NATO-Gebietes zum Zwecke der "Friedenserhaltung". Auch später plädierte sie mehrfach für "friedenserhaltende" Einsätze. Irgendwelche Anzeichen dafür, dass Zimmer ihre Position mittlerweile geändert haben könnte, gibt es nicht. So ist nichts unwahrscheinlicher als eine Linksverschiebung der PDS nach dem Geraer Parteitag. Eher kommt es zum Gegenteil.

      Die Lager, die sich in Gera gegenüberstehen, sind, trotz lautstarker Rhetorik, nur Varianten einer Realpolitik, die sich in ihrem Politikverständnis im Grundsatz nicht wesentlich unterscheidet. Beide Seiten versuchen - anders nuanciert - das Ziel zu erreichen, in der Gesellschaft "anzukommen" und auch als staatstragende Kräfte anerkannt zu werden, dabei aber gleichzeitig ihre Wählerschaft bei der Stange zu halten, was zunächst als schwer vereinbar angesehen werden muß, wenn auch die Geschichte der Grünen zeigt, dass es eben doch möglich ist, wenn man es behutsam, aber stetig betreibt, der Basis nicht zu früh zu viel zumutet und gleichzeitig die sich verändernde Stellung und damit Interessenlage des eigenen Anhangs zum Ausdruck bringt. War dies bei den Grünen in den 80er und 90er Jahren die allmähliche Integration der zunächst radikal eingestellten akademischen Jugend in die Berufswelt, wo sie sich zumeist (jedenfalls ihre meinungsführenden Teile) in den vom Staat abhängigen gehobenen Mittelstand einreihte, dessen Interessen, verbunden mit einem hedonistischen Lebensstil sie ausdrückten, so handelt es sich bei der PDS vor allem darum, dass die Erinnerung an die DDR allmählich verblasst und die daran hängenden Bevölkerungsteile, soweit sie nicht ohnehin bereits im Rentenalter sind, mit dem oft mühseligen Überlebenskampf im Alltag beschäftigt ist. Diese Bevölkerungsgruppe erwartet von der PDS hauptsächlich eine Verbesserung ihrer alltäglichen Lebenslage und verstärkt dadurch, da nach einschlägigem Politikverständnis dies in erster Linie durch eine "Gestaltungsfähigkeit", worunter ganz allgemein die Regierungstätigkeit verstanden wird, erreicht wird, den Zug zum Opportunismus.. Ein oppositionelles Grundverständnis ist dieser Mentalität im Grunde fremd. Insofern wird die Erwartungshaltung eines großen Teiles der PDS-Wähler (und Mitglieder) die in der Parteielite ohnehin unübersehbare Neigung zur Staatspartei eher bekräftigt.. Zwar wird gelegentlich eingewandt, dass in einer kapitalistischen Gesellschaft strenggenommen nur ein gesellschaftlich-oppositionelles Verständnis zulässig sei (eine Regierungsbeteiligung also nur in Ausnahmefällen angeraten sein kann) doch ist dies eine Akademikerweisheit, die nur solange hingenommen wird, wie die objektive - parlamentarische - Lage etwas anderes ohnehin nicht zulässt. Eine Verweigerung eines Regierungseintritts trotz entsprechende Avancen etwa der SPD (dass sich die Grünen einer Regierungsbeteiligung der PDS bisher verweigert haben, hat eher Konkurrenzgründe) muß einem erheblichen Teil des PDS-Anhangs vollkommen unverständlich bleiben und wird dort als Politikunfähigkeit aufgefasst. Linke Positionen sind daher in der PDS strukturell nicht mehrheitsfähig. Gerade dieses staatstragende Selbstverständnis nimmt der PDS aber auch andererseits jede reale Chance auf eine nennenswerte Basis im Westen.

      Die Lage der klassischen linken Opposition in der PDS wie sie vor allem durch die Kommunistische Plattform, das Marxistische Forum und neuerdings die sich formierende "linke (oder da und dort) marxistische Opposition in und bei der PDS" verkörpert wird, ist daher trostlos. Sie bilden sozusagen die etablierte Daueropposition in der Partei, zur Rolle des ewigen Verlierers verdammt, der die Prozesse der Integration weder verhindern noch auch nur verlangsamen kann und schon längst bedeutungslos ist. Selbst von den Medien oder den bürgerlichen Parteien werden diese Gruppierungen nicht mehr ernst genommen und lediglich in Wahlkampfzeiten hin und wieder zu Schreckgespenstern hochstilisiert. Ihnen bleibt daher auch nichts anderes übrig, als sich vor Gera auf die Seite der zum Abschuß freigegeben Gabi Zimmer zu schlagen.

      Doch auch bei dem Gegensatz zwischen Zimmer und Pau, Bartsch, Claus etc. handelt es sich nicht nur um reine Rhetorik, allerdings auch nicht um eine strategische, sondern eine rein taktische Frage. Es geht darum, wie der Zwiespalt zwischen der von beiden Seiten angestrebten gesellschaftlichen Akzeptanz und Massenverankerung bei den Wählern besser zu bewältigen sei: durch eine Integration in ein sogenanntes "Reformlager", das neben der PDS vor allem aus der SPD, aber auch aus den Grünen besteht oder durch den Aufbau eines "dritten Lagers", in dem die Reste eines gesellschaftlichen Oppositionsverständnisses, wie es nach der "Wende" 1989/90 zunächst selbstverständlicher Konsens war, noch stärker erkennbar sind. Zumindest auf Bundesebene ist letztere Position kurzfristig nicht chancenlos, weil die schwere Wahlniederlage der PDS jede Möglichkeit eines Regierungseintritts nimmt und ihr als notgedrungen außerparlamentarische Kraft die Möglichkeit eröffnet, Forderungen außerparlamentarischer Bewegungen verbal aufzunehmen und sich eine gewisse Pseudo-Radikalität zuzulegen, wie es häufig bei Parteien, die die Regierungsverantwortung verloren haben, auftritt. Die SPD nach 1982/83 bildet dafür ein historisch anschauliches Beispiel.

      Nun wäre eine solche "radikale" Rabulistik prinzipiell durchaus mit dem Politikverständnis der Bartsch, Gysi, Brie u.a. vereinbar, doch fürchten diese, dass eine solche Entwicklung einmal eingeleitet angesichts der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung ihre eigene Dynamik bekommen könnte und letztlich unkontrollierbar wird. Es wäre ein Spiel mit dem Feuer, das der PDS auf lange Sicht zumindest die Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung im Bund unmöglich und - im aus dieser Sicht ungünstigsten Fall - die PDS zu einer ganz auf gesellschaftliche Opposition eingeschworenen Partei machen könnte.

      Unter diesen Umständen setzt der rechte Flügel der PDS auf einen anderen Weg: Durch eine Beschleunigung des "Modernisierungskurses" sollen Fakten geschaffen und potentielle Widerstandskerne in der Partei entmutigt und wenn nötig aus der Partei gedrängt werden. Für die auch für diesen Flügel natürlich unerlässliche Popularisierung der Partei soll dabei die Promi-Karte gezogen werden. Schon jetzt ist ersichtlich, dass der durch seinen Rücktritt in Berlin dem frustrierenden Alltag entrückte Gregor Gysi demnächst reaktiviert werden dürfte. Zwar lässt auch der Glanz der Talkshow-Kultfigur allmählich nach und allzu viele Rücktritte, Rücktritte vom Rücktritt und ähnliche Rochaden irritieren das genervte Publikum sichtlich, doch gerade "in der Stunde der Not", wo die Angst vor einem Ende der PDS umgeht, ist Gysi allemal die Mehrheit sicher, wenn er als "Deus ex Machina" vom Himmel herabschwebt, ob nun schon in Gera oder erst bei anderer Gelegenheit.

      So ist das Programm des rechten Parteiflügels absehbar: rasche Novellierung des noch gültigen Parteiprogramms mit einer Veränderung der Paradigmen von Sozialismus auf Moderne, effektivere und rascher arbeitende Parteistrukturen, "Lifting" des Parteiimages durch Verjüngung der in der Öffentlichkeit auftretenden Parteikader (dieses Wort hält sich merkwürdigerweise noch), Initiierung allerlei Reformmodelle vor allem im Bereich Rente, Ausbildung, Sozialhilfe, Arbeitslosigkeit. Hinzu kommt eine Imageveränderung an der Parteispitze. Doch nichts wäre falscher als in diesen Projekten, so "reformfreudig" sie zunächst auch aufgemacht sein mögen, eine Hinwendung zur gesellschaftlichen Opposition zu sehen. Gemeint ist vielmehr der Aufbau einer Alternative zum "Neoliberalismus", ähnlich wie sie vor kurzem der frühere SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine in seinem Buch "Die Wut wächst" gefordert hat. Daß diese "Alternative" angesichts der Verflechtung Deutschlands in den Weltmarkt und den daraus sich nolens volens ergebenden Zwängen letztlich eine Luftnummer bleiben muß, ist den Strategen dieser Konzeption wahrscheinlich nicht einmal bewusst. Es würde sie aber auch nicht sehr stören, da diese "Modernisierung" ohnehin mehr als Marketing zu sehen ist und der irreale Charakter dieser Reformmodelle auch für längere Zeit weder hinderlich ist noch auch nur auffällt, da die erzwungene Oppositionsrolle die PDS in die glückliche Lage versetzt, die Realitätstauglichkeit ihrer Konzepte nicht nachweisen zu müssen.

      So ist das weitere Procedere der PDS-Entwicklung - immerunterbrochen von zeitweilig gegenläufigen Entwicklungen - absehbar: Blockade der amtierenden Vorsitzenden Zimmer durch Präsentation eines harten Rechtsaußen, dann ein "Kompromißkandidat", der die Entwicklung weiter treibt. Danach (oder schon in Gera) erfolgt die Reaktivierung Gregor Gysis und schließlich wird im Vorfeld der Wahlen ein Aufruf prominenter Persönlichkeiten gegen "soziale Kälte", Neoliberalismus und anderes präsentiert, am besten mit Gysi und Lafontaine an der Spitze, um die sich dann jede Menge bekannte Gesichter aus Funk und Fernsehen scharen. Ob es gelingt, bis 2006 jenen Teil der außerparlamentarischen Bewegungen, deren diffuses Politikverständnis einerseits nach Überwindung des außerparlamentarischen Kampfes drängt, andererseits aber unfähig ist, sich parteiförmig zu entwickeln, wie es die Grünen sehr schnell nach ihrer Gründung getan haben, z.B. Attac, für sich zu intrumentalisieren, ist derzeit noch nicht zu beurteilen.

      Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass man diese Sau, die da durch Dorfs getrieben wird, schon mal irgendwo gesehen hat, doch noch wirkt die Masche. Same Procedure as every year. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist daher das Projekt Gysi/Lafontaine das Ergebnis dieser Entwicklung (wenn auch nicht unbedingt mit diesen Personen). Die Pflöcke werden bis Ende 2003 gesetzt sein.

      Autor: Charly Kneffel, 08.10.2002
      © Philosophischer Salon e.V., Berlin
      Avatar
      schrieb am 14.10.02 08:39:43
      Beitrag Nr. 47 ()
      Ebend erst gesehen. Du bist ja ein echter (wahrer) Schatz.


      Beitrag zu dieser Diskussion schreiben


      Zu dieser Diskussion können keine Beiträge mehr verfasst werden, da der letzte Beitrag vor mehr als zwei Jahren verfasst wurde und die Diskussion daraufhin archiviert wurde.
      Bitte wenden Sie sich an feedback@wallstreet-online.de und erfragen Sie die Reaktivierung der Diskussion oder starten Sie
      hier
      eine neue Diskussion.
      Quo Vadis - PDS ...?