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    Manager & Wirtschaftskapitäne ohne Moral? - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 09.08.02 06:58:57 von
    neuester Beitrag 15.08.02 07:38:28 von
    Beiträge: 8
    ID: 617.896
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      schrieb am 09.08.02 06:58:57
      Beitrag Nr. 1 ()
      Selbstbedienung, Korruption, Betrug, Vertragsbruch - für die Eliten scheinen keine Regeln mehr zu gelten. Das ethische Fundament der Wirtschaft bröckelt. Zerstört der Turbokapitalismus am Ende sich selbst?

      Es waren die großen Geister der Vergangenheit, die Joachim Milberg kürzlich beschwor: Immanuel Kant, Thomas Mann, Adam Smith. Logisch, auch Hans Jonas ("Das Prinzip Verantwortung" ) durfte nicht fehlen. Dann redete der ehemalige BMW-Chef über "Moral", "Ethik" und "Werte", über "Vertrauen" und "Verlässlichkeit" - und all das, resümierte Milberg, "benötigen wir heute dringender denn je". Ungewohntes Terrain für einen Ingenieur.

      Nur die Sonntagsrede eines emeritierten Managers?

      Auch Lufthansa-Chef Jürgen Weber hadert mit den Zeitläuften. In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich, fragt er sich: "Herausholen, was herauszuholen ist, und nach mir dann die Sintflut?"

      Nur die Säuernis eines Konzernchefs, dem seine Piloten voriges Jahr einen Gehaltsaufschlag von sagenhaften 30 Prozent abtrotzten?

      Robert Suckel, Chef der Aktienanalyse-Firma SES Research, treibt die Frage um, wem er eigentlich noch trauen kann.

      Mehrfach ist er in den vergangenen Jahren belogen worden. Ob CPU, Comroad, Infomatec, Kabel New Media oder EM.TV - mit unfassbarer Dreistigkeit haben einige der einstigen Stars am Neuen Markt abgezockt. Suckel sagt: "Die Anleger haben Angst, betrogen zu werden. Man glaubt den geprüften Bilanzen nicht mehr."

      Nur die Klage eines Analysten, dem die aktuelle Baisse das Geschäft verdirbt?

      Dieter Heuskel, Deutschland-Vormann der Boston Consulting Group (BCG), beunruhigt, daß in den vergangenen Jahren "die Loyalität in den Unternehmen durch die reine Ausrichtung auf den Kapitalmarkt bedroht wurde: Wir brauchen eine Rückbesinnung auf die Institution Unternehmen."

      Nur Gedanken eines ratlosen Beraters?

      Die Liste ließe sich verlängern. Moral, Anstand, Vertrauen, Loyalität - auf einmal sind diese Begriffe, die aus einer längst vergangenen Ära zu stammen scheinen, wieder im Gespräch.

      Den Exzessen der vergangenen Jahre folgt eine neue Nachdenklichkeit. Nach der großen Party, als Globalisierung, Internet und Börsenboom alles Bestehende ab- und umzuwerten schienen, kommt nun die tiefe Verunsicherung: Was wird aus dieser Gesellschaft? Bricht das sittliche Fundament weg, ohne das die Wirtschaft nicht funktionieren kann?

      Ciao BigLinus :cool:
      Avatar
      schrieb am 09.08.02 07:12:57
      Beitrag Nr. 2 ()
      Hinter diesen Sonntagsreden verbirgt sich nur "dummdreiste Besitzstandswahrung". Diese Nachdenklichkeit nehm ich diesen Leuten nicht ab. Wir führen seit Jahren wenn nicht noch länger keine Ethikduskission. Und jetzt so aus dem Nichts besinnt man sich auf diese Werte. Gestern noch die Raubritter des Kapitalismus und heute Mutter Theresa. Wir leben im Kapitalismus: Money talks and Bullshid walks!


      Koalabaer
      Avatar
      schrieb am 09.08.02 08:21:28
      Beitrag Nr. 3 ()
      Ja,Ja,Ja,

      die Betrüger, Diebe, Bilanzfälscher und Scherenschleifer führen Selbstgespräche!:laugh:

      Es geht darum das Diebesgut und ergaunerte Geld für immer und ewig in Besitz zu nehmen! Es darf wirklich nachgedacht werden, wenn der Gesetzgeber dies weiterhin duldet, wie diese Mafia beseitigt werden kann!


      Als kleine Anmerkung: Unser ach so tolle Überwachungsverein/Börsenaufsicht hat es gerade mal auf zwei Anklagen in den letzten Jahren gebracht! Bei Comroad wurde Jahrelang nur zu geschaut! Und der Gangster vom Aktionär Sascha Opel läuft auch weiterhin frei herum. Mir fallen noch viele andere Fälle ein z.b. die Haffa Brüder und ihre Mafia Verbindungen u.s.w.
      Man kommt immer mehr zu den Schluß das der Gesetzgeber und die Manager Hand in Hand schaffen! Warum wohl steckt Herr Schröder immer sein Kopf in den Arsch der Großkapitalisten?

      Gruß Albatossa
      Avatar
      schrieb am 09.08.02 09:15:36
      Beitrag Nr. 4 ()
      @koalabär
      du hast recht. wir führen eine diskussion über das thema `ethik in wirtschaft und gesellschaft` leider schon seit jahren nicht mehr. ich bezweifle auch, daß wir eine wirkliche diskussion hierüber in den nächsten jahren führen werden. diejenigen die es beträfe haben viel zu viel zu verlieren. ich denke diese kolportage gilt es von anfang an als `mache` zu entlarfen.
      aber es ist zumindest interessant, daß eine zunehmende anzahl von `wirtschaftskapitänen` zu erkennen glauben, daß der bisher verfolgte weg nicht der allein selig machende ist und ihr bisheriges verhalten hinterfragen.
      chief-in-command
      Avatar
      schrieb am 09.08.02 09:48:11
      Beitrag Nr. 5 ()
      Die Symptome für den Verfall von Anstand und Ehrlichkeit sind unübersehbar:

      Die Finanzmärkte zweifeln an der Glaubwürdigkeit von Managern und Wirtschaftsprüfern. Auf Firmenbilanzen ist kein Verlass mehr. Fälle wie Metabox oder Phenomedia am Frankfurter Neuen Markt, die 100-Milliarden-Dollar-Pleite des US-Energieriesen Enron und der jüngste Bilanzskandal bei dem zweitgrößten US-Telekommunikationskonzern Worldcom schüren den Verdacht, inzwischen sei jedes Mittel recht, um kurzfristig den Aktienkurs in die Höhe zu schrauben.

      Die Bürger zweifeln an der Integrität von Managern und Politikern. Ständig kommen neue Korruptionsfälle ans Tageslicht. Auf dem weltweiten Index der unabhängigen Anti-Korruptionsorganisation Transparency International ist Deutschland in den vergangenen fünf Jahren von Platz 13 auf Platz 20 abgerutscht. Nie zuvor gab es so viele Ermittlungsverfahren gegen bestechliche Politiker und bestechende Manager - die Zahl der Korruptionsverfahren hat sich laut Bundeskriminalamt (BKA) seit Mitte der 90er Jahre verfünffacht.

      Die Manager zweifeln an der Verlässlichkeit ihrer Geschäftspartner. Weil sich Unternehmen nicht an Verträge und Absprachen halten, weil sie Preise drücken, zu spät oder gar nicht zahlen, geraten jährlich zigtausende Firmen in Schwierigkeiten. Besonders dramatisch ist die Lage in der Bauindustrie: 78 Prozent der Pleiten gehen auf verspätete Zahlungen der Kunden zurück.

      Die Mitarbeiter zweifeln am Anstand ihrer obersten Chefs. In einem nicht nachvollziehbaren Maß sind die Gehälter der Topmanager gestiegen. Zwischen 1997 und 2000 genehmigten sich die Vorstände der Dax-Unternehmen Zuschläge von im Schnitt 30 Prozent jährlich, so Kienbaum-Gehälterexperte Heinz Evers.
      Nach dem Krisenjahr 2001 gibt es nun zwar bei einigen Konzernen - DaimlerChrysler, Infineon, SAP, Lufthansa -­ deutliche Abschläge. Aber das Niveau bleibt hoch, der Vorwurf der Selbstbedienungsmentalität wird immer lauter erhoben. "Volkswirtschaftlich hauen uns die hohen Gehälter nicht um", urteilt der Berater Augustinus Graf Henckel von Donnersmarck, "aber unter dem Gesichtspunkt der sozialen Kompetenz sind sie skandalös."

      Die alten Spielregeln haben an Bedeutung verloren. Anstand, Rechtschaffenheit, Ehrlichkeit, Fairness ­- diese Werte sind einem rigorosen Egoismus gewichen, der bisher sicher geglaubte Schranken durchbricht. Und es sind gerade die Eliten der Wirtschaft, die zunehmend als Vorbilder versagen.

      Ein "totaler Opportunismus" habe sich ausgebreitet, sagt der Saarbrücker Wirtschaftsprofessor Christian Scholz. Jeder gucke nur noch auf seinen eigenen Vorteil: "Ganz oben in der Hierarchieebene gibt es Leute, deren Bezüge in den Himmel schießen, während die Aktienkurse in den Keller gehen.
      Auf der unteren Ebene klinken sich immer mehr Mitarbeiter einfach aus oder melden sich krank ­- ohne Rücksicht auf die Firma."

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      Avatar
      schrieb am 09.08.02 12:45:23
      Beitrag Nr. 6 ()
      @BigLinus: Apropos Vorbildfunktion. Hat nicht vor kurzem eine Politkerin namens Däubler-Gmelin dieses zum Ausdruck gebracht. Das ist purer Sarkasmus wenn unsere Politiker so etwas in den Mund nehmen. Unsere sogenannten Vorbildfunktionen (Politik, Wirtschaft usw.) haben uns doch dieses Wirtschafts- und Gesellschaftsdrama eingebrockt. Wie Chief in Command sagt, diese Leute haben viel zu verlieren. Und genau aus diesem Grund werden Sie alles Tun und Verhindern (Lügen, Heucheln usw.), daß Ihr jetztiger Status Quo erhalten bleibt. Der Kapitalismus interessiert nicht die Gesellschaft. Für ihn ist jedes Individuum ein Konsument. Was auf der Strecke bleibt ist bekannt.
      Der Fisch stinkt vom Kopfe her, sagt ein japanisches Sprichwort. Und das heisst, daß der Anstoß zu einer Ethikdiskussion von (ganz) anderer Seite kommen muß.


      Koalabaer
      Avatar
      schrieb am 13.08.02 13:23:36
      Beitrag Nr. 7 ()
      Mehrere ehemalige Vorstandsmitglieder der Enron Corp., die zusammen insgesamt 25 Mio. Dollar im Jahr vor dem Zusammenbruch des Energiehändlers verdient haben, fordern nun weitere Millionen Dollar an Abfindungen. Hierüber wird ein Insolvenzrichter Ende des Monats entscheiden.

      Unter den Vorstandsmitgliedern befinden sich die Frau des ehemaligen CEO Jeff Skilling, Rebecca Carter, und der ehemalige Vice Chairman Mark Frevert, der 6,6 Mio. Dollar fordert. Carter, die vor ihrer Heirat mit Skilling im März als Corporate Secretary für Enron tätig war, fordert weitere 875.000 Dollar.

      Die Vorstände gehören zu 46 entlassenen Mitarbeiter, die sich gegen die Teilnahme an einer Einigung entschieden haben, in deren Rahmen jedem nach dem Konkurs des Konzerns entlassenen Angestellten bis zu 13.500 Dollar Abfindung gezahlt werden. Enron zufolge wurden bisher bereits 32 Mio. Dollar an Abfindungszahlungen geleistet.

      Insolvenzrichter Arthur Gonzalez wird bis Ende des Monats darüber entscheiden, ob denjenigen, die sich aus dem Einigungspaket ausgenommen haben, überhaupt etwas zusteht bzw. - in diesem Fall - wieviel.

      Wertpapiere des Artikels:
      ENRON CORP. DL 10


      Autor: (© wallstreet:online AG / SmartHouse Media GmbH),13:01 13.08.2002
      Avatar
      schrieb am 15.08.02 07:38:28
      Beitrag Nr. 8 ()
      Zum Thema `Manager & Wirtschaftskapitäne ohne Moralß` habe ich noch ein `klasse` Interview mit dem ehemaligen Bundesbankpräsidenten Karl Otto Pöhl gefunden. Leider ist es etwas lang. Ich finde es aber trotzdem sehr lesenswert.

      ------------------------------
      "Die Menschen haben das Vertrauen verloren"
      Von Wolfgang Kaden; manager-magazin vom 13.08.2002

      Unternehmen ohne Moral? Karl Otto Pöhl geht mit den Konzern-Lenkern hart ins Gericht. Im Interview mit manager-magazin kritisiert der frühere Bundesbankpräsident den Werteverfall in der Unternehmenswirtschaft.


      mm: Herr Pöhl, Bilanzfälschungen, gigantische Steigerungen der Vorstandsbezüge, Korruptionsrekorde - leidet der real existierende Kapitalismus unter akutem Sittenverfall?

      Pöhl: Natürlich hat es schon immer Betrug, Korruption und Pleiten gegeben. Aber man hat in der Tat den Eindruck, die Sitten seien rauer geworden, nicht nur in den USA.

      mm: Aus der Leistungsgesellschaft wird zunehmend eine Raffgesellschaft?

      Pöhl: Ein möglichst hohes Einkommen zu erzielen ist für sich genommen ja nicht verwerflich. Im Gegenteil, Gewinnmaximierung ist ein Grundprinzip unseres kapitalistischen Wirtschaftssystems. Aber der Kapitalismus muss gebändigt werden. Der Markt braucht einen funktionierenden Ordnungsrahmen, und natürlich gibt es Werte jenseits von Angebot und Nachfrage, um Wilhelm Röpke, einen der Väter des Neoliberalismus, zu zitieren.

      mm: Wenn denn Grundregeln immer öfter verletzt werden - wo liegen die Ursachen? In einer mangelhaften Unternehmenskontrolle? Die scheint nirgendwo richtig zu funktionieren - ob die Kontrollorgane Board, Aufsichtsrat oder Verwaltungsrat heißen.

      Pöhl: Die Anforderungen an die Corporate Governance sind in den letzten Jahren ständig verschärft worden, auch in Deutschland. Aber das hat Fehlentwicklungen offensichtlich nicht verhindern können. Vielleicht gibt es zu wenige unabhängige, qualifizierte Aufsichtsräte, die genügend Durchblick und Informationen haben, um ihrer Verantwortung gerecht werden zu können. Die Vogelsangs ...

      mm: ... Sie meinen den hoch geschätzten Günter Vogelsang, lange Jahre Aufsichtsratsvorsitzender von Veba und Thyssen ...

      Pöhl: ... ja, die Vogelsangs wachsen eben nicht auf den Bäumen.

      mm: Wie bewerten Sie den Umstand, dass hier zu Lande viele Manager nach dem Ausscheiden aus dem Amt des Vorstandsvorsitzenden zum Aufsichtsratsvorsitzenden aufsteigen?

      Pöhl: Das ist eine Unsitte. Der "Wechsel an die Spitze des Aufsichtsrats" wird vollzogen, als wenn dies ein normaler Schritt in der Karriere wäre. Manchmal mag dies nützlich sein. Nicht selten kann aber der frühere Vorstandsvorsitzende auf dem neuen Posten seine eigenen Fehler kaschieren. Und wer kennt nicht die Fälle, in denen der Alte dem Nachfolger Knüppel zwischen die Beine wirft?

      mm: Was ist die Konsequenz?

      Pöhl: Der Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden ist zu wichtig, als dass man ihn als Belohnung für treue Dienste betrachten kann. Qualifikation und Unabhängigkeit sollten deshalb die entscheidenden Kriterien sein.

      mm: Den geringsten Einfluss bei der Kontrolle des Unternehmens haben offenbar die Eigentümer, die Aktionäre.

      Pöhl: Das gilt sicher nicht für Großaktionäre. Die haben natürlich Einfluss. Aber die Masse der Kleinaktionäre ist praktisch machtlos. Aktionärsdemokratie ist eine Illusion. Allenfalls kann man sagen, dass Investmentfonds neuerdings kritischer auftreten. Durch die Vorgänge der jüngsten Zeit und durch den Verfall der Aktienkurse hat jedenfalls die Idee vom Volkskapitalismus einen schweren Rückschlag erlitten. In Zukunft werden viele Menschen wieder davor zurückschrecken, ihr Geld in Aktien anzulegen.

      mm: Beispiel Telekom.

      Pöhl: In den Werbefilmen mit Manfred Krug wurde den Leuten vorgegaukelt, diese Aktie sei so sicher wie ein Sparbuch. Die fühlen sich doch heute auf den Arm genommen. Aber es gibt natürlich viele andere, ähnliche Beispiele im In- und Ausland, etwa Swissair, wo nicht nur die Aktionäre, sondern auch die Zeichner von Anleihen Milliarden verloren haben.

      mm: Was heißt das für die Börsen?

      Pöhl: Die Menschen haben das Vertrauen in die Aktien verloren.

      mm: Der Vertrauensverlust, über den wir reden, ist am stärksten in den USA zu registrieren. Hat das kapitalistische Musterland Glanz eingebüßt?

      Pöhl: Man muss, wenn man über Amerika spricht, natürlich bedenken, dass es dort immer schon rau hergegangen ist. Denken Sie an die Geschichte der Ölindustrie, an Rockefeller oder an die Geschichte der Eisenbahn und andere Beispiele. In Amerika hat es einen ständigen Kampf gegen kriminelle Praktiken im Big Business gegeben. Die Tatbestände waren damals zum Teil schlimmer als die, die wir heute erleben. Die Amerikaner haben jedoch immer die Fähigkeit bewiesen, solche Fehlentwicklungen zu korrigieren. Dort regt sich viel schneller als in Europa Widerstand aus der Öffentlichkeit.

      mm: Lassen Sie uns noch einen Moment nach den Ursachen für den Vertrauensverlust forschen. Sind möglicherweise im Zuge der Globalisierung Wertmaßstäbe verloren gegangen?

      Pöhl: Ganz sicher hat der Sittenverfall auch mit der Globalisierung zu tun. Firmen können zum Beispiel leicht ihren Sitz verlagern und die Gewinne regional verschieben, wenn ihnen die Steuergesetze nicht passen. In einer grenzenlosen Wirtschaft fällt es generell schwer, Normen zu kontrollieren, zum Beispiel bei der Gewinnermittlung. Aber es gibt Ansätze für eine bessere internationale Kooperation, etwa auf den Finanzmärkten, denken Sie beispielsweise an die Richtlinien für die Eigenkapitalausstattung der Banken.

      mm: Ist das Verhalten der Manager-Elite nicht letztlich das Produkt einer Gesellschaft, die nur noch eines kennt: Geld? Haben sich die Normen verändert?

      Pöhl: Das scheint so zu sein. Geld, Einkommen und Vermögen bestimmen die soziale Stellung, jedenfalls mehr als früher, als Titel oder Ämter viel wichtiger für das Sozialprestige waren als heute. Das wird natürlich kräftig gefördert durch die Werbung, durch den Ansehensverlust, den die Politiker erlitten haben, und durch andere Faktoren.

      mm: Geld, Geld, Geld - das ist auch das Motto jener Vorstände, die sich ganz ungeniert auf Kosten ihrer Aktionäre bereichern, beispielsweise durch überaus großzügige Aktienoptionen. Kann man sagen, dass dieses Instrument zunehmend dazu dient, die Aktionäre auszuplündern?

      Pöhl: Nein, so weit würde ich nicht gehen. Die Grundidee ist ja richtig: den Manager am Gewinn des Unternehmens zu interessieren und seinen eigenen finanziellen Erfolg mit dem Erfolg des Unternehmens zu verbinden. Das hat aber zum Teil zu absurden Auswüchsen geführt, vor allen Dingen in Amerika. Dort haben Manager mit ihren Aktienoptionen hunderte von Millionen verdient. Leistung und Bezahlung stehen manchmal in keinem akzeptablen Verhältnis mehr.

      mm: Jack Welch hat als angestellter Manager ein Privatvermögen von fast einer Milliarde Dollar angehäuft.

      Pöhl: Da gibt es viele, Lou Gerstner von IBM oder Michael Eisner von Walt Disney. Diese Unternehmenschefs haben schon eine beachtliche Leistung erbracht, die eine herausragende Bezahlung verdient. Doch das muss innerhalb vernünftiger Grenzen bleiben. Solche Manager sind schließlich keine Eigentümer-Unternehmer; sie tragen kein Risiko, ihr eingesetztes Kapital zu verspielen.

      mm: Das Spiel mit den Aktienoptionen gestalten viele auch ganz risikofrei ...

      Pöhl: ... besonders wenn der Ausübungspreis bei fallenden Börsenkursen nach unten angepasst wird. Es gibt ja dafür Beispiele. Das ist natürlich nicht der Sinn der Sache. Der Sinn der Sache ist, dass das Management partizipiert, wenn der Wert des Unternehmens steigt. Wenn der Wert sinkt, dann müsste das Einkommen in der anderen Richtung an diese Entwicklung gekoppelt sein. Und das ist nur in sehr engen Grenzen der Fall.

      mm: Es wirkt auch nicht gerade vertrauensbildend, dass die Aktienoptionen meistens in der Bilanz gänzlich unberücksichtigt bleiben, den Gewinn also nicht mindern.

      Pöhl: Da wird die Illusion gepflegt, das Geld fiele vom Himmel. Das ist natürlich nicht richtig. Die Optionen stellen eine Verwässerung des Kapitals dar, sie müssen wie Personalkosten behandelt werden. Und die Aktionäre müssten gefragt werden.

      mm: Für Aufregung sorgen nicht nur die Optionsprogramme, sondern auch die normalen Bezüge. Die haben in Deutschland von 1997 bis 2000 bei den Dax-Vorständen jedes Jahr um rund 30 Prozent zugelegt.

      Pöhl: Kritikwürdig ist vor allem, dass die Bezüge steigen, während der Gewinn der Firma oder der Aktienkurs in den Keller rauscht. Das kann man keinem vermitteln. Den Aktionären nicht, den Mitarbeitern nicht. Wer will es den Arbeitnehmern verargen, wenn sie sagen: Die Vorstände kassieren Millionen, und wenn wir 4,5 Prozent mehr Lohn haben wollen, dann ruiniert das angeblich die Firma. Solche Verhaltensweisen sind äußerst problematisch, sie beschädigen das Vertrauen in das System der Marktwirtschaft.

      mm: Wenn das Vertrauen wiederhergestellt werden soll - was ist dann das dringendste Erfordernis? Braucht die Wirtschaft einen neuen Wertekanon?

      Pöhl: Zunächst einmal sollte jedes Unternehmen einen Code of Ethics aufstellen. Da gehören viele Verhaltensregeln hinein. Beispielsweise, dass man keine Insidergeschäfte machen oder sich nicht bestechen lassen darf. Oder Regeln für Aufsichtsräte, wie ich das aus Unternehmen im Ausland kenne: 14 Tage vor und nach einer Aufsichtsratssitzung dürfen Ratsmitglieder keine Aktien dieses Unternehmens erwerben. Das sind kleine Dinge, aber sie sind schon wichtig.

      mm: Wer kontrolliert, ob die Regeln eingehalten werden?

      Pöhl: Ich bin im Board eines US-Unternehmens, in dem in jeder Sitzung berichtet wird, ob es Verstöße gegen den Code of Ethics gegeben hat. Die Aufsichtsratsmitglieder müssen zu Protokoll geben, wenn sie seit der letzten Aufsichtsratssitzung Aktien des Unternehmens gekauft haben. Ähnliche Regeln könnten und sollten wir auch in Deutschland einführen, soweit es sie noch nicht gibt.

      mm: Ist eine Rückbesinnung auf traditionelle Werte wie Fairness oder Anstand erforderlich? Ist es realistisch, so etwas zu erwarten?

      Pöhl: Das ist wünschenswert, aber ich sehe nicht recht, wie das praktiziert werden soll. Ich bin da etwas skeptisch, muss ich sagen. Es ist letztlich eine Frage der Kultur, der Religion, der Schule, der Erziehung.

      mm: Also - alles geht seinen Gang?

      Pöhl: Nein. Das Wichtigste ist für mich Transparenz; Fehlleistungen müssen aufgedeckt werden. Die Herstellung von Öffentlichkeit ist ja ein Vorzug eines offenen freiheitlichen Systems gegenüber dem Kommunismus gewesen. Dort wurde alles unter den Teppich gekehrt. Korruption war alltäglich, aber keiner durfte das an die Öffentlichkeit bringen.

      mm: Transparenz würde für die notwendigen Korrekturen sorgen?

      Pöhl: Ja. Die Wirtschaft ist letzten Endes doch sehr flexibel. Fälle wie Enron oder Worldcom oder die Vorgänge um die Müllverbrennungsanlage in Köln, um nur einige Beispiele zu nennen, kommen Gott sei Dank doch irgendwann ans Licht. Das ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass sich etwas ändert und dass sich das System regenerieren kann.


      ---------------------
      Der ehemalige Bundesbankpräsident von 1980 bis 1991 Karl Otto Pöhl (72) gilt als einer der besten Kenner der internationalen Finanzszene.
      Nach dem Abschied von der Notenbank war Pöhl Sprecher der Gesellschafter beim Privatbankhaus Sal. Oppenheim jr. & Cie. Seine Expertise war und ist in zahlreichen Aufsichtsräten gefragt (Bertelsmann, Shell, Unilever, Rolls-Royce).
      Derzeit berät Pöhl den US-Investor J. Christopher Flowers, der die Bankgesellschaft Berlin erwerben will.

      Ciao BigLinus :cool:


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