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    An was erinnerte mich dieser Text bloß ?? - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 10.09.02 19:36:31 von
    neuester Beitrag 10.09.02 19:49:23 von
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      schrieb am 10.09.02 19:36:31
      Beitrag Nr. 1 ()
      Fahrt nach Skutari

      Um sieben Uhr früh stand ich auf dem Marktplatz in Cetinje.
      Ein junger Kerl machte sich da wichtig, ertrug schwarze, weite, schmierige, türkische Hosen, eine alte, verschossene, geflickte, grüngraue Militärjoppe, war barhäuptig, und jeder Bauer, der ein Lamm zu Markte brachte, sie trugen die Tiere wie lebendige Pelze zärtlich um den Hals gelegt, jeder Bauer mußte sich das Tier vom Nacken lösen und dem Kerl hinhalten, der dem aufblökenden Kraushaar an den Bauch griff; mit prüfenden, knetenden Fingern. Er schien ein sehr fettes Tier zu suchen, er tat wenigstens so, jeder Bauer hielt ihm auch geduldig das Lamm vor. Ich sah dem wichtigtuerischen Treiben des Kerls wohl zehn Minuten lang zu, ich hatte nichts Besseres zu tun, ich wartete auf den bestellten Kraftwagen, aber der Kerl kaufte keins der Lämmer, wenn er auch eine kennerische, käuferische Miene machte.
      Da tippte mir jemand auf die Schulter, ein mittelgroßer, auffallend breitschultriger Mann wars, der Wagenbesitzer und Wagenlenker, in schnalzendem Englisch sagte er, jetzt ginge es los, und wir fuhren los. Rückschauend lachte ich dem gauklerischen Burschen ins Gesicht, der mir verdutzt nachstarrte, während seine Finger am Bauch eines Lamms geschäftig waren.
      Cetinje blieb zurück, der Weg stieg, Steinberge ringsum, viele schwarzblaue Bergkreise, einer über den andern sich schiebend, gezackt, verschluchtet, türmig. Weit hinten, hoch oben, ein schwarzer blitzender Strich, wild herfunkelnd, den Blick an sich reißend, wie eine glitzernde Nadel, nein, breiter, wie ein Säbel, der auf Bergen liegt - der Skutarisee, fern!
      Die Straße geht abwärts, schwarzes, stilles Wasser zur linken, ein See, es ist aber der Karte zu entnehmen, nur ein unmäßig breiter, versumpfter Fluß, Wassergevögel schwirrt auf, gegen neun Uhr sind wir in dem Dorf Rijeka, frische, saubere Kühle weht, grüner Baumschatten, hohe Pappeln, Gesträuch, die schwarzen Berge sind hinter vorgelagerten grünen Hügeln verschwunden, das Dorf liegt langgestreckt am Fluß, auf dem Enten und Gänse schwimmen. Auf Holzbänken hält man Fische feil, den Fischen, breitnackigen, fetten Tieren mit hängenden, fleischernen Schnurrbärten, sind durch die weichen, weißen Mäuler Weidenruten gezogen, die Ruten sind zu zierlichen Ringen geschlungen, dran trägt man die gekauften Tiere nach Haus. Die Fische sind lebendig, rühren sich aber nicht, schlagen nicht mit dem Schwanz, liegen geduldig, nur vergeblich und quälend öffnen und schließen sie, auf und zu, auf und zu, Feuriges einatmend, das Maul.
      Hier in Rijeka trank der mittelgroße, breitschultrige, englisch schnalzende Montenegriner einen Zwetschgenschnaps, rauchte eine selbstgedrehte Zigarette. Dann weiter, bergauf, bergab, auf guten Wegen, auf schlechten Wegen. Einmal läuft die Straße hoch oben, von tief unten glänzen blaue Buchten silbern herauf, das ist wieder der Skutarisee. Die Straße fällt nun in schönen Kehren abwärts, der Engländer wirft den Wagen schwungvoll um die Kurven, es ist als flögen wir, abwärts kreisend wie ein großer Raubvogel. Immer näher blinkt der See, und da scheint im See ein befestigter Ort zu liegen, auf Pfosten und Dämmen und Pfählen, schwer verschanzt, eine Burg fast. Ein Damm stößt in den See hinein und der Damm verbreitert sich zu einem Platz, das also ist Virpazar. Wir jagen über die Dammbrücke, halten am Markt.
      Mein Führer nimmt sein Geld, nimmt das verabredete, erwartet nicht mehr, wie einem das sonst hier leicht geschieht, legt die Hand grüßend an den Hut, sagt schnalzend: »Good bye«, geht. Den Wagen seh ich nach einer Stunde noch stehen, den Führer seh ich nicht mehr, er wird Geschäfte haben in Virpazar.
      In Virpazar ist Markt, ausgeweidete Lämmer, rot, von Fliegen schwarz bedeckt, hängen von den Stangen, am Boden sitzen Bauernweiber, bieten Schafkäse an, Schafwolle, Gurken und Zwiebeln, und auch Fische, denen die Weidenruten schmerzhaft durchs Maul gezogen sind. Ich bleibe zwei Stunden in Virpazar, in zwei Stunden erst fährt mein Dampfer ab, und als ich auf dem Weg zum Dampfer bin, schnappen die geduldigen, genarrten Fische immer noch nach Wasser, immer noch, mit grauem Staub beschmiert.
      Die Hitze ist schon groß geworden, eine knallige Sonne hängt über Virpazar, ich bummle durch Virpazar, es ist wie ein großer steinerner Würfel, liegt auf Dämmen im Skutarisee, jetzt, im Mai. Später im Sommer, weicht der See zurück, dann liegt Virpazar am See, wie sich das gehört. Ich gehe ein Stück in der prallen Hitze auf dem Damm dahin, im grünen, schlammigen Uferwasser, unsichtbar quacken Frösche, hunderte, tausende, und wenn ich einen Stein ins Wasser werfe, schweigen sie kurz, knarren und schnarren dann umso leidenschaftlicher. Der Himmel ist blau, wolkenlos, fast weiß, der See dehnt sich mächtig, rings steigen hohe Berge an, kahle Berge, grau, ohne jeden Graswuchs. Virpazar, das steinerne, kalkgraue, schlangenhautgraue Virpazar, zwanzig Häuser vielleicht oder dreißig, hockt faustklein und frech und springlebendig am Damm.
      Ich trinke schwarzen Kaffee, esse meine mitgebrachten Eier. In Cetinje sagte man mir, in Virpazar gäbe es keine Verpflegung, das ist aber nicht wahr, am Nebentisch der kleinen Schenke ißt ein Bauer Lämmernes, ich schaue ihm neidisch zu, das gebratene Fleisch riecht kräftig herüber, aber ich muß meine Eier essen. Eine Zigarette tröstet mich dann.
      Gegen Mittag besteige ich das kleine Dampfboot, das mich in sechsstündiger Fahrt nach Skutari bringen soll. Das Boot fährt nicht geradewegs nach Skutari, es legt ein paarmal an, an kleinen Fischerdörfern. Der Skutarisee, weithin grünglänzend, von hohen Gebirgszügen umwandert, liegt regungslos unter einem regungslosen Himmel, von den Bergen kommt kein Wind, Tauchervögel spielen. Unser kleines Boot stampft, die paar Mitreisenden schlafen auf den Bänken, essen Zwiebel und Brot. Weite Strecken hin sind die Ufer versumpft, grüne Binsen flirren, dann wieder steigt der Fels mit schwarzem Knie ins Wasser. Dörfer liegen tief in Buchten versteckt, wehren mit vorgelagerten Riffen die Zufahrt, so daß nicht einmal unser kleines Boot zu ihnen kann. Es kommen Ruderkähne um die Klippen geschossen, fliegen nahe an uns heran, bekommen den Postsack zugeworfen, die Ruderer mit rauhen Stimmen rufen uns etwas zu und werden von den Buchten wieder verschluckt.
      Wir sind schon vier Stunden unterwegs, da hält ein kleines, wendiges Motorboot entschlossen auf uns zu, es ist weißgestrichen, schnaubend braust es an uns heran, es macht einen angriffslustigen Eindruck, am Heck weht eine rotschwarzrote Flagge, es ist ein albanisches Zollboot, wir sind jetzt, auf diesem Teil des Skutarisees, auf albanischem Hoheitsgebiet. Zwei Männer kommen auf unsern Dampfer geklettert, bewaffnet, weißgekleidet, braungebrannte, lustige Gesichter, lassen sich die Pässe vorweisen. Die Pässe sind in Ordnung, die Albaner zeigen lachend ihre Zähne, besteigen wieder ihr kleines Kriegsschiff und zischen schaumwerfend davon.
      Zur rechten Hand schieben sich jetzt niedere, langgezogene Berge heran, befestigt, das ist wohl der Tarabosch, die berühmte Burg über Skutari, und da, das Stangengewirr der vielen Masten der vielen kleinen Fischerboote ist der Hafen von Skutari. Ich gehe an Land, wieder Zollmenschen, sehr neugierige Zollmenschen, dann setze ich mich in einen Pferdewagen, eine alte Kalesche auf hohen Rädern, herabgekommene Vornehmheit, zerfetzter, roter Plüsch im
      Innern, der Wagen ist geschlossen, die schmutzigen Fenster sind verquollen und nicht zu öffnen, staubige, stickige, modrige Luft ist im Wagen, der Wagen schwankt, der Kutscher scheint auf die Pferde einzuhauen, ich höre ihn brüllen, wir fahren scharf, die Straße ist schlecht, der Wagen schaukelt, taumelt vorwärts, neigt sich seitwärts, ich möchte doch was sehen von Skutari, ich presse mein Gesicht gegen die halbblinden Scheiben, sehe einen Reiter vorbeitraben, sehe eine lange, weiße Mauer, sehe ein Minarett, schwarze Zypressen, wieder Mauern, lange weiße Mauern, verschleierte Frauen auf Eseln, viele Reiter, Staub wirbelt auf, Geschrei dringt in meinen verschlossenen Kasten, der Wagen rüttelt, ich stoße mit der Nase gegen das Glas, aus den schmutzigen Sitzpolstern dringt pfeffriges Mehl, die Straßen werden enger, eine Biegung, noch eine, der Wagen hält, ich steige aus, betäubt, hinten zerrt etwas an mir, ich drehe mich um, es ist ein Bettler mit verschorftem Gesicht, aber zuerst will der Kutscher sein Geld, schlägt dem Bettler die Peitsche schallend um die Beine, hält mit der peitschenschwingenden Linken den Bettler von sich ab wie der Bändiger den Tiger im Raubtierkäfig, während er mir seine Rechte offen und fordernd entgegenstreckt.
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      schrieb am 10.09.02 19:49:23
      Beitrag Nr. 2 ()
      Vielleicht daran, dass Du die URL vergessen hast ?
      http://www.britting.com/prosa/32-386.html#skutari


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