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    FTD-Empfehlung für CDU: Die komplette Begründung - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 16.09.02 10:21:54 von
    neuester Beitrag 16.09.02 21:24:06 von
    Beiträge: 28
    ID: 633.502
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      schrieb am 16.09.02 10:21:54
      Beitrag Nr. 1 ()
      Aus der FTD vom 16.9.2002 www.ftd.de/wahlempfehlung
      FTD-Wahlempfehlung: Zeit für einen Wechsel

      Wer öffentlich Ratschläge erteilt, sollte vorher erklären, was ihm wichtig erscheint. Die Redaktion der Financial Times Deutschland trat vor zweieinhalb Jahren mit dem Ziel an, den wirtschaftlichen und politischen Wandel in Deutschland zu begleiten und zu kommentieren.

      In vielen Diskussionen haben wir uns seitdem bewusst außerhalb des geltenden Konsenses gestellt: Wir stehen nicht in der Tradition der Sozialen Marktwirtschaft deutschen Musters, weil wir die soziale Komponente für überbetont halten. Sie wirkt an vielen Stellen inzwischen kontraproduktiv und schadet denjenigen, die sie eigentlich schützen soll.

      Wir glauben nicht, dass sich Wirtschaftspolitik speziell auf den Mittelstand konzentrieren sollte. Vor allem aber sind wir der Meinung, dass Wirtschaftspolitik nicht allein ordnungspolitisch definiert sein darf; sie muss auch auf konjunkturelle Entwicklungen Rücksicht nehmen.


      Das ist kein Plädoyer für eine keynesianische Feinsteuerung, wie sie von einigen Regierungen in den 60er und 70er Jahren betrieben wurde. Aber auch das Gegenteil solch einer Politik wäre falsch. Eine Regierung, deren Land in der Rezession steckt, darf nicht fallende Steuereinnahmen durch Ausgabenkürzungen kompensieren. Wir sind keine antizyklischen Keynesianer, aber entschiedene Gegner einer prozyklischen Wirtschaftspolitik, wie sie in Deutschland betrieben wird.


      Auch sind wir keine Ideologen des freien Marktes. Es gibt viele Aufgaben, die dem Staat obliegen sollten, wie etwa die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, die Bildungs- und Gesundheitspolitik. Wir glauben aber, dass der Staat einen deutlich geringeren Anteil am Wirtschaftsaufkommen haben sollte als der private Sektor. Dieser wird hier zu Lande durch eine große Zahl unnötiger Gesetze und Vorschriften stranguliert. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb etwa oder das Ladenschlussgesetz sind absurde deutsche Sonderwege. Die Wirtschaft braucht mehr Raum zum Atmen.


      In der Außen- und Sicherheitspolitik vertreten wir eine Position, die man konservativ nennen könnte. Wir befürworten eine starke Bundeswehr, aber nur als Berufsarmee. Wir fordern höhere Budgets für Verteidigung, die vornehmlich in Investitionen und Forschung fließen sollen. Und wir stehen fest zum transatlantischen Bündnis und zu einer starken, demokratisch legitimierten Europäischen Union. Wir stehen auch loyal auf der Seite Israels, nicht allein aus historischer Verantwortung, sondern aus strategischem Kalkül. Israel ist unser wichtigster Verbündeter im Nahen Osten, die einzige Demokratie in der Region und ein wichtiger Partner für das westliche Bündnis.


      Liberale Positionen vertreten wir in der Gesellschaftspolitik. Wir sind fest davon überzeugt, dass Deutschland nicht nur ein Einwanderungsland ist, sondern trotz seiner hohen Arbeitslosigkeit mehr Zuwanderer braucht. Wir kritisieren die geringe Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt und haben uns gegen die rechtliche Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ausgesprochen.



      Wirtschafts- und Außenpolitik


      In einer modernen Industriegesellschaft stehen bei jeder Wahl viele Politikfelder zur Debatte. Als global ausgerichtete Wirtschaftszeitung stellen wir beim Blick auf die Bundestagswahl 2002 jedoch zwei Felder in den Vordergrund: die Wirtschafts- und Außenpolitik. Deutschland steckt in der wohl schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Es gibt kaum noch Wachstum. Die drittgrößte Industrienation der Erde tritt auf der Stelle. Die Arbeitslosigkeit steigt. Die Sozialsysteme stehen, anders als bei anderen Rezessionen, vor dem Kollaps.


      Angesichts dieser Situation braucht das Land eine Politik, die gegensteuert und radikale Reformen einleitet. Es bleibt keine Zeit mehr, abzuwarten oder zu hoffen, dass alles nicht so schlimm kommen wird. Wachstum ist aus unserer Sicht eines der wichtigsten politischen Ziele der kommenden vier Jahre.


      Ebenso wichtig ist uns die Außen- und Sicherheitspolitik. Im Wahlkampf hat sich der Blick der Öffentlichkeit auf den Irak-Konflikt verengt. Doch Außenpolitik reicht viel weiter. Die Europäische Union öffnet sich nach Osten, der Konvent verhandelt über eine Verfassung. Noch in der Amtszeit des nächsten Bundeskanzlers muss Europa über seine Zukunft entscheiden. Das ist die wichtigste Weichenstellung seit den Römischen Verträgen vor 45 Jahren.


      Zugleich muss Deutschland seine Rolle im Dreieck der EU-Großmächte definieren. Das Verhältnis zu Frankreich muss wieder belebt, Großbritanniens Abdriften in Richtung USA gebremst werden. Als zentrales Land in Europa trägt Deutschland eine hohe sicherheitspolitische Verantwortung.


      Gäbe es Politiker oder Parteien, die uns in allen Punkten beipflichteten, wäre ihnen unsere Stimme sicher. Doch das ist nicht der Fall. Wir kennen keine Gruppierung, die diese Mischung von Grundüberzeugungen und politischen Prioritäten unterstützt. Somit fällt es auch nicht leicht, eine Wahlempfehlung für die Bundestagswahl am Sonntag auszusprechen. Wir tun es dennoch, denn auch der Wähler kann seine Stimme nicht gewichten, einschränken oder unter Bedingungen stellen.



      Falsche Ziele der PDS


      Leicht fällt die Beurteilung der PDS. Wir halten fast alles, was diese Partei vorschlägt, für falsch. Ihre Hochsteuerpolitik basiert auf Neid und einem falschen Verständnis marktwirtschaftlicher Prozesse. In der Außenpolitik steht sie weit außerhalb der westlichen Wertegemeinschaft. Ihre prinzipielle Ablehnung der Einsätze in Mazedonien, im Kosovo und in Afghanistan zeigt, dass die PDS ein anderes Verständnis der Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten hat als wir.


      Bei SPD und Grünen, Union und FDP resultiert unsere politische Bewertung aus einer Abwägung von Argumenten.



      Enttäuschende Bilanz der SPD


      Die SPD hat aus unserer Sicht zwar manches geleistet, bei den Politikfeldern, die für uns im Vordergrund stehen, aber eklatant versagt. Das liegt nicht daran, dass wir grundsätzlich keine Sympathie für die Sozialdemokraten und Gerhard Schröder hätten. Im Gegenteil: Bei der Bundestagswahl vor vier Jahren hätten die Sozialdemokraten unsere Stimme bekommen. Nach 16 Jahren war Helmut Kohls Regierung politisch, personell und moralisch am Ende. Die SPD bot sich als moderne, reformierende Partei an; mit Gerhard Schröder kam eine neue Generation der Pragmatiker an die Macht.


      In der Tat hat die SPD die Hoffnung, die viele Deutsche in sie gesetzt haben, zunächst zum Teil erfüllt, später dann aber enttäuscht. Dass die Regierung eine Rentenreform mit Einstieg in die Kapitaldeckung angestoßen hat, ist einer der größten Pluspunkte in Schröders Bilanz. Auch halten wir die Steuerreform für ein gelungenes Paket - mit einigen wichtigen Abstrichen. Wir bevorzugen ein einfaches Stufenmodell mit zwei oder drei Stufen, einem Steuerhöchstsatz von 40 Prozent; und wir haben auch dafür plädiert, angesichts der Rezession im vergangenen Jahr die weiteren Stufen der Steuerreform vorzuziehen. Wegen der Flutkatastrophe geschieht jetzt genau das Gegenteil.


      In der Fiskalpolitik hat die SPD auf Konsolidierung gesetzt, allerdings ohne Rücksicht auf die Konjunktur und auf die Qualität der Staatsausgaben, vor allem aber ohne flankierende Reformen in den Sozialsystemen. Durch Sparaktionen hat Finanzminister Hans Eichel den Haushalt zunächst konsolidiert. Dabei gab er Ressorts wie Familie und Bildung mehr Geld, musste aber an anderer Stelle umso mehr sparen. Der Preis war ein Rückgang von Investitionen.


      Der Kardinalfehler war der mangelnde politische Mut, den im Ziel richtigen, in der Konstruktion aber fehlerhaften europäischen Stabilitätspakt zu reformieren. Der Zwang, das Haushaltsdefizit nicht drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes übersteigen zu lassen, hat so zu ökonomischen Fehlentscheidungen geführt: Trotz Rezession und anhaltender Flaute erhöhte die Regierung im Herbst 2001 einige Steuern zur Gegenfinanzierung ihrer Sicherheitspolitik, ließ eine weitere Erhöhung der Sozialabgaben zu und verschob zuletzt die zweite Stufe der Steuerreform um ein Jahr. Die deutsche Fiskalpolitik verhält sich damit wieder einmal prozyklisch.


      Am Arbeitsmarkt versäumte die Regierung, rechtzeitig strukturelle Reformen einzuleiten - was sich jetzt in den hohen Arbeitslosenzahlen rächt. Auch die eilends zusammengeschusterten Hartz-Vorschläge, die sich auf die Vermittlung Arbeitsloser konzentrieren, gehen am Kern des Problems vorbei.


      Warum also sollte man Schröder eine zweite Chance geben? Woher das Vertrauen nehmen, dass der Kanzler - nach den verschenkten Jahren der "ruhigen Hand" - mit einem Mal wieder zu Reformen bereit ist?


      In der Außen- und Sicherheitspolitik hat die SPD nach einem gelungenen Start ebenfalls versagt. Noch im vergangenen Herbst bewies Schröder enormen Mut, als er die Vertrauensfrage stellte und damit die deutsche Beteiligung an einem Einsatz in Afghanistan erzwang. Schröders kategorisches Nein zum Militäreinsatz in Irak - unabhängig von UN-Entscheidungen - dagegen ist der schwerwiegendste Fehler in der Außenpolitik seit der deutschen Anerkennung Kroatiens im Jahre 1991. Schröder hat die transatlantischen Beziehungen damit nachhaltig geschädigt und Deutschland innerhalb der EU isoliert.


      Mit seinem wahltaktischen Vorstoß hat Schröder bewiesen, dass er bereit ist, den Interessen des Landes zu schaden, um seinen eigenen zu nutzen. Damit - und mit seinem Versagen in der Wirtschaftspolitik - hat er sich in unseren Augen als Regierungschef für die nächste Wahlperiode disqualifiziert.



      Deutliche Erfolge der Grünen


      Anders die Grünen: Gesellschaftspolitisch und innenpolitisch sind sie inzwischen die modernste Kraft in Deutschland; die meisten Impulse zu Reformen gingen in den vergangenen vier Jahren nicht von der SPD, sondern von den Grünen aus, und zwar nicht nur in der Umwelt- oder Verbraucherpolitik. Allerdings hat der kleinere Koalitionspartner die falschen Prioritäten gesetzt. Mit der Ökosteuer, dem Dosenpfand und dem Ausstieg aus der Kernenergie haben die Grünen einen großen Teil ihres politischen Kapitals an falscher Stelle investiert. Was an Liberalisierungspolitik übrig blieb, fiel von der allzu langen Prioritätenliste herunter.


      Unbestritten ist, dass die Grünen mit Joschka Fischer einen der großen deutschen Außenminister stellen, auch wenn er sich in den vergangenen Wochen an der desaströsen Irak-Politik der Bundesregierung beteiligt hat; er trat immerhin mit leiseren Tönen und größerem diplomatischen Geschick auf als der Kanzler. Fischers Lebensleistung besteht dennoch darin, eine weitgehend pazifistische Generation davon überzeugt zu haben, dass es Situationen gibt, in denen militärische Interventionen Flächenkriege verhindern und Leben retten können. Ohne Fischer wäre das nicht gelungen.


      Honoriert man dies samt den Reformen, die die Grünen angestoßen haben, müsste unsere Stimme an die ehemalige Protestpartei gehen. Ein Regierungswechsel indes wird sich auf diese Weise nicht herbeiführen lassen. Im Gegenteil: Gerhard Schröder könnte so wahrscheinlich weitere vier Jahre im Amt bleiben und das Land damit in eine gefährliche Lage bringen.



      Inakzeptables Personal der FDP


      Aus dem Grund müssen wir auf die Opposition setzen: Würden wir nach Parteiprogrammen wählen, so wäre die FDP unser haushoher Favorit. Ihre Vorschläge, insbesondere in der Finanz- und Arbeitsmarktpolitik, entsprechen weitgehend unseren Positionen. Dennoch haben wir mit den Liberalen erhebliche Probleme - vor allem mit ihrem Personal. Die von FDP-Vize Jürgen Möllemann angezettelte Antisemitismus-Debatte und seine penetrante Kritik an Israel haben aus dem Versuch einer populistischen Öffnung der FDP ein Desaster gemacht. Rückt Möllemann ins Kabinett, würde dies den außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik weiter schaden.


      Mitschuld trägt auch der bislang schwache FDP-Parteichef Guido Westerwelle. Er hätte frühzeitig die Gelegenheit nutzen müssen, Möllemann zum Rücktritt zu zwingen. Stattdessen lieferte er sich diesem aus. Mit Guidomobil und Fallschirmsprüngen hat das Duo einen Wahlkampf hingelegt, in dem es nicht in erster Linie um Sachthemen, sondern um Showeffekte ging, und dessen Wirkung katastrophal gewesen sein dürfte.


      Vor zehn Jahren versank die FDP einmal in der Bedeutungslosigkeit, als sie sich als Partei der Besserverdienenden ausgab. Auch die Idee einer Spaßpartei finden viele Menschen, insbesondere FDP-Mitglieder, nicht lustig. Wer Sachthemen derart in den Hintergrund drängt, hat am Ende kein Mandat verdient, sie durchzusetzen. Die FDP ist aus unserer Sicht daher kaum wählbar.



      Leichter Vorteil für die Union


      Bleibt die Union. Ihre Bewertung fällt nicht leicht, da sie neben wichtigen Pluspunkten auch erhebliche Schwächen aufweist. Nach Jahren der Lähmung unter Helmut Kohl schien es noch vor einem Jahr, als würde die Union im Zuge des Spendenskandals viele Jahre zur personellen und programmatischen Erneuerung benötigen. Es schien undenkbar, dass sie bereits zur Bundestagswahl 2002 eine glaubwürdige Alternative zu Rot-Grün würde präsentieren können. Trotz aller Schwierigkeiten ist ihr das gelungen, auch wenn noch immer viele das Sagen haben, die schon zu Kohls Zeiten eine Rolle spielten.


      Stoiber symbolisiert nach außen sicher nicht den Aufbruch, den Deutschland jetzt dringend braucht. Er ist kein schneller Entscheider und gibt in der Öffentlichkeit wie im persönlichen Gespräch ein fahriges Bild ab. Wichtiger als die Frage, wie gut ein Kanzler spricht, ist in Krisenzeiten wie diesen aber die Frage, ob er tatsächlich ein Reformer ist. Seine Bilanz als Ministerpräsident von Bayern weist ihn als moderaten Reformer aus, sein ängstliches Verhalten als Kanzlerkandidat weckt indes Zweifel.


      Was Stoiber nach unserem Eindruck aber verstanden hat, ist, dass Stillstand Rückschritt bedeutet und Wachstum ohne Wandel kaum zu erreichen ist. Mit einem Kanzler, der einen Krach riskiert, um Reformern zu helfen, wäre schon viel gewonnen. Schröder hat in vier Jahren bewiesen, dass er harten Reformen des Sozialstaats ausweicht, bei Stoiber gibt es wenigstens die begründete Hoffnung, dass er sie wagt.


      Allerdings wäre diese Hoffnung, die auf einem schwer beweisbaren Eindruck beruht, noch kein Grund, die Union zu wählen. Ins Kalkül gezogen werden muss daher auch das Team um Stoiber. Ihm käme nach einem Regierungswechsel erhebliche Bedeutung zu. Anders als die FDP bietet die Union eine Reihe überzeugender Politiker.


      Für einen wichtigen Teil der Außenpolitik, für die die Union im Haushalt mehr Geld zur Verfügung stellen will, soll Wolfgang Schäuble stehen. Ihm muss zwar die Verstrickung in den Spendenskandal und seine Mitverantwortung für die wirtschaftspolitischen Versäumnisse der 80er und 90er Jahre vorgehalten werden. Trotzdem wäre ein Europaminister Schäuble einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren in einer Regierung Stoiber. In die Debatten um Verfassung, Reformen und Osterweiterung kann Deutschland keinen geeigneteren Vertreter schicken.


      Zur Irak-Frage nimmt die Union keine so zynische Position ein wie die Bundesregierung. Das kategorische Nein des amtierenden Bundeskanzlers zu einer militärischen Intervention nützt Saddam Hussein, der Verweis der Union auf die Zuständigkeit der Vereinten Nationen dagegen lässt alle Optionen offen und ermöglicht so eine gemeinsame europäische Position.


      In der Wirtschaftspolitik setzt Kanzlerkandidat Edmund Stoiber zwar zum Teil auf altbackene Rezepte und Personalien. Für ihn spricht jedoch, dass sein Programm klare Priorität auf Wachstum legt und richtige Wege dorthin benennt. Gleich zu Beginn seines Wahlkampfes postulierte Stoiber sein 3x40-Programm: Staatsquote, Spitzensteuersatz und Sozialbeiträge sollen jeweils unter 40 Prozent sinken. Dieses Konzept ist richtig und förderungswürdig.


      Die Art der Finanzierung ist zwar noch unklar, allerdings steht die Union mit diesem Manko nicht alleine da. Auch die FDP weist nicht nach, woher sie das Geld für Steuerentlastungen nehmen will. Am Ende kann es nur aus Reformen des Sozialsystems und dem Wirtschaftswachstum kommen. Der Reformeifer einer Partei determiniert somit nicht nur ihr Programm, sondern auch dessen Finanzierung.


      Stoiber hat erklärt, nicht ohne Lothar Späth als Superminister für Wirtschaft und Arbeit antreten zu wollen. Späth ist keineswegs der große Modernisierer. Konzepte wie Steuerfreiheit für Existenzgründer sind keine erschöpfende Antwort auf die Frage, wie man das potenzielle Wirtschaftswachstum des Landes von real jährlich zwei auf drei Prozent erhöht. Dazu bedarf es einer Reihe von Liberalisierungen, die gerade dem von der Union umworbenen Mittelstand nicht gefallen würde.


      Doch Späth stünde nicht alleine da. Inhaltliche Vorschläge sind auch von Angela Merkel zu erwarten, die einen stark marktwirtschaftlichen Ansatz vertritt. Friedrich Merz wird ebenfalls entscheidende Impulse zur Förderung des Wachstums geben. Einen Namen gemacht hat sich darüber hinaus die Bildungspolitikerin Annette Schavan. Sie könnte in Berlin dazu beitragen, durch mutige Reformen den Standort Deutschland zu stärken.


      In die Riege der Reformer gehört auch Roland Koch, der zwar mit einer impertinenten Kampagne gegen Zuwanderung ins Amt gekommen ist und in den Spendenskandal verstrickt war, in seinem Bundesland Hessen aber eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik betreibt.


      Merkel, Merz, Schavan, Koch, in gewissem Maß auch Späth und Schäuble - das sind marktwirtschaftlich denkende Reformer, denen man zutrauen darf, die Ideen des Unions-Programms wirklich umzusetzen. Vielversprechend ist besonders die Absicht, endlich einen großen Niedriglohnsektor zu schaffen, den Kündigungsschutz Stück für Stück zu lockern und den Tarifparteien in den Betrieben mehr Eigenständigkeit zu geben.


      In den ersten beiden Jahren einer Stoiber-Regierung besäße die Union voraussichtlich eine Mehrheit im Bundesrat. Das würde ihr ermöglichen, ihr Reformprogramm zügig zu verwirklichen. Stoiber hat zudem angekündigt, einen deutschen Verfassungskonvent nach Vorbild der EU einzusetzen, um eine Dauerblockade zwischen Bundestag und Bundesrat zu beseitigen. Dies ist unbedingt nötig; eine vergleichbare Initiative Gerhard Schröders gibt es nicht.



      Rückständige Gesellschaftspolitik


      Versprechen wir uns in der Wirtschafts- und Außenpolitik neue Impulse von einem Regierungswechsel, hegen wir in der Gesellschaftspolitik große Bedenken gegen die Union - auch wenn wir diesen Fragen angesichts der Wirtschaftskrise nicht den gleichen Stellenwert einräumen können.


      Konservative Regierungen anderer Länder haben mittlerweile die Notwendigkeit weitreichender gesellschaftspolitischer Erneuerungen begriffen - etwa der Einrichtung von Ganztagsschulen und Kindertagesstätten oder der Gleichstellung von Homosexuellen. Deutschlands Konservative sind noch nicht so weit; Teile der Union stecken mit ihrem Gesellschaftsbild noch in den 50er Jahren, wie die Diskussion um die Berufung Katherina Reiches in Stoibers Kompetenz-Team gezeigt hat.


      Ähnliche Einwände gelten für die Einwanderungs- und Innenpolitik. Anders als Otto Schily, der die Balance zwischen kollektiver Sicherheit und individueller Freiheit mit Bravour gehalten hat, könnte Günther Beckstein in diesem Amt einen schärferen, populistischeren Kurs einschlagen - wenn der Koalitionspartner dies zulässt. Dies gilt auch für die Ausländerpolitik. Dass die Union einen Großteil ihres politischen Kapitals auf eine Restauration verwendet und etwa das Zuwanderungsgesetz zurückdreht, halten wir indes für unwahrscheinlich.


      Man mag argumentieren, für die Union sei es am besten, weitere vier Jahre in der Opposition zu bleiben, Ideen zu sammeln und viele ihrer stockkonservativen Überzeugungen abzuwerfen. Mit dem Absacken der Umfragewerte für die Union wird auch wahrscheinlicher, dass Stoiber, sollte er die Wahl verlieren, aus der Führungsriege der Partei verschwindet und eine Episode bleibt. Die Union könnte zu einer liberaleren Politik finden und die parteiinterne Erneuerung vorantreiben.


      Diese Argumente haben viel für sich, auch wenn sie taktischer und nicht inhaltlicher Art sind. In normalen Zeiten wäre das der beste Weg. Doch die Zeiten sind nicht normal. Trotz aller Bedenken bietet die Union die besten Aussichten für eine Politik, die Wachstum und internationale Integration in den Mittelpunkt stellt. Weil auf dem Wahlzettel nur eine Zweitstimme gegeben werden kann, gilt unsere Stimme der Union.



      Koalitionen


      Erreicht die Union ausreichend Stimmen, um die rot-grüne Regierung abzulösen, gäbe es wohl eine Koalition mit den Liberalen - jener Partei, die wir auf Grund ihres Personals für kaum wählbar halten. Und just die Grünen, deren Reformwillen wir bei aller Kritik anerkennen, müssten in die Opposition wechseln. Da wir unter allen Umständen einen Wechsel brauchen, müssen wir das in Kauf nehmen - und in vier Jahren erneut abwägen.
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 10:24:26
      Beitrag Nr. 2 ()
      Mir wäre ehrlich gesagt auch eine schwarz-grüne Koalition am liebsten. Solange bei den Grünen aber noch Leute wie Roth, Ströbele und Trittin das sagen haben, und die besten Köpfe wie Oswald Metzger rausgeekelt werden, wird das wohl noch nix.
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 10:27:10
      Beitrag Nr. 3 ()
      Fr. ROTH gefällt mir, und Joschies Werbung im TV :laugh:

      Mir wäre ne große KOALTITION am LIEBSTEN, wenn möglich mal mit nem OssiWirtschaftsChef dazwischen :D
      Aber wer fragt mich ;)
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 10:28:14
      Beitrag Nr. 4 ()
      ...ich wähle die FTD.

      Wirklich ein sehr guter Text.
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 10:32:46
      Beitrag Nr. 5 ()
      xylophon, dass weiss hier doch jeder...

      wenn sich die wirtschaft in die politik einmischt, schlimmer als bei den kommunisten, he !

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      Avatar
      schrieb am 16.09.02 10:42:25
      Beitrag Nr. 6 ()
      ... der Text ist wirkluch sehr gut. Wie hier aber die Personen der Stoiber-Riege schöngeredet werden, klingt schon äußerst voreingenommen.
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 10:54:55
      Beitrag Nr. 7 ()
      Würden wir nach Parteiprogrammen wählen, so wäre die FDP unser haushoher Favorit. Ihre Vorschläge, insbesondere in der Finanz- und Arbeitsmarktpolitik, entsprechen weitgehend unseren Positionen.
      als ossi kann ich da nur lachen,. welche parteifreunde ;)

      die FDP hat nichts und kann nichts !
      die USA / JAPAN stehen vor dem aus, haben russland knapp überlebt aber verrecken an der eigenen gier.
      wirtschaftspolitik aufbau ost = tot
      liberal = wirtschaftfreundlich :laugh:????, schaut mal was dazu im lexikon steht !!!!!:O

      die 3 reichsten in der welt, haben mehr, als die ärmsten 47 länder der welt !!!!!
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 11:38:40
      Beitrag Nr. 8 ()
      @olsi: Du trauerst doch hoffentlich nicht dem Kommunismus nach?

      Die Tatsache, dass die drei reichsten Leute der Welt mehr Vermögen haben als die 47 ärmsten Länder der Welt, ist leider nicht sonderlich relevant. Wenn es den ärmsten Ländern trotzdem gut gehen würde, so wäre das in Ordnung.
      Leider lässt sich nämlich die Armut nicht dadurch bekämpfen, dass man den reichen Leuten ihr Geld wegnimmt.

      Ich bin schon mal einem der 20 reichsten Deutschen begegnet. Der hat mit fast nichts angefangen und mittlerweile fast 30.000 Arbeitsplätze geschaffen. Ausserdem spendet der enorm viel Geld als Mäzen und Sponsor für alle möglichen Dinge.
      Ich gönne dem seine Milliarden, und würde mich freuen, wenn es mehr Menschen von diesem Kaliber gäbe.
      Dann ginge es der Welt vermutlich besser. Wenn man solchen Leuten ihren Erfolg nicht gönnen würde, ginge es der Welt aber ganz sicher schlechter.

      Die Sache ist also nicht so einfach.
      Trotzdem bin ich aber auch der Meinung, dass die Bekämpfung der Armut in der Welt im Moment viel zu sehr vernachlässigt wird, und im Gegenteil der "reiche Westen" mit seiner Politik sie sogar teilweise noch fördert,
      aber ich halte da die Politik der SPD im Endeffekt für schlimmer als die der FDP.
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 11:42:23
      Beitrag Nr. 9 ()
      die armut nimmt zu....

      den kommisten trau ich mehr als den kapitalisten, die haben ein paar MEHR idelaisten unter sich :laugh:
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 11:43:41
      Beitrag Nr. 10 ()
      beruf : sohn ?

      ich kenne richtig reiche, die geben NIE trinkgeld...solche gibts nämlich auch !

      dann der hauptgrund : die steuern...

      einnahmen in D, aber keine steuern zaheln, darum gehst bergab !!!!!!!!!!!!
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 11:50:42
      Beitrag Nr. 11 ()
      @olsi: Ja, keine Frage, die Kommunisten haben (hatten) deutlich mehr Idealisten, aber diese Idealisten sind halt leider weltfremde Träumer.

      Der Mensch ist nun mal von Natur aus Egoist, und das konnten auch die Kommunisten nicht ändern.
      Deshalb sind die Politikansätze, die berücksichtigen, dass die Mehrheit der Menschen Egoisten sind, die erfolgreicheren.
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 11:52:29
      Beitrag Nr. 12 ()
      ...nun, mir gefällt die überharte Kritik an der SPD-Außenpolitik nicht so gut, denn was macht Schröder eigentlich:
      Er vertritt einen Standpunkt zum Irak, den man nicht teilen muss, der aber auch nicht völlig absurd ist. Er hält also eine Intervention aus vertretbaren Gründen für falsch. Dann ist es logisch, dass er nicht deutsche Soldaten für eine Politik opfern will, hinter der er nicht steht.
      Dieses Recht muss jeder souveräne Staat ja wohl haben. Schröder macht den USA dagegen keinerlei Vorschriften (oder versucht es), wie sie sich zu verhalten hätten.

      Dass hier außernpolitisches Porzellan zerschlagen würde, glaube ich nicht. Höchstens dadurch, dasss sich einige Verbündete in der Kohl-Ära darauf eingerichtet haben, dass Deutschland immer zu allem "Ja und Amen" sagt und das Scheckbuch zückt.
      Wer mit diesen Erwartungen an Deutschland herantritt, der kann sich von Schröder natürlich vor den Kopf gestoßen fühlen. Das wäre allerdings ein heilsames "vor den Kopf stoßen", weil es klarstellt, dass die Zeiten vorbei sind, wo Deutschland sich nicht getraute, eigene Standpunkte zu vertreten, wie es Staaten wie Frankreich oder GB selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen (dürfen).
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 12:00:16
      Beitrag Nr. 13 ()
      Xylo
      das Porzellan wurde sicherlich zerschlagen. Es geht ja nicht darum, dass jemand für den Einsatz von Soldaten im Irak ist. Das will ja keine der PArteien.

      Sondern es geht darum: Ob die Staaten dieser Welt sich gemeinsam auf eine Linie einigen. Auch dazu kann man seine unabhängige Meinung haben. Aber diese sollte man tunlichst nicht zur falschen Zeit (nur wegen Wahlkampf) und am richtigen Platz vertreten (nicht auf dem Marktplatz zuerst, sondern in den dafür eigens vorgesehen Gesprächen mit den aqnderen "Verbündeten").
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 12:05:03
      Beitrag Nr. 14 ()
      ..die Verbündeten werden wohl wissen, was Wahlkampf bedeutet....
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 12:09:05
      Beitrag Nr. 15 ()
      und das hier ist der Grund, weshalb ich KEINEN Wechsel will:

      ...Konservative Regierungen anderer Länder haben mittlerweile die Notwendigkeit weitreichender gesellschaftspolitischer Erneuerungen begriffen - etwa der Einrichtung von Ganztagsschulen und Kindertagesstätten oder der Gleichstellung von Homosexuellen. Deutschlands Konservative sind noch nicht so weit; Teile der Union stecken mit ihrem Gesellschaftsbild noch in den 50er Jahren, wie die Diskussion um die Berufung Katherina Reiches in Stoibers Kompetenz-Team gezeigt hat.

      Ähnliche Einwände gelten für die Einwanderungs- und Innenpolitik. Anders als Otto Schily, der die Balance zwischen kollektiver Sicherheit und individueller Freiheit mit Bravour gehalten hat, könnte Günther Beckstein in diesem Amt einen schärferen, populistischeren Kurs einschlagen - wenn der Koalitionspartner dies zulässt. Dies gilt auch für die Ausländerpolitik. Dass die Union einen Großteil ihres politischen Kapitals auf eine Restauration verwendet und etwa das Zuwanderungsgesetz zurückdreht, halten wir indes für unwahrscheinlich.


      Man mag argumentieren, für die Union sei es am besten, weitere vier Jahre in der Opposition zu bleiben, Ideen zu sammeln und viele ihrer stockkonservativen Überzeugungen abzuwerfen. Mit dem Absacken der Umfragewerte für die Union wird auch wahrscheinlicher, dass Stoiber, sollte er die Wahl verlieren, aus der Führungsriege der Partei verschwindet und eine Episode bleibt. Die Union könnte zu einer liberaleren Politik finden und die parteiinterne Erneuerung vorantreiben.

      ....so ist es.


      Diese Argumente haben viel für sich, auch wenn sie taktischer und nicht inhaltlicher Art sind. In normalen Zeiten wäre das der beste Weg.
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 17:42:21
      Beitrag Nr. 16 ()
      Und ein Thema kommt bei der FTD wie im Wahlkampf überhaupt mal wieder viel zu kurz: Die Bildungspolitik!

      Und da ist und bleibt die Politik von rot-grün eine Katastrophe. Die FTD erwähnt da auch nur in einem Nebensatz, dass die CDU mit Shavan da Kompetenz besitzt.
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 17:49:44
      Beitrag Nr. 17 ()
      nun, es könnte daran liegen, dass die Bundeskomptenz in diesem Bereich reichlich beschränkt ist...(was jetzt nicht als "Komptenz der handelnden Personen" und abwertend gemeint ist, sondern im eigentlichen Wortsinn).
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 18:18:27
      Beitrag Nr. 18 ()
      @xylophon#17: Tja, zum Glück ist Bildungspolitik im Moment hauptsächlich Ländersache. Im Moment jedenfalls aus Sicht von jemand aus Ba-Wü, Bayern oder Hessen. ;)

      Aber Superschröderman und Konsorten haben ja schon angedroht, dass sie mehr Kompetenzen für den Bund haben wollen, um in ganz Deutschland das gleich schlechte Niveau einzuführen, das es jetzt schon in NRW und Bremen gibt. :(
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 18:26:44
      Beitrag Nr. 19 ()
      also, ich habe in NRW die Schule besucht und studiert. Die Leute, die aus BW zu uns kamen, hatten allergrößte Probleme, sich mit dem hohen Niveau zurechtzufinden.
      Kannst Dir ja mal die Ranglisten der Universitäten in Jura und BWL zB ansehen. Da hat Köln unter den Leuten, die einstellen, einen hervorragenden Ruf.

      Für andere Fächer trau ich mir kein Urteil zu.
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 18:29:21
      Beitrag Nr. 20 ()
      ..aber komisch eigentlich, dass zu dem wirklich interessanten Artikel, der ja nun keine Partei besonders schont oder überhart ins Gericht nimmt, dennoch genug Diskussionsstoff liefern könnte, fast keine Antworten kommen.
      Ist das etwas alles schon Allgemeingut, nicht der Rede wert??? Oder ist es zu kompliziert?
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 18:39:21
      Beitrag Nr. 21 ()
      @xylophon#19: Dass die aus Ba-Wü stammenden BWL-Studenten in Köln grosse Probleme mit dem hohen Niveau hatten, glaubst Du ja selbst nicht.
      Mit welchem hohen Niveau denn? Mit der nicht vorhandenen Mathematik-Ausbildung? :rolleyes:

      Mir ist Köln nur durch Masse bekannt, und durch seine Laberfächer. BWL-Absolventen aus Mannheim, Wirtschaftsingenieure aus Karlsruhe oder auch Absolventen der FH Reutlingen sind auf dem Arbeitsmarkt deutlich begehrter.

      Und wenn Du dich ernsthaft für einen Bundesländervergleich der Universitäten interessierst, dann schau mal hier:
      http://www.che.de/assets/images/laendervergleich_universitae…

      Über die Niveauunterschiede der Schulen zu diskutieren, erübrigt sich ja wohl seit der Pisa-Studie.
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 18:43:14
      Beitrag Nr. 22 ()
      Jenoptik-Kursverfall schlecht für Späths Image

      Lothar Späth gilt als eine der, wenn nicht sogar als die stärkste Geheimwaffe im Kompetenzteam von Kanzlerkandidat Stoiber. Bisherigen Äußerungen zufolge soll er im Falle eines Wahlsieges Arbeits- und Wirtschaftsminister und somit eine Art Super-Ministerium begleiten.

      Doch ob die Wunderwaffe im Endspurt des Wahlkampfes tatsächlich hält, was man sich von ihr versprochen hat, ist ungewiss. Unter Börsianern hat Späths guter Ruf als Macher zuletzt jedenfalls gelitten. Vor allem dürften die Aktionäre der Jenoptik AG derzeit nicht gut auf den ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten zu sprechen sein.

      Denn am Montag setzt es für den Aktienkurs des von ihm als Vorstandsvorsitzenden geleiteten Unternehmen ein weiteres dickes Minus. Mit einem Abschlag von 5,31 Prozent auf 11,60 Euro zählt das Papier am Mittag zu den größten Tagesverlierern unter den MDax-Vertretern. Seit Mitte Mai hat sich der Titel damit mehr als halbiert.

      Aktionärsschützer kritisieren Bilanzkosmetik heftig

      Der Fairness halber darf natürlich nicht verschwiegen werden, dass die Notiz der im Bereich Reinraumtechnik, optoelektronische und elektromechanische Systeme sowie im Asset Management tätigen Gesellschaft auch unter der allgemeinen Kursschwäche im Technologiesektor leidet. Manche Beobachter, die es ganz besonders wohlwollend mit Späth meinen, bringen die jüngsten scharfen Verluste sogar mit dessen möglichen Weggang in Verbindung. „Die Identifikation von Jenoptik und Späth ist im Markt sehr stark“, bemerkte ein Händler.

      Dies mag zwar stimmen, aber dieser Glanz ist zuletzt merklich verblasst. Denn der wichtigste Grund für den Kurseinbruch ist in Medienberichten über geschönte Bilanzen zu suchen. Die Bilanzpraktiken werden insbesondere von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) heftig attackiert. Der Vorwurf lautet, nur über den Verkauf des 43,5-prozentigen Anteils an der Beteiligungsgesellschaft DEWB an den Jenoptik Pension Trust habe sich im ersten Halbjahr 2002 ein Betriebsergebnis von 19,5 Millionen Euro ausweisen lassen.

      SdK-Chef Klaus Schneider sprach anlehnen an den Bilanzskandal des US-Energiehändlers Enron sogar von einem Fall „Enron im Musterländle“. Für ihn handelt es sich beim verbuchten Verkaufsgewinn von 30 Millionen Euro um einen „Fantasiewert“. Schneider bezeichnet die Verschiebung innerhalb des Jenoptik-Verbundes als ein „Stück aus dem Tollhaus“, bei dem „Aktionäre und Arbeitnehmer für die Bilanzkosmetik von Lothar Späth zahlen.“ Letztlich unterstellt die Sdk Späth, dass der Verkauf eine Notbremse war, um Verluste zu verhindern. In der Tat wäre das Betriebsergebnis im ersten Halbjahr ohne diesen Sondereffekt mit 14,1 Millionen Euro im Minus gelandet.

      Niedrige Bewertung zeigt Vorbehalte der Anleger

      Mit welchen großen Vorbehalten die Anleger bilanzpolitische Aktivitäten wie diesen derzeit gegenüber stehen, zeigt sich daran, dass sie der Jenoptik-Aktie beim aktuellen Aktienkurs nur noch ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von knapp zehn auf Basis der für das Jahr 2003 geschätzten Gewinne zubilligen.

      An dieser relativ niedrigen Bewertung wird sich aber vermutlich solange nichts ändern, bis Klarheit darüber herrscht, dass es bei dem Thüringer Technologiekonzern wieder aufwärts geht. Und Gebote wie die jetzt verkündete Übernahmeofferte für die insolvente Schneider Laser AG werden in diesem Umfeld sicherlich auch eher als Abenteuer denn als passende Ergänzung der Jenoptik-Geschäftsfelder intepretiert.

      Nachdem sich der Kurs der Jenoptik-Aktie im Jahr 2000 noch verdoppelt hatte, mach Späth nun eine Erfahrung durch wie Stoiber. Nämlich die, dass nicht nur in der Politik, sondern auch an der Börse zum Schluss abgerechnet wird.

      Im Chart sehen Sie den Kursverlauf der Jenoptik-Aktie seit Ende Juni 1998.
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      schrieb am 16.09.02 18:54:43
      Beitrag Nr. 23 ()
      ...bei mir ging es um Jura, aber die BWL-Fakultät galt damals nach Bonn als die beste in Deutschland, bei den Personalchefs.
      Obwohl das mittlerweile rund 10 Jahre zurückliegt, kann ich kaum glauben, dass Köln jetzt soweit abgerutscht sein soll.
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 18:55:22
      Beitrag Nr. 24 ()
      Korrektur: bei BWL lag Köln vorn, bei Jura Bonn....
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 19:04:56
      Beitrag Nr. 25 ()
      so, habe mir Deine Statistiken mal angesehen.

      Da dort ganz wesentlich die Zufriedenheit der Studenten einfließt, würde ich mein Posting nicht als widerlegt ansehen. Denn diese leidet in Köln insbesondere darunter, dass a) vergleichsweise strenge Noten vergeben werden und b) die Uni völlig überlaufen ist (Großstadt, gutes Umfeld, guter Ruf).

      Wer es hier aber schafft, dennoch einen guten Abschluss hinzukriegen, der hat(te damals) für die Personalchefs einen satten Bonus: bei strenger Notengebung und schlechter Ausstattung der Uni hat er/sie dennoch Leistung erbracht.

      Wie die Lage aktuell ist, weiß ich aber nicht, zumal Privatunis wohl neu entstanden sind...und meine berufliche Entwicklung nicht mehr von der Uni abhängt.


      Zu Pisa: NRW war nicht völlig schlecht, sondern Mittelfeld, hat allerdings einige Problembereiche, wo es eben Kinder gibt, die den ganzen Schnitt versauen. Die wird man in jeder Großstadt in besonders hohem Ausmaß finden, von daher ist NRW mit seiner städtisch geprägten Struktur deutlich im Nachteil...dort leben eben einfach mehr Leute, die kaum Deutsch und schon gar nicht lesen und schreiben können.
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 19:54:04
      Beitrag Nr. 26 ()
      @xylophon: Gebe zu, dass ich von Jura keine Ahnung habe. Kann durchaus sein, dass da Bonn einen guten Ruf hat.
      Aber ich vermute mal, dass im "Musterländle" Freiburg, Heidelberg und Tübingen auch nicht schlecht sind.

      Ich kenne mich dagegen sehr gut aus, was in deutschen Unis in BWL und VWL abgeht. Da hat Bonn in VWL für deutsche Verhältnisse einen exzellenten Ruf, was Wissenschaft angeht. Die Lehre für den Durchschnittsstudenten ist da allerdings katastrophal. Die Situation für BWL in Köln hast Du wohl durchaus treffend dargestellt. Fürchterliche Masse und schlechte Ausstattung, so dass es vielleicht durchaus als Leistung anzuerkennen ist, wenn da jemand durchhält. Aber das ist für mich nicht gerade ein gutes Zeugnis für die Politik, denn in Köln wird weder gute Lehre geboten, noch Wissenschaft auf internationalem Niveau betrieben.
      Natürlich gibt es in NRW auch Unis, die in einzelnen Fächern ordentlich sind, z.B. auch Aachen im Ingenieursbereich, aber der Durchschnitt ist halt leider nicht der Hit.

      Fakt ist, dass z.B. BW deutlich besser in Bildung investiert, und dadurch im Schnitt besser ausgestattet ist und auch besser ausbildet. Das haben wir insbesondere Lothar Späth zu verdanken, der jetzt gerade von allen Gegner mit allen Mitteln schlecht geredet werden soll.

      Und genau das zeigt ich auch in der Studie vom CHE, die ich erwähnt habe.
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 20:30:11
      Beitrag Nr. 27 ()
      Was gibt es da zu diskutieren? Steht doch alles im Text:

      Wer gute Sachpolitik zu schätzen weiß, wählt grün, wer Schröder nicht leiden kann, wählt halt die Inhaltsleeren.
      Avatar
      schrieb am 16.09.02 21:24:06
      Beitrag Nr. 28 ()
      ..nun, zur Bildung noch ein Nachtrag: es gibt zB auch das Gerücht, dass die NRW-Hochschulen in Jura und Wirtschaft vergleichsweise gut abschneiden, weil dies Fächer sind, wo man nicht extrem viel investieren muss, um ein gutes Niveau der Lehre zu erreichen. Denn was man hier braucht, sind gute Professoren - die hat Köln ohne Frage in beiden Fächern - und passable Bibliotheken.(In Natur-Wissenschaften ist dagegen eine gute Ausstattung der Uni deutlich teurer, da muss man richtig Geld ausgeben, wenn man an der Spitze stehen will).

      Dazu kommt, dass man mit schlechten Noten und dem "Rausprüfen" von Studenten die Zahlen reduzieren kann, was Kosten senkt. Entspricht allerdings nicht unbedingt dem klassisch sozialdemokratischen Bildungsverständnis, würde ich mal sagen. Führt allerdings zu einem gewissen Ruf.

      Speziell zu Jura: ich hatte damals ein paar Kollengen, später Freunde, die aus Freiburg und Heidelberg gewechselt waren. Die haben sich ziemlich umgeschaut, wie schwer in Köln die Klausuren waren. Und wie streng die Noten.
      Ist natürlich nicht repräsentativ, einer von denen hat auch später ein ziemlich gutes Examen gemacht und alle hatten am Ende nicht unbedingt wenig Ahnung. Nach ihren Erzählungen mussten sie sich aber erstmal ziemlich umgewöhnen, wobei die Ausstattung und die Fürsorge im Süden wohl sehr viel besser war.

      Das war Anfang der 90er Jahre, inzwischen sollen eigentlich die "DDR"-Unis die besten sein, weil sie alle erst in den 90er Jahren aufgebaut wurden, also viel Geld in neue Medien stecken konnten und aus den Fehlern im Westen lernen....das Geld sinnvoller ausgeben als hier.


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