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    Die USA und ihre neue Doktrin - 500 Beiträge pro Seite (Seite 2)

    eröffnet am 24.09.02 11:52:22 von
    neuester Beitrag 04.09.03 11:56:22 von
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      schrieb am 04.04.03 18:05:36
      Beitrag Nr. 501 ()
      so so, also Massenvernichtungswaffen :D :D

      Enthüllung durch Ex-Botschafter

      Blair verhinderte 2001 US-Angriff auf Irak

      Nur der britische Premierminister Tony Blair konnte US-Präsident George W. Bush davon abbringen, schon kurz
      nach den Anschlägen des 11. September 2001 in den Irak einzumarschieren. Das berichtet der ehemalige
      britische Botschafter in Washington.

      London - Die Falken in der US-Regierung hätten Bush schon kurz nach den Anschlägen dazu gedrängt,
      den irakischen Präsidenten Saddam Hussein zu stürzen, sagte Ex-Botschafter Sir Christopher Meyer
      nach einem Bericht der Londoner "Times". Schon beim ersten Krisentreffen in Camp David hätten die
      Regierungsmitglieder einen Angriff auf Saddam Hussein vorgeschlagen. Doch Blair habe Bush dann
      davon überzeugt, dass er zunächst gegen die afghanische Taliban-Regierung vorgehen müsse.

      Blair soll Bush gesagt haben: "Was auch immer Sie im Irak machen wollen, Sie sollten sich zunächst
      auf den nahe liegenden Job konzentrieren und die al-Qaida bekämpfen. Nennen Sie den Taliban ein
      Ultimatum." Bush habe Blair daraufhin zugesagt, sich den Irak "für einen anderen Tag" aufzuheben.

      Sobald die Taliban besiegt schienen, kam das Thema Irak wieder auf den Tisch. Sir Christopher
      erzählte in einer Dokumentation des Senders PBS, dass Blair daraufhin für eine Einbeziehung der Uno
      eingetreten sei. Zwar hätten die USA die militärische Kraft, den Feldzug allein durchzuziehen. "Aber
      unser Rat ist, dass auch eine Supermacht wie die USA für einen solchen Einsatz Verbündete braucht",
      habe Blair gewarnt. Er habe Bush angeboten, Gespräche mit den anderen europäischen Staaten
      aufzunehmen.

      Meyer, der seinen Posten in Washington erst kürzlich verlassen hat, sagte auch, die USA und Großbritannien hätten
      geglaubt, Frankreich werde den Krieg gegen den Irak unterstützen.
      Avatar
      schrieb am 05.04.03 18:18:41
      Beitrag Nr. 502 ()
      "Der Hass auf die USA wächst"

      Interview ADELBERT REIF
      taz: Herr Kermani, Ihre Reportagen aus Ägypten, Pakistan, Israel, Palästina sowie dem Iran haben durch den Angriff auf den Irak eine besondere Aktualität erlangt. Was bedeutet dieser Krieg aus der Perspektive der Länder dieser Region?

      Navid Kermani: Es sind viele verschiedene Szenarien denkbar, auch solche, nach denen der Irak innerhalb relativ kurzer Zeit eine prowestliche, halbwegs demokratische Regierung bekäme. Diesen Szenarien stehen freilich eine große Anzahl anderer, weit weniger optimistische gegenüber. Sollte sich der Krieg über einen längeren Zeitraum hinziehen und die Zahl seiner Opfer auf irakischer Seite hoch sein, dann wird das die Unruhe in den arabischen Ländern erheblich steigern. Gruppen, deren Zweck im gewaltsamen Kampf gegen amerikanische und israelische Ziele liegt, werden beträchtlichen Zulauf erhalten. Das wiederum wird eine Gegengewalt auslösen und die Spirale von Gewalt und Gegengewalt, wie wir sie in den letzten zwei, drei Jahren im israelisch-palästinensischen Konflikt beobachten können, globalisieren.

      Wie real schätzen Sie diese Gefahr ein?

      Darin sehe ich eine reale Gefahr. Und sie stellt zugleich eine Gefahr für unsere eigenen Rechtssysteme im Westen dar. Denn wir sollten uns keinen Illusionen hingeben: Wenn es hier in Europa in rascher Folge zu zwei oder drei großen Terroranschlägen kommt, dann werden wir feststellen, wie leicht das Fundament von Toleranz und Rechtsstaatlichkeit auch auf diesem Kontinent zu erschüttern ist. In dem Augenblick nämlich, da sich unsere Gesellschaft konkret bedroht fühlt, sich kollektive Ängste in ihr ausbreiten, wird die Bereitschaft steigen, "Sondermaßnahmen" beliebiger Art zu ihrem Schutz zu akzeptieren und ideelle, rechtliche, moralische Errungenschaften aufzugeben, für die sie jahrhundertelang gekämpft hat. Das hat das Beispiel der USA nach dem 11. September bereits gezeigt.

      Und wenn der Krieg ein rasches Ende findet?

      Selbst ein schneller und halbwegs glimpflicher Verlauf des Krieges im Irak dürfte schwerwiegende Folgen nach sich ziehen: In einem solchen Fall würde das die strategischen-militärischen Ambitionen der gegenwärtigen Administration in Washington zweifellos bestärken und sie zu weiteren kriegerischen Unternehmungen ermuntern. Man muss nur studieren, welche Vorstellungen neokonservative Denker bereits seit den frühen Neunzigerjahren - seit dem Ende der bipolaren Weltordnung - entwickelt haben.

      Also eigentlich, seit es keine tatsächliche Bedrohung mehr gibt?

      Natürlich kann von einer realen "Bedrohung" Amerikas durch die Staaten der Region des Mittleren Ostens keine Rede sein. Man muss von einer Bedrohung durch den Terrorismus sprechen, aber die wird durch die jetzige Politik der Vereinigten Staaten gerade nicht gemindert, sondern auf dramatische Weise erhöht. Die Staaten, um die es geht, sind teilweise schlimme, verachtenswerte Diktaturen, deren Ende für sich betrachtet ein Segen wäre. Aber sie sind keine Bedrohung - jedenfalls nicht für den Westen. Wenn sie jemanden bedrohen, dann die Zukunft ihrer eigenen Bevölkerung.

      Gilt das auch für den Irak?

      Der Irak liegt sowohl militärisch wie psychologisch vollkommen am Boden. Die bloße Vorstellung, dass Länder wie Iran, Syrien, Pakistan oder wer sonst noch alles auf der "amerikanischen Agenda" steht, eines mehr oder weniger fernen Tages das Schicksal des Irak erleiden, hat für die Zukunft etwas außerordentlich Bedrohliches an sich. Der Status quo ist nicht gut, aber es wäre denkbar und wünschenswert, statt des Angriffskriegs andere Szenarien zu entwickeln, um mittelfristig zu einer Demokratisierung der Region beizutragen. Im Augenblick ist es doch so, dass die Vereinigten Staaten Diktatoren entweder massiv unterstützen oder sie militärisch zu bekämpfen drohen - Partner oder Schurke, dazwischen gibt es nichts. Zwischen diesen beiden Optionen gäbe es aber eine Menge Platz für Politik.

      Wie schätzen Sie die Möglichkeiten der europäischen Regierungen ein, die imperiale Ordnungspolitik der USA zu bremsen?

      Es ist gut, dass die Europäer es versuchen, aber ich glaube nicht, dass sie den USA wirklich Einhalt gebieten können. Da vertraue ich schon eher auf die Selbstregulierungsmechanismen innerhalb der amerikanischen Gesellschaft. Denn schließlich handelt es sich bei dem politischen System der Vereinigten Staaten um eines, das, so imperial orientiert es auch sein und so verbrecherisch es im Einzelnen immer wieder gehandelt haben mag, letztlich auf einer demokratischen, aufklärerischen Tradition beruht. Darüber hinaus war es immer so - eine der vielen verwirrenden und zugleich interessanten Paradoxien des Landes -, dass die Vereinigten Staaten ihren eigenen langfristigen Vorteil ziemlich brutal verfolgten und zugleich nach innen einen Ausgleich der verschiedenen Interessen des Landes herbeizuführen vermochten. Deshalb sind sie schließlich so mächtig geworden. Amerika ist durch eine ganz eigene, verrückte, aber erfolgreiche Mischung aus Pragmatismus und Idealismus gekennzeichnet.

      Kann man angesichts des gegenwärtigen Geschehens tatsächlich von Idealismus sprechen?

      Man darf das idealistische Moment nicht unterschätzen, jedenfalls nicht in der breiten Öffentlichkeit. Gefährlich werden könnte der gegenwärtigen Regierung der pragmatische Zug innerhalb der amerikanischen Gesellschaft. Die gegenwärtige Politik Washingtons ist politisch, in Bezug auf die Sicherheit und ökonomisch hochgradig gefährlich für die Vereinigten Staaten. Das wissen sehr viel mehr einflussreiche Leute, als die Wirklichkeit von CNN und Fox TV es uns glauben macht. Heute sehen wir, dass der Widerstand gegen die so genannte Bush-Doktrin nicht nur aus den weit links stehenden Kreisen erwächst, nicht nur aus der "außermedialen" Opposition, sondern gerade auch aus den Altkonservativen und sogar bis hinein in höhere Militärränge. Das zeigt, dass sich an diesem Grundelement der amerikanischen Gesellschaft nichts geändert hat. Auch die Tatsache, dass der Krieg gegen den Irak kurzfristig keine positiven Auswirkungen auf die amerikanische Wirtschaft zeitigt - abgesehen von einigen kriegsrelevanten Industrien, mit denen die politischen Führungsspitzen der Vereinigten Staaten auch noch verbandelt sind -, sondern ihr stattdessen Gefahren bringt, wird sich über kurz oder lang innenpolitisch niederschlagen.

      Rechnen Sie mit zunehmendem Widerstand der amerikanischen Bevölkerung gegen die Kriegspolitik der Bush-Administration?

      Ich fürchte, solange der Krieg im Irak andauert, werden sich die Amerikaner aus "patriotischen Gründen" um die jetzige Regierung scharen. Und damit das so bleibt, wird Bush weitere Krisen in der Region initiieren. Denn solange das Feuer brennt, wärmt es auch. Das heißt, die Regierung Bush kann mit relativ breiter Unterstützung der amerikanischen Bevölkerung rechnen, solange es ihr gelingt, eine Art von Ausnahmezustand aufrechtzuerhalten, jedenfalls solange die Bevölkerung den Eindruck hat, dass die Situation zwar gefährlich ist, die Regierung sie aber unter Kontrolle hat. Ein militärisches oder humanitäres Fiasko würde dem natürlich einen Strich durch die Rechnung machen. Ähnliches spielt sich im israelisch-palästinensischen Konflikt ab: Seit dem Amtsantritt von Scharon wird dieser Konflikt gezielt am Leben erhalten. Sobald einmal zwei oder drei Wochen lang Ruhe herrschte, führten die Israelis so genannte Liquidierungen auf palästinensischem Gebiet durch, was dann den palästinensischen Terror immer wieder neu entfachte. Auf diese Weise wird der Gewaltmechanismus durch extremistische Politikansätze am Laufen gehalten.

      Welche Bedeutung messen Sie Israel im nah- und mittelöstlichen Konfliktkomplex bei, insbesondere unter dem Aspekt seiner engen Bindung an die USA?

      Wir haben es hier mit einem der langfristig verheerendsten Aspekte dieses Konfliktkomplexes zu tun. Für die neokonservativen Denker und Strategen der USA spielt Israel eine eminent wichtige Rolle. Viele von ihnen sind selbst Juden. Doch entstammen sie nicht dem bekannten liberal-jüdischen Spektrum, das Israel zwar immer unterstützt, sich insgesamt aber einem Ausgleich mit den Palästinensern nicht verschließen würde. Diese Leute sind als Verfechter einer radikalen, extremistischen Politikauffassung hervorgetreten, die nicht an einen Ausgleich glaubt, sondern nur an die eigene Macht. Es hat also nichts mit dem amerikanischen Judentum in seiner Gesamtheit zu tun, sondern es ist eine radikale Minderheit. Aber in der Außenwahrnehmung - und speziell im Nahen Osten - wird das nicht unterschieden. Dort glaubt man, Opfer einer "jüdischen Verschwörung" zu werden.

      Und was folgt aus einem solch fatalen Verdacht?

      Die Folge ist ein Anwachsen antijüdischer Tendenzen und Stimmungen: Amerika wird zunehmend mit einer proisraelischen, jüdischen Politik identifiziert. Wenn sich die amerikanische Politik in so starkem Maße über Israel definiert, wie es bei den neokonservativen Denkern zu beobachten ist, dann wird der Boden zerstört, auf dem Verständigung und Kooperation zwischen Israel und den Arabern wachsen könnten. Die gegenwärtige amerikanische und die israelische Politik erscheinen mir wie ein konzertiertes Programm zur jahrzehntelangen Aufrechterhaltung des Nahostkonflikts sowie zur Förderung und Ausweitung des Terrorismus.

      Ohne Zweifel kommen die ordnungspolitischen Pläne der USA einer politischen Entmündigung der Länder in der Region gleich. Wie werden die betroffenen Staaten und ihre Gesellschaften darauf reagieren?

      Selbstverständlich ist das zu erwartende Anwachsen des Terrorismus eine Reaktion darauf. Schon allein deshalb, weil politisch so schwach formierte Gesellschaften einem militärischen Vorgehen gegen sie politisch nichts entgegenzusetzen haben. Insofern bietet der Terrorismus, auch wenn er letztlich keine Änderung oder Umkehrung der eingetretenen Verhältnisse zu bewirken vermag, ein Fanal. Mittelfristig - und möglicherweise sogar langfristig - dürfte die von Washington anvisierte "Neuordnung der Region" den Charakter einer Art von Besatzung annehmen mit allen daraus resultierenden Folgen. So wird man sich als Westler, auch als Europäer, eines Tages vielleicht nicht mehr so frei wie bisher in den Straßen von Kairo, Teheran oder anderen Städten dieser Region bewegen können, weil die Feindschaft der Menschen gegenüber dem Westen in einem beängstigenden Maße zunehmen wird. Anfänge lassen sich bereits beobachten, wie verschiedene Morde, speziell an Amerikanern, dokumentieren.

      Wird also Samuel P. Huntingtons These vom "Clash of Civilizations" Wirklichkeit werden?

      Ich gehöre nicht zu den Anhängern von Huntingtons Theorie, aber ich halte auch den so genannten interkulturellen Dialog für kein sehr kluges Paradigma, weil es Entitäten behauptet und zementiert, die in der Realität so eindeutig nicht existieren. Die Gesellschaften sind nämlich sehr viel mehr ineinander verflochten, und die Linien ziehen sich sehr viel mehr durch die Gesellschaften hindurch, als es oft den Anschein hat. Zu wem gehören etwa die säkularen Mittelschichten und Intellektuellen im Nahen Osten? Oder: Zu wem gehören die vielen Christen im Nahen Osten, die muslimischen Bürger Europas? Wie ist der scharfe Antiamerikanismus in Lateinamerika oder Fernost einzuordnen? Hat die christliche Rechte in Amerika nicht viel mehr gemein mit dem islamischen Fundamentalismus als mit den säkularen Ideen der Aufklärung, zu denen sich Menschen mit den unterschiedlichsten religiösen und kulturellen Hintergründen bekennen? Sind die türkische und die iranische Reformbewegung, die sich eine echte Demokratisierung und Einbettung der Religion in ein säkulares Staatswesen wünschen, nicht näher an Europa, als es das Amerika von George W. Bush ist? Die jetzige Krise zeigt doch ganz deutlich, dass es "den" Westen nicht gibt. Und genauso wenig gibt es "die" islamische Welt. Die Linien verlaufen mitten durch die Kulturen. Insofern stellt sowohl das Paradigma vom "Clash of Civilizations" als auch das positiv gedeutete vom "Dialog der Kulturen" eine Karikatur dar.

      Dennoch bestimmen sie das politische Denken - und Handeln …

      Genau darin liegt das Problem, dass sich diese Paradigmen, wenn auch als Phantasmen, in politisches Handeln umsetzen. Da mögen die gesellschaftlichen Realitäten so kompliziert und so ineinander verwoben sein, wie sie wollen - in der Weise, wie Politik bestimmt wird, spielen dann solche Kategorien wie "der Westen", "der Islam" usw. in den Köpfen der Menschen eine verheerende Rolle. Wenn Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi von der "Eroberung des Islams durch den Westen" spricht oder Ussama Bin Laden den Angriff auf "den Westen" proklamiert, dann fühlt sich die jeweilige Öffentlichkeit natürlich herausgefordert und reagiert entsprechend. Die Anschläge vom 11. September waren offensichtlich als Angriff nicht auf einen einzelnen Staat, eine einzelne Regierung, sondern als Angriff auf "den Westen" gedacht, und so wurden sie in der westlichen Welt denn auch verstanden, wobei "der Westen" mit dem "christlichen Westen" gleichgesetzt wurde. Dass auch Muslime ein Teil dieses Westens sein könnten, kam offensichtlich niemandem in den Sinn.

      Würden Sie die gegenwärtige Politik der USA im Nahen und Mittleren Osten als neokolonialistisch bezeichnen?

      Sie hat neokolonialistische Züge, einschließlich des Topos von der Zivilisierung der Barbaren. Allerdings war es auch im früheren Kolonialismus nicht so, dass sich die von ihm betroffenen Gesellschaften massiv dagegen gewehrt hätten. Die muslimischen Gesellschaften und ihre Eliten reagierten sogar auffallend schwach auf diese Herausforderung, und so verlief die kolonialistische Ära aus westlicher Sicht relativ glatt. Sie ging zu Ende, nicht weil der Widerstand in den Kolonien so stark wurde, sondern weil sich zu Hause die Ermattung, die wirtschaftliche Erschöpfung und das Desinteresse an den Kolonien verstärkten. Auch die jetzige neokolonialistische Herausforderung durch die USA dürfte nur geringfügigen Widerstand auslösen. Denn nach wie vor sind die muslimischen Gesellschaften und Eliten schwach. Eher wird es zu einer Überforderung der Vereinigten Staaten kommen, weil selbst deren militärische und ökonomische Ressourcen begrenzt sind und die Amerikaner sich fragen werden, was sie denn da draußen, in Ländern, deren Namen die meisten kaum auzusprechen vermögen, zu suchen haben.

      Nun haben Sie aber gerade die Schwäche und militärische Ohnmacht der muslimischen Gesellschaften als wesentliche Ursache des Terrorismus identifiziert. Müssen wir auf ein Anwachsen der terroristischen Gewalt gefasst sein?

      Die unmittelbare Antwort der Schwachen wird unter anderem im Anwachsen von Fundamentalismus und Terrorismus bestehen. Dies ist keine selbstbewusste Antwort, sondern eine, die ihren Ursprung im eigenen Versagen hat. Die Möglichkeiten, durch terroristische Aktionen dem Gegner eine hohe Zahl von Menschenopfern abzuverlangen, sind allerdings heute beträchtlich größer als Ende des 19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts, als die Briten und Franzosen den Nahen Osten beherrschten. Sollte die jetzt von den USA eingeschlagene Politik, die extremistisch zu nennen ich mich nicht scheue, über die jetzige Amtszeit von George W. Bush fortgesetzt werden, wird die Welt binnen kürzester Frist an einer großen Wegscheide angelangt sein mit prekären Auswirkungen auch auf den gesamten Westen. Diese Auswirkungen werden uns dann möglicherweise so lange beschäftigen, wie uns der Kalte Krieg zwischen Ost und West beschäftigt hat.

      Das heißt, das Konfliktpotenzial erhöht sich auf unabsehbare Zeit …

      Es erhöht sich, es divergiert. Am Ende könnten weite Teile der Welt nicht mehr beherrschbar sein, und man wird sie sich selbst überlassen. Ich vermute sogar, dass nicht einmal Europa und Amerika vollständig als "Ghetto" aufrechtzuerhalten sein werden, sondern es wird zu Ghettobildungen selbst innerhalb dieser Kontinente kommen. Manchen Schilderungen zukünftiger Welten aus Science-Fiction-Filmen meiner Jugendzeit sind wir inzwischen in der Realität schon ziemlich nahe gekommen.

      In Ihrem Buch schreiben Sie vom Versagen der Kultur des Islam, die sich ohne Zweifel in ihrer tiefsten Krise befindet, seit es sie gibt. Wird sich an dieser "Krankheit des Islam", um mit Abdelwahab Meddeb zu sprechen, Ihrer Meinung nach in absehbarer Zukunft etwas Entscheidendes ändern? Gibt es Anzeichen für ein "neues Denken" in der islamischen Welt?

      Solche Tendenzen sind in der Tat feststellbar. Aber diese Entwicklung wird nicht einheitlich verlaufen. In einigen Ländern werden sich diese Tendenzen stärker ausbilden, in anderen werden sie schwächer sein. Das hängt von sehr vielen, auch äußeren Faktoren ab. Entweder erneuern sich die Orthodoxien grundlegend, oder sie verlieren jedwede Relevanz. Im Grunde haben sie ihre Relevanz bereits verloren. Denn der Terrorismus ist durchaus als Reaktion auf den Verlust dieser Relevanz erklärbar. Die Orthodoxien - speziell in der arabischen Welt - sind nicht mehr in der Lage, den Menschen vernünftige Antworten auf die gegenwärtigen Probleme zu geben. Eine Antwort auf die Irrelevanz der Orthodoxien ist unter anderem der so genannte Fundamentalismus, der gerade nicht von den Orthodoxien stammt, wie im Westen oft fälschlicherweise angenommen wird, sondern in Laienkreisen entstanden ist. Ich sehe durchaus Ansätze für ein "Umdenken", oder ein "neues Denken" einschließlich konkreter politischer und gesellschaftlicher Reformen. Wenn man diese Ansätze auf die günstigste und effektivste Art behindern oder zunichte machen möchte, dann geschieht das mittels der gegenwärtigen amerikanischen Politik. Wenn westliche Politiker davon reden, den Islam "erobern" zu wollen, und damit drohen, ein islamisches Land nach dem anderen mit Krieg zu überziehen, dann sind das nun einmal keine guten Voraussetzungen für die islamischen Gesellschaften und ihre Theologien, sich selbst in Frage zu stellen, die eigene Kultur zu kritisieren und neu zu denken.

      taz Nr. 7023 vom 5.4.2003, Seite 3-4, 615 Interview ADELBERT REIF
      Avatar
      schrieb am 05.04.03 18:29:31
      Beitrag Nr. 503 ()
      01.04.2003 16:13

      Humanitäre Hilfe

      Hilfsorganisationen machen Amerikanern und Briten schwere Vorwürfe

      Hilfsorganisationen haben Amerikanern und Briten schwere Fehler bei der Organisation der humanitären Hilfe im Irak vorgeworfen. Das Kinderhilfswerk Unicef legte den Militärs mangelnde Professionalität bei der Versorgung der Bevölkerung zur Last.




      Die Organisationen kritisierten, der Versuch der USA, die Hilfe zu steuern, stelle Neutralität und Glaubwürdigkeit der humanitären Hilfe insgesamt in Frage. Der frühere Leiter des UN-Hilfsprogramms für Irak, Denis Halliday, forderte Sanktionen gegen die USA und Großbritannien.

      Nach Einschätzung von Unicef sind mittlerweile Hunderttausende Kinder in Irak wegen Krankheit und Mangelernährung in Lebensgefahr. „Ohne massive Hilfe in den Bereichen Wasser, Gesundheit und Ernährung werden viele Kinder und schwangere Frauen den Konflikt nicht überleben“, sagte der Leiter des Unicef-Programms in Irak, Carel de Rooy.

      Allein in Basra sei die Hälfte der 1,2 Millionen Menschen seit über einer Woche ohne ausreichendes Trinkwasser. Durchfallerkrankungen seien schon vor dem Krieg die Todesursache Nummer Eins bei irakischen Kindern gewesen.

      Erinnerung an Genfer Konventionen

      Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, wies darauf hin, dass nach der Genfer Konvention während des Krieges die Kriegsparteien für die Versorgung und das Wohlergehen der Menschen verantwortlich sind. Unicef warf den Amerikanern und Briten dabei mangelnde Neutralität und Erfahrung vor.

      Es sei „das Gegenteil von humanitärer Hilfe“, wenn Hilfspakete von Lastwagen geworfen würden und dabei nur die Stärksten zum Zuge kämen, sagte Dieter Garlichs, Geschäftsführer von Unicef Deutschland.

      Mehrere Hilfsorganisationen wie die Diakonie oder die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) forderten erneut die strikte Trennung von militärischen Aktionen und humanitärer Hilfe. Die IPPNW bekräftigten ihre Weigerung, sich vor einem Hilfseinsatz in Irak von den US-Militärs in Kuwait registrieren zu lassen.

      Sie äußerten die Hoffnung, dass nach Ende des Krieges eine direkte Hilfe für die irakische Bevölkerung in Zusammenarbeit mit Kirchen und Krankenhäusern vor Ort möglich sei - unter Umgehung der USA.

      Sanktionen gefordert

      Staatsministerin Müller appellierte an die Kriegsparteien, die Unabhängigkeit der humanitären Hilfe sicherzustellen. So lange gekämpft werde, müssten die Kriegsparteien die Versorgung sicherstellen, danach seien aber unabhängige Organisationen am Zug.

      Ihren Angaben zufolge ist Deutschland, das neben seinem EU-Anteil 50 Millionen Euro Soforthilfe für Irak bereitstellt, nach den USA und Großbritannien der größte bilaterale Geber.

      Halliday warf den USA und Großbritannien Kriegsverbrechen vor. „Die USA und Großbritannien müssen gezwungen werden, ihre Verantwortung zu übernehmen“, sagte Halliday, der 1998 aus Protest gegen die Sanktionspolitik gegen Irak als UN-Koordinator des „Öl-für-Lebensmittel“-Programms zurückgetreten war.

      Sie müssten Wasser und Lebensmittel in die besetzte Region bringen. Die Kosten für die Versorgung mit medizinischen Hilfsmitteln, Lebensmitteln und für die grundlegenden Bedürfnisse bezifferte er auf eine Milliarde US-Dollar pro Monat.

      (sueddeutsche.de/dpa)
      Avatar
      schrieb am 07.04.03 16:34:13
      Beitrag Nr. 504 ()
      Versorgungslage spitzt sich zu


      Die Lage in den irakischen Krankenhäusern in den umkämpften Gebieten ist nach Angaben eines Sprechers des Roten Kreuzes „kritisch“. Wegen der schweren Kämpfe am Wochenende sei die Situation in den Kliniken im Gebiet um Bagdad sogar „dramatisch“, sagte IKRK-Sprecher Mu`in Kassis am Montag.

      Vor allem die Versorgungslage in den Krankenhäusern der Städte Hilla, Kerbala und El Anbar gebe Anlass zur Besorgnis, was die Versorgung mit Medikamenten und Wasser betreffe. In Mahmudia könne das dortige Krankenhaus keine Verwundeten mehr aufnehmen, Verletzte aber auch nicht mehr nach Bagdad schicken, da dort selbst gekämpft werde.

      „Stündlich 100 Bombenopfer“


      Die Pressesprecherin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Antonella Notari, hatte am Sonntag in Genf erklärt, das Krankenhauspersonal arbeite rund um die Uhr. Ein IKRK-Mitarbeiter berichtete dem Schweizer Rundfunk aus Bagdad, stündlich würden 100 Bombenopfer in die Krankenhäuser eingeliefert.

      Nach IKRK-Angaben ist in den vier großen Krankenhäusern der Stadt von mehreren hundert eingelieferten Bombenopfern die Rede. Es gebe Dutzende von Toten.
      Das IKRK liefere aus seinen Beständen vor Ort medizinisches und chirurgisches Material so viel es könne, sagte Notari. Da kaum Strom vorhanden sei und auch die Wasserversorgung stocke, müssten die Krankenhäuser auf Notversorgung umschalten. Zusätzliche Probleme entstünden dadurch, dass Krankenhauspersonal nicht zu seinem Arbeitsplatz gelangen könne.

      Notari ergänzte, dass durch den Stromausfall seit Donnerstag auch die Wasserversorgung mit Not-Generatoren arbeiten müsse. „Wir haben die (Generatoren) zwar schon vor dem Krieg alle in Stand gesetzt und gewartet, und wir liefern auch jetzt noch Ersatzteile, die wir in Bagdad gelagert haben“, sagte die Sprecherin. Aber dennoch reiche dies nicht aus, der Druck sei häufig zu gering oder die Geräte seien überlastet. Hinzu kämen Probleme bei der Abwasserbeseitigung.

      Hintergrund: Das IKRK ist die einzige internationale Hilfsorganisation, die mit Ausländern im Irak tätig ist. Sie konnten sich bisher frei bewegen. Wegen der Bombenangriffe habe das IKRK aber beschlossen, sich zur Zeit in Bagdad einzuschränken.

      06.04.03, 16:36 Uhr focus.de
      Avatar
      schrieb am 08.04.03 10:20:24
      Beitrag Nr. 505 ()
      Möglicher Chemiewaffenfund

      Rumsfeld warnt vor voreiligen Schlüssen

      Ist das der so von den USA so lange gesuchte Beweis? US-Truppen haben nach eigenen Angaben in einer irakischen Fabrik nahe Kerbela verdächtige Chemikalien gefunden. Angeblich gibt es Hinweise auf die Giftgase Tabun und Sarin. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld äußerte sich dennoch zurückhaltend.

      Washington/Kerbala - "Wir werden sehen", gab sich der sonst so wortgewaltige Pentagonchef vor Journalisten in Washington einsilbig. Oft würden sich "erste Berichte" als falsch herausstellen. Daher halte sich das Pentagon mit voreiligen Meldungen zurück. Es dauere Tage, um die entnommenen Proben zu testen. Es sei daher klug, vorsichtig zu sein. Mehrere US-Medien hatten gemeldet, dass die verdächtigen Substanzen in einem Ausbildungslager für paramilitärische Kräfte nahe Kerbela entdeckt worden seien und es sich um Nerven- und Senfgas handeln könnte. Proben würden zur näheren Untersuchung in die USA gebracht.

      CNN zeigte am Abend Bilder der aufgefundenen Fässer. Soldaten mit Schutzmasken führten Messungen daran aus und entnahmen Proben. Zunächst seien dies "normale Fässer mit einer chemischen Flüssigkeit", die "nicht waffentechnisch aufbereitet seien", schilderte US-General Benjamin Freakly vor Ort. Vorwiegend handele es ich um Pestizide. Der genaue Zweck sei noch unklar. Auch würden bislang keine Soldaten über Beschwerden klagen, die mit Chemiewaffen in Verbindung gebracht werden könnten.

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      Avatar
      schrieb am 10.04.03 19:50:24
      Beitrag Nr. 506 ()
      Rumsfeld-Doktrin

      "Speed kills"

      Der Sieg ist seiner. Voller Genugtuung kommentierte US-Verteidigungsminister Rumsfeld vor der versammelten Presse die unerwartet schnelle Einnahme Bagdads. Der Erfolg sei der Beweis, so ließ er durchblicken, dass seine Tempo-Doktrin stimmt. Doch Kritiker warnen: Was für den Krieg gegen die marode irakische Armee gilt, muss noch lange nicht für andere Feldzüge gelten.


      AP

      Schnelligkeit zählt: US-Soldaten beim Sturm auf den Bagdader Flughafen


      Washington - Als der Krieg im Irak zwischenzeitlich im Sand zu versinken drohte, war für viele US-Militärs die Stunde der Rache gekommen. Alle Finger deuteten anklagend auf Donald Rumsfeld, den raubeinigen Hardliner. Der habe mit seiner Idee vom Blitzkrieg und dem Einsatz einer im Vergleich zum ersten Irak-Feldzug kleinen, schlagkräftigen Hightech-Truppe die Soldaten und die ganze Mission in Gefahr gebracht - gegen den erklärten Rat vieler Generäle.

      Rumsfeld ließ sich nicht beeindrucken. Ohne auf weitere Verstärkung zu warten, ordnete er den Angriff auf Bagdad an. Überraschend leicht nahmen die US-Soldaten am Mittwoch die irakische Hauptstadt ein - und bescherten dem Pentagon-Chef damit einen großen Sieg auch an der Heimatfront. Denn nun sieht sich er sich laut einem Artikel im "Wall Street Journal" in seiner umstrittenen Strategie von schnellen, harten, kurzen Kriegen bestätigt.

      Erfolg rechtfertigt den militärischen Umbau

      "Was man im Irak in Grundzügen sieht, ist die Art von Kriegsführung, die uns in unserem Wunsch bestätigt, die Truppe umzustrukturieren", sagte Stephen Cambone, der im Pentagon die Abteilung Aufklärung leitet und einer der wichtigsten Ratgeber des Verteidigungsministers ist. Auch Vizepräsident Dick Cheney soll schon applaudiert haben. Der Irak sei der "Erfolgsbeweis für unsere Bemühungen, unser Militär umzubauen".

      Rumsfelds Grundidee ist, dass die Schnelligkeit der Truppen wichtiger ist als ihre Anzahl. "Schnelligkeit bringt`s. Schnelligkeit tötet", zitiert das Blatt den pensionierten Vizeadmiral Arthur Cebrowski, der das Büro zur Umwandlung der Streitkräfte leitet. Dank der Geschwindigkeit gebe es weniger zivile Opfer und weniger Tote unter den US-Soldaten. Das Ziel sei, sich schneller zu bewegen als der Feind reagieren kann.


      AP/ Kyodo

      Bagdad: Einfahrt der US-Panzer


      Eine Strategie, die auch im US-Kabinett Widerstand aus berufenem Mund hervorrief. Denn die so genannte Rumsfeld-Doktrin läuft der des jetzigen Außenministers Colin Powell zuwider. Der Ex-General hatte einst als Stabschef den Standpunkt vertreten, die USA müssten über eine große und starke Armee verfügen. Einsätze nach der Powell-Doktrin sehen vor, dass der Feind zunächst mit langanhaltenden Luftangriffen zermürbt wird und dann zahlenmäßig starke Bodentruppen einmarschieren. Das Ganze soll mit großer internationaler Unterstützung und möglichst mit Billigung oder gar Hilfe der Verbündeten stattfinden - siehe Golfkrieg von 1991.

      Dezentrale Organisation statt Hauptquartiere

      Rumsfelds neue Doktrin zielt dagegen mehr auf eine unabhängig agierende US-Streitmacht. Nach den Vorstellungen Rumsfelds soll die Armee künftig nicht mehr an zentralen Punkten wie Deutschland oder Korea stationiert sein, sondern sich gleichmäßiger verteilen, um so schneller in Krisenherden eingreifen zu können, berichtet das "Wall Street Journal". Die Weigerung Österreichs etwa, den Amerikanern Überflugrechte beim Transport ihrer Truppen aus Deutschland zu gewähren, habe den US-Vorstoß an den Golf erheblich abgebremst. Wären andere Truppenkontingente hingegen in Osteuropa oder Zentralasien stationiert gewesen, hätte Österreichs "Nein" weniger großen Einfluss gehabt, heißt es in der Zeitung.

      Außerdem setzt Rumsfeld vor allem auf leichtere und effektivere Bodentruppen, die gezielt an ihre Einsatzorte auf dem Schlachtfeld geflogen werden können. Damit soll verhindert werden, dass wie in diesem Fall ein Land wie die Türkei den Amerikanern einen Strich durch die Kriegsrechnung macht - indem es die Erlaubnis verweigert, US-Truppen von ihrem Boden aus in den Irak einmarschieren zu lassen.

      In Militärkreisen geht nun die Sorge um, Rumsfeld könne den raschen Erfolg der US-Soldaten im Irak als Beweis für seine These nutzen, dass die Armee ohnehin zu groß ist und eine kleinere, flexiblere Truppe vollkommen ausreicht.

      Der ausgehungerte Irak war ein leichter Gegner

      Hochrangige Militärstrategen warnten ausdrücklich davor, zu viele Lehren aus dem Irak-Feldzug ziehen zu wollen, schreibt die Zeitung. Denn der Irak sei ein außerordentlich schwacher Gegner. Saddam Husseins Armee habe zwar eine hohe Truppenstärke, sei aber durch das Embargo über ein Jahrzehnt nicht in der Lage gewesen, ihre Panzer in Stand zu halten oder ihre Kampfjets zu fliegen.

      Darüberhinaus, sagen Militärvertreter, seien die Angriffe der Fedajin-Milizen strategisch völlig inkompetent gewesen. Anstatt die Amerikaner in einen Hinterhalt zu locken, seien die Iraker in Selbstmordattacken auf die gepanzerten Fahrzeuge der US-Truppen losgerannt. "Das war nicht gerade ein außerordentlich kluger Feind", sagte einer der US-Militärs der Zeitung.

      Wie tauglich die Rumsfeld-Doktrin wirklich ist, würde sich zeigen, sollte es gegen potentere Gegner gehen. An entsprechenden Drohungen lassen es Rumsfeld und Co. nicht fehlen. Doch Experten warnen: Hochgerüstete und wohlhabende Länder wie Syrien, Iran oder die Atommacht Nordkorea würden die US-Armee sicher vor größere Aufgaben stellen.

      Friederike Freiburg
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      schrieb am 11.04.03 06:50:24
      Beitrag Nr. 507 ()
      Geistliche gelyncht

      Blutiges Ende einer Versöhnungsgeste

      Im südirakischen Nadschaf ist ein hochrangiger Vertreter der schiitischen Gemeinde den Angaben seiner Familie zufolge einem Attentat zum Opfer gefallen. Der aus dem Exil zurückgekehrte Geistliche hatte mit einem Anhänger Saddam Husseins eine Geste der Versöhnung geplant.

      London - Der moderate irakische Schiitenführer Abdel Madschid al-Choei ist nach Angaben seiner Anhänger in einer Moschee in Nadschaf ermordet worden. Wie ein Sprecher der in London ansässigen al-Choei-Stiftung und Augenzeugen am Donnerstag berichteten, wurde der Geistliche gemeinsam mit einem weiteren Mullah in der Imam-Ali-Moschee, eine der heiligsten Stätten für schiitische Muslime, von einer aufgebrachten Menge angegriffen und mit Schwertern förmlich zerhackt.

      Al-Choei war einer der prominentesten Exil-Iraker, die in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Er hatte zuvor zwölf Jahre in London gelebt. Der britische Premierminister Tony Blair, der al-Choei persönlich kannte, zeigte sich entsetzt über die Tat und sagte: "Er war ein religiöser Führer, der Hoffnung und Versöhnung verkörperte und sich dem Aufbau einer besseren Zukunft für das irakische Volk verschrieben hatte."

      Al-Choei plante nach Informationen der Nachrichtenagentur AP ein Gespräch mit Haider al-Kelidar, dem von Saddam Husseins Religionsministerium eingesetzten Verwalter der Moschee. Das Treffen habe eine Geste der Versöhnung sein sollen. Als al-Kelidar aus der Menge heraus attackiert worden sei, habe al-Choei sich bedroht gefühlt, eine Pistole gezogen und einen oder zwei Schüsse abgefeuert. Es habe widersprüchliche Berichte gegeben, ob al-Choei in die Luft oder in die Menge geschossen habe.

      Nach Ansicht des Stiftungssprechers ist das Motiv für das Attentat die Zusammenarbeit al-Choeis mit den alliierten Truppen. Die blutige Tat geschah demnach während eines Treffens muslimischer geistlicher Führer in der Moschee.

      Al-Choei sei aus dem Exil in die zentralirakische Stadt Nadschaf zurückgekehrt, um nach dem Sturz Saddam Husseins beim Wiederaufbau des Landes mitzuhelfen, hieß es weiter. Er war der Sohn von Großajatollah al-Choei, dem geistlichen Führer der irakischen Schiiten während des ersten Golfkrieges.

      In Nadschaf befand sich al-Choei normalerweise unter dem Schutz der Alliierten. Die Soldaten hätten ihn jedoch nicht in die Moschee begleitet, hieß es weiter.
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      schrieb am 11.04.03 21:08:46
      !
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      schrieb am 11.04.03 21:14:29
      Beitrag Nr. 509 ()
      "UNO darf den Krieg nicht rückwirkend legitimieren"
      Friedensforscherin Margret Johannsen (Hamburg) über Iraks Nachkriegsordnung

      Die Politologin Dr. Margret Johannsen (56), wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg, gehört zu den namhaftesten deutschen Nahostexpertinnen. Unter ihren zahlreichen Veröffentlichungen ragen die Beiträge zu den jährlichen Friedensgutachten der deutschen Friedensforschungsinstitute heraus (seit 1994). Das folgende Interview erschien am 11. April in der Tageszeitung "Neues Deutschland". Die Fragen stellte Jochen Reinert.


      ND: Die Invasionstruppen haben Bagdad erobert – haben sie damit bereits den Krieg gewonnen?

      Johannsen: Es ist nicht auszuschließen, dass sich in anderen Regionen Iraks weiterhin bewaffneter Widerstand äußert. Das hängt davon ab, ob die regulären Truppen und die Milizen, die Bagdad verlassen haben, nach Hause gegangen sind oder ob sie sich sammeln in anderen Teilen des Landes und dort weiter kämpfen. Auch die in der Provinz stationierten Truppen sind natürlich nicht vollständig geschlagen. Insofern kann man nicht davon sprechen, dass die Kampfhandlungen endgültig eingestellt sind. Darüber hinaus ist nicht ausgeschlossen, dass es innerirakisch zu Auseinandersetzungen kommt im Zuge von »Nächten der langen Messer« zwischen Schergen des Regimes und Gegnern des Regimes.

      Denken Sie da auch an Auseinandersetzungen zwischen den großen Bevölkerungsgruppen Iraks, den Schiiten, Sunniten und Kurden?

      Zunächst einmal nicht. Es kommt allerdings sehr darauf an, wie der Irak in der Nachkriegszeit organisiert wird. Wenn der Eindruck entsteht – zum Beispiel bei den Kurden im Norden des Landes –, dass die gesamte, von ihnen erreichte Autonomie verloren geht, dann ist es durchaus möglich, dass es zu Auseinandersetzungen kommt. Wenn sie aber den Eindruck gewinnen, dass so etwas wie ein föderaler Irak entsteht, in dem es einerseits eine gewisse zentrale Kontrolle und andererseits aber auch eine gewisse Autonomie mindestens für die Kurden gibt, würde sich so etwas vermeiden lassen.

      Präsident Bush und Premier Blair haben auf ihrem Treffen in Belfast beteuert, die politische Macht werde möglichst schnell in die Hände des irakischen Volkes gelegt – wie beurteilen Sie die bisher bekannten USA-Pläne für eine Nachkriegsordnung in Irak?

      Zunächst sieht es mit Blick auf die Nachkriegsordnung danach aus, als würde die UNO – wenn es nach dem Willen der USA geht – mehr oder weniger nur zu humanitären Diensten herangezogen werden. Das halte ich für falsch. In der jetzigen Situation, in der die irakischen Regierungsstrukturen beseitigt sind, haben die Invasoren die Verantwortung für die Wiederherstellung der Ordnung und für die Versorgung der Bevölkerung – und diese Verantwortung könnten sie natürlich an einen irakischen Regierungschef übergeben, den sie bestimmen. Der wäre dann eine Art Marionette und er würde von der Bevölkerung auch so angesehen werden. Es ist also darum dringend erforderlich, dass der Prozess, in dem eine irakische Führungsperson an die Spitze gelangt, in einem Rahmen stattfindet, in dem die Iraker das Sagen haben. Dabei wäre es sehr sinnvoll, wenn dieser Prozess von den Vereinten Nationen und nicht von den Vereinigten Staaten angeleitet würde.

      Bisher setzen die USA hauptsächlich auf die Exil-Iraker, obwohl selbst die CIA der Ansicht ist, dass jene keinen Rückhalt in der irakischen Bevölkerung hätten. Glauben Sie, dass dennoch ein Regierungschef aus den Reihen der Exil-Iraker bestimmt wird oder muss es da eine ganz andere Lösung geben?

      Offenbar ist man sich in der US-Administration überhaupt nicht einig, auf wen man denn setzen soll. Das State Department, das Außenministerium, hat offenbar andere Vorstellungen als das Pentagon. Wichtig wäre es, in den Prozess der Regierungsbildung einen Konsultationsmechanismus einzuführen....

      ...Sie denken an eine Art Petersberg-Konferenz wie im Falle Afghanistans?

      Ja, das wäre ein solcher Prozess, in dem letztlich die Iraker einen Konsens über ihre künftige Ordnung bilden könnten. Das lässt sich allerdings nicht übers Knie brechen und es wäre ein komplizierter Prozess, der der starken Fragmentierung des Irak Rechnung tragen muss. Ein solcher Prozess wäre keineswegs gleichzusetzen mit dem, was man hier bei uns im Westen mit parlamentarischer Demokratie beschreibt. In der Region gibt es kulturell verankerte partizipatorische Instrumente, die man ernst nehmen sollte. Dabei müsste wie gesagt die UNO einbezogen werden. Wenn sie zunächst einen Hohen Kommissar für Irak berufen würde, der einen konstitutionellen Prozess in Gang setzen kann – dann bekäme man eher eine Regierung, die sich auf eine Legitimation stützen kann. Ich bin allerdings im Zweifel, ob die USA so viel Geduld aufbringen, aber es wäre wünschenswert.

      In der Debatte über die Rolle der UNO ist sehr viel über Wiederaufbau usw. zu hören. Aber über die Völkerrechtswidrigkeit des Krieges von Anfang an ist dabei wenig die Rede. Besteht nicht die Gefahr, dass die UNO die Aggression nachträglich legitimieren, wenn sie einfach so einsteigen, als sei nichts geschehen?

      Der Irak-Krieg ist in der Tat ein völkerrechtswidriger Krieg. Die UNO ist ausmanövriert worden. Wenn sie sich jetzt aber nicht an der Schaffung einer Nachkriegsordnung beteiligt, dann würde sich ihre Marginalisierung fortsetzen. Wenn sie sich jetzt beteiligt, dann sollte sie allerdings deutlich sagen, dass damit keine rückwirkende Legitimation erfolgt. Es ist sehr wichtig, dass von vielen Seiten, von der Wissenschaft, von den Medien und auch von den politischen Stellen klar gemacht wird, dass dieser Krieg ein völkerrechtswidriger Krieg ist, ein illegaler Krieg, und dass er auch nicht nachträglich durch eine Beteiligung der UNO am Wiederaufbau legitimiert werden darf.

      Der führende indische Sicherheitsexperte Dr. Uday Bhaskar hat kürzlich gegenüber ND erklärt, der Krieg der USA in Irak sei ebenso wie die militärische Präsenz der USA in Zentralasien im Gefolge des Afghanistan-Krieges ein »tectonic event«, eine grundsätzliche Änderung der regionalen strategischen Balance mit den entsprechenden langfristigen Erschütterungen. Ihr Kommentar?

      In der Tat ist zu beobachten, dass die USA ihre ungeheure militärische Überlegenheit dazu benutzt haben, spätestens seit dem 11. September eine geopolitische Neuordnung der gesamten Region vorzunehmen. Dazu gehört die militärische Präsenz in einer Reihe von zentralasiatischen Staaten. Dazu gehört auch dieser Irak-Krieg. Damit haben die USA klar gestellt, dass sie in dieser Region bleiben wollen. Das ist in der Tat etwas, was es bisher nicht gab und was die Region auch politisch bestimmen wird. Die USA haben damit ihren Fuß in eine Region gesetzt, die natürlich auch aus energiepolitischen Gründen von außerordentlicher Bedeutung ist.

      Ein Blick noch auf das Wochenende, an dem sich die Spitzen der ursprünglichen Anti-Kriegsallianz – Jacques Chirac, Wladimir Putin und Gerhard Schröder – in St. Petersburg quasi zum Nachkriegsrat treffen. Was würden Sie ihnen raten?

      Ich kann nur raten, dass die ehemalige Antikriegsallianz versucht, Bündnispartner zu gewinnen für das Projekt einer entscheidenden Rolle der UNO bei der Schaffung eines legitimierten Staatsaufbaus in Irak. Die Aussage, wer zerstört, muss auch wieder aufbauen und wir halten uns fern, reicht nicht aus. Das würde bedeuten, auf jeden politischen Einfluss zu verzichten.
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      schrieb am 12.04.03 10:11:15
      Beitrag Nr. 510 ()
      Waffeninspektoren

      Kein Beweis für Massenvernichtungswaffen

      Offiziell gelten sie noch immer als Kriegsgrund: Die gefürchteten Chemie- und Biowaffen Saddam Husseins. Doch noch haben die Amerikaner keine gefunden. Jetzt meldet Chefinspekteur el Baradei Zweifel an ihrer Existenz an.

      Hamburg - "Bisher ist der Beweis, dass der Irak noch über Massenvernichtungswaffen verfügt, nicht erbracht", sagte Mohammed el Baradei der Zeitung "Bild am Sonntag". "Es reicht nicht aus, wenn gefundene verdächtige Substanzen in amerikanischen Labors getestet werden. Die Ergebnisse müssen von den UN-Waffeninspekteuren überprüft werden. Nur so können glaubwürdige Aussagen über möglicherweise noch vorhandene Massenvernichtungswaffen getroffen werden."

      Der Generaldirektor der Internationalen Atomenergieorganisation(IAEO) forderte eine baldige Rückkehr der Inspekteure: "Sobald die Kampfhandlungen beendet sind, müssen die UN-Inspekteure ihre Arbeit im Irak fortsetzen - entsprechend den Vorgaben des Weltsicherheitsrats." El Baradei machte deutlich: "Sollten verbotene Waffen gefunden werden, haben nur die Vereinten Nationen die Autorität, sie zu beseitigen - und nicht die USA."
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      schrieb am 12.04.03 16:25:10
      Beitrag Nr. 511 ()
      Spanien

      Familie von getötetem Kameramann verklagt Aznar

      Die Familie des im Bagdader Journalisten-Hotel "Palestine" getöteten spanischen Kameramanns José Couso hat sich einer Klage gegen Ministerpräsident José María Aznar angeschlossen. Unterdessen wurden drei türkische Pressevertreter im Nordirak beschossen.

      Madrid - Mit seiner Unterstützung für den Irak-Krieg habe der Regierungschef gegen das Strafgesetzbuch und die Verfassung verstoßen, heißt es laut dpa nach Presseberichten vom Samstag in der Klage. Diese war von einem Anwaltsverband beim Obersten Gerichtshof eingereicht worden und ist inzwischen von mehr als 400 Bürgern mitunterzeichnet worden. Ob das Gericht die Klage zulässt, ist noch offen.

      Der für den Privatsender Tele 5 tätige Couso, 37, war am vergangenen Dienstag beim Beschuss des Hotels durch einen US-Panzer tödlich verletzt worden. Auch ein Kameramann der britischen Nachrichtenagentur Reuters starb. Die Familie des Spaniers spricht von Mord und forderte die spanische Regierung in einem Brief deshalb auf, sich auch für eine Untersuchung seitens der USA sowie für eine Entschädigung einzusetzen.

      Schüsse auf türkische Journalisten

      Drei türkische Journalisten sind am Samstag in der Nähe der nordirakischen Stadt Erbil durch Schüsse verletzt worden. Unklar sei, wer auf ihr Auto geschossen habe, sagte der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan in Ankara.

      Nach Angaben der halbamtlichen Nachrichtenagentur Anadolu soll es sich bei zwei der Verletzten um einen Korrespondenten des TV-Senders Sky Türk und seinen Kameramann handeln. Alle drei sollten noch am Samstag zur Behandlung in die Türkei gebracht werden. Die Verletzungen sind den Angaben zufolge nicht lebensgefährlich.
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      schrieb am 12.04.03 20:55:38
      Beitrag Nr. 512 ()
      E-Mail aus Hollywood

      Die Armee der Underdogs

      Von Helmut Sorge, Los Angeles

      Die US-Army ist ein Auffangbecken für die Armen und Unterpriviliegierten Amerikas: Immigranten, die ihre Einbürgerung vorantreiben wollen, Afro-Amerikaner, Latinos, arme weiße Außenseiter - sie alle kämpfen im Irak für den Glanz eine Nation, die ihnen daheim nicht viele Chancen lässt.


      AP

      Befreite US-Soldatin Lynch: Heldin wider Willen


      Der Sarg endete an der Grenze. Vergebens versuchte der Fahrer des Leichenwagens die Wachen an der tschechischen Grenze umzustimmen. Die Kommunisten wollten den Leichnam nicht in ihrer Erde, obwohl die "menschlichen Überreste" (so ein Begleit-Dokument), die eines Bürgers ihres Landes waren, der in die USA ausgewandert war. Er war in Vietnam gefallen - ein Fremder in US-Uniform.

      Kein Einzelfall, dieser GI, den die Amerikaner vor mehr als 20 Jahren letztlich einäscherten und via Diplomaten-Post an die US-Botschaft in Prag und dann an die Familie des Verblichenen weiterleiteten. Noch immer symbolisiert das Militär für so manchen Einwanderer Zukunft und Stabilität im neuen Land. Folglich kämpften Einwanderer im Korea-Krieg oder Indochina, in Afghanistan und - heute - im Irak. Etwa 32.000 Fremde, rund zwei Prozent der 1,4 Millionen Soldaten zählenden Gesamtstreitmacht, dienen als US-Soldaten, obgleich sie nicht US-Staatsbürger sind.

      Sie marschieren für die so genannte Green Card ins Gefecht, jenem Dokument, das für die Zugereisten gleichbedeutend ist mit unbegrenzter Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. So manche Ausländerin bettet sich mit US-Männern, weil sie mit einer Ehe der begehrten Green Card näher kommen könnte. Amerikanische Anwälte kassieren Zehntausende, um die zahlreichen Anträge für das begehrte Dokument durch die Bürokratie zu treiben.

      "Das größte Opfer"

      Jene Immigranten, die sich freiwillig für die Streitkräfte melden, können ohne bürokratisches Störfeuer zum US-Staatsbürger: Von den ersten zehn US-Gefallenen im aktuellen Irak-Krieg, waren fünf Ausländer, GIs mit Namen wie Jose Antonio Guitierrez, 22, Jose Angel Garibay, 21, Jorge Gonzales, 20. Er fiel am 21. März, 18 Tage nach der Geburt seines Sohnes. Der Gedanke, dass sie womöglich kämpfen und sterben müssen, zählt für diese GIs normalerweise nicht zur Lebensplanung. "Ich bin mir nicht sicher, dass er damit gerechnet hat", sagt Margarita Hernandez, eine Einwanderin aus Mittelamerika, über ihren im Irak kämpfenden Sohn Sergio, 25. Am Sonntag kniete sie in der Dolores Mission Church im ärmlichen L.A.-Viertel Boyle Heights und betete für ihren Soldaten.


      AP

      GIs im Irak-Krieg: "Ultimate sacrifice"


      Der amerikanische Fernsehsender Fox, der Journalismus im Gleichschritt mit Propaganda marschieren lässt, veröffentlicht täglich unter der Rubrik "The ultimate sacrifice" (etwa: das größte Opfer) Fotos, Namen, Alter und Heimatorte der US-Gefallenen sowie das Versprechen: "Never forget". Diese Verlustlisten machen deutlich: Amerikas Generäle kommandieren nicht nur Fremde an die Front, sondern - vor allem - Kids aus den ländlichen, von der Hoffnung verlassenen, ärmlichen Amerika, aus Tuba City (Arizona), Tonopah (Nevada), Comfort (Texas), Roscoe (Illionois), Roswell (Georgia), Santa Rosa (Kalifornien) oder aus Palestine (West-Virginia), dem Heimatort der von US-Sondereinheiten aus einem irakischen Krankenhaus befreiten Kriegsgefangenen Jessica Lynch, eben 19 Jahre alt.

      Sie wollte Lehrerin werden, als Alternative freilich blieb ihr zunächst nur der Waffendienst. Heute ist sie Heldin - wider Willen. Aber blond ist sie, schön dazu. Und sie hat auf Irakis geschossen, bis zur letzten Patrone, sagt sie. Ihre 23 Jahre alte Freundin Lori Ann Piestewa, eine Hopi-Indianerin, war in der Armut eines Navajo-Reservats in Arizona aufgewachsen. Nach der Scheidung engagierte sich die Mutter eines vierjährigen Sohnes und einer drei Jahre alten Tochter, beim Militär. Lori Ann Piestowa ist die erste Frau, die in diesem Irak-Konflikt fiel. 19 Jahre alt wurde der Afro-Amerikaner Brandon Sloan, dessen Vater Pastor ist. Sein Kamerad Ruben Estrello Sato, der sich gegen den Rat seines Vaters zur Truppe meldete, weil er sich eine Karriere als Computer-Spezialist erhoffte, wurde 18 Jahre alt. 21 ist die Witwe des Lynch-Waffenbruders James Kiehl, 22, dessen Kind in wenigen Wochen geboren wird.

      In den Gettos der Städte fallen mehr Bürger als Soldaten im Krieg

      58 Prozent der US-Bürger, sind, so Meinungsforscher laut "L.A. Times", trotz dieser menschlichen Dramen für den Krieg, zumal die US-Panzer nun vor den Präsidenten-Palästen des Diktators stehen und Oberst David Perkins, der Kommandeur der Panzer-Truppe, über "Fox" verkündete, er werde sich unter einem der goldenen Wasserhähne im Saddam-Badezimmer waschen.

      Kaum ein Hollywoodstar erhebt dieser Tage noch die Stimme gegen den Krieg - "support the troops" ist nun das Motto - unterstützt die Soldaten. Die "L.A. Times" nannte die Reaktion "the traditional rally-around-the-flag-effect", die Stunde der Patrioten, vereint ums Sternenbanner - America the beautiful. An den Universitäten regt sich - anders als während des acht Jahre dauernden Vietnamkonflikts - kaum Protest. Warum auch? Bis jetzt zählen die Amerikaner knapp 100 Gefallene, vielleicht werden es 200 oder 300 bis zur endgültigen Kapitulation des Irak. In den Großstädten Amerikas, in genau jenen Vierteln, in denen die Pentagon-Werber so manchen Rekruten überzeugen, den Dienst an der Waffe als Notausgang aus dem Elend zu nützen, fielen in den drei Kriegswochen mehr US-Bürger als GIs an der Front.


      AP

      US-Marines im Vietnamkrieg (während der Tet-Offensive im Februar 1968): Die Vergessenen Amerikas


      In den USA sind allein im letzten Jahr nahezu 30.000 Menschen durch Schusswaffen getötet worden. Mehr noch: Seit 1933 wurden etwa so viele Amerikaner mit Pistolen und Gewehren ermordet, wie Soldaten in allen Gefechten der Nation seit 1775 fielen insgesamt 650.858 - Revolutionskrieg wie Bürgerkrieg, Weltkriege und Vietnam inklusive. Patrouillieren deshalb Truppen in South East Central von L.A. oder in der Bronx? Natürlich nicht - die Gettodramen werden in den Gazetten nur mit wenigen Zeilen registriert. Alltag eben. In den Krankenhäusern dieser urbanen Kampfgebiete stehen Militärärzte an der Operationstischen und lernen, wie Schusswunden zu behandeln sind. Die Gerichte strafen die Zigaretten-Hersteller zu Megaschadenersatzzahlungen, während die Waffenfabrikanten immer neue tödliche Schießgeräte auf den Markt bringen - ohne wirklichen juristischen Widerspruch.

      Die Wehrpflicht ist in den USA 1973 aufgehoben worden, weil die Streitmacht nach dem Desaster in den Dschungeln von Indochina auch die Verachtung des Volkes verarbeiten musste. Tausende der traumatisierten Vietnamveteranen endeten im Zuchthaus oder obdachlos auf der Straße. Seit 1980 werden Wehrpflichtige wieder vom "selective service system" registriert, bei einem nationalen Notstand könnten sie eingezogen werden. Nur: nach ihrem Vormarsch im Irak sind die US-Generäle einmal mehr überzeugt, dass keine Macht der Welt mit ihren GIs konkurrieren kann. "Wir verfügen über die besten Soldaten", behauptet der Oberst, dessen Truppen die Präsidentenpaläste einnahm.

      Boutique-Verkäuferinnen in Piloten-Overalls

      70 Prozent der Bürger, so die Meinungsforscher, sind indes der Meinung, dass ihre Nation das "moralische Recht" für den Militäreinsatz hatte. Der absehbare Sieg im Irak ist nun der Triumph der Macht - die US-Fernsehsender halten sich allerdings mit der Veröffentlichung von Bildern der gefallenen GIs zurück. Selbst die kritische "L.A. Times" zieht es vor, auf dem Titelblatt einen uniformierten US-Sanitäter zu zeigen, dessen Arme sich schützend um ein irakisches Kind legen - Schutzmacht Amerika. Plötzlich ist auch in Hollywood der Krieg en vogue - zumindest in den Modeboutiquen. Hosen, Kleider im Militär-Look, olivgrün, wurden kürzlich auf Modenschauen in L.A. und Las Vegas gefeiert, in einer Schuh-Boutique an der La Brea Avenue tragen die Verkäuferinnen Piloten-Overalls - ein Trend, der den PR-Vorstellungen des Pentagons entspricht.


      Volker Corell

      Militär-Mode: Auch in Hollywood ist der Krieg en vogue


      Jugendliche, denen die Finanzierung einer College-Ausbildung unmöglich ist, die sich keine Berufsschulen leisten können, setzen, trotz der Verlustmeldungen aus dem Irak unerschüttert auf die Streitkräfte als Zukunftsperspektive. In den Rekrutierungs-Büros der Nation, in den verlorenen Kaffs jenseits des aufgeklärten Amerikas, wo Hamburger noch als Gourmetkost gelten, und "Bud"-Bier oder "Miller Light" Champagnerstatus haben, sitzen kernige Soldaten - kurzhaarig, mit gestärkten Hemdkragen, scharfen Bügelfalten, glänzenden Schuhen und kräftigem Händedruck. Echte Soldaten, verbal geschulte Veteranen, psychologisch ausgebufft, Typen, die in Hollywoods Kriegsfilmen immer siegen.

      Eine Ausbildung zum Koch? Natürlich. Abenteuer in der Navy, die Eroberung der weiten Welt? Versprochen. Ein Kredit für die Uni-Ausbildung? Die Marineinfanterie macht`s möglich. Einsatz bei den Special Forces? Eine Chance für Dich, mein Junge, Charakterentwicklung unter Männern, der Elite. Kein Wort verraten die Werbe-Prospekte vom Tod, vom Kriegseinsatz, von den 6000 Dollar, die Angehörige der Gefallenen als Soforthilfe erhalten, und später 250.000 Dollar aus der vom Pentagon für alle Krieger abgeschlossenen Lebensversicherung. Traurig, aber wahr: die Familien gefallener GIs leben - materiell gesehen - sicherer als zu Lebzeiten des Soldaten: kostenlose Uni-Ausbildung für die Kids, monatliche Rente für die Witwe, ein Orden, vielleicht zwei, die gerahmt das Wohnzimmer schmücken. Unser Held.

      Im Krieg, so hat ihnen auch Hollywood suggeriert, überleben die Mutigen - meistens jedenfalls. Nun weinen schwangere Frauen vor den Kameras, äußern sich verstörte Väter und erschütterte Mütter. Kaum ein Wort von ihnen fällt gegen den Krieg oder George W. Bush, bis auf einen Vater, der auf ein Plakat malte: "Bush, you killed my only son". Die Gefallenen werden im Tod zu Helden der Nation, obwohl Amerika ihnen einen kargen Sold zahlt - so manche Familie der im Irak kämpfenden Soldaten existiert daheim am Rande der Armutsgrenze. Kein Wunder, schon während des Vietnamkriegs entzog sich so mancher Uni-Student aus gutem Hause, darunter mehr als 100 Kinder von Kongressabgeordneten und Senatoren, dem Wehrdienst - bereits damals verbluteten in den Reisfeldern Indochinas die Vergessenen Amerikas: Afro-Amerikaner und verarmte Weiße.

      Im Irak sterben sie wieder, die Außenseiter, die Unterklasse, Die Minderheiten. Die unterprivilegierten Latinos machen 25 Prozent der US-Gesamtbevölkerung aus, aber satte 34,4 Prozent des Militärpersonals. Folglich bleibt der Protest gegen den Einsatz, der Zorn über die Verluste bislang begrenzt, können konservative Hollywood-Stars wie Clint Eastwood, Mel Gibson oder Arnold Schwarzenegger den Krieg in Arabiens Wüste propagieren - der Geist der Krieger entspricht dem Weltbild dieser Schauspieler. Bruce Willis, Jahrgang 1955, soll sogar George W. Bush im Weißen Haus angerufen und erklärt haben, er sei bereit, im Irak zu kämpfen. Die Antwort: das Höchstalter für Rekruten sei 34.

      Jose Guitierrez und Jose Garibay, die an den ersten Tagen des Krieges fielen, wurden posthum zu amerikanischen Staatsbürgern erklärt. Der 20-jährige Jesus Suarez del Solar hingegen, so hat sein Vater erklärt, habe nie davon geträumt, Amerikaner zu werden. Er sei stolz darauf gewesen, Mexikaner zu sein - und das soll er nun auch bleiben. Sein Sarg endete nicht an der Grenze. Die Heimaterde hat ihn wieder.
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      schrieb am 14.04.03 09:44:50
      Beitrag Nr. 513 ()
      DRUCKEN


      Sonntag, 13. April 2003
      Syrien im Fadenkreuz der USA
      "Eine Menge böser Fehler"

      US-Präsident George W. Bush hat Syrien am Sonntag erneut davor gewarnt, Mitgliedern der irakischen Führung Unterschlupf zu gewähren, und das Land zur Zusammenarbeit aufgefordert. "Syrien muss mit den Vereinigten Staaten und unseren Koalitionspartnern kooperieren und darf keinem Mitglied der Baath-Partei, des Militärs und anderen Personen, die zur Verantwortung gezogen werden müssen, Zuflucht gewähren", erklärte Bush in Washington.

      US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sagte, sollte sich der irakische Präsident Saddam Hussein in Syrien aufhalten, würde das Land einen großen Fehler begangen haben. Er fügte hinzu, im Irak seien syrische Kämpfer getötet und gefangen genommen worden, die auf Seiten der irakischen Truppen gekämpft hätten.

      "Die syrische Regierung macht eine Menge böser Fehler", sagte Rumsfeld in einem Interview des US-Senders CBS. Sollte Saddam in Syrien entdeckt werden, "würde Syrien einen noch größeren Fehler gemacht haben". Auf die Frage, wie sich die USA in diesem Fall verhalten würden, antwortete der Minister: "Das letzte, was ich tun würde, wäre nun darüber zu sprechen.

      Drohung wegen Massenvernichtungswaffen

      Syrien könnte zudem zu einem Angriffsziel für die USA werden, sollten in dem Land irakische Massenvernichtungswaffen gefunden werden. Richard Perle, Mitglied der Verteidigungspolitischen Kommission und ein Planer des Irak-Kriegs, sagte am Wochenende ", die USA müssten auf einen solchen Fund reagieren. Im Falle eines solchen Fundes würden die USA zunächst von Syrien verlangen, "dass sie alles abgeben, was in ihrem Besitz gelangt ist, um die Bedrohung zu beseitigen", ergänzte Perle. "Wenn das nicht geschieht, würde wohl keiner ausschließen wollen, dass wir die volle Breite unserer Möglichkeiten ausschöpfen." Falls wir keine Alternative haben, sind wir bereit zu tun was notwendig ist, um Amerikaner und andere zu verteidigen ", fügte Perle hinzu.

      Scheer: Bekannte Bilder

      Für den Träger des Alternativen Nobelpreises, Hermann Scheer, zeichnen sich in den Drohungen Parallelen zum Beginn des Irak-Krieges ab. In einem "Spiegel"-Interview sprach Scheer über den "immer gleichen Vorwand und die gleiche Argumentation der US-Regierung. Das ist eine Beleidigung des politischen Verstands". Bislang habe der Kriegsverlauf eher bewiesen, dass die irakische Seite mit ihren Beteuerungen Recht gehabt habe, dass ihre Massenvernichtungswaffen nach dem Golfkrieg von 1991 vernichtet worden sind.

      Wieder geht`s um Öl

      Es scheint nicht unwahrscheinlich, dass die USA mit gleicher Strategie ihr nächstes Ziel ins Visier nehmen: Syrien, meint Scheer im "Spiegel". Dort sei nach US-Vorstellungen eine Pipeline durch Land geplant, um andere Öllieferstränge "um bis zu drei Viertel abzukürzen", will der SPD-Bundestagsabgeordnete erfahren haben. Sollte dies auf dem Verhandlungsweg nicht möglich werden, sei die erneute Vorwandsuche für eine Okkupation wahrscheinlich.

      Mit seinem Verdacht Scheer nicht allein. "Ich würde derzeit kein Geld in Damaskus anlegen", verkündete am Freitag freimütig der frühere NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark in der "Berliner Zeitung". Syrien müsse mit einem Angriff rechnen, wenn es seiner Regierung nicht gelinge, "die amerikanischen Bedenken auszuräumen". Dabei gehe es um die angebliche Unterstützung regimetreuer Iraker, Kontakten zu Terrorgruppen sowie den Besitz von Massenvernichtungswaffen.

      Adresse:
      http://www.n-tv.de/3153464.html
      Avatar
      schrieb am 14.04.03 21:06:46
      !
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      schrieb am 15.04.03 11:30:21
      Beitrag Nr. 515 ()
      Dienstag, 15. April 2003
      Besorgnis wegen Syrien
      Straw verlangt Beweise

      Der britische Außenminister Jack Straw hat Syrien aufgefordert, Vorwürfe der USA über eine Aufnahme von Mitgliedern der irakischen Regierung zu widerlegen. Mit Blick auf die Einstufung Syriens als "Schurkenstaat" sagte Straw auf einer Pressekonferentz in Katar, Syrien habe die Gelegenheit zu beweisen, dass diese Kategorie nicht zutreffe.

      Syrien solle die neue Realität in der Golf-Region anerkennen, sagte Straw. Damaskus müsse einige wichtige Fragen beantworten, darunter die nach dem Besitz chemischer Waffen.

      Die USA werfen Syrien vor, chemische Waffen zu besitzen und Terrorismus zu unterstützen; außerdem hatten sie in den vergangenen Tagen die Führung in Damaskus davor gewarnt, Mitgliedern der gestürzten irakischen Regierung Unterschlupf zu gewähren. Syrien hatte die Vorwürfe der USA zurückgewiesen.

      Am Montag hatten die USA mitgeteilt, gegen Syrien diplomatische und wirtschaftliche oder Schritte anderer Art zu erwägen.

      Annan besorgt

      UN-Generalsekretär Annan äußerte sich unterdessen nach Angaben seines Sprechers Fred Eckhard besorgt, dass die zunehmende US-Kritik an Syrien und dessen Rolle im Irak-Krieg den ohnehin instabilen Nahen Osten weiter destabilisieren könnte. Annan habe bekräftigt, dass jeder Vorwurf einer Bedrohung der internationalen Sicherheit und des Friedens in Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen behandelt werden müsse, sagte Eckhard.

      Annan habe gemahnt, die jüngsten US-Äußerungen in Richtung Syrien dürften nicht zu einer weiteren Destabilisierung der Region führen, die durch den Krieg gegen den Irak bereits schwer getroffen sei, sagte Eckhard.

      Israel fordert Druck auf Syrien

      Der israelische Premierminister Ariel Scharon forderte die USA auf, auf Syrien wegen dessen Unterstützung radikaler Palästinensergruppen verstärkten Druck auszuüben. Dies bedeute nicht, dass gegen Syrien Krieg geführt werden solle, aber diplomatischer und wirtschaftlicher Druck ausgeübt werde, sagte Scharon in einem in Auszügen vorab veröffentlichten Interview der Tageszeitung "Jedioth Ahronoth" (Mittwochausgabe).

      Scharon forderte die USA dazu auf, u.a. dafür zu sorgen, dass in Syrien radikale Palästinensergruppen wie Hamas und Islamischer Dschihad nicht mehr operieren dürfen. Die Gruppen haben sich zu zahlreichen Selbstmordanschlägen Israel bekannt, bei denen Dutzende Menschen getötet wurden. Zudem müsse die anti-israelische Hisbollah-Organisation aus dem Südlibanon entfernt werden, sagte Scharon. Syrien gilt mit seinen tausenden Soldaten im Libanon als Schutzmacht.
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      schrieb am 15.04.03 21:37:18
      Beitrag Nr. 516 ()
      Nahost-Experte

      "US-Falken wollen Syrien auf Linie bringen"

      Der Irak-Krieg ist noch nicht ganz beendet, schon nehmen die USA mit Syrien den nächsten "Schurkenstaat" ins Visier. SPIEGEL ONLINE sprach mit dem Islam-Wissenschaftler und Syrien-Experten Michael Lüders über die neuen Drohungen aus Washington.


      AP

      Damaskus: Vor einem Assad-Porträt zeigt ein junger Syrer stolz die Landesflagge.


      SPIEGEL ONLINE: Die Vorwürfe der USA sind mit den Anschuldigungen gegen den Irak vor Kriegsbeginn nahezu identisch: Syrien entwickele Chemiewaffen und unterstütze Terrorgruppen. Soll nach Bagdad nun auch Damaskus fallen?

      Lüders: Das ist zumindest die Meinung der Hardliner in der US-Regierung. Wenn es den Amerikanern gelingt, die Lage im Irak in den nächsten Monaten einigermaßen unter Kontrolle zu bringen, könnten radikale Neokonservative in Washington auf die Idee kommen, den Waffengang auf Syrien auszudehnen. Vielleicht verhängt man aber auch nur Sanktionen.

      SPIEGEL ONLINE: Bis heute sind die Behauptungen, der Irak habe Massenvernichtungswaffen besessen, nicht bewiesen. Nun soll Damaskus ähnliche Vorwürfe entkräften...




      Dr. Michael Lüders ist Nahost-Experte bei der Friedrich-Ebert-Stiftung. Er studierte Islamwissenschaft, Politologie und Publizistik in Berlin sowie arabische Literatur in Damaskus. Danach arbeitete er als Autor und Moderator für SWF und WDR, war dann Nahost-Redakteur bei der "Zeit", schrieb mehrere Hörspiele und Buchveröffentlichungen, zuletzt den Roman "Gold im Gilf Kebir" und "Dschihad - Der Weg ins Paradies. Woher kommt die Gewalt im Islam?"


      Lüders: Ich halte diese Behauptungen für eine Zweckargumentation. Richard Perle, Berater von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, hat am Wochenende in einem Interview erklärt, die irakischen Massenvernichtungswaffen seien noch nicht gefunden worden, weil Saddam sie im Wüstensand versteckt habe, und es würde noch Jahre dauern, bis man sie finde. Rumsfeld wiederum sagt, die Waffen seien nach Syrien gebracht worden. Solche Behauptungen sind beliebig und austauschbar. Washingtons Falken wollen drei Staaten auf Linie bringen: Irak, Iran und eben auch Syrien.

      SPIEGEL ONLINE: Die Syrer bezogen aus dem Irak billiges Öl und verkauften es dann gewinnbringend weiter. Spielt das bei den Anschuldigungen Washingtons eine Rolle?

      Lüders: Dieser Vorwurf wurde den Syrern interessanterweise nicht gemacht. Denn auch die US-Verbündeten Jordanien und die Türkei haben vom Ölschmuggel aus dem Irak an den Uno-Sanktionen vorbei profitiert.

      SPIEGEL ONLINE: Ein neuer Feldzug dürfte den Hass der arabischen Welt auf die Amerikaner vertiefen. Die Türkei als Nachbarland der bedrohten Staaten warnt vor weiteren Konfliktherden. Können die Amerikaner tatsächlich langfristig den ganzen Nahen Osten kontrollieren?

      Lüders: Das amerikanische Wunschdenken entspricht nicht den Realitäten im Nahen Osten. In der arabisch-islamischen Welt gibt es einen undifferenzierten Hass auf Amerika und auf den Westen. Man glaubt, zu den Verlierern der Globalisierung zu gehören. Dieses Gefühl aus Minderwertigkeit, Ablehnung und Neid führt dazu, dass man der US-Politik sehr misstrauisch gegenüber steht. Das gilt für alle gesellschaftlichen Schichten - vom Schuhputzer bis zum Minister. Durch die unmittelbare militärische Präsenz der USA im Irak, die ja noch Jahre andauern dürfte, wird sich dieses Misstrauen eher noch verstärken.

      SPIEGEL ONLINE: Würden sich die Amerikaner in der arabischen Welt bei ihrem Bestrebungen nach einer friedlichen Neuordnung des Nahen Ostens glaubhafter machen, wenn auch Israels Waffenarsenal kontrolliert würde?

      Lüders: Das wird immer wieder von arabischen Politikern und Intellektuellen gefordert. Sie werfen den USA vor, mit zweierlei Maß zu messen: Washington ist zwar unnachgiebig gegenüber Rechtsverstößen zum Beispiel des Irak. Andererseits hat Israel aber seit 1967 sämtliche Uno-Resolutionen ignoriert, die einen Rückzug aus den besetzten Gebieten vorsahen - ohne dass es von den USA auch nur die Andeutung von Konsequenzen gegeben hätte. Das führt zu einem großen Glaubwürdigkeitsverlust der US-Politik in der arabischen Bevölkerung. Wenn George W. Bush auch den Israelis klare Bedingungen für einen Friedensprozess diktieren würde - wie zum Beispiel ein Ende der Siedlungspolitik - würde das die Wahrnehmung amerikanischer Politik im Nahen Osten positiv verändern.


      SPIEGEL ONLINE

      Pulverfass Naher Osten


      SPIEGEL ONLINE: Seit Monaten wird der Deutsch-Syrer Mohammed Haydar Zammar mit Erlaubnis der USA in syrischen Gefängnissen wegen seiner Verbindungen zu den Terrorpiloten vom 11. September - sagen wir einmal - "verhört". Wie passt das mit den jüngsten Anschuldigungen gegen Damaskus zusammen?

      Lüders: Das syrische Regime ist überaus pragmatisch. Damaskus ist um gute Kontakte zu den USA und zu Europa bemüht, auch was die Terrorbekämpfung angeht. Syrien hat ja auch beim Golfkrieg 1991 auf Seiten der Alliierten gegen den Irak gekämpft.

      SPIEGEL ONLINE: Präsident Baschar al-Assad gilt anders als Saddam Hussein nicht als größenwahnsinniger Despot. Dennoch hält Israels Ministerpräsident Scharon ihn für gefährlich. Wie sollte er sich verhalten - gegenüber Washington und seinem Volk?

      Lüders: Assad ist 37 Jahre alt und noch ein junger Politiker. Er hat aber schon begriffen, dass Syrien reformiert werden muss und versucht eine vorsichtige Öffnung in der Innenpolitik gegen die Betonköpfe in der von Militärs kontrollierten staatlichen Bürokratie Syriens. Nur gegenüber Israel ist er unnachgiebig und fordert die Rückgabe der Golanhöhen.

      SPIEGEL ONLINE: Assad gehört der Minderheit der Alawiten an. 75 Prozent der Syrer sind aber sunnitische Muslime und damit ein Besorgnis erregendes Potenzial...

      Lüders: Traditionell kontrollieren die Alawiten die Politik Syriens, die Sunniten dagegen die Wirtschaft. Die Alawiten haben allerdings die Befürchtung, dass die Sunniten zu viel wirtschaftliche Macht erhalten könnten. Und wirtschaftliche Macht bedeutet auch politischen Einfluss. Das will man verhindern. Assad muss also eine Gratwanderung gelingen, auch in der Außenpolitik: Er braucht gute Beziehungen zum Westen, die Stimmung in der Bevölkerung ist jedoch vor allem seit dem Irak-Krieg sehr anti-amerikanisch und anti-israelisch.

      SPIEGEL ONLINE: Kann sich Assad an der Macht halten?

      Lüders: Noch ist Assad beim syrischen Volk sehr beliebt. Aber er darf den Kontakt zur Bevölkerung nicht verlieren, sonst könnte das Militär auf die Idee kommen, gegen ihn zu putschen.





      Das Gespräch führte Alwin Schröder
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      schrieb am 16.04.03 19:33:04
      Beitrag Nr. 517 ()
      Mossul

      US-Soldaten erschießen mindestens zehn Demonstranten

      Amerikanische Soldaten haben in Mossul offenbar ein Blutbad angerichtet. Mindestens zehn Zivilisten sind bei einer anti-amerikanischen Demonstration erschossen worden, teilten die US-Streitkräfte mit. Angeblich war aus den Reihen der Demonstranten auf die US-Soldaten geschossen worden.


      AP

      US-Soldaten im Zentrum von Mossul


      Katar - In Mossul kam es am zweiten Tag in Folge zu tödlichen Zusammenstößen zwischen US-Soldaten und Einwohnern. Mindestens drei Zivilisten wurden dabei heute getötet. Das US-Militär bestätigte derweil, dass US-Soldaten gestern bei Protestaktionen in der nordirakischen Stadt mindestens sieben Zivilisten erschossen hatten.

      Brigadegeneral Vincent Brooks sagte in Katar, eine Protestaktion in der Stadtmitte von Mossul gegen die US-Präsenz in Irak habe eine tödliche Wende genommen, nachdem schießwütige Demonstranten angefangen hätten, in die Luft zu feuern. Nachdem US-Soldaten daraufhin Warnschüsse über die Köpfe der Demonstranten abgegeben hätten, seien sie beschossen worden. "Es waren gezielte Schüsse, und es gab dann gezielte Schüsse zurück gegen bestimmte Demonstranten ...", sagte Brooks. Mindestens sieben Menschen seien getötet worden. Es habe auch mehrere Verletzte gegeben. Nach Angaben von Ärzten soll es 20 Tote gegeben haben.

      Unterdessen durchsuchten US-Spezialeinheiten in Bagdad das Haus einer Mikrobiologin, die ein geheimes Biowaffenlabor zur Herstellung von waffenfähigem Anthrax geleitete haben soll. Soldaten trugen Unterlagen aus dem Haus der "Dr. Bakterie" genannten Wissenschaftlerin Rihab Taha, von der offenbar jede Spur fehlt. Drei Männer wurden abgeführt.


      AP/ NBC

      Mikrobiologin Rihab Rashida Taha, genannt "Dr. Bakterie"


      Der amerikanische Generalstabschef General Richard Myers sagte am im US-Sender CNN, er sei noch immer besorgt, dass chemische oder biologische Waffen aus dem Irak in die Hände von Terroristen fallen könnten. Es gebe noch viel Arbeit, Massenvernichtungswaffen zu finden und zu sichern. Viel Arbeit hat offenbar auch noch das US-Militär auf dem Schlachtfeld. Auch nach der Zerschlagung der irakischen Armee bleibe für die verbündeten Truppen noch viel zu tun, sagte der Kommandeur der US-Marine-Infanterie im Irak, Generalleutnant Earl Hailston, in Tikrit. Im Westen des Irak habe sich am Dienstag die 12. Irakische Brigade ergeben, teilte das US-Oberkommando Mitte mit. Die US-Streitkräfte hätten 40 Panzer und fast tausend Waffen erbeutet. Ungeachtet gemeinsamer Patrouillen von US-Soldaten und irakischen Polizisten hielten die Plünderungen in Bagdad an. Auf dem Messegelände stürmten hunderte Menschen mehrere Lagerhäuser und schleppten Säcke mit Zucker, Tee und Mehl in öffentliche Busse.

      Die US-Truppen in Irak haben nach Angaben von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld eine Öl-Pipeline zwischen Irak und Syrien stillgelegt, durch die täglich bis zu 200.000 Barrel Öl geflossen sei.

      Der Weltsicherheitsrat in New York lud Chefinspekteur Hans Blix zu einer Sitzung am 22. April ein. Die Mehrheit der Ratsmitglieder will eine neuerliche Entsendung von Uno-Waffeninspekteuren, Washington hat dagegen eigene Spezialisten ins Land geschickt.

      Der französische Präsident Jacques Chirac brachte in einem Telefonat mit seinem amerikanischen Kollegen George W. Bush seine Bereitschaft zu einer "pragmatischen Herangehensweise" an die Gestaltung der Nachkriegsordnung in Irak zum Ausdruck. Spanien, Dänemark und die Niederlande forderten die Stationierung einer internationalen Friedenstruppe in Irak. "Wir können nicht auf eine Uno-Resolution warten", sagte der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen am Rande des EU-Erweiterungsgipfels in Athen.

      Eine argentinische Kamerafrau erlag nach einem Autounfall in Westirak ihren Verletzungen. Die 28-jährige Veronica Cabrera ist die erste getötete Journalistin des Golfkriegs.
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      schrieb am 16.04.03 19:44:37
      Beitrag Nr. 518 ()
      Jessica Lynch

      Wie ein Arzt die Befreiung der schönen Soldatin erlebte

      US-Präsident Bush war begeistert. Mutige Marines hatten die Soldatin Jessica Lynch in einer gefährlichen Nacht-und-Nebel-Aktion aus einem irakischen Krankenhaus befreit - so die Darstellung des Pentagon. Irakische Ärzte erzählen jetzt eine ganz andere Geschichte.


      AP

      Soldatin Lynch: Ein irakischer Arzt sorgte für ihre Gesundheit


      Nassirija - Die Rettung von Jessica Lynch löste in Amerika Jubel aus - nicht nur ihre Familie weinte Freudentränen. Die Heldentat der US-Soldaten kam zum rechten Zeitpunkt. Unerwartet starke Gegenwehr der irakischen Armee im Süden des Landes, Bilder von US-Kriegsgefangenen im irakischen Fernsehen und verheerende Sandstürme ließen die Begeisterung in der amerikanischen Öffentlichkeit für Bushs Feldzug merklich schwinden.

      Die PR-Strategen im Pentagon präsentierten die Rettung als mutige Tat inmitten von Kämpfen rund um das Krankenhaus. Irakische Zeugen in Nassirija erzählen allerdings, dass überhaupt keine einheimischen Kämpfer mehr da waren. Nur die Amerikaner hätten für Angst und Schrecken gesorgt.

      "Wir hörten sie schießen und rufen: Los! Los! Los!", erzählt der Arzt Harith al-Houssona seine Version der Befreiungsaktion. Eine Gruppe amerikanischer Soldaten habe begonnen nach Jessica Lynch zu suchen, eine andere hätte tote US-Soldaten aus Gräbern vor dem Krankenhaus ausgegraben, und eine dritte Gruppe Ärzte über das Versteck des gesuchten Politiker Ali-Hassan al-Majid, bekannt als Chemical-Ali, verhört.

      Vier Ärzten und zwei Patienten seien Handschellen und Fesseln angelegt worden, berichtet ein Korrespondent der "Times-Online" aus Nassirija. Einer der von den US-Soldaten gefesselten Patienten sei gelähmt gewesen und habe an einem Tropf gehangen. Auf einem Videoband von der Befreiung sind laut "Times-Online" auch diese Szenen zu sehen. Der Presse seien sie bisher aber nicht gezeigt worden. "Das waren Ärzte mit Stethoskopen um den Hals", sagte Harith. "Auch im Krieg sollte kein Arzt so behandelt werden".

      Angestellte als Gefangene

      Einer der Verwaltungsbeamten des Krankenhauses, Abdul Razaq, habe Schutz in Lynchs Krankenzimmer gesucht, weil er sich dort sicher fühlte. Die US-Soldaten hätten ihn per Hubschrauber zu ihrem Lager mitgenommen und drei Tage unter freiem Himmel gefangen gehalten.


      AP

      Video von Lynchs Befreiung: Nicht alle Szenen wurden der Presse gezeigt


      Harith sagte dem "Times"-Reporter, er habe auch Dienst gehabt, als Jessica Lynch von irakischen Soldaten eingeliefert wurde. Nach seiner Erzählung rettete er der jungen US-Soldatin gleich mehrmals das Leben. Zunächst habe er ihre Wunden an Kopf, Bein und Arm behandelt und ihre Atmung stabilisiert.

      Freundschaft zur US-Soldatin

      Kurz vor der Flucht der meisten Saddam-Treuen aus Nassirija seien einige irakische Soldaten ins Krankenhaus gekommen und wollten die gefangene Soldatin als Druckmittel gegen die Amerikaner mitnehmen. Harith habe Lynch daraufhin in einem anderen Teil des Krankenhauses versteckt. Seine Kollegen erzählten den irakischen Soldaten, dass er nicht da sei und dass Lynch vermutlich gestorben sei und sie nicht wüssten, wo sie sei.

      Durch den engen Kontakt zu seiner Patientin habe sich eine Art Freundschaft zu Jessica Lynch entwickelt, sagte Harith. "Ich sehe viele Patienten, aber sie war etwas Besonderes. Sie war eine sehr einfache Person, eine Soldatin, nicht sehr gebildet. Aber sie war sehr, sehr nett."

      "Niemand hätte sie beschießen können"

      Die Berichte, die die amerikanischen Militärs nach der Rettung abgaben, kann Harith al-Houssana nicht verstehen: "Sie sagten, dass es im Irak keine medizinische Versorgung gegeben hätte und dass dieses Krankenhaus sehr stark verteidigt wurde. Aber außer Ärzten und Patienten war niemand hier. Es gab niemanden, der sie hätte beschießen können." Irakische Truppen und Führer der Baath-Partei hätten die Stadt schon am Vortag verlassen.
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      schrieb am 17.04.03 17:57:22
      Beitrag Nr. 519 ()
      BAGDAD

      Kreuz Fünf hat ausgespielt

      Bei der Fahndung nach Saddam Hussein und seinem Führungszirkel vermelden die Amerikaner einen weiteren Erfolg: Barsan Ibrahim al-Tikriti, ein Halbbruder des irakischen Diktators, wurde in Bagdad gefasst.


      DoD

      Barsan al-Tikriti soll während seiner Zeit in Genf auch das Vermögen Saddams verwaltet haben


      Doha - Spezialtruppen der Alliierten hätten den Halbbruder Saddams am Morgen mit Unterstützung von US-Marines in der irakischen Hauptstadt gefasst, teilte der amerikanische Brigadegeneral Vincent Brooks mit. Barsan sei alleine angetroffen worden. Der Tipp über den Aufenthaltort Barsans sei aus der irakischen Bevölkerung gekommen. Er werde jetzt erst einmal ausführlich verhört.
      Barsan war ein Berater Saddams und hat ausgezeichnete Kenntnisse über das Regime des gestürzten Diktators. Die Alliierten erhoffen sich von ihm Informationen über die Existenz von Massenvernichtungswaffen. Bislang haben sie noch keine Beweise. Barsans Domizil in einem westlichen Vorort Bagdads war in der vergangenen Woche Ziel alliierter Bombenangriffe.

      Von 1979 bis 1983 war Barsan Chef des irakischen Geheimdienstes, von 1988 bis 1997 in Genf Uno-Abgesandter des Irak. In den letzten Jahren soll er in Saddams Ungnade gefallen sein. Auf der Fahndungsliste der USA rangiert er an 52. Stelle.

      Bereits am vergangenen Sonntag hatten die USA die Gefangennahme eines anderen Saddam-Halbbruders, Watban Ibrahim Hasan, mitgeteilt. Watban Hasan war früher Innenminister. Saddam Hussein hat insgesamt drei Halbbrüder. Zu dem gestürzten Präsidenten seinen beiden Söhne gibt es weiter keine heiße Spur.
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      schrieb am 18.04.03 10:26:48
      Beitrag Nr. 520 ()
      Waffensuche im Irak

      Bush schickt seine eigenen Inspektoren

      Auch nach dem amerikanischen Sieg über Saddam steht es mit dem Verhältnis zwischen USA und Uno nicht zum Besten. Enttäuscht will die Bush-Regierung nun 1000 eigene Waffeninspektoren in den Irak schicken. Die laxe Haltung der US-Soldaten gegenüber Plünderern stößt indes auch in den eigenen Reihen auf zunehmende Kritik. Drei Kulturberater des US-Präsidenten traten zurück.


      REUTERS

      US-Präsident George W. Bush


      Washington/New York - Mit dem umfangreichen Aufgebot an Waffeninspektoren wollen die USA jetzt nach Massenvernichtungswaffen suchen. Der US-Nachrichtensender CNN berichtete unter Berufung auf Beamte im Pentagon, zu der 1000 Mitglieder zählenden Gruppe sollten Militärexperten, Geheimdienstleute, zivile Wissenschaftler und private Auftragnehmer gehören. Eine Vorhut der Gruppe halte sich bereits im Irak auf, die gesamte Organisation solle in wenigen Wochen einsatzbereit sein.

      Die US-Regierung zeigte sich zuversichtlich, dass verbotene Massenvernichtungswaffen gefunden werden. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sagte, die Aktion werde nicht einer "Schatzsuche" ähneln. Vielmehr würden sich Iraker finden, die Hinweise geben könnten. Auch Außenminister Colin Powell zeigte sich von der Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak überzeugt. "Sie (die Koalitionstruppen) werden sie finden, da bin ich mir einigermaßen sicher", sagte Powell dem Rundfunksender PBS.

      Der Chef der Uno-Inspektoren im Irak, Hans Blix, forderte dagegen die Wiederaufnahme der Waffenkontrollen durch eine von der Staatengemeinschaft legitimierte Spezialistentruppe. Andernfalls könnte bei Waffenfunden "deren Echtheit angezweifelt werden", sagte er dem SPIEGEL.

      Die USA wollen mit einer neuen Uno-Resolution, in der Waffeninspektionen nicht mehr als Bedingung genannt werden, die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen den Irak erreichen. Das deutete der Sprecher des US-Außenministeriums, Richard Boucher, an. Die neue Resolution werde nicht die Bedingungen der alten wiederholen, sagte Boucher. "Es sollte für jedermann ersichtlich sein, dass wir eine andere Situation haben als noch vor einem oder zwei Monaten."

      Die Aufforderung von US-Präsident George W. Bush, die Wirtschaftssanktionen aufzuheben, löste unter den Mitgliedern des Weltsicherheitsrates "intensive" Diskussionen aus. Der amtierende Ratspräsident, Adolfo Aguilar Zinser (Mexiko) sagte in New York, es werde erwogen, einige dieser seit 1991 verabschiedeten Resolutionen zu verändern oder aufzuheben. Derzeit liege aber noch kein konkreter Vorschlag eines der 15 Ratsmitglieder vor, sagte der mexikanische Diplomat zur Ankündigung eines amerikanischen Resolutionsentwurfes.

      FBI soll wegen Plünderungen ermitteln

      Nach scharfer Kritik an den USA wegen der Duldung von Plünderungen irakischer Museen hat das FBI jetzt ein Ermittlerteam in den Irak geschickt. FBI-Direktor Robert Mueller sagte in Washington, die Beamten sollten die Plünderungen aufklären und Warnungen vor dem möglichen Verkauf gestohlener Kulturgüter herausgeben. Sie würden auch bei der Wiederbeschaffung des Diebesgutes helfen.

      Drei Kulturberater des Weißen Hauses traten indes aus Protest gegen die Plünderungen im Bagdader Nationalmuseum für Altertümer zurück. Die drei Kunstexperten äußerten ihre Enttäuschung über das Versagen der US-Streitkräfte beim Schutz irakischer Kunstschätze.

      Martin Sullivan, der Vorsitzende der Beratungskommission für Kulturgut, schrieb in seiner Rücktrittserklärung: "Wegen der Untätigkeit unserer Nation konnte die Tragödie nicht verhindert werden." Weiter sagte er, dass Präsident George W. Bush die zwingende moralische Verpflichtung habe, eine solche Plünderung und Zerstörung im Voraus zu vermeiden. Die amerikanische Regierung habe nicht auf die Ratschläge der Wissenschaftler gehört.

      Eine Sprecherin des Weißen Hauses erwiderte, die USA hätten bei den Kämpfen in Irak alles daran gesetzt, die Infrastruktur des Landes zu schützen und die Reichtümer für das Volk zu bewahren. Die drei Kulturexperten waren noch von Bushs Vorgänger Bill Clinton in das Komitee berufen worden.

      Nach der Einnahme Bagdads am Mittwoch vergangener Woche waren das Archäologische Museum und andere Kultur- und Kunstschätze geplündert worden, ohne dass US-Soldaten einschritten. Die Unesco forderte ein internationales Importverbot für gestohlene Kulturgüter aus dem Irak gefordert. Der Uno-Sicherheitsrat solle eine Resolution verabschieden, um Verkäufe gestohlener Kunstobjekte aus dem Nationalmuseum von Bagdad zu verhindern.
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      schrieb am 18.04.03 15:33:40
      !
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      schrieb am 19.04.03 22:28:42
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      schrieb am 22.04.03 18:16:42
      Beitrag Nr. 523 ()
      Irak-Aufbau

      14 Milliarden Dollar für Hilfsmittel blockiert

      14 Milliarden Dollar liegen bei den Vereinten Nationen für humanitäre Hilfe im Irak bereit. Doch dem kriegsgebeutelten Land kann wahrscheinlich nur noch ein Bruchteil der gewaltigen Summe zu Gute kommen: Das Uno-Hilfsmandat endet am 12. Mai, eine Verlängerung der Frist scheitert am Widerstand der USA.


      REUTERS

      Kofi Annan: Zu wenig Zeit für zu viel Geld


      New York - Uno-Generalsekretär Kofi Annan durfte im Auftrag des Weltsicherheitsrates 14 Milliarden Dollar (12,7 Milliarden Euro) in Hilfssendungen anlegen. Allerdings beschränkte der Sicherheitsrat sein Mandat auf 45 Tage. In dem Zeitraum, der am 12. Mai endet, kann nach Uno-Einschätzung voraussichtlich nicht mehr als ein Zehntel der verfügbaren Mittel den Irak erreichen.

      Der Direktor des Irak-Programms bei den Vereinten Nationen, Benon Sevan, macht technische Anlaufprobleme und die politische Debatte über Zuständigkeiten im Irak für das humanitäre Dilemma verantwortlich. In einem Interview der "New York Times" vom Dienstag bezeichnet Sevan es als unwahrscheinlich, dass der Weltsicherheitsrat das Mandat noch einmal verlängern wird. Die Zukunft des "Öl-für-Lebensmittel"-Programmes sei durch die Forderung von US-Präsident George W. Bush nach einem Ende der Uno-Sanktionen gegen den Irak in Frage gestellt.

      US-Regierung: Irakisches Öl für Wiederaufbau-Gelder

      Das Programm war 1995 ins Leben gerufen worden, um die Auswirkungen der Uno-Sanktionen auf die irakische Bevölkerung zu mildern. Mit der Aufhebung der Sanktionen aber würde sich das "Öl-für-Lebensmittel"-Programm erübrigen. Die USA haben eine rasche Aufhebung der Sanktionen gefordert, die Anfang der neunziger Jahre nach der irakischen Invasion in Kuweit verhängt worden waren. Die USA wollen durch den Verkauf von irakischem Öl einen Teil der Wiederaufbau-Kosten decken.


      AP

      US-Präsident Bush: Sanktionen gegen den Irak sollen beendet werden


      Sevan wollte dem Weltsicherheitsrat noch am späten Dienstagabend Bericht erstatten. Zuvor wurde Uno-Chefwaffeninspektor Hans Blix zu Beratungen am runden Tisch des höchsten Uno-Entscheidungsgremiums erwartet, um die Fortsetzung der Waffeninspektionen im Irak vorzuschlagen. Die Inspektoren hatten bei ihren knapp viermonatigen Nachforschungen keine Massenvernichtungswaffen gefunden und aus Sicherheitsgründen den Irak unmittelbar vor Kriegsbeginn verlassen.

      Kriegskoalition will auf eigene Faust nach Waffen suchen

      Inzwischen haben die USA und ihre Koalitionspartner die Suche nach verbotenen Waffen des gestürzten Regimes übernommen. Blix empfiehlt dem Sicherheitsrat, eventuelle Funde der Amerikaner von den unabhängigen Uno-Inspektoren "verifizieren" zu lassen.

      Die USA haben sich allerdings gegen eine schnelle Rückkehr der Uno-Waffeninspektoren in den Irak ausgesprochen, was zu einem neuen Streit mit den Sicherheitsratsmitgliedern Frankreich, Russland und Deutschland führen könnte. Der Sprecher von US-Präsident George W. Bush sagte am Dienstag, die USA und ihre Verbündeten übernähmen die Verantwortung dafür, dass die irakischen Waffenprogramme beendet würden. "Wir sehen nach vorn, nicht zurück. Das Regime von Saddam Hussein ist weg, und wir werden angesichts der neuen Tatsachen die Herangehensweise an die Abrüstung des Regimes überdenken müssen."
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      schrieb am 22.04.03 18:20:10
      Beitrag Nr. 524 ()
      Wiederaufbau des Iraks? / Rebuilding Iraq?
      Nichts anderes als Privatisierung! / It`s privatization in disguise

      Von Naomi Klein

      Am 06. April machte es der stellvertretende Verteidigungsminister Paul Wolfowitz klar: Die UNO wird keine Rolle bei der Einsetzung einer Übergangsregierung im Irak spielen. Die von den USA geführte Regierung wird wenigstens sechs Monate im Amt bleiben, "wahrscheinlich länger".

      Und wenn dann das irakische Volk bei der Wahl einer Regierung mitsprechen darf, sind die wichtigsten wirtschaftlichen Entscheidungen über die Zukunft des Landes bereits von den Besatzern gefällt worden. "Wir brauchen vom ersten Tag an eine effektive Verwaltung", sagte Wolfowitz. "Die Leute brauchen Wasser, Nahrung und Medikamente, die Kanalisation muss funktionieren und auch die Stromversorgung. Das liegt in der Verantwortung der Koalition."

      Man nennt den Prozess, die Infrastruktur wieder funktionstüchtig zu machen, "Wiederaufbau". Aber die amerikanischen Pläne über die Zukunft der irakischen Wirtschaft gehen darüber hinaus. Vielmehr wird das Land als leere Tafel betrachtet, auf der die ideolologischen Verfechter des Neoliberalismus in Washington ihre Traumwirtschaft planen können: vollkommen privatisiert, im Besitz ausländischer Unternehmen und offen für den Handel.

      Hier sind einige Glanzpunkte: Der Vertrag über die Verwaltung des Hafens Umm Qasr im Wert von 4,8 Millionen Dollar ist bereits an eine amerikanische Gesellschaft, die Stevedoring Services of America, gegangen und die Flughäfen stehen zur Versteigerung bereit. Das amerikanische Büro für internationale Entwicklung (US Agency for International Development) hat US-amerikanische multinationale Konzerne eingeladen, um für alles Mögliche, von der Wiedererrichtung der Straßen und Brücken bis zum Druck von Lehrbüchern, Angebote abzugeben. Die meisten Verträge erstrecken sich über ein Jahr, aber andere enthalten Optionen, die bis zu vier Jahre verlängert werden können. Wie lange wird es dauern, bis diese in langfristige Verträge für privatisierte Wasserversorgungssysteme, Transitstrecken, Straßen und Schulen und das Telefonsystem übergehen? Wann wird aus dem Wiederaufbau eine verschleierte Privatisierung?

      Der republikanische Kongressabgeordnete Darrel Issa aus Kalifornien hat einen Gesetzentwurf eingebracht, der vom Verteidigungsministerium verlangt, ein CDMA-Mobilfunknetz* im Nachkriegsirak aufzubauen, damit "amerikanische Patentinhaber" davon profitieren. Wie Farhad Manjo im "Salon" bemerkte, wird das CDMA-System in den USA verwendet, nicht jedoch in Europa, und wurde von Qualcomm, dem großzügigsten Spender Issas, entwickelt.

      Und dann gibt es noch das Öl. Die Bush-Administration weiß, dass sie nicht offen über den Ausverkauf der irakischen Ölquellen an ExxonMobile und Shell reden kann. Sie überlässt das Fadhil Chalabi, einem ehemaligen Beamten im irakischen Ölministerium: "Wir sind darauf angewiesen, dass viel Geld ins Land kommt", sagt Chalabi. "Der einzige Weg dazu ist die Teilprivatisierung der Industrie."

      Er gehört zu einer Gruppe von Exil-Irakern, die das US-Außenministerium dabei beraten haben, wie man diese Privatisierungen realisiert, ohne dass sichtbar wird, dass sie von den USA initiiert werden. Es war sehr nützlich, dass die Gruppe am 4. und 5. April eine Konferenz abhielt, auf welcher der Irak aufgerufen wurde, sich nach dem Krieg für die multinationalen Konzerne zu öffnen. Die US-Administration hat sich hierfür sehr erkenntlich erwiesen und versprochen, dass viele Posten in der Übergangsregierung an Exil-Iraker gehen.

      Es gibt nicht wenige, die behaupten, es wäre zu einfach zu sagen, bei diesem Krieg gehe es um Öl. Sie haben Recht. Es geht um Öl, Wasser, Straßen, Eisenbahnen, Telefonsysteme, Häfen und Medikamente. Und wenn dieser Prozess nicht zum Halten gebracht wird, findet im "freien Irak" der größte Ausverkauf der Welt statt. Es ist keine Überraschung, dass sich so viele multinationale Konzerne auf den ungenutzten irakischen Markt stürzen. Nicht nur weil der Wiederaufbau einen Wert von 100 Milliarden Dollar hat, sondern auch weil der "freie Handel" mit weniger gewalttätigen Mitteln in der letzten Zeit nicht besonders gut lief. Immer mehr Entwicklungsländer lehnen die Privatisierungen ab, ebenso die Freihandelszonen, die bei Bush im Handelssektor höchste Priorität haben, aber in ganz Lateinamerika höchst unbeliebt sind. Gespräche der Welthandelsorganisation (WTO) über geistiges Eigentum, Landwirtschaft und Dienstleistungen sind alle aufgrund früherer Versprechen, die Amerika und Europa noch zu erfüllen haben, nicht vorangekommen.

      Was wird nun die größenwahnsinnige Supermacht, die sich selbst in einer Rezession befindet, tun? Wie wäre es mit einer Verbesserung des Freihandels in abgespeckter Form, welche den Markzugang durch erpresserische Maßnahmen freikämpft bis hin zum überladenen Freihandel, der sich neue Märkte auf den Schlachtfeldern von Präventionskriegen aneignet? Schließlich können Verhandlungen mit souveränen Staaten schwierig sein. Viel einfacher ist es, ein Land zu zerreißen, es zu besetzen und, so wie man es möchte, wieder aufzubauen. Bush hat den Freihandel nicht aufgegeben, wie manche behauptet haben, er hat nur eine neue Doktrin aufgestellt: "Bombe, bevor du kaufst."

      Das wird sich nicht nur auf ein unglückliches Land beschränken, sondern anderswo fortgesetzt. Investoren sagen offen vorher, dass sobald die Privatisierungen im Irak erfolgreich angelaufen sind, der Iran, Saudi Arabien und Kuwait gezwungen werden, zu konkurrieren, indem sie ihr Öl privatisieren. "Im Iran würde sich das wie ein Lauffeuer ausbreiten", sagte S. Rob Sobhani, ein Energieberater, dem "Wall Street Journal". Bald könnte sich Amerika seinen Weg in eine neue Freihandelszone frei gebombt haben.

      Bis jetzt hat sich die Debatte über den Wiederaufbau des Iraks in der Presse auf ein Fairplay konzentriert: Nach Meinung des EU-Kommissars für Außenbeziehungen, Chris Patten ist es "außergewöhnlich ungeschickt", wenn die USA die gesamten profitablen Verträge für sich behalten. Sie müssen lernen zu teilen: ExxonMobile sollte Frankreichs TotalFinaElf an den lukrativsten Ölfeldern beteiligen; Bechtel sollte der britische Thames Water einen Anteil an den Verträgen über die Kanalisation abgeben.

      Aber während Patten den US-Unilateralismus ärgerlich findet und Tony Blair vielleicht die Aufsicht der UNO fordert, hat das mit dieser Sache nicht das Geringste zu tun. Wen interessiert es, welcher multinationale Konzern die besten Verträge im vordemokratischen Auflösungs-Ausverkauf des Iraks nach Saddam bekommt? Was spielt es für eine Rolle, ob die Privatisierung unilateral von Washington durchgeführt wird oder von den USA, Europa, Russland und China?

      Vollkommen abwesend bei dieser Debatte ist das irakische Volk, das vielleicht - wer weiß? - einen Teil seines Vermögens behalten möchte. Nach dem Ende der Bombardierungen ist man dem Irak massive Reparationen schuldig, aber ohne die Ingangsetzung eines wirklichen demokratischen Prozesses sind das Geplante weder Reparationen, noch ein Wiederaufbau, noch eine Rehabilitation. Es ist Raub: Massendiebstahl verschleiert als Nächstenliebe, Privatisierungen ohne Regierungsbeteiligung.

      Ein Volk, dass man durch die Sanktionen verhungern ließ und krank machte und anschließend durch den Krieg besiegte, wird aus diesem Trauma auftauchen und feststellen, dass in seinem Land, ohne sein Zutun, ein Ausverkauf stattgefunden hat. Die Iraker werden ebenfalls entdecken, dass eine neu gewonnene "Freiheit" auf sie zukommt - für die so viele Ihrer Lieben umgekommen sind - die sich durch unwiderrufliche ökonomischen Entscheidungen, die in Sitzungssälen getroffen wurden, während die Bomben noch fielen, bereits in Fesseln befindet.

      Schließlich wird ihnen gesagt, dass sie für ihre neuen Führer stimmen sollen und dann werden sie in die wunderbare Welt der Demokratie aufgenommen.

      * Code Division Multiple Access (CDMA) ist eine digitales Mobilfunksystem, dass von Qualcomm entwickelt wurde.

      Übersetzt von: Tony Kofoet

      ZNet 13.04.2003
      Quelle: http://www.zmag.de/article/article_print.php?id=582
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      schrieb am 22.04.03 18:45:50
      Beitrag Nr. 525 ()
      Schauplatz US-Innenpolitik: Auch hier scheint es eine neue Doktrin zu geben :eek:

      No Sex!

      Michaela Simon 20.04.2003
      Das gilt in den USA nun auch für Wissenschaftler, die Forschungsgelder beantragen

      Gute Zeiten für heilige Krieger. Schlechte Zeiten für Humanisten. Am Anfang des fundamentalistischen Kahlschlags, den die US-amerikanische Führungsspitze im Begriff ist zu führen, steht die Jungfräulichkeit. Schon mehrere Konferenzen der Vereinten Nationen blieben fruchtlos, weil die USA mit der sexuellen Enthaltsamkeit nationale und internationale Politik machen.


      Weltweit soll Abstinenz zum Herzstück der Sexualerziehung gemacht werden, auch im Kampf gegen AIDS soll nicht mehr "safe sex", sondern "no sex" propagiert werden. Und die Propaganda hat schon eingeschlagen. Immer mehr junge Mädchen in den USA wollen mit dem Sex bis zur Ehe warten und protestieren gegen das Recht der Frau, sich für eine Abtreibung zu entscheiden. Umfragen zeigen, dass Jugendliche in solchen Fragen heute schon wesentlich konservativer sind als vor zehn Jahren

      Organisationen, die öffentlich Kondome im Kampf gegen AIDS befürworten, müssen um ihre Finanzierung fürchten. Geld fließt dagegen den ultrakonservativen Gruppen und Organisationen zu, die "Abstinence Only" (und die Betonung liegt auf only) auf ihre Banner geschrieben haben. Abstinenzfinanzierung ist auch ein Weg, reaktionären Organisationen öffentliche Gelder zuzuschanzen. Als "rücksichtslos anti-schwul und anti-safe sex" bezeichnen Kritiker die Standpunkte des selbsternannten "mitfühlenden Konservativen" Bush zum Thema AIDS. Der "We`re waiting"-Philosophie zufolge müssten homosexuelle Frauen und Männer, da ihnen die Ehe nicht erlaubt ist, ihr Leben lang auf das erste Mal warten.

      "No Sex" - Das gilt einem Bericht in der New York Times zufolge nun auch für Wissenschaftler, die Forschungsgelder beantragen ("Certain Words Can Trip Up AIDS Grants, Scientists Say"). Gewisse "Schlüsselworte" müssten aus den Anträgen verschwinden, sollen die Forscher gewarnt worden sein, Worte, die meist um kontroverse Topoi wie AIDS und andere sexuell übertragbare Krankheiten kreisen. Es sind die Ausdrücke "Sexarbeiter", "Männer, die mit Männern schlafen", "Analverkehr" und "Nadelaustausch" darunter. Die Forscher zogen es vor, anonym zu blieben. Offiziell ist es nicht, dass die Anträge auf "gewagte Wörter" geprüft werden, doch Mitarbeiter der National Institutes of Health die ebenfalls anonym bleiben wollten, gaben zu, dass den Antragstellern in Gesprächen nahegelegt werde, so genannte "sensible" Ausdrücke zu vermeiden. Diese Art von politischer Kontrolle und Zensur soll unter der Bush-Regierung weitaus rigider geworden sein.

      Einem Forscher, der Forschungsgelder für eine Studie über die Vorbeugung von HIV bei Prostituierten beantragte, wurde geraten, das Wort "Sexarbeiter" durch einen euphemistischeren Ausdruck zu ersetzen. Ein anderer Forscher wurde angewiesen, die Zusammenfassung seines Antrages zu "reinigen", damit sie keine Worte wie "schwul", "homosexuell" oder "transgender" enthalte. Anträge, die diese oder ähnliche Worte enthielten, würden automatisch aussortiert - und wahrscheinlich in den Giftschrank gesperrt. Der Wissenschaftler ist nun einigermaßen ratlos, wie er ein Projekt über HIV-Tests bei schwulen Männern beschreiben soll, ohne diese in der Zusammenfassung zu erwähnen.

      "Wenn Menschen eingeschüchtert werden und anfangen, ihre Sprache zu vernebeln, dann vernebelt sich auch der Geist und die Wissenschaft", kommentiert Dr. Alfred Sommer von der Johns Hopkins University diese gefährlich bornierten Maßnahmen, welche entfernt an das Taliban-Regime erinnern.:eek:
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      schrieb am 22.04.03 22:39:32
      Beitrag Nr. 526 ()
      Weltgefahr erkennen! Kofi Annan hat seine Verpflichtung nicht erfüllt
      Ein Kommentar zur Lage im Irak

      Von Luz María Destéfano de Lenkait*

      Der UNO-Generalsekretär, Kofi Annan, hat seine im Artikel 99 der UNO-Charta vorgeschriebene zivile Verpflichtung nicht erfüllt; seinen Befugnissen zufolge hat er versäumt, hinsichtlich der Aggression und Invasion in Irak konsequent und angemessen zu reagieren. Eine Aggression und Invasion, die ein souveräner Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen seit dem 20.3 erlitten hat, eine maßlose militärische Invasion, die absolut ungerechtfertigt und in flagrantem Bruch mit der Charta von San Francisco (Art.2/4), Konventionen und humanitären Prinzipien steht. Der Generalsekretär Kofi Annan brachte diesen schwersten Verstoß nicht vor die Aufmerksamkeit des Sicherheitsrates seinen Befugnissen entsprechend. Damit erweisen sich die Vereinten Nationen, aber vor allem das UN-Sekretariat durch den starken USA-Völkerrechtsbruch und die USA-Dominanz unfähig, den Frieden zu wahren.

      Surrealistisch klingt Kofi Annans Ruf nach Wiederkehr der Inspektoren zur Suche nach Massenvernichtungswaffen in Irak. Bis wann will Kofi Annan diese amerikanische Masche spielen? Wofür? Für eine neue Inszenierung der Besatzungsmächte? In Irak gab es nie Massenvernichtungswaffen: Es war die Erfindung der Falken, um einen Vorwand für den Krieg zu konstruieren. Die ganze Welt kennt inzwischen diese Camouflage. Kofi Annan hat sich an diesem falschen Spiel beteiligt und sich dadurch völlig diskreditiert, indem er sich als Marionette der USA erweist.

      Dagegen hat der frühere Stellvertretende UN-Generalsekretär Denis Halliday rechtmäßig wirtschaftliche und politische Sanktionen gegen die USA und Großbritannien gefordert. Angesichts des Völkerrechtsbruchs der Angreifer sollten ökonomischen Strafen verhängt und Diplomaten beider Staaten aus ihren jeweiligen Gastländern ausgewiesen werden (Meldung vom 2.4.03).

      Der Sicherheitsrat hätte sofort am 20.3. zusammentreten müssen, um die lang geplante Invasion, von ein paar Ländern gewollt, anzuklagen und zu beenden, ein Überfallkrieg, der gegen den Mehrheitswillen aller Nationen begonnen wurde, gegen den Willen der Weltbevölkerung und gegen alle Rufe zur Vernunft und Besonnenheit, die an Bush die höchsten moralischen Instanzen der Welt gerichtet hatten, von Papst Johannes-Paul II bis zu seiner eigenen Kirche in Amerika.

      Humanitäre Hilfe zu organisieren ist keine Aufgabe des Sicherheitsrates, keine Aufgabe der Vereinten Nationen, sondern vielmehr zentrale Aufgabe von Nicht-Regierungs-Organisationen, von Hilfsorganisationen. Der Sicherheitsrat muß sich mit der Gefahr eines Angriffskrieges befassen und das internationale Recht wiederherstellen. Er muß sich gegen die angelsächsischen Invasoren richten: Großbritannien und Amerika, die sich zuallererst für alle Konsequenzen ihrer verbrecherischen Eskapade verpflichten und sich aus dem angegriffenen Land zurückziehen müssen. Der Rechtsverstoß muß verurteilt und die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden: Ein Volk, Mitglied der internationalen Gemeinschaft, stand wochenlang unter ständigem Bomben-Terror; ein Land ist dadurch völlig zerstört worden, ohne daß sich der Sicherheitsrat damit befaßt hat.

      Die Gerechtigkeit und der Anstand fordern unsere menschliche Solidarität mit dem Irak, mit der islamischen Welt in dieser tragischen Stunde, in der ein islamisches Volk von allen verlassen scheint mitten in einem Inferno, mitten in Chaos und Anarchie, provoziert von der Irrationalität gestörter Individuen mit Macht, aber ohne Gewissen, ohne Skrupel, ohne Menschlichkeit, ohne Scham. Wenn nicht der Sicherheitsrat muß sich die Vollversammlung konstituieren und eine entsprechende Resolution verabschieden. Wirksam wäre gewesen, mit der Arabischen Liga und der Islamischen Konferenz gemeinsam zu handeln, um die Vereinten Nationen unisono zu bewegen, ihre Verpflichtungen für den Weltfrieden zu übernehmen, damit die unmenschliche Abnormität gebremst worden wäre. Die Besatzungstruppen sind jetzt verpflichtet, Ordnung im Irak zu schaffen. Aber die Zukunft Iraks gehört dem irakischen Volk allein. Ein amerikanisches Besatzungsregime kommt nicht in Frage. Es wird strikt abgelehnt.

      Die Täter dieser kriminellen feigen Aggression müssen sich international verantworten für alle Folgen ihrer Handlungen, ohne die Institutionen weiter zu mißbrauchen, um ihre Schuld und Verantwortung auf andere zu laden. Der Täuschungsmeister und golfskriegserfahrener Soldat-Minister Colin Powell verwies auf amerikanische Opfer, um die USA-Führungsrolle in Irak zu "rechtfertigen". Sein Zynismus ist schamlos und stellt alles auf den Kopf. Schon die irakischen zivilen Opfer sind eine Schande und ein Greuel für jedes Gewissen, sie demonstrieren in so tragischer und absurder Weise, daß ein Krieg immer das größte Verbrechen ist und immer sein wird. Dieser zwangsläufig fürchterliche Krieg mit allen seinen grauenvollen Konsequenzen geht allein auf das Konto von Colin Powells Patron, der am Rand aller Gesetze diesen feigen Angriffs-Krieg angeordnet hat. Colin Powell ist ein Kollaborateur dazu. Hinsichtlich der amerikanischen Opfer, die Bush verursacht hat, müssen sich die zuständigen demokratischen gerichtlichen Institutionen in Amerika einschalten, um die Verantwortungsträger dieses verbrecherischen Krieges zu ahnden und Schmerzensgeld für die Angehörigen der Opfer zu verlangen. Ein Einsatz von Finanzmitteln seitens Europa wäre unter den aktuellen Umständen das falsche Signal. Die UN darf keineswegs den Eindruck erwecken, es gebe eine rechtliche Grundlage für einen amerikanisch-britischen Angriffskrieg und für die Besetzung Iraks.

      Man muß Druck auf die Vereinigten Staaten mit allen Institutionen der Zivilisation ausüben, damit Washington aus seinen Verpflichtungen für Schadensersatz, humanitäre Hilfe und Wiedergutmachung, die es dem angegriffenen Volk und Land schuldet, nicht entkommt. UNICEF und alle anderen humanitären Organisationen müssen gegen die Bush-Regierung Anklage erheben, gegen diejenigen, die sich für eine solche Unmenschlichkeit und humanitäre Kathastrophe verantworten müssen. Auch die UNESCO sollte die Invasoren verklagen wegen Plünderung von Museen und Raub wertvoller Kunst im Irak, die dem Weltkulturerbe gehören. Die fürchterlichen Konsequenzen des Völkerrechtsbruchs der Bush-Administration, die Unrechtsneuordnung, die ihre militärische Intervention im Irak mit sich bringt, sind am herrschenden Chaos und Anarchie zu messen, an der Gesetzlosigkeit, an der Zerstörung zur Unkenntlichkeit. Es gibt keine Legitimation für eine solche kriminelle Handlung und es kann auch keine geben. Die Besatzer sind anscheinend ihrer Verantwortung auch nicht gewachsen, Ruhe und Ordnung auf dem von ihnen okkupierten Land sicherzustellen.

      Die Vereinten Nationen müssen die Weltgefahr einer fundamentalistischen Bush-Regierung erkennen, genauso wie damals die Weltgefahr einer Hitler-Regierung erkannt wurde. Die heutige amerikanische fundamentalistische Gefahr ist viel größer als die Hitler Regierung angesichts der modernsten destruktiven Waffen und angesichts der Camouflage einer angeblichen "Demokratie", die in die Gesetzlosigkeit verfallen keine Demokratie, kein Rechtsstaat mehr ist. Im Gegenteil, die USA-Falken wollen das Völkerrecht, die internationale Ordnung abschaffen und sie machen keinen Hehl daraus.

      Saddam Hussein wurde ein Symbol für die islamisch-arabische Welt nicht aus innenpolitischen Gründen, nicht weil er ein Despot oder weil er sein Volk unterdrückte. Nicht deswegen ist Saddam Hussein eine Persönlichkeit in der Welt geworden, sondern weil er der einzige Staatsmann der Welt war, der der USA-Hypermacht die Stirn bot und Widerstand leistete. Er war der einzige arabische Staatschef, der den Mut und die Entschlossenheit zum Widerstand gegen den Kolloss gezeigt hat.

      Donald Rumsfelds Vergleich der Einnahme Bagdads mit dem Fall der Berliner Mauer offenkundigt die krasse Ignoranz des Washingtoner Falken. Oder er tut es absichtlich, weil er bewußt die Realität verdrehen will: der Fall der Berliner Mauer war ein Akt der Selbstbefreiung der deutschen und ost-europäischen Bevölkerungen, worauf eine rapide realistische politische Entscheidung vom russischen Präsident Michail Gorbatschow folgte. Der Fall der Berliner Mauer erfolgte friedlich und statuierte ein Exempel für die gewaltfreie Überwindung von Diktaturen und totalitären Systemen in Europa durch friedliche Bewegungen der hiesigen Völker. Dagegen ist die gewaltsame militärische USA-Einnahme von Bagdad eine menschliche Schande für jeden anständigen Menschen, für jeden anständigen Amerikaner. Es genügt, die Krankenhäuser in Bagdad und in anderen irakischen Städte zu besuchen, um das unermeßliche Gesicht von Leid und Tod dieses abstoßenden Hi-Tech-Krieges der amerikanischen Falken zu konstatieren. Bagdad versinkt in Chaos und Plünderung. Nicht einmal Ordnung können bisher die Besatzungstruppen im Irak schaffen.

      Vor der Demokratie kommen die Menschenrechte und der Rechtstaat. Stattdessen sind wir mit massiven Menschenrechtsverletzungen im Irak konfrontiert, als Folge der Unrechtsneuordnung des von aller Gesetzmäßigkeit und Institutionen "befreiten" Iraks.

      Deutschland, Europa muß sich von Amerika emanzipieren. Es hat keinen Sinn, sich für Beziehungen mit einer autistischen amerikanischen Regierung zu bemühen. Die gestrigen CDU-FDP- Kriegstreiber sind blind und gefangen in einer gefährlichen Illusion genauso wie ihre Vorgänger-Parteien damals in Hitlers Wahn und Gefolgschaft. Unfähig, die enorme Gefahr einer amerikanischen Falken-Regierung zu erkennen, favorisieren sie eine Außenpolitik Europas in den Fußstapfen dieses gesetzlosen unkontrollierten Amerikas von Bush.

      Gerhard Schröder ist der erste richtige souveräne deutsche Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik. Ein intelligenter mutiger selbstsicherer Kanzler mit großem Format, wie es in Deutschland niemals gegeben hat. Er ist der Kanzler dieser schweren Stunde. Ein Glück für Deutschland, ein Glück für Europa. Gerhard Schröder muß die Kraft und Entschlossenheit beibehalten, auf dem emanzipatorischen Weg weiter zu gehen, damit Europa mehr politische Verantwortung übernehmen kann. Dafür ist es inzwischen angebracht, sich von der US-Regierung klar zu distanzieren, solange die USA von diesem aggressiven fundamentalistischen Absolutismus regiert wird. Gerhard Schröder zusammen mit Vladimir Putin und Jacques Chirac sind aufgerufen, das Gesicht Europas als zivile Friedensmacht zu gestalten. Nur so konterkariert man den Wahnsinn jenseits des Atlantiks mit der Hoffnung, dieser Wahnsinn gehe vorüber. Nur dann kann man von einem normalen Verhältnis zu einem normalisierten Amerika anfangen zu sprechen. Nicht früher, nicht jetzt.

      * Juristin und Diplomatin a.D., Meerbusch. Der Kommentar wurde am 14. April geschrieben.
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      schrieb am 22.04.03 23:04:43
      Beitrag Nr. 527 ()
      "Niemand hat Bush zum Weltpolizisten bestellt"
      Das Völkerrecht ist klar: Es geht um die Impunität von Bush

      Von Alfred de Zayas*

      Das Völkerrecht ist keine Mathematik, aber die internationalen Normen, die Rechtsprechung und die Mechanismen sind ausreichend klar. Verträge wie die UN-Charta müssen eingehalten werden: Pacta sunt servanda. Aber was passiert, wenn eine imperiale Macht diese internationale Rechtsordnung grob missachtet ? Gibt es überhaupt Sanktionen, oder muss die zivilisierte Welt die alte Maxime "Macht ist Recht" einfach hinnehmen ? Kann es "Business as usual" nach einem US-Angriff gegen den Irak geben ?

      Die völkerrechtliche Lage ist klar. Artikel 2, Absatz 3 der UN-Charta besagt: "Alle Mitglieder legen ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel ... bei." Artikel 2, Absatz 4 schreibt vor: "Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete ... Androhung oder Anwendung von Gewalt."

      Nach Auffassung der überwiegenden Mehrheit der Völkerrechtler ist das Gewaltverbot, spätestens seit den Nürnberger Prozessen, zwingendes Völkerrecht bzw. jus cogens. Gewalt darf nur in zwei Situationen angewandt werden, nämlich: wenn der Sicherheitsrat gemäss Artikel 42 der Charta so beschliesst, oder im Falle der Selbstverteidigung (Artikel 51).

      Die UN-Generalversammlung hat am 14. Dezember 1974 die Resolution 3314 verkündet, in welcher die Definition der Aggression enthalten ist. Ohne Zweifel stellt ein amerikanischer sogenannter Präventivkrieg gegen den Irak eine solche Aggression und keine Selbstverteidigung dar.

      Artikel 5 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 führt das Verbrechen der Aggression unter jenen Verbrechen auf, die der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegen. Zwar ist die einschlägige Festlegung auch der Definition dieses Verbrechens hier seitens der USA stets untergraben worden, jedoch dürfte hier durchaus die Aggressionsdefinition der Generalversammlung als Richtlinie gelten. Ausserdem könnte die Generalversammlung gemäss Artikel 96 der UN-Charta, ein Rechtsgutachten vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag anfordern, um etwas an sich offensichtliches festzustellen, nämlich dass ein solcher Angriff ohne spezifische Genehmigung des Sicherheitsrates - und obwohl zwar bereits Mechanismen zur friedlichen Beilegung der Streitigkeiten eingeleitet worden waren - als "Aggression" im Sinne von Resolution 3314 zu bewerten ist. Gewiss liefern die Resolutionen 678 (1990), 687 (1991) und 1441 (2002) absolut keine Rechtfertigung für eine für das Jahr 2003 geplante militärische Aktion. Eine derartige Interpretation der alten Resolutionen wäre völkerrechtlich unhaltbar und mit der UN-Charta nicht in Einklang zu bringen.

      Jetzt ist die Zeit gekommen, eine Emergency-Sonder-Sitzung der General-versammlung einzuberufen, wobei deren Kompetenzen gemäss Resolution 377 ("Uniting for Peace") voll ausgenützt werden sollten.

      In einem Krieg gegen den Irak müssen die Regeln der Haager und Genfer Konventionen respektiert werden. Besonders wichtig sind die Regeln zum Schutze der Zivilbevölkerung und die Unterscheidung zwischen zivilen und militärischen Zielen. Nur militärische Ziele dürfen angegriffen werden, wobei zu bemerken ist, dass "Collateral damage", wie er im Golfkrieg von 1991 vorkam und etwa 50,000 Ziviltote verursachte, nur äusserst beschränkt hingenommen werden kann, gemäss dem Prinzip der "Proportionalität".

      Gewiss stellten die anglo-amerikanischen Terror-Bombardierungen deutscher Bevölkerungszentren im Zweiten Weltkrieg, die schätzungsweise 600,000 Ziviltote verursachten (Jörg Friedrich: "Der Brand"), delicta juris gentium, Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar. Auch die Regeln über die Behandlung von Kriegsgefangenen sind streng zu beachten. Die skandalöse Situation der afghanischen Kriegsgefangenen in Guantánamo ist mit Recht von den Vereinten Nationen, durch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und von Amnesty International wiederholt verurteilt worden.

      Wenn in einem Krieg gegen den Irak die Regeln des Kriegs-Völkerrechts gebrochen werden, so sind insbesondere Artikel 146 der IV. Genfer Konvention von 1949 und Artikel 85 des ersten Zusatzprotokolles von 1977 zutreffend. Danach müssen die Parteien ihre eigenen Soldaten wegen Kriegsverbrechen zur Verantwortung ziehen, u.a. wegen: "gegen die Zivilbevölkerung oder einzelne Zivilpersonen gerichtete Angriffe". Wenn sie dies nicht tun, wäre auf Artikel 7 und 8 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs zu verweisen, die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit näher definieren.

      Zwar gibt es noch keinen Hauptankläger in Den Haag, und nicht alle Staaten haben das Statut von Rom ratifiziert, vor allem die USA nicht. Bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit gilt aber das Prinzip der universellen Gerichtsbarkeit (universal jurisdiction), so dass auch ein deutsches Strafgericht Zuständigkeit für die Ahndung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit in einem eventuellen Irak-Krieg, hätte, so ähnlich wie bei den Verbrechen im Jugoslawien-Krieg. Hinzu kommen die allgemein gültigen Regeln der Menschenrechte. Die USA, Grossbritannien, Spanien und Irak sind alle Vertragparteien des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte.

      Artikel 20 des Paktes stipuliert: "Jede Kriegspropaganda wird durch Gesetz verboten." Artikel 6 stipuliert: "Jeder Mensch hat ein angeborenes Recht auf Leben ... Niemand darf willkürlich seines Lebens beraubt werden."

      Der Autor dieses Beitrages studierte Rechtswissenschaften in Harvard, arbeitete als Anwalt im Büro Cyrus Vance und 22 Jahre für die Vereinten Nationen, zuletzt als Sekretär des UNO-Menschenrechts-Ausschusses. Es wäre schwierig, eine Verletzung von Artikel 20 durch die Vereinigten Staaten abzustreiten, zumal die Regierung selbst zu dem Krieg hetzt, den wachsenden Widerstand im Volke ignoriert, Gegner des Krieges diffamiert oder intimidiert. Ausserdem sind die Desinformationen in vielen US-Zeitungen und Zeitschriften und die ständige Propaganda für den Krieg schockierend.

      Was könnte dagegen unternommen werden? Da die meisten europäischen Staaten sowie auch die USA, Grossbritannien und Spanien gemäss Artikel 41 des Paktes erklärt haben, dass sie die Zuständigkeit des Ausschusses zur Entgegennahme und Prüfung von Staatenbeschwerden anerkennen, könnten z.B. Deutschland und ein Konsortium von anderen Europäischen Staaten eine Beschwerde gegen die Vereinigten Staaten, Grossbritannien und Spanien dem UNO-Menschenrechtsausschuss zur Prüfung vorlegen. Dies könnte präventiv geschehen oder auch nach dem geplanten Angriff.

      Staatenbeschwerden wären auch im europäischen System möglich gemäss Artikel 33 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - allerdings nur gegen die beteiligten europäischen Staaten.

      Im UNO-system können auch einzelne Individuen gemäss dem Fakultativprotokoll Individual-Beschwerden zur Prüfung durch den UNO-Menschenrechtsausschuss einreichen. Allerdings nicht gegen die Vereinigten Staaten oder Grossbritannien, welche die Zuständigkeit des Ausschusses zur Annahme solcher Beschwerden bisher nicht anerkannt haben, wohl aber gegen Spanien.

      Jedoch könnte gemäss Artikel 34 der Europäischen Menschenrechtskonvention eine Individual-Beschwerde gegen Grossbritannien bzw. gegen Spanien eingereicht werden, und zwar wegen Verletzung der Artikel 2 und 3 jener Konvention.

      Wozu würde dies dienen? Es ist klar, dass wenn sich die Vereinigten Staaten vom Sicherheitsrat nicht beeindrucken lassen wollen, sie genauso jegliche Feststellungen durch den Internationalen Gerichtshof und den Menschenrechtsausschuss missachten werden. Immerhin wäre eine deutliche Feststellung der rechtlichen Lage durch gerichtliche und quasi-gerichtliche Instanzen sinnvoll. Dies wäre insofern nützlich, um das Völkerrecht zu behaupten, und spätere finanzielle und andere Ansprüche leichter festsetzen zu können.

      Es gäbe auch andere Wege, die demokratische Stimme der Mehrheit der Menschen in der Welt gegen den Krieg, und das Verlangen nach Achtung des Völkerrechts zu unterstreichen, so z.B. durch die Einsetzung eines "Peoples` Tribunal" so wie seinerzeit das Russell Tribunal während des Vietnam-Krieges, das "Tribunal Permanent des Peuples" (Paris 1984) und das vom ehemaligen U.S. Justizminister Ramsey Clark einberufene Golfkriegs-Tribunal von 1992, das feststellte, dass während des ersten Golfkrieges viele zehntausende Zivilisten im Irak völkerrechtswidrig getötet wurden.

      Bei der jetzigen Irak-Krise ist die völkerrechtliche Lage eindeutig. Der US-Angriff ist schlicht völkerrechtswidrig. Ebenso klar ist der von behauptete Anspruch der Regierung Bush, das Völkerrecht ignorieren zu dürfen - und zwar ohne Konsequenzen. Hier haben wir es mit einer Frage der Impunität bzw. Straflosigkeit zu tun. Ob dies wirklich auf Dauer so bleiben wird? Mehr als 100 amerikanische Juristen haben Präsident Bush vor den strafrechtlichen Konsequenzen eines illegalen Krieges gewarnt. Auch Blair und Aznar sind gewarnt worden. Ein Fall der dringenden Selbstverteidigung liegt auf ihrer Seite keinesfalls vor.

      Der chilenische General Augusto Pinochet ist bereits wegen seiner Verbrechen als Chile-Diktator vor Gericht gekommen; und wäre er nicht so alt und gebrechlich gewesen, wäre er auch verurteilt und bestraft worden. Dies ergibt einen Präzedenzfall für die Verfolgung anderer Regierungschefs, wenn sie denn nicht zu alt und krank sind und keine Amts-Immunität mehr geniessen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Entscheidung des Belgischen Obersten Gerichtes vom 12. Februar 2003 hinzuweisen, welche eine gerichtliche Untersuchung des Falles Sabra und Shatilla gegen Amos Yaron und Ariel Sharon einräumte.

      Vor 57 Jahren sagte der amerikanische Hauptankläger in Nürnberg, Robert Jackson, bezüglich des Verbrechens gegen den Frieden:
      "Lassen Sie es mich deutlich aussprechen: Dieses Gesetz hier wird zwar zunächst auf deutsche Angreifer angewandt. Es schliesst aber ein, und muss, wenn es von Nutzen sein soll, den Angriff jeder anderen Nation verdammen, nicht ausgenommen derjenigen, die hier zu Gericht sitzen."

      Dem ist nichts hinzuzufügen.
      Oder doch das Fazit: Wenn Bush und Blair nicht vor Gericht gestellt werden, werden sie im Urteil der Geschichte immerhin als verlogene Politiker dastehen; gegebenenfalls könnten sie aber durchaus auch zu angeklagten und verurteilten Verbrechern werden.

      * Der Autor, Alfred de Zayas, , Dr. iur. (Harvard), Dr. phil. (Göttingen), ist U.S.-Staatsbürger, Mitglied der Republikanischen Partei, wählte Bush 2000; Gastprofessor des Völkerrechts an verschiedenen Universitäten in Amerika und Europa, 22-Jahre Dienst als hoher UN-Beamter, ehemaliger Sekretär des UN-Menschenrechtsausschusses, Mitglied von P.E.N. International, Autor von u.a. "Die-Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen" (Ullstein Taschenbuch) sowie "Heimatrecht ist Menschenrecht" (Universitas). (Alle Angaben von Dr. Dietrich Kurrer, Brüssel)
      Avatar
      schrieb am 23.04.03 16:49:49
      Beitrag Nr. 528 ()
      Interview mit Syriens Botschafter

      "Sie wollen den Nahen Osten destabilisieren"

      Der syrische Botschafter in Deutschland, Mohammed Walid Hezbor, widerspricht im Interview mit SPIEGEL ONLINE den Vorwürfen der USA und Großbritanniens, sein Land beherberge frühere Mitglieder der irakischen Führung und besitze Massenvernichtungswaffen. Für solche Anschuldigungen macht er dogmatische Kräfte innerhalb der US-Regierung verantwortlich.


      SPIEGEL ONLINE

      Botschafter Mohammed Walid Hezbor: "Syrien geht bei seinen Entscheidungen von objektiven Faktoren aus und nicht von irgendwelchen Hilfen, die es erhalten könnte"


      SPIEGEL ONLINE: Herr Botschafter, Syrien ist kurz nach dem Fall Saddam Husseins von den USA augenscheinlich als neues Angriffsziel ins Visier genommen worden. Wie beurteilen Sie die jetzige Lage?

      Hezbor: Wir in Syrien kennen genau das eigentliche Ziel solcher von einigen Offiziellen der amerikanischen Administration ausgesprochenen haltlosen Anschuldigungen und Drohungen. Sie zielen vor allem darauf ab, die internationale Aufmerksamkeit von dem abzulenken, worunter das irakische Volk seit dem Beginn des Krieges leidet. Des Weiteren zielen sie darauf ab, von den Praktiken der Besatzungsmacht in Bagdad und anderen irakischen Städten abzulenken.

      SPIEGEL ONLINE: Viele Iraker haben den Sturz des Regimes offenkundig begrüßt. Worunter leidet denn das irakische Volk aus Ihrer Sicht?

      Hezbor: Die Besatzung an sich stellt ein großes Leid dar für ein Volk, das seine Souveränität, sein Recht auf die Gestaltung der eigenen Zukunft und auf die Verwaltung seiner Belange wahren will.

      SPIEGEL ONLINE: Die USA beschuldigen Ihr Land, Mitglieder der früheren irakischen Regierung zu beherbergen. Befindet sich Saddam Hussein oder eines der führenden Angehörigen der irakischen Baath-Partei auf dem Staatsgebiet Syriens?

      Hezbor: Die USA wissen genau, dass ihre Anschuldigungen jeder Grundlage entbehren und nicht gerechtfertigt sind. Diese wiederholten Anschuldigungen gehen von einer dogmatischen Strömung innerhalb der amerikanischen Administration aus. Sie will - entgegen den allgemeinen Interessen des Westens und der USA selbst - den Nahen Osten destabilisieren.

      SPIEGEL ONLINE: Warum hat Ihr Außenminister noch vor wenigen Wochen eine Niederlage der Alliierten öffentlich gewünscht?

      Hezbor: Wir haben den Krieg gegen den Irak abgelehnt. Dabei waren wir nicht allein. Eine große Mehrheit der Staaten in Europa sowie in anderen Teilen der Welt hat die gleiche Haltung eingenommen und war der Meinung, dass es für den Krieg keine internationale Legitimation gab.


      Wie entwickelt sich die Golfregion? Diskutieren Sie mit anderen SPIEGEL-ONLINE-Usern!

      SPIEGEL ONLINE: Hat Ihre Führung geglaubt, der Irak könnte als Sieger aus dem Krieg hervorgehen?

      Hezbor: Wie bereits erwähnt, sind wir bei unserer Beurteilung davon ausgegangen, dass dieser Krieg dem Prinzip nach ungerechtfertigt und ohne Legitimation ist.

      SPIEGEL ONLINE: Oder waren die Erklärungen Ihres Außenministers ein Tribut an die pro-irakischen Emotionen in der eigenen Bevölkerung?

      Hezbor: Unser Volk stand nicht allein gegen den Krieg. Die öffentliche Weltmeinung überall verurteilte den amerikanischen Kriegskurs. Nicht nur in Europa, sondern auch in den meisten amerikanischen Städten selbst demonstrierten die Massen gegen den Krieg.

      SPIEGEL ONLINE: Muss Syrien, das von den USA finanzpolitisch seit fast 20 Jahren keine Hilfen erhält, fürchten, künftig noch stärker isoliert zu werden?

      Hezbor: Syrien geht bei seinen Entscheidungen von objektiven Faktoren aus und nicht von irgendwelchen Hilfen, die es erhalten könnte.

      SPIEGEL ONLINE: Die Alliierten werfen Syrien vor, Massenvernichtungswaffen zu besitzen, insbesondere chemische Waffen. Der britische Außenminister Jack Straw hat jüngst erklärt, ihr Land müsse eine Reihe von sehr ernsthaften Fragen beantworten. Syrien soll laut US-Angaben mit dem Nervengas Sarin experimentiert haben. Besitzt Ihr Land solche Waffen?

      Hezbor: Diese Vorwürfe sind absolut nicht richtig. Selbst diejenigen, die diese Anschuldigungen aussprechen, wissen das. Sie wissen auch, dass die Massenvernichtungswaffen aller Art, einschließlich der nuklearen Waffen, in Israel angehäuft sind.





      SPIEGEL ONLINE

      Syrische Botschaft Berlin: Seit Mitte Februar Eigentümer der früheren schwedischen Militärmission


      SPIEGEL ONLINE: Angenommen, die Lage spitzt sich zu: Wäre Ihr Land gegebenenfalls bereit, Uno-Inspektoren zur Kontrolle ins Land zu lassen?

      Hezbor: Stets haben wir dazu aufgerufen, den Nahen Osten in eine von Massenvernichtungswaffen freie Zone umzuwandeln. Vor einigen Tagen haben wir gemeinsam mit anderen arabischen Staaten einen diesbezüglichen Resolutionsentwurf beim Uno-Sicherheitsrat eingebracht. Israel allein hat dieses Ansinnen stets abgelehnt.

      SPIEGEL ONLINE: Heißt das, solange Israel sich nicht in der Sache bewegt, bewegt sich auch Syrien nicht?

      Hezbor: Der Resolutionsentwurf, den Syrien und die arabische Gruppe eingebracht haben, zielt auf ein internationales Abkommen ab, das unter der Aufsicht der Uno alle verpflichtet, den Nahen Osten von sämtlichen Massenvernichtungswaffen frei zu halten.

      SPIEGEL ONLINE: Welche Rolle sollten Ihrer Ansicht nach Frankreich, Deutschland und Russland in dem Konflikt mit Syrien einnehmen?

      Hezbor: In der Ablehnung des von den USA gegen den Irak geführten Krieges haben Frankreich, Deutschland und Russland und die Mehrheit der Weltgemeinschaft eine objektive und prinzipientreue Haltung eingenommen. Sie lehnten den Krieg ab und sind auch gegen dessen Ausweitung. Die Haltung der genannten drei Staaten wird in unserem Land und darüber hinaus mit großem Respekt beobachtet.

      SPIEGEL ONLINE: Spanien hat jüngst seine guten Beziehungen zu Syrien betont. Sehen Sie darin ein Zeichen, dass ein Krieg gegen ihr Land unwahrscheinlich ist, weil die Allianz der Kriegsbefürworter gegen den Irak aufbricht?

      Hezbor: Unsere Beziehungen zu Spanien waren stets gut. Wir beobachten, dass die von Washington erhobenen Vorwürfe niemanden überzeugen. Deswegen werden diese Anschuldigungen und Drohungen auf Ablehnung und Missbilligung stoßen.

      SPIEGEL ONLINE: Was würde geschehen, wenn sich die USA und Großbritannien doch zu einem Krieg gegen Ihr Land entschließen würden?

      Hezbor: Diese Drohungen zielen nur darauf ab, von den Schwierigkeiten und Problemen der USA im Irak abzulenken.

      SPIEGEL ONLINE: Zu einem Thema, das eng mit der Irak-Frage zusammenhängt. Die israelische Regierung betrachtet Ihr Land schon lange als einen Staat, der radikale palästinensische Organisationen beherbergt und unterstützt. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?

      Hezbor: Israel hält palästinensische, syrische und libanesische Territorien besetzt. Das Völkerecht räumt jedem Menschen, dessen Land unter Okkupation steht, das Recht ein, die Befreiung seines Landes anzustreben, die Besatzung abzulehnen und dagegen Widerstand zu leisten. Israel kann nicht die Okkupation fortsetzen und von den Betroffenen Unterordnung verlangen.


      DPA

      Syriens Staatschef Assad und US-Außenminister Powell im April 2002: "Den Dialog fortsetzen"


      SPIEGEL ONLINE: Ihr Staatspräsident Baschar al-Assad hat noch kürzlich in einem Interview mit einer libanesischen Zeitung erklärt, solange es Israel gebe, werde es keinen Frieden im Nahen Osten geben. Ist das eine Absage an das Existenzrecht Israels?

      Hezbor: Israel unterdrückt die Menschen in den palästinensischen Gebieten und begeht tagtäglich Massaker an ihnen. Es versucht, durch Sprengung der Wohnhäuser der Palästinenser und die Ausweitung der israelischen Siedlungen, seine Besatzung zu konsolidieren. All diese Praktiken sind gegen den Frieden gerichtet.

      SPIEGEL ONLINE: Nochmals die Frage: Lehnen Sie Israel als Staat ab oder eine bestimmte Strömung der israelischen Politik?

      Hezbor: Die Konferenz von Madrid von 1991 hat das Prinzip "Land für Frieden" bestätigt. Die arabische Gipfelkonferenz in Beirut verabschiedete im Frühjahr 2002 eine Initiative, in der die Araber die volle Bereitschaft zum Frieden erklärten, wenn sich Israel aus den besetzten arabischen Gebieten zurückzieht. Doch Israel lehnt die Umsetzungen der Uno-Resolutionen ab. Es lehnt den Rückzug aus den arabischen Territorien und das Angebot der Araber ab, das da lautet: voller Frieden gegen vollen Abzug Israels. Was aber war die israelische Antwort auf das arabische Angebot von Beirut? Ein Massaker in Dschenin, das Hunderten von Palästinensern das Leben gekostet hat.

      SPIEGEL ONLINE: Muss sich Ihre Regierung nach dem Sieg über Saddam Hussein nicht flexibler zeigen? Immerhin stehen US-Truppen im Irak, auch die Türkei und Jordanien sind Verbündete der USA.

      Hezbor: Unsere Positionen beruhen auf prinzipiellen und festen Fundamenten. Die vergangenen Tage beweisen auch, dass unsere Haltung arabisch und international Unterstützung genießt.

      SPIEGEL ONLINE: US-Außenminister Colin Powell hat einen Besuch Syriens angekündigt. Befürchten Sie, mit einer harten Forderungsliste von Seiten der Amerikaner konfrontiert zu werden?

      Hezbor: Es gibt seit langem einen Dialog zwischen Syrien und den USA, natürlich auch durch die direkten Kanäle, die zwischen den beiden Ländern existieren. Wir glauben fest an die Nützlichkeit des direkten Gesprächs. Den Besuch von Herrn Powell in Damaskus sehen wir in diesem Rahmen. Er wird dazu dienen, den Dialog und den Gedankenaustausch zwischen unseren Ländern fortzusetzen.

      Die Fragen stellte Severin Weiland
      Avatar
      schrieb am 24.04.03 16:37:15
      !
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      Avatar
      schrieb am 24.04.03 16:45:54
      Beitrag Nr. 530 ()
      Arundhati Roy über "Tanzen"
      Wenn das Saddam-Regime fällt ist klar, dass in den Straßen von Basra getanzt werden wird. Aber wenn jenes von Bush fällt, dann wird in den Straßen der ganzen Welt getanzt werden.
      Arundhati Roy, Le Monde, 9. April 2003
      Avatar
      schrieb am 24.04.03 19:41:53
      Beitrag Nr. 531 ()
      #530

      Frankreich ist spätestens nach dem Iran an der Reihe, das ist jetzt schon klar :D
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      schrieb am 28.04.03 12:30:49
      Beitrag Nr. 532 ()
      Blairs Visionen

      Europa soll Washington Demut zeigen

      Der britische Premierminister Tony Blair will seine Vasallentreue zu den USA offenbar zum Modell für Europa erheben. Die europäischen Staaten, mahnte Blair, dürfen die Vormachtstellung der USA nicht in Frage stellen: Das wäre "gefährlich und destabilisierend".


      REUTERS

      Blair: "Wir brauchen eine Polarmacht"


      London - Tony Blair sieht in der Vision einer multipolaren Welt des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac eine Gefahr für das Verhältnis zwischen Europa und den USA. In einem Interview mit der "Financial Times" sagte Blair zwar, er sei dagegen, Frankreich für seine US-kritische Haltung im Irak-Konflikt zu "bestrafen", doch er betonte: "Es gibt hier ein Problem zwischen Amerika und Europa, das wir lösen müssen. Ich will nicht, dass Europa sich in Opposition zu Amerika begibt. Das wäre gefährlich und destabilisierend."

      Europa dürfe nicht versuchen, ein Gegengewicht zu den USA zu bilden, da dies die Regierung in Washington nur darin bestärken würde, künftig ohne Absprache mit anderen Ländern ihre Ziele zu verfolgen. Blair sagte: "Einige wollen eine so genannte multipolare Welt, in der man verschiedene Machtzentren hat, aber ich glaube, dass sich diese schnell zu rivalisierenden Machtzentren entwickeln würden. Und andere, zu denen ich auch gehöre, glauben, dass wir nur einen Machtpol brauchen."

      Britische Regierungsmitglieder äußerten sich kritisch zu einem Treffen Deutschlands, Frankreichs, Belgiens und Luxemburgs über eine engere Verteidigungskooperation. Von diesem Treffen könne eine "Botschaft der Uneinigkeit" ausgehen, sagte Verteidigungsminister Geoff Hoon in der französischen Presse. Der Europa-Staatssekretär Denis MacShane wurde im "Independent" mit den Worten zitiert: "Die Vorstellung einer europäischen Verteidigung auf der Grundlage von Belgien, aber ohne England - ich frage mich, ob das wirklich ernst gemeint sein kann."

      Blair bekräftigte seine Überzeugung, dass der Krieg im Irak richtig gewesen sei. Er glaube weiterhin, dass der entmachtete Staatschef Saddam Hussein über Massenvernichtungswaffen verfügt habe. Es sei nicht überraschend, dass es einige Zeit dauere, bis dafür Beweise vorlägen.
      Avatar
      schrieb am 28.04.03 15:43:21
      Beitrag Nr. 533 ()
      STÖRFEUER AUS DEM IRAK

      "Die Amerikaner verstehen die Iraker nicht"

      Die Schiiten, die im Irak die Bevölkerungsmehrheit stellen, stehen der US-Präsenz nach wie vor skeptisch gegenüber. Die wichtigste schiitische Gruppe schickte offenbar nur nachrangige Vertreter zum Treffen mit US-Zivilverwalter Jay Garner. Die Regierung des schiitisch dominierten Iran warf den USA vor, die Denkweise der Iraker nicht zu verstehen.


      DPA

      Konferenz in Bagdad: Panzer halten schiitische Demonstranten in Schach


      Bagdad - Die Amerikaner ließen keine Gelegenheit aus, die Wichtigkeit des heutigen Treffens zwischen Garner und mehr als 100 irakischen Politikern, Religionsgelehrten und Stammesführern zu betonen. Unter anderem war auch der Hohe Rat der Islamischen Revolution im Irak (SCIRI) geladen worden. Doch entgegen vorheriger Meldungen schickte die wichtigste schiitische Oppositionsgruppe offenbar keine hochrangigen Vertreter zum Treffen mit Garner.
      Ein Vertreter der Gruppe sagte der BBC in London, seine Organisation boykottiere das Treffen - obwohl das Teheraner SCIRI-Büro gemeldet hatte, Vertreter entsandt zu haben. Hamid al-Bayati aber sagte der BBC, dass es sich bei den drei angeblichen Botschafter lediglich um Techniker und Bürokraten handele, die noch nicht einmal SCIRI-Mitglieder seien, sondern der Gruppe nur nahe stünden. Sie sollten zudem nur über humanitäre, nicht aber über politische Fragen reden dürfen.

      Die Mitglieder des Zentralkomitees und der Generalversammlung des SCIRI hätten die Einladung jedoch abgelehnt, weil sie die Einmischung der USA in irakische Angelegenheiten ablehnten.

      Ähnlich skeptische Töne gegenüber den USA kamen von der iranischen Regierung. "Die Amerikaner haben Schwierigkeiten, weil sie die Denkweise der Iraker nicht kennen", sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Teheran. Mit der Behauptung, Iran mische sich in irakische Angelegenheiten ein, wolle die US-Regierung vom eigenen Versagen ablenken.


      DPA

      US-Zivilverwalter Jay Garner bei der Bagdader Konferenz: Ringen um politische Erfolge


      Diese Einschätzung wurde überraschend gestützt von der Aussage eines ranghohen britischen Offiziers. Luftmarschall Brian Burridge sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur AP, er sehe keine Anzeichen für eine iranische Einmischung im Irak. Es gebe zwar einige iranische Gruppen, die die politische Entwicklung in Bagdad zu beeinflussen versuchten, aber eine staatliche Einmischung existiere derzeit nicht. "Ich glaube, die iranische Regierung hat die Warnungen der USA und Großbritanniens verstanden", sagte Burridge.

      Beim ersten Treffen ehemaliger Regimegegner in Bagdad hat US-Verwalter Jay Garner am Montag zum Neubeginn im Irak aufgerufen. "Lasst uns heute, am Geburtstag von Saddam Hussein, einen demokratischen Prozess für die Kinder des Irak starten", sagte Garner nach Angaben des US-Zentralkommandos.

      Schiiten demonstrieren gegen Konferenz

      Zugleich demonstrierten rund 3000 Anhänger einer schiitischen Religionsschule gegen die Konferenz. Die US-Soldaten, die den Eingang des Konferenzgebäudes bewachten, wirkten extrem nervös. Beobachter fürchteten zu Saddams Geburtstag Anschläge in der Stadt.

      Der aus dem Exil zurückgekehrte Politiker Saadun Dulaimi sagte, der Mangel an Sicherheit gefährde die neu entstehende Demokratie. Ein Stammesführer rief dazu auf, politische Aktivitäten während der Übergangszeit auszusetzen und sich stattdessen auf die Wiederherstellung der Infrastruktur zu konzentrieren. Ansonsten drohe ein Bürgerkrieg.
      Avatar
      schrieb am 29.04.03 10:26:43
      Beitrag Nr. 534 ()
      Bush-Ansprache

      "Beständiger Freund" des Irak

      Vor US-Bürgern mit überwiegend arabischer Abstammung wurde George W. Bush gefeiert. Der amerikanische Präsident versprach, dem Irak keine Regierung aufzuzwingen.


      REUTERS

      Gefeiert: Bush in Dearborn


      Dearborn - Die USA würden sich als "beständiger Freund" an der Seite des irakischen Volkes für den Aufbau von Demokratie einsetzen, sagte Bush bei seiner Rede in Dearborn im US-Staat Michigan. Washington werde dem Irak keine Regierung aufzwingen. "Amerika hat versprochen, den Irak von einem Unterdrückerregime zu befreien, und wir haben unser Wort gehalten", sagte Bush. "Amerika verspricht nun, den Irakern beim Aufbau einer florierenden und friedlichen Nation zu helfen, und wir werden unser Wort halten."


      Wie geht es weiter im Irak? Diskutieren Sie mit anderen SPIEGEL-ONLINE-Usern!

      Die Zeit der Unterdrückung sei vorbei, erklärte der Präsident. "Der Irak wird demokratisch." Der Weg werde nicht einfach sein, doch der Irak werde "das amerikanische Volk als beständigen Freund" an seiner Seite haben.

      Bush forderte erneut die Aufhebung der Uno-Sanktionen gegen den Irak. Die Strafmaßnahmen seien nach dem Sturz der Regierung von Saddam Hussein sinnlos geworden, sagte der US-Präsident. Am Donnerstag will Bush auf dem Flugzeugträger "Abraham Lincoln" das Ende der Kampfphase im Irak-Krieg verkünden.

      Der amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld besuchte unterdessen das US-Zentralkommando in Doha (Katar). "Er (der Irak-Krieg) wird in der Geschichtsschreibung sicherlich seinen Platz neben dem Fall der Berliner Mauer erhalten", sagte Rumsfeld. Die US-Soldaten in Doha bereiteten ihm einen begeisterten Empfang. Rumsfeld wird auch im Irak erwartet, wo er sich bei den US-Soldaten für ihren Einsatz im Krieg bedanken will.
      Avatar
      schrieb am 29.04.03 10:58:35
      Beitrag Nr. 535 ()
      US-Soldaten feuern angeblich in Menschenmenge - zehn Tote

      In einem Ort bei Bagdad haben US-Soldaten angeblich Schüsse auf eine Menschenmenge abgegeben. Nach Angaben des arabischen TV-Senders al-Dschasira sollen dabei zehn Menschen getötet worden sein.
      Hier klicken!
      Bagdad - Durch die Schüsse in der Ortschaft Falludscha, 50 Kilometer westlich von Bagdad, seien außerdem 70 Menschen verletzt worden, berichtete der Sender. Aus der Menge heraus sei zuvor ein Stein auf die Soldaten geworfen worden.

      Eine Gruppe von etwa 200 Personen sei nach dem Abendgebet in einer Moschee dem Aufruf des Predigers gefolgt und habe gegen die Anwesenheit der US-Truppen im Irak protestiert, sagte der Korrespondent. Aus der Menge sei ein Stein auf die Soldaten geworfen worden, die darauf hin das Feuer eröffneten. Die Verletzten würden in fünf verschiedenen Krankenhäusern des Ortes behandelt. Nach dem Sturz der Regierung von Iraks Präsident Saddam Hussein ist insbesondere von irakischen Geistlichen wiederholt ein Abzug der alliierten Truppen gefordert worden.

      Von unabhängiger Seite wurde der Bericht zunächst nicht bestätigt. Das US Central Command in Katar erklärte, ihm lägen keine Informationen über den Zwischenfall vor.
      Avatar
      schrieb am 29.04.03 11:36:44
      Beitrag Nr. 536 ()
      muss wahrscheinlich erst vom Supersender CNN bestätigt werden damit es unabhängig ist :D

      Von unabhängiger Seite wurde der Bericht zunächst nicht bestätigt. Das US Central Command in Katar erklärte, ihm lägen keine Informationen über den Zwischenfall vor.
      Avatar
      schrieb am 29.04.03 13:45:09
      Beitrag Nr. 537 ()
      "Beständiger Freund"

      :D
      Avatar
      schrieb am 01.05.03 11:34:15
      Beitrag Nr. 538 ()
      Irak

      „Wir bleiben nicht länger als nötig.“

      Als erster US-Regierungsvertreter hat Verteidigungsminister Donald Rumsfeld den Irak besucht. In Bagdad versicherte er den Irakern, dass die USA das Land so schnell wie möglich verlassen werden.






      US-Verteidigungsminister dankt den Soldaten für ihren Einsatz. (AP )





      Drei Wochen nach dem Truppeneinmarsch in Bagdad traf Rumsfeld in der irakischen Hauptstadt ein. Er kam mit der US-Militärführung und den Truppen zusammen. Von Kuwait aus hatte er auf dem Hinweg einen Zwischenstopp in der südirakischen Stadt Basra eingelegt.

      „Ich will es ganz deutlich sagen: Der Irak gehört Ihnen. Wir wollen hier nicht das Sagen haben“, sagte Rumsfeld in einer für das irakische Radio und Fernsehen aufgenommenen Ansprache, die das Pentagon in Washington veröffentlichte. „Wir bleiben nicht einen Tag länger als nötig.“ Bis Ende Juni solle die irakische Übergangsregierung stehen, sagte Rumsfeld. Einen Termin für den Abzug der Amerikaner stellte er jedoch nicht in Aussicht.

      Rumsfeld dankt US-Soldaten

      In einem Hangar am Flughafen von Bagdad dankte er mehreren hundert US-Soldaten für ihren Einsatz. „Ihr habt ein Land gerettet, ein Volk befreit, einen grausamen Diktator vertrieben und dessen Bedrohung der freien Welt beendet“, sagte Rumsfeld. „Es war wohl der schnellste Vormarsch auf eine Hauptstadt in der modernen Militärgeschichte.“ Rumsfeld war zuvor in einem schwer bewachten Konvoi zu dem Palast gefahren, in dem das US-Militär sein Hauptquartier aufgeschlagen hat.

      Rumsfeld unterstrich die Hoffnung der US-Regierung, dass der Fall des Regimes in Bagdad auch andere Länder im Nahen Osten zu Reformen bringt. „Ihr habt Entwicklungen losgetreten, die ohne Frage die Zukunft dieses Landes, das Schicksal des Volkes und wahrscheinlich die Zukunft dieser ganzen Region beeinflussen werden“, sagte Rumsfeld zu den Soldaten.

      USA ziehen Truppen aus Deutschland ab

      In einer Frage- und Antwortrunde mit den Soldaten bestätigte Rumsfeld anschließend, dass die USA wahrscheinlich Truppen aus Deutschland abziehen wollen. „Wir haben wahrscheinlich zu viele Leute in Westeuropa“, sagte Rumsfeld. Das sei nach dem Ende des Kalten Krieges unangemessen. NATO-Oberbefehlshaber General James Jones prüfe derzeit die nötigen Truppenstärken. „Wir werden zweifelsohne Anpassungen vornehmen“, sagte Rumsfeld.

      (sueddeutsche.de/dpa)
      Avatar
      schrieb am 01.05.03 11:39:36
      Beitrag Nr. 539 ()
      Syrien, Iran, Nordkorea - Wer ist als Nächster dran?
      Von Clemens Ronnefeldt*

      Wer wissen möchte, wie die Militarisierung der US-Außenpolitik in den nächsten Jahren vermutlich aussehen und die Transformation des Nahen und Mittleren Ostens weitergehen wird, findet in einem bisher viel zu wenig beachteten Dokument Antworten: Es trägt den Titel "Rebuildung America´s Defenses. Strategy, Forces and Resources For a New Century" und wurde im September 2000 verfasst von einem der derzeit maßgeblichen Think-Tanks der USA: Der 1997 gegründeten Gruppe "Project for the New American Century". Zu den wesentlichen Autoren dieser äußerst einflussreichen neokonservativen Gruppe gehören u.a. Paul Wolfowitz, Lewis Libby, Stabschef von Vizepräsident Cheney, Jeb Bush, Gouverneur in Florida und Bruder von Georg W. Bush, William Kristol, Robert Kagan und John R. Bolton.

      Ein wesentlicher Kernpunkt ihres Papiers ist Folgender: "Derzeit sieht sich die USA keinem globalen Rivalen ausgesetzt. Die Grand Strategy der USA sollte darauf abzielen, diese vorteilhafte Position so weit wie möglich in die Zukunft zu bewahren und auszuweiten". Auf Seite 51 ihres Dokumentes, das die Dominanz der USA für die nächsten Jahrzehnte zum Inhalt hat, findet sich vor dem Hintergrund des 11.9.2001 ein Satz von fast hellseherisch-prophetischer Klarheit, geschrieben im September 2000: "Further, the process of transformation, even if it brings revolutionary change, is likely to be a long one, absent some catastrophic and catalyzing event - like a new Pearl Harbor".

      In US-Strategiepapieren verwenden Autoren wie Ronald D. Asmus, Kenneth M. Pollack oder auch Zbigniew Brezinski den Begriff "Greater Middle East", um die US-Interessen und den Zugriff auf Ressourcen von der Golfregion über den Kaukasus bis nach Mittelasien hin zu beschreiben.

      Der Lebensstil in den USA drängt zu neuen Kriegen

      Um ihr Außenhandelsbilanz auszugleichen, brauchen die USA einen täglichen(!) Kapitalzufluss von rund 2 Milliarden US-Dollar. Von den Triademächten USA, Europa und Japan sind lediglich die beiden letztgenannten in der Lage, die Waren, die sie konsumieren, auch zu bezahlen - in völligem Kontrast zu den USA. Die Welt kann in weiten Bereichen mehr und mehr auf die USA verzichten, diese aber nicht auf den Rest der Welt.

      Knapp 60 Jahre wirtschaftlicher Aufstieg Europas und Japans, dazu ein sich wirtschaftlich langsam erholendes Russland, lassen das US-Imperium immer mehr in Panik geraten und auf Schwächere losgehen: "Die beschränkten wirtschaftlichen, militärischen und ideologischen Ressourcen lassen den Vereinigten Staaten, wenn sie ihre Rolle als Weltmacht behaupten wollen, keine andere Möglichkeit, als den kleinen Mächten übel mitzuspielen. In dem an einen Alkoholiker erinnernden Benehmen der amerikanischen Diplomatie steckt durchaus eine Logik. Das wahre Amerika ist so schwach, dass es nur mit militärischen Zwergen eine Konfrontation suchen kann. ... Seine wirtschaftliche Abhängigkeit von der Welt macht auf die eine oder andere Art universelle Präsenz notwendig" (S.168), schreibt Emmanuel Todd in seinem äußerst aufschlussreichen Buch "Weltmacht USA. Ein Nachruf".

      Schurkenstaaten sind Staaten, die nicht mehr in US-Dollar abrechnen

      Bereits seit Ende des Jahres 2000 berechnete Irak seine tägliche Ölförderung nicht mehr in Dollar, sondern in Euro. Iran verkauft bereits seit geraumer Zeit sein Öl nicht mehr in Dollar, sondern zum größten Teil in Euro. Nordkorea hat seine gesamten Devisen in Euro eingewechselt, so eine dpa-Meldung am 12.11.02. China kündigte bereits im November 2001 an, seine 200 Milliarden Dollar-Devisen-Reserve zu einem großen Teil in Euro umzutauschen (1). Wenn diese Beispiele Schule machen - und dies tun sie - ist der American way of life aufs Höchste gefährdet.

      Nur so lange der US-Dollar auf der gesamten Welt akzeptiert wird, kann die US-Wirtschaftspolitik mitsamt dem ständigen Drucken von neuen Dollarscheinen ohne Ängste vor einer instabilen Währung funktionieren. Mit diesem Mechanismus schöpfen die USA seit Jahrzehnten nicht unerhebliche Reichtümer anderer Volkswirtschaften in der Welt ungeniert ab und transferieren sie in ihr eigenes Land. Für die US-Wirtschaft war in der Vergangenheit sehr vorteilhaft, dass die im arabischen Raum eingesetzten US-Dollar zur Begleichung der US-Ölrechnungen oft wieder in Rüstungsgeschäfte investiert und somit "recycelt" wurden. Dieses Verfahren kommt mit dem Euro als neuer Weltwährungskonkurrenz nun an seine Grenzen.

      Derzeit sind drei Staaten besonders gefährdet, unter die Räder des im Niedergang begriffenen US-Imperiums zu kommen: Syrien, Iran und Nordkorea.

      Syrien

      Syrien, etwa halb so groß wie Deutschland, allerdings mit 17,2 Millionen Einwohnern weitaus dünner besiedelt, trägt schon länger aus US-Sicht das Etikett "Schurkenstaat".

      Richard Perle sagte der International Herald Tribune Mitte April 2003, im Falle eines Waffenfundes in Syrien würden die USA verlangen, dass diese abgegeben werden müssten, um die Bedrohung zu beseitigen. Falls dies nicht geschehe, "würde wohl keiner ausschließen wollen, dass wir die volle Breite unserer Möglichkeiten ausschöpfen". Da es keinerlei UN-Mission oder UN-Resolution bezüglich der Suche oder gar Zerstörung syrischer Massenvernichtungswaffen gibt, stellt sich die offene Frage, an welches durchführende Organ Richard Perle dabei gedacht haben mag.

      Auf journalistische Nachfragen, ob die Anschuldigungen gegen Syrien in einen neuen Krieg münden könnten, antwortete Georg W. Bush: "Wir sind nun hier im Irak. Und als zweiten Punkt erwarten wir Kooperation von Syrien. Und ich bin zuversichtlich, dass wir Zusammenarbeit erhalten".

      Mit der Baath-Partei im Irak ist die syrische Baath-Partei seit vielen Jahren verfeindet. Wie die Washington Post am 21.6.02 berichtete, kooperierte die syrische Regierung mit der CIA bei der Verfolgung von Al Quaida-Terroristen.

      Seit der Endphase der Krieges gegen Irak wirft die US-Regierung Präsident Baschar al-Assad ein ganzes Bündel von Verfehlungen vor:
      Syrien habe angeblich Rüstungsgüter während des jüngsten Krieges an Irak geliefert.
      Syrien kooperiere immer noch mit dem gestürzten Regime von Saddam Hussein.
      Syrien beherberge Mitglieder der irakischen Führung.
      Syrien produziere Massenvernichtungswaffen.
      Syrien unterstütze Terroristen.
      Entscheidend für die scharfen Töne Washingtons ist derzeit wahrscheinlich der letzte Punkt: "Darin sind sich alle Politiker in der Region einig: Die USA legen der syrischen Führung jetzt nicht wegen der möglichen Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen die Daumenschrauben an. Vielmehr zielten sie auf die Ausschaltung radikaler Gruppen ab, die Damaskus unterstützt und die eine Lösung des Nahost-Konflikts nach den Vorstellungen Israels torpedieren könnten. Das sind allen voran die palästinensischen Islamisten-Organisationen Hamas und Dschihad, mehrere militante linke palästinensische Splittergruppen sowie die pro-iranische Schiitenmiliz Hisbollah in Südlibanon", berichtete die FR am 15.4.03.

      Konkret soll wohl Syrien zum Verzicht auf die von Israel seit 1967 völkerrechtswidrig annektierten Golanhöhen gezwungen werden. Damit kämen die Vertreter der "Groß-Israel"-Forderungen sowohl in den USA als auch in Israel einen großen Schritt weiter. Bei einem US-Angriff würde die letzte unmittelbar betroffene Regionalmacht ausgeschaltet, die diesem Vorhaben im Wege steht.

      Statt eines neuen Krieges gegen Syrien bräuchte die Gesamtregion eine Lösung des Israel-Palästina-Konfliktes durch eine starke Vermittlung von außen, die eine Zwei-Staaten-Lösung mit Ostjerusalem als Hauptstadt der Palästinenser, eine gerechte Lösung für die palästinensischen Flüchtlinge in Jordanien, Syrien und Libanon durchsetzt sowie für eine Überwindung der wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen Israelis und Palästinensern sorgt.

      Iran

      Am 3.1.2002 fingen israelische Behörden ein angeblich aus Iran kommendes Schiff mit Waffen für die Palästinensische Autonomieverwaltung ab. Dies wurde sowohl in Israel als auch in den USA als Unterstützung Teherans für den internationalen Terrorismus gewertet. Der US-Sondergesandte - ehemals für Afghanistan, seit Ende 2002 für Irak - Zalmay Khalilzad, Mitbegründer des New American Century-Pojektes, warf am 19.1.2002 dem Iran vor, Waffen an bestimmte warlords in Afghanistan zu schicken, Afghanistan destabilisierende Gruppen zu finanzieren sowie Mitglieder der Revolutionären Garden zu entsenden. Er betonte, dass Irans Politik sich auf "das Prinzip der Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten Afghanistans³ gründen müsse.

      Die Aufnahme in die Länderreihe der "Achse des Bösen³ erfolgte, obwohl die iranische Regierung den Bombenkrieg der US-Regierung in Afghanistan unterstützte und überdies anbot, abgestürzte US-Piloten zu bergen. Sogar einen Hafen für US-Hilfslieferungen hatte Teheran geöffnet. Neben Ägypten ist Iran nicht nur der bevölkerungs-, sondern auch einer der einflussreichsten Staaten der Region. Iran bemühte sich auf diplomatischer Ebene Kontakte zu US-Verbündeten wie Kuwait, Saudi-Arabien und Pakistan aufzubauen, was Washington missfällt. Besonders stört Washington die bereits fertig gestellte Gaspipeline aus Turkmenistan in den Iran sowie die Tatsache, dass die iranische Regierung mit Indien über den Bau einer Pipeline verhandelt.

      Die US-Airforce soll "gemäß israelischer Quellen derzeit einen befestigten, mit Untergrundbunkern ausgestatteten Militärflughafen nahe Herat im Westen Afghanistans einrichten. Für Angriffe gegen Irak wäre dieser Stützpunkt nur begrenzt brauchbar, liegt doch die Basis rund 110 Kilometer von der iranischen Grenze. Anzahl und Ausmaß der US-Stützpunkte in Zentralasien übersteigen das für den Anti-Terror-Kampf notwendige. Für Einsätze gegen Iran wären auch sie hingegen ideal"(2), schrieb Sidney E. Dean bereits im September 2002.

      In einem 204 Seiten starken Bericht des US-Außenministeriums über die "Paten des globalen Terrorismus" vom Mai 2002 wurde Iran als aktivster staatlicher Terrorunterstützer beschrieben. Die Islamischen Revolutionären Garden und die iranischen Geheimdienste seien in Terroranschläge insbesondere im Rahmen der palästinensischen Intifada verstrickt, ebenso in Afrika, der Golfregion und in Zentralasien. Die israelische Regierung hat angekündigt, dass sie nicht bereit ist, die Inbetriebnahme eines derzeit noch in der Bauendphase befindlichen Atomkraftwerkes in Iran hinzunehmen. Auch die US-Regierung wird dem baldigen Anfahren des Reaktors wohl nicht gleichgültig gegenüberstehen.

      Am 23.4.03 warnte die US-Regierung Iran davor, Agenten unter die schiitische Bevölkerung Iraks zu mischen. Die einflussreichste schiitische Oppostionsgruppe im Irak, Sciri, lehnt bewaffnete Widerstandsaktionen gegen die alliierten Besatzungstruppen im Irak ab.

      Je mehr die rhetorische Schärfe gegenüber Teheran zunimmt, desto größere Schwierigkeiten wird der von Präsident Khatami eingeleitete Reformprozess zu überwinden haben, desto mehr Menschen werden in die Hände der religiösen Führer getrieben.

      Nordkorea

      Nordkorea, von Hans W. Maull als "Zombi-Staat" bezeichnet, unterhält trotz größter Armut und Verelendung im Land eine Armee von mehr als einer Million Soldaten ohne Reservisten. Ein Sechstel des Bruttosozialprodutes fließt in den Militärsektor, mehr als 600 Jagdflugzeuge und mehr als 300 Transportflugzeuge und Hubschrauber, zwischen 100 und 500 Scud-Raketen sowie die Entwicklung von Mittel- und Langstreckenraketen machen den Staat zu einer beachtlichen Militärmacht.

      Nach Angaben des südkoreanischen Verteidigungsministeriums lagern in Nordkorea zwischen 2.500 und 5.000 Tonnen chemischer und biologischer Waffen. Der US-Verbündete Pakistan steht in engem Austausch mit dem "Achse-des-Bösen-Staat" Nordkorea. "So gibt es Anlass zur Vermutung, dass Nordkorea im Austausch für die Lieferung von Raketentechnologien an Pakistan von diesem wissenschaftliches und technisches Know how für das neue Programm zur Urananreicherung erhalten hat" (3).

      Lediglich 40 Kilometer von der nordkoreanischen Grenze entfernt liegt die südkoreanische Hauptstadt Seoul mit ihren 11 Millionen Einwohnern, die im Falle eines Angriffes auch von US-Truppen nicht zu verteidigen wären. Weil Nordkorea nicht nur über Atomwaffen verfügt, sondern auch mit seiner Armee bei weitem nicht so leicht zu besiegen wäre wie das sehr viel schwächere Irak, werden die US-Strategen wohl nicht so schnell mit einer Bodentruppen-Invasion beginnen: "Vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass eine eine halbe Million US-Soldaten umfassende US-Streitmacht in einem Krieg gegen Nordkorea binnen 90 Tagen mit mindestens 50.000 Gefallenen allein auf Seiten des Expeditionskorps zu rechnen hätte" (4).

      Die Spannungen der jüngsten Zeit beruhen zu einem großen Teil auf der Nichteinhaltung des am 21.10.1994 unterzeichneten "Agreed Framework" durch die USA und Nordkorea. Darin verpflichtete sich Nordkorea, seinen Forschungsreaktor, seine Brennelementefabrik und eine im Bau befindliche Wiederaufarbeitungsanlage stillzulegen sowie den Bau zweier neuer Atomreaktoren zu stoppen. Im Gegenzug für diesen Verzicht sollte die Regierung in Pjönjang bis zum Jahre 2003 zwei Leichtwasserreaktoren mit 2000 Megawatt Leistung erhalten, um den defizitären Energiebedarf zu decken. Finanziert werden sollte dies von dem internationalen KEDO-Konsortium, hinter dem vor allem Japan und Südkorea stehen. Die US-Regierung selbst verpflichtete sich, bis zur Fertigstellung der beiden Leichtwasserreaktoren jährlich 500 000 Tonnen schweres Heizöl sowie Lebensmittel zu liefern und die verhängten Sanktionen zu liften.

      Aus heutiger Sicht haben beide Seiten Vertragsbrüche zu verantworten. Nordkorea forschte wohl seit 1995 im Geheimen doch an Uran-Anreicherungsprogrammen weiter, auf der anderen Seite ließ die Asienkrise von 1997 die Geldströme Japans und Nordkoreas für das KEDO-Programm versiegen. Die US-Regierung hielt ihre Handelszusagen und Lieferverträge nicht ein, weil der Druck des Kongresses zu stark war.

      Nordkorea kam wohl auch deshalb auf die Liste der Länder der "Achse des Bösen³, weil die stalinistisch-kommunistische Regierung in Pjönjang nach Ansicht der US-Regierung bei Zugeständnissen im Rahmen der Inspektion von Nuklearanlagen und weit reichenden Raketen Washington nicht genügend entgegenkam. Der zweite wichtige Grund hat weniger mit Nordkorea als mit der innenpolitischen Situation in den USA zu tun: Je mehr die US-Regierung den Konflikt gegenüber Nordkorea verschärft, desto größer wird die inneramerikanische Unterstützung für die Raketenabwehrbefürwortung. "Die potenzielle nordkoreanische Raketenbedrohung diente dabei als willkommenes Feigenblatt, um nicht öffentlich einräumen zu müssen, dass das Abwehrprogramm eigentlich gegen die wachsende Bedrohung durch chinesische Raketen gerichtet ist³, so Hans-Joachim Schmidt von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (in: FR-Dokumentation, 19.2.2002).

      Sollte die nordkoreanische Regierung sich auf den Normalisierungsprozess gegenüber Südkorea einlassen, auf die Wiederaufnahme von Raketentests ab 2003 verzichten, seine beiden Leichtwasserreaktoren für Inspektionen der Internationalen Atom-Energie-Behörde in Wien öffnen und der Chemiewaffenkonvention beitreten, käme die US-Regierung mit ihrer Raketenabwehrlegitimation gehörig ins Schleudern.

      Am 24.4.03 trafen sich zum erstenmal seit Okotober 2002 wieder US-und nordkoreanische Diplomaten - allerdings auf niedriger Ebene. Die Gespräche waren belastet durch "Zeitungsartikel, denen zufolge die USA aktiv einen Regimewechsel in Nordkorea durchsetzen wollen. Die New York Times zitierte ein internes Memorandum aus dem Weißen Haus, demzufolge die USA gemeinsam mit China auf einen Sturz von Kim Jong Il hinarbeiten sollten" (FR, 23.4.03). Gestützt auf hochrangige Quellen in Washington hatte die australische Zeitung "The Australian" berichtet, dass die USA Pläne für einen Militärschlag gegen das Atomzentrum Yongbyong ausgearbeitet hätten.

      Vor diesem Hintergrund kommt einer vermittelnden EU-Politik größte Bedeutung zum. Die EU hat zwar ein großes Interesse am Handel mit beiden Ländern, ist allerdings ansonsten weitaus "neutraler³ gegenüber beiden Koreas als die USA und hat erhebliche Einflussmöglichkeiten auf einen Entspannungsprozess. Insbesondere eine Aufgabe auch der Regierung in Berlin wäre, darauf zu achten, dass der gegenseitige Prozess der Information über militärische Vertrauensbildung zwischen Seoul und Pjönjang nicht wieder völlig abreist. In beiden Koreas besteht vereinzelt Bereitschaft, speziell aus der deutschen Wiedervereinigung zu lernen.

      Ein Ausweg aus der jetzigen total verfahrenen Situation könnte die Einberufung einer regionalen Friedens- und Sicherheitskonferenz darstellen, an deren Ende die hoffnungsvoll begonnene "Sonnenschein-Politik" des ehemaligen südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-Jungs doch noch in einen Friedens- und Stabilitätspakt mündet. Die Wahrscheinlichkeit eines US-Angriffes auf Nordkorea sinkt auch in dem Maße, wie der Nachfolger Kim Dae-Jungs, Präsident Roh, den Kurs seines Vorgängers neu aufgreift.

      Fazit: Die USA und mit ihr die gesamte Welt stehen vor einer Zeitenwende

      "Schauen wir zu, wie das gegenwärtige Amerika seine verbliebenen Kräfte im `Kampf gegen den Terrorismus´ vergeudet als Ersatz für den Kampf zur Verteidigung einer Hegemonie, die nicht mehr existiert. Wenn Amerika weiter darauf beharrt, seine Allmacht zu demonstrieren, wird es schießlich der Welt nur seine Ohnmacht enthüllen", schreibt Emmanuel Todd am Ende seines bereits zitierten Buches.

      Statt dem Geschehen nur zuzuschauen, empfiehlt ein anderer derzeitiger Bestseller-Autor, Chalmer Johnson, in seiner Analyse "Ein Imperium verfällt. Ist die USA am Ende?" der US-Führung eine Reihe konkreter Schritte, um aus ihrer offensichtlichen Krise einen Ausweg zu finden: "Anpassung an und Unterstützung der Rückkehr Chinas als bedeutende Macht auf die weltpolitische Bühne; Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Nordkorea und Abzug der Bodentruppen aus Südkorea, Begleichung der bei den Vereinten Nationen noch ausstehenden Beiträge; Förderung der globalen wirtschaftlichen Diversität statt der Globalisierung der Weltwirtschaft; Beendigung der Handel-für-Militärbasen-Deals mit den reichen ostasiatischen Ländern, nötigenfalls auch gegen deren Willen; Aufwertung des Begriffs `Verteidigung´ im Verteidigungsministerium und dafür Sorge tragen, dass es seinem Namen auch gerecht wird; einseitige Reduzierung des Atomwaffenarsenals und Verkündigung des prinzipiellen Verzichts auf einen atomaren Erstschlag; Unterzeichnung und Ratifizierung des Landminenvertrags, Unterzeichnung und Ratifizierung des Vertrags über die Einrichtung eines Internationalen Kriegsverbrechertribunals".

      Falls diese Schritte nicht eingeleitet werden, sieht Johnson eine Beschleunigung des Zerfalls des US-Imperiums. Sein Schlusssatz deckt sich mit der scharfsinnigen Analyse Emmanuel Todds: "Die Vereinigten Staaten sehen sich gerne als den Sieger des Kalten Krieges. Aller Voraussicht nach werden die, die in einem Jahrhundert zurückblicken, keinen Sieger erkennen können, vor allem dann nicht, wenn die Vereinigten Staaten weiter an ihrem derzeit imperialen Kurs festhalten".

      Bleibt zu hoffen, dass das absehbare Ende des US-Imperiums nicht mehr all zu viele Kriege, Tote und weiteres unsägliches Leiden wie im Irak nach sich zieht.

      Anmerkungen
      Vgl. dazu: Behrooz Abdolvand und Matthias Adolf, Verteidigung des Dollar mit anderen Mitteln. Der `Ölkrieg´ im Kontext der kommenden Währungsbipolarität, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 2/2003.
      Sidney E. Dean, Blick nach Amerika, in: Europäische Sicherheit 9/2002, S. 31.
      Hans J. Giessmann, Nordkorea - Washingtons "Next Target"?, in: Wissenschaft und Frieden 2/2003, S. 32.
      Hans J. Giessman, a.a.O., S. 30.

      * Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungbundes
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      schrieb am 02.05.03 12:09:39
      Beitrag Nr. 540 ()
      Wut auf Amerika

      Racheschwur vor dem Toten-Gebet

      Von Matthias Gebauer, Falludscha

      In dem Ort Falludscha nahe Bagdad kocht die Stimmung gegen die US-Besatzer. Nachdem Soldaten 19 Demonstranten erschossen, schwören die Einwohner blutige Rache. Eine Attacke mit zwei Granaten auf die US-Basis war der Auftakt, bei der heute angesetzten Beerdigung könnte die Wut explodieren.



      DPA

      Bewohner Falludschas zeigen amerikanischen Truppen die Sohlen ihrer Schuhe, um ihrer Verachtung Ausdruck zu geben


      Es war gegen 1 Uhr am Donnerstagmorgen, als zwei Granaten die Stadt Falludscha erschütterten und die Ruhe in der Stadt schlagartig beendeten. Mehr oder weniger blind feuerten die US-Soldaten von dem Gelände auf mehrere flüchtende Männer, trafen aber keinen von ihnen. Auch eine Suche nach den möglichen Tätern der Raketenattacke blieb erfolglos, sie verschwanden unerkannt in der Nacht. Zurück blieben nur die Reste der Granaten, die sieben US-Soldaten in der schwer bewachten Basis verletzten und ein Fahrzeug der Armee schwer beschädigten.

      Fast zur gleichen Zeit feilte Tausende Kilometer entfernt US-Präsident George W. Bush an der letzten Fassung seiner Rede an die Nation. Das Ende des von den USA geführten Kriegs im Irak wollte er seinen Landsleuten verkünden, den großen und schnellen Sieg über das verkörperte Böse, Saddam Hussein, und seine Truppen. Den befreiten Irakern versprach Bush in seiner Rede eine "beständige Freundschaft", die noch Jahre anhalten werde. Ob er vor der Rede von den Granaten der irakischen Freunde in Falludscha erfahren hatte, weiß wohl niemand - erwähnt hat er sie jedenfalls nicht.


      Aus den Befreiern wurden Besatzer


      AP

      Demo in Falludscha: "Mörder, früher oder später werden wir euch rauswerfen"


      In das US-Konzept eines freien Iraks, der sich nun schnell und ohne große Probleme in eine Erfolgsnation entwickeln soll, passen die Granaten in Falludscha nicht. Die Attacken auf US-Soldaten in dem Ort geben einen bitteren Vorgeschmack auf die schwierigen Prüfungen, die den USA in den nächsten Monaten noch bevorstehen. Wie schnell und vor allem heftig sich die Stimmung gegen die Befreier von gestern wenden kann, ist in Falludscha gut zu sehen. Innerhalb von Stunden wurden die Soldaten mit dem Sternenbanner auf dem Arm für viele Iraker zu brutalen Besetzern, zu Gegnern in einem neuen Kampf. Von der ungefragt angebotenen Freundschaft der USA wollen immer weniger Iraker etwas wissen.

      Einen Tag nach den Granatenattacken ist die Stimmung in Falludscha keineswegs beruhigt. Eine aufgebrachte Menschenmenge protestiert vor dem Gebäude des eingesetzten Bürgermeisters Taha Bedaiwi al-Alwani. Mit Plakaten und Sprechchören fordern die Demonstranten den sofortigen Abzug der Amerikaner aus dem Ort. Entweder, so suggerieren die Banner, ziehen die USA ab, oder sie würden getötet. "Die US-Armee hat hier nichts mehr zu suchen", spricht Scheich Abdul Shaker Wahed den rund hundert Männern laut vor, "wenn sie nicht abzieht, wird sie den Preis zu zahlen haben." Die Menge geht begeistert mit und singt, dass die Armee Mohammeds überall und zu allem bereit ist.

      Noch halten die Scheichs die Kämpfer im Zaum


      AP

      Mittwoch in Falludscha: US-Soldaten schossen auf Demonstranten


      Als Beweis der Schlagkraft dieser imaginären Armee des Propheten fahren vor dem Gebäude immer wieder vermummte Männer mit Toyota Pick-ups auf. Statt geladener Kalaschnikows halten sie noch Stöcke in der Hand. Doch die Gestik der Gewalt ist deutlich. "Noch halten wir unsere Kämpfer zurück", sagt der Scheich mit drohend erhobenem Finger, "doch lange wird das nicht mehr gehen." Fast die Hälfte der Einwohner sei bereit, gegen die US-Besetzer zu kämpfen, glaubt er. Junge Männer mischen sich immer wieder von der Seite ein und brüllen, dass der Kampf schon heute Nacht mit den ersten Selbstmord-Bombern beginnen solle. Noch aber reicht ein Handzeichen des Scheichs, um die Hitzköpfe zum Schweigen zu bringen.

      Die Wut der Einwohner des ehemaligen Vorzeigeorts des Saddam-Regimes hat viele Gründe. Schon vor den tödlichen Schüssen am Montag und Dienstag waren sie gereizt und gewaltbereit. Nachdem die Soldaten aber erst 16 und dann noch mal drei Demonstranten erschossen, sitzen die reichlich vorhandenen Waffen locker. "Die Menschen wollen Rache", weiß Scheich Zafer Subhi al-Obeida zu berichten, "die USA müssen sich schnell entschuldigen."


      AP

      Bei Protesten am Mittwoch wurden 19 Demonstranten getötet


      Daneben fühlen sich viele der Menschen in Falludscha getäuscht. "Wir hatten ein Abkommen mit der Armee, dass wir sie nicht angreifen", sagt Scheich Zafer Subhi al-Obeida, der einer großen Sunniten-Gemeinde vorsteht, "doch nun führen sie sich als Besatzer auf." Im Ort selber hätten die US-Soldaten in dem ehemaligen Polizeilager eine Basis errichtet. "Warum sollten sie das tun, wenn sie hier nur kurz bleiben wollen", sagt der Scheich und spricht vielen Menschen aus der Seele. Auch er fordert, dass sich die Soldaten sofort an den Stadtrand zurückziehen müssen. Und auch er lässt die jungen Männer nicht unerwähnt, die sofort bereit seien, ihr Leben für einen Anschlag zu opfern.

      Die nächste Prüfung am Freitag


      In Falludscha zeigt sich exemplarisch, wie schwierig der Umgang der US-Soldaten mit Irakern in den Tagen nach dem Sieg ist. Nach den Kämpfen mit eindeutigen Zuordnungen von Freund und Feind machen sich die großen kulturellen Unterschiede zwischen den Amerikanern und den Irakern bemerkbar. Aus dem Volk müssen sich die Soldaten diffuse Anklagen anhören. So werfen die Iraker ihnen vor, dass sie mit ihren Ferngläsern die verschleierten Frauen auf den Straßen beobachten und sie so entehren würden. Passanten erregen sich darüber, dass die US-Soldaten mehr oder minder nackt in der Basis herumlaufen. Dass die Soldaten die Vorwürfe als absurd abtun, trägt nicht zur Verbesserung der Stimmung bei.

      Am Freitag wollen die Menschen in Falludscha von ihren Toten Abschied nehmen. US-Soldaten hatten sie am Montag und am Dienstag erschossen, nachdem angeblich mehrere Schüsse aus der Menge der Demonstranten auf die Militärbasis abgegeben wurden.
      REUTERS

      Der 14-jährige Ahmed Muthanna sitzt in dem Auto, in dem sein Vater durch Schüsse von US-Soldaten verletzt und sein Onkel getötet wurde


      Nach dem Abendgebet könnte sich schnell eine ähnlich heikle Situation ergeben, wenn Hunderte von aufgebrachten Männern sich an der Moschee sammeln. "Wenn die US-Soldaten sich dort sehen lassen, endet es nicht gut", orakelt Scheich Zafer Subhi und ist sich seiner Drohung ganz bewusst. "Für die Soldaten wäre es das Beste, wenn sie einfach in ihrer Kaserne blieben", meint er. Dass die US-Armee dieser Empfehlung folgt, ist unwahrscheinlich.
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      schrieb am 03.05.03 14:45:27
      Beitrag Nr. 541 ()
      Amerikas neue Verbündete

      Polen sollen ein Drittel des Iraks kontrollieren

      Die alten Verbündeten Frankreich und Deutschland bleiben außen vor, dafür spielen Spanier, Bulgaren und Ukrainer eine wichtige Rolle: Bei der Verwaltung des Iraks setzen Amerikas Militärs auf ihre Alliierten im "neuen Europa". Die Polen sollen gar zur einer von drei Kontrollmächten aufsteigen - zusammen mit den Briten und den USA selbst.


      REUTERS

      Präsidenten Bush und Kwasniewski: Belohnung für die Polen, Ohrfeige für die Kriegsgegner


      Kastellorizo - Der polnische Außenminister Wlodzimierc Cimoszewicz hat Pläne der Amerikaner und die polnische Rolle inzwischen bestätigt. Nach dem Willen der USA solle der Irak in der Tat in drei Zonen aufgeteilt werden, sagte er am Rande der EU-Außenministerkonferenz auf der griechischen Insel Kastellorizo. Polen werde die Verantwortung für eine dieser Zonen übernehmen. Möglich sei aber immer noch, dass es mehr als drei Zonen geben werde, darüber werde noch gesprochen. Bundesaußenminister Joschka Fischer sagte

      Die beiden anderen Kontrollmächte, die schon feststehen, sind die USA und Großbritannien. Welche Gebiete des Iraks die jeweiligen Zonen umfassen werden ist noch unklar. Während die Amerikaner ihre Zone allein kontrollieren wollen, sollen Polen und Briten in ihrem Sektor an der Spitze einer multinationalen Truppe stehen, die ohne Uno-Mandat auskommen soll.

      Deutschland: Informiert, aber im Abseits

      Mehrere Staaten nach Cimoszewiczs Angaben ihre Teilnahme an der Truppe bereits zugesagt. Dabei handele es sich um Italien, Spanien, die Ukraine, die Niederlande, Dänemark und Bulgarien. Deutschland, Frankreich und Russland, die den Irak-Krieg vehement abgelehnt haben, sollen in die Planungen hingegen nicht einbezogen werden.

      Außenminister Joschka Fischer sagte, die Bundesregierung sei von den Plänen informiert worden. Deutschland werde sich aber nicht an den Einsätzen beteiligen. Beim EU-Außenministertreffen wurde das Thema nicht erörtert. Dort hatten die EU-Staaten vereinbart, wieder gemeinsame Positionen zum Irak zu entwickeln.

      CDU-Politiker: Deutschland bedeutungslos

      Die multinationale Truppe soll den Irak stabilisieren und die humanitäre Hilfe koordinieren. Sie soll unter dem Oberbefehl des US-Generals Tommy Franks stehen, der die alliierten Truppen während des Kriegs befehligte. Nach dem Wunsch der USA soll sie so rasch wie möglich ihre Arbeit aufnehmen. Die Amerikaner werden etwa 20.000 Mann für die Truppe bereitstellen. Die Stabilisierungstruppe soll jedoch nicht die bereits in Irak befindlichen 135.000 US-Soldaten ersetzen.

      Nach Ansicht des CDU-Außenpolitikers Friedbert Pflüger zeigen die US-Pläne die wachsende Bedeutungslosigkeit Deutschlands in der internationalen Politik. Wenn Deutschland, Frankreich und Russland nicht um Unterstützung für die Stabilisierungstruppe gebeten werden, trage dafür Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit seiner "törichten Verweigerungshaltung" die Hauptverantwortung.


      Der Aufbau dieser neuen internationalen Truppe für Irak war dem Vernehmen nach auch Thema der Gespräche von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld am Freitag in London. Ein weiteres Thema war die Vorbereitung einer neuen britisch-amerikanischen Uno-Resolution, in der den Vereinten Nationen eine Rolle bei der humanitären Hilfe für den Irak eingeräumt werden soll.
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      schrieb am 04.05.03 10:17:32
      Beitrag Nr. 542 ()
      US-Militärs zu Massenvernichtungswaffen

      "Wir haben nicht gelogen, aber ..."

      In der Öffentlichkeit gibt sich US-Präsident Bush weiter zuversichtlich: Früher oder später werde man im Irak Massenvernichtungswaffen finden. Doch selbst führende US-Militärs räumen inzwischen ein, dass die USA aus ganz anderen Gründen in den Krieg zogen als öffentlich angegeben.


      REUTERS

      Suche nach Chemiewaffen im Irak: Die Erfolgsaussichten werden immer schwächer


      Crawford - Die Stimmung war famos, als George W. Bush den australischen Premier John Howard besuchte. Vielleicht lag das daran, dass Howard den US-Präsidenten auf einer Ranch empfing und der sich daher zu Hause fühlen könnte. "Du bist irgendwie wie ein Texaner", lobte der US-Präsident seinen Gastgeber.

      Hinterher gab sich Bush in einer Pressekonferenz sicher: Früher oder später würden im Irak Massenvernichtungswaffen gefunden werden. "Irak hat die Größe von Kalifornien", wusste der Präsident. "Es gibt Tunnel, Höhlen, alle Arten von Komplexen. Wir werden sie finden, und das ist nur eine Frage der Zeit."

      Der Ende April festgenommene, ehemaligen Vize-Premier des Irak, Tarik Asis, ist auf der Suche nach "Tunneln und Höhlen" offenbar keine große Hilfe. Bush warf ihm mangelnde Kooperation vor. Von Asis hatten sich die USA Informationen über das irakische Programm für biologische und chemische Waffen sowie den Verbleib von Präsident Saddam Hussein erhofft. Bush sagte: "Wir erfahren, dass Tarik Asis immer noch nicht weiß, wie man die Wahrheit sagt. Er wusste nicht, wie man die Wahrheit sagt, als er im Amt war, und er weiß es immer noch nicht als Gefangener."

      Zuvor hatte Bush seine Entschlossenheit betont, Bedrohungen gegen die USA notfalls durch Präventivschläge abzuwenden. Der Krieg gegen den Terror gehe auch nach dem amerikanischen Erfolg im Irak weiter in seiner wöchentlichen Rundfunkansprache. Es gebe nach wie vor Terror- Komplotte, und die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen bleibe eine erste Gefahr. "Wir werden weiter unsere Feinde jagen und stellen, bevor sie zuschlagen können."

      Trotz aller Beteuerungen, die Suche nach Massenvernichtungswaffen gehe weiter: Die Fahndung nach der "Smoking Gun" im Irak blieb bisher erfolglos. Obwohl die US-Regierung keinen Aufwand scheute, danach zu suchen. Hunderte Experten schickte das Pentagon an den Tigris, um einen Beleg für den offiziellen Kriegsgrund zu liefern. Vergangenes Wochenende erklärten die Behörden, dass die Zahl der US-Waffeninspekteure auf 1500 aufgestockt werden soll. Das wären fünf Mal so viele Kontrolleure wie Uno-Chefwaffeninspekteur Hans Blix zur Verfügung hatte.

      Zwar äußern führende US-Militärs im Irak immer noch die Ansicht, sie würden früher oder später fündig. Saddam habe Jahre lang Zeit gehabt, die gefährlichen Waffen zu verstecken, doch die Wahrheit werde bald ans Licht kommen. Doch gleichzeitig mehren sich die Stimmen, die preisgeben, dass die Vernichtung von Massenvernichtungsmitteln und die Furcht davor nicht Hauptkriegsgrund der Bush-Regierung war. Es sei primär darum gegangen, Saddam zu beseitigen. Diese längst bekannte Lesart wird nun durch Regierungsbeamte in Washington stark gemacht.

      Die Warnung vor Massenvernichtungsmitteln habe vornehmlich dafür gedient, das amerikanische Volk und die internationale Gemeinschaft dazu zu bringen, sich hinter die Kriegsabsichten Bushs zu stellen. In Wirklichkeit sei es dem Weißen Haus darum gegangen, einen Brückenkopf der Demokratie gegen den Terrorismus im Nahen Osten zu errichten. "Wir haben nicht gelogen", sagte ein Beamter gegenüber "ABC`s Nightline", "doch es war eine Frage der richtigen Betonung."


      AP/ Kyodo

      Verletzte in Falludscha: Opfer für die Demokratie?


      Auch der britische Premierminister Tony Blair scheint die Fokussierung auf die Vernichtung der angeblich vorhandenen Massenvernichtungsmittel aufzugeben. In einer Pressekonferenz vergangenen Montag erklärte er, das Aufspüren dieser Waffen sei von geringerer Priorität als den Irak zu stabilisieren. Eine Aussage, die Russlands Präsident Wladimir Putin zu spöttischen Äußerungen gegenüber Blair veranlasste. Er meinte ironisch, Saddam könnte sich in einem Bunker voller Massenvernichtungsmittel aufhalten und darauf warten, den ganzen Irak in die Luft zu jagen.

      Die "Financial Times" zitiert einen führenden Beamten der Bush-Regierung, der nicht genannt werden wollte, mit den Worten: "Ich wäre überrascht, wenn wir waffenfähiges Plutonium oder Uranium finden würden." Er bezeichnete es außerdem als äußerst unwahrscheinlich, dass große Mengen an biologischen oder chemischen Stoffen gefunden würden. Der Beamte ging sogar so weit, zu sagen, dass es seiner Regierung nie darum gegangen sei, riesige Waffenarsenale im Irak zu finden. Die USA hätten viel mehr befürchtet, dass Saddams "Team der 1000 Wissenschaftler", so genannte "nukleare Mudschaheddin" in Zukunft eine Gefahr darstellen könnten.
      Avatar
      schrieb am 04.05.03 19:59:39
      Beitrag Nr. 543 ()
      Meldung von heute:

      Sydney - Ein Außenpolitik-Experte der nordkoreanischen Regierung hat den USA mit einem Atomwaffenangriff gedroht, sollte Washington neue Wirtschaftssanktionen gegen das kommunistisch regierte Land verhängen.
      Nordkorea besitze "mindestens hundert Atomsprengköpfe", sagte der Direktor des staatlichen "Instituts für koreanisch-amerikanischen Frieden", Kim Myong Chol, am Sonntag dem australischen Fernsehsender Channel Nine. "Alle sind auf amerikanische Städte gerichtet."
      Kim Myong Chol sagte, er spreche offiziell im Namen der Regierung in Pjöngjang. Die nordkoreanische Nukleartechnik sei in Pakistan getestet worden, die Waffen schon hergestellt gewesen, bevor Pjöngjang den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet habe.
      (APA)



      "Institut für koreanisch-amerikanischen Frieden", die sind auch so schlau in Dialektik wie die Ami-NeoKons
      Avatar
      schrieb am 04.05.03 20:11:16
      Beitrag Nr. 544 ()
      Die USA und ihre neue Doktrin ...

      ... scheint sich doch gut zu bewähren!
      Avatar
      schrieb am 06.05.03 10:49:42
      Beitrag Nr. 545 ()
      Das Nachkriegsdilemma
      Über den Unilateralismus der USA. Von Boutros Boutros-Ghali

      Ist es noch möglich, die Welt-Hypermacht in ein wirklich multilaterales und multipolares Verhältnis einzugliedern? Es ist sicherlich einfacher zu verstehen, warum Washington sich entschlossen hat, eine entschiedene unilaterale Haltung einzunehmen, als die Begründungen der USA-Regierung für diesen Schritt zu akzeptieren. Als globale Macht, die wirtschaftliche Interessen weltweit zu verteidigen hat, halten sich die Vereinigten Staaten selbst als direkt verpflichtet, für eine planetarische Stabilität zu sorgen. Das US-Militär ist offenbar allen anderen Militärs auf der Welt überlegen, wie der Irak-Krieg wieder einmal gezeigt hat. Man muss sicherlich bis ins Römische Reich zurückgehen, um eine vergleichbare Macht wie die USA zu finden.

      Eine solche militärische Macht hat die Tendenz, diese Macht auch zu nutzen. Außerdem wird die Überlegenheit der USA auch in Sachen Technologie, Information oder Kultur in zunehmender Weise allen Zivilisationen auf der Erde aufgezwungen. Diese Verbindung von weiten Interessen und Vormachtstellung hat dazu geführt, dass die USA wiederholt einseitige Positionen auch in Bereichen einnehmen, die weit entfernt von der eigentlichen Außenpolitik liegen. Diese Haltung zeigt sich an Washingtons Ablehnung des Kyoto-Klimaschutz-Abkommens, des Internationalen Strafgerichtshofs und des Abkommens über das Atomtest-Verbot. Sie zeigt sich auch in Entscheidungen wie die Erhöhung der Zölle für Stahlimporte, die Erweiterung der Förderungen für die Landwirtschaft und den Rücktritt vom Verbot von Anti-Raketen-Systemen (ABM-Vertrag). Die gegenwärtige Position der USA auf den Punkt gebracht lautet: Multilateralismus darf USA-Aktionen weder blockieren noch bremsen.

      Sehr bezeichnend ist die Erklärung von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld: »Die Mission bestimmt die Koalitionen. Der Koalition darf es nicht gestattet werden, die Mission zu bestimmen.« Es sind die USA, und nur die USA, die ganz nach Laune zwischen Unilateralismus und Multilateralismus aussuchen dürfen. In den Augen der US-amerikanischen Neo-Imperialisten ist Multilateralismus nichts weiter als der Ausdruck der Machtlosigkeit von schwachen Staaten, die keine andere Wahl haben, als miteinander zu koalieren, um so zu versuchen, ein Gegengewicht gegen die USA-Herrschaft zu erstellen. Es ist wichtig, dass man sich der Gründe für den Multilateralismus besinnt. Einige Staaten begründen ihn eher aus den Geschehnissen der Gegenwart und aus bestimmten Interessen. Sie sind aber viel tiefer liegend im internationalen Recht verwurzelt.

      1. Es ist offensichtlich, dass die USA weder die Mittel noch den Willen haben, sich der Probleme des ganzen Planeten anzunehmen und diese zu lösen. Deshalb werden sie sich in Einvernehmen mit ihren Alliierten und zunehmend auch mit anderen Staaten setzen müssen.
      2. Auch wenn der US-amerikanische Unilateralismus wegen der militärischen Stärke zu repressiver Politik neigen mag, zu einer Politik von Zuckerbrot und Peitsche auch bei der wirtschaftlichen Entwicklung, der größten Sorge der Menschheit – es versteht sich von selbst, dass unter solchen Bedingungen Politik in einem multilateralen Kontext, basierend auf Gesprächen, Diplomatie und Verhandlungen, inklusive der Förderung wirtschaftlicher Zusammenarbeit, der bessere Ansatz ist.
      3. Im internationalen Recht und nach der UN-Charta sind alle Staaten gleich. Sie haben also die gleiche Verantwortung für die Annahme von Resolutionen zur Regulierung von Konflikten.
      4. Die Pax Americana verstößt gegen das internationale Recht, weil sie Präventivkriege fördert und gleichzeitig die Entwicklung von Mechanismen für internationale Gesetze ausgrenzt. Weil dieser Unilateralismus – im Dienste einseitiger Interessen – den Vereinten Nationen und der Erde eine schwere Hypothek aufbürdet, muss er als eine äußerst schwerwiegende Entwicklung erkannt werden.
      5. Um den Philosophen Pascal zu zitieren: »Demokratie innerhalb der USA – autoritär außerhalb der USA«. Tatsächlich ist es so, dass die USA-Regierung innerhalb des Landes die Gewaltenteilung zwischen Regierung und Parlament und öffentlicher Meinung anerkennt, während Washington auf internationaler Ebene von allen anderen Regierungen und Völkern die Anerkennung der ausgesprochen einseitigen Bestimmung einfordert: »Was gut für die USA ist, ist gut für die Welt.«
      6. Die gravierendste Konsequenz dieser Tendenz ist die globale Militarisierung. Wie kann ein unilateraler Ansatz solche Länder wie China, Indien und Pakistan davon abhalten, ihre nuklearen Arsenale auszubauen? Wie können kleinere Länder davon abgehalten werden, sich weniger aufwändige, dafür aber zerstörerische Waffen anzueignen? Wie kann die Ausbreitung von Terrorismus aufgehalten werden? Kurzum, es gibt handfeste Gründe zur Sorge, dass der Terrorismus weiterhin benutzt wird, um internationales Handeln zu begründen – zu einer Zeit, wo wir eigentlich unseren politischen Willen, unsere Energie und unsere Ressourcen vollständig dem Aufbau von Frieden, Entwicklung und dem Kampf gegen Armut widmen sollten.


      * Boutros Boutros-Ghali war von 1992 bis 1996 Generalsekretär der Vereinten Nationen. Die USA verhinderten seine Wiederwahl und setzten sich für Kofi Annan als seinen Nachfolger ein.
      Avatar
      schrieb am 06.05.03 20:52:08
      !
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      Avatar
      schrieb am 08.05.03 16:56:09
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      schrieb am 13.05.03 14:13:57
      Beitrag Nr. 548 ()
      Anschläge in Riad

      Möglicherweise über hundert Tote

      Die Opferzahlen bei den verheerenden Terroranschlägen im saudi-arabischen Riad sind offenbar weit höher als befürchtet. Allein in einem Krankenhaus wurden einem Arzt zufolge 40 bis 50 Tote gezählt. In US-Regierungskreisen ist von über hundert Toten die Rede. Darunter seien auch Deutsche. Für US-Außenminister Powell steht fest: Hinter dem Anschlag steckt al-Qaida.


      REUTERS

      Die Anschläge hinterließen ein Bild der Verwüstung


      Riad - Das Szenario war nach bisherigen Erkenntnissen offenbar in allen drei Fällen gleich: Ein mit Sprengstoff beladenes Auto raste kurz vor Mitternacht in eine Wohnanlage, durchbrach die strengen Sicherheitsbarrieren und explodierte. Augenzeugen berichteten von Explosionen, die über den Wohnvierteln Gharnata, Ischbilija und Cordoba Feuerbälle in den Nachthimmel aufsteigen ließen. Eine vierte Explosion ereignete sich am frühen Morgen am Sitz der Firma Siyanco, eines Unternehmens in amerikanisch-saudi-arabischem Besitz.

      Der saudi-arabische Innenminister Prinz Naif Ibn Abd al-Asis brachte die Anschläge in einem Bericht der Zeitung "al-Riad" in Zusammenhang mit einer Gruppe von 19 mutmaßlichen al-Qaida-Anhängern, nach denen seit dem 6. Mai gesucht werde. Die Regierung hatte damals nach der Entdeckung eines großen Waffen- und Sprengstofflagers in Riad eine Belohnung von 50.000 Dollar auf Hinweise zur Ergreifung der Verdächtigen ausgesetzt. Es handelt sich um 17 Saudi-Araber, einen Jemeniten und einen Iraker mit kuweitischem und kanadischem Pass.

      Das Auswärtige Amt in Berlin hat einer Sprecherin zufolge keine Hinweise auf deutsche Opfer der Anschläge. Die Sprecherin verwies zudem auf die Empfehlung des Ministeriums, Reisen nach Saudi-Arabien auf das notwendige Minimum zu beschränken und bei Aufenthalten in dem arabischen Land besondere Vorsicht walten zu lassen.

      Der US-Botschafter Robert Jordan empfahl allen US-Bürgern, die sich nicht unbedingt in Saudi-Arabien aufhalten müssten, die Ausreise. Das US-Außenministerium erwägt offenbar sogar eine Evakuierung.

      "Umgeben von Menschen, die uns hier nicht wollen"

      Krankenwagen und Polizeiautos waren in der Nacht zu der Wohnanlage im östlichen Vorort Garnata geeilt. Hunderte Polizisten und Angehörige der Nationalgarde riegelten das Gebiet ab und brachten Bewohner in Sicherheit. Die Gebäude gehören dem stellvertretenden Gouverneur von Riad, Abdulla al-Blaidh. In der Luft kreisten Hubschrauber, die die Gegend mit Scheinwerfern absuchten.


      AP

      Ruine einer der westlichen Wohnanlagen


      Ein Bewohner eines der angegriffenen Viertel berichtete, er sei von Schüssen geweckt worden. "Augenblicke später war eine laute Explosion zu hören, gefolgt von einer noch größeren", sagte der Mann der Zeitung "Arab News". "Ich habe ein fünf Monate altes Baby. Sie schlief neben dem Fenster, als sich die Explosion ereignete."

      "Was mache ich in einem Land, wo wir diese Art von Bewachung brauchen?", fragte eine Australierin im Fernsehsender CNN. "Wir sind umgeben von Menschen, die uns offensichtlich hier nicht wollen ... dies ist der hässlichste Tag meines Lebens." Sie berichtete, Lastwagen seien gegen die Tore ihres ummauerten und scharf bewachten Wohngebiets gefahren und nach einem Schusswechsel explodiert.


      REUTERS

      Ein Polizist am Ort eines der Attentate


      Krankenhausärzte in Riad berichteten, sie hätten bereits über 60 Verletzte in Behandlung. Unter ihnen sind nach Angaben des US-Botschafters in Saudi-Arabien auch 40 Amerikaner. Australischen Angaben zufolge gab es insgesamt 160 Verletzte. Auch von einem getöteten Australier ist die Rede. Der australische Außenminister Alexander Downer hatte zuvor ohne Angaben von Quellen mitgeteilt, der Tod von drei Menschen sei bestätigt worden. Zuletzt berichteten dänische Zeitung unter Berufung auf einen dänischen Arzt in Riad, dass in einem Krankenhaus 40 bis 50 Tote gezählt wurden. Aus US-Regierungskreisen verlautete am Mittag, die Gesamtzahl der Toten scheine über 100 zu liegen. Neben Amerikanern seien deutsche, britische, französische und australische Staatsbürger unter den Opfern.

      Einer der Wagen, nach Angaben der Nachrichtenagentur AP ein schwarzer Chevrolet Caprice, habe mit voller Fahrt das Tor einer Wohnanlage durchbrochen und sei dann in Flammen aufgegangen. Die Wucht der Explosion erschütterte umliegende Gebäude und zertrümmerte Scheiben in der Nachbarschaft.

      Die Bombenserie ist die jüngste Attacke in einer Reihe von Anschlägen auf westliche Ausländer in Saudi-Arabien, dem Geburtsland des Terrorchefs Osama Bin Laden. In Washington sagte ein US-Vertreter, es bestehe der Verdacht, dass es sich um einen Anschlag von Bin Ladens al-Qaida handeln könne.

      "Die USA lassen sich nicht abschrecken"

      Die Explosionen ereigneten sich nur wenige Stunden vor dem Eintreffen des US-Außenministers Colin Powell, der heute auf seiner Nahost-Reise von der jordanischen Hauptstadt Amman nach Riad flog. Powell sagte nach seiner Ankunft in Riad, der Terrorismus sei "eine Bedrohung für die zivilisierte Welt". Powell wurde bei seiner Ankunft in Saudi-Arabien von Außenminister Prinz Saud begrüßt. Dieser versprach, mit den USA im Kampf gegen den Terrorismus zu kooperieren. Powell wolle auch die Orte besuchen, an denen in der Nacht die Bomben explodiert seien, hieß es.

      Zuvor hatte der Außenminister auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem jordanischen Kollegen Marwan al-Muaschir in Amman gesagt, die Anschlagsserie trage die Handschrift von al-Qaida. Die Explosionsserie zeige, dass al-Qaida immer noch über einen erheblichen Handlungsspielraum verfüge. "Für mich bedeutet das, dass der Krieg weitergeht."

      "Ein weiteres Mal wurden wir daran erinnert, dass der Terrorismus ein globales Phänomen ist. Die USA lassen sich nicht abschrecken, weltweit die Interessen des Friedens zu verfolgen." Der Chefdiplomat will die Saudis für mehr Einsatz beim Kampf gegen den Terrorismus sowie für die Unterstützung der "Roadmap" für den Frieden im Nahen Osten gewinnen.


      REUTERS

      Powell bei der Pressekonferenz in Amman


      15 der 19 Attentäter der Anschläge vom 11. September 2001 stammten aus dem Wüstenstaat am persischen Golf. In den vergangenen zwei Jahren hatte es im Königreich mehrere Angriffe auf Ausländer gegeben. Dabei waren unter anderem Autobomben eingesetzt worden. Die saudischen Behörden hatten vor wenigen Wochen erstmals die Existenz islamistischer Extremisten im Land eingeräumt und mehrere Festnahmen bekannt gegeben.

      Erst vor wenigen Tagen hatte das US-Außenministerium US-Bürgern von Reisen nach Saudi-Arabien abgeraten. Zur Begründung wurde eine erhöhte Terrorgefahr genannt. Am 6. Mai hatten saudi-arabische Sicherheitskräfte auf der Suche nach Terrorverdächtigen in Riad ein großes Waffen- und Sprengstofflager entdeckt.

      Ölpreis steigt

      Der Ölpreis zog um mehr als 1,6 Prozent an. "Saudi-Arabien ist der größte Ölproduzent und ein Anschlag auf den Ölsektor wäre ein Desaster", sagte der Tokioter Analyst Katsunori Watanabe. Ein Frankfurter Aktienhändler sagte: "Der fallende Ölpreis war zuletzt auch immer eine Begründung für steigende Aktienkurse. Daher dürfte das heute auch belasten."




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      schrieb am 13.05.03 19:43:24
      Beitrag Nr. 549 ()
      Studie

      Irak-Krieg verringerte Terror-Gefahr nicht

      Der Krieg gegen den Irak hat den gegen die USA gerichteten Terrorismus nicht gemindert. Zu diesem Urteil kommt ein Papier des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) in London.


      AP

      Pakistanisches Trainingscamp für islamistische Extremisten: "Nach wie vor schlagkräftig"


      London - Das IISS legte am Dienstag seinen Jahresbericht "Strategic Survey 2002/2003" vor. Darin stellt das Institut fest, dass das Terrornetzwerk al-Qaida nach wie vor "schlagkräftig" sei. Dies habe die Anschlagserie in Saudi-Arabien deutlich gezeigt, nahm der IISS-Direktor John Chipman bei der Vorstellung der Studie auf den jüngsten Anschlag Bezug. Chipman sagte, es wäre unklug, anzunehmen, dass der anti-amerikanische Terrorismus unter Druck geraten sei.

      Eindringlich mahnt der Bericht zur strategischen Weltlage eine enge und wirksame Zusammenarbeit zwischen den USA und Europa bei der Einschätzung der globalen Terrorbedrohung an. Als "logisches Instrument" für eine regelmäßige Risikoeinschätzung sowie die Ausarbeitung eines westlichen Konsenses in der Strategiedebatte biete sich die Nato an, hieß es in dem Bericht. Das Beispiel Afghanistan habe gezeigt, dass das nordatlantische Bündnis auch außerhalb ihres ursprünglichen Einsatzgebiets eine wirksame Rolle spielen könne.

      Laut Chipman ist in der Nato eine "strategische Versöhnung" notwendig. Um dies zu ermöglichen, müssten einige der führenden europäischen Nationen ihre "Illusion von einer multipolaren Welt" aufgeben, die den Westen spalten würde. Eine "gemanagte Unipolarität", bei der Europa seinen begrenzten Einfluss auf die USA aufrechterhalten würde, wäre dem Bericht zufolge "die bessere Option". Die Londoner Studie stellt sich damit hinter die Politik des britischen Premierministers Tony Blair. Sie sieht offenbar in der in der Irak-Frage von Deutschland und Frankreich vertretenden Haltung keine geeignete politische Strategie für die Zukunft.

      Dem "Strategic Survey" zufolge setzt Osama Bin Ladens Terrornetzwerk die Anwerbung von Kämpfern unvermindert fort. Weltweit würden 18.000 "potenzielle Terroristen" gesucht. Eine "Rumpfführung" von zwischen 20 und 30 Gründungsmitgliedern der Qaida bestehe fort. Es könne möglicherweise eine ganze Generation dauern, bis al-Qaida endgültig bekämpft sei.
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      schrieb am 21.05.03 18:08:22
      Beitrag Nr. 550 ()
      US-Nuklearpläne

      "Einbahnstraße in den Atomkrieg"

      Von Markus Becker

      Die Washingtoner Falken haben sich einen alten Wunsch erfüllt: Der US-Senat stimmte der Entwicklung von Atomwaffen zu, die klein genug sein sollen, um einen Einsatz denkbar zu machen. Experten aber halten die Vorstellung, eine Atombombe ohne den Verlust tausender Menschenleben einsetzen zu können, für eine gefährliche Illusion.


      US Airforce

      US-Bunkerknacker vom Typ GBU-28: Maximal 20 Meter tief


      Washington - Mit 51 zu 43 Stimmen hatten die Senatoren in der Nacht zum Mittwoch einen Antrag von US-Präsident George W. Bush gebilligt, das Verbot zur Erforschung und Entwicklung von taktischen Atomwaffen aufzuheben.

      Die vor zehn Jahren eingeführte Sperre bezog sich auf Nuklearwaffen mit einer Brisanz von bis zu fünf Kilotonnen TNT. Dies entspricht etwa einem Drittel der Sprengkraft der Hiroschima-Bombe, die 1945 mehr als 100.000 Menschen tötete. Eine ähnliche Beschlussvorlage liegt dem US-Repräsentantenhaus vor, dessen Zustimmung als sicher gilt: Wie im Senat sind auch hier die regierenden Republikaner in der Mehrheit.

      Die Entscheidung des Senats bedeutete eine radikale Umkehr in der Nuklearpolitik der USA: Statt wie zu Zeiten des kalten Krieges ein strategisches Nuklearpotenzial zur Abschreckung zu unterhalten, drängt die Bush-Regierung auf die Entwicklung kleiner taktischer Nuklearwaffen, deren Einsatz leichter zu rechtfertigen wäre.

      Abschreckung gegenüber "Schurkenstaaten"

      Konservative Hardliner aus Bushs Umfeld hatten seit Jahren auf den Bau der so genannten Mini-Nukes gedrängt, um tief unter der Erde vergrabene Einrichtungen zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen angreifen zu können. Ihr Hauptargument: "Benutzbare" Atomwaffen mit vergleichsweise geringer Vernichtungskraft besitzen ein Abschreckungspotenzial gegenüber "Schurkenstaaten" und Terror-Organisationen. Die derzeitigen Sprengköpfe im US-Arsenal verfügten über eine derart apokalyptische Wirkung, dass die Drohung mit ihrem Einsatz nicht ernst zu nehmen sei.


      DPA

      Atompilz über Hiroschima: US-Regierung darf "Mini-Nukes" mit einem Drittel der Sprengkraft entwickeln


      Die Befürworter zeichnen dabei gern das Bild einer "sanften" Atomwaffe, die sich tief in die Erde bohre und deren Sprengsatz klein genug sei, um massive Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden.

      Experten halten ein solches Szenario dagegen für gefährliche Augenwischerei. In einer Studie, veröffentlicht von der angesehenen Federation of American Scientists (FAS), warnte der Physiker Robert Nelson eindringlich vor dem Einsatz noch so kleiner Atomwaffen. "Kein Geschoss könnte tief genug in die Erde eindringen, um die Explosion einer Atombombe einzudämmen." Das gelte sogar für Waffen, die lediglich über ein Hundertstel der Sprengkraft der Hiroschima-Bombe verfügten. "Die Explosion würde einen gewaltigen Krater von radioaktivem Dreck in die Luft jagen, der mit extrem intensivem und tödlichem Fallout auf die umgebende Region niederginge", schrieb der Professor der Princeton University. Die Folge wäre eine "enorme Zahl an zivilen Opfern".

      200 Meter nötig, 20 Meter möglich

      Auch bedeutende Fortschritte an bisherigen "Bunkerknacker"-Bomben könnten die Gefahr nicht mildern, glaubt Nelson. Atomtests in der Wüste von Nevada während der sechziger Jahren hätten bewiesen, dass eine Fünf-Kilotonnen-Atombombe rund 200 Meter tief in die Erde eindringen müsste, um vollkommen gebändigt zu werden. Selbst dann aber könne radioaktive Strahlung durch feine Risse in die Außenwelt gelangen.


      AP

      Pentagon-Chef Rumsfeld: Angeblich nur Forschung im Sinn


      Von einer solchen Waffe aber ist das US-Militär weit entfernt. Die Planer des Pentagon denken vor allem an eine Weiterentwicklung der Gravitationsbombe vom Typ B61-11. In einem vor über einem Jahr veröffentlichten Regierungspapier, dem "Nuclear Posture Review", war davon die Rede, die Waffe mit einem Mantel aus gehärtetem Stahl und einer atomaren Sprengladung zu versehen, die tief in der Erde explodieren soll.

      Angst vor großem Atomkrieg

      Allerdings gibt selbst das Pentagon in dem Papier zu, dass die B61-11 den Einschlag in die meisten gehärteten Böden nicht überstehen würde. Laut Nelson kann die Bombe lediglich sechs Meter tief in die Erde eindringen, selbst wenn sie aus einer Höhe von mehr als zwölf Kilometern abgeworfen wird.

      Die besten konventionellen "Bunkerknacker" des Pentagon erreichten eine maximale Tiefe von 18 Metern. Größeren Leistungen, argumentiert Nelson, stehen schlichtweg die Gesetze der Physik im Wege: "Die Tiefe des Eindringens ist von der Stärke der Geschosshülle abhängig. Selbst die stärksten Materialien würden sich verformen oder sogar schmelzen bei Aufschlaggeschwindigkeiten von mehr als einigen Kilometern pro Sekunde." Michael Levi, Vizedirektor des Strategischen Sicherheitsprojekts der FAS, warnte auf Grund dieser Erkenntnisse gar vor einem nuklearen Holocaust: "Der Einsatz einer Atomwaffe, egal wie klein, könnte leicht einen größeren Atomkrieg auslösen."

      "Nur Forschung? Blödsinn!"

      Levi gehört einer Organisation an, die weiß, wovon sie spricht: Die FAS wurde 1945 als Federation of Atomic Scientists von ehemaligen Mitgliedern des "Manhattan Project" der US-Regierung gegründet, in dessen Rahmen die erste Atombombe entwickelt worden war. Die Organisation wird von 60 Nobelpreisträgern verschiedener Disziplinen unterstützt und gilt als Schnittstelle zwischen Militärexperten, Medien sowie Menschenrechts- und Waffenkontrollgruppen.


      AP

      Senator Edward M. Kennedy: "Einbahnstraße in den Atomkrieg"


      Oppositionspolitiker in Washington teilen die Ängste der Experten. Auf die Beteuerung von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, lediglich an Mini-Nukes zu forschen, reagierten sie mit blankem Spott: "Nur Forschung? Blödsinn!", sagte die demokratische Senatorin Dianne Feinstein. "Glaubt das wirklich jemand?"

      Ihr Parteifreund Senator Edward M. Kennedy reagierte mit noch dunkleren Visionen auf die Entscheidung des Senats. "Wenn wir sie bauen, werden wir sie auch einsetzen", sagte Kennedy gegenüber der "Washington Post" zu der Entwicklung der Mini-Atomwaffen. "Das ist eine Einbahnstraße, die nur zu einem Atomkrieg führen kann."
      Avatar
      schrieb am 24.05.03 20:47:23
      Beitrag Nr. 551 ()
      SPIEGEL ONLINE - 23. Mai 2003, 10:21
      URL: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,249950,00.html



      Die "New York Times" zu den totalitaristischen Bestrebungen in den USA:


      Opinion

      In the Aftermath of Sept. 11


      We remain concerned about the Justice Department`s new terrorism-fighting powers and the Pentagon`s plans for an antiterrorism surveillance system.




      The Justice Department has been relatively restrained in the use of the new terrorism-fighting powers it was granted after the Sept. 11 attacks, but the potential for abuse still exists. That is the message we get from the department`s report to Congress this week on how it has employed provisions of the Patriot Act, which greatly expanded the government`s authority to investigate potential terrorist threats within the United States.

      It appears that several practices that could infringe on civil liberties have not been widespread. The report says that F.B.I. agents from "fewer than 10" field offices visited mosques in their investigations, a new power given to the agency. It puts the number of contacts with libraries in terrorism investigations at about 50, and says that many times a librarian initiated the contact.

      The picture on material witnesses is more troubling. The law allows prosecutors to detain potential grand jury witnesses, raising concerns that it could be used to hold people indefinitely without charges. The report states that "fewer than 50" people were held as material witnesses in connection with the Sept. 11 attacks, but it did not dispel reports that as many as half of those held had not ever been called as material witnesses.

      On this subject, as on many others in the report, the Justice Department owes Congress a fuller explanation. Though details about investigative targets and detained individuals may not be appropriate for public disclosure, Congress has procedures for keeping such information confidential.

      We also remain concerned about the Pentagon`s plans for an antiterrorism surveillance system. The program, known as Terrorist Information Awareness - a change from the original, more Orwellian, name, Total Information Awareness - calls for creating a huge computer database to track individuals. It is directed by retired Adm. John Poindexter, whose misjudgments as Ronald Reagan`s national security adviser helped produce the Iran-contra affair. The aim is to collect information ranging from financial and medical records to data on the way individuals walk.

      It is not clear why the government needs all this information, and what safeguards will be put in place to prevent its misuse. The program`s interest in improbable technologies like identifying people by their gait suggests that the entire effort is a gigantic, delusional waste of money.
      Avatar
      schrieb am 30.05.03 16:14:47
      Beitrag Nr. 552 ()
      Wirbel um US-Geständnis

      "Lügen, Lügen, Lügen"

      Von Severin Weiland

      Ein Interview empört die Europäer: US-Vizeverteidigungsminister Wolfowitz räumte ein, dass die Suche nach Massenvernichtungswaffen den Amerikanern nur als Vorwand für den Irak-Krieg diente. Rumsfeld dementiert, doch der Zorn ist nicht zu bremsen.


      AP

      Paul Wolfowitz: Waffenbedrohung als passendes Kriegsargument


      London - Ein Interview des stellvertretenden US-Verteidigungsministers Paul Wolfowitz nährt die Befürchtungen der Kriegsgegner, die USA hätten nur nach einem Vorwand für den Einmarsch im Irak gesucht. Gegenüber dem Hochglanzmagazin "Vanity Fair" sagte Wolfowitz: "Aus bürokratischen Gründen haben wir uns auf eine Sache konzentriert, die Massenvernichtungswaffen."

      Als wesentlichen Kriegsgrund, der so gut wie nie publik gemacht worden sei, nennt Wolfowitz den Umstand, dass die USA nach der Entmachtung von Saddam Hussein nun ihre Truppen aus Saudi-Arabien abziehen könnten. Damit verringere sich für die USA das Risiko von Terroranschlägen.

      Rumsfelds schwaches Dementi


      Die Reaktion auf die amerikanische Erklärung gleicht einem Donnerschlag. Der britische "Independent" titelt: "Massenvernichtungswaffen nur bequeme Entschuldigung für den Krieg, gibt Wolfowitz zu". "Lügen, Lügen, Lügen", schimpft der "Daily Mirror", und vom rechten "Daily Telegraph" bis zum linken "Guardian" sah die Presse eine "Glaubwürdigkeitskrise" des Premierministers Tony Blair.


      Der beeilte sich im Chor mit US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, den Vorwandsverdacht auszuräumen. Rumsfeld beteuerte in einem Radiointerview, den Krieg nicht unter falschem Vorwand betrieben zu haben. Unbeirrt ob des Fehlens jeglicher Beweise behauptet er weiter, dass Saddam chemische und biologische Kampfstoffe besessen habe. Möglicherweise habe der Diktator diesen aber vor dem Krieg vernichten lassen.

      SPD-Fraktionsvize Erler: Bringschuld der Amerikaner

      Das Auswärtige Amt in Berlin äußerte sich am Freitag nicht direkt zu den Presseberichten und Äußerungen von Rumsfeld und Wolfowitz. Eine Sprecherin verwies jedoch auf die jüngst verabschiedete Uno-Resolution 1483. Darin sei festgehalten worden, dass die "Frage der Zertifizierung" von Massenvernichtungswaffen im Irak weiterhin im Sicherheitsrat auf der Tagesordnung bleibe.


      DDP

      SPD_Fraktionsvize Erler: im Nachhinein keine neuen Gründe vorlegen


      Deutliches Unbehagen drückte hingegen der SPD-Fraktionsvize Gernot Erler gegenüber SPIEGEL ONLINE aus. Er sehe eine "eindeutige Bringschuld der Amerikaner und Briten, was die Informationen über angebliche Massenvernichtungswaffen angeht". Schließlich habe der Verweis auf das Vorhandensein dieser Waffen als Legitimation des Krieges gedient, so der Außenpolitiker weiter.

      Nach Einschätzung Erlers könnten die Äußerungen von Rumsfeld und Wolfowitz auch "Testballons sein, um Reaktionen der internationalen Gemeinschaft hervorzurufen". Beide Staaten befänden sich weiterhin in der "unangenehmen Lage", dass die Beweggründe für den Anlass des Krieges nicht gefunden worden seien. Es sei jedoch nicht so einfach möglich, die "Legitimation für den Krieg nachträglich beliebig durch neue Begründungen zu ersetzen", so Erler in Anspielung auf Wolfowitz Äußerung, den USA sei es eigentlich um eine Verlegung ihrer Truppen von Saudi-Arabien in den Irak gegangen.

      Kritik äußerte der SPD-Politiker auch an der Geheimdienst-Politik beider Staaten. Entweder hätten beide Regierungen "falsche Geheimdienstinformationen erhalten oder diese wurden falsch interpretiert". Erler betonte, er gehe nach wie vor davon aus, dass die US-Regierung die Völkergemeinschaft "nicht willentlich hinters Licht geführt hat".

      Dennoch müssten beide Länder hier für Aufklärung sorgen. Mittlerweile gehe es auch um die "internationale Glaubwürdigkeit" beider Staaten, so Erler. In beiden Ländern werde schließlich mit Verweis auf Geheimdienstinformationen nach wie vor Politik gemacht, so jüngst gegenüber Syrien, Iran, aber auch gegenüber Frankreich. Kürzlich hatten US-Medien behauptet, Paris habe mit falschen Papieren führenden Anhängern des Regimes von Saddam Hussein zur Flucht verholfen.

      CDU-Außenpolitiker Pflüger wiegelt ab

      Als "ziemlich abenteuerlich" bezeichnete hingegen der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedbert Pflüger, die jetzt entstandene Debatte. Er habe "nicht den Hauch eines Zweifels", dass Saddam Hussein zu Beginn des Krieges Massenvernichtungswaffen besessen habe. "Wenn man sie nicht findet, heißt es doch noch lange nicht, dass es sie nicht gibt - sondern dass er sie gut versteckt hat", so der CDU-Politiker gegenüber SPIEGEL ONLINE. Es sei bislang ja auch nicht Saddam Hussein gefunden worden. "Und es zweifelt wohl doch niemand, dass es ihn nicht gegeben hat", so der Christdemokrat.

      "Das amerikanische Eingeständnis", titelt die französische Tageszeitung "le Monde" und schreibt: "Die Wahrheit, die die Amerikaner kannten, wird heute offensichtlich: Der Krieg wurde nicht geführt, um diese Waffen zu zerstören, sondern um das Regime in Bagdad auszuwechseln und den Nahen Osten neu zu ordnen. Die Waffen haben nur als Vorwand gedient.

      Blair gerät wieder unter Druck

      Auch Tony Blair sieht sich durch Wolfowitz` Enthüllung empfindlich in die Ecke gedrängt. Statt bei seiner Visite im Irak als Sieger aufzutreten, muss er wieder einmal seine Rolle als Kriegsherr verteidigen - auch in der eigenen Partei. "Der ganze Krieg war auf Unwahrheit gebaut, die britische Demokratie wird langfristig Schaden nehmen", sagte der Labour-Veteran Tony Benn. Linke Parteirebellen forderten, Blair müsse sich vor dem Parlament verantworten.


      REUTERS

      Tony Blair bei seinem Besuch der Truppen in Basra: Druck der Heimatfront


      Hinzu kommen Berichte, wonach ein vor dem Krieg veröffentlichtes Dossier über die Gefährlichkeit Saddam Husseins von der Downing Street absichtlich dramatisiert worden ist. Gegen den Willen der Geheimdienste, auf deren Informationen der Bericht beruhte, habe Blair im Vorwort geschrieben, einige der irakischen Massenvernichtungswaffen könnten innerhalb von nur 45 Minuten einsatzbereit sein. US-Soldaten suchen nunmehr seit acht Wochen so hartnäckig wie erfolglos nach einem Corpus Delicti.


      Ein oppositioneller britischer Staatssekretär sagte dem "Independent", falls tatsächlich keine Massenvernichtungswaffen gefunden werden sollten, wäre dies "das größte Versagen der britischen Geheimdienste überhaupt".

      Blair bestritt am Freitag in Polen alle Vorwürfe als "völlig absurd". Er habe "keinen Zweifel" am Wahrheitsgehalt der von den Geheimdiensten vorgelegten Beweise. Vor Soldaten in Basra jedoch räumte der Premier "Unstimmigkeiten" über die Gründe für den Krieg ein.
      Avatar
      schrieb am 30.05.03 16:19:52
      Beitrag Nr. 553 ()
      CDU-Außenpolitiker Pflüger wiegelt ab

      Als "ziemlich abenteuerlich" bezeichnete hingegen der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedbert Pflüger, die jetzt entstandene Debatte. Er habe "nicht den Hauch eines Zweifels", dass Saddam Hussein zu Beginn des Krieges Massenvernichtungswaffen besessen habe. "Wenn man sie nicht findet, heißt es doch noch lange nicht, dass es sie nicht gibt - sondern dass er sie gut versteckt hat", so der CDU-Politiker gegenüber SPIEGEL ONLINE. Es sei bislang ja auch nicht Saddam Hussein gefunden worden. "Und es zweifelt wohl doch niemand, dass es ihn nicht gegeben hat", so der Christdemokrat.


      wie kann man nur so dumm sein :laugh: :laugh: :laugh:
      die USA könnten wohl auch eine Atombombe abwerfen und die CDU würde eine passende Erklärung finden.
      Avatar
      schrieb am 04.06.03 10:11:30
      Beitrag Nr. 554 ()
      Der endgueltige Offenbarungseid der Kriegstreiber:


      SPIEGEL ONLINE - 03. Juni 2003, 12:21
      URL: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,251365,00.html
      Streit um Kriegsgrund

      US-Kongress will Klärung

      In den Streit über die Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen schaltet sich jetzt auch der amerikanische Kongress ein. Zwei Ausschüsse des Senats wollen klären, ob die US-Regierung die Gefahr, die von den Waffen Saddams Husseins ausging, übertrieben hat. Und auch Tony Blair erwartet in Großbritannien Ärger.



      Kriegsherren im Zwielicht: Bush (r.) und Blair


      Washington - Noch in diesem Monat würden gemeinsame Anhörungen beginnen, teilte der republikanische Senator John Warner mit. Besonders die Glaubwürdigkeit von Präsident George W. Bush, Außenminister Colin Powell, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und CIA-Direktor George Tenet werde in Zweifel gezogen. Es sei wahrscheinlich, dass alle drei auch vor dem Ausschuss aussagen müssten, berichtet BBC.

      Der Geheimdienst CIA solle umgehend seine Dokumente zur Verfügung stellen, kündigte Warner an. Der demokratische US-Senator Bob Graham sagte im Fernsehsender CNN, sollten keine Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden werden, stelle dies ein "schweres Scheitern" der Geheimdienste dar.

      Powell hatte sich bei seinem entscheidenden Auftritt vor dem Weltsicherheitsrat im Februar auf CIA-Material bezogen, dass die Gefahr irakischer Massenvernichtungswaffen verdeutlichen sollte. Doch frühere US-Geheimdienstexperten beschuldigen die US-Regierung, noch nie seien Geheimdienstinformationen auf solch systematische Art verdreht worden, um die Zustimmung des Kongresses für einen Krieg zu gewinnen. Rumsfeld habe das Geheimdienstmaterial über den Irak "in fast krankhafter Weise stark verzerrt", zitiert das US-Magazin "Time" einen Nachrichtenoffizier.

      CIA-Chef Tenet hat die Vorwürfe bestritten und die "Integrität" der Informationssammlung zu den irakischen Massenvernichtungswaffen verteidigt. Auch Powell verteidigte den Geheimdienst. Das für seinen Uno-Auftritt genutzte Material entstamme soliden Informationen, sagte der US-Außenminister auf seinem Flug ins ägyptische Scharm al-Scheich.

      Labour macht Druck

      Ärger erwartet auch Großbritanniens Premier Tony Blair. Auch er muss wegen der anhaltenden Zweifel am Kriegsgrund mit einer parlamentarischen Untersuchung rechnen. Der Labour-Abgeordnete Tony Wright sagte BBC, er halte eine offizielle Untersuchung für "nahezu unvermeidlich". Auch Blair wird vorgeworfen, er habe die Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen dramatisch übertrieben.

      "Ich glaube, die jüngste Entwicklung legt nahe, dass die Regierung nicht korrekt vorgegangen ist, was die Informationen betrifft", sagte Wright. In Großbritannien konzentriert sich die Kritik auf ein im September veröffentlichtes Regierungsdossier, in dem es hieß, Irak könne chemische und biologische Waffen binnen 45 Minuten einsetzen. Über 50 Labour-Abgeordnete haben einen Antrag unterzeichnet, der die Veröffentlichung von Belegen für das Dossier fordert. Dasselbe verlangt die konservative Opposition. Für eine förmliche Untersuchung der Vorwürfe gegen Blair gibt es allerdings noch keine sichere Mehrheit im Parlament. Nur die kleine Liberaldemokratische Partei hat sich klar dafür ausgesprochen.

      Blix: Wir hatten keine Beweise

      Ein irakischer Wissenschaftler sprang Washington und London unterdessen bei. Jederzeit hätten in für zivile wie militärische Zwecke gleichermaßen nutzbaren Industrieanlagen im Irak chemische und biologische Waffen produziert werden können. Die Aussagen des Irakers vom 7. Mai wurden der "Washington Post" von der US-Regierung zur Verfügung gestellt. Zwei im Nordirak gefundenen Lastwagen, die nach Angaben Washingtons als mobile Labors zur Herstellung von biologischen Kampfstoffen ausgestattet waren, seien Beweis für diese Strategie.

      Uno-Chefwaffeninspektor Hans Blix stellte unterdessen erneut klar, dass sein Team keine Beweise habe, dass Saddam Hussein im Besitz von Massenvernichtungswaffen war. Es habe aber zahlreiche Hinweise auf chemische und biologische Waffen gegeben, schrieb Blix in seinem am Montag vorgestellten Abschlussbericht für den Weltsicherheitsrat.

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      SPIEGEL ONLINE - 03. Juni 2003, 23:43
      URL: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,251429,00.html
      Kritik am Premier

      Unterhaus untersucht nachträglich Blairs Kriegslust

      Der Krieg ist längst gewonnen, doch die Heimatfront macht immer größere Probleme: Der Druck auf den britischen Premier Tony Blair nimmt zu. Jetzt untersucht ein Parlamentsausschuss die Umstände der britischen Kriegsteilnahme.




      Blair: Jubel am 29. Mai in Basra, Ärger zu Hause


      London - Der Außenpolitische Ausschuss des britischen Unterhauses wird die Umstände untersuchen, die zur Entscheidung der Blair-Regierung für den Irak-Krieg geführt haben. Das teilte der Ausschuss in London mit.

      Die Berichte des Ausschusses werden vermutlich wie üblich veröffentlicht. Blairs Büro hat Vorbehalte gegen eine öffentliche Untersuchung angemeldet. Die Regierung bevorzugt eine Untersuchung hinter verschlossenen Türen durch den Geheimdienst- und Sicherheitsausschuss. Kein Wunder, denn der erstattet dem Premierminister und nicht dem Parlament Bericht.

      Abgeordnete auch seiner eigenen Partei sprachen sich jedoch für eine offene Untersuchung aus. Vor dem Krieg hatte Blair große Schwierigkeiten gehabt, seinen Kriegskurs selbst in der eigenen Partei durchzusetzen - nach dem Krieg ist er wegen seiner Unterstützung für den Kurs von US-Präsident George W. Bush weiterhin in der Kritik. Der Vorwurf gegen Blair lautet, der Regierungschef habe die Bedrohung durch den Irak im Vorfeld des Krieges dramatisch übertrieben.

      Der Labour-Abgeordnete Tony Wright sagte dem Rundfunksender BBC: "Ich glaube, die jüngste Entwicklung legt nahe, dass die Regierung nicht korrekt vorgegangen ist, was die Informationen betrifft." Die Kritik an Blair bezieht sich vor allem auf ein im September veröffentlichtes Regierungsdossier, in dem es hieß, der Irak könne chemische und biologische Waffen binnen 45 Minuten einsetzen.

      Die Debatte um die Rechtfertigung des Kriegs war am Wochenende neu entfacht, nachdem der stellvertretende amerikanische Verteidigungsministers Paul Wolfowitz erklärt hatte, die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen sei nur nach außen als zentraler Grund für den Krieg dargestellt worden. Die ehemalige britische Entwicklungshilfeministerin Clare Short warf Blair daraufhin vor, das Kabinett in der Frage des Kriegsgrunds systematisch hinters Licht geführt zu haben.

      Blairs ehemaliger Außenminister Robin Cook kritisierte, das britische Volk habe ein "Anrecht auf die Wahrheit", die Regierung dürfe ihre Fehler nicht "vertuschen". Der Labour-Politiker Lord Healey, ein ehemaliger Finanzminister, äußerte sich überzeugt, dass die USA und Großbritannien Beweismaterial der Geheimdienste "verzerrt" hätten, um die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit eines Krieges zu überzeugen.

      Blair selbst hatte am Montag auf einer Pressekonferenz beim G-8-Gipfel in Evian gesagt, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien durchweg falsch. Am Dienstag lehnte er auch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ab. Er kündigte jedoch an, an diesem Mittwoch im Unterhaus zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.

      Doch die Zweifel an der Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen erhielten am Montagabend durch den Abschlussbericht der Uno-Waffeninspektoren neue Nahrung. Nach Angaben von Chefinspektor Hans Blix gab es keine Beweise, dass Saddam Hussein im Besitz von Massenvernichtungswaffen war. Blix warf den USA und Großbritannien indirekt vor, dass sie die Arbeit der Inspektoren behindert hätten.
      Den Inspektoren habe die Zeit gefehlt, späte Hinweise der irakischen Regierung zu überprüfen. Die sieben wichtigsten Industriestaaten und Russland erklärten im Abschlusskommuniqué des Gipfels von Evian, sie teilten "die Überzeugung, dass die Zeit nunmehr gekommen ist, Frieden zu schaffen und Irak wieder aufzubauen". Es sei das gemeinsame Ziel, "Irak wieder zu einem uneingeschränkt souveränen, stabilen und demokratischen Staat zu machen". :laugh:

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      Zum Thema:

      In SPIEGEL ONLINE: · CIA-Bericht: Al-Qaida setzt auf nukleare Mini-Bombe (03.06.2003)
      http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,251454,00.html

      · Irak-Reporter Stephan Kloss: Glückskeks-
      Weisheiten aus dem Krisengebiet (03.06.2003)
      http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,251345,00.h…

      · Kriegsgrund-Debatte: Das Schweigen der Europäer (03.06.2003)
      http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,251291,00.html

      · Streit um Kriegsgrund: US-Kongress will Klärung (03.06.2003)
      http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,251365,00.html





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      schrieb am 05.06.03 23:32:28
      Beitrag Nr. 555 ()
      Bush und Scharon in Akaba

      "Komm mir nicht wieder mit solchen Tricks"

      Von Volkhard Windfuhr, Akaba

      Beim Dreiergipfel in Akaba war der Umgang George W. Bushs mit Ariel Scharon äußerst rüde. In gereizter Stimmung traf der US-Präsident auf einen griesgrämig wirkenden israelischen Ministerpräsidenten.


      AP

      Scharon, Bush, Abbas



      Heute vor genau 36 Jahren überrollten israelische Panzer ohne Vorwarnung ägyptische Grenzposten auf dem Sinai, während in Kairo, Alexandrien und Port Said schrill tönende Sirenen Fliegeralarm meldeten. Der berüchtigte Sechstagekrieg war ausgebrochen, an dessen territorialen und politischen Folgen der Nahe Osten bis heute noch krankt.

      Doch gestern, am Vorabend des unheilvollen Schlachtenjubiläums, zeichnete sich wider Erwarten eine atmosphärische Lageveränderung ab. Nach dem arabisch-amerikanischen Gipfel im mondänen ägyptischen Rotmeer-Badeparadies Scharm al-Scheich war Stargast George W. Bush gestern in Akaba, Jordaniens einziger Hafenstadt am feuchtheißen Nordende des Roten Meeres mit dem jordanischen Koenig Abdullah II., dem frisch bestellten palästinensischen Ministerpräsidenten Mahmud Abbas und dem rechtslastigen israelischen Regierungschef Ariel Scharon, - der die Stirn besessen hatte, Bushs Einladung zum Scharm-al-Scheich-Treff aus kindischer Wut über die vermeintlich pro-palästinensische Grundeinstellung des ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak auszuschlagen - zum zweiten Nahost-Gipfel zusammengetroffen.

      Anders als in Scharm al-Scheich war der US-Boss bereits vor Beginn der offiziellen Gespräche in gereizter Stimmung. Konferenzteilnehmer berichteten verwundert über einen harten Wortwechsel zwischen dem von Tag zu Tag selbstbewusster werdenden Siegers von Bagdad und dem griesgrämig wirkenden Ministerpräsidenten aus Jerusalem. Es ging hoch her.

      "Komm mir nicht wieder mit solchen Tricks", warnte etwa der große George Doubya, in Anwesenheit des erstaunten Haschemitenherrschers aus Amman, den hemdsärmeligen Israeli, der, wider seine Gewohnheit, irritiert auf den Palmenstrand schaute. Das hatte er von seinem "Freund" aus Amerika nicht erwartet.

      Woher die schlechte Laune? Es ging um die jüdischen Siedlungen im Westjordanland, die nach neu gewonnener Erkenntnis des Mannes vom Weißen Haus im Interesse des Friedens `vom Tisch müssen`. Mit der propagandistisch aufgebauschten und von israelischen Medien zum großen "Friedensopfer" hochstilisierten Räumung von ein paar illegalen Container-Siedlungen will sich Bush junior jetzt nicht mehr zufrieden geben.

      Mahmud Abbas, unter Freunden auch Abu Masin genannt, erfuhr vom tatsächlichen Gastgeber der beiden Rotmeergipfel denn auch gezielt zuvorkommende Behandlung. Der vom offiziell geschnittenen Jassir Arafat zum ersten Ministerpräsidenten Palästinas bestellte PLO-Diplomat genoss sichtlich das gezielte freundliche Augenzwinkern und das mehrmalige Schulterklopfen, mit dem ihn George Bush bedachte.

      Die Streicheleinheiten hatte sich Abu Masin auch verdient, hatte er doch nach stundenlangen Telefonaten mit dem in seinem halb zerstörten Hauptquartier im Jerusalem nahen Ramallah immer noch eingeschlossenen "Präsidenten Arafat" die Bereitschaft der Palästinenserführung bekannt gegeben, die bewaffnete Intifada zu beenden. Bush nahm diese frohe Botschaft mit strahlender Mine entgegen, während Israels Scharon die Nachricht mit versteinertem Blick zur Kenntnis nahm.

      Verständlich. Denn wenn es der zum Durchgreifen entschlossene Palästinenserführer auch nur halbwegs fertig bringen sollte, der Welle der blutigen Anschläge der Islamisten-Organisationen "Hamas" und "Dschihad Islami" einen Riegel vorzuschieben, dann muss er, Scharon, den Offenbarungseid leisten - und den Zusammenbruch seines Hardliner-Kabinetts riskieren. Tut er das nicht oder versucht er gar, den selbst ernannten amerikanischen Friedensapostel an der Nase herumzuführen, hat er in Washington schlechte Karten, wo sich die jüdische Lobby wegen des leidigen Siedlungsproblems bereits zu spalten beginnt. Ganz wie Anno 1978, als Ägyptens Ex-Präsident Anwar al-Sadat als erster Araberchef den Friedensschluss mit Israel gewagt und damit die jüdische Lobby auseinander dividiert hatte. Als George W. Bush dann tatsächlich bekannte "vom Geist des großen al-Sadat angehaucht" worden zu sein, wankte der Boden unter den Füssen des Likud-Führers.

      Doch auch der mit Vorschusslorbeer bedachte Palästinensersprecher wird es seit Akaba nicht leicht haben. Mahmud Abbas geht ein Vabanquespiel ein. Denn wenn die Hintermänner der Selbstmordkommandos die Weisungen der palästinensischen Regierung in den Wind schlagen, muss er einen blutigen Schlagabtausch in Kauf nehmen, im schlimmsten, wenn auch unwahrscheinlichen Fall sogar eine Art Bürgerkrieg. Das weiß auch George Bush, der ihm durch kontinuierlichen Druck auf Scharon unterstützen zu wollen scheint.

      Ein weiteres Handicap des eingriffsbereiten Palästinensers ist das von der Uno abgesegnete Recht auf Rückkehr, das von den palästinensischen Flüchtlingen ins Feld geführt wird, die bei der Staatsgründung Israels 1948 ihre Heimat verloren hatten. Wenn es zu ernsthaften Friedensverhandlungen kommt, werden daher noch Milliardensummen bereitgestellt werden müssen, um die Flüchtlinge für ihre Verluste zu entschädigen und ihre Zustimmung zum Friedensdeal abzukaufen.

      Ähnlich kostspielig dürfte auch die Aufgabe der jüdischen Siedlungen werden, auf die Israel langfristig ohnehin verzichten muss. George W. Bush hatte in Akaba bereits klar gestellt (und vom bedrängten Israelpremier expressis verbis absegnen lassen), dass der künftige Palästinenserstaat nicht durch jüdische Siedlungen "zerrissen" wird, sondern auf einem "geschlossenen, zusammenhängenden" Territorium errichtet werden soll.

      Die Palästinenser-Regierung darf jetzt wenigstens auf finanzielle Unterstützung aus den USA hoffen. Die US-Regierung will diese Frage wenigstens mit dem Kongress erörtern. Die Vereinigten Staaten unterstützen zwar schon jetzt die Palästinenser mit jährlich rund 75 Millionen Dollar, doch bisher fließt das Geld indirekt über private Hilfsorganisationen - Palästinenserpräsident Jassir Arafat sollte bloß keinen Zugriff darauf haben. Von dem neuen Ministerpräsidenten Mahmud Abbas erwarten die Amerikaner nun, dass die Gelder nicht missbraucht werden.

      Noch während die Rahmenabsprachen unter den Palmen an Akabas Rotmeerstrand verlesen wurden kam es zu einem ersten Handgemenge. Israelische Journalisten in der geräumigen Lobby des nahe gelegenen Radisson SAS Hotels gerieten sich, zum Teil laut schreiend, in die Haare. Ein junger Reporter aus Tel Aviv riss einem weißhaarigen Berufskollegen - Speichel vor dem Mund - die dunkelblaue Kipa vom Kopf, die fromme Juden auch im jordanischen Akaba zu tragen pflegen.

      Der aus Brooklyn stammende Kolumnist einer israelischen Zeitung klärte angesichts des Tohuwabohus konfuse arabische Pressevertreter über den wahren Hintergrund auf: "George W. Bush, der sich nicht von französischen Präsidenten, deutschen Bundeskanzlern und russischen Staatschefs in den Kram reden lässt, hat erkannt, dass Allah ihn mit einer großen Mission bedacht hat: Araber und Israelis zum Friedensschluss zu bewegen. Ein Gottgesandter lässt sich von den Scharons und den Hamas-Aktivisten dieser Welt doch seine Mission nicht kaputt machen."
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      schrieb am 06.06.03 23:26:06
      Beitrag Nr. 556 ()
      Irak-Krieg

      Im Zweifel für den Krieg

      Saddams Waffen - sie gelten als Kriegsgrund. Waren sie es wirklich? Wo die Beweise nicht reichten, besserten Geheimdienste nach

      Von Jochen Bittner und Frank Drieschner

      Seit elf Wochen sucht die U.S. Army im Irak nach den Bio- und Chemiewaffen, deretwegen dieser Krieg begonnen worden war. Gefunden hat sie bislang so gut wie nichts. Stattdessen gibt es fast täglich neue Meldungen von der Heimatfront der Koalitionsstaaten. Geheimdienstleute erklären frank und frei, die amerikanische Öffentlichkeit sei über Saddam Husseins Gefährlichkeit getäuscht worden. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld räumt ein, die Waffen seien möglicherweise schon vor dem Krieg vernichtet worden. Ohnehin seien sie, ergänzt sein Stellvertreter Paul Wolfowitz, als Kriegsgrund nicht so wichtig gewesen.

      Was verbirgt Saddam Hussein? Das war die Frage von gestern, die Vorkriegsfrage, auch wenn glaubensfeste Kriegsbefürworter wie Tony Blair sich immer noch zuversichtlich geben, die geheimen Waffenkammern des Iraks würden bald entdeckt. Die Frage von heute lautet: Was verbergen George W. Bush und Tony Blair? Schon jetzt spricht viel dafür, dass die beiden die Welt getäuscht haben.

      Hören wir noch einmal den amerikanischen Präsidenten. Also sprach George W. Bush am 17. März dieses Jahres, zwei Tage vor Abschuss der ersten Cruise Missiles, in seiner Rede an die Nation: „Geheimdienstinformationen, die diese und andere Regierungen zusammengetragen haben, lassen keinen Zweifel daran, dass das Regime des Iraks weiterhin einige der tödlichsten Waffen besitzt und verbirgt, die je entwickelt wurden.“

      Keinen Zweifel? Im Detail werden Anhörungen in Washington und London noch zu klären haben, welche Information welches Geheimdienstes fragwürdig, schlicht falsch oder womöglich doch zutreffend gewesen sein könnte. Im Großen und Ganzen aber lässt sich feststellen, dass die Kriegsbefürworter in einem entscheidenden Punkt nicht die Wahrheit gesagt haben: in der Frage nämlich, wie sicher sie sich ihrer Verdachtsmomente und Befürchtungen eigentlich sein konnten. Denn es gab sehr wohl begründete Zweifel an vielem, was Bush, Powell, Rumsfeld und Blair im Weltsicherheitsrat und daheim gegen Saddam Hussein anführten, um die eigenen Bürger und die zweifelnden Verbündeten auf Kriegskurs zu bringen. Doch die Zweifler, amerikanische wie britische Geheimdienstexperten, wurden totgeschwiegen. Nur solche Informationen sollten an die Öffentlichkeit gelangen, die ins Bild vom brandgefährlichen Weltbösewicht Saddam Hussein passten. – Schon sprechen ehemalige CIA-Mitarbeiter von „einem nachrichtendienstlichen Fiasko von monumentalen Ausmaßen“.

      Den Reigen der Enthüllungen eröffnete ein, allerdings anonymer, Vertreter des Secret Service, der gegenüber der BBC behauptete, auf Drängen von 10 Downing Street sei die Sprache des Berichts verschärft, eben „sexier“ gemacht worden. Der Geheimdienst MI 6 hätte schon damals vor allem davon abgeraten, die These aufzustellen, der Irak könne binnen 45 Minuten biologische oder chemische Waffen einsetzen. Ian MacCarthy, Staatsminister im britischen Verteidigungsministerium, räumte inzwischen ein, dass diese Information, die im „Waffendossier“ der Regierung vom September vergangenen Jahres enthalten und von Tony Blair im Vorwort aufgegriffen worden war, nur auf einer einzigen Quelle beruht habe und nicht – wie eigentlich beim Umgang mit geheimdienstlichen Erkenntnissen wünschenswert – durch andere Informationen bestätigt worden sei. Die Sunday Times schob nach: Um die Formulierung des Dossiers habe es damals ein intensives Gerangel gegeben. Alistair Campbell, Blairs Informationsdirektor, notorisch für seine hemdsärmelig-bulligen Methoden, habe vom Secret Service eine knackigere Sprache verlangt. Allerdings: Am Ende räumte der MI-6-Informant der BBC ein, dass der Report „in der Substanz“ gestimmt und nichts Unrichtiges enthalten habe.

      Weitere Beispiele? Da waren diese Aluminiumröhren, hochfeste Spezialrohre, die, glaubte man dem amerikanischen Präsidenten, einem fürchterlichen Zweck dienen konnten: der „Produktion von Kernwaffen“. Das sagte Bush noch am 28. Januar dieses Jahres in seiner Rede zur Lage der Nation. In Wirklichkeit waren die Röhren dazu völlig ungeeignet. Sie konnten allenfalls beim Bau von Raketenwerfern Verwendung finden, und genau das, berichtet die Zeitschrift Newsweek, hatten Experten des Außenministeriums ihrem Chef Colin Powell auch mitgeteilt. Es passte nur nicht ins Bild.

      Oder die Sache mit dem angeblichen Uran-Einkaufsversuch in Niger, auf die sich die USA gegenüber den Vereinten Nationen beriefen – gestützt auf so plump gefälschte Dokumente, dass ein Laie das mit einer kleinen Recherche im Internet hätte herausfinden können, wie ein Experte später kommentierte.

      Wie war das möglich? Wollte Powell die Welt täuschen – oder wurde er getäuscht?

      Fragen wir Ray McGovern. McGovern ist ein pensionierter CIA-Mann, ein enger Mitarbeiter des früheren CIA-Chefs George Bush senior, dem er später, im Weißen Haus, drei Jahre lang tägliche Lageanalysen lieferte – ein Mann also, der die Schnittstelle von Geheimdienstarbeit und Politik bestens kennt.

      Nun, sagt McGovern, was die vermeintliche Irak-Niger-Connection betreffe, müsse man ein wenig weiter zurückschauen: in den August des Jahres 2002, als Vizepräsident Dick Cheney den Regimewechsel im Irak ankündigte und, so sieht es McGovern, möglichst schnell die Zustimmung des Kongresses zu einem Krieg gewinnen wollte. Dazu, sagt McGovern, hätten Rumsfeld und Cheney wenigstens eines von zwei Dingen gebraucht: irakische Nuklearwaffen – oder einen Beweis, dass Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen an Terroristen weitergebe.

      Man hatte aber bloß ein paar Aluminiumrohre.

      Was dann geschehen sei, vermutet der ehemalige Insider McGovern, müsse man sich etwa so vorstellen:

      „Also sagten sich Rumsfelds Strategen: Hatten wir da nicht diese Informationen, dass der Irak versuchte, sich Uran zu beschaffen?

      Ja, klar, aber CIA-Chef George Tenet und seine Leute haben das verworfen.

      Ach, lass uns George doch noch mal fragen.

      George selbst fragt daraufhin seine Experten, und die sagen ihm: Nein, das stinkt immer noch.

      Die Strategen gehen zu Rumsfeld und sagen: George sagt immer noch, das stinkt.

      Sagt Rumsfeld: Wie lange wird es dauern, bis das jemand rausfindet?

      Tenet: Wahrscheinlich ein paar Tage.

      Rumsfeld: Wann müssen wir die Dokumente denn herausgeben?

      Tenet: Na ja, die Internationale Atomenergiebehörde drängelt schon.

      Rumsfeld: Wie lange können wir die hinhalten?

      Tenet: Wahrscheinlich ein paar Monate?

      Rumsfeld: Also, wo ist das Problem?“

      Das ist, wohlgemerkt, nur die Vermutung eines gut informierten Experten – freilich gibt es bislang auch keine bessere Erklärung des unbestreitbaren Sachverhalts, dass die USA den Waffeninspektoren der Vereinten Nationen plump gefälschte Dokumente präsentiert haben.

      Und McGovern geht noch weiter. Seiner Ansicht nach haben die Geheimdienste, getrieben von den Scharfmachern im Weißen Haus und im Pentagon, nicht nur Details gefälscht und übertrieben, sondern insgesamt ein völlig falsches Bild gezeichnet. Saddam Hussein, der vor dem 19. März noch so gefährlich schien, dass die Fortsetzung der friedlichen Waffensuche unter Aufsicht der UN als unvertretbares Risiko galt, hätte demnach die Sicherheit der Vereinigten Staaten in Wahrheit nie bedroht.

      Man muss diesen Ausführungen allerdings einen Hinweis hinzufügen: McGovern und andere CIA-Leute, die sich jetzt zu Wort melden, hätten einen verständlichen Grund, in ihrer Kritik an der US-Regierung nicht die allerhöchste Objektivität walten zu lassen - nicht nur darum, weil noch immer keine Waffen gefunden wurden und die Suche nach den Schuldigen für das Debakel begonnen hat. Schwerer wiegt womöglich der Umstand, dass mit dem Regierungswechsel nach der Ära Clinton im Jahre 2001 ein paar ausgewiesene CIA-Skeptiker die Macht im Pentagon übernommen hatten und ihre alten Widersacher dies spüren ließen. Die CIA musste ganze Abteilungen an das Pentagon abtreten und schließlich sogar hinnehmen, dass Donald Rumsfeld in seinem Verteidigungsministerium einen kleinen Gegengeheimdienst gründete.

      Der Anschlag vom 11. September gab den CIA-Gegnern weiteren Auftrieb, denn der CIA war es nicht gelungen, die Attentäter rechtzeitig zu enttarnen. Warum sollte man ausgerechnet solchen Leuten glauben, als diese zu dem Schluss kamen, es gebe kaum Hinweise auf eine Mittäterschaft Saddam Husseins? "Was den Irak betrifft", sagte Pentagon-Berater Richard Perle im vergangenen Jahr der ZEIT, "ist die CIA unfähig." Vor dem Kongress beantwortete Perle die Frage, ob Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besitze, so: "Na klar. Wie weit er mit seinem Atomwaffenprogramm ist, wissen wir nicht genau. Meine Vermutung ist: weiter, als wir glauben. Saddam Hussein ist immer weiter, als wir glauben, weil wir uns ständig darauf beschränken zu sagen, was wir beweisen können."

      Wichtiger war freilich immer, was die Scharfmacher nicht beweisen können, aber umso fester glauben: dass nämlich Saddam Hussein mit al-Qaida verbündet sei und irgendwie hinter dem Anschlag vom 11. September stecken müsse. Dieser Beweislast haben sich die Pentagon-Hardliner offenbar entledigen wollen. Lieber ließen sie, schreibt Harold Meyerson vom linken American Prospect, die CIA als „Haufen vulgärer Empiriker“ dastehen.

      Aus Misstrauen gegen die CIA beauftragte Verteidigungsminister Rumsfeld zunächst den treuen Bundesgenossen und ehemaligen CIA-Direktor James Woolsey damit, die Irak-Connection des Osama bin Laden auszuforschen – ohne das erhoffte Ergebnis. Dann ließ er eine eigene Abteilung zur Geheimdienstauswertung gründen, das Office of Special Plans. An die Spitze setzte er einen weiteren ideologisch sattelfesten Gefolgsmann, Abram Shulsky. Jedes Mitglied der Gruppe wusste, dass sich um die Existenz der Abteilung Verschwörungstheorien ranken würden. Ihre Aufgabe ist es bis heute, die Erkenntnisse der CIA und aller anderen Geheimdienste nach übersehenen Informationsbrocken zu durchsuchen – und, besonders markant, neu zu interpretieren.

      Dabei waren im Fall des Iraks die unbestreitbaren Fakten alarmierend genug. Saddam Hussein hat jahrzehntelang daran gearbeitet, die Rolle des weltschlimmsten Schurken möglichst überzeugend zu geben. Dass er über die Skrupellosigkeit zum blindwütigen Massenmord verfügt, hat er mehrfach unter Beweis gestellt. Seit 1982 hat der Irak nicht nur Senfgas und Tabun hergestellt, sondern während des Krieges gegen Iran mehr als 100000 Geschosse mit chemischer Munition abgefeuert – nach eigenen Angaben, wohlgemerkt. Bis zu 300000 Schiiten sollen seit Ende des zweiten Golfkrieges 1991 im Süden des Landes ermordet worden sein. 2001 berichtete amnesty international von widerwärtigen Foltermethoden und zahlreichen öffentlichen Hinrichtungen. Im September desselben Jahres begrüßt Saddam Hussein ausdrücklich die Anschläge von New York und Washington.

      So weit der Befund, der freilich nach den Vorstellungen von Rumsfeld & Co. noch ein wenig interpretiert werden musste. Wem, wenn nicht diesem Terroristen mit eigenem Staat, wäre es zuzutrauen, biologische und chemische Waffen an den anderen großen Amerika-Hasser, Osama bin Laden, weiterzureichen?

      Der Verdacht ist plausibel. Aber bis heute gibt es keine harten Beweise dafür, dass Saddam Hussein tatsächlich Massenvernichtungswaffen hatte, die er an al-Qaida hätte weitergeben können.

      Alle Berichte der UN-Inspektoren seit 1998, alle seriösen Studien, Schätzungen und Hochrechnungen über die Größe des irakischen Waffenarsenals sagen nur so viel aus: Die Menge der Bio- und Chemiekampfstoffe, die noch im Land verborgen sind, liegt zwischen null und mehreren Tonnen.

      Eindeutig festzustellen ist indes, dass Saddam Hussein die Welt über sein Waffenprogramm belogen hat. 1991, zu Beginn der Unscom-Inspektionen im Irak, teilte die Regierung in Bagdad mit, sie besitze „weder biologische Waffen noch entsprechende Anlagen“. Die Lüge hielt bis 1995. Dann lief Saddam Husseins Mann für Biowaffen, sein Schwiegersohn Hussein Kamel, nach Jordanien über und offenbarte ein ausgedehntes Biowaffenprogramm, von einschlägiger Forschung bis hin zur Produktion. Das Regime in Bagdad musste die Existenz des Projektes eingestehen, behauptete jedoch, das 1974 begonnene Vorhaben 1991 eingestellt zu haben. Für diese Behauptung fanden die Inspektoren allerdings nie Beweise. Die Unmovic-Inspektoren um Hans Blix folgerten kurz vor ihrer Abreise aus dem Irak im März dieses Jahres: „Es besteht die starke Vermutung, dass 10000 Liter Anthrax nicht zerstört wurden und noch immer existieren könnten.“

      Recht offen ging das irakische Regime mit seinem Chemiewaffenprogramm um. Bagdad gab zu, allein bis 1990 etwa 3800 Tonnen Kampfstoffe wie Senfgas, Tabun, Sarin oder VX-Gas produziert zu haben. Die Unscom-Inspektoren schafften es zwischen 1991 und 1998, einen großen Teil der Produktionsanlagen und 3000 Tonnen Vorstoffe zur Giftgasherstellung zu zerstören. Die Vernichtung des Arsenals war allerdings noch nicht abgeschlossen, als Saddam Hussein die Inspektoren im Dezember 1998 wegen Spionage aus dem Land werfen ließ. Niemand weiß, was aus 6000 Chemiebomben und 550 mit Senfgas gefüllten Artilleriegranaten geworden ist, die Unscom intakt im Irak zurücklassen musste.

      Als die Mitarbeiter von Hans Blix im November vergangenen Jahres, vier Jahre nach ihrem Rauswurf, in den Irak zurückkehrten, fertigten die Behörden sie mit einer abenteuerlichen Erklärung ab; die Granaten seien inzwischen bei einem Brand im Lagerhaus vernichtet worden. Rückstandslos.

      Sieht man von der unwahrscheinlichen Option ab, dass Saddam Hussein vier Jahre Sanktionen und Isolation in Kauf genommen hat, um während dieser Zeit (heimlich, damit es bloß keiner merkt!) die Reste seiner Massenvernichtungswaffen zu entsorgen, dann bleibt eine Reihe möglicher Erklärungen übrig, warum bis jetzt nichts gefunden wurde.

      Vielleicht sind mit den amerikanischen Spürsoldaten im Irak doch nicht die geeigneten Spezialisten am Werke. (In diesem Fall wäre es wohl besser gewesen, den UN-Inspektoren mehr Zeit zu lassen.) Oder es braucht noch viel mehr Zeit, um in einem Land von der Größe Frankreichs sorgsam versteckte Depots aufzuspüren.

      Möglich wäre auch, dass es im Irak außer ein paar mobilen Milzbrandwaggons einfach keine anderen Biowaffenfabriken gab. Oder es stimmt, was ein anonymer irakischer Wissenschaftler den Amerikanern anvertraute: dass Chemiewaffen auf Anforderung innerhalb kürzester Zeit in zivilen Arzneifabriken hätten produziert werden können – diese Theorie erklärt freilich nicht, wo die irakischen Chemiewaffenbestände aus den achtziger Jahren geblieben sind. Nicht auszuschließen ist auch, dass Saddam Hussein sein Arsenal kurz vor dem Angriff der Koalitionstruppen ins Ausland geschafft hat. Schließlich könnte auch eine Befürchtung wahr geworden sein, welche die CIA schon vor dem Krieg geäußert hat: In den Wirren der Gefechte könnten Depots geplündert worden sein, entweder von treu ergebenen Saddam-Hussein-Anhängern oder aber von Terroristen.

      Denkbar wäre natürlich auch, dass Donald Rumsfeld Recht behält: Womöglich wurden die Bio- und Chemiewaffen des Iraks kurz vor dem Krieg vernichtet. Vielleicht war die Frage auch einfach nicht so wichtig, da die Antwort auf Saddam Hussein ja ohnehin feststand: Krieg.

      Möglich ist natürlich auch etwas ganz anderes: dass nämlich gerade jetzt, da dieser Satz geschrieben wird, irgendwo zwischen Mossul und Basra ein Team amerikanischer Waffenexperten auf ein Lager mit Anthrax-Ampullen oder Chemiegranaten stößt. Dass man das vorher gewusst habe, wird man nun allerdings kaum noch behaupten können. Und ob damit der Krieg schon gerechtfertigt wäre – das ist wiederum eine ganz andere Frage.

      Mitarbeit: Jürgen Krönig
      Avatar
      schrieb am 11.06.03 10:23:50
      Beitrag Nr. 557 ()
      Mögliche US-Geheimdienstpannen

      Blix warnt vor Krieg aus Versehen

      Der Chef der Uno-Waffeninspekteure, Hans Blix, hat die USA aufgefordert, ihre Geheimdienstarbeit zu analysieren. Er wolle nicht, dass es in Zukunft zu Kriegen auf Grund fehlerhafter Unterlagen komme.

      DPA
      Weinende Frau im Irak: Krieg auf der Basis fehlerhafter Unterlagen?

      Hamburg - Sollten die USA in absehbarer Zeit weiterhin keine Massenvernichtungswaffen im Irak finden, müssten sie nach Fehlern in ihren Geheimdienst-Analysen zu einer Bedrohung durch den Irak suchen. Blix sagte: "Sie müssten dann analysieren, was sie möglicherweise zu falschen Schlussfolgerungen geführt hatte."

      Zur Begründung sagte der scheidende Chefwaffeninspekteur in New York: "Ich hoffe nämlich, dass in der Zukunft keine Kriege oder Präventivaktionen auf der Basis fehlerhafter Unterlagen begonnen werden." Blix wies darauf hin, dass der Irak-Krieg möglicherweise nicht der erste Krieg infolge einer fehlerhaften Aufklärung war. "Kleinere Fälle dieser Art hatten wir schon. Etwa als die USA nach der Zerstörung ihrer Botschaften in Nairobi und Daressalam Raketen auf eine Fabrik bei Khartum feuerten." Inzwischen werde allgemein anerkannt, dass diese Angriffsentscheidung der Regierung Clinton 1998 auf falschen Informationen beruht habe.

      Blix betonte zugleich, er habe trotz der Diskussion über angeblich vor dem Angriff gegen den Irak zu einem Kriegsgrund aufgebauschte Geheimdienstinformationen keine Zweifel daran, dass die USA ernsthaft in Sorge waren. "Ich glaube, sie hatten wirklich Angst, dass es im Irak Massenvernichtungswaffen gab." Blix, der am 28. Juni 75 Jahre alt wird und danach auf eigenen Wunsch aus dem Dienst der Uno ausscheidet, plädierte für mehr Geduld mit den amerikanischen Experten, die jetzt im Irak nach biologischen und chemischen Waffen suchen.

      "Sie sollten etwas mehr Zeit haben, sich umzuschauen, denn ihre Bedingungen sind nicht einfach. Sie können sich zum Beispiel nur mit bewaffnetem Begleitschutz bewegen." Andererseits planten die USA den Einsatz von 1300 Experten. "Das sind viel mehr, als wir zur Verfügung hatten."

      Zudem hätten die US-Fahnder im Gegensatz zu jenen der Uno insgesamt günstigere Bedingungen. Viele Iraker wären nun bereit, Hinweise zu geben. Die USA sollten daher in der Lage sein, die Suche im Irak "innerhalb einiger Monate" abzuschließen. "Man sollte aber die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass es dort keine Massenvernichtungswaffen gab", sagte Blix.

      Struck will Rumsfeld nicht konfrontieren

      Bei einem Treffen von Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) mit seinem US-Kollegen Donald Rumsfeld in Garmisch-Partenkirchen anlässlich des zehnjährigen Bestehens des deutsch-amerikanischen George C. Marshall Centers will der deutsche Verteidigungsminister nicht auf die ausbleibenden Beweise für Massenvernichtungswaffen im Irak zu sprechen kommen. "Interessant wär`s schon", was die USA dazu zu sagen hätten, sagte Struck im ZDF-"Morgenmagazin". Doch er denke, dass das Thema am Rande der Sitzung der Nato-Verteidigungsminister am Donnerstag in Brüssel eine Rolle spielen werde.

      Struck sagte, es stehe noch nicht fest, dass es keine Massenvernichtungswaffen im Irak gegeben habe. Man müsse "die Entwicklung abwarten". Der Minister verwies darauf, dass die Alliierten auch erst Monate nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland Chemiewaffen-Lager gefunden hätten.
      Avatar
      schrieb am 12.06.03 12:13:00
      Beitrag Nr. 558 ()
      Bush weht der Wind ins Gesicht



      Die Republikaner von George W. Bush haben nicht die geringste Lust, der Lügendebatte um den Irak-Krieg auf den Grund zu gehen. Sie lehnten die Forderung der oppositionellen Demokraten nach einer parlamentarischen Untersuchung ab. Es gebe keinen Hinweis auf grundlegende Verfehlungen im Verhalten der Regierung, erklärte der Vorsitzende des Geheimdienste-Ausschusses im Senat, Pat Roberts. :laugh:

      Die Demokraten machen jedoch geltend, dass die Glaubwürdigkeit der Geheimdienste auf dem Spiel stehe, da in Irak keine Massenvernichtungswaffen gefunden worden seien. Der demokratische Senator Jay Rockefeller warf den Republikanern vor, „wie Schlafwandler durch die Geschichte zu gehen“. Es werde sich im Geheimdienste-Ausschuss weiter für eine formelle Untersuchung stark machen.

      Umfragewerte im Keller

      Indes hat ein Großteil der US-Bürger offenbar allmählich die Nase voll von US-Präsident George W. Bush. Die Zustimmung der US-Bürger zur Politik des Präsidenten nahm in den vergangenen Wochen beträchtlich ab. Laut einer am Mittwoch (Ortszeite) veröffentlichten Umfrage der Universität Quinnipiac befürworten zwar weiterhin 57 Prozent der US-Bürger die Art und Weise, mit der Bush sein Amt ausfüllt. Im April lag die Zustimmung jedoch noch um 16 Prozentpunkte höher bei 73 Prozent.

      Besonders kritisch sahen die Befragten demnach Bushs Politik in dem aus ihrer Sicht wichtigsten Politikfeld, der Wirtschaft. Nur 45 Prozent bewerteten Bushs Einsatz hier positiv, 50 Prozent hingegen negativ. Besser schnitt die internationale Anti-Terror-Politik des US-Präsidenten ab, die 63 Prozent seiner Landsleute begrüßten.

      Hillary holt auf


      Trotz der fallenden Beliebtheitskurve würde der Präsident bei Wahlen jedoch immer noch besser abschneiden als seine Kontrahenten. Bei
      einem Wahlduell mit der demokratischen Senatorin Hillary Clinton, Ehefrau von Bush Vorgänger Bill Clinton, würden derzeit 53 Prozent der Befragten für Bush stimmen; Hillary könnte aber mit 40 Prozent der Stimmen rechnen. Auch der demokratische Senator Joe Lieberman hätte momentan mit nur 40 Prozent gegen Bush keine Chance.

      12.06.03, 11:14 Uhr
      (Quelle: ap)
      Avatar
      schrieb am 12.06.03 13:10:02
      Beitrag Nr. 559 ()
      Der Streit ist lange nicht vorbei
      Zankapfel Internationaler Strafgerichtshof: Die US-Regierung und
      die Europäische Union verstärken ihren Druck auf die EU-Beitrittsländer

      BERLIN taz Ein Teil des Streits mit den USA über den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) dürfte nach der heute erwarteten Entscheidung des Weltsicherheitsrats über die Verlängerung der Resolution 1422 vorübergehend erledigt sein. Doch auf anderer Ebene tobt der Konflikt heftig weiter.

      Am 1. Juli läuft die von den USA in ihrem "American Service Members Protection Act" (Aspa) gesetzte Frist aus, bis zu der Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs bilaterale Abkommen mit den USA unterzeichnen sollen. Solche Abkommen sollen US-Bürger in diesen Staaten in jedem Falle vor der Auslieferung an den IStGH schützen. Andernfalls wird diesen Staaten alle US-Militärhilfe gestrichen, außer es handelt sich um Nato-Partner oder sonstige extrem wichtige Alliierte.

      Auf der Homepage der US-Botschaft in Kroatien liest sich das in einem Essay des Botschafters Lawrence G. Rossin dann so: "Da Kroatien weder ein Mitglied der Nato ist noch ein ausgewiesen wichtiger Nicht-Nato-Verbündeter, könnte es bis zu 19 Millionen Dollar in militärischer Ausrüstung und Ausbildung verlieren, wenn es nicht bis zum 1. Juli 2003 einen Vertrag nach Artikel 98 unterzeichnet."

      Der Botschafter betont im gleichen Text, es gehe freilich nicht darum, Kroatien zu erpressen oder es gar vor eine Wahl zwischen USA und EU zu stellen. :laugh: Auch sei es durchaus kein Widerspruch, dass die USA von Kroatien die volle Zusammenarbeit mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal forderten, für die eigenen Soldaten aber Immunität vor der Strafverfolgung des IStGH anstrebten - das sei schließlich etwas ganz anderes. :laugh:

      Das Politische und Sicherheitspolitische Komitee der Europäischen Union seinerseits hat am Freitag vergangener Woche den Ball aufgenommen und neue allgemeine Richtlinien für den Umgang mit dem Strafgerichtshof verabschiedet. Nicht nur unterstützt die EU weiterhin - wie auch bisher - den IStGH, sie macht auch ihrerseits Druck auf die Beitrittskandidaten, keine bilateralen Abkommen mit den USA unter Berufung auf Artikel 98 des Rom-Statuts zu schließen.


      Dieser Artikel des vor fast genau fünf Jahren verabschiedeten Statuts zum IStGH sieht mögliche Ausnahmen bei den Auslieferungsverpflichtungen eines Vertragsstaates an den IStGH vor, wenn dem völkerrechtlich verbindliche Verträge mit anderen Staaten entgegenstehen. Genau das versuchen die USA von immer mehr Ländern zu erreichen - bislang haben knapp über 30 Staaten solche bilateralen Verträge unterschrieben. Ratifiziert sind sie jedoch erst durch eine Hand voll.

      Die US-Regierung hat auf die neuen EU-Richtlinien prompt reagiert: In einem Brief an die EU-Regierungen warnt die US-Regierung laut einem Bericht in der Washington Post, die jüngst erreichte Entspannung im Verhältnis der USA zu Deutschland, Frankreich und anderen Staaten könnte zunichte gemacht werden, wenn die EU weiterhin die US-Bemühungen um bilaterale Verträge aktiv hintertreibe.

      "BERND PICKERT

      taz Nr. 7076 vom 12.6.2003, Seite 10, 101 TAZ-Bericht BERND PICKERT,
      Avatar
      schrieb am 12.06.03 14:14:48
      Beitrag Nr. 560 ()
      Rechnung ohne den Wirt
      Iran: Amerikas Kriegsdrohung stärkt die innere Restauration

      Den folgenden Kommentar zum aktuellen Geschehen in und um Iran haben wir der - immer lesenswerten - Wochenzeitung "Freitag" entnommen.


      Von Torsten Wöhlert

      Dass Donald Rumsfeld von der Vorbereitung eines Krieges gegen Iran nichts weiß, können wir gleich wieder vergessen. Die Texas-Gang im Weißen Haus hat Betrug jetzt auch offiziell zur Staatsräson erklärt. Zwar spricht alle politische Logik dagegen, dass sich Bush vor der Präsidentschaftswahl im Herbst 2004 in ein neuerliches Militärabenteuer stürzen könnte. Doch der Druck bleibt, zu viele drängen darauf, eine weitere Schmach amerikanischer Nahostpolitik - den Sturz des Schah und den Verlust eines US-Vasallen durch die Islamische Revolution von 1979 - zu tilgen.

      Das Kriegsziel ist ohnehin längst formuliert. Washington will nach Bagdad auch in Teheran einen Regimewechsel herbeiführen. Vorwände für einen Waffengang wären schnell gefunden. Verbündete hingegen kaum; vielleicht Bulgarien oder Polen. Damit aber wächst die Gefahr einer imperialen Überdehnung. Und diese Sorge ist dann auch der wichtigste Grund, warum sich prominente Hardliner wie Rumsfeld, Perle oder Wolfowitz eher zurückhaltend äußern. Noch. Denn der Machtkampf um den Kurs gegenüber Iran ist in vollem Gange. Ausgang ungewiss.

      Gleiches gilt für Teheran, wo die Auseinandersetzungen zwischen konservativen Hardlinern und moderaten Reformern längst zum bestimmenden Merkmal der Innen- und Außenpolitik geworden sind. Das macht es der US-Kriegspropaganda einfach. Während offiziell jede Verbindung zu Terrornetzwerken dementiert wird, bestätigt das iranische Außenministerium die Festnahme Hunderter mutmaßlicher Al Qaida-Anhänger, auch des Sprechers der Organisation. Die Islamische Republik hat aus ihrer Unterstützung für gewalttätige, auch terroristische islamische Gruppierungen nie ein Hehl gemacht. Sie galt (und gilt) als probates Mittel, den eigenen Einfluss in der Region zu untermauern. Gleichzeitig ist genau diese Politik seit Jahren Gegenstand der internern Machtkämpfe - ebenso wie das Verhältnis zu den USA.

      Ungeachtet aller anti-amerikanischen Rhetorik haben die informellen Kontakte zwischen Teheran und Washington während der Feldzüge in Afghanistan und Irak eher zu- als abgenommen. Was manche Beobachter als beginnendes Tauwetter deuteten, erwies sich als pragmatische Realpolitik mit einem für Teheran ungünstigen Ausgang. Während man in Washington vor allem daran interessiert war, iranisches Störpotenzial während der Kampfhandlungen auszuschließen, setzten die geheimverhandelnden Reformer auf dauerhafte Entspannung. Eine Rechnung, die ohne den Wirt gemacht wurde.

      Die neue Landkarte der Region muss nun für jeden iranischen Strategieplaner ein Alptraum sein. Das Land ist von amerikanischen Truppen und deren Alliierten umzingelt. Genau in dieser Lage zieht Präsident Bush den nuklearen Joker und fordert einen Regimewechsel in Teheran. Noch besitzt Iran keine Atomwaffen und bestreitet alle diesbezüglichen Ambitionen. Aber es wäre naiv zu glauben, die nukleare Aufrüstung zielte ausschließlich auf zivile Nutzung. Zumal sich Teheran die militärische Option ausdrücklich offen hält, solange andere Staaten der Region wie Israel oder Pakistan über entsprechende Potenziale verfügen. Diese Auffassung kann sich durch die Arroganz amerikanischer Hegemonialpolitik bestärkt fühlen. Atomwaffen verheißen in diesem Kontext tatsächlich mehr Sicherheit vor einem Angriff. Jedenfalls für den Augenblick. Insofern ist Washingtons Strategie eines präventiven Regimewechsels durchaus konsequent. Sie folgt der Machtlogik und unterstellt: Wer die Mittel und den politischen Willen dazu hat, besitzt irgendwann auch Massenvernichtungswaffen. Da verbietet sich jeder Beweis, weil der die gesamte Strategie ad absurdum führen würde. Siehe Irak.

      Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass Bushs Forderung nach einem Regimewechsel auch in Iran durchaus eine breite Mehrheit findet. Das Reformpotenzial ist ausgereizt und die Enttäuschung so groß, dass die Konservativen jüngst bei Kommunalwahlen in Teheran dank einer Wahlbeteiligung von knapp zehn Prozent einen grandiosen Sieg einfuhren.

      Man hat Präsident Khatami oft mit Gorbatschow verglichen. Jetzt scheint es, als sollte er dessen Schicksal teilen. Khatami steht für einen gesellschaftlichen Wandel, der nicht aufzuhalten ist und dessen Dynamik die Reformer überrollen wird. Jede Kriegsdrohung aber stärkt die Restauration und verkommt damit zur "self fulfilling prophecy". Gerade so, als ob Bush senior weiland versucht hätte, einen Boris Jelzin herbeizubomben.

      Aus: Freitag 24, 06. Juni 2003
      Avatar
      schrieb am 04.09.03 11:49:40
      Beitrag Nr. 561 ()
      Guerillakrieg im Irak

      US-Minister streiten über Ausweg aus der Krise

      In der US-Regierung gibt es offenbar unterschiedliche Positionen über das weitere Vorgehen im Irak. Außenminister Powell wirbt für eine multinationale Truppe unter US-Führung, Verteidigungsminister Rumsfeld setzt auf irakische Sicherheitskräfte. Aus dem Bundeskabinett verlautet, bald würden die Verantwortlichen die Deutschen "auf Knien" um einen Militärbeitrag bitten.



      AP

      Colin Powell führt bereits Gespräche über den Resolutionsentwurf


      Washington - Die USA wollen den Irak laut Colin Powell mit einer multinationalen Truppe unter US-Kommando befrieden. "Heute haben wir mit einem neuen Vorstoß bei unseren diplomatischen Bemühungen um internationale Unterstützung im Irak begonnen", sagte er.

      Ein entsprechender Resolutionsentwurf für den Weltsicherheitsrat sei ausgearbeitet, sagte Powell am Mittwoch in Washington. Er hoffe, dass er bis Ende der Woche erste Reaktionen aus New York erhalte.

      Innerhalb der amerikanischen Regierung gibt es jedoch offensichtlich unterschiedliche Einschätzungen über den künftigen Kurs im Irak. Nach Ansicht von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sind irakische Sicherheitskräfte für die Stabilität in dem Land wichtiger als eine starke internationale Friedenstruppe. "Es ist ihr Land, sie müssen für Sicherheit sorgen", sagte Rumsfeld bei einem Zwischenstopp auf dem Flug in den Nahen Osten am Donnerstagmorgen im irischen Shannon. Seine Äußerung folgte wenige Stunden nach der Veröffentlichung des neuen Resolutionsentwurfes.

      Nach Rumsfelds Einschätzung könnte die internationale Gemeinschaft rund 10.000 Soldaten aufbringen, um die 140.000 US-Truppen im Irak zu unterstützen. Trotz der Serie von Bombenanschlägen in den vergangenen Tagen sei es nicht erforderlich, weitere amerikanische Soldaten nach Irak zu schicken, sagte der Minister. Es sei besser, irakische Sicherheitskräfte - derzeit rund 50.000 - zu trainieren und auszurüsten.

      Colin Powell sagte, er habe den Resolutionsentwurf bereits mit Bundesaußenminister Joschka Fischer und mit den Außenministern Frankreichs, Großbritanniens und Russlands sowie mit Uno-Generalsekretär Kofi Annan besprochen. Powell bestritt, dass es sich um eine Richtungsänderung des Weißen Hauses handle. Präsident George W. Bush habe stets betont, dass es sich um eine internationale Operation handle.

      "Alarmierende Meldungen" über Lage der US-Truppe

      Laut einem Bericht der "Leipziger Volkszeitung" wächst inzwischen der Druck auf die deutsche Bundesregierung, ebenfalls einen militärischen Beitrag im Irak zu leisten. Nato-Generalsekretär George Robertson bedränge die Bundesregierung beinahe wöchentlich, sich einem Militärkommando unter Nato-Flagge im Irak nicht zu entziehen, berichtete die "Leipziger Volkszeitung" unter Berufung auf die Bundeswehr-Führung. Die Bundesregierung erhalte "geradezu alarmierende Meldungen" über die angespannte Lage der US-Armee im Irak, hieß es unter Bezug auf Kabinettskreise. Es werde nicht mehr lange dauern, bis die Verantwortlichen "auf Knien" um Unterstützung bäten.

      Dagegen verwies ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Mittwochabend auf die unveränderte Position der Bundesregierung. Sie bleibe unabhängig von einer möglichen neuen Uno-Resolution bei ihrem Nein zu einem militärischen Engagement im Irak.

      "Meine Regierung hat keine Pläne für ein militärisches Engagement im Irak", hatte der Bundeskanzler Gerhard Schröder zuvor bereits beim Bundeskongress der SPD-Arbeitsgruppe 60 plus in Halle bekräftigt. Deutschland helfe schon in vielen Bereichen der Welt, sagte Schröder mit Blick auf die Ausweitung des Engagements in Afghanistan.

      Unterdessen belaufen sich die Kosten für die Stabilisierung des Iraks nach US-Angaben auf rund vier Milliarden Dollar monatlich. Eine neue Studie des Haushalts-Büros des Kongresses zeigt, dass die bisher bewilligten Gelder zur Finanzierung der US-Truppen im Irak und den Nachbarländern 2004 nicht ausreichen. Derzeit stehen knapp 150.000 amerikanische Soldaten im besetzten Irak. Der Kongress-Studie zufolge seien im kommenden Jahr entweder zusätzlich viele Milliarden Dollar oder aber die Reduzierung der Truppen notwendig.
      Avatar
      schrieb am 04.09.03 11:56:22
      Beitrag Nr. 562 ()
      UN-SR-Res. 1483:
      Die Unterwerfung des Sicherheitsrats unter die Machtpolitik der USA

      Von Werner Ruf*

      Wer immer, wie der Verfasser dieses Beitrags, darüber erleichtert war, daß der Sicherheitsrat der Regierung von George W. Bush keinen Persilschein für ihren lange geplanten Krieg gegen den Irak ausgestellt hatte, muß sich nach der Verabschiedung der Resolution 1483 vom 22. Mai 2003 bitter enttäuscht sehen: Noch im Februar hatte sich der Sicherheitsrat geweigert, den USA ein Mandat für einen Angriffskrieg gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen zu erteilen, hätte der Sicherheitsrat damit doch selbst gegen Geist und Buchstaben der Charta verstoßen und diese in ihrem Kern, dem Gewaltverbot in den internationalen Beziehungen, verletzt; denn Art. 2, Abs. 4 der Charta legt unmissverständlich fest: "Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt."

      Eine Resolution, die den geplanten Angriffskrieg legitimiert hätte, hätte das bisher gültige Völkerrecht in seinen Grundfesten erschüttert, neue völkergewohnheitsrechtliche Maßstäbe gesetzt und dazu beigetragen, dem zivilisatorischen Projekt der Charta der Vereinten Nationen möglicherweise den Todesstoß zu versetzen, indem der unilaterale Angriffskrieg, ja der Präventivkrieg (in diesem Falle "zur Abrüstung des Irak") als Mittel der zwischenstaatlichen Politik wieder erlaubt worden wäre. Zugleich wäre damit genau die neue US-amerikanische Sicherheitsdoktrin (national security strategy vom 17. Sept. 2002) legitimiert worden, in der die USA ja für sich das Recht auf präventive Kriegführung in Anspruch nehmen. Mit ihrer Weigerung, einen solchen Entschluss zu fassen, hatte die überwältigende Mehrheit der Mitglieder des Sicherheitsrats - damals - schweren Schaden vom UN-System abgewendet, auch wenn sie den Krieg selbst nicht verhindern konnte. Die USA und ihre "Koalition der Willigen" mußten ihn in eigener Regie und unter Verletzung des Völkerrechts führen.

      The Authority

      Doch nun scheint der damalige Konsens auf den Kopf gestellt: Für eine eher kosmetische Beteiligung am "Wiederaufbau" des Irak, die beschränkt ist vor allem auf die Koordination der Hilfe im humanitären Bereich, und bei der der Sondergesandte der UN "in Koordination" mit den Siegermächten tätig sein wird, hat der UN-Sicherheitsrat einstimmig (bei Abwesenheit Syriens) am 22. Mai die Resolution 1483 verabschiedet, die klar und eindeutig die kriegführenden Parteien USA und Großbritannien "als Besatzungsmächte unter einheitlichem Kommando (hinfort: ‹the Authority›)"(1) anerkennt. Da mutet es schon geradezu wie Hohn an, wenn der Sicherheitsrat weiter auf völkerrechtliche Prinzipien verweist und "die Souveränität und territoriale Integrität des Irak unterstreicht". Speziell im Falle des Irak ist der (in Sicherheitsrats-Resolutionen rituelle) Hinweis auf die Gültigkeit aller vorausgegangenen Resolutionen von besonderer Pikanterie und als völkerrechtliche Krücke hilfreich, um den neuerlichen Verstoß des Sicherheitsrats gegen die Charta zu kaschieren: Hatte dieser doch schon nach (!) dem Ende des zweiten Golfkriegs in seinen Resolutionen 687 vom 3. April 1991 und 688 vom 5. April 1991 den Irak wesentlicher Teile seiner Souveränität entkleidet.(2) Auch unterstreicht er - ex post - den vorgeblichen Kriegsgrund der USA, "die Wichtigkeit der Entwaffnung von irakischen Massenvernichtungsmitteln und die schließliche Entwaffnung des Irak". Diese allerdings soll unter der primären Verantwortung der Besatzungsmacht (Authority) erfolgen und kann (!) die UN-Waffeninspektionskommission UNMOVIC und die internationale Atomenergiebehörde IAEA einschließen, deren "Funktionen ... in der Zukunft diskutiert werden müssen." Diese Regelung eröffnet der Besatzungsmacht die Chance, doch noch jene ominösen Massenvernichtungsmittel zu entdecken, die UNMOVIC und IAEA nicht finden konnten und, wie die Formulierung der Resolution nahe legt, wohl auch in Zukunft nicht finden würden ...

      All jene, die es für zu einfach hielten, daß der Hauptgrund des Krieges der Griff nach dem Öl gewesen sei, werden durch diese Resolution widerlegt: Die nun beschlossene Beendigung des Programms "Öl für Lebensmittel" wäre ja durchaus zu begrüßen, wenn der Irak - selbst und uneingeschränkt - sein Öl vermarkten und dafür benötigte Lebensmittel und Pharmazeutika importieren könnte. Dieses Programm, das die USA, bis Kriegsbeginn seine heftigsten Verfechter, ursprünglich sofort beenden wollten, wird nun - ein Trostpflaster für die UN - noch sechs Monate fortgesetzt. So wird der Schein gewahrt, daß nur der Sicherheitsrat von ihm verfügte Sanktionen auch selbst und souverän wieder aufhebt. Danach aber wird der Export von Erdöl und Erdgas allein unter der Autorität der Besatzungsmacht stehen. Ja, es wird sogar festgelegt, daß "bis zum 31. Dezember 2007 ... aus dem Irak stammendes Erdöl, Erdölprodukte und Erdgas gegen rechtliche Maßnahmen immun sind." Dies deutet darauf hin, daß Gläubiger des Irak, deren Forderungen z.T. noch aus der Zeit des ersten Golfkrieges stammen, wie die der Golfstaaten oder Rußlands, aus ihren Titeln kein Recht zur Pfändung irakischer Produkte mit dem Ziel der Befriedigung ihrer Ansprüche herleiten können.

      Restructuring the Middle East

      Die lange Resolution 1483 verdient eine detaillierte und vor allem eine Vielzahl völkerrechtlicher Bestimmungen berücksichtigende Analyse. Sie ist hier nicht leistbar. Statt dessen soll knapp eingegangen werden auf ihre politischen Folgen, die eng verwoben sind mit den hegemonialen Ordnungsvorstellungen der derzeitigen US-Administration:

      1. In der Resolution ist ein Ziel festgeschrieben, das schon lange auf der Tagesordnung der US-Außenpolitik, aber auch der übrigen westlichen Industriestaaten stand: Die Zerschlagung der OPEC.(3) Wie anders könnte die Formulierung verstanden werden (und was hat sie mit dem Weltfrieden und der internationalen Sicherheit zu tun), wonach "der Rat ferner beschloß, daß alle Verkäufe von Öl und Erdgas erfolgen sollen in Übereinstimmung mit den besten herrschenden Marktpraktiken"? Die nach Wiederherstellung der Förderanlagen zu erwartende Überflutung der Märkte mit irakischem Öl dürfte die Ölpreise und das Quotensystem der OPEC zusammenbrechen lassen.

      2. Der dadurch ausgelöste Verfall der internationalen Ölpreise dürfte zugleich weitere, für die US-Ökonomie wie für die Weltpolitik wichtige Folgen zeitigen:
      Die energieintensive und fast keinerlei umweltschonende Restriktionen berücksichtigende Industrie der USA gewinnt durch billiges Öl weitere Wettbewerbsvorteile auf den Weltmärkten.
      Diese könnten noch dadurch verstärkt werden, daß - nach Zusammenbruch der OPEC - die USA den Verkaufspreis des aus ihrem neuen Protektorat stammenden Öls bestimmen könnten. Da die USA aus der Region bisher aber nur rd. 15 % ihrer Importe beziehen, die EU aber 40 % und Japan sogar 80 %,(4) könnten die USA durch die Bestimmung des Ölpreises gegenüber Drittstaaten auch die Kosten von deren industrieller Produktion und die Preise der Fertigwaren auf dem Weltmarkt beeinflussen, diese Ökonomien also unter großen wirtschaftlichen und politischen Druck setzen.
      Der russischen Zahlungsbilanz wird schwerer Schaden zugefügt, ist diese doch in hohem Maße vom Export von Erdöl und Erdgas abhängig.
      Bis auf wenige Scheichtümer am Golf sind die Erdöl exportierenden Staaten der Region in hohem Maße verschuldet. Der sinkende Ölpreis wird die soziale Krise in diesen Ländern weiter verschärfen - mit allen Folgen bis zum Anwachsen des "internationalen Terrorismus". Zugleich wächst damit die Erpreßbarkeit dieser Regierungen.
      3. Über die strategischen Visionen und das zukünftige Verhältnis der USA zu den ökonomischen Zentren dieser Welt kann hier nicht weiter spekuliert werden.(5) Tatsache ist jedoch, daß der Krieg gegen den Irak nur Teil eines groß angelegten Projekts ist, das unter dem Stichwort Restructuring the Middle East (6) das Ziel verfolgt, die Energievorräte der gesamten Region vom Golf bis zum kaspischen Becken unter US-Kontrolle zu bringen. Diese Vision ist gemeint, wenn der US-Präsident von der "Demokratisierung des Mittleren Ostens" spricht. Und in dieses Szenario paßt der Krieg gegen Afghanistan, der offenkundig schon lange vor dem 11. September 2001 geplant war.(7) Mit welch arrogantem Sendungsbewußtsein diese Zielvorstellung, "die Probleme dieser Region nachhaltig zu lösen"(8) seitens der amerikanischen Politikberater vorgetragen wird, verdeutlicht die Antwort von Asmus auf die Kritik seiner Positionen durch den amerikanischen Philosophen Rorty und die Frankfurter Friedensforscher Kubbig und Jacubowski.(9)

      4. Eine solche unilateralistische und aggressive Politik ist im Rahmen des geltenden Völkerrechts nicht realisierbar. Genau hier liegt der Kern der am 17. September verkündeten neuen amerikanischen Sicherheitsdoktrin, der national security strategy, für die der Irak den Präzedenzfall liefern musste. Es geht nicht darum, wie dort behauptet wird, "Schurkenstaaten und ihre terroristische Klientel aufzuhalten, bevor sie in der Lage sind, die Vereinigten Staaten und ihre Bündnispartner und Freunde mit Massenvernichtungsmitteln zu bedrohen oder sie gegen sie einzusetzen"10, es geht um die Macht, solche Bedrohungen einseitig festzustellen und dann ungehindert durch die Normen des Völkerrechts anzugreifen - ganz gleich ob solche Bedrohungen tatsächlich existieren oder nicht.

      5. Die völkerrechtliche Anmaßung zur Kriegführung, ja der Anspruch auf die Führung präventiver Kriege kann und wird nicht auf den Hegemon beschränkt bleiben. Dieser Krieg ist ein Präzedenzfall, der der Wiedereinführung der Gewalt in den internationalen Beziehungen wieder Tür und Tor öffnet, und die Kandidaten an der Spitze der "Achse des Bösen" sind ja schon benannt: Der als territoriale Brücke zum kaspischen Meer unverzichtbare Iran, aber auch Syrien oder auch das politisch nicht mehr verläßlich erscheinende Saudi-Arabien. Warum aber sollten sich kleinere Staaten hinfort an das Gewaltverbot halten, wenn dieses völkerrechtliche Tabu gebrochen ist? Warum sollten nicht morgen Indien und Pakistan ihren Konflikt - bis hin zum möglichen Einsatz atomarer Waffen - militärisch zu lösen versuchen? Und dies ist nur eines von vielen möglichen Beispielen.

      6. In diesen Kontext gehört auch die Tatsache, daß die USA trotz aller ihrer Behauptungen vor dem Sicherheitsrat sehr genau wußten, daß der Irak kein ernstzunehmender militärischer Gegner war, wie eine ausführliche Studie der RAND Corporation für die US-Airforce zeigt, die dem Irak für die nächsten zehn Jahre militärische Handlungsunfähigkeit bescheinigte.11 Weshalb behandeln die USA das - real existierende - nordkoreanischen Nuklearprogramm mit so außerordentlicher Vorsicht? Ist nicht genau dies für viele Staaten - jenseits Israels, Pakistans und Indiens - die Lehre, daß der Besitz von Massenvernichtungsmitteln letztlich doch sicherer macht? Genau hier zeigt sich die teuflische Mischung aus der Zerstörung völkerrechtlicher Normen und Aufhebung des Gewaltverbots in den internationalen Beziehungen einerseits und dem Ansporn zu massenhaftem Aufrüsten weltweit andrerseits.

      Die Bestätigung eines Besatzungsregimes

      Die Bilanz? Ein Scherbenhaufen! Es scheint als handelten die USA nach dem Motto von Condoleeza Rice: Frankreich bestrafen, Deutschland ignorieren, Russland verzeihen. Der Kniefall dieser Mächte dürfte sich erklären aus der Angst vor Isolation im internationalen System und vor weiteren möglichen, nicht nur politischen sondern auch ökonomischen Bestrafungen durch den Hegemon. Die im Sicherheitsrat vertretenen großen Mächte haben sich nun dem Hegemon gebeugt, weil dieser mit der Erreichung (der ersten Etappe?) des Kriegsziels Abhängigkeiten neuer Art zu schaffen vermag, die diese Mächte politisch und ökonomisch weiter zu marginalisieren drohen. Mitspielen um weiter mit reden zu dürfen, scheint die Devise. Dies läßt auch die Weigerung des Sicherheitsrats, im Februar den USA einen Blankoscheck für ihren Krieg zu erteilen, in einem anderen Licht erscheinen: Nicht aus Respekt vor dem Völkerrecht sollte der Krieg verhindert werden, sondern die jetzt eingetretene Situation sollte abgewendet werden, indem man sich an den Funken von Hoffnung klammerte, die USA würden vielleicht doch nicht ohne Mandat losschlagen.

      Erstmalig in der Geschichte der Vereinten Nationen hat der Sicherheitsrat ein Besatzungsregime bestätigt. Und dies als Folge eines von ihm nicht autorisierten und ohne jeden Zweifel völkerrechtswidrigen Krieges. Damit ist dieser im Nachhinein legitimiert, ganz so wie die kommenden Kriege in der Zukunft. Die Weltordnung wird zurückgekehrt in jene Verhältnisse, die bereits der Völkerbund abschaffen wollte und die durch die Konstruktion eines suprastaatlichen Gewaltmonopols als Kern der Charta der Vereinten Nationen einen zivilisatorischen Höhepunkt gefunden hatten. Krieg wird wieder zum (legitimen!) Mittel der Politik. Die Region des Nahen und Mittleren Ostens selbst wird abermals zum Spielball kolonialistisch anmutender Durchsetzung von Interessen außenstehender Mächte. All dies nährt dort das Bewusstsein, stets Opfer imperialer Willkür zu sein. Willkür und Rechtlosigkeit demolieren nicht nur das Völkerrecht, sie steigern auch die Wut der von diesen Rechtsbrüchen Betroffenen und fördern damit das, was zu bekämpfen vorgegeben wird: den Terrorismus als - nicht legale - Widerstandsform gegen jene, die auf höherer Ebene die Rechtsordnung brechen.

      Fußnoten
      Übersetzungen aus dem englischen Text der Resolution W.R.
      Ruf, Werner. Krieg gegen den Irak - Der Sicherheitsrat verletzt die UN-Charta; in: inamo 33 (2003), S. 4-8.
      Vgl. hierzu auch Handelsblatt 27. Mai 03, S. 9: "OPEC fürchtet irakisches Öl auf dem Weltmarkt" .
      Vgl. Eckert, Dirk: Das Öl und der Krieg, IMI-Analyse 2002/078, 8. Okt. 2002.
      Ausführlicher s. hierzu: Ruf, Werner: Der Krieg gegen den Irak: Beginn der Neuordnung des Nahen und Mittleren Ostens? in: Tuschl, Ronald (Hg.): Österreichische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung. State of Peace Konferenz - Friedensbericht 2003, Münster, im Druck.
      S. u. a. Asmus, Ronald D./Pollack, Kenneth M.: Transforming the Middle East; in: Policy Review Nr. 115 Sept./Oct. 2002. Übersetzt in: Blätter für deutsche und internationale Politik Heft 12/2002, S. 1457-1466.
      Chossudovsky, Michel: Global - Brutal. Der entfesselte Welthandel, die Armut, der Krieg. Frankfurt Zweitausendeins 2002, s. insbes. Kasten S. 390.
      Asmus, Ronald D.: Gemeinsame Ressourcen. Die Transformation des Iraks; in Frankfurter Rundschau 18.03.03, S. 9.
      Ebenda.
      National Security Strategy; Online unter http://www.whitehouse.gov/nsc/nss.pdf. Zuletzt abgerufen am 20.12.02. In Auszügen in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 12/2002, S. 1503-1512. Vollständig auf der Homepage des "Friedensratschlags": Teil I bis V und Teil VI bis IX 11 Byman, Daniel S../Wise, John R.: The Persian Gulf in the Coming Decade. RAND Corporation, Santa Monica, 2002.
      * Prof Dr. Werner Ruf, Politikwissenschaftler, bis 2003 Hochschullehrer für Internationale Beziehungen an der Universität Kassel
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