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    Wie man einen Krieg verkauft / FAZ - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 03.10.02 08:33:54 von
    neuester Beitrag 03.10.02 18:26:32 von
    Beiträge: 11
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      schrieb am 03.10.02 08:33:54
      Beitrag Nr. 1 ()
      Wie man einen Krieg verkauft

      Unsere Wut ist grenzenlos: Über den Antiamerikanismus als Ideologie / Von Arundhati Roy

      Jene, die in den letzten Wochen Kritik an der amerikanischen Regierung geübt haben, wurden des Antiamerikanismus bezichtigt. Dieser Begriff erhält gegenwärtig die Weihen einer Ideologie. Gewöhnlich verwendet das amerikanische Establishment diese Bezeichnung, um seine Kritiker zu diskreditieren und ihnen ein (nicht völlig falsches, eher: ungenaues) Etikett zu verpassen. Sobald jemand als Antiamerikaner abgestempelt ist, kann der Betreffende damit rechnen, umstandslos verurteilt zu werden, und sein Argument wird im Aufschrei eines verletzten Nationalstolzes untergehen. Was bedeutet Antiamerikanismus? Daß man nicht gern Jazz hört? Daß man gegen Meinungsfreiheit ist? Daß man nicht für Toni Morrison oder John Updike schwärmt? Bedeutet es, daß man die Hunderttausende von Amerikanern nicht bewundert, die gegen Atomwaffen demonstriert haben? Oder die Tausende von Kriegsdienstverweigerern, die ihre Regierung zwangen, sich aus Vietnam zurückzuziehen? Bedeutet es, daß man alle Amerikaner haßt?

      Diese raffinierte Vermengung von amerikanischer Musik, Literatur, der atemberaubenden Schönheit des Landes, den einfachen Vergnügungen der einfachen Leute mit der Kritik an der Außenpolitik der amerikanischen Regierung ist eine bewußte und außerordentlich wirkungsvolle Methode. Es erinnert an eine zurückweichende Truppe, die in einer dichtbevölkerten Stadt Unterschlupf sucht, in der Hoffnung, der Feind werde aus Sorge vor zivilen Opfern von einem Beschuß absehen.

      Viele Amerikaner wären verärgert, wenn man sie mit der Politik ihrer Regierung identifizierte. Die nachdenklichsten, schärfsten, bissigsten und geistreichsten Kommentare über die Heuchelei und die Widersprüche der amerikanischen Politik stammen ja gerade von den Amerikanern selbst. (Auch in Indien wären Millionen Menschen beschämt und beleidigt, wenn sie mit der faschistischen Politik der gegenwärtigen Regierung identifiziert würden.) Jemandem Antiamerikanismus vorzuwerfen ist Ausdruck eines Mangels an Phantasie, der Unfähigkeit, die Welt anders zu sehen als in der vom Establishment vorgegebenen Weise: Wer nicht gut ist, ist böse. Wer nicht für uns ist, ist für die Terroristen.

      Auch ich habe im letzten Jahr nach dem 11. September den Fehler gemacht, über diese Rhetorik zu spotten, sie als töricht und arrogant abzutun (F.A.Z. vom 28. September 2001). Mir ist klargeworden, daß das nicht zutrifft. Tatsächlich handelt es sich um eine raffinierte Werbekampagne für einen irrigen, gefährlichen Krieg. Immer wieder stelle ich erstaunt fest, wie verbreitet die Ansicht ist, daß man den Krieg in Afghanistan nicht kritisieren dürfe, weil das einer Unterstützung des Terrorismus gleichkäme. Nachdem das ursprüngliche Kriegsziel - Bin Ladin gefangenzunehmen - fehlgeschlagen ist, wird nun von anderen Absichten gesprochen. Jetzt heißt es, der Krieg sei geführt worden, um das Taliban-Regime zu stürzen und die afghanischen Frauen von der Burqa zu befreien. Wir sollen also glauben, daß die amerikanischen Soldaten in feministischer Mission unterwegs sind. (Wird ihr nächster Einsatz sie dann nach Saudi-Arabien führen, dem militärischen Verbündeten Amerikas?) In Indien gibt es ziemlich üble soziale Verhaltensweisen - gegenüber den "Unberührbaren", gegenüber Christen und Muslimen, gegenüber Frauen. In Pakistan und Bangladesch werden Minderheiten und Frauen noch schlimmer behandelt. Sollten diese Länder deshalb bombardiert werden?

      Der Horror des 11. September verfolgt die Menschen natürlich, vor allem in Amerika. Schmerz und Wut sind noch immer groß. Trotzdem wissen alle, die einen Angehörigen verloren haben, daß kein Akt der Vergeltung ihren Schmerz lindern oder ihre Toten zurückbringen kann. Krieg kann die Toten nicht rächen. Krieg ist nur eine brutale Entweihung des Gedenkens. Denn einen neuen Krieg (gegen den Irak) zu entfachen, indem man die Trauer manipuliert, sie für Fernsehsondersendungen zurechtmacht, die von Waschmittel- oder Sportschuhherstellern gesponsert werden, heißt, diese Trauer zu entwerten. Es zeigt, daß die intimsten Gefühle der Menschen rücksichtslos für politische Zwecke geplündert werden.

      Die amerikanische Regierung sagt, Saddam Hussein sei ein Kriegsverbrecher, ein brutaler Militärdiktator. Das ist eine durchaus zutreffende Beschreibung des Mannes, der 1988 Hunderte von nordirakischen Dörfern bombardieren und Tausende von Kurden hinmetzeln ließ. Heute wissen wir, daß die amerikanische Regierung ihm im selben Jahr fünfhundert Millionen Dollar zum Ankauf amerikanischer Agrarprodukte zur Verfügung stellte. Ein Jahr später, nach erfolgreich abgeschlossenem Völkermord, erhöhte sie ihre Hilfe auf eine Milliarde. Außerdem lieferte sie Anthrax-Erreger sowie Helikopter und Material, das auch zur Produktion von chemischen und biologischen Waffen eingesetzt werden konnte. Es stellt sich also heraus, daß in jener Zeit, in der Saddam seine übelsten Massaker verübte, die amerikanische und die britische Regierung seine engsten Verbündeten waren. Was hat sich seither geändert?

      Im August 1990 überfiel Saddam Kuweit. Seine Sünde war nicht so sehr, daß er eine kriegerische Handlung unternommen, sondern daß er auf eigene Faust gehandelt hatte. Schon allein diese Demonstration von Unabhängigkeit brachte das Gleichgewicht der Kräfte am Golf durcheinander. Also beschloß man, Saddam zu beseitigen, so wie man sich eines Haustiers entledigt, das man nicht mehr mag. Und doch ist Saddam noch immer an der Macht.

      Nun, zwölf Jahre später, kurbelt Bush jr. diese Rhetorik wieder an. Er fordert einen Krieg, dessen Ziel ein Regimewechsel im Irak sein soll. Andrew H. Card jr., Stabschef im Weißen Haus, hat beschrieben, wie die Regierung ihre Kriegspläne für den Herbst verstärkt: "Aus Marketingerwägungen bringt man ein neues Produkt nicht im August auf den Markt." Stichwort für Washingtons "neues Produkt" ist diesmal nicht die Lage der Menschen in Kuweit, sondern die Behauptung, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen. Von "dem zwecklosen Moralisieren der Friedenslobby" sollte man sich nicht irritieren lassen, schrieb Sicherheitsberater Richard Perle. Notfalls würden die Vereinigten Staaten einen Präventivschlag führen.

      Die Waffeninspekteure berichten Widersprüchliches über die Situation im Irak. Viele haben erklärt, daß die Massenvernichtungswaffen zerstört seien und der Irak nicht über die Möglichkeiten verfüge, neue zu bauen. Was aber, wenn der Irak tatsächlich eine Atombombe besitzt? Würde dies einen Präventivschlag rechtfertigen? Amerika hat das weltweit größte Atomwaffenarsenal, und es ist das einzige Land der Welt, das Atomwaffen gegen eine Zivilbevölkerung eingesetzt hat. Wenn es für sich das Recht beansprucht, einen Präventivschlag gegen den Irak zu führen, so wäre jede Atommacht berechtigt, einen Präventivschlag gegen eine andere zu führen. Indien könnte Pakistan angreifen oder umgekehrt.

      Unlängst haben die Vereinigten Staaten erheblich dazu beigetragen, Indien und Pakistan von einem Krieg abzuhalten. Fällt es den Amerikanern so schwer, den eigenen Rat selbst zu beherzigen? Wer moralisiert hier eigentlich? Wer predigt Frieden und führt gleichzeitig Krieg? Amerika, nach Präsident Bushs Worten die "friedfertigste Nation der Welt", hat in jedem der letzten fünfzig Jahre gegen irgendein Land Krieg geführt. Und Kriege werden nie aus altruistischen Motiven geführt. Meist geht es um Hegemonie, um Geschäftsinteressen. Tom Friedman schreibt in seinem Buch "The Lexus and the Olive Tree": "Die verborgene Hand des Markts wird ohne verborgene Faust nicht funktionieren. Ohne McDonnell Douglas kann McDonald`s nicht erfolgreich sein. Die verborgene Faust, die dafür sorgt, daß die High-Tech-Unternehmen von Silicon Valley überall auf der Welt ungehindert florieren können, heißt US Army, Air Force und Marine Corps." Vielleicht wurden diese Worte in einem Moment großer Verunsicherung geschrieben, aber es ist die prägnanteste, genaueste Beschreibung des Unternehmens Globalisierung, die ich je gelesen habe.

      Nach dem 11. September und dem Krieg gegen den Terror sind verborgene Hand und Faust enttarnt. Deutlich können wir nun sehen, wie Amerikas andere Waffe, der freie Markt, mit einem verbissenen Lächeln über die Entwicklungsländer hereinbricht. "The Task That Never Ends", die immerwährende Aufgabe also, ist Amerikas perfekter Krieg, das Vehikel des unaufhörlich expandierenden amerikanischen Imperialismus. Profit heißt auf Urdu "faida", und "Al-qaida" bedeutet: Wort, Wort Gottes, Gesetz. Manche Inder bezeichnen den Krieg gegen den Terror als Kampf zwischen Al Qaida und Al Faida. Wort gegen Profit. Im Moment sieht es aus, als würdeAl Faida die Oberhand gewinnen.

      Das Gesamteinkommen der Welt ist in den letzten zehn Jahren um durchschnittlich zweieinhalb Prozent jährlich gestiegen, während die Zahl der Armen um hundert Millionen angewachsen ist. 51 der hundert größten Wirtschaftsunternehmen sind Firmen, nicht Länder. Das oberste Prozent der Weltbevölkerung verfügt über ebenso viel Einkommen wie die untersten 57 Prozent. Unter dem Dach des Anti-Terror-Kriegs wird dieser Prozeß vorangetrieben. Während Bomben fallen, werden Verträge unterzeichnet, Ölpipelines gebaut, Bodenschätze geplündert, Wasservorräte privatisiert und Demokratien geschwächt.

      Doch während der Gegensatz zwischen Arm und Reich immer größer wird, hat die verborgene Faust des freien Marktes viel zu tun. Multinationale Konzerne, stets auf Profitsuche, sind in Entwicklungsländern auf die Mitwirkung des Staatsapparats angewiesen, auf Polizei, Justizbehörden, mitunter sogar auf das Militär. Die Globalisierung braucht einen internationalen Verbund von loyalen, korrupten, vorzugsweise autoritären Regierungen in den armen Ländern, damit unpopuläre Reformen durchgesetzt werden können. Sie braucht eine Presse, die so tut, als wäre sie frei. Sie braucht Gerichte, die so tun, als sprächen sie Recht. Sie braucht Atombomben, Armeen, strenge Einwanderungsgesetze und Grenzpolizisten, die dafür sorgen, daß nur Kapital, Waren, Patente und Dienstleistungen globalisiert werden - nicht die Reisefreiheit von Menschen, nicht die Einhaltung der Menschenrechte, nicht die Abkommen über das Verbot von Rassendiskriminierung, von chemischen oder atomaren Waffen, über Klimaschutz oder, Gott bewahre, einen internationalen Strafgerichtshof.

      Knapp ein Jahr nachdem der Krieg gegen den Terror im zerstörten Afghanistan offiziell für beendet erklärt wurde, gehen immer mehr Länder daran, Freiheiten im Namen der Freiheit und zum Schutz der Demokratie einzuschränken oder aufzuheben. Jede Art von Aufbegehren wird als "Terrorismus" bezeichnet. Der Krieg, darauf hat Verteidigungsminister Rumsfeld hingewiesen, wird geführt, damit die Amerikaner an ihrem way of life festhalten können. Wenn der König wütend mit dem Fuß aufstampft, erzittern die Sklaven. Es fällt mir schwer, das auszusprechen, aber der amerikanische way of life kann nicht aufrechterhalten werden. Weil diese Lebensform nicht akzeptiert, daß es außer Amerika noch eine andere Welt gibt.

      Macht ist glücklicherweise nicht unbegrenzt haltbar. Irgendwann wird dieses mächtige Imperium, wie andere vor ihm, sich übernehmen und implodieren. Schon sind erste Risse zu erkennen. Der Krieg gegen den Terror wirft seine Netze immer weiter aus, und das Herz der amerikanischen Konzerne blutet. Eine Welt, die regiert wird von einer Handvoll gieriger Banker und Unternehmenschefs, die niemand gewählt hat, kann unmöglich Bestand haben.

      Der sowjetische Kommunismus ist nicht gescheitert, weil er grundsätzlich böse war, sondern weil er einen Fehler hatte. Zu wenige Leute konnten zuviel Macht an sich reißen. Der amerikanische Kapitalismus des einundzwanzigsten Jahrhunderts wird aus dem gleichen Grund scheitern.

      Aus dem Englischen von Matthias Fienbork.

      Die indische Schriftstellerin und politische Aktivistin Arundhati Roy, geboren 1960, gilt nicht nur wegen ihres weltbekannten Romans "Der Gott der kleinen Dinge" als wichtigste Autorin des Subkontinents. Immer wieder hat sie die Wut vieler Menschen im Atomgürtel Indien/Pakistan auf die Vereinigten Staaten geschildert und die Taten und Qualen der Globalisierung in ihrem Land angeprangert: Das macht sie zur soziologisch repräsentativen Stimme. Vor einem Jahr hat Roy in einem aufsehenerregenden Beitrag für diese Zeitung die Vereinigten Staaten wegen ihrer Reaktion auf die Attentate vom 11. September scharf kritisiert. Heute glaubt sie, daß sie die amerikanische Rhetorik damals noch unterschätzt hat: Tatsächlich handle es sich dabei um eine raffinierte Werbekampagne für einen gefährlichen Krieg. F.A.Z.

      Ein neuer Krieg kann die Toten nicht rächen. Krieg ist nur eine brutale Entweihung des Gedenkens.

      Der amerikanische way of life wird stürzen, weil er keine anderen Lebensformen neben sich akzeptiert.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.10.2002, Nr. 229 / Seite 41
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      schrieb am 03.10.02 08:43:42
      Beitrag Nr. 2 ()
      Bereits über 6 Jahre vor dem Ersten Weltkrieg warnte der Professor für politische Ökonomie Ruhland vor dem Weltkrieg: "Bei der nur zu oft maßlosen Inanspruchnahme des Kredits vollzieht sich hier mit Hilfe des Bank- und Börsenkapitals in einer anscheinend planvollen Weise eine nationale wie internationale Verkettung der Privatunternehmungen, die in unserem Kriegszeitalter uns eines Tages einer Krise entgegen zu führen droht, wie sie kaum in der Geschichte der Völker schon erlebt wurde."

      Ruhland bezeichnete den Krieg als “Erwerbsart der Reichen”. Weil sich das Kapital in jedem Land in immer weniger Händen ansammelt, müssen diese Großkapitalisten letztlich aufeinanderstoßen und sich gegenseitig bekämpfen. Durch die hohen Staatsverschuldungen sind die Nationen in die Konflikte verwickelt.

      Schon der Oberbefehlshaber der preußischen Armee, Gerneralfeldmarschall Graf von Moltke (1800-1891) erklärte zu den Kriegen der damaligen Zeit:

      "Die großen Kämpfe der neueren Zeit sind gegen Wunsch und Willen der Regierenden entbrannt. Die Börse hat in unseren Tagen einen Einfluß gewonnen, welcher die bewaffnete Macht für ihre Interessen ins Feld zu rufen vermag..."

      Prof. Ruhland führte weiter aus, daß in einem kapitalistischen System Friede niemals möglich ist. Unsere Zeit nannte er “die Zeiten der ewigen Kriege:

      "Der heute herrschende Kapitalismus in der Gesellschaft bedeutet ewigen Krieg. ... Die Kriege sind Lösungsversuche wirtschaftlicher Fragen in kapitalistischem Sinne. ... Die entscheidende Frage der Friedensbewegung lautet: Wird es gelingen, den heute herrschenden Kapitalismus aus der Gesellschaft zu beseitigen? ...Bleibt aber das kapitalistische Erwerbssystem herrschend, dann müssen die Zeiten der ewigen Kriege fortdauern trotz aller Friedenskonferenzen."

      Silvio Gesell, 1918

      Silvio Gesell, ein deutscher Kaufmann in Argentinien, welcher zum ersten mal ein Wirtschaftssystem ohne Zins vorstellte, warnte bereits 1918, zur Friedenssehnsucht nach dem Ersten Weltkrieg, vor dem nächsten Konflikt:

      “Trotz des heiligen Versprechens der Völker, den Krieg für alle Zeiten zu ächten, trotz des Rufes der Millionen: “Nie wieder Krieg”, entgegen all den Hoffnungen auf eine schönere Zukunft, muß ich es sagen: Wenn das heutige Geldsystem, die Zinswirtschaft, beibehalten wird, so wage ich es, heute schon zu behaupten, daß es keine 25 Jahre dauern wird bis wir vor einem neuen, noch furchtbareren Krieg stehen.

      Ich sehe die kommende Entwicklung klar vor mir. Der heutige Stand der Technik läßt die Wirtschaft rasch zu einer Höchstleistung steigern. Die Kapitalbildung wird, trotz der großen Kriegsverluste rasch erfolgen und durch ein Überangebot den Zins drücken. Das Geld wird dann gehamstert werden. Der Wirtschaftsraum wird einschrumpfen und große Heere von Arbeitslosen werden auf der Straße stehen. An vielen Grenzpfählen wird man eine Tafel mit der Aufschrift sehen können: “Arbeitssuchende haben keinen Zutritt ins Land, nur die Faulenzer mit vollgestopften Geldbeutel sind willkommen.”

      Wie zu alten Zeiten wird man nach dem Länderrraub trachten und dazu wieder Kanonen fabrizieren müssen, man hat dann wenigstens für die Arbeitslosen wieder Arbeit. In den unzufriedenen Manssen werden wilde, revolutionäre Strömungen wach werden, und auch die Giftpflanze Übernationalismus wird wieder wuchern. Kein Land wird das andere mehr verstehen und das Ende kann nur wieder Krieg sein.”


      Deutlich wir aus diesen beiden Beispielen, daß die bewaffneten Konflikte der Vergangenheit durchaus vorhersehbar waren. Offenbar scheint man jedoch aus der Geschichte nichts gelernt zu haben:

      Krieg auf dem Balkan

      Heute wird Krieg als “friedensschaffende Maßnahme” bezeichnet. Man versteht darunter den Versuch, gewaltsame Machthaber mit Waffeneinsatz zum Einlenken auf westliche Forderungen zu zwingen. Damit wird jedoch weder die Ursache im Finanzsystem geändert, noch wird wirklich Frieden in der Gesellschaft verankert.

      Schon vor den Bombadierungen versucht man seit acht Jahren Serbien durch Wirtschaftssanktionen unter Druck zu setzen. Die Wirtschaftsleistung wurde allein dadurch auf den Stand von 1968 zurückgeworfen. Mit solchen Maßnahmen erhöht sich der Zwang auf ein Land, mit militärischen Mitteln seinen Wirtschaftsraum auszudehnen - Sanktionen zwingen zum Krieg.

      Durch die Bombadierungen der NATO ab Ende März 98 wurde bis Anfang Mai 1998 in Serbien ein Schaden von über 40 Mrd. Dollar angerichtet. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 50%, das Bruttosozialprodukt hat sich halbiert. Nach Expertenmeinung wird die Zerstörung schon bald größer sein als nach dem Zweiten Weltkrieg. Damit wird diesem hochverschuldeten Land jede Hoffnung auf Besserung genommen. Nach einem Friedensvertrag wird bald der nächste, noch schlimmere Krieg die Folge sein.

      Auch in anderen Teilen der Welt wachsen die Zinslasten und damit der Druck auf die Regierungen, ihre wirtschaftliche Stellung zu verteidigen. Dies ist letztlich im Zinssystem nur durch Kampf möglich. So werden die Kriege auch die wohlhabenden Staaten treffen, bis wieder alles in Schutt und Asche liegt, wenn nicht endlich die seit langem bekannten Lösungen zur Stabilisierung der Wirtschaft erst genommen werden.
      Avatar
      schrieb am 03.10.02 09:09:03
      Beitrag Nr. 3 ()
      Auch wenn es undenkbar erscheint , die Frage bleibt offen :
      - War gar der Anschlag am 11.September getürkt ?
      - Ist der im Vorfeld von den USA unterstützte - Bin Laden - überhaupt eine reelle Feind - Figur ?
      - wird nicht derzeit der Eindruck geschürt , Krieg - koste es was es wolle ?
      - Bush will den Krieg und er wird ihn durchziehen , ein Brandherd welcher auch Europa erfassen wird

      - es geht nicht nur um Öl , sondern um Maßnahmen der US - Lobby dem drohenden Staatsbankott entgegenzuwirken.
      Avatar
      schrieb am 03.10.02 12:07:57
      !
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      Avatar
      schrieb am 03.10.02 16:11:09
      Beitrag Nr. 5 ()
      Amerikaner spielen Folgen eines Irakkriegs für Konjunktur herunter

      Von Christiane Oelrich, dpa =

      Washington (dpa) - Auf 100 bis 200 Milliarden Dollar schätzt der
      Wirtschaftsberater der US-Regierung, Lawrence Lindsey, die Kosten
      eines Irak-Kriegs. "Ein Klacks für die Amerikaner", meint ein
      westlicher Diplomat in Washington, "etwa verglichen mit den
      Steuersenkungen im Umfang von 1,3 Billionen Dollar, die vergangenes
      Jahr beschlossen wurden." Selbst wenn die USA die eigentlichen Kosten
      relativ leicht wegstecken könnten, ist bislang noch völlig offen,
      welche Auswirkungen ein solcher Krieg auf die US- und die
      Weltwirtschaft hätte. Doch die Amerikaner machen auf Optimismus.


      Alles steht und fällt mit den Ölpreisen. Das hängt von vielen
      Unbekannten ab: wie lange dauert der Krieg? Werden die Nachbarstaaten
      hineingezogen? Wie reagiert die OPEC?


      Nach außen lässt die US-Regierung sich keine Sorge über die
      wirtschaftlichen Folgen eines Militärschlags anmerken. Angesichts der
      ohnehin wackligen Wachstumsprognosen für die Weltwirtschaft war die
      Sorge über die Folgen eines Kriegs bei der Jahrestagung des
      Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank am Wochenende in
      aller Munde - doch Finanzminister Paul O`Neill blieb stoisch.


      "Die OPEC peilt einen Richtpreis von 22 bis 28 Dollar pro Barrel
      an. Damit können wir leben", war alles, was er dazu zu sagen hatte.
      Notenbankchef Alan Greenspan sekundierte: wenn der Krieg sich nicht
      in die Länge ziehe, hätte ein Ölpreisanstieg kaum große Folgen.


      Das Prognoseinstitut Macroeconomic Advisers aus St. Louis stellt
      sich bei einem US-Angriff Anfang nächsten Jahres folgendes Szenario
      vor: Der Ölpreis schießt auf mehr als 40 Dollar im 1. Quartal, die
      Aktienkurse fallen um weitere sechs Prozent, die Arbeitslosenquote
      klettert auf über sechs Prozent, US-Verbraucher kleben vor den
      Fernsehschirmen anstatt Shoppen zu gehen. Im 2. Quartal gehen die
      Ölpreise zurück auf 36 Dollar, die Wirtschaft wächst wieder. "Die
      Wirtschaft würde wegen der Ölpreise taumeln, weil der Preisanstieg
      aber vorübergehend wäre und die Notenbank die Zinsen auf tiefem
      Niveau beließe, würde eine Rezession vermieden", meint das Institut.


      Beim Golfkrieg 1990, nach der Invasion Kuwaits, war alles anders.
      Damals förderte der Irak 3,5 Millionen Barrel Öl am Tag. Der
      befürchtete Ausfall ließ die Preise in Kürze auf über 40 Dollar
      hochschnellen. Die OPEC brauchte Monate, um die Fördermengen zu
      erhöhen, die Verbraucherländer zögerten, ihre strategischen Reserven
      einzusetzen. Die USA stürzten in eine tiefe Rezession.


      Heute fördert der Irak nach OPEC-Angaben 1,7 Millionen Barrel am
      Tag, ein Bruchteil der Gesamtfördermenge von rund 76 Millionen
      Barrel. Der Ausfall wäre geringer, und obwohl der Irak nach Angaben
      des US-Energieministeriums immerhin fünftgrößter Öllieferant der USA
      ist, sind die Amerikaner zuversichtlich, dass kein Engpass auftritt.


      Die OPEC will einen Ausfall schnell wettmachen, die strategischen
      Reserven sind gut gefüllt. Allein die USA halten rund 584 Millionen
      Barrel, genug für 120 Tage. Zwar importieren die USA heute 52 Prozent
      ihres Bedarfs, verglichen mit 37 Prozent vor gut zehn Jahren, doch
      beziehen sie das Öl aus mehr Quellen, etwa aus Mexiko. Die
      Abhängigkeit von Öl aus Nahost ist gesunken.


      "Wenn wir richtig planen, sollte der Ölpreisanstieg kurz bleiben,
      dann wären wir in der Lage, die Folgen für die Weltwirtschaft niedrig
      zu halten", meint Larry Goldstein, Präsident des Instituts Petroleum
      Industry Research Foundation in New York.


      Und die amerikanischen Ölkonzerne sehen einen dicken Silberstreif
      am Kriegshimmel: Die Ausbeutung der irakischen Ölreserven, des nach
      Saudi-Arabien zweitgrößten Ölvorkommens der Welt, verspricht
      gigantische Geschäfte. Der ehemalige Geheimdienstchef James Woolsey
      legte bislang noch skeptischen möglichen Kriegspartnern die Aussicht
      auf Ölgeschäfte wie einen Köder hin: "Frankreich und Russland sollten
      sich im Klaren sein, dass wir - wenn sie bei der Installierung einer
      vernünftigen Regierung im Irak beitragen - unser bestes tun werden,
      damit die neue Regierung und die amerikanischen Ölfirmen sie auch zum
      Zuge kommen lassen", sagte er.


      ©dpa

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      schrieb am 03.10.02 18:06:16
      Beitrag Nr. 6 ()
      Zankapfel Jerusalem
      Palästinenser empört: US-Haushaltsgesetz erkennt Jerusalem faktisch als Hauptstadt Israels an
      RAMALLAH/WASHINGTON dpa Die palästinensische Autonomiebehörde hat gegen die faktische Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt durch die USA protestiert. Nach einer Kabinettssitzung in Ramallah hieß es gestern, die US-Entscheidung sei "sehr gefährlich". Es handle sich um "einen Verstoß gegen alle Abkommen mit Israel und alle internationalen Nahost-Resolutionen", sagte Kommunalminister Sajeb Erekat. Das arabische "Jerusalem-Komitee" müsse sich dringend damit befassen.

      US-Präsident George Bush hatte zuvor ein Haushaltsgesetz unter Protest unterzeichnet, das Jerusalem als Hauptstadt Israels faktisch anerkennt. Eine Klausel des Gesetzes, das die Finanzen des Außenministeriums regelt, verlangt unter anderem die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Bush versicherte jedoch, dass sich an der Haltung seiner Regierung in der Jerusalem-Frage nichts geändert habe, da die Klausel nicht mit den "verfassungsmäßigen Rechten zur Formulierung" der Außenpolitik übereinstimme.

      Um den Amtssitz von Palästinenserpräsident Jassir Arafat haben gestern israelische Scharfschützen Stellung bezogen. Zuvor war berichtet worden, einige von Israel gesuchte Extremisten seien aus dem Gebäude entkommen, nachdem die Belagerung des Geländes gelockert wurde. Israels Premier Ariel Scharon erklärte bei seinem Russland-Besuch, der seit zwei Jahren dauernde Palästinenseraufstand werde in wenigen Monaten beendet sein. Offen blieb, worauf er seine Voraussage stützte.
      Avatar
      schrieb am 03.10.02 18:08:43
      Beitrag Nr. 7 ()
      Rumsfeld in die Pilze geschickt
      HELSINKI dpa Der finnische Filmregisseur Aki Kaurismäki hat aus Protest gegen die US-Behörden seine Teilnahme am New Yorker Filmfestival abgesagt. Wie die Nachrichtenagentur FNB gestern in Helsinki meldete, begründet Kaurismäki die Rücknahme seiner Teilnahmezusage mit dem Einreiseverbot für seinen iranischen Kollegen Abbas Kiarostami. Der für sarkastische Äußerungen bekannte Kaurismäki sagte zur Verweigerung des Visums für Kiarostami: "Wenn die jetzige Regierung der USA keinen Iraner haben will, dann hat sie wohl auch kaum Verwendung für einen Finnen. Bei uns gibt es ja nicht mal Öl." Kaurismäki sprach eine "Einladung" an US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld aus, weil dieser offenbar der Ruhe bedürfe: "Wir könnten zusammen im Wald wandern und Pilze sammeln. Das beruhigt ihn vielleicht ein bisschen." Kaurismäki erhielt für "Der Mann ohne Vergangenheit" den Großen Preis von Cannes.

      taz Nr. 6868 vom 2.10.2002, Seite 2
      Avatar
      schrieb am 03.10.02 18:12:07
      Beitrag Nr. 8 ()
      Angebliches Uran völlig harmlos
      ISTANBUL dpa Der spektakuläre Fund von angeblich 15 Kilogramm waffenfähigem Uran in der Türkei hat sich als ungefährliches Gemisch aus Zink, Blei, Zirkonium und Mangan entpuppt. "Mit Sicherheit ist es kein radioaktives, gefährliches oder für einen bestimmten Zweck geeignetes Material", sagte der Direktor des Atomforschungszentrums in Istanbul, Güler Köksal, am Montagabend nach der Analyse. Sicherheitskräfte hatten den 15,7 Kilogramm schweren Bleibehälter am Wochenende im Südosten der Türkei nahe der syrischen Grenze sichergestellt. Die beiden mutmaßlichen Uran-Schmuggler waren kurz darauf wieder freigelassen worden. Der Fund hatte vor dem Hintergrund des "Irak-Dossiers" des britischen Premierministers Tony Blair und der angeblichen Versuche Bagdads, sich Uran für den Bau einer Atombombe zu beschaffen, für Aufsehen gesorgt.

      taz Nr. 6868 vom 2.10.2002, Seite 10
      Avatar
      schrieb am 03.10.02 18:18:02
      !
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      Avatar
      schrieb am 03.10.02 18:18:47
      Beitrag Nr. 10 ()
      ja ja wettert nur gegen die bösen Amis!

      was wäre hier wohl los wenn mitten in einer mitteleuropäischen Innenstadt eine gigantische Bombe (aus den "kritischen" Gebieten) exxpoldieren würde?

      Dann möcht ich die ganzen Threads lesen, die "unseren" Regierungen die Schuld geben weil sie es nicht verhindert haben....

      Mannerl, der davon träumt eventuell nächstes Jahr ein relativ demokratisches Irak zu sehen!!!
      Avatar
      schrieb am 03.10.02 18:26:32
      Beitrag Nr. 11 ()
      DIE ZEIT

      Dossier 41/2002

      Tödliche Fehler


      --------------------------------------------------------------------------------

      US-Ermittler wussten von geplanten Terroranschlägen, ließen die Verdächtigen aber gewähren. Es mehren sich die Hinweise, dass CIA und FBI den Angriff auf Amerika hätten verhindern können

      von Oliver Schröm

      Washington, D. C., 11. September 2001. Vor wenigen Stunden haben 19 Terroristen vier Passagierflugzeuge entführt und zwei davon in die Türme des World Trade Center gesteuert, das dritte stürzte ins Pentagon, und das vierte zerschellte auf einem Acker im Bundesstaat Pennsylvania. An den Unglücksorten suchen Feuerwehrleute nach Überlebenden, als Präsident George W. Bush bereits verkündet, wer hinter den Anschlägen steckt: Osama bin Laden.

      Tatsächlich? Stimmen werden laut, die Beweise fordern. Außenminister Colin Powell kündigt an, sehr bald Dokumente vorzulegen. Am Ende überlässt es Powell dem britischen Premierminister Tony Blair, der Weltöffentlichkeit Beweise zu präsentieren. Das 20-seitige Dokument, das Blair veröffentlicht, gleicht einer Anhäufung von Indizien und Mutmaßungen, die belegen sollen, dass allein die Terrororganisation von Osama bin Laden in der Lage ist, solch eine Terroraktion zu planen und durchzuführen. In dem Dokument heißt es: "Es gibt Beweise sehr spezifischer Natur hinsichtlich der Schuld bin Ladens und seiner Gefolgsleute, die für eine Veröffentlichung zu heikel sind."

      Das stimmt. Die Unterlagen belegen nämlich nicht nur, dass tatsächlich zwei der Entführer engen Kontakt zur Terrororganisation al-Qaida hatten. Vielmehr zeugen sie auch vom Versagen des amerikanischen Geheimdienstes CIA, der 18 Monate vor dem 11. September von geplanten Attentaten erfährt - und nichts gegen die Terroristen unternimmt.

      Mittlerweile untersucht ein Geheimdienstausschuss in Washington, bestehend aus Senatoren und Abgeordneten, den Vorfall. Zeugenaussagen und Berichte des Ausschusses liegen der ZEIT vor. Fast täglich bringt die Kommission neue Details zum Vorschein, die eine böse Ahnung langsam zur Gewissheit werden lassen: Die CIA hätte die Anschläge vom 11. September verhindern können, wenn ihr nicht systematisch Fehler unterlaufen wären.

      Kuala Lumpur, 5. Januar 2000. Der Terrorist Taufig bin Atesch hat einige treue Gefolgsleute zur Besprechung in die Hauptstadt Malaysias bestellt. Bin Atesch, Kampfname "Chalid", ist ein enger Vertrauter von Osama bin Laden. Gemeinsam mit bin Laden kämpfte er in Afghanistan gegen die Rote Armee und verlor dabei ein Bein. Der Einbeinige hat Kuala Lumpur mit Bedacht als Treffpunkt ausgewählt. Malaysia hat schon vor Jahren den Islam zur Staatsreligion erkoren. Muslime können ohne Visum einreisen. Zudem besitzt ein malaysisches Mitglied der al-Qaida am Stadtrand von Kuala Lumpur ein achtstöckiges Mietshaus. Eines der Apartments wird regelmäßig von der Terrororganisation als konspirative Wohnung genutzt. Der Einbeinige erwartet dort die Komplizen, um Terroraktionen zu planen.

      Der amerikanische Geheimdienst CIA hat rechtzeitig Ort und Zeitpunkt dieses Treffens erfahren und den malaysischen Secret Service gebeten, es zu überwachen. Wenn die Terroristen das Apartment verlassen, klicken die Fotoapparate der malaysischen Polizei. Möglichkeiten für ganze Fotoserien gibt es reichlich. Wie gewöhnliche Touristen bummeln die Terroristen durch die Stadt. Gelegentlich suchen sie ein Internet-Café auf und verbringen mehrere Stunden vor Computern, immer unauffällig beobachtet von einem Oberservationsteam. Neben dem Einbeinigen fotografiert die malaysische Polizei auch Ramsi Mohammed Binalschibh. Der damals 27-jährige Jemenit lebt seit 1995 in Deutschland. Er ist der Logistiker der Hamburger Al-Qaida-Zelle, deren Mitglieder 18 Monate später 3000 Menschen ermorden.

      Für das Treffen ist Binalschibh eigens aus Deutschland angereist. Aus noch immer unerklärten Gründen verschweigt die CIA ihren deutschen Partnerdiensten, dass sich der Logistiker in Malaysia aufhält. Er kann danach unbehelligt in die Bundesrepublik zurückkehren und mit den anderen Mitgliedern seiner Hamburger Zelle damit beginnen, die Anschläge zu organisieren. Viel spricht dafür, dass in Malaysia entscheidende Planungen für die Anschläge in den USA anfangen. An dem Treffen nehmen auch Nawaf al-Hasmi und Chalid al-Midhar teil. Sie werden später zu den 19 Attentätern gehören.

      Al-Midhar ist der CIA wohl bekannt. Lange vor seinem Auftritt in Malaysia weiß der US-Geheimdienst seinen Namen, seine Passnummer und weitere Personalien. Die CIA weiß auch, dass al-Midhar seit längerem ein "Multiple Entry Visa" hat, mit dem er jederzeit in die USA einreisen kann. Erhalten hat er das Visum auf dem US-Konsulat in Dschiddah in Saudi-Arabien. Es ist gültig bis zum 6. April 2000.

      Unwissentlich hat al-Midhar die CIA auf das Treffen in Malaysia gebracht. Seit längerem schon hat der Geheimdienst den saudi-arabischen Staatsbürger und dessen Familienclan im Visier. Al-Midhars Schwiegervater besitzt nämlich im jemenitischen Sanaa eine "konspirative Wohnung", die den Terroristen der al-Qaida vorbehalten ist. Das Apartment bildet einen wichtigen Knotenpunkt im Netzwerk der Terrororganisation. Dort laufen Informationen über Operationen in der ganzen Welt zusammen. Darüber sind die Ermittler im Bilde.

      Bereits Ende August 1998 war das FBI auf diese Wohnung gestoßen. Damals fahndete die amerikanische Bundespolizei nach den Hintermännern und Drahtziehern der Bombenanschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania. Fast zeitgleich zündeten damals Selbstmordkommandos Bomben vor den Gebäuden der US-Regierung. 223 Menschen starben, knapp 5000 wurden verletzt. Kurz nach den Anschlägen ging in London per Fax ein Bekennerschreiben ein. Dem FBI gelang es, den Absender in Baku in Aserbajdschan zu ermitteln. Von dort führte wiederum eine direkte Spur zu jener Wohnung von al-Midhars Schwiegervater im Jemen. Das FBI ließ Haus und Telefon überwachen. Mit Erfolg. Am Telefon meldete sich ein Mitglied des Selbstmordkommandos aus Kenia bei al-Midhars Schwiegervater und erklärte: "Sag ihnen, dass ich die Reise nicht angetreten habe." Den Attentäter hatte Sekunden vor dem Anschlag der Mut verlassen, er war aus dem Auto gesprungen, in dem die Bombe deponiert war. Kurz darauf registrierten die FBI-Beamten einen weiteren Anruf. Diesmal von einem Satellitentelefon, dessen Nummer Osama bin Laden zugerechnet wurde. Seit dieser Zeit wird das Telefon von al-Midhars Schwager auch vom CIA überwacht. So erfuhr der Geheimdienst schon einen Monat vorher von dem geplanten Treffen in Malaysia.

      Los Angeles, 15. Januar 2000. Nach der Unterredung mit dem Einbeinigen reisen al-Midhar und al-Hasmi zunächst getrennt weiter. Nach einer Zwischenlandung in Bangkok trifft al-Midhar schließlich in Los Angeles ein. Sein Komplize reist via Hongkong dorthin. Die Sicherheitsvorkehrungen und Kontrollen sind zu diesem Zeitpunkt auf dem Internationalen Flughafen von Los Angeles so streng wie noch nie. Einen Monat zuvor wurde ein algerisches Al-Qaida-Mitglied an der kanadisch-amerikanischen Grenze verhaftet. Im Kofferraum seines Wagens lagen 50 Kilo Sprengstoff. Der Algerier war auf dem Weg nach Los Angeles gewesen, wo er in der Silvesternacht auf dem Flughafen eine Bombe zünden wollte.

      Von alldem wissen al-Midhar und al-Hasmi vermutlich nichts, als sie nach ihrer Ankunft auf die Passkontrolle zusteuern. Beide besitzen US-Visa, ausgestellt auf ihre Namen, die der CIA mittlerweile hinlänglich bekannt sind. Obwohl sie unter ihren richtigen Namen einreisen, machen ihnen die Passkontrolleure keinerlei Probleme. Auf den Computerschirmen der Zollbeamten ist nicht zu erkennen, dass es sich bei den beiden saudi-arabischen Staatsangehörigen um Terroristen handelt. Denn aus bis heute unerfindlichen Gründen hat die CIA weder das FBI noch die Einwanderungsbehörde INS oder das State Department darüber informiert, dass die beiden keineswegs unbescholtene Studenten sind. Dies ist wohl der verhängnisvollste Fehler in einer ganzen Kette von Versäumnissen und Pannen, die letztlich dazu führen, dass die amerikanischen Dienste die späteren Attentäter des 11. September gewähren lassen.

      Al-Midhar und al-Hasmi haben vermutlich schon einen klaren Auftrag, als sie in Los Angeles ankommen. Lediglich Ort, Zeitpunkt und der genaue Ablauf des Anschlages dürften noch nicht geklärt sein. Die beiden halten sich jedenfalls nicht lange in Los Angeles auf und reisen weiter nach San Diego, um dort eine Wohnung zu mieten. Bei Parkwood Apartments kommen sie unter, einem Komplex mit 175 Zimmern, sie beziehen die Wohnung Nummer 127. Den Mietvertrag unterschreibt al-Hasmi. Offenbar haben sie nicht die geringste Sorge, entdeckt zu werden. Von Tarnung keine Spur. Al-Hasmi beantragt sogar einen Telefonanschluss und lässt sich mit Rufnummer und Adresse in das örtliche Telefonregister eintragen. Er kauft für 3000 Dollar einen blauen Toyota Corolla, Baujahr 1988, und meldet den Wagen auf seinen richtigen Namen an.

      Vier Monate nach ihrer Ankunft in den USA, im Mai 2000, suchen al-Hasmi und al-Midhar in San Diego eine Flugschule auf. Im Sorbi Flying Club nehmen die beiden an einem sechsstündigen Theoriekursus teil. Sie machen kein Geheimnis daraus, dass sie so bald wie möglich lernen wollen, wie man eine Boeing fliegt. Vorerst jedoch müssen sie sich mit einer kleinen Cessna begnügen. Schon die ersten Flugstunden geraten zum Desaster. Die Terroristen stellen sich äußerst ungeschickt an, ihnen fehlt das Talent zum Steuern eines Flugzeugs. Als al-Hasmi unter Anleitung des Fluglehrers zur Landung ansetzt, gerät al-Midhar in Panik und fängt laut an zu beten. "Das wird nichts", sagt der Fluglehrer. Er weigert sich, die beiden zu Piloten auszubilden.

      Frankfurt a.M., Juni 2000. Die Mission der beiden Terroristen scheint damit beendet zu sein, bevor sie richtig begonnen hat. Im Juni 2000 reist al-Midhar nach Frankfurt. Was er in der Bundesrepublik tut, ist unklar. Wahrscheinlich trifft er sich mit Binalschibh, dem Logistiker der Hamburger Zelle. Weil die CIA auch seine deutschen Partnerdienste nicht über den Terroristen informiert, kann al-Midhar unbeobachtet einreisen. Zuletzt haben sich die beiden in Malaysia gesehen. Aber der Logistiker und al-Midhar kennen sich schon lange vor dem Treffen in Asien. Sie sind verwandt. Der Logistiker ist der Cousin von al-Midhars Frau. Vermutlich unterrichtet al-Midhar seinen Verwandten darüber, dass es mit der Pilotenausbildung nichts wird, deshalb für Ersatz gesorgt werden muss.

      Dies stellt wohl den Logistiker, zumindest kurzfristig, vor erhebliche Probleme. Telefonisch hat er sich zwar bei einer Flugschule in den USA angemeldet, wird aber als Pilot ebenfalls nicht infrage kommen. Am 17. Mai, zwei Wochen vor dem Eintreffen von al-Midhar in Deutschland, hat die USBotschaft ihm mitgeteilt, dass er kein Visum erhält. Mehr Glück haben die anderen Mitglieder der Hamburger Zelle. Wie der Logistiker haben sie unmittelbar nach dessen Rückkehr aus Malaysia ihre Visa beantragt und sich per Telefon oder EMail bei 31 Flugschulen in den USA über das Ausbildungsprogramm informiert.

      Kurz nach dem Eintreffen von al-Midhar in Deutschland reisen Mohammed Atta und zwei andere Mitglieder der Hamburger Al-Qaida-Zelle in die USA und beginnen in Florida mit ihrer Pilotenausbildung. Atta wird am 11. September 2001 jenes Flugzeug steuern, das in den Nordturm des World Trade Center rast.

      Al-Midhar reist ebenfalls zurück in die USA. Nachdem er und al-Hasmi als Piloten nicht mehr infrage kommen, wird es nun ihre Aufgabe sein, die Planungen für die Anschläge zu koordinieren. Zuerst jedoch muss sich al-Hasmi um seine Aufenthaltserlaubnis kümmern. Sein Visum läuft ab. Am 7. Juli 2000 wendet er sich an die Einwanderungsbehörde INS. Kurz zuvor ist das Hauptquartier der CIA in Langely noch einmal von ihrer Außenstation in Malaysia ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass nach vorliegenden Unterlagen der Al-Qaida-Terrorist al-Hasmi bereits im Januar in die USA eingereist war. Aber in Langely bleibt man gelassen. Al-Hasmi wird nicht zur Fahndung ausgeschrieben, auch werden weder FBI noch State Department informiert, auch nicht die Einwanderungsbehörde. Dort hat man folglich keinen Grund, Verdacht zu schöpfen, als al-Hasmi unter Angabe seiner Adresse in San Diego um Verlängerung seines Visums bittet. Seinem Wunsch wird entsprochen.

      San Diego, September 2000. In San Diego werden Nachbarn misstrauisch. Al-Hasmi und al-Midhar leben nun schon seit acht Monaten in dem Apartmentkomplex und haben noch immer keine Möbel, schlafen auf dem Fußboden und gehen ständig zum Telefonieren in eine Telefonzelle, obwohl sich ein Telefon in der Wohnung befindet. Die beiden Saudis bemerken offensichtlich die skeptischen Blicke ihrer Nachbarn. Sie kündigen ihren Mietvertrag fristlos und ziehen zu Abduss Attar Scheich, einem Muslim, den sie in der Moschee von San Diego kennen gelernt haben. Der Freund, ein pensionierter Englischlehrer, vermietet den beiden ein Zimmer und hilft ihnen, ein Bankkonto einzurichten und einen Internet-Zugang zu bekommen.

      Gelegentlich ist der Pensionär auch dem örtlichen FBI-Büro behilflich. Er versorgt die Polizei mit Informationen über militante Muslime in San Diego. Regelmäßig besucht ihn sein Führungsoffizier zu Hause. Manchmal sind während dieser Gespräche auch al-Midhar und al-Hasmi im Haus. Schnell schließt der Pensionär in solchen Momenten die Wohnzimmertür, damit seine Mieter nichts von seiner Spitzeltätigkeit mitbekommen. Weder der Spitzel noch sein Führungsoffizier ahnen, dass es sich bei den beiden jungen Männern um Terroristen der al-Qaida handelt.

      Nach sechs Wochen zieht al-Midhar aus. Seinem Gastgeber erzählt er, er kehre zu Frau und Kindern in Saudi-Arabien zurück. Tatsächlich ist al-Midhar in Sachen Terror unterwegs. Ein Selbstmordkommando verübt am 12. Oktober 2000 im Hafen von Aden einen Anschlag auf das Kriegsschiff USS Cole. Ein mit Sprengstoff bepacktes Schlauchboot fährt in die Backbordseite des Schiffes. 17 US-Soldaten sterben, 38 werden verletzt. Die CIA vermutet, dass al-Midhar daran beteiligt ist.

      Alhamzi bleibt vorerst in San Diego, wohnt weiterhin bei dem FBI-Spitzel. Der ahnt noch immer nichts, während in seinem Haus der schlimmste Terroranschlag der amerikanischen Geschichte mit vorbereitet wird. Stundenlang sitzt al-Hasmi vor dem Computer und surft im Internet. Seinem Vermieter erzählt er, er suche eine Ehefrau, am liebsten eine Mexikanerin. Der Spitzel versucht daraufhin, al-Hasmi ein paar spanische Floskeln wie "Qué pasa?", "Was ist los?", beizubringen.

      Ende Dezember 2000 verlässt auch al-Hasmi das Haus in San Diego. Er zieht nach Mesa im Bundesstaat Arizona zu einem Landsmann namens Hani Handschur, der schon seit 1996 in den USA lebt und auf einer Flugschule in Scottsdale in Arizona seinen Pilotenschein gemacht hat. Nachdem es bei al-Hasmi und al-Midhar mit der Flugausbildung nicht geklappt hat, soll nun der ausgebildete Pilot diesen Part übernehmen.

      Doch dem Piloten fehlt es an Flugpraxis. In Phoenix, Arizona, will er deshalb in einer Flugschule ein paar Unterrichtsstunden nehmen. Aber trotz seines mehrjährigen Aufenthalts in den USA ist sein Englisch noch so schlecht, dass der Betreiber einer Flugschule annimmt, er habe gar keinen gültigen Pilotenschein. Der Fluglehrer hält den vorgezeigten Pilotenschein für eine Fälschung und benachrichtigt die Flugaufsichtsbehörde FAA. Aber der angezweifelte Pilotenschein erweist sich als echt.

      Washington, D. C., Januar 2001. Sowohl FBI als auch CIA fahnden nach den Hintermännern des Anschlages auf den Zerstörer USS Cole im Jemen. Die CIA findet schließlich heraus, der Einbeinige sei Drahtzieher des Attentates gewesen. Die Observationsberichte des Treffens in Malaysia werden herangezogen. Bei der CIA liest man die Berichte nun mit anderen Augen. Es wird davon ausgegangen, dass in Kuala Lumpur der Anschlag auf die USS Cole beschlossen und geplant wurde. Die anderen Teilnehmer des Treffens, darunter auch al-Hasmi und al-Midhar, werden nun verdächtigt, zumindest in die Planung des Anschlages verwickelt gewesen zu sein. Obwohl die CIA ihren eigenen Unterlagen entnehmen kann, dass al-Midhar über ein gültiges US-Visum verfügt und Alhazmi sich sogar noch immer in den USA aufhalten muss, schlagen die Ermittler nicht Alarm, lassen die beiden nicht vom FBI zur Fahndung ausschreiben. Laut Gesetz ist es der CIA als Auslandsnachrichtendienst verboten, innerhalb der USA selbst aktiv zu werden.

      Die Jagd nach der Terroristen aus dem Netzwerk bin Ladens hat bei der CIA oberste Priorität. "Wir führen Krieg gegen die al-Qaida", schreibt CIA-Direktor George Tenet in einem internen Rundbrief. "Ich möchte weder an Ressourcen noch an Personal sparen." Im Februar 2001, kurz nach dem Amtsantritt von George W. Bush, warnt der CIA-Direktor in einer Rede vor dem Kongress ausdrücklich vor weiteren Anschlägen durch die Terrororganisation: "Osama bin Laden und sein globales Netzwerk von Mitgliedern und Anhängern bleiben die unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der USA." Und: "Wir haben die Sicherheitsvorkehrungen rund um Regierungs- und Militäreinrichtungen verstärkt. Die Terroristen suchen sich ‰weiche Ziele` aus, weil dies größere Verluste garantiert."

      Es gibt noch viel zu organisieren. Al-Hasmi ist deshalb ständig in seinem alten Toyota unterwegs. Dabei achtet er nicht immer auf Geschwindigkeitsbegrenzungen. Am 1. April 2001 rast al-Hasmi auf der Interstate 40 im Westen Oklahomas in eine Radarfalle. Er wird von der Polizei gestoppt, muss Ausweis, Führerschein und Zulassung des Wagens zeigen. Über Funk fragt der Streifenpolizist nach, ob gegen den Fahrer etwas vorliege. In der Datenbank der Polizei ist kein Eintrag zu finden. Al-Hasmi bekommt einen Strafzettel und fährt weiter. Die Strafe für zu schnelles Fahren beträgt 138 Dollar. Al-Hasmi begleicht sie mit einer Postüberweisung.

      New York, 11. Juni 2001. FBI-Agenten aus dem New Yorker Büro und aus dem Hauptquartier in Washington treffen sich mit Vertretern der CIA zum Informationsaustausch, um die Ermittlungen wegen des Anschlags auf die USS Cole voranzubringen. Die CIA-Agenten zeigen ihren Kollegen vom FBI die Fotos aus Malaysia und benennen den Einbeinigen als Drahtzieher des Anschlages. Beiläufig lassen die CIA-Agenten auch den Namen al-Midhar fallen, der auf einem der Fotos zusammen mit dem Einbeinigen zu sehen ist. Als die FBI-Agenten genauere Informationen verlangen, schweigen die Vertreter der CIA. Sie verlieren gegenüber ihren FBI-Kollegen kein Wort darüber, dass al-Midhar ein gültiges US-Visum besitzt und in diesem Moment vermutlich in den Vereinigten Staaten ist. Ein Jahr später wird einer der CIA-Agenten mit tränenreicher Stimme vor einem Untersuchungsausschuss aussagen, dass sie damals nicht autorisiert waren, das FBI zu unterrichten.

      Intern befürchtet man bei der CIA das Schlimmste. Gegenüber führenden Regierungsmitgliedern geben CIA-Ermittler ihre Einschätzung preis: "Basierend auf der Durchsicht sämtlicher nachrichtendienstlicher Quellen und Berichte der vergangenen fünf Monate, glauben wir, dass UBL [Osama bin Laden] einen bedeutenden Terroranschlag gegen US- und/oder israelische Interessen in den kommenden Wochen begehen wird. Der Anschlag wird spektakulär sein, vorsätzlich eine große Anzahl von Opfern fordern und gegen US-Einrichtungen oder Interessen gerichtet sein." Als voraussichtliches Datum wird der 4. Juli 2001 genannt.

      Am 4. Juli kehrt al-Midhar mit Saudi-Arabian Airlines, Flug 53, nach mehrmonatiger Abwesenheit in die USA zurück. Kurz zuvor hat er sich noch von Saudi-Arabien aus sein US-Visum verlängern lassen, bis zum 3. Oktober 2001. Obwohl ihn die CIA zwischenzeitlich verdächtigt, an dem Anschlag auf die USS Cole beteiligt gewesen zu sein, hat al-Midhar keinerlei Probleme bei der Einreise. Er legt seinen saudischen Pass, ausgestellt auf seinen tatsächlichen Namen, vor und gibt auf dem Einreiseformular das Marriott Hotel in New York als Adresse an. Anschließend macht er sich auf den Weg nach Arizona zu al-Hasmi und den anderen.

      Phoenix, 10. Juli 2001. Kenneth Williams ist ein erfahrener Polizist. Seit elf Jahren arbeitet er in der Abteilung für Terrorabwehr des FBI in Phoenix, Arizona. Heute schickt Williams einen mehrseitigen Bericht an seinen Vorgesetzten im FBI-Hauptquartier in Washington und an seine Kollegen von der Terrorabwehr in New York, die seit dem Anschlag auf das World Trade Center im Jahr 1993 als Experten auf dem Gebiet des islamischen Extremismus gelten.

      Williams hat in den vergangenen Monaten mit Sorge beobachtet, dass sich in Arizona verstärkt junge Muslime aus dem Mittleren Osten zu Piloten ausbilden lassen. Insgesamt überprüft Williams zehn Leute aus Pakistan, Indien, Kenia, Algerien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien. Einige von ihnen nehmen Flugstunden, andere studieren Flugzeugbau oder internationale Flugsicherheit. Mehrere dieser Flugschüler hat der FBI-Agent vernommen und dabei auch feindselige Äußerungen über die Vereinigten Staaten zu hören bekommen. Zudem ist dem Polizisten aufgefallen, dass sich diese Studenten verdächtig präzise über Sicherheitsvorkehrungen auf amerikanischen Flughäfen informiert hatten. In seinem Bericht folgert Williams deshalb, dass es sich bei den Flugschülern um Anhänger von Osama bin Laden handeln könnte. Williams hält es für denkbar, dass sich Terroristen zu Piloten ausbilden lassen, um anschließend ein Passagierflugzeug zu entführen.

      Der FBI-Agent empfiehlt, sämtliche Flugschulen zu überprüfen. Die New Yorker Kollegen halten Williams` Ausführungen für "spekulativ und nicht besonders bedeutsam". Wie sich in einigen Monaten herausstellen wird, ist einer der von Williams überprüften Flugschüler ein Bekannter jenes Todespiloten, der eine entführte Maschine ins Pentagon steuerte.

      Crawford, 6. August 2001. US-Präsident George W. Bush macht Urlaub. Den ganzen Monat will er auf seiner Ranch in Texas verbringen. Jeden Morgen steht aber weiterhin das "Presidential Daily Brief" auf dem Programm. Im "PDB", wie es im CIA-Jargon heißt, wird dem Präsidenten von hochrangigen CIA-Mitarbeitern die Sicherheitslage dargelegt. An diesem Morgen unterrichtet der CIA-Direktor persönlich den Präsidenten. Sein PDB-Papier hat statt der sonst üblichen zwei bis drei diesmal elfeinhalb bedruckte Seiten und trägt die Überschrift Bin Laden Determined to Strike in U. S. Der CIA-Chef führt darin aus, dass al-Qaida dazu übergegangen sei, auch innerhalb der USA Anschläge durchführen zu wollen, und sich vermutlich längst Mitglieder der Terrororganisation in den Vereinigten Staaten befänden. Es ist nicht sicher, ob der CIA-Direktor den US-Präsidenten über die Aussagen von verhafteten Al-Qaida-Mitgliedern informiert. Nach ihren Darstellungen denke die Terrororganisation schon seit längerem darüber nach, Flugzeuge zu entführen, um sie als Raketen zu benutzen.

      Minneapolis, 15. August 2001. Eine Flugschule in Minneapolis meldet dem FBI, dass sich einer ihrer Schüler für das Fliegen von Boeings interessiere, obwohl er noch nicht einmal einen Flugschein für kleine Cessnas besitze. Am nächsten Tag wird der Flugschüler festgenommen, offiziell wegen Verstoßes gegen die Einwanderungbestimmungen. Der Flugschüler ist Franzose marokkanischer Abstammung und heißt Zaccarias Moussaoui. Die bei ihm beschlagnahmten Briefe und sein Laptop werden sofort nach Washington zum FBI-Hauptquartier geschickt, wo sie allerdings lange unbeachtet herumliegen.

      An der Flugschule in Minneapolis nimmt sich eine FBI-Agentin des Falles an. Die 47jährige Coleen Rowley, die seit 21 Jahren beim FBI ist, nimmt Kontakt zu französischen Behörden auf und erfährt, dass der Festgenommene in Frankreich verdächtigt wird, mit islamischen Extremisten in Kontakt zu stehen. Die FBI-Agentin informiert die Zentrale in Washington und bittet darum, den Laptop von Moussaoui unter die Lupe zu nehmen. Die Bitte wird abgelehnt. "Wir wissen nicht, ob er ein Terrorist ist. Sie haben nicht genügend Belege dafür, dass er ein Terrorist ist." Die Fahnderin hakt nach, will selber den Laptop anschauen dürfen. Im Hauptquartier ist man genervt und teilt Rowling mit: Sie möge in dieser Sache nicht noch einmal anrufen. Tatsächlich steht der Franzose im engen Kontakt mit den Attentätern vom 11. September. Belege dafür finden sich auch in seinem Laptop, den man jedoch erst nach dem 11. September genau untersucht. Eine Spur führt nach Deutschland. Der Franzose hat vom Logistiker der Hamburger Zelle viel Geld überwiesen bekommen.

      Von alldem weiß die FBI-Agentin nichts, als sie Ende August 2001 eine Aktennotiz für ihren Vorgesetzten verfasst. Unter Umständen, schreibt sie, habe der Franzose allein deshalb Flugunterricht genommen, weil er ein Flugzeug in ein Gebäude steuern wolle: "Vermutlich plante er, ein Flugzeug in das World Trade Center zu fliegen."

      Langely, 23. August 2001. Der israelische Geheimdienst Mossad übergibt seinem amerikanischen Partnerdienst eine Liste mit Namen von Terroristen, die sich in den USA aufhalten und voraussichtlich in absehbarer Zeit einen Anschlag verüben werden. Nach Dokumenten, die der ZEIT vorliegen, haben Mossad-Agenten in den USA zumindest vier der 19 Attentäter aller Wahrscheinlichkeit nach überwacht, darunter auch al-Midhar. Die CIA tut nun das, was sie bereits vor 18 Monaten hätte tun sollen. Sie informiert das State Department, das FBI und die Einwanderungsbehörde.

      Die Namen al-Midhar und al-Hasmi kommen umgehend auf die Fahndungsliste: als mutmaßliche Mitglieder der al-Qaida. Bei al-Midhar ist außerdem vermerkt, dass er wahrscheinlich am Anschlag auf die USS Cole beteiligt war. Die erste Rückmeldung ist schnell da: Die Einwanderungsbehörde schreibt, dass sich nach ihren Unterlagen beide Gesuchten derzeit in den USA aufhalten.

      Jetzt wird nach den beiden mit aller Kraft gefahndet. Weil al-Midhar bei seiner Einreise das Marriott Hotel in New York als Adresse angegeben hat, klappern FBI-Agenten sämtliche Hotels dieser Kette in der Metropole ab, erfolglos.

      Einer der eingeschalteten New Yorker FBI-Agenten ruft das Hauptquartier in Washington an und bittet um Verstärkung. Er will die Fahndung nach al-Midhar weiter ausdehnen. Der FBI-Agent weiß die Gefährlichkeit von al-Midhar richtig einzuschätzen. Bereits seit Monaten ist er mit den Ermittlungen wegen des Anschlages auf den Zerstörer USS Cole betraut.

      In diesem Zusammenhang hat er sich einmal mit Kollegen vom CIA getroffen, die den Namen al-Midhar fallen ließen. Als er diesen Namen nun auf dem Fahndungsschreiben liest, mit dem Vermerk, dass al-Midhar in den Anschlag auf die USS Cole verwickelt sein soll, ärgert sich der FBI-Beamte über seine CIA-Kollegen. Diese Details enthielten sie ihm damals vor.

      Aber der Ärger nimmt noch zu, als ihm das eigene Hauptquartier weitere Unterstützung verwehrt: Die Juristen der National Security Law Unit des FBI machen darauf aufmerksam, dass eine strikte Trennung zwischen geheimdienstlichen und polizeilichen Ermittlungen gesetzlich vorgeschrieben ist. Und die Fahndung nach al-Midhar gehe nun einmal allein auf Geheimdienstinformationen zurück.

      "Eines Tages wird jemand sterben - gesetzliche Grenzen hin oder her -, und die Öffentlichkeit wird dann nicht verstehen, warum wir nicht effektiver waren und alle uns verfügbaren Mittel zur Lösung bestimmter Probleme eingesetzt haben", schreibt ein frustrierter FBI-Agent am 29. August 2001 in einer E-Mail an sein Hauptquartier. "Lassen Sie uns hoffen, dass die National Security Law Unit dann hinter ihren Entscheidungen stehen wird, insbesondere da jetzt die größte Bedrohung für uns, UBL [Osama bin Laden], letztlich dadurch den meisten ‰Schutz` erhält!"

      Laurel, Maryland, 25. August 2001. Al-Midhar bewohnt das Zimmer 343 des Valencia Motel in Laurel. Er ist nicht allein. Bei ihm sind al-Hasmi, dessen Bruder, der Pilot und ein weiterer Terrorist. Die fünf verlassen sehr selten das Zimmer. Wenn das Zimmermädchen anklopft und die Betten machen will, öffnen die Terroristen die Tür nur einen Spalt breit und nehmen frische Handtücher entgegen. "Wir dachten, die sind schwul, fünf Mann in einem Raum", wird später ein Zimmernachbar sagen.

      Ablauf und Zeitpunkt des Anschlages stehen fest. Nacheinander kaufen sie ihre Tickets. Noch zwölf Tage. Alles läuft nach Plan.

      Washington, D.C., 11. September 2001. Am frühen Morgen fahren die fünf Terroristen zum Dulles-Airport. In dem Toyota, den die Polizei später sicherstellen wird, liegen eine Quittung über den Preis des Flugunterrichts in Phoenix, vier Zeichnungen von einem Boeing-757-Cockpit, ein Teppichmesser, eine Karte von Washington sowie Zettel mit Notizen und Telefonnummern.

      Gegen 7.30 Uhr checken die Terroristen ein. Seit mittlerweile 20 Tagen wird überall nach al-Hasmi und al-Midhar gefahndet. Trotzdem kommen die beiden gemeinsam mit ihren Komplizen unbehelligt durch die Kontrollen. Sowohl Tickets als auch Pässe, die sie vorlegen müssen, sind auf ihre tatsächlichen Namen ausgestellt. Wenige Stunden später richten vier entführte Flugzeuge in New York und Washington ein Inferno an.

      Der CIA-Direktor erfährt davon beim Frühstück im St. Regis Hotel in Washington, ein paar Meter vom Weißen Haus entfernt. "Das deutet alles auf Osama bin Laden hin", sagt er. Den Präsidenten muss er jetzt darüber informieren, wer aller Wahrscheinlichkeit nach hinter den Anschlägen steckt. Er erhebt sich vom Frühstückstisch und verabschiedet sich hastig.

      Washington, D. C., 12. September 2001. Die größte Polizeifahndung in der amerikanischen Geschichte läuft an. Tausende von FBI-Beamten sind quer durch das ganze Land unterwegs und rekonstruieren binnen Tagen das Leben der Attentäter in den USA. Was nicht sonderlich schwierig ist: Schließlich haben sich die Terroristen in den USA alles andere als konspirativ verhalten. Al-Hasmi hat sogar mal die Polizei gerufen, nachdem er überfallen worden war. FBI-Direktor Robert Mueller, der erst in der Woche vor den Anschlägen sein Amt übernommen hat, formuliert es so: "Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, dass es keine Möglichkeiten gegeben hat, Hinweisen nachzugehen, die uns vielleicht frühzeitig zu den Entführer geführt hätten."

      CIA-Direktor George Tenet, der sein Amt schon unter der Clinton-Regierung innehatte, erklärt hingegen vor dem Geheimdienstausschuss des Senats, er sei stolz darauf, für die CIA sagen zu können: Der Geheimdienst hat sich nichts vorzuwerfen. In der Zeit vor den Anschlägen habe es weder "Flüchtigkeits- oder Konzentrationsfehler" noch "Disziplinlosigkeiten" gegeben.

      New York, 23. Oktober 2001. "Es ist klar, dass Hamburg die zentrale Operationsbasis für die Planung der Anschläge vom 11. September war", sagt US-Justizminister John Ashcroft in Anwesenheit des deutschen Innenministers Otto Schily während einer Pressekonferenz in New York. Die Untersuchungen müssten deshalb stärker von den USA nach Europa verlagert werden.

      Minneapolis, 21. Mai 2002. Als die FBI-Agentin Coleen Rowley nicht mehr ertragen kann, wie US-Behörden ihr Versagen vertuschen, setzt sie sich an ihren Computer und listet in einem 13-seitigen Brief an den FBI-Direktor noch einmal alle Fehler und Versäumnisse auf, von denen sie weiß. Die Agentin hatte im August 2001 eindringlich vor möglichen Terroranschlägen durch militante Islamisten gewarnt. "Ich bin tief betroffen darüber", schreibt sie, "dass Sie und andere auf der höchsten Ebene des FBI-Managements auf heikle und filigrane Weise die Fakten verdunkelt und falsch dargestellt haben und damit fortfahren." Die Agentin bringt ihr Dossier persönlich nach Washington und übergibt zwei Kopien dem Geheimdienstausschuss des Senats. Zwei Wochen später ziert ein Faksimilie ihres Briefes die Titelseite von Time, unter der Schlagzeile Das Bomben-Memo. Das FBI steht am Pranger.

      Washington D.C., 4. Juni 2002. Die Bundespolizei FBI will nicht allein dafür geradestehen, was ihr die CIA eingebrockt hat. Schließlich war dem USGeheimdienst wohl der entscheidende Fehler unterlaufen, indem die CIA 18 Monate lang ihre Erkenntnisse über al-Hasmi und al-Midhar nicht weitergegeben hat. Diese Information wird dem Nachrichtenmagazin Newsweek zugespielt, das einen FBI-Mann anonym zitiert: "Keine Frage, hätten wir die Informationen rechtzeitig bekommen, hätten wir bald alle 19 Flugzeugentführer im Sack gehabt." Die Schlammschlacht der Spione ist damit eröffnet. Haben CIA und FBI katastrophal versagt? Ein Ausschuss aus Mitgliedern des Senats und des Abgeordnetenhauses soll diesen Fragen auf den Grund gehen.

      Washington D.C., 11. September 2002. Der Ausschuss hat vor drei Monaten seine Arbeit aufgenommen, wird von der Bush-Administration aber torpediert, wie der republikanische Senator Richard C. Shelby, Vizevorsitzender des Ausschusses, nun der New York Times sagt. Die Regierung weigere sich, darüber zu informieren, welche Erkenntnisse die Geheimdienste vor den Terroranschlägen an US-Präsident Bush weitergaben. "Ich bin mir sicher, wir haben bei unseren Befragungen bislang nur an der Oberfläche gekratzt", sagt Shelby. "Und ich bin mir sicher, dass da noch die eine oder andere Bombe hochgehen wird."

      Als weitere Informationen über Fehler und Versäumnisse der CIA und des FBI an die Medien gelangen, wird gegen Ausschussmitglieder vorgegangen. Das FBI leitet Ermittlungen ein und fragt die Senatoren und Abgeordneten, ob sie bereit wären, sich einem Lügendetektortest zu unterziehen.

      Washington D.C., 18. September 2002. Die öffentlichen Anhörungen vor dem Ausschuss beginnen. Zu Wort kommen auch Angehörige der Opfer vom 11. September. 1300 von ihnen haben sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen. Ihr Sprecher ist Stephen Push, der seine Frau verloren hat. Sie saß in dem Flugzeug, das die Terrorgruppe von al-Midhar ins Pentagon steuerte. "Wenn die Geheimdienste ihren Job getan hätten", sagt Push vor dem Ausschuss, "würde meine Frau heute noch leben."

      Danach treten FBI- und CIA-Agenten vor den Ausschuss. Ihnen wurde Anonymität zugesagt. Eine spanische Wand schützt deshalb die Agenten vor den Augen des Publikums. Dort sitzen viele Angehörige von Opfern und halten stumm Erinnerungsfotos hoch.

      Als einige Agenten mit tränenreicher Stimme gestehen, wie sie von ihren Vorgesetzten davon abgehalten wurden zu ermitteln, wird es der Witwe eines Feuerwehrmannes, der im World Trade Center umkam, zu viel. "Diese Leute haben sich eines Dienstvergehens schuldig gemacht", klagt sie. "Sie sollen vor Gericht gestellt werden. Sie sind zumindest teilweise verantwortlich für den Tod von 3000 Menschen."


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      Wie man einen Krieg verkauft / FAZ