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    EU wir kommen. Autsch für Deutschland. - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 24.10.02 13:02:01 von
    neuester Beitrag 24.10.02 15:22:44 von
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      schrieb am 24.10.02 13:02:01
      Beitrag Nr. 1 ()
      Vor dem großen Feilschen

      Von Helmut Bünder, Brüssel


      Die Finanzmärkte sind sich ihrer Sache sicher. Sofort nach dem Ja der Iren zur Ost-Erweiterung der Europäischen Union schossen die Kurse für Anleihen und Währungen der Bewerberstaaten nach oben. Die Erweiterung kommt - aber keiner will sie bezahlen. Auch den Altmitgliedern verheißen Ökonomen enorme Vorteile, wenn Europa zu einem gigantischen Binnenmarkt zusammenwächst. Doch die Aussicht auf Wachstumsgewinne ist das eine, die Leere in den Staatskassen das andere.

      Bundeskanzler Gerhard Schröder will den deutschen Steuerzahlern keine höhere Rechnung für Europa zumuten. Mit seiner Kritik an den Kosten der Agrarpolitik hat er einen Grundsatzstreit über die EU-Finanzen losgetreten, der das ganze Projekt in gefährliches Fahrwasser bringt. Scheitert der heute beginnende Brüsseler EU-Gipfel, wird es schwer werden, die Verhandlungen wie geplant Mitte Dezember abzuschließen. Eigentlich müssen sich die Fünfzehn nur noch auf ein gemeinsames Angebot an die Bewerber für die Landwirtschafts- und Regionalpolitik bis 2006 verständigen. Doch Financiers wie Empfängerländer der Gemeinschaft versuchen, Pflöcke für die neue Finanzierungsperiode von 2007 bis 2013 einzuschlagen. Und dabei geht es um ganz andere Summen als die vierzig Milliarden Euro, welche die Erweiterung bis 2006 kosten soll.

      Schon die laufende Finanzplanung umfaßt beinahe 700 Milliarden Euro. Bei unveränderter Fortführung der Subventionspolitik und wachsendem Mittelbedarf für neue EU-Aufgaben wie die Außen- und Sicherheitspolitik könnte die Anschlußregelung nach der Erweiterung in Größenordnungen hineinwachsen, die nicht mehr weit von einer Billion Euro entfernt sind.

      Bei Schröder werden böse Erinnerungen an den Berliner Gipfel von 1999 wach. Zähneknirschend hatte er sich dort als EU-Ratspräsident französischen und spanischen Forderungen gebeugt und hinnehmen müssen, daß die angestrebte Entlastung bei den deutschen EU-Beiträgen weit hinter seinen Vorstellungen zurückblieb. Schröder treibt die Sorge, dies könnte sich wiederholen. Deshalb sein hartnäckiges Drängen auf Reformen, bevor Polen und Ungarn mit am Verhandlungstisch sitzen und lautstark ein größeres Stück vom Kuchen fordern.

      Doch die Bundesregierung ist in einer denkbar schlechten Ausgangslage. Kein anderer Mitgliedstaat steht gegenüber den Kandidatenländern so im Wort wie Deutschland. Das wissen die EU-Partner, die ihre Besitzstände verteidigen, aber auch die Neumitglieder, die Gleichbehandlung verlangen. Die ersten Positionen hat Schröder schon räumen müssen. Sofort nach der Bundestagswahl akzeptierte die Bundesregierung, was sie zuvor über Monate bestritten hatte: den Anspruch der EU-Anwärter auf die landwirtschaftlichen Direktbeihilfen. Schröder mußte sich der Einsicht beugen, daß es eine Zwei-Klassen-Agrarpolitik nicht geben kann. Eine dem Grundsatz der Solidarität verpflichtete Gemeinschaft kann polnischen Bauern nicht die Beihilfen vorenthalten, die sie vergleichsweise reichen Landwirten in Deutschland oder Frankreich zuteil werden läßt.

      Aber Schröder beharrt auf einer Gegenfinanzierung. Die Subventionen in den heutigen Mitgliedstaaten sollen sinken, um die Gesamtkosten der Agrarpolitik konstant zu halten. Mit mehr als 40 Milliarden Euro pro Jahr verschlingt sie die Hälfte des EU-Haushalts und verbaut der Gemeinschaft die finanziellen Spielräume für ihre Zukunftsaufgaben - von der Außen- und Sicherheitspolitik bis zur Technologieförderung. Zehn Jahre nach den Preissenkungen von 1992, für welche die Direktzahlungen einen Ausgleich schaffen sollten, müssen sich die Bauern an den Gedanken gewöhnen, daß die EU-Hilfe nicht ewig währen kann.

      Doch für den französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac ist die Agrarpolitik bis 2006 nicht verhandelbar. Auch das hat Schröder hingenommen. Um so härter besteht er auf Zusagen für die kommende Finanzperiode. Doch dem Kanzler fehlt dafür ein Hebel. Auch hat er keine verläßlichen Verbündeten. Die Niederlande, die besonders energisch nach Einsparungen rufen, sind ein politisch riskanter Partner, weil sich Schröder deren latente Veto-Drohung gegen die Erweiterung nicht zu eigen machen kann. Schweden, der zweite im Viererclub der Nettozahler, wird in der Debatte sicher nicht den Ausschlag geben; dazu fehlt Ministerpräsident Göran Persson das politische Gewicht. Bleibt nur der britische Premierminister Tony Blair - ebenfalls ein unsicherer Kantonist.

      Blair sitzt im Glashaus. Er muß um den britischen Beitragsrabatt fürchten, der dem Land allein im Vorjahr mehr als sieben Milliarden Euro eingebracht hat. Alles andere kann Blair ziemlich gleichgültig sein. Solange der Rabatt sicherstellt, daß Großbritannien auch nach der Erweiterung zwei Drittel seines Nettodefizits zurückbekommt, braucht er sich um die Kosten keine großen Sorgen zu machen.

      Auf der Gegenseite hat es Schröder inzwischen nicht nur mit Chirac zu tun. Dieser hatte in einem gewieften Schachzug unmittelbar vor dem Gipfeltreffen verlangt, in die Finanzdebatte auch die Regionalförderung einzubeziehen. So lenkt er von den eigenen Sünden in der Agrarpolitik ab und zwingt die Mittelmeerländer dazu, eine zweite Front gegen die Sparwünsche der Nettozahler aufzubauen.

      Schröder steckt in der Sackgasse. Seine Reformforderungen sind berechtigt, doch am Vorabend der Erweiterung ist es zu spät, um frühere Fehler mit der Brechstange zu korrigieren. Indem er das größte politische Projekt in der Geschichte der EU auf die Kostenfrage reduziert, schürt Schröder in Deutschland Ängste. Schlimmer noch ist, daß vor den EU-Referenden in den Bewerberländern der Eindruck entsteht, die Gemeinschaft wolle die Vorteile der Erweiterung ohne Gegenleistung einstreichen. Die Fünfzehn haben die Dinge viel zu lange treiben lassen - sogar dann noch, als die Erweiterung längst politisch beschlossene Sache war. Jetzt können sie die Bewerber nicht dafür in die Haftung nehmen, daß die EU ihr Haus nicht bestellt hat. Das wird nun warten müssen, bis die neuen Bewohner eingezogen sind.

      Quelle:
      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.10.2002
      Avatar
      schrieb am 24.10.02 13:36:43
      Beitrag Nr. 2 ()
      Wieso sitzen wir eigentlich immer in der Sackgasse, während andere einen „gewieften Schachzug“ machen?
      Avatar
      schrieb am 24.10.02 14:04:39
      Beitrag Nr. 3 ()
      "Ökonomen verheißen enorme Vorteile"

      Bei entsprechender Beauftragung und guter Bezahlung würde ich dies auch sagen können.

      Die Wahrheit ist vielmehr: Die Märkte sind schon abgegrast !
      Deutsche Produkte bis zur russischen Grenze. Firmenübernahmen und Kooperationen sind gelaufen !

      Nur die Billigarbeitskräfte können sich nunmehr in unserem reichen Europa eine Beschäftigung zu Dumpinglöhnen suchen.
      Und natürlich können auch Firmen dorthin Arbeitsplätze verlagern.

      Super ihr lieben Politiker !
      Avatar
      schrieb am 24.10.02 15:22:44
      Beitrag Nr. 4 ()
      @timekiller
      Das ist eine gute Frage, die sicher nicht zum erstenmal gestellt wird.

      @WKY
      Deutschland ist die treibende Kraft und könnte der gleichzeitig der größte Verlierer sein.


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