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    «Da greif ich an und sage: Baby, komm mit mir» - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 28.10.02 11:24:10 von
    neuester Beitrag 28.10.02 11:53:26 von
    Beiträge: 4
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      schrieb am 28.10.02 11:24:10
      Beitrag Nr. 1 ()
      Ausgabe 43/02

      Interview
      «Da greif ich an und sage: Baby, komm mit mir»
      Jürg von Ins

      Auch Zuhälter haben es nicht leicht heutzutage.

      Ein Gespräch mit dem «Wiener Chris» über Frauen, Autos, Gewalt und das Rotlichtmilieu gestern und heute.

      Seit dreizehn Jahren arbeiten Sie als Zuhälter. Warum gingen Sie ins Milieu?
      Ich hab schlechte Erfahrungen gemacht und schliesslich gemerkt, dass in der normalen Welt sehr viele Dinge nicht in Ordnung sind. Ist ja klar, dass ich mich nicht auf Glückstreffer verlassen wollte - du kannst mir folgen, rein menschlich, ja?

      Beziehungen sind immer Glückstreffer, und eine solide Frau hätte Ihnen doch auch weiterhelfen können, nicht?
      Ich sah eben ein, dass ich nie eine korrekte Frau finden würde.

      So theoretisch war der Schritt begründet?
      Nein, wir steckten da mittendrin. Das Schlimmste, was eines meiner Weiber erleben musste: Sie hat in einer Fabrik Wurst abgepackt. DM 9,50 die Stunde, bei einer Raumtemperatur von 5 Grad. Da stehst du 10 Stunden drin. Verstehst mich?

      Was haben Sie früher gearbeitet?
      Nach der Lehre war ich zwei Jahre Bühnenrequisiteur bei der Bayerischen Staatsoper. Das war zu lang. Am Anfang ist es ganz lustig, in die grossen Inszenierungen hineinschauen zu können: "Faust", "Nussknacker", "Schwanensee". Aber die Arbeit ist doch immer dieselbe: aufbauen, abbauen, aufbauen. Oft mussten wir fünf oder sechs Stunden ohne Arbeit rumsitzen. Eine seelisch ermüdende Tätigkeit. Die Requisiteure waren denn auch durchwegs Alkoholiker.

      Wie ging`s beruflich weiter?
      Ich wurde Türsteher. In Clubs und am Münchner Oktoberfest. Früher waren Türsteher Galionsfiguren, heute sind sie das Beschissenste, was es gibt. Es wird nicht mehr gerauft, sondern immer gleich gestochen oder geschossen. Ich riskiere mein Leben nicht für 150 D-Mark die Nacht. Das Leben eines Zuhälters ist besser. Ein guter Zuhälter ist kein Schlägertyp, sondern will grundsätzlich Ärger vermeiden und schlägt nur zu, wenn`s sein muss.

      Und die miesen Erfahrungen als Türsteher haben genügt, um Ihr Leben zu verändern?
      Nein. Das Ganze hatte noch einen zweiten Grund: Ich war noch in der Lehre und wollte Berufsausbildungsbeihilfe beantragen. Die hätte man mir gewährt unter der Voraussetzung, dass ich meine eigenen Eltern anzeige in Sachen Unterhaltspflicht. Das wollte ich nicht.

      Wie wird man Zuhälter?
      Bei mir ging das so ab, dass ich mir den Wunsch, ins Rotlicht zu gelangen, gar nicht erfüllen konnte. Ich kannte ja keine geeignete Frau. Hatte aber schon sechseinhalb Jahre Karate gemacht, mit Kickboxen angefangen und dabei Zuhälter kennen gelernt, die auch trainierten. Das waren Kerls von der alteingesessenen Münchner Garde.

      Aber die haben wohl nicht auf Sie gewartet. Sie waren doch ein neuer Konkurrent, nicht?
      Nein. Ich bot vor allem Verstärkung an. Ich sag`s mal offen: Die Leute haben mir mehr imponiert als irgendwelche Hanswurste, die langweiligen Tätigkeiten nachgehen. Die Leute sahen gut aus, waren auftrainiert, braun gebrannt und haben nicht arbeiten müssen.

      Womit haben sie Ihnen imponiert?
      Die Jungs fuhren 500 SL oder Turbo-Porsche, so war`s damals üblich, und sie trugen eine Diamant-Rolex. Ich hielt mich an die Altluden, wie man die Stadtväter nannte. Das alte Milieu suchte sich aus, wer die Nachkommen sein sollten. Wie ein solider Mann einen Sohn hat, auf den er stolz ist, so hatten die alten Zuhälter ihre Ziehsöhne: ehrlich und geradlinig. Man schaute nur auf die eigenen Weiber und war darauf bedacht, der Konkurrenz nicht ins Gehege zu kommen. Ein richtiger Zuhälter war ein Mann mit viel Stolz und Ehre.

      War es mehr ein Entscheid für den Kreis der "Väter" als für die käuflichen Frauen?
      So würde ich das nicht sagen. Da ich mit normalen Frauen eigentlich nie klargekommen bin, habe ich damals auch gesehen, dass eine attraktive Hure in High Heels und Strapsen besser ausschaut als eine Frau der Gesellschaft, die sich konservativ kleidet. Das Auge isst ja mit.

      Wie haben Sie die Frauen gefunden, die für Sie arbeiteten?
      In einschlägigen Lokalen. Wer Zuhälter werden will, muss ein besonderes Talent mitbringen.

      Woran erkennen Sie die potenziellen Einsteigerinnen?
      Die Frauen, die der Prostitution nachgehen, haben in der soliden Welt ebenso schlechte Erfahrungen gemacht wie ich: wenig Bildung, schlechte Karten und ein ganz dünnes soziales Netz. Sie waren früh mit den falschen Männern zusammen, wurden gefickt, angelogen und weggeschmissen. Immer hat ihnen jemand ein Diktat aufgezwungen: das Elternhaus, die Schule, der Arbeitgeber, der Partner - und eines Tages reicht`s. Es gibt nichts Interessantes mehr in der Welt, und man verabschiedet sich menschlich von der Gesellschaft.

      Wie muss man sich die Szene vorstellen, in der Sie sich mit 17 rumgetrieben haben?
      Ich hab mit Irokesenschnitt vor dem RAF-Stern auf der Münchner Freiheit gesessen. Damals war ich mehr linksextrem. Heute bin ich, weil die Ausländer uns alles weggenommen haben, mehr rechts als links.

      Haben Sie damals vor allem das lustvolle Leben gesucht?
      Schon. Ich hab 1989 die erste Alte aufgestellt. Die wollte mit mir zusammengehen. Ich war ja geschult. Ich sagte zu ihr: Okay, aber nur bei gestreckter Ablage. Das heisst: Wenn sie eine Mille verdient, hat sie den Tausender am Morgen auf den Tisch zu legen. Mit 25 hatte ich vier Weiber auf dem Strich. Ich kam voran. 1989 hab ich mir eben den ersten 500 SL von der Leasing geholt. Und dann sagten die Zuhälter: Wenn du offen fährst, und du hängst den linken Ast aus dem Fenster, dann muss was glitzern dran im Sonnenlicht! Meine Frau hat Doppelschicht gemacht. Die Rolex mit Brillanten, Himmel und Zifferblatt war mein grosser Stolz, was ja heute nicht mehr so modern ist. Heute trag ich Breitling.

      Wie teilen Sie das Geld mit den Frauen?
      Die Anteile sind sehr unterschiedlich. Viele Frauen geben 50 Prozent, andere alles. Manche wollen lieber eine Wohnung eingerichtet oder ein Auto vors Haus gestellt bekommen als nur Cash sehen.

      Was hat die Frau davon?
      Sie ist nicht mehr alleine. Sie hat viele Freier, alle eine bestimmte Kategorie Mann, die sie sich nicht zu Hause wünscht. Der Zuhälter hält ihr den Rücken frei.

      Was haben Sie davon?
      Man braucht eine solide Basis. Es ist vorteilhaft, wenn weitergearbeitet wird, während man auf den Seychellen ist. Geld, das du im Urlaub platt gemacht hast, liegt bei der Rückkehr schon wieder cash da.

      Aber das kann nicht alles sein. Worauf ist der richtige Zuhälter stolz?
      Vor allem darauf, dass er dazugehört. Ein guter Zuhälter ist ein Junge mit Eiern im Sack, der auch bei Frauen nicht schleimen muss, um anzukommen. Ein Mann, der Konsequenzen nicht scheut - auch wenn`s mal auf eine Schlägerei hinausläuft. Man muss als Zuhälter Rückgrat zeigen und nach Stürzen und Abstürzen wieder aufstehen können.

      Aber nochmals: Die Frau gibt die Hälfte ab, manchmal sogar alles. Was hat sie davon?
      Der Zuhälter ist ihr Bodyguard. Jemand, den die Frau anrufen kann, wenn sie ein Problem hat. Die Freier finden immer schnell heraus, ob die Alte einen Kerl zur Seite hat oder ob sie allein und hilflos ist. Das bestimmt dann ihr Verhalten.

      Fällt daneben auch Arbeit im engeren Sinne an?
      Und wie. Der Zuhälter organisiert den Club, wo man anständig behandelt wird und Geld verdienen kann. Das wird zum Beispiel gerade in der Schweiz immer schwieriger.

      Welche Probleme stellen sich Ihnen von Seiten der Freier?
      Da klingelt zum Beispiel heute Morgen um vier das Telefon. Einer dieser Typen, die eigentlich nur Telefonsex wollen. Der Mann heute Morgen gab sich als normaler Kunde aus. Adresse am Zürichberg. Lang fragt er meine Alte aus, was sie so macht und was nicht. Die Fragen werden immer komischer. Bis man merkt: Der will bei der Frau gar kein Geld ausgeben. Der holt sich nur kurz einen runter am Telefon.

      Lassen Sie die Prostituierte allein zu einem Freier nach Hause gehen?
      Natürlich nicht, schon gar nicht in so dubiosen Fällen. Ich gehe bei Escort-Aufträgen ohnehin immer mit. Viele Freier bestellen nicht ins Haus, sondern versuchen sich an Bahnhöfen oder so mit der Alten zu treffen. Da sitzen sie dann im Auto, glotzen sie an und onanieren dazu. Da sage ich grundsätzlich nein. Bevor ich meine Alte auf Hausbesuch schicke, beurteile ich, ob der Anrufer seriös ist.

      Was macht das Besondere am Schweizer Milieu aus?
      Die Partys und die Wellnessclubs. In Deutschland und Österreich gibt`s hingegen mehr Swingerclubs.

      Wie sieht das Angebot im Einzelnen aus?
      Da gibt`s diesen Laden in Solothurn, da haben die Frauen 50 Prozent Abgaben. Der Leiter ist eigentlich ein korrekter Schweizer, beschäftigt aber inkompetentes Personal. Die Frauen reisen alle aus Ostblockländern an und bleiben nur kurz. Einen vergleichbaren Schuppen gibt`s in Schwyz, aber da zahlen die Frauen 200 Franken Tageseintritt, egal ob sie was verdienen oder nicht. Gute Huren haben hier bessere Chancen. Der Kunde zahlt als Eintritt 60 bis 70 Franken. Da kommt dann noch das Mädchen dazu, und sie kann alles behalten, was er ihr gibt.

      Sind diese Clubs für Sie interessant?
      In Schwyz hab ich anfangs mal ein Mädchen reingestellt. Aber diese Leute suchen nur Frauen, mit denen sie machen können, was sie wollen. Die Frauen sind 12 bis 14 Stunden dran. Und dazu werden sie noch angemacht vom Personal.

      Da schüttelt der geschulte Zuhälter mit dem Kopf?
      Klar. Die Typen sind nicht im Milieu gross geworden. Sie kommen aus soliden Berufen und machen Fehler, weil sie branchenfremd sind. Sie haben keine Ahnung von Psychologie. Sie wissen nicht, wann eine Frau sie braucht zum Reden und wie sie mit den Frauen reden sollen. Und vor allem: Sie geben der einen Frau die Vormachtstellung gegenüber den andern. Das ist falsch.

      Warum?
      Man muss sie alle gleich behandeln. Der Besitzer kann sich sexuelle Eskapaden leisten. Aber wenn sich der Geschäftsführer mal in einer stillen Ecke eins blasen lässt, während er die anderen Frauen wie Dreck behandelt, kann das Ganze leicht umkippen. Die Frau will einen besonderen Stand haben in der Firma. Plötzlich meldet sie was nach oben. Das kann vor Gericht enden mit einer Klage auf sexuelle Nötigung. Wenn die Frau also komisch fordernd wird, und du willst ihr keinen Sonderstatus geben, dann ist der Moment gekommen, da trennt sich auch der Rechtsanwalt von seiner Sekretärin. Du weisst ja, wie das im Normalfall ist. Da fickt ein Politiker eine Alte - und schon entsteht so was wie bei dem Thomas Borer.

      Kann sich eine Frau denn von ihrem Zuhälter trennen?
      Klar, das ist Sache einer sauberen Abmachung.

      Und wenn sie abhaut - würden Sie dann Gewalt anwenden?
      Vielleicht. Kürzlich hat sich eine Alte zwei Tage nicht blicken lassen. Das gibt einem schon einen Stich ins Herz, nach allem, was man getan hat. Aber ich habe meine Weiber nur selten geschlagen. Ich kann sie am Schluss doch nicht zwingen, bei mir zu bleiben.

      Und wo würden Sie nach einer Trennung eine neue Frau suchen gehen?
      Am besten, man wechselt die Stadt. Am angestammten Ort ist man psychisch zu stark involviert. Aus der Schwäche heraus eine Frau suchen, da tu ich mich schwer.

      Und wie gehen Sie konkret vor?
      Ich schaue in den Läden rum, wo Frauen arbeiten. Einige stecken immer finanziell in der Scheisse. Irgendwo lerne ich eine Frau kennen, die reflektiert auf mich. Ich untersuche die Sache. Wie steht`s mit Geld? Ist sie allein? Wenn ja, dann greif ich an und sage: Baby, komm mit mir.

      Es gibt also keine Regeln, wie man das macht?
      Die gibt`s genauso wenig, wie wenn du eine Frau suchst. Woher weiss schon ein solider Mensch, wo und wann er seine nächste Partnerin kennen lernt? Ich kann hundert Weiber angraben, doch wenn sie sich nicht anmachen lassen, was soll ich tun? Handkehrum treffe ich vielleicht morgen eine Frau, die strahlt mich an und sagt: Nimm mich mit, mir geht`s hier nicht gut. Kurz: Wenn du eine Alte verzweifelt suchst, findest du sicher keine.

      Sind Zuhälter untereinander organisiert?
      Früher schon. Das Zuhältermilieu vom alten Schlag gibt`s nur noch von Frankfurt an nordwärts - vor allem in Hamburg. Ich glaube, in der Schweiz gibt`s schon lange kein Zuhältermilieu von Format mehr. Ganz früher schon, zur Zeit der Hells Angels. Da gab`s auch richtig grandige Jungs.

      Wie traten die Zuhälterorganisationen in Erscheinung? Worin bestanden ihre Aktivitäten?
      Wenn jemand aus der Reihe tanzte, verhängten die Stadtväter Strafen wie Stadtverbot oder Bussen. Wer einem anderen Zuhälter eine Frau wegnahm, wurde zu einer Abstandszahlung von 20 bis 50 Mille verpflichtet. Und mit einem, der die Alte eines Knastbruders fickte, ging man noch härter ins Gericht.

      Wie hart?
      Jedenfalls nicht mit Waffen. Das war früher selbstverständlich.

      Ich höre etwas Wehmut heraus, wenn Sie von alten Zeiten sprechen. Was hat sich seither verändert?
      Da sind seit den Neunzigern zwei Faktoren neu ins Spiel gekommen: Kokain und die Flut der Ostblockfrauen.

      Wie wirkte sich der Kokainkonsum aus?
      Koksköpfe haben das Problem, dass sie zu viel labern, an der falschen Stelle und mit den falschen Leuten. Termine und Verabredungen konnten nicht mehr eingehalten werden. Man fing an, auf Koks die Weiber zu poussieren, weil man plötzlich gut labern konnte.

      Und welcher Einfluss geht von den Frauen aus Osteuropa aus?
      Sie fingen an, mit Freiern zu küssen und zu schmusen, was zuvor tabu gewesen war. Sie verschafften sich Vorteile, indem sie bereit waren, dies und das ohne Kondom zu machten. Im Wiener Kronenkurier liest man Inserate wie: "Junge Mutti in Not" oder: "Alles ohne Gummi. Billighausbesuche".

      Wird sich der Markt erholen?
      Das dürfte dauern, immerhin: Die Ostblockfrauen bekommen jetzt die Quittung für ihre Arbeitsweise: Eine Frau, die nicht korrekt arbeitet, wird auch nicht mehr wie eine richtige Hure behandelt, nämlich mit Respekt, sondern nur noch als billige Schlampe. Wien ist da schon einen Schritt weiter, aber Zürich zieht schnell nach.

      Das Geschäft leidet also unter dem Drogenkonsum und unter den politischen Veränderungen in Europa?
      Ja, das Rotlichtmilieu ist das Spiegelbild der soliden Gesellschaft. Die goldenen sechziger und siebziger Jahre haben ein glorreiches Milieu repräsentiert, und die kaputte heutige Zeit zeigt entsprechend ein kaputtes Rotlichtmilieu.

      Gibt es einen Trend weg vom klassischen Zuhältertum - hin zur Institution, zu Salon und Bordell?
      Ja, das ist richtig. Auch das ist ein Zeichen des Niedergangs. Jeder richtige Zuhälter, obwohl er mit seinen Frauen hart und streng war, hat sie immer noch besser behandelt als ein solider Bordellbesitzer. In Luzern gibt`s einen Sozialarbeiter, der ein Puff betreibt. Der lässt die Alte nicht mehr mitleben, beutet sie völlig aus. Auch typisch: Ostblockfrauen fühlen sich zu solchen Typen hingezogen.

      Das Grundproblem scheint offenbar der Preiszerfall zu sein. Können Sie dafür ein Zahlenbeispiel geben?
      Was gerade in der Schweiz besonders viel kaputtgemacht hat, sind die Partys. Anfänglich kostete die Teilnahme den Freier 500 Franken, später 250 Franken, dann ging`s immer tiefer runter. Heute bietet ein Schweizer Laden Partys noch für 99 Franken an! Partys sind inzwischen völlig uninteressant - und die Aufregung ist vorbei.

      Aber die Rotlichtviertel wirken doch nach wie vor sehr belebt. Kann man da sagen, dass das Milieu generell an Anziehungskraft eingebüsst hat?
      Leider ja. Alles wird verramscht. Denk nur an den Analverkehr. Du bist vierzig und musst dir sagen: Ich hab`s noch nie so gemacht. Du siehst es im Pornofilm. Früher bot das vielleicht eine einzige Alte an. Du fragst schüchtern an. Wenn heute hingegen jede Alte anschreibt: "Anal, Schmusen, Ficken", ist das noch interessant? Im Gefängnis träumst du von Spaghetti Bolognese, aber wenn du draussen bist, träumst du von einem Rebhuhn oder einem Fasan.

      Die Freier sind Ihre eigentliche Geldquelle. Ein bestimmter Typ Mann, wie Sie sagen. Wie lässt er sich beschreiben?
      Der Freier heute ist kein zufriedener Kunde mehr, sondern bis auf wenige Ausnahmen ein durch und durch frustrierter Mann, der sich selbst und die Prostituierten verachtet. In den Siebzigern war eh klar, dass der Freier von der Hure nur Sex bekommt. Heute will er immer mehr und sagt sich am Schluss: Ich gefalle ihr nicht, privat würde sie ohnehin nichts mit mir machen, und für das bisschen Sex muss ich noch Geld abdrücken. Dafür, dass er das tut, hasst sich der heutige Gast schlussendlich selbst.

      Nur was teuer ist, ist geil?
      Ja. Je mehr eine Frau für immer weniger Geld anbietet, um so übersättigter ist der Freier. Zum Schluss kann ihm die Hure alles anbieten, und er wird unzufrieden bleiben. Dann gibt er schliesslich gar kein Geld mehr aus, sondern wichst am Internet. Der ganze Reiz der Sache ist im Keller.

      Es gibt doch vieles, was geil ist und keinen Rappen kostet.
      Ein Freier aus Bern bot mir mal an, ich könne seinen Ferrari fahren. Ich sagte ihm klar, er solle sich seinen Ferrari ganz tief in den Arsch stecken. Ist ja nicht mein Ferrari. Was soll ich damit?

      Sie sind dann doch lieber mit Ihren eigenen Superschlitten gefahren.
      Ja, klar. Turbo 500 SL, 345er-Schlappen hinten. Jaguar. Ich hab alles in Autos und Reisen reingesteckt. 300 000 bis 400 000 Mark im Jahr für Autos. Ehrlich gesagt: Das bereue ich heute. Reisen zählen mehr, da bleibt mehr an dir als Mensch hängen. Ist ja klar, dass man seine Ferien nicht bereut - die Optik, die tropischen Meere - das sind Eindrücke, die tief in der Seele des Menschen hängen bleiben. Das hat mich geformt.

      Solche Träume kennen viele nur vom Fernsehen und vom Internet. Was halten Sie von Internetsex?
      Da schaue ich schon ab zu mal rein, aber das kann das richtige Leben nicht ersetzen. Es gibt schon besondere Treffer: schöne Websites. Aber sonst ist viel Schund. Das Internet bedroht das Milieu, wenn man nicht damit umzugehen weiss.

      Wie ist das zu verstehen?
      Leute, die beruflich viele Stunden am Tag vor dem Computer sitzen, neigen dazu, sich von diversen Sexseiten mit Angeboten von Webcam bis Chatmöglichkeiten animieren zu lassen. Bei labilen Menschen kann das eine Art Suchtverhalten auslösen. Das Internet ist eine Kopfdroge.

      Aber ist der Internetkonsum nicht einmal mehr eine Preisfrage?
      Tatsächlich muss gesagt werden, dass viele Menschen Unterhaltung am Computer suchen, einfach nur um Geld zu sparen. Viele haben ja heute schon Angst, das Dinner ihrer Neubekanntschaft bezahlen zu müssen - vor allem wenn danach sexuell nichts läuft. Statt das Leben am Bildschirm zu vertrödeln, sollten junge Kerle besser üben, das Tanzbein zu schwingen oder einer Dame in den Mantel zu helfen. Oder sie zu verteidigen.

      Notfalls mit den Fäusten?
      Gewalt ist okay, wenn sie dazu dient, als letzte Instanz das Deinige zu beschützen. Wenn jemand dir was wegnehmen will und wenn alles Reden nichts nützt, dann muss man halt andere Mittel wählen, letztlich Gewalt. Für mich ist ja das staatliche Gewaltmonopol nicht zuständig. Sind ja alles Schwarzgelder.

      Wie weit gingen Sie in der Praxis?
      Ich hatte das Glück, von harten Schlägereien mal abgesehen, die Dinge immer durch miteinander Sprechen geradezubiegen, und musste, von ein paar Körperverletzungen einmal abgesehen, Gott sei Dank nie in die letzte Instanz gehen. Man hat ja irgendwo meist Kompromisse gefunden. Es ist ja eigentlich wie bei der Trennung einer Ehe. Wenn sie sagt: Pass auf, ich nehm dir alles, deine Firma, dein Geld, deine Kinder, alles, was du hast. Entweder landet die Sache vor Gericht, oder aber man ist so schlau, dass man das untereinander ausmacht: Dann und dann die Kinder sehen, jeder kriegt ein Auto, meistens hat man ja zwei. Die Grösse eines Menschen liegt in seiner Kompromissbereitschaft.

      Sie sind ein Mann von Prinzipien. Worauf kommt`s schlussendlich im Leben an?
      Kennzeichnend für einen guten Zuhälter der alten Liga ist die Tatsache, dass er im Endeffekt trotz Gewinnen und Verlusten sein Leben nicht zu bereuen hat, sondern dazu steht und sagen kann: Ja, das ist mein Leben. Es gilt, weder vor dem Richter noch vor dem lieben Gott Reue zu zeigen. Ich muss dazu stehen.

      http://www.weltwoche.ch/ressort_bericht.asp?asset_id=3525&ca…
      Avatar
      schrieb am 28.10.02 11:33:10
      Beitrag Nr. 2 ()
      dass in der normalen Welt sehr viele Dinge nicht in Ordnung sind

      der Spruch ist gut
      Avatar
      schrieb am 28.10.02 11:33:22
      Beitrag Nr. 3 ()
      In der Wurstfabrik zu arbeiten, ist wirklich sch...

      Ich habe schon alle möglichen Leute kennengelernt. Zum Beispiel auch den einen oder anderen Zuhälter. Oder Köche. Unter den Köchen waren einige der größten Drecksäcke, die mir je begegnet sind- verglichen damit waren die Luden die reinsten Pfarrer
      :rolleyes:

      Danke für den Beitrag.
      :)
      Avatar
      schrieb am 28.10.02 11:53:26
      Beitrag Nr. 4 ()
      interessant...


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