Bernd Niquet: Getäuschte Mannesmann-Aktionäre? - 500 Beiträge pro Seite | Diskussion im Forum
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Bernd Niquet: Getäuschte Mannesmann-Aktionäre?
- Antiquierte Bilanzierung oder sensationelles Steuerprogramm ? -
Die Szene entbehrt irgendwie nicht der unfreiwilligen Komik. Da wird sich ewig lange gestritten, ob und wie Vodafone Mannesmann übernehmen kann, sowie welche Auswirkungen das für die Aktionäre haben wird. Und die Medien berichten in einem Umfang davon, als ob es sich um das Schicksal von Nationen handeln würde.
Doch nun kommt heute eine große deutsche Tageszeitung mit dem Aufmacher "Böses Erwachen für Mannesmann-Aktionäre. Vodafone drohen riesige Verluste, Konzern kann keine Dividende zahlen". Bekommt man hier zuerst einmal einen Riesenschreck, dass nämlich vielleicht wichtige Tatsachen verschwiegen wurden, so löst sich dieser auf den zweiten Blick jedoch recht schnell auf. Doch nur, um eine neue Fassungslosigkeit zu offenbaren.
Denn es handelt sich schlichtweg um die Abschreibung des Goodwill, den Vodafone auf den Erwerb der Mannesmann-Anteile zu leisten hat. Ich selbst habe zwar weder einen Prospekt von Vodafone noch einen von Mannesmann und auch nur ganz wenige Presseartikel über den Fall gelesen und kann daher nicht endgültig urteilen. Trotzdem habe ich in der ganzen Diskussion bisher kein Wort von diesem Thema gehört. Aber so ist es eben im Wirtschaftsjournalismus: Der eine schreibt vom anderen ab, aber eine eigene Kompetenz trauen sich nur die wenigsten zu, vielleicht auch, weil sie darüber schlichtweg nicht verfügen ...
Also: Was bedeutet nun eigentlich diese Abschreibungsthematik? Im Grunde genommen ist es ganz einfach: Das, was nichts wert ist, muss abgeschrieben, also wertberichtigt werden. Vodafone zahlt für Mannesmann 400 Milliarden DM; das bilanzielle Vermögen von Mannesmann ist jedoch nur 40 Milliarden wert, weshalb die restlichen 360 Milliarden folglich abgeschrieben werden müssen. Na dann, prost Mahlzeit.
Nun könnte man jedoch argumentieren, dass unsere gegenwärtigen Bilanzierungsmethoden noch steinzeitlich sind, da sich das Kundenpotenzial, von dem nicht nur die Telekommunikationsunternehmen sondern auch alle Internetunternehmen letztlich leben, nicht aktivierungsfähig ist, das heißt, in der Bilanz nicht als Vermögen ausgewiesen werden darf.
Doch man kann es natürlich auch andersherum sehen: Denn eine Abschreibung mindert zwar den ausgewiesenen Gewinn eines Unternehmen, führt jedoch zu keinem Mittelabfluss. Soll heißen: Die Abschreibungen "kosten" Vodafone überhaupt nichts. Ganz im Gegenteil sogar, denn diese horrenden Abschreibungen bedeuten, dass die nächsten Gewinne bis zur Höhe im Gegenwert von 360 Milliarden (!) DM letztlich steuerfrei sind.
Wir haben es hierbei also mit einer Steuerfreistellung in gigantischem Ausmaße zu tun, und die Finanzminister nicht nur aller europäischer Länder müssen eigentlich verrückt sein, dieses Spiel mitzuspielen.
Die Paradoxien der New Economy nehmen also zu. Und bald werden wir daher vielleicht sogar erleben, dass diejenigen Unternehmen, die die höchsten Verluste machen, nicht nur keinen Dividendenausfall zeigen, sondern vielmehr sogar die höchsten Dividenden zahlen werden. Weil sie nämlich die meisten Steuern sparen - und folglich auf den dicksten Brieftaschen sitzen.
Bernd Niquet, Montag, 21. Februar 2000
HINWEIS: Die nächste Kolumne erscheint diesmal ausnahmsweise nicht bereits morgen, sondern erst übermorgen, am MITTWOCH, DEN 23. FEBRUAR 2000.
Feed-back und Diskussion: b.niquet@wallstreet-online.de
Bernd Niquet, KEINE ANGST VORM NÄCHSTEN CRASH - Warum Aktien als Langfristanlage unschlagbar sind, Campus-Verlag, Frankfurt/M., New York 1999, 269 Seiten, kartoniert, 49,80 DM, ISBN 3-593-36293-7. Bestell-Link: http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3593362937/buchervonberndni
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