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    "Warum ich alle Gefangenen in der Todeszelle begnadigt habe" - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 15.01.03 10:46:49 von
    neuester Beitrag 21.01.03 16:00:35 von
    Beiträge: 113
    ID: 682.995
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      Avatar
      schrieb am 15.01.03 10:46:49
      Beitrag Nr. 1 ()
      Mit einer spektakulären Aktion hat US-Gouverneur George Ryan seine Amtszeit beendet: Er schenkte den 167 Todeskandidaten, die im
      Bundesstaat Illinois teilweise seit Jahren auf ihre Hinrichtung gewartet hatten, das Leben. Das Risiko, einen Unschuldigen töten zu
      lassen, sei ihm zu hoch, sagte er. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ließ Ryans beeindruckende Abschiedsrede übersetzen und
      veröffentlichte sie am Mittwoch als Aufmacher in ihrem Feuilleton.

      "Ich bin in Kankakee aufgewachsen, einer Kleinstadt im Mittleren Westen, in der die Menschen einander kennen. Steve Small
      war ein Nachbar. Ich sah ihn aufwachsen. Er hütete später gelegentlich unsere Kinder, und das war keine leichte Aufgabe,
      denn meine Frau Lura Lynn und ich hatten sechs, davon damals fünf unter drei Jahren. Er war ein heller Kopf und half im
      Geschäft seines Vaters. Er heiratete und hatte drei eigene Kinder. Lura Lynn stand ihm und seiner Familie besonders nahe.
      Es war gut zu wissen, daß er für uns und wir für ihn da waren. Eines Nachts im September erhielt er einen Anruf. In einem
      nahe gelegenen Haus, das er gerade renovierte, sei eingebrochen worden. Als er hinausging, wurde er mit Waffengewalt
      gekidnappt. Seine Kidnapper begruben ihn lebendig in einer Grube. Er erstickte, bevor die Polizei ihn finden konnte.

      Sein Mörder führte die Polizei an die Stelle, an der Steves Leiche lag. Der Mörder, Danny Edward, stammte ebenfalls aus
      meiner Heimatstadt. Er wartet heute in der Todeszelle auf seine Hinrichtung. Auch seine Familie kenne ich. Ich erzähle
      Ihnen das, damit Sie wissen, daß ich nicht als Neubekehrter handle, der nichts von den bitteren Erfahrungen weiß, unter
      denen die Angehörigen von Mordopfern leiden. Meine Verantwortung und meine Pflichten gehen aber über den Kreis meiner
      Nachbarn und meiner Familie hinaus. Ich repräsentiere das Volk von Illinois - ob Sie das mögen oder nicht. Meine
      Entscheidung wird nicht nur hier, sondern in aller Welt Beachtung finden.

      Kürzlich erhielt ich einen Anruf von Nelson Mandela. Ich war gerade in einem Restaurant und aß ein Sandwich mit Corned Beef. Wir sprachen gut
      zwanzig Minuten miteinander. Die Botschaft, die er mir vermittelte, besagte im wesentlichen, daß die Vereinigten Staaten der übrigen Welt die
      Standards für Gerechtigkeit und Fairneß setzen. Aber wir spielen nicht in derselben Liga wie Europa, Kanada, Mexiko oder der größte Teil Süd- und
      Mittelamerikas. Dort hat man die Todesstrafe abgeschafft. Wir sind Partner im Tode mit diversen Ländern der Dritten Welt. Wußten Sie, daß selbst
      Rußland ein Moratorium ausgerufen hat?

      In zwölf amerikanischen Bundesstaaten ist die Todesstrafe abgeschafft worden, und in keinem dieser Staaten ist die Zahl der Morde gestiegen. Hier
      eine Zahl, die Ihnen zu denken geben sollte: Im vergangenen Jahr hatten wir in Illinois etwa 1000 Morde, und nur in zwei Prozent der Fälle ist die
      Todesstrafe verhängt worden. Ich wüßte gerne, was daran fair und gerecht sein soll. Die Todesstrafe wird deshalb nicht fair und gerecht verhängt,
      weil es für die 102 Counties des Staates keine einheitlichen Richtlinien gibt. Die Staatsanwälte entscheiden, ob sie die Todesstrafe beantragen. Darf
      die Geographie bestimmen, wer zum Tode verurteilt wird? Ich meine nein, aber in Illinois gibt es solche Unterschiede. In den ländlichen Regionen
      besteht eine fünffach höhere Wahrscheinlichkeit, daß man zum Tode verurteilt wird, als etwa hier in Cook County. Eine fünffach höhere
      Wahrscheinlichkeit. Wo ist da die Fairneß, wo das rechte Verhältnis?

      Ich brauche nicht zu betonen, daß ich nie die Absicht hatte, mich in dieser Frage als Aktivist hervorzutun. Schon bald nach meiner Amtsübernahme
      erlebte ich aber mit Verwunderung und Bestürzung, wie der Todeskandidat Anthony Porter aus dem Gefängnis entlassen wurde. Als freier Mann trat
      er Professor Dave Protess von der Northwestern University gegenüber. Ist Dave im Saal? Ich werde nie vergessen, wie der kleine Anthony Porter dir
      als freier Mann um den Hals fiel, denn du hattest zusammen mit deinen Publizistikstudenten seine Unschuld bewiesen.

      Anthony Porter trennten nur 48 Stunden von der Hinrichtungszelle, wo der Staat ihn töten wollte. Alles wäre sehr aseptisch abgelaufen, und die
      meisten von uns hätten nicht einmal Notiz davon genommen. Nur daß Porter unschuldig war. Er hatte den Doppelmord, für den man ihn zum Tode
      verurteilte, nicht begangen. Es ist unvorstellbar: Bei der Hälfte der nahezu 300 Todesurteile in Illinois wurde ein neues Verfahren oder eine Revision
      des Urteils angeordnet. Wer von Ihnen kann in seinem Beruf mit einer Genauigkeit von fünfzig Prozent leben? Dreiunddreißig Insassen der Todeszellen
      wurden bei ihrem Prozeß von einem Anwalt vertreten, dem man später die Zulassung entzog oder dem schon einmal zeitweilig die Zulassung
      entzogen worden war. Unter den 160 Todeskandidaten befanden sich fünfunddreißig Afroamerikaner, die nicht von ihresgleichen, sondern von rein
      weißen Jurys verurteilt worden waren. Mehr als zwei Drittel aller Todeskandidaten waren Afroamerikaner. Ich erinnere mich, wie ich mir diese Fälle
      ansah und mich selbst wie auch meine Leute fragte: Wie kann so etwas in Amerika geschehen? Diese Frage stelle ich nun seit drei Jahren, und
      bisher hat noch niemand sie beantwortet.

      Wenn Sie wirklich wissen wollen, was schändlich und unerträglich ist, dann meine ich, daß siebzehn in Illinois zum Tode Verurteilte, die später
      freigesprochen werden mußten, nichts anderes als ein katastrophales Versagen darstellen. Unser Todesstrafensystem ist mit unerträglichen Fehlern
      behaftet, bei der Feststellung der Schuld wie auch des Strafmaßes.

      Je näher meine Entscheidung rückte, desto mehr fragte ich mich, ob ich auch Daniel Edwards begnadigen würde - der Mann, der Steve Small, den
      Freund meiner Familie, getötet hat. Als ich mit meiner Frau darüber diskutierte, war sie erzürnt und enttäuscht über meine Entscheidung, wie so
      viele Angehörige von Opfern es sein werden. Der Zorn der Familien von Mordopfern hat mich beeindruckt. Sie appellierten an mich, die Todesstrafe
      beizubehalten, damit sie Frieden finden. Aber ist das der Zweck der Todesstrafe?

      Ich kann mir nicht vorstellen, ein Familienmitglied durch Mord zu verlieren. Aber ebensowenig kann ich mir vorstellen, zwanzig Jahre lang in jeder
      wachen Stunde darauf zu warten, daß der Mörder hingerichtet wird. Das System der Todesstrafe in Illinois ist so unsicher, daß es gar nicht
      ungewöhnlich ist, wenn ein Fall zwanzig Jahre bis zu seinem Abschluß benötigt. Und wir können von Glück sagen, daß es so ist. Denn wenn ich auf
      Eile gedrungen hätte, wären Anthony Porter, Ronald Jones, Madison Hobley und andere unschuldig zum Tode Verurteilte möglicherweise längst tot
      und begraben.

      Aus all diesen Gründen wandle ich alle ausgesprochenen Todesstrafen in Freiheitsstrafen um. Diese Umwandlung erfolgt pauschal. Ich habe selbst
      nicht geglaubt, daß ich es tun würde. Es ist mir klar, daß ich mir damit den Zorn und die Verachtung vieler Menschen zuziehen werde. Aber die
      Menschen unseres Staates haben mich gewählt, damit ich für Gerechtigkeit sorge. Meine Mitarbeiter und ich haben viele Tage und schlaflose Nächte
      mit der Überprüfung des Systems verbracht. Heute nacht werde ich gut schlafen, weil ich weiß, daß ich die richtige Entscheidung getroffen habe."

      Michael Bischoff hat die Rede des Gouverneurs übersetzt. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.01.2003, Nr. 12, Seite 33
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 10:52:06
      Beitrag Nr. 2 ()
      Respekt.

      Einer der letzten aussterbenden Saurier,
      die noch Ihrem Gewissen verpflichtet sind.

      EasyCome
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 10:55:16
      Beitrag Nr. 3 ()
      wieso ist nur ein ts-gegener dem gewissen verpflichtet?
      damit sollte man nicht scherzen,wir wissen alle nicht was nachher kommt,und man sollte da ganz vorsichtig sein.
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 10:56:10
      Beitrag Nr. 4 ()
      Mutig, aber nicht mutig genug.

      Die Fehler im US-Justizsystem hätte er deutlicher aufzeigen sollen.

      Nicht die Todesstrafe an sich ist unmoralisch, sondern die Tatsache, dass in den USA viele Verurteilte unschuldig und viele Freigesprochene schuldig sind.

      Mutige Reformen im Justizsystem sind notwendig. Wenn diese abgeschlossen sind, kann man die Todesstrafe wieder einführen.

      So weit ich ihn verstehe, hat Ryan auch genau das gemeint.
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 10:59:01
      Beitrag Nr. 5 ()
      Was ich meine?

      Vielleicht darf ich unseren guten alten DubYa zitieren?

      "Wenn 10% der Hingerichteten unschuldig sind,
      dann sind doch immer noch 90% schuldig!"

      Das meine ich mit "seinem Gewissen verpflichtet".

      Easy

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      Avatar
      schrieb am 15.01.03 11:00:17
      Beitrag Nr. 6 ()
      #5: Ist das ein belegtes Zitat?
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 11:05:58
      Beitrag Nr. 7 ()
      ich bin ganz klar für die todesstrafe,wenn die schuld des mörders absolut zweifelsfrei feststeht.
      wenn nur der leiseste zweifel besteht, sollte man sie aussetzen.

      ich bin übrigens nach ansicht vieler ein primitiver,denn ich verlabnge,das der mörder genauso stirbt , wie das opfer!

      wer eine frau vergewaltigt und dann lebendig begräbt, dem sollte das gleiche passieren.

      in den siebzigern war es "mode" in den usa, mit jungen faruen durch die staaten im kleinlast-wagen zu fahren und sie langsam in stücke zu schneiden.
      die abgetrennten teile haben diese "menschen" dann den angehörigen geschickt.
      die opfer waren erst nach wochen wirklich tot.
      davon gab es mehrere fälle.

      was wollt ihr mit den tätern machen?


      penunze
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 11:07:44
      Beitrag Nr. 8 ()
      Oh, die Verurteilten in Illinois sind allesamt von 12 geschworenen absolut zweifelsfrei des Todes überführt worden.

      Oder hast Du Kriterien, die zwischen einer zweifelsfreien Verurteilung und einer absolut zweifelsfreien Verurteilung unterscheiden?
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 11:09:57
      Beitrag Nr. 9 ()
      es kommt doch auf das verfahren an, da muss einfach genauer,sauberer recherchiert werden.
      ich bin ja auch kein fan der todestrafe,aber die gegner sind immer so polemisch,und bei manchen taten ist einfach
      jede andere strafe ein hohn,das muss man auch mal sehen.
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 11:10:28
      Beitrag Nr. 10 ()
      #7

      "wenn nur der leiseste zweifel besteht, sollte man sie aussetzen."

      Nein, dann sollte man den Angeklagten freisprechen.

      Oder willst Du jemanden zu lebenslanger Haft verurteilen, wenn es "wahrscheinlich" ist, dass er der Täter ist? Und Todesstrafe dann, wenn es "sicher" ist?

      Todesstrafe versus Haftstrafe darf m.E. nicht eine Frage der Beweiskräftigkeit, sondern nur eine Frage der Schwere der Schuld sein.
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 11:12:30
      Beitrag Nr. 11 ()
      Solange auch nur die Möglichkeit eines Fehlurteils besteht, sollten wir uns nicht anmaßen, den Täter zu töten. Wir sind dann nicht besser als die Mörder.

      @easycome #5: Möchtest du einer von den 10% sein??? Ich nicht.

      Und damit das klar ist: Ich bin überhaupt kein Freund von Gutmensch-Resozialisierung, die auf Teufel-Komm-Raus gemacht werden soll (mit all den Risiken bei Entlassung etc.). Die Verurteilten sollen ihr restliches Leben lang schuften (Steinekloppen oder sonst was), was das Zeug hält. Meinetwegen 7 Tage die Woche. Das ist mehr Strafe als ein doch recht schneller Tod.
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 11:14:55
      Beitrag Nr. 12 ()
      @whitehawk:

      Das stimmt nicht, dass die Gegner der TS immer polemisch sind. Hier gab`s mal einen Thread dazu, in dem wirklich gute Argumente pro und contra TS gebracht wurden.

      Das für mich einzig überzeugende Argument gegen die TS ist die fehlende (bzw. sinnlose) Rehabilitationsmöglichkeit im Fall eines Justizirrtums.

      "Moralische" Bedenken habe ich nicht.
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 11:15:22
      Beitrag Nr. 13 ()
      ein problem ist eben,wenn politk mit reinspielt,ich weiss übrigens nicht ob ich es gut finden soll,das zb leute wie OJ simpson freigesprochen wurden,man könnte doch zumindest ne regelung erlassen,wonach man doch zweimal wegen demselben vergehen vor gericht gestellt werden kann,wenn sich die beweislage ändert.diese regel könnte man ja zb für vergehen wie mord aussetzen,denn das recht des toten ist ein höherer wert als die bequemlichkeit eines verdächtigen.
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 11:19:06
      Beitrag Nr. 14 ()
      Ich habe überhaupt nichts dagegen, jemanden auch ein zweites Mal vor Gericht zu stellen, wenn sich die Beweislage ändert. Ich halte diese Regel, die das verhindert, für groben Unfug.
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 11:20:58
      Beitrag Nr. 15 ()
      @maus:

      und wie verhinderst Du dann, dass ein karrieregeiler Staatsanwalt Dich so oft vor Gericht bringt, bis er endlich einen Schuldspruch erwirkt hat?
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 11:21:56
      Beitrag Nr. 16 ()
      Die Todesstrafe mag geschmacklos sein, aber die Verbrechen,
      die ihr vorangingen waren es mindestens in gleichem Maße.
      Deshalb bin ich kein grundsätzlicher Gegner der Todesstrafe.

      Jedoch gibt es m.W. extrem große Ungenauigkeiten,
      Fahrlässigkeiten und sogar immer wieder Verschwörungen
      in den Hinterzimmern der Justiz (weltweit),
      so dass man ihre Verhängung sehr, sehr sorgfältig überdenken sollte.

      Ein Beispiel aus einem sehr alten Rechtssystem,
      das mich sehr beeindruckt hat:

      In der Bibel, bezogen auf das alttestamentliche Volk Israel,
      werden harte Strafen aber auch sehr hohe Anforderungen an die Beweie gestellt.
      So durfte niemals eine Verurteilung stattfinden, ohne dass
      mindestens zwei (i.d.Regel Augen-)Zeugen zur Verfügung standen.
      Ein Indizienbeweis reichte nie!!!:eek:

      Diese Zeugen wiederum mußten über jeden Zweifel erhaben sein.
      Für sie galt: Wnn sie als falsche Zeugen auftraten,
      und dies wurde entdeckt, ereilte sie kategorisch die gleiche Strafe
      wie denjenigen, zu dessen Schaden sie ausgesagt hatten.

      Da gab es verständlicherweise nicht mehr so viele Justizirrtümer wie heute.

      Etwas von dieser konsequenten Einstellung täte unserem Rechtssystem heute
      sehr, sehr gut. Leider wird es vielerorts nahezu bestimmt,
      von berufsmäßigen Lügnern und Rechtsverdrehern. Am Anfang
      stehen hier übrigens die Politiker, nicht die Anwälte und Richter!

      KD
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 11:26:32
      Beitrag Nr. 17 ()
      @ rainer

      das ist auch polemik,kein staatsanwalt macht karriere weil er viele sinn und erfolglose prozesse führt.

      mal ne andere frage,gibts eigentlich die absurde regelung das flucht(versuche) nicht bestraft wird in anderen ländern auch?
      das finde ich zb auch nen hohn an der allgemeinheit,ein täter der schuldfähig ist muss auch einsehen das er bestraft werden muss,freiheitstrieb hin oder her.
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 11:28:40
      Beitrag Nr. 18 ()
      @Rainer6767 #15

      Ich empfinde es als Hohn für die Opfer, wenn ein Täter sich ganz legal der Justiz entziehen kann und nach einem Freispruch ggf. sogar tönen kann, dass er ein Mörder ist.

      Ein erneutes Vor-Gericht-Stellen muß natürlich wohlbegründet sein. Ich bin mir im Klaren, dass insbesondere in den USA dies ein heißes Eisen ist, aber eine quasi-staatliche Sanktionierung von freilaufenden Mördern finde ich widerlich.
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 11:30:19
      Beitrag Nr. 19 ()
      @whitehawk:

      Nein, sinnlose Prozesse wird ein Staatsanwalt in den USA nicht führen. Er wird aber mit aller Macht versuchen, eine Verurteilung zu erreichen. Selbst wenn er Zweifel an der Schuld des Angeklagten hat.

      Welche Straftat begeht denn jemand Deiner Ansicht nach, wenn er über die Gefängnismauer klettert?
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 11:31:20
      Beitrag Nr. 20 ()
      @Maus #18:

      Da stimme ich Dir durchaus zu.
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 11:33:08
      Beitrag Nr. 21 ()
      jeder ichtverurteilte wird bestraft wenn er sich zb einer festnahme oder kontrolle widersetzt.
      verglichen damit ist ein fluchtversuch (oft ja auch mit anderen straftaten verbunden) ein ziemlich drastischer widerstand gegen die staatsgewalt.
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 11:40:15
      Beitrag Nr. 22 ()
      @whitehawk:

      Wenn während des Fluchtversuchs andere Straftaten begangen werden, dann werden diese natürlich auch bestraft. Geiselnahmen etc.

      Und wenn auf der Flucht ein Polizist bzw. Wärter zusammengeschlagen wird, dann ist das Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt.
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 12:04:48
      Beitrag Nr. 23 ()
      Wahrscheinlich kann ein Jurist viel besser begründen, warum Fluchtversuche hierzulande straffrei sind. Ich weiß es eigentlich auch nicht.
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 13:05:27
      Beitrag Nr. 24 ()
      die begründung ist ja (glaub ich auch vom bvg mal so entschieden)

      das der freiheitstrieb sone art urtrieb ist,den man nicht unterbinden kann.

      meiner meinung nach ein absurdes gesetz das auf den müll gehört.
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 14:19:43
      !
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      Avatar
      schrieb am 15.01.03 16:36:58
      Beitrag Nr. 26 ()
      #1
      die begründung beweist, dass der scheidende gouverneur nicht leichtfertig gehandelt hat und lange zeit auf diesen schritt hingearbeitet hat. er hat meinen vollsten respekt. es sollte mehr solche politiker geben.
      yarkssen
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 16:46:37
      Beitrag Nr. 27 ()
      Stimme Dir voll zu,

      noch ein Quentchen größer wäre der Rspekt aber vor dem Politiker,
      der das nicht erst bei seinem Abtritt von der politischen Bühne tut.

      KD
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 19:07:09
      Beitrag Nr. 28 ()
      Die Grundlage jeder menschlichen Rechtsprechung sollte sein, dass niemand, wirklich niemand, das Recht hat, das Leben eines anderen Menschen auszulöschen - aus keinerlei Gründen.
      Somit hat das auch eine Verpflichtung für den Gesetzgeber zu sein. Töten darf nicht gleichzeitig legal und illegal sein - je nachdem, auf welcher Seite man steht.

      George Ryan, Hut ab.
      MM
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 19:13:10
      Beitrag Nr. 29 ()
      Was bitte ist eine "menschliche" Rechtssprechung.

      Das muß ein Phantom sein,
      denn es geht um Recht und nicht um Menschlichkeit,
      wer auch immer letztere definiert.

      KD
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 19:34:45
      Beitrag Nr. 30 ()
      Korrektur: Die Grundlage jeder Rechtsprechung in menschlichen Gesellschaften....
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 19:38:58
      Beitrag Nr. 31 ()
      Die Grundlage des Zusammenlebens in menschlichen Gesellschaften sollte sein, dass man keine Menschen tötet.

      Wer das dennoch tut, bewegt sich dieser Logik nach also außerhalb der menschlichen Gesellschaft. Darf man ihn dann töten?
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 19:39:23
      Beitrag Nr. 32 ()
      Nach deiner Korrektur ist es (dein Satz)höchsten noch ein Postulat,
      du forderst es, aber mit welcher Begründung?

      Hat denn nicht der, der aus niederen Motiven und mit voller Absicht
      das Leben anderer Menschen raubt,
      schon moralisch sein eigenes Lebensrecht verwirkt?

      KD
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 19:42:14
      Beitrag Nr. 33 ()
      Mag ja sein - aber ist Dir (hier dem Staat) damit das Recht gegeben, zu töten?
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 20:05:06
      Beitrag Nr. 34 ()
      Ja.
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 21:27:07
      Beitrag Nr. 35 ()
      @1: Für mich eine bemerkenswerte und mutige Rede/Aktion.
      Avatar
      schrieb am 15.01.03 21:33:54
      Beitrag Nr. 36 ()
      #30/#33 Rainer...
      :confused:
      "...Die Grundlage des Zusammenlebens in menschlichen Gesellschaften sollte sein, dass man keine Menschen tötet.

      Wer das dennoch tut, bewegt sich dieser Logik nach also außerhalb der menschlichen Gesellschaft. Darf man ihn dann töten?..."


      Logischerweise nicht. Man wäre ja dann sofort selbst außerhalb der menschlichen Gesellschaft.

      MM
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 08:39:38
      Beitrag Nr. 37 ()
      Wenn es das Problem der Justizirrtümer nicht gäbe, hätte ich keine klare Meinung zur Todesstrafe. Hat der Staat kein Recht zum Töten? Kommt doch wohl arg auf eigene ethische Standpunkte an. das Hauptproblem ist und bleibt die Irreversibilität der Entscheidung. An die befürworter der Todesstrafe gerichtet die Frage: Wieviele Unschuldige darf man auslöschen, um rechtfertigen zu können, dass diejenigen, die nach Auffassung der Todesstrafenbefürworter den Tod verdient haben, hingerichtet werden?

      Dem Gouverneur war "die Quote" offenbar zuviel, und wenn ich Rainer6767 richtig verstehe, ist sie ihm auch zu hoch in den USA. Da aber selbst bei einem noch so guten system Irrtümer nie auszuschliessen sind - wo fängt man an, diese in kauf zu nehmen? :confused:


      Was ich besonders respektabel an der Entscheidung finde, ist der Umstand, dass er selbst im engsten Kreis betroffen ist von der Entscheidung. Ich kann den Standpunkt der Betroffenen, die mit dem "an den nächsten Baum knüpfen" kommen, wenn ein besonders abscheuliches Verbrechen begangen wurde, nachvollziehen. Wäre ich Vater des ermordeten metzler-Kindes, ich würd versuchen, mir eine Waffe zu besorgen, um den Typen umzubringen. Diese Art der Logik aber sollte sich die Gesellschaft nicht unterwerfen - die völlig verständlichen gefühle der Opfer zum Maßstab der Bestrafung zu machen. Ich selbst würde den Typen umbringen wollen, aber ich würde nicht davon ausgehen wollen, dass die Gesellschaft den Maßstab zu dem ihren zu machen hat. Der Gouverneur ist freilich nicht Hinterbliebener eines ermordeten engen Familienangehörigen, aber immerhin auch betroffen - und entscheidet dennoch für die Generalbegnadigung.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 09:08:36
      Beitrag Nr. 38 ()
      Neemann,

      warum sollte der Staat das Recht haben, zu töten?
      Weil er es sich selbst verliehen hat?

      Kein Mensch hat das Recht, einem anderen das Leben zu nehmen.
      Soweit, denke ich, herrscht Konsens.

      Der Staat - was heißt das denn? Doch nur, dass in einem Gebilde, das sich Staat nennt, Menschen unter einer selbstgegebenen Ordnung leben.
      Wer einen anderen tötet, stellt sich außerhalb der Ordnung und wird nach den Regeln der Ordnung sanktioniert.
      Doch darf, um glaubhaft zu bleiben als Staat, der die Ordnung geschaffen hat - meiner Meinung nach - immer noch keiner das Recht erhalten, zu töten. Er würde ja seine eigenen Regeln konterkarieren.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 09:15:27
      Beitrag Nr. 39 ()
      Er würde seine eigenen Regeln konterkarieren? Da kein mensch einen anderen gefangen halten darf, dürfte der Staat also auch keine Gefägnisse unterhalten, um seine Regeln nicht zu konterkarieren? Das Argument leuchtet mir nicht ein.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 09:17:07
      Beitrag Nr. 40 ()
      @ MinMac

      Du drehst dich mit deinen Argumenten immer im Kreis.

      Das kommt daher, dass du zwar den Staat nicht negierst, ihm aber auch keine eigene Persönlichkeit, also eine selbständige Identität
      zubilligen willst.
      Letztlich siehst du deshalb immer den Richter, den Henker etc.
      als Person, nicht als Organ dieser anderen Persönlichkeit.

      Ändere das einfach, und dein Geist wird neue Perspektiven gewinnen.

      KD
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 09:28:17
      Beitrag Nr. 41 ()
      Kwerdenker, Neemann,

      zugegeben, da scheint was nicht zu stimmen in meiner Argumentation. Kwerdenker hat Recht.

      Muß ich wohl nochmal in mich gehen und ordnen. :look:
      MM
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 09:33:59
      Beitrag Nr. 42 ()
      Das ehrt dich sehr, Neemann

      So eine Bereitschaft erst noch mal neu zu denken,
      ist leider sehr selten (nicht nur hier im Board).

      Großer Respekt,
      was immer auch aus deinen neuen Gedanken hervorkommt.

      KD
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 09:34:52
      Beitrag Nr. 43 ()
      Sorry

      ich tausche natürlich MinMacker gegen Neemann.

      KD
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 09:37:16
      Beitrag Nr. 44 ()
      @Neemann:

      #36 ist ein außerordentlich gutes Posting.

      Wie mehrfach gesagt: Prinzipiell befürworte ich die TS. Moralische Bedenken der Art, wie sie Minmacker hier vorträgt, kann ich zwar nachvollziehen, aber ich teile sie in keinster Weise.

      Das stärkste und letztlich ausschlaggebende Argument gegen die TS ist die Möglichkeit von Justizirrtümern.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 09:43:57
      Beitrag Nr. 45 ()
      Ja, Raíner 6767, dann hoffen wir mal alle, dass du (nicht) zu einem Justitzirrtum in den USA wirst ! ;)

      19 Jahre unschuldig in der Todeszelle, vor der Zellentür der Stuhl , das wär doch was für Dich als prinzipiellen Befürworter der Todesstrafe oder ?

      Stirb wie ein Mann ! Sag ich da nur...

      :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 09:51:02
      Beitrag Nr. 46 ()
      @M-B-S,
      so einfach ist es nicht. Es geht in der Gesellschaft immer darum, Maßnahmen in ihrer Gesamtwirkung zu beurteilen, und Rainer6767 verhelt seine Bauchschmerzen in diesem Punkt auch nicht. Es können bei einem noch so guten System Unschuldige sterben, das ist ein gegenargument.

      Und was wäre, wenn umgekehrt die Todesstrafe doch in einigen Fällen abschreckt, und wenn es auch nur wenige Fälle sind? Dann hat man durch den Verzicht dieser Form von Bestrafung umgekehrt auch Menschen geopfert, Unschuldige, die sonst leben könnten. Nur sind die freilich schwerer auszumachen (bzw. gar nicht konkret anzugeben) als die Fälle der Unschuldigen, die es bei Vorhandensein dieser Art der Bestrafung trifft. Das hört sich zynisch an, sozusagen zwischen abstrakten Leben und im nachhinein konkret und nennbar Betroffenen abzuwägen, aber um diese Abwägung kommt eine Gesellschaft trotzdem nicht herum.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 10:10:06
      Beitrag Nr. 47 ()
      Lebenslang im Knast zu sein - schwer vorstellbar und eine wirklich außergewöhnliche - für einige sicher die richtige Strafe.

      Unschuldig verurteilt bleibt die Hoffnung auf Wiederaufnahme des Verfahrens.
      Schuldig verurteilt folgt die Sicherheit, nie mehr außerhalb der Mauern sein zu dürfen und die Schuld tragen zu müssen.

      Für die Richter beider bleibt das gute Gewissen in beiden Fällen.

      Dies ist bei der Verhängung der Todesstrafe nicht der Fall. Wie fühlt sich ein Richter, der die Todesstrafe verhängte und nach Tod des Delinquenten erfahren muß, dass der zu Unrecht starb? Kann das ein Mensch überhaupt tragen? Kann er damit weiterleben?
      Vielleicht ist das auch ein Argument gegen die Todesstrafe.
      Obwohl, ich finde Ryan hat genug Argumente aufgezählt, die man nachempfinden kann. Die sollten an sich ausreichen.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 11:38:26
      Beitrag Nr. 48 ()
      @Neemann #45 Die angeblich abschreckende Wirkung der Todesstrafe in den USA ist ja schon Gegenstand vieler Untersuchungen gewesen. Sie ist nie bewiesen worden (sofern man das auch überhaupt kann). Aber die Zahl der Morde ist wohl in den USA seit Wiedereinführung der Todesstrafe nicht rückläufig (vielleicht hat auch einer eine Statistik hierzu).

      Ansonsten: Ich kann der Todesstrafe aus zwei für mich wesentlichen Gründen nicht zustimmen:

      1. Die bekannte Sache mit den Fehlurteilen.
      2. Ich maße mir selbst nicht an, über das Wertvollste rational urteilen zu können, das ein Mensch hat (selbst wenn er der mieseste Schweinehund ist): Sein Leben. Ich stimme Neemanns Ausführungen in #36 zu. Als Angehöriger eines Mordopfers werden ganz andere emotionale Gefühle in einem rumoren, aber das kann nicht der Leitfaden für eine Gesellschaft sein. Geschworener in einem Prozeß zu sein, wo das finale Ergebnis die Todesstrafe sein würde, das könnte ich nicht.

      Eine Frage an die Befürworter der Todesstrafe: Die Hinrichtungsmethoden heutzutage sind zwar nicht gerade human zu nennen (wie auch, wenn`s um eine Tötung geht), aber sie sind doch schon etwas automatisiert, der Henker legt nicht so richtig wirklich Hand im entscheidenden Momant an. Wer aber von euch würde denn bereit sein, ein Todesurteil selbt mit einem Beil zu vollstrecken? Oder den Stuhl unter dem Galgen umzukippen? Wohlgemerkt: Auf Basis eines Todesurteils, das andere gefällt haben?
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 11:46:24
      Beitrag Nr. 49 ()
      mausschubser, deine letzte Frage dürfte wie eine generalmobilisierung des Boardpöbels wirken; ich fürchte, die Diskussion dürfte an Niveau verlieren :(

      Ich hab in #45 den Konjunktiv gewählt bzgl. der Frage der Abschreckung - der Gouverneur geht ja in seiner Argumentation auch darauf ein und verweist auf Daten, die die Abschreckungsthese zumindest nicht stützen.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 11:51:08
      Beitrag Nr. 50 ()
      @ mausschubser

      Du stellst hier die falsche, vereinfachende und damit tendenziöse Frage.

      Es handelt sich eigentlich um die gleiche Frage - mit dem
      keineswegs geringen Konfliktpotentiel -, die ein Soldat zu beantworten hat,
      der auf einen Knopf drücken muss, der Leben vernichtet.

      Der Soldat muß sogar bewußt das Töten unschuldiger P.
      im Sinne des Strafrechts in Kauf nehmen.

      Aber, wie Du doch siehst, es gibt genügend solcher Menschen,
      man wird dich nicht brauchen.

      Und wer so etwas tut - z.B. von Berufs wegen -
      verdient eine sehr gute Ausbildung,
      die du und ich nicht haben.

      KD
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 11:53:00
      Beitrag Nr. 51 ()
      Neemann, die bisherigen Beteiligten in dieser Diskussion zähle ich alle nicht zum Bordpöbel, auch wenn ich mit einigen schon heftig gestritten habe. Aber nie wurde einer von diesen persönlich ausfällig, und ich habe auch viele interessante andere Aspekte jenseits meiner bisherigen Wahrnehmung aufgenommen.

      In einer offenen Diskussion sehe ich aber genau diese Frage als einen wichtigen Punkt an. Von den potentiellen Schlagetots bei W:O erwarte ich nichts als Dreck, aber von den ehrlichen Diskutanden erwarte ich auch ehrliche Antworten. Insofern möchte ich auf die Frage nicht verzichten. Ok?
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 11:58:06
      Beitrag Nr. 52 ()
      Kwerdenker,

      es geht hier aber nicht um Soldaten (das ist eine weitere interessante Diskussion ohne Zweifel), sondern es geht um Justizentscheidungen. Ich bin gegen Verquickungen zu vieler Diskussionsfäden, denn dann geht die Übersicht verloren. Laßt uns doch erst mal ein Thema zuende bringen.

      Es ist ja ultra-schön, dass man mich für solche Entscheidungen zur Tötung nicht braucht. Ist deshalb die Entscheidung FÜR die Todesstrafe deswegen besser?

      Meine Frage ist im Übrigen nicht tendenziös (wieso sollte sie das sein?): Ich frage, ob jemand einen anderen Menschen töten würde. Weil andere beschlossen haben, dass sein Leben zuende sein muß. Ich werde dies nicht tun können.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 12:00:29
      Beitrag Nr. 53 ()
      Wenn sich schon die abschreckende Wirkung der Totesstrafe schlecht nachweisen läßt, in einer Gesellschaft ohne Todesstrafe, könnte ich mir vorstellen, muß die Quote der Mordgeständnisse aber höher liegen.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 12:11:30
      Beitrag Nr. 54 ()
      @ ms

      Tendenziös meine ich, weil die Frage von der sachlichen, juristisch orientierten
      Verstandesebene auf die emotionale Ebene mittels der persönlichen
      Verantwortlichkeit überführt.

      Das muß irgendwo mal sein, ja, aber an dieser Stelle lenkt es m.E.
      von der eigentlich moralischen Frage ab und benutzt die berechenbare Abscheu des zivilisierten
      Menschen gegen diesen Henkersakt.
      Doch die Frage bleibt unbeantwortet, wenn wir da stehen bleiben.

      Im übrigen, es gibt viele Berufe, die du und ich aus den verschiedensten Gründen nicht wählen wollten.

      Wärst du z.B. bereit, als Polizist zu blitzen.
      Wärst du bereit, als Politiker das Volk zu belügen,
      wärst du bereit als Arzt über die Auswahl des Empfängers zu entscheiden,
      wenn für zwei sterbenskranke Personen nur ein Spenderorgan vorhanden ist?
      Würdest du als Missionar in die Nähe von Kannibalen ziehen?

      Auch das sind Themen für andere Threads, aber wie ich meine,
      nicht unähnlich der von dir aufgeworfenen Frage.
      Deshalb würde ich sie aus den Überlegungen heraushalten wollen.

      KD
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 12:12:20
      Beitrag Nr. 55 ()
      Tutnix,
      kann auch umgekehrt sein - wenn etwa Geständnisse die Wahrscheinlichkeit, zum Tode verurteilt zu werden, verringern. Das mit der Statistik ist so eine Sache. Selbst wenn festgestellt würde, dass in Illinois die Mordraten niedriger wären als in New York, dürfte man wohl kaum schlussfolgern, dass dies daran liegt, dass es im einen Staat die Todesstrafe gibt und im anderen nicht. Die sozikulturellen Bedingungen sind gänzlich andere.

      @mausschubser,
      nimm mal #7 .... aber OK, bleiben wir bei der Frage - ich verstehe nicht, wieso du die Soldaten ausklammern willst - die waren mir spontan auch sofort eingefallen, als ich mit minimacker diskutierte. Die Gesellschaft nimmt sich hier auch das Recht, zu töten. Du fragst, wer den Hebel betätigen soll. Ich könnte es vermutlich genausowenig wie du, aber ich könnte - auch wenn das jetzt kein glücklicher Vergleich ist - auch kein Schwein schlachten und bin froh, dass andere das machen. Sonst wär ich wohl Vegetarier. Und ich bin nicht an der Waffe ausgebildet worden, weil ich mir nicht vorstellen kann, im Krioeg zu töten. Ob ich es im zweifelsfall doch könnte, ist eine andere Frage, aber trotz meiner eigenen Haltung bin ich nicht völliger Antimilitarist. Müsste ich aber, deiner Argumentation, wohl sein, nicht?
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 12:21:36
      Beitrag Nr. 56 ()
      Kwerdenker:

      Alle anderen Berufe sind aber nicht darauf ausgelegt, zwingend einen Menschen vom Leben zum Tode zu befördern, und das als einzige Aufgabe (selbst bei den Soldaten ist das gottseidank nicht ausschließlich so)! Nur darum geht`s mir hier. Ich will nur die Bereitschaft derjenigen Leute, die für die Todesstrafe sind, testen, ob sie diese auch vollziehen könnten. Ich war in früheren Jahren glühender Verfechter der Todesstrafe, und dann stellte mir jemand genau diese Frage, und ich begann zu zweifeln, da ich diese unangenehme Aufgabe nie selbst tun könnte...

      Und ehe jetzt Einwürfe von irgendwoher (nicht von dir kwerdenker :) ) kommen wie "Kloputzer möchtest du doch auch nicht sein": Stimmt, möchte ich nicht, aber auch da geht es nicht um Töten von Menschen.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 12:21:36
      Beitrag Nr. 57 ()
      Das Problem mit den soziokulturellen bedingungen ist klar. Die Rabbatgewährung habe ich übersehen. Kann man also nur noch fragen, ob ein beispielsweise weißer Raubmörder eher gesteht als ein schwarzer Raubmörder.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 12:29:22
      Beitrag Nr. 58 ()
      Neemann,

      vor penunzienjägers Antwort graut mir! Ich hatte sie auch gesehen. Sie ist in sich ja leider logisch, doch wende ich mich mit Abscheu. Da gibt`s auch die interessante Frage: Wer vergewaltigt denn einen Vergewaltiger??? Irrsinn wird mit Wahnsinn vergolten...

      Die Hinzuziehung der Soldaten zum Thema Todesstrafe ist natürlich nicht von weit hergeholt. Und doch geht es da um andere Entscheidungen. Bei der Todesstrafe geht es darum, ob jemand, der ein schlimmes Verbrechen verübt hat, auch getötet werden darf / sollte. Das ist eine Einzelentscheidung, und sie kann auch als Einzelentscheidung geführt werden. Das ist der entscheidende Unterschied.

      Bei der Diskussion über militärisches Töten geht es um ganz andere Aspekte, die nichts mehr mit einer juristischen Ermittlung von Schuld und daraus folgenden begrenzten Konsequenzen zu tun haben. Und deshalb möchte ich dieses Thema draußen halten, ich bin aber gerne bereit, dies in einem anderen Thread zu diskutieren. Ich bin übrigens auch nicht an der Waffe ausgebildet.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 12:36:17
      Beitrag Nr. 59 ()
      @ ms

      Dann bist du selbst der beste Beweis für meine Behauptung.

      Solange du intellektuell entschieden hattest, warst du eher für die TS,
      als eine emotionale Beteiligung und persönlichere Verantwortung hinzutrat,
      wurdest du unsicher bzw. ihr Gegner.

      Ich meine, diese Betrachtung lenkt von der Frage nach der moralischen Rerchtfertigung der TS ab.

      KD
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 12:44:59
      Beitrag Nr. 60 ()
      mausschuber,
      ich würde die TS als Strafe ablehnen, wenn es nur um Schuldbegleichung geht. Das Argument potentieller Abschreckung wäre mir gewichtiger, denn hier geht es darum, eventuell Unschuldige zu schützen. Das Fass müssen wir jetzt nicht öffnen, ob dem so ist oder nicht; ich stelle nur fest, wenn es so wäre, träfe die Gesellschaft automatisch eine Abwägung unschuldiger Opfer: Entweder solcher durch Justizirrtümer oder solcher durch fehlende Abschreckung.

      Daher auch die Parallele, die ich zum Militär ziehe - würde ich die TS befürworten zwecks Abschreckung, ginge es auch weniger um die Einzelentscheidung der Schuld, sondern um den Schutz nicht näher zu Benennender. Macht es das leichter oder schwerer? Im falle des Schutzes wohl schwerer, im Falle der Bestrafung schwerer. Ein Politiker, der über die Frage von Krieg und frieden zu entscheiden hat - ist er in einer anderen Lage, weil er nur über die statistische zahl an Opfern zu entscheiden hat, aber keiner weiß, wer alles genau betroffen ist? Und wenn seine Situation grundsätzlich keine andere ist als die des Richters (oder der Geschworenen) - muss nicht dennoch irgendjemand solche Entscheidungen treffen?
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 12:57:46
      Beitrag Nr. 61 ()
      Und was ist mit Ärzten, die im Einzelfall entscheiden müssen, ob die Maschine nun abgeschaltet werden soll oder nicht? Auch da kann man sich irren im Promillebereich. Ich mache lauter neue Fässer auf, einzige Intention ist, aufzuzeigen, dass es auch jetzt und ohne Todesstrafe im Junstizsystem immer wieder menschen gibt, die über Leben und Tod entscheiden. Insofern sehe ich nicht den Umstand an sich als prinzipielles gegenargument gegen die TS.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 13:09:37
      Beitrag Nr. 62 ()
      Hallo Neemann,

      #1
      gut das du diesen Bericht hier hineingestellt hast! Das was der US-Gouverneur George Ryan gemacht hat verdient meine volle Anerkennung!:)

      Gruß Albatossa
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 13:12:35
      Beitrag Nr. 63 ()
      @ Rainer 6767, # 43:

      Zitat:
      "Wie mehrfach gesagt: Prinzipiell befürworte ich die TS. Moralische Bedenken der Art, wie sie Minmacker hier vorträgt, kann ich zwar nachvollziehen, aber ich teile sie in keinster Weise.

      Das stärkste und letztlich ausschlaggebende Argument gegen die TS ist die Möglichkeit von Justizirrtümern"



      Ich stimme diesen Sätzen uneingeschränkt zu. Einerseits habe ich Sympathie für die Todesstrafe, andererseits habe ich auch erhebliche Bedenken, daß ein Unschuldiger um Kopf und Kragen gebracht wird.

      Im Zeitalter der Genanalysen ist aber eine fehlerhafte Opfer-Täter-Zuordnung mit absoluter Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Die Todestrafe dürfte also nur dann Anwendung finden, wenn eine genanalytische Zuordnung des Täters zum Verbrechen zweifelsfrei erfolgt ist.

      Übrigens: Nach der hessischen Verfassung ist die Anwendung der Todesstrafe bei besonders verabscheuungswürdigen Taten möglich.

      SFK
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 13:24:06
      Beitrag Nr. 64 ()
      #62 SFK
      Absolute Wahrscheinlichkeit :confused:

      Mit absoluter Sicherheit solltest Du es ausschließen können - ich behaupte mal, das kannste eben nie.
      MM
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 13:49:11
      Beitrag Nr. 65 ()
      Letztendlich ist entscheidend, ob ein Gesellschaft die Todesstrafe will, d.h. die Gesetzgeber zu der Überzeugung gebracht werden ob die Todesstrafe eingeführt oder abgeschafft wird, um dann ohne weitere moralische Diskussion nach den gesetzgeberischen Vorlagen handelt.
      Die moralische Diskussion wird in der Gesellschaft selbst geführt und je nachdem wer geschickter argumentiert oder wer die besseren Beziehungen hat wird die bestehende Handhabe in bezug auf die Todesstrafe geändert oder beibehalten.

      Die USA ist der Meinung man dürfe Mörder hinrichten.

      Deutschland ist der Meinung man dürfe es nicht.

      Beide glauben ihre Gesetze sind das Ergebnis der
      um diese Frage geführten gesellschaftlichen - moralischen -Auseinandersetzung.

      Sonst schließe ich mich dem Standpunkt von Rainer an - moralische Bedenken jemanden zum Tode zu verurteilen hätte ich wohl nicht, es gibt Verbrechen die sind todeswürdig - allerdings würde ich nicht den Henker abgeben, so wie ich auch kein Schlachter sein könnte, obwohl ich schon Duzende von Tieren tötete indem ich sie aufgegessen habe - aber die Vorstellung das auf Grund von handwerklichen Mängeln Unschuldige getötet werden ist nicht tragbar !

      Mein Vorschlag wäre dem Mörder die freie Entscheidung vorzulegen :

      Willst du getötet werden ?

      (vielleicht mit der Begründung : dein Leben ist verkackt, wir legen keinen Wert mehr auf dich, wenn du gehen willst dann gehe !)

      Ich denke das würde die Sache klären, wer mit seiner Schuld weiterleben will und kann soll es unter den dafür vorgesehenen Auflagen (Knast) machen und die dadurch
      verursachten Kosten (jedenfalls zum Teil) abarbeiten - wer allerdings mit seiner Schuld nicht leben will oder kann
      (ich denke das sind einige) der soll bei seinem letzen Gang unterstützt werden.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 13:49:17
      Beitrag Nr. 66 ()
      kwerdenker #58

      Ich sehe das anders: Wer ausschließlich intellektuell agiert, übersieht die persönliche Verantwortung. Das ist eine unzulässige Exculpation.

      Wer nicht bereit ist, im Zweifelsfalle auch persönlich für etwas einzustehen, ist nicht berechtigt, eine Entscheidung solcher Tragweite zu fällen.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 14:05:37
      Beitrag Nr. 67 ()
      @ MinMaker, # 63:

      Du hast Recht: Es hätte heißen sollen: "mit absoluter Sicherheit". Danke für den Hinweis.

      SFK
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 14:07:44
      Beitrag Nr. 68 ()
      @ eierdieb, # 64:

      Der von Dir vorgetragene Aspekt ist absolut neu für mich, aber doch sehr interessant.

      SFK
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 14:08:02
      Beitrag Nr. 69 ()
      @ms

      Das kann ich nicht nachvollziehen,
      für etwas einstehen, heißt nicht es zu tun.

      Wie stehst du z.B. ein für die Toten eines Krieges?
      Wie stehst du ein für die Toten eines Versäumnsses (fehlerhafte Straßenführung, -streuung,
      mangelnde Förderung der Pharmaentwicklung und vieles mehr)?

      Das ist eine (zwar sehr interessante), aber eben nur eine Theorie,
      der du da anhängst.

      Rund um dich herum passiert jeden Tag etwas, das von dir hätte verhindert werden können.
      Doch du hattest nicht die richtigen Fragen gestellt, nicht die
      richtige Politik unterstützt, nicht mehr gespendet ....
      Wann und wo stehst du für all das ein?

      Nein, du und ich, wir stehen ein für das was wir tun, wir müssen dafür
      aber nicht zuvor in das emotionale Bad aller denkbaren Abgründe steigen.
      Denn es hilft nur scheinbar weiter, nicht wirklich.

      Denn während du und ich hier diskutieren, treffen Juristen,
      Ärzte, Politiker, Manager und viele mehr verdammt sensible Entscheidungen. Die haben Folgen, manchmal auch tödliche.

      Auch für die stehen wir als Mitglieder unserer Gesellschaft solidarisch ein,
      selbst wenn es oft nur zu einer Form der Betroffenheit langt.
      Wenn wir nur Mitleid empfinden.
      Denn oft können wir mehr nicht tun.

      KD
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 14:10:03
      Beitrag Nr. 70 ()
      @ Eierdieb

      Tatsächlich interessant, dein Gedanke.

      Was machst du denn, wenn er nicht sterben aber auch nicht arbeiten will?
      Nur mal so gefragt.

      KD
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 14:13:11
      Beitrag Nr. 71 ()
      # 69

      der Arbeitsaspekt war nur ein unwesentlicher Bestandteil meines Gedankenganges, ich denke da würde man sich schon etwas einfallen lassen.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 14:19:03
      Beitrag Nr. 72 ()
      Kwerdenker #68,

      die Ingenieure der Deutschen Bahn stehen ja nicht ohne Grund vor Gericht für das Unglück in Eschede. Sie werden ggf. für ihre Handlungen (oder Nicht-Handlungen) einstehen.

      Wenn ich einen Verkehrsunfall baue, werde ich dafür ggf. auch haftbar gemacht.

      Wenn ein Arzt eine Fehlentscheidung trifft, kann das für ihn auch juristische Konsequenzen haben.

      Was Politiker und deren Fehlentscheidungen (und insbesondere deren Eingestehen diesbezüglich) betrifft, so breiten wir da momentan mal das Mäntelchen des Schweigens drüber... :cry:

      Das alles hat überhaupt nichts mit einem Bad in absolut emotionalen Abgründen zu tun. Es geht einfach darum, dass eine Handlung auch Konsequenzen haben kann, und zwar direkte. Natürlich kann das Herunterwerfen einer Kaffeetasse, hypothetisch gesehen, auch das Aussterben einer Schmetterlingsart zur Folge haben (solche Gedankenspiele gibt`s ja), aber so weit werde ich emotional natürlich nicht denken. :D

      Gerade aber das Entscheiden, ob ein Mensch weiterleben darf oder nicht, gerade das soll von persönlichen Konsequenzen ausgenommen werden? Für etwas einstehen heißt für mich: Ich bin mir der Konsequenzen bewußt, und ich trage sie nötigenfalls auch. Einstehen heißt, ich habe den Anstand, für meine Handlungen einzustehen! Und dafür, dass ich möchte, dass ein Mensch stirbt, das sollte mich doch beschäftigen, oder? ;)
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 14:28:43
      Beitrag Nr. 73 ()
      mausschuber,
      meine beispiele sind allesamt keine Kaffeetassenentscheidungen. Es geht um Ärzte, die entscheiden, ob Maschinen abzustellen sind, um die verantwortlichen, die entscheiden, ob man eine militärische Auseinandersetzung führen soll oder nicht, was immer mit Toten einhergeht. Wieso sollen diese emotionalen Situationen weniger abgründig sein als die der Geschworenen oder die eines Richters?
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 14:34:36
      Beitrag Nr. 74 ()
      Ich wollte auch mal die Frage aufwerfen wie wird ein Todesurteil vollstreckt ?

      Um die Vorstellung nur wer ein Beil schwingt ist ein Henker etwas gerade zu rücken.

      Man könnte z.B. sagen - wir lassen den Todeskandidaten einfach verhungern, dann vergreift niemand sich an ihm und somit ist auch niemand direkt schuld an seinem Tode.

      Natürlich würde sofort der Einwand kommen - diejenigen, die entscheiden - wir geben ihm nichts - sind auch die Verantwortlichen für seinen Tod - und somit seine Henker.

      Nun frage ich euch wie sieht es mit den täglich in aller Welt Verhungernden aus (man schätzt glaube ich pro Tag 20.000) ? - auch hier wird von denen die die Macht, das Geld, die Kapazitäten haben (und damit auch von den Mehrheiten die diesen Repräsentanten die Entscheidungsgewalt über diese Mittel zugestehen) entschieden - nein wir geben euch nichts - jedenfalls nicht mehr wie wir schon geben - auch hier werden Menschen zum Tode verurteilt und noch dazu ausnahmslos Unschuldige - wir sollten uns nichts vormachen, auch wenn wir das Beil nicht schwingen - ein bißchen Henker sind wir in unserer Gleichgültigkeit alle.

      Ich will damit nur sagen man sollte der Frage, ob der Todesstrafebefürworter nur dann maralisch überzeugend ist, wenn er auch die mentale Kraft aufbringt das Urteil zu vollstrecken, nicht allzu großes Gewicht geben.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 14:42:45
      Beitrag Nr. 75 ()
      eierdieb #73

      Du hast mich völlig falsch verstanden: Meine Frage, ob jemand selbst das Beil schwingen könnte, zielte einzig und allein darauf ab, jemandem klarzumachen, dass irgendjemand auch das Todesurteil vollstrecken muß. Wenn jemand dazu bereit ist, ein Todesurteil zu vollstrecken, geht der seinen Gedankengang "wenigstens" konsequent zu Ende. Begrüßen muß ich das noch lange nicht. Und über Moral habe ich meineserachtens hier auch nicht gesprochen.

      Ich könnte kein Todesurteil vollstrecken und habe mich auch aus diesem Grund (nicht nur, aber das war der erste Auslöser) von einem Befürworter zu einem Gegner der Todesstrafe gewandelt. Und meine Hoffnung ist, daß durch diese Frage auch ein paar andere Leute über diese Aspekte nachdenken.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 14:43:15
      Beitrag Nr. 76 ()
      @ ms

      Mal weg von Spielchen, hin zur Realität:

      1. Ein Onkel von mir starb vor wenigen Monaten mit 54, nachdem die
      Krankenkasse es zuvor abgelehnt hatte, die für ihn lebenswichtigen
      aber sehr teuren Medikamente weiter zu tragen. Er starb etwa 10 Wochen nach dieser Entscheidung.

      Niemand steht dafür ein, auch du und ich nicht, obwohl wir das System doch bewußt mittragen, oder?

      2. Mein Sohn wurde im Alter von sieben Jahren durch eine intraoperative
      Fehleinschätzung des Neurochirurgen schwerbehindert. Für uns
      ist es unmöglich offensichtlich zugegebene Irrtümer als Fehler zu beweisen,
      also steht er, der Operateur, nicht wirklich dafür ein.
      Auch du und ich nicht, obwohl wir das Rechtssystem zu verantworten haben, dass ein Einstehen doch regeln soll.

      Ich wüsste noch mehr solcher Beispiele, bitte versteh, was ich meine. Wir sind in einem Dilemma.
      Denn du und ich, aber auch alle Gegner der TS stehen schon seit unserer
      Mitgliedschaft in der Gesellschaft mittendrin,
      wir stehen dennoch vielfach nicht ein, könnten es auch nicht.
      Doch wir können uns auch nicht damit rausreden, es ginge uns nichts an.
      Dafür wissen wir beide, du und ich, viel zu viel.

      Deshalb dürfen wir zur TS aber sehr distanziert und sehr sachlich,
      ich nannte es intellektuell, nachdenken und diskutieren.
      Das führt eher zur Klarheit als die Alternative, meine ich.

      Und einstehen tun wir mal mehr mal weniger direkt,
      nur so wie es unseren Möglichkeiten entspricht.
      Das ist wohl auch gut so.

      KD
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 14:49:31
      Beitrag Nr. 77 ()
      Neemann #72

      Ich habe nirgendwo geschrieben, dass diese Entscheidungen aus deinen Beispielen weniger abgründig sind. Ich habe nur versucht, die Diskussion über eine gerichtlich zu entscheidende Todesstrafe nicht durch zu viele Seitaspekte zu verwässern. Will man alle Aspekte beleuchten, ufert die Diskussion komplett aus, und am Ende ist alles begründbar.

      kwerdenker hat geschrieben, ich würde vereinfachen. Wenn man aber eine Frage in allen Facetten beantworten will, ist man der Hamster im Laufrad, und ein Gedankenaustausch führt in den seltensten Fällen wirklich zu zielgerichteten Erkenntnissen. Insofern sollte man erst mal einen Teil ansehen und dann zum nächsten gehen.

      Ich stehe ansonsten gerne zu einer Diskussion über die anderen Gewissensentscheidungen bereit.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 14:52:50
      Beitrag Nr. 78 ()
      # 74

      sorry vielleicht habe ich tatsächlich etwas falsch verstanden - also streiche ich den letzen Satz von # 73 alles andere steht für sich selbst.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 14:53:28
      Beitrag Nr. 79 ()
      Nein, die Diskussion ufert nicht aus, sondern bleibt beim Kern: es gibt in vielfältigen Situationen Menschen, die über Tod und Leben zu entscheiden haben. Insofern vermag ich der Problematik, dass es auch bei der TS solche geben müsste, nicht als wesentliches Gegenargument anerkennen.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 15:04:32
      Beitrag Nr. 80 ()
      kwerdenker #75

      Genau dieses System trage ich gezwungenermaßen mit. Mir ist klar, dass es die absolute Gerechtigkeit nicht geben wird und geben kann, aber ich frage mich, ob der Bearbeiter einer Krankenkasse solche Entscheidungen wirklich treffen würde, wenn er ständig in einem Krankenhaus wäre und das Leiden der Leute sähe.

      Zu 2 kann ich dir nur mein absolutes Bedauern überbringen. Ich habe seit einer OP zum Beispiel eine teilweise taube Hand mit leicht eingeschränkter Funktionalität (natürlich nicht mal ansatzweise mit der Schädigung deines Sohnes zu vergleichen), und ich gebe zu, dass ich nicht geklagt habe aus Bequemlichkeit, diesen Weg auch nicht mal ansatzweise verfolgt habe. Ich habe aber heute noch die lapidare Antwort des Arztes zwischen Tür und Angel in den Ohren: "In ein paar Wochen wird das schon wieder." Und weg war er. Dieses Benehmen wurmt mich tierisch...

      Deswegen: Die rein intellektuelle Diskussion mag uns zu gewissen logischen Ergebnissen führen. Ich bezweifle allerdings, dass diese Ergebnisse in jeder Form die besseren für eine Gesellschaft sind. Denn sie verleugnen das, was uns Menschen nun mal in hohem Maße auszeichnet: Gefühle.

      Trotz unseres kleinen Disputs: Ich glaube nicht, dass wir beide so weit voneinander entfernt sind.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 15:07:57
      Beitrag Nr. 81 ()
      @ neemann

      So ist es.

      Ich konzediere gern, dass die Gegner mit solchen Argumenten häufig punkten konnten.
      Aber ist die Welt dadurch gerechter geworden? Wohl kaum.

      Das ist so ähnlich wie bei einem Politiker, der in blumigen Worten
      die Armut der Elenden beschreibt, um dann dazu aufzufordern, ihn zu wählen.
      Er sei doch so sozial.

      Anschließend steigt er in seine Dienstlimousine und geht zum Edelitaliener.
      Ist der sozial, deiner Stimme würdig?

      In Wirklichkeit hat er gar nicht argumentiert,
      sondern wie der Rattenfänger von Hameln die Menschen nur verzaubert.

      KD
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 15:07:58
      Beitrag Nr. 82 ()
      Neemann #78

      Entschuldige bitte, aber was möchtest du mit Insofern vermag ich der Problematik, dass es auch bei der TS solche geben müsste, nicht als wesentliches Gegenargument anerkennen sagen? Ich verstehe es wirklich nicht...
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 15:14:50
      Beitrag Nr. 83 ()
      Mausschubser,
      ich hatte dich so verstanden, dass Du als gegenargument zur TS anführen wolltest, dass es letztlich Menschen sind, die diese Entscheidug treffen müssen, die sie umsetzen müssen, die dafür geradestehen und für immer damit leben müssten.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 15:14:51
      Beitrag Nr. 84 ()
      @ ms

      nein, wir sind nicht weit auseinander.

      Erstens macht es mir Freude, mit dir zu diskutieren (während schon wieder die Arbeit liegen bleibt),
      und die ist offensichtlich nicht ganz einseitig.:)

      Zweitens stimmen wir überein:
      Wir haben Gefühle und sie sind sehr wichtig,
      sonst verlieren wir mehr, als wir vertragen könnten.

      Ich beachte sie (Gefühle) sehr gern,
      ich fürchte nur manchmal, dass sie in Diskussionen
      zu gerne instrumentalisiert werden.

      (Davon versteh ich auch noch etwas, das macht nicht nach Ansicht meiner Frau immer zum "Manipulateuer:cry: "))

      KD
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 15:22:52
      Beitrag Nr. 85 ()
      Nein, Neemann, da hast du mich falsch verstanden. Siehe auch #74.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 15:27:11
      Beitrag Nr. 86 ()
      OK, ich sehe den Punkt.
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 15:30:40
      Beitrag Nr. 87 ()
      sorry, der letzte Satz muß heißen:

      (Davon versteh ich auch noch etwas, das macht mich nach Ansicht meiner Frau immer zum "Manipulateur")
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 15:31:51
      Beitrag Nr. 88 ()
      Ich muß leider in ein Meeting, Leute.

      Trete später gerne wieder in die Diskussion ein. :)
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 15:32:18
      Beitrag Nr. 89 ()
      Die berühmte Kriegsfrage: Dafür oder dagegen? Jetzt nicht so simpel und auf den irak bezogen, aber beim Kosovo hatte ich schon eine ambivalente Position: Ethnische Säuberungen und massenmord verhindern? Aber ja! Die eigenen Söhne hinschicken? Nunnn.......... lieber hack ich mir die eigene Hand ab! Insofern hast Du freilich recht - wieviele der TS-Befürworter wären es noch, müssten sie selbst die Entscheidung treffen? Der Umstand, dass es so viele Todesurteile gibt, Gerichtsverfahren, nach denen 12 Geschworene mit vollem Bewußtsein der Konsequenz (?) ihr Urteil einstimmig fällten, spricht allerdings eine eigene Sprache. :(
      Avatar
      schrieb am 16.01.03 15:33:43
      Beitrag Nr. 90 ()
      Ach so, eierdieb #77

      Ohne den letzten Satz ist #73 leider leider eine traurige Wahrheit... :(
      Avatar
      schrieb am 17.01.03 09:17:10
      Beitrag Nr. 91 ()
      @ kwerdenker #75

      Ein Problem der Arzthaftung in deutschland ist, daß der gesetzgeber davon ausgeht, der Arzt muss stets wie eine perfekte Maschine arbeiten.

      Strafrechtlich ist JEDE ärztliche behandlung in deutschland a priori eine Körperverletzung.
      Erst durch eine wirksame Einwilligung entfällt derStraftatbestand.

      Das führt auch bei entschuldbaren Fehlbehandlungen (nobody ist perfect) zu einer automatischen Kriminalisierung.

      Hier ist seit JAhren Änderungsbedarf, weil nur die (grobe)fahrlässigkeit oder (bedingter) Vorsatz zu einer Strafe führen sollte.

      leider schafft es der gesetzgeber nicht, das auch auf den Weg zu bringen.

      So sehe sich viele Ärzte kriminalisiert und wehren sich. Im Übrigen müssen sie sich wehren - sonst verfällt wegen Anerkenntnis der Schuld die HAftpflichtdeckung.
      Also läuft das GAnze bei HAftpflichtansprüchen generell auf langjährige Auseinandersetzungen, selbst wenn der Arzt den Fehler eigentlich zugeben möchte.

      Eine perverse Situation für ALLE Beteiligten.

      Leider wird die Problematik noch zusätzlich dadurch verschärft, daß viele Patienten im Behandlungsvertrag leider eine Erfolgsgarantie sehen - und Ärzte mittlerweile mit unberechtigten Forderungen bei NICHTvorliegen eines Behandlungsfehlers überzogen werden.

      Andererseits ist es unerträglich, wie selbst bei klaren, an Vorsatz grenzenden Fahrlässigkeiten PAtienten viele, viele Jahre durch die Ausschöpfung der rechtsmittel auf die Entschädigung warten müssen. Jahre, die oft nicht menschenwürdig verlaufen für die Opfer und oftmals die letzten JAhre der Opfer sind.

      DAs ist keine Bewertung deiner traurigen Geschichte, sondern ein Versuch, die äusserst unbefriedigende Situation zu erklären.

      Soll auch nicht vom Thema ablenken, aber ich wollte das nur klarstellen.

      Hier der Link zum von rainer6767 erwähnten Thread:

      Thread: Die Todesstrafe und ihre Ausführung. Interview und Kommentar

      Übrigens, rainer:

      In den USA kann der Staatsanwalt nicht mehrfach anklagen, bis ein ihm genehmes Urteil fällt.

      Prominentestes Beispiel war der MOrdprozess gegen den US-Sportler, dessenm NAme mir nicht einfällt.

      Im gegensatz zu Deutschland kann bei späteren, klaren, neuen Beweisen keine Wiederaufnahme erfolgen.

      Einmal Freigesprochen, kannst Du nicht einmal neu angeklagt werden, wenn Du eindeutig der Mörder bist.
      Im Prinzip könntest Du das sogar nach dem Freispruch zugeben.

      Ein Wahrlich "lausiges Rechtssystem" , wie unsere Ex-BM Justiz sehr richtig sagte....
      Avatar
      schrieb am 17.01.03 10:03:32
      Beitrag Nr. 92 ()
      #90 OJ Simpson meinst du wohl, er im Zivilprozess auch verurteilt wurde. Ich frage mich diesbezüglich auch, ob die TS auch in umgekehrte Richtung wirkt: Man verurteilt einen (Prominenten) nicht als Geschworener, weil man angesichts der Drakonie der Strafe zurückschreckt.

      @DS, ist es nicht eher so, dass ein Staatsanwalt erst dann nicht wieder anklagen kann, wenn ein echter freispruch stattfand, wenn also die geschworenen einen Freispruch erwirkt haben? Ich denke, diskutiert wird hier eher über die Fälle, in denen es zu keinem urteil kam. Das bedeutet dann, dass ein erneutes Verfahren möglich ist.
      Avatar
      schrieb am 17.01.03 10:20:15
      Beitrag Nr. 93 ()
      @ deep thought

      Danke, sehr interessante Hinweise.

      Nicht das Thema hier, aber wen es interessiert:
      Wir persönlich (die Eltern) haben im Falle unseres Sohnes die Entscheidung getroffen,
      überhaupt keine rechtlichen Schritte einzuleiten.
      Die Überlegung dahinter war, dass die Konzentration all unserer Kräfte auf die Rehabilitation
      das größere Geschenk an die Psyche undf das Leben unseres Sohnes sein könnte.
      Wir haben ferner entschieden, dass er trotz seiner Behinderung nicht schon
      als Kind in die unsägliche Opferrolle hineingedrängt werden soll,
      aus der er womöglich (psychisch) nie mehr herauskommt.

      Die von Dir geschilderten Mängel des Rechtssystems, die zu erwartende Prozessdauer
      und der Stil einer möglichen Auseinandersetzung,
      waren natürlich der Hintergrund, vor dem wir diese Entscheidung getroffen haben.

      Im Ergebnis fehlt uns der materielle Schadensersatz,
      aber wir haben unseren Sohn aus dem Rollstuhl in das normale Leben zurückgeholt,
      eben in die Gesellschaft der "Normalen" wieder integriert.
      Insoweit glaube ich auch heute noch (7 Jahre später),
      richtig entschieden zu haben.
      Meine Äußerung hier im Thread (zm Thema Einstehen) entsprang also nicht irgendwelcher Bitterkeit o.ä.

      KD
      Avatar
      schrieb am 17.01.03 14:02:34
      Beitrag Nr. 94 ()
      aus der heutigen FAZ:

      Der nächste Staatstote

      Gift statt Gnade: Amerika streitet über die Todesstrafe


      SAN FRANCISCO, 16. Januar

      Selten ist ein amerikanischer Provinzpolitiker derart dramatisch aus dem Amt geschieden wie George Ryan, der Gouverneur von Illinois. Seine Entscheidung vom Wochenende, vier Todeskandidaten auf freien Fuß zu setzen und 167 weitere Todesurteile in langjährige Freiheitsstrafen umzuwandeln, verkündet nur achtundvierzig Stunden vor der Übergabe der Regierungsgeschäfte an seinen Nachfolger, hat Ryan zu internationalem Ruhm verholfen. Die bewegende Begründung des Gnadenaktes, die diese Zeitung am Mittwoch in Auszügen veröffentlicht hat, liest sich wie eine Anklageschrift gegen das willkürliche, rassistische und grausame System staatlichen Tötens, das in achtunddreißig amerikanischen Bundesstaaten noch immer Gesetz ist. Manche Kommentatoren wollen in Ryans spektakulärem Abschiedsgeschenk bereits den Anfang vom Ende der Todesstrafe in den Vereinigten Staaten sehen. Aber es wäre ein Irrtum zu glauben, das Ende sei nah. Viele Häftlinge werden noch sterben müssen, ehe Amerika von den Hinrichtungen abläßt - wenn es sich überhaupt je dazu durchringen wird.

      Einstweilen scheint es fast, als habe George Ryans einsamer Entschluß die Fronten in dem fatalen Streit um die Todesstrafe eher zementiert denn durcheinandergewirbelt. Natürlich wird der pensionierte Regierungschef, der als erklärter Befürworter des "capital punishment" sein Amt antrat, aber über die Jahre in immer tiefere Zweifel stürzte, nun von Hinrichtungsgegnern in aller Welt gefeiert. Die Leitartikler der liberalen Blätter priesen seinen Mut, auf eine Vielzahl schockierender Justizirrtümer und herbeigeprügelter Geständnisse mit einem kühnen Schritt zu antworten. Eine Kolumnistin schlug ihn gar für den Friedensnobelpreis vor. Sprecher des Europarats reagierten ebenso enthusiastisch auf die Räumung der Todeszellen von Illinois wie Amnesty International. Der mexikanische Präsident Fox ließ verbreiten, er habe Ryan angerufen, um ihm für seine "historische Entscheidung" zu danken - nicht zuletzt, weil drei der Begnadigten Mexikaner sind und einundfünfzig weitere in amerikanischen Todeszellen sitzen. Menschenrechtsgruppen in Washington hoffen auf einen "Wendepunkt" der Kampagne gegen die Todesstrafe, die bereits im vergangenen Sommer durch zwei Urteile des Supreme Court einigen Auftrieb erfahren hatte (F.A.Z. vom 26. Juni 2002). Doch wie weit diese Euphorie trägt, ist ungewiß. Die Anhänger der Todesstrafe reagierten jedenfalls mit einer Mischung aus Wut, Trotz und Ignoranz auf die erstaunlichen Neuigkeiten aus Illinois.

      Ryan, der keine Chance gehabt habe, wiedergewählt zu werden, habe sich ein juristisches Denkmal setzen wollen, lautet noch der harmloseste Vorwurf. Andere Kritiker munkeln, der scheidende Gouverneur habe mit seinem letzten Auftritt von einem Bestechungsskandal ablenken wollen, in den einige seiner engsten Mitarbeiter verwickelt sind und der auch ihn einzuholen drohe (F.A.Z. vom 13. Januar). Ein Polemiker der Zeitschrift "The National Review" spekulierte gar, Ryan habe sich für den Fall, wegen Korruption selbst in Haft zu kommen, einen "freundlichen Empfang" im Gefängnis sichern wollen. Weniger zynische Kritiker werfen Ryan vor, er verhöhne die Angehörigen der Opfer und habe sich über den mehrfach in Wahlen dokumentierten Willen der Bevölkerung hinweggesetzt, an der Todesstrafe festzuhalten. Und die Staatsanwälte von Illinois haben bereits angekündigt, die geräumten Todeszellen rasch wieder füllen zu wollen. Sie könnten die pauschale Strafmilderung zwar nicht ungeschehen machen, erklärte der Präsident des Verbandes der Staatsanwälte beinahe bockig. Aber niemand könne sie daran hindern, in Dutzenden anhängiger Mordprozesse wiederum die Todesstrafe zu beantragen.

      Auch Kaliforniens Gouverneur Gray Davis, ein moderater Liberaler, zeigte sich von dem spektakulären Akt seines Amtskollegen unbeeindruckt. Obwohl sein Bundesstaat wegen eines gewaltigen Haushaltsdefizits praktisch handlungsunfähig ist, hat Davis eben erst verkündet, er wolle im Staatsgefängnis San Quentin bei San Francisco für 220 Millionen Dollar einen neuen Todestrakt für tausend Insassen bauen lassen. Und in Texas, dem Bundesstaat, in dem Präsident Bush ehedem Gouverneur war, wurde gleich gar nicht geredet, sondern weiter nach Plan getötet. Als seien Ryans aufwühlende Worte nicht bis in den Südwesten vorgedrungen, wurde dort am Dienstag Samuel Gallamore mittels einer Giftinjektion hingerichtet, der erste Delinquent des Jahres 2003. Am Mittwoch starb John Baltazar, gleichfalls auf Kosten des texanischen Steuerzahlers. In den nächsten sechs Wochen sollen den beiden elf weitere Häftlinge folgen.

      Es sind freilich nicht nur die Befürworter der Todesstrafe, die Ryans Entscheidung ignorieren oder sich darüber empören. Auch manche Hinrichtungsgegner haben den durchaus pathetischen Gnadenakt kritisiert. Seiner grandiosen Symbolik zum Trotz könne er den Kampf gegen das "capital punishment" auf lange Sicht erschweren, behaupten sie: Ryan sei übermäßig großzügig gewesen. Daß er nicht nur Mördern das Leben geschenkt habe, deren Taten zweifelhaft seien, sondern auch solchen, deren Schuld außer Frage stehe, spiele den Verteidigern der Todesstrafe in die Hände. Bislang sei die aufkeimende Debatte von der erschreckenden Vorstellung bestimmt gewesen, ein Unschuldiger könnte hingerichtet werden, sagte Peter Roskam, Senator in Illinois. Ryans Entscheidung jedoch habe mit dieser Sorge nichts zu tun. Der Gouverneur habe vielmehr eingeräumt, ganz bewußt auch das Leben grausamer Killer geschont zu haben: Das werfe den Reformprozeß zurück. Statt sich mit den offensichtlichen Mängeln des Systems quälen zu müssen, könnten Ryans Kritiker nun darüber zetern, welch unverdiente Wohltat manche der Schlächter erfahren hätten.

      Tatsächlich geschieht eben das. Mit einer gewissen Lust am widerwärtigen Detail erinnern die Gegner des Gouverneurs an die Verbrechen, die einige der jetzt aus der Todeszelle Befreiten begangen haben. In einem Beitrag auf der erzkonservativen Meinungsseite des "Wall Street Journal" nannte ein Autor dieser Tage sogar die Namen der Täter und schilderte in aller Blutigkeit, was sie verbrochen haben: "Fangen wir an mit Fedell Caffey. 1999 erschoß er mit Hilfe seiner Freundin eine achtundzwanzig Jahre alte Schwangere, deren zehnjährige Tochter und den siebenjährigen Sohn. Und als sei das noch nicht entsetzlich genug, schnitten die beiden anschließend mit einer Schere das ungeborene Kind aus dem Leib seiner Mutter." Wie solche Monstren aus dem Todestrakt entlassen werden können, fragt der Kommentar. Haben sie, die selbst gnadenlos mordeten, nicht jede Gnade verwirkt?

      Solcherlei gezielte Emotionalisierung der ohnehin erhitzten Diskussion lenkt bewußt ab von den grausamen Fehlern, die im Umgang mit der Todesstrafe immer und immer wieder geschehen. Gegen das Entsetzen über die mögliche Hinrichtung Unschuldiger mobilisieren die Befürworter der Todesstrafe die Empörung über das Sterben der Mordopfer. Und bislang hatten sie damit bei der Mehrheit der Amerikaner noch immer Erfolg. Nicht einmal der Donnerhall aus Illinois dürfte daran so schnell etwas ändern. Mag auch die Zustimmung zur Todesstrafe in den letzten Jahren allen Meinungsumfragen zufolge langsam gesunken sein, mag sogar die Zahl der Hinrichtungen derzeit den niedrigsten Stand seit Jahren erreicht haben - am Prinzip des staatlichen Tötens wollen die Amerikaner recht eigentlich nichts ändern. Daß Gaskammer, elektrischer Stuhl und Giftspritze an sich inhuman, nutzlos und einer zivilisierten Nation unwürdig sein könnten - solcherlei "europäisches" Gedankengut ist der Mehrheit ganz fremd.

      Es ist nicht das geringste Verdienst von George Ryan, sich über diesen militanten Populismus hinweggesetzt zu haben. Er hat das Barbarische rundweg barbarisch genannt - und ihm für einen Moment ein Ende gemacht. Jeder amerikanische Politiker wird in Zukunft an dieser Courage zu messen sein.

      HEINRICH WEFING

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.01.2003, Nr. 14 / Seite 31
      Avatar
      schrieb am 20.01.03 08:22:30
      Beitrag Nr. 95 ()
      eure argumentationen drehen sich im kreis

      warum ist es schlimmer wenn jemand zu unrecht zu tode verurteilt wurde als wenn jemand jahrzentelang unschuldig im knast sass?

      etwa weil wir alle wissen das der knast keine wirklich harte strafe ist? denn die zeit kann man ja nicht mehr zurückdrehen.

      es muss alles getan werden um die wahrheit herauszufinden,notfalls gesetze erlassen

      um doppelt und dreifach zu forschen,aber dann kann es keinen zweifel geben,das das leben des mörders

      kein freies mehr sein kann,wir alle kennen nicht den willen des bzw der toten.klar ist eine wirklich lebenslange

      gefängnisstrafe sicher sinnvoller als die todesstrafe,aber ehrlich gesagt drehen sich bei mir hier in deutschland bei manchen urteilen sämtliche mägen um,

      15 jahre werden einem toten einfach nicht gerecht (jaja ich weiss,die durchschnittliche verweildauer liegt bei 17,5 jahren oder so bei mord,aber ich seh das so,wenn ein mörder sich nach der tat ein leben in der gesellschaft mit all seinen

      vorzügen zurückerkämpft,ist das gewalt pur,und zwar gewalt an dem bzw den opfern)
      Avatar
      schrieb am 20.01.03 15:04:47
      Beitrag Nr. 96 ()
      @all:

      Schöne Diskussion. Andere Meinungen werden respektiert, die Argumente abgewogen.
      Keiner (oder fast keiner) bezeichnet die Gegner der TS als naive Gutmenschen oder die Befürworter als unmoralische Subjekte.

      @D.T.: Ich weiß das mit dem Staatsanwalt. Ich hatte die Vermutung geäußert, dass die Regel in den USA eben so ist, damit der Staatsanwalt Dich nicht zig Mal vor Gericht zerren kann, bis er endlich eine Jury gefunden hat, die Dich verurteilt. Macht schon irgendwie Sinn, wenn ich es auch übertrieben finde. Da hast Du mich also missverstanden.

      Und zur Arzthaftung (obwohl das hier nicht das Thema ist): Da sollte man strafrechtliche Aspekte nicht mit zivilrechtlichen Aspekten vermischen. Ich stimme unbesehen Deiner Forderung zu, dass leichte Fahrlässigkeiten nicht sofort als Körperverletzung geahndet werden sollten, mit allen, auch berufsrechtlichen, Konsequenzen.

      Zivilrechtlich sieht das natürlich anders aus. Es ist vollkommen in Ordnung, dass Ärzte auch für leichte Fahrlässigkeiten in vollem Umfang haften.
      Avatar
      schrieb am 20.01.03 15:25:32
      Beitrag Nr. 97 ()
      Nachtrag:

      Meines Wissens ist die Wiederaufnahme eines Verfahrens gegen einen Freigesprochenen auch in Deutschland nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen zulässig.
      Das Auftauchen neuer Beweise gehört nicht dazu. Nur ein Geständnis des zuvor Freigesprochenen. Details siehe § 362 StPO.

      Insofern, Deep Thought, unterscheidet sich unser Rechtssystem von dem "lausigen" System der USA wohl wirklich nur dadurch, dass in den USA der Mörder nach seinem Freispruch sogar in aller Öffentlichkeit seine Schuld zugeben könnte. Aber wer ist schon so blöd?
      Avatar
      schrieb am 20.01.03 15:28:35
      Beitrag Nr. 98 ()
      @whitehawk #94

      Du sagst, dass die Rechtsprechung Mördern gegenüber hierzulande zu lasch ist. Da stimme ich Dir zu, viele Fälle scheinen da wirklich krass eine Schieflage zu zeigen. Insbesondere meineserachtens, wenn es dann auch um Wiederholungstäter geht, die "resozialisiert" werden (oder man überhaupt auf die Idee kommt, dies zu versuchen).

      Wie ich auch schon sagte, die Alternative zur Todesstrafe sollte auch kein angenehmer Aufenthalt mit leichter Bewegungseinschränkung sein, sondern richtig schöne belastende Knochenarbeit über Jahre. "Sühne für deine Tat ein Leben lang" finde ich deutlich angenehmer als "Aug` um Aug`". Für manche Mörder wäre der Tod viel zu einfach und zu schnell...

      Ansonsten gelten logischerweise weiterhin meine oben genannten Bedenken gegen die Todesstrafe.

      @Rainer6767 #95

      Ja, du hast Recht, diese Diskussion hebt sich trotz des Themas wohltuend von manchem Schlammcatchen hier bei W:O ab! :)
      Avatar
      schrieb am 20.01.03 15:55:03
      Beitrag Nr. 99 ()
      @Neemann #91:

      Der Fall O.J. Simpson lässt sich ohne den Fall des zuvor in Los Angeles von Polizisten zusammengeschlagenen Schwarzen nicht erklären. Ich komme jetzt nicht auf dessen Namen, aber Du erinnerst Dich sicher. Das war der Fall, der damals die unsäglichen Plündereien durch Schwarze ausgelöst hatte.

      Insofern ist O.J. Simpson nicht nur deswegen freigesprochen worden, weil er prominent war. Vor allem deswegen, weil er schwarz ist. So konnte in der damaligen aufgeheizten Stimmung die Verteidigung jeden Zeugen, jeden Beweis als rassistisch motiviert diskreditieren.
      Avatar
      schrieb am 21.01.03 08:13:44
      Beitrag Nr. 100 ()
      Speerspitze des Rechts?
      Auch deutsche Rechtsgelehrte erliegen zuweilen der Versuchung Todesstrafe / Von Gerhard Mauz

      RECHTSWEGE

      In Nordamerika ist wieder einmal ein Streit um die Todesstrafe ausgebrochen. Es gibt Bundesstaaten, in denen sie verhängt werden kann, auch wenn der Täter zur Tatzeit gerade 14 Jahre alt war. Und es gibt Bundesstaaten, in denen die Todesstrafe unzulässig ist und an ihre Stelle die lebenslange Freiheitsstrafe tritt. Die Staatsanwaltschaften sind deshalb bemüht, in Bundesstaaten anzuklagen, in denen die Todesstrafe zulässig ist.

      Die Todesstrafe ist nicht nur die Krönung des Strafsystems. Sie ist, es muss daran immer wieder erinnert werden, sie ist die Speerspitze. Und so tritt, wer gegen die Todesstrafe angeht, gegen die im Lauf der Jahrhunderte entstandene, geltende Methode an, die Todesstrafe in der Rechtsordnung zu verteidigen und durchzusetzen.

      Ende der 50er Jahre, Anfang der 60er Jahre erneut, ist in der Bundesrepublik Deutschland ungeachtet des sonst so pathetisch beschworenen, nahezu heiligen Grundgesetzes ernsthaft geprüft worden, ob es nicht nötig sei, die Todesstrafe wieder einzuführen, wenn auch vielleicht nur für bestimmte Taten. Die Protokolle dieser Diskussionen sind niederschmetternd. Rechtsgelehrte, die man namhaft zu nennen hat, traten für die Todesstrafe ein. Sie sprachen unumwunden davon, dass unser System des Strafens ohne die Krönung, die Speerspitze der Todesstrafe gefährdet sei, sich ausbluten und sich auflösen werde.

      Nicht die Unmenschlichkeit oder die Bosheit stehen hinter dem Beharren auf der Todesstrafe. Sie wird von denen verteidigt, die nur im Strafen etwas sehen können, was ihnen die Angst erträglich macht, die das Leben ihnen einflößt; die ihrer eigenen Not dadurch zu begegnen suchen.

      Der Kampf gegen das Verbrechen, gegen die anflutende Gewalt ist es, der einen Fuß breit Boden schafft, auf dem die Rechtdenkenden noch einig sein können, ja einig sein müssen, wenn sie nicht vom Verbrechen, diesem anstürmenden Ozean, verschlungen werden wollen.

      Der Verbrecher soll durch und durch ein Verbrecher sein. Dass er einer von uns ist, dass er sich nicht selbst durch seine Tat aus der Gesellschaft ausgeschlossen, sondern als Mitglied unserer Gesellschaft gehandelt hat, in ihr und aus ihr heraus – es darf nicht sein, denn wie soll man auch das noch verkraften. Gegen das unmissverständliche Verbrechen muss die äußerste Bestrafung möglich sein.

      Ach, die Todesstrafe lässt sich so leicht, so – billig verteidigen. Und dazu gehört eben auch der Verbrecher vom Scheitel bis zur Sohle

      Gerhard Mauz ist Autor des „Spiegel“. Foto: Dirk Reinartz

      Quelle: Tagesspiegel - online Meinung v. 20.1.03
      Avatar
      schrieb am 21.01.03 09:10:53
      Beitrag Nr. 101 ()
      @ rainer

      habe mal nachgeschaut ....

      Du scheinst recht zu haben, wie §362 StPO zeigt.. andererseits scheint die Wiederaufnahme nicht unmöglich zu sein, wie $373a StPO zeigt... aber ich bin kein Jurist mit entsprechendem Sachverstand.
      Ich denke, gerade aufgrund unserer Vergangenheit mit NS-Verbrechen und komplizierter Beweisführung dürfte sicherlich irgendwo zumindest letztinstanzlich eine "Sicherung" eingebaut sein, die die Wiederaufnahme bei schweren Verbrechen bei besserer Beweislage ermöglicht.
      Schließlich wurde ja auch irgendwann einmal (70er JAhre) die Verjährung des Mordes nach 30 Jahren einkassiert - Gottseidank!

      Mögen kompetentere User dazu evtl. dazu Stellung nehmen.
      ISt aber interessant, der Aspekt.


      ---------------------------------------------
      StPO § 361

      (1) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird weder durch die erfolgte Strafvollstreckung noch durch den Tod des Verurteilten ausgeschlossen.

      ---------------------------
      StPO § 362



      Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zuungunsten des Angeklagten ist zulässig,

      1. wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Gunsten als echt vorgebrachte
      Urkunde unecht oder verfälscht war;
      2. wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zugunsten des Angeklagten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat;
      3. wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat;
      4. wenn von dem Freigesprochenen vor Gericht oder außergerichtlich ein glaubwürdiges Geständnis der Straftat abgelegt wird.



      ---------------------------
      StPO § 364

      Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, der auf die Behauptung einer Straftat gegründet werden soll, ist nur dann zulässig, wenn wegen dieser Tat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Dies gilt nicht im Falle des § 359 Nr. 5.
      -----------------------------------------------
      StPO § 366


      (1) In dem Antrag müssen der gesetzliche Grund der Wiederaufnahme des Verfahrens sowie die Beweismittel angegeben werden.

      (2) Von dem Angeklagten und den in § 361 Abs. 2 bezeichneten Personen kann der Antrag nur mittels einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht werden.

      --------------------------------
      StPO § 370

      --------------------------------------------------------------------------------

      (1) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird ohne mündliche Verhandlung als unbegründet verworfen, wenn die darin aufgestellten Behauptungen keine genügende Bestätigung gefunden haben oder wenn in den Fällen des § 359 Nr. 1 und 2 oder des § 362 Nr. 1 und 2 nach Lage der Sache die Annahme ausgeschlossen ist, daß die in diesen Vorschriften bezeichnete Handlung auf die Entscheidung Einfluß gehabt hat.

      (2) Andernfalls ordnet das Gericht die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung an.

      -----------------------------------------------------

      StPO § 373a


      (1) Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftigen Strafbefehl abgeschlossenen Verfahrens zuungunsten des Verurteilten ist auch zulässig, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früheren Beweisen geeignet sind, die Verurteilung wegen eines Verbrechens zu begründen.

      (2) Im übrigen gelten für die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftigen Strafbefehl abgeschlossenen Verfahrens die §§ 359 bis 373 entsprechend.
      Avatar
      schrieb am 21.01.03 10:17:47
      Beitrag Nr. 102 ()
      @D.T.:

      Mag @xylophon dazu Stellung nehmen, was der Unterschied zwischen einem durch Strafbefehl und einem durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahren ist. Ich weiß es nicht. Die neuen Beweise führen jedoch, so weit ich das verstehe, nur dann zu einer Wiederaufnahme, wenn das Verfahren zuvor nicht durch ein Urteil abgeschlossen wurde.

      Ich muss gestehen, dass ich die Regelung in den USA auch immer für etwas blödsinnig gehalten habe, dabei aber davon ausgegangen bin, dass es bei uns anders ist. Dem scheint ja nicht so zu sein.
      Hab ich wieder was gelernt.
      Avatar
      schrieb am 21.01.03 14:11:16
      Beitrag Nr. 103 ()
      Übrigens war "Schlüsselbeweis" für die angebliche Unschuld O.J.Simpsons der "zu kleine" Handschuh, der er in einer brillianten Inszenierung durch seine Anwälte mit für den genauen Beobachter sichtbar gespreitzten Fingern versuchte anzuziehen ;)

      Zusätzlichbfrage ich mich nach dem Verstand des Staatsanwaltes, einen durch blut und Nässe steifen Lederhandschuh (die sind dann immer enger - jeder, der einmal einen klatschnassen Handschuh trocknete und dann versuchte, den EIGENEN trockenen Handschuh wieder anzuziehen, weiß das ) so durch einen Angeklagten anziehen zu lassen und sich über den Tisch ziehen zu lassen...

      da habe ich mich über die konzentrierte Dummheit in Gerichtssälen amüsiert... :D
      Avatar
      schrieb am 21.01.03 14:18:11
      Beitrag Nr. 104 ()
      @D.T.:

      ich denke, das ganze war abgekartet. O.J. Simpson musste freigesprochen werden, um damit die "Neutralität" des Justizsystems in Rassefragen zu beweisen. Weil eben kurz vorher die Polizisten freigesprochen worden waren, die den schwarzen Kriminellen in L.A. verprügelt hatten.
      Avatar
      schrieb am 21.01.03 14:37:44
      Beitrag Nr. 105 ()
      Das ist denkbar, wenn gleich es kein gutes Licht auf die unabhängigkeit der gerichte in den usa wirft...

      ..aber: gestern habe ich eine Dokumentation zu den "Memminger Hexenprozessen" im TV gesehen.

      Daß in deutschland soviel recht mit füssen getreten wurde und MAssenweise gerichtsverhandlungen zur Zerstörung von Lebensläufen und gezielter öffentlicher Demütigung von Menschen instrumentalisiert wurde ( es fehlte ja "nur" die Zweite unabhängige Meinung, daß eine soziale Indikation vorliegt, was jedoch in dem tiefschwarzen, bayrischen Provinznest praktisch unmöglich war) , hatte ich fast schon wieder vergessen.

      Eine schwarze Stunde der Justiz (sowohl was die Richterliche als auch was die Staatsanwaltschaftliche Seite anbelangt.

      DA fällt mir natürlich immer mehr an politischer Einflußnahme ein: Zum Beispiel die aufgrund unzulässiger Exekutionsmaßnahmen politischer Kreise (Kohl läßt grüßen) zerstörte Karriere des brillianten, aufklärenden Staatsanwaltes bei den Parteispenden in den 80ern...
      Avatar
      schrieb am 21.01.03 14:45:05
      Beitrag Nr. 106 ()
      Tja, Unabhängigkeit der Gerichte könnte es nur geben, wenn man die Richter in einer speziellen Zuchtanstalt aufzieht und sie dann zwischen den Verhandlungen bei Wasser und Brot von der Öffentlichkeit abschirmt.

      Richter sind eben auch Menschen, sie lesen Zeitung, sie haben eine wie auch immer geartete Erziehung und gesellschaftliche Prägung erfahren.

      Im konkreten Fall war allen Beteiligten klar, was bei einem Schuldspruch passieren würde. Die Schwarzen würden die Verurteilung eines zweifachen Mörders als neuen Anlass nehmen, eine Revolte auszurufen.

      Vielleicht sind Richter und Geschworene ja "unabhängig", aber "unbeeinflusst" sind sie sicherlich nicht.

      Man sehe sich nur die "segensreiche" Auswirkung der 68-er auf die heutige Rechtsprechung an.

      P.S.: In den USA dürfen Geschworene während eines Prozesses diesen Prozess in den Medien nicht verfolgen. Sie werden abgeschirmt, dürfen keine Zeitungen lesen etc. Eine an sich gute Sache, oder?
      Avatar
      schrieb am 21.01.03 15:03:02
      Beitrag Nr. 107 ()
      @ rainer

      An sich ja, aber nicht überprüfbar.Und ie meisten werden neugierig sein und natürlich lesen. Oder mit informierten Menschen reden.

      Trotz ursprünglich guter Ansätze (vor 200 jahren war das System der geschworenen sicherlich bei der ziemlich übersichtlichen Gesetzeslage prinzipiell einigermaßen stör-unanfällig,aber umso mehr rassistisch) halte ich heutzutage angesichts der komplizierten, selbst für Juristen kaum überschaubaren Gestzgebeung und tausenden zusätzlicher, verbindlicher höchstrichterlicher Urteile eine professionalisierung in der deutschen Art (mit Beisitzern) für das efektivste.

      Ich finde, wir können stolz auf unser Rechtssystem sein -bei allen pannen und zweifellos vorhandenen Schwächen.

      Zu den letzteren gehört die ebenfalls gestern im TV erneut zurecht angeprangerte skandalöse Schmerzensgeldpraxis.

      Eine Schrifstellerin heimlich beim Umziehen am Strand mit nacktem hintern fotographiert = 100.000 D; Schmerzensgeld, Monacos Prinzessin beim BETEN fotografiert = 150.000 EURO.

      Götz George beim Bottfahren den Unterschenkel schwer verletzt: 350.000 DM !

      Aber: Nicht Prominent, jedoch durch fremdverschulden beide Beine und einen Arm verloren: 60.000 Euro. :eek:

      Verlust eines 18-jährigen Kindes durch ein viehisches Abschlachten (sexualstraftäter) = 6.000 Euro.

      Brechen fast sämtlicher Knochen, ein jahr Intensivstation, verlust eines Auges, schwere Hirnschädigung. lebenslange berufsunfähigkeit: 90.000 Euro.

      Hier ist eine Änderung zur Wiederherstellung von Gerechtigkeit nötig. Die sog. "Gliedertaxe" ist abartig!
      Avatar
      schrieb am 21.01.03 15:11:51
      Beitrag Nr. 108 ()
      "Tja, Unabhängigkeit der Gerichte könnte es nur geben, wenn man die Richter in einer speziellen Zuchtanstalt aufzieht und sie dann zwischen den Verhandlungen bei Wasser und Brot von der Öffentlichkeit abschirmt."

      Naja.. klar ist auch ein Richter aus Fleisch und Blut...

      aber von mir als Arzt wird auch zu recht verlangt, daß ich einen NAzi genauso gut behandle wie andere Patienten - auch, wenn ich den NAzi innerlich verachte.

      Ich sehe Neutralität eher als zeichen von starker Professionalität, nicht als "ZUastzoption".

      Gerade Richter beeinflussen Lebensläufe und Schicksale derart massiv, daß strikte, hochprofessionelle Neutralität absolute VORAUSSETZUNG ist.

      Sonst sollte man den Job anderen überlassen und Anwalt, Justiziar, etc. werden.

      Bei Ärzten gibt es zur Überwindung dieser Probleme sog. Balint-Gruppen , die eine Art gegenseitige freiwillige Supervision darstellen. Ich finde, das sollte es auch für Richter geben.

      Sonst haben wir eher zunehmende tendenz zu so Typen wie Schill, der seine eher schrille Auslegung der Gesetze zur eigenen Inszenierung macht - auf kosten der armen Schweine, die zufällig an ihn gerieten.
      Jetzt als Innensenator ist da ja nicht besser... :eek:

      obwohl er langsam auf Echtgröße (Maulgröße minus 100% ) zusammenschrumpft, wie so viele, wenn sie zeigen müssen, was sie wirklich draufhaben.... :D
      Avatar
      schrieb am 21.01.03 15:13:40
      Beitrag Nr. 109 ()
      @D.T.:

      Unbestritten, dass das von deutschen Gerichten im Regelfall zugestandene Schmerzensgeld lächerlich niedrig ist.

      Aber Du musst zwischen Schmerzensgeld und Schadensersatz unterscheiden. Wenn mich jemand so zusammenschlägt, dass ich 4 Wochen nicht mehr arbeiten kann, werde ich das gleiche Schmerzensgeld bekommen wie ein Straßenkehrer.

      Der Schadensersatz wird hingegen weit auseinanderliegen. Und wenn Götz George 4 Wochen keinen Film drehen kann, eventuell gar ein Filmprojekt absagen muss, dann wird das eben teuer für den Täter.

      Die Sache mit den Geschworenen ist recht komplex. Das folgt direkt aus dem völlig unterschiedlichen Staatsverständnis der Amerikaner. Voluntarismus als Stichwort. Das hat den Vorteil, dass Urteile "Im Namen des Volkes" eben wirklich (zumindest weitgehend) im Namen des Volkes gesprochen werden. Anders als bei uns, wo sich Berufsrichter anmaßen, für das Volk zu urteilen, in Wirklichkeit aber im Staatssinne tätig sind.
      Der Nachteil des Geschworenensystems ist darin zu sehen, dass bspw. der in einem Volk vorhandene Rassismus weitgehend ungefiltert in die Rechtsprechung einfließt.

      Aber, abseits jeglicher moralischer Bewertung: Das ist dann eben auch im Namen des Volkes.
      Avatar
      schrieb am 21.01.03 15:24:30
      Beitrag Nr. 110 ()
      ist schon klar, aber die genannten Summen waren tatsächlich SCHMERZENSgeld und nicht Schadenersatz, das wurde in der Sendung deutlich betont.

      Und in den USA muss man einberechnen, daß die Summe IMMER BEIDES ist: Schmerzensgeld ist dort immer Schmerzensgeld UND Schadenersatz. Und dort werden die exorbitanten RA-Kosten auch gleich mit einberechnet in das Schmerzensgeld (was ja absurd ist: Die freie vereinbarung eines Honorars hat nix zu tun mit der festzustellenden Höhe der entschädigung, sondern ist das private Problem des Klägers - ebenso wie inDeutschland, wo höhere als BraGO-gebühren Dein "Privatvergnügen" sind - du aber für BraGO keinen TOP-Anwalt bekommst...

      kein wunder, daß in den USA jeder 40. Berufstätige RA ist.... :laugh:
      Avatar
      schrieb am 21.01.03 15:34:20
      Beitrag Nr. 111 ()
      "Vom Fahrer des Motorboots hatte George eine Million Mark Schadenersatz und 100.000 Schmerzensgeld gefordert. Wegen des Unfalls habe er Dreharbeiten für vier Kino- und TV-Filme absagen oder verschieben müssen. Dadurch seien ihm Einkommensverluste in Höhe von einer Million Mark entstanden.

      Am Montag einigten sich Georges Anwalt Michael von Sprenger und die Gegenpartei auf einen Vergleich: Ihm zufolge bekommt der Schauspieler seinen Netto- Verdienstausfall von 325.000 Mark ersetzt und erhält zusätzlich 80.000 Mark Schmerzensgeld."

      Fraglich, ob bei einem Urteil auch 80.000 Schmerzensgeld zugesprochen worden wären. Eher deutlich weniger. Dafür wäre wohl der Schadensersatz erheblich höher gewesen.
      Avatar
      schrieb am 21.01.03 15:57:55
      Beitrag Nr. 112 ()
      hmmm.... also in der Doku gsternhat man ganz sicher von rund 300.000DM Schmerzensgeld gesprochen... hmmm..

      Irgendwo hakt es da...


      Naja, aber da fällt mir noch ein gestriges Beispiel ein:

      Die Angehörigen des ICE-Zugunglückes in enschede (?) haben ganze 15.000 DM bekommen, bei scheinbar eindeutiger grober Fahrlässigkeit (Verfahren läuft ja noch) , teilweise für den verlust einer ganzen Familie....
      Avatar
      schrieb am 21.01.03 16:00:35
      Beitrag Nr. 113 ()
      Badeunfall-Prozess:
      405.000 Mark für Götz George

      Motorbootfahrer zahlt als Alleinschuldiger


      Das Landgericht München I hat dem Fernseh- und Kinostar Götz George am Montag 405.000 Mark Schadenersatz und Schmerzensgeld zugesprochen. Vor vier Jahren war der Schauspieler („Schimanski“) während seines Sardinien-Urlaubs von einer Schiffsschraube verletzt worden.


      Große Gesten vor dem Richterstuhl: Götz George bei der Verhandlung seines Badeunfall-Prozesses.


      "Ich hätte tot sein können", beschreibt George seinen Unfall am 30. Juli 1996. Plötzlich sei das Boot auf ihn zugeschossen. „Ich bin dann noch 50 Zentimeter unter die Wasseroberfläche getaucht, weil ich meinen Kopf retten wollte.“ Die Schiffsschraube zertrümmerte dem Star die linke Kniescheibe und schlitzte seinen linken Fuß der Länge nach auf.

      Vom Fahrer des Motorboots hatte George eine Million Mark Schadenersatz und 100.000 Schmerzensgeld gefordert. Wegen des Unfalls habe er Dreharbeiten für vier Kino- und TV-Filme absagen oder verschieben müssen. Dadurch seien ihm Einkommensverluste in Höhe von einer Million Mark entstanden.

      Am Montag einigten sich Georges Anwalt Michael von Sprenger und die Gegenpartei auf einen Vergleich: Ihm zufolge bekommt der Schauspieler seinen Netto- Verdienstausfall von 325.000 Mark ersetzt und erhält zusätzlich 80.000 Mark Schmerzensgeld.

      Der Fahrer des Motorboots war vor einem Jahr vom Oberlandesgericht München in zweiter Instanz verurteilt worden, den Verdienstausfall „zu 100 Prozent“ zu entschädigen. Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Entscheidung. Im neuen Prozess ging es nun um die konkrete Schadenersatzhöhe. Georges Anwalt: „Wir sind zufrieden mit dem Ergebnis.“

      Quellen: sueddeutsche.de/dpa/AP


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