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    Sozialismus zu zweit - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 26.01.03 18:45:24 von
    neuester Beitrag 12.02.03 16:04:03 von
    Beiträge: 13
    ID: 687.834
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      schrieb am 26.01.03 18:45:24
      Beitrag Nr. 1 ()
      Highway to hell

      Bekanntlich gibt es viele Wege zum Sozialismus. Einen davon beschreiten viele von uns, ohne sich dessen bewusst zu sein. Und eines Tages wachen wir als Sklaven auf und merken, dass wir am eigenen Leibe enteignet sind, dass wir materiell und psychisch mit einer anderen Person verflochten sind. Es geht um den Sozialismus zu zweit, den Bikollektivismus. Dazu gehören in der Regel zwei Menschen. Chemische Kampfstoffe wie Phenyläthylamine und Endorphine leiten die erste Phase des Prozesses ein: Mensch X und Mensch Y ziehen sich leiblich und geistig an und schätzen einander als Individuen. Sie haben den Eindruck, dass sie auf einer Wellenlänge sind, und es kommt zu körperlichen Fusionen. Einige Menschen lassen es dabei bewenden, doch bei den meisten wird durch den Wunsch, ein Kollektiv zu bilden, die nächste Phase eingeläutet: X und Y ziehen in eine Zweierkommune ein, und sie organisieren sich arbeitsteilig auf der Basis nicht verbalisierter freier Handelstätigkeit: Blumen gegen Zuspätkommen, Diamantring gegen das Gefühl, ein toller Hecht zu sein, Sex gegen romantisches Vorspiel. Es kann zum Beispiel auch sein, dass Y Experte im Müllrunterbringen ist, während X ein leckeres Eisbein zubereiten kann, oder dass Y weiß, wie man Geld heranschafft, die Stärke von X dagegen im Ausgeben von Geld liegt.

      Meistens haben in dieser Phase sowohl X als auch Y immer noch das Gefühl, auf ihre Kosten zu kommen. Daher tritt hier oft ein bestimmtes Phänomen auf: Um dem Wunsch zu entsprechen, dass dieser harmonische Zustand Bestand haben möge, schließen X und Y einen Vertrag. In diesem stellen sie ihre bislang freiwillig und aus vollem Herzen erbrachten Verhaltensweisen wie Treue, Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung auf eine rechtliche Grundlage. Dieser Vertrag sieht auch Sanktionen wie Enteignung im Falle einer Auflösung des Bikollektivs vor. Dass X und Y diesen Pauschalvertrag wählen müssen und sich nicht für einen individuellen Vertrag entscheiden dürfen, liegt an den strengen Vorgaben von Suprakollektiva wie Kirche und Staat, welche die Kontrolle über alle Bikollektiva anstreben. Dies hat unter anderem folgenden Grund: Stabile Bikollektiva neigen dazu, vermittels der erwähnten Körperfusion neue Kollektivmitglieder zu erzeugen, die wiederum die Zwangsabgabenzahler von morgen sind. Durch ihre Bikollektiv-Politik erhalten sich Staat und Kirche den sie nährenden Tropf. Doch das ist X und Y meistens egal. Sie sehen ihren Pauschalvertrag als Liebesbeweis und werden von den Suprakollektiva zudem noch mit einer geringeren Enteignung belohnt.

      Doch spätestens dieser Pauschalvertrag setzt bei vielen Bikollektiva die dritte Phase in Gang: Der Handel zwischen X und Y wird von ihnen zunehmend nicht mehr als freiwillig erbrachte Leistung auf einem freien Markt, sondern als Pflicht aufgefasst. Es wird vor allem darauf geachtet, ob der Partner seine Pflichten erfüllt und ob einem selbst Recht geschieht. Mehr und mehr macht sich ein Gleichheitsanspruch breit, der darauf abzielt, aus den Individuen X und Y ein Duo-Kartell zu formen. So kann es sein, dass Y es gewohnt ist, einmal pro Woche das Bad zu putzen, während das Hygienebedürfnis von Y allenfalls ein monatliches Reinemachen erfordert. Aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit fordert X nun von Y, dass er den Nasszellenputz jede zweite Woche übernimmt und hat dabei den Grundsatz „gleiche Rechte, gleiche Pflichten“ im Hinterkopf. Durch diesen Sozialismus im Duett schleicht sich ein Unbehagen in das Bikollektiv ein, das dazu führt, dass X und Y ihre Leistungen gegeneinander aufrechnen, aber sich immer mehr als zu kurz gekommen dünken, und das erst recht, wenn die Wirkung der chemischen Kampfstoffe nachlässt. Je komplexer das Kollektiv wird, etwa durch Nachwuchs, umso größer kann das unbehagliche Gefühl werden, Nettoverlierer zu sein. Beide fühlen sich in einer Art Zwangsmarkt gefangen, bei dem es nur Umverteilungsopfer gibt, ein Markt, in dem die unsichtbare Hand zur schallenden Ohrfeige wird. X und Y sind so miteinander verstrickt, dass Revolution oder Separatismus erhebliche psychische und materielle Schäden mit sich bringen würden. Daher ziehen es viele Bikollektiva vor, weiterzugehen auf dem Weg zur dualen Knechtschaft.


      Aus "eigentümlich frei" Nr. 31 von David Schah
      http://www.eifrei.de
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      schrieb am 26.01.03 19:45:00
      Beitrag Nr. 2 ()
      Na dann lob ich mir doch eine diesbezügliche Diktatur. Denn merke: Früher hat ein Mann die Frau einfach aufs Nachtlager gezerrt. Heute will die moderne Frau ernsthaft diskuttieren, als Persönlichkeit akzeptiert und nach Inneren Werten beurteilt werden. Dann will sie aufs Nachtlager gezerrt werden!
      Avatar
      schrieb am 26.01.03 19:57:26
      Beitrag Nr. 3 ()
      viel Spaß bei deiner artfremden Individual-liberalität! :p


      :D
      Avatar
      schrieb am 27.01.03 10:35:57
      Beitrag Nr. 4 ()
      Nicht alle Beziehungen führen zur beiderseitigen Knechtschaft, aber die meisten.
      Es gibt zwei Auswege:

      1) Es gibt nur eine Knechtin und der andere ist der Dominus, also Sado-Maso, wenn`s beiden gefällt

      2) Beide akzeptieren sich als Individuen und regeln alles per Handel und Tausch wie auf einem freien Markt

      Ich praktiziere seit 5 Jahren erfolgreich die zweite Variante.
      Avatar
      schrieb am 27.01.03 14:40:35
      Beitrag Nr. 5 ()
      #1 "die unsichtbare Hand", die "zur schallenden Ohrfeige wird", ... :laugh:

      #4 Was machst Du, wenn sich mal die "Terms of Trade" ändern?
      Z. B. Daß Du nicht mehr genug bieten kannst, um Deine Wünsche eintauschen zu können.

      Oder wie in der freien Marktwirtschaft (offenes System, funktionierender Wettbewerbsmechanismus) durchaus üblich, jemand anderer mehr für die (bisher) Deinige bietet, und sie natürlich auch nicht blöd ist?

      In sofern hat eine vertraglich fixierte Bikollektiv-Regelung doch sicher auch seine Vorteile, oder?

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      schrieb am 27.01.03 15:30:24
      Beitrag Nr. 6 ()
      Hallo König v.A.,

      wenn natürlich der chemische Kitt nachlässt, dann ist das protektionistische Bikollektiv anfällig für Marktöffnungen gegenüber dritten oder halt auch für Separatismus und völligem Handelsboykott.

      Aber als Zwischenlösung wäre ja eine menage à trois möglich. Oder auch à quatre und mehr ...
      Avatar
      schrieb am 27.01.03 15:44:29
      Beitrag Nr. 7 ()
      @Parkettschleifer,

      Das wird dann aber kompliziert. Je mehr da mitmischen, desto komplexer die Anzahl der Handels- und Austausch-Beziehungen. Und alle Kollektivpartner noch mit vielfältigen unterschiedlichen Wünschen und Bedürfnissen und Angebotsfuntkionen. Da kkommt dann bei vier Personen schon mancher Wirtschaftsprofessor ins Schleudern.

      Wenn z. B. 2 (der vier) Leute gerne Müll raustragen, dann könnten dadurch leicht Überkapazitäten entstehen. Der Preis für diese Leistung würde extrem sinken, die dafür zu erhaltende Gegenleistung für diese beiden extrem teuer werden (Terms of Trade-Problematik), es könnte auch Verdrängungswettbewerbe geben, unerlaubte Preisabsprachen, Dumping-Versuche, etc.
      Das Tauschoptimimum wird dann immer komplizierter herzustellen. Das wußte auch schon der alte Pareto, deshalb hat er sich ja auch auf das klassische 2-Güter, und 2- Faktoren-Modell beschränkt. ;)
      Avatar
      schrieb am 27.01.03 16:29:02
      Beitrag Nr. 8 ()
      Hast natürlich recht, an den komplexen Handelsbeziehungen innerhalb einer menage à quatre ist schon so manche WG gescheitert.

      Da ist es wirklich einfacher, man handelt einmal einen Vertrag aus, an den sich alle halten und bei Zuwiderhandlungen Sanktionen akzeptieren. Aber derartige Verträge sind ja auch Produkte freier Handelstätigkeit auf einem freien Markt. Natürlich sollte immer ein Austrittsrecht gewahrt bleiben. Kein Kollektivmitglied, ob bi oder tri oder quatro, sollte etwas unter Zwang tun, sondern höchstens aus selbstaufgelegter Verpflichtung heraus

      Und wenn zwei Leute gerne den Müll runterbringen, dann kann man sich auch hier einigen, etwas auf das Sisyphos-Prinzip (den gleichen Müll zweimal runterbringen) oder man lost aus.
      Avatar
      schrieb am 27.01.03 17:43:24
      Beitrag Nr. 9 ()
      @parkettschleifer,
      Na siehste, wie kompliziert dat ganze schon wird, sagt sich so leicht, "ja dann mach ik halt ne menage a quatre und so..."

      Und jetzt? Jetzt siehst Du, daß du schon Verträge brauchst und Sanktionen bei Zuwiderhandlungen. Also brauchst Du bei vier Personen schon einen "Staat". Denn Du brauchst ja jemand, der die Sanktionen bei Zuwiderhandlung verhängt (Gericht) und jemand, der die Sanktionen durchführt (Henker oder in minder schweren Fällen Kerkermeister oder Geldeintreiber). Wenn Du auch noch Revisionsverfahren zuläßt, brauchst Du auch noch jede Menge Anwälte und je nach Revisionsweg auch noch Dolmetscher ... etc.

      Da kommt mir eine Klosterzelle doch viel einfacher vor.
      Avatar
      schrieb am 27.01.03 22:58:16
      Beitrag Nr. 10 ()
      @ König von Atlantis

      schon bei 2-4 Personen nach dem starken Staat zu rufen, erscheint mir etwas gewagt. Wer von den vieren soll denn den Staat spielen? Warum können die das denn nicht untereinander regeln, so wie es in vielen WGs, Ehen oder abgelegenen Weilern auch bestens funktioniert, wo im Falle von Interessenkonflikten letzte Entscheidungen entweder demokratisch (Mehrheitsprinzip) oder durch eine von allen anerkannte Autoritätsperson getroffen werden?

      Bei komplexeren Gebilden ist ein Rechtssystem, das Rechtseinheit für alle gewährleistet und durchsetzt, natürlich unheimlich praktisch. Ein solches Rechtssystem muss aber nicht unbedingt einen allmächtigen Staat voraussetzen. Ich persönlich halte in der heutigen Zeit zwar einen schlanken Minimalstaat für unausweichlich, bin aber dagegen, dass dieser in alle Belange der Bürger eingreift und deren Freiheit einschränkt, nur weil eine Mehrheit dies so will.

      Natürlich lässt sich darüber trefflich streiten und ewig diskutieren, aber worauf ich auch nur hinauswollte, dass ein Staat für kleine unabhängige Gruppen, die sich freiwillig zu Kollektiven zusammentun, viel mehr Nach- als Vorteile bringt.
      Avatar
      schrieb am 28.01.03 13:41:38
      Beitrag Nr. 11 ()
      Hallo Ludwig,
      Nicht alles ernst nehmen, was ich schreibe. ;)

      War schon interessant, wie schnell man selsbt bei einem solchen launigen Thema, auf eine Diskussion der ökomischen und politischen Grundprinzien kommt. Den "Staat" sah ich sofort, als Parkettschleifer die Verträge mit "Sanktionen bei Zuwiderhandlungen" sah.

      Hier sehe ich in der Tat ein Grundproblem der freien Verhandlungswirtschaft. Wenn nicht gleichzeitig wirksame Sanktionsmechanismen institutionalisiert werden, funktionieren die besten Abpsrachen (auch in kleinen Gruppen) nicht. Häufig ist es ja bei Verträgen, Absprachen etc. von Gruppen so, daß jeder Einzelne einen Vorteil hätte, wenn er sich Vertragsbrüchig verhalten würde, aber die übrigen den Vertrag einhalten würden.
      Hat die Gruppe nicht ausreichend Sanktionsmittel, gegen den einzelnen Abweichler, ist bald die ganze Vertragsgemeinschaft gefährdet. Jeder würde jetzt ebenfalls versuchen, zu Lasten der übrigen auszubrechen, damit wäre diese Absprache gescheitert.
      Avatar
      schrieb am 07.02.03 14:32:10
      Beitrag Nr. 12 ()
      @König

      sorry für meine verspätete Antwort! Okay, ich habe geschnallt, dass dein Ruf nach dem Dreier- und Viererstaat nicht ernst gemeint war ;-)

      Aber die wirksamste Sanktion ist doch, dass einer, der sich vertragswidrig verhält, in Zukunft in der Regel von den anderen gemieden wird und viel skeptischer beäugt wird. Daher entstehen dem Vertragsbrecher gravierende Nachteile. Und die meisten haben wohl auch die ethische Grundlage, dass man andere nicht schädigen sollte. Bei Clan-Gesellschaften funktioniert diese soziale Kontrolle ganz gut. Bei größeren Gesellschaften ist natürlich eine Instanz vonnöten, die gezielte Schädigungen sanktioniert. Aber diese Instanz sollte von allen Bürgern kontrolliert und die juristischen Inhalte mitbestimmt werden. Denkbar bei Geschäften sind auch private Instanzen, auf die man sich vorher geeinigt hat. Ein Privatgericht, das sich zu viele Fehlurteile erlaubt, wird sehr schnell vom Markt verschwinden.
      Avatar
      schrieb am 12.02.03 16:04:03
      Beitrag Nr. 13 ()
      Wirklich das übelste was ich je an Board gelesen habe!


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