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    Kriegsberichterstattung: Pannen, Fehlgriffe, Manipulationen - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 27.03.03 22:12:11 von
    neuester Beitrag 28.03.03 09:19:16 von
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      schrieb am 27.03.03 22:12:11
      Beitrag Nr. 1 ()


      Screenshot des NBC-Reporter Don Teague, der während eines live-Berichts eine Gasmaske trägt
      Foto: ddp

      "Genau wissen wir es auch nicht"
      27.03.2003

      Unübersichtlichkeit mögen sie nicht im Fernsehen. Dabei häufen sich in der Kriegsberichterstattung Pannen, Fehlgriffe, Manipulationen

      Man kann es so machen wie Harald Schmidt: "Bagdad, 8.30 Uhr morgens. Die Frisur sitzt." So kommentiert er seine Favoritin unter den Kriegsreportern, die RTL-Korrespondentin Antonia Rados in Bagdad. Indem Schmidt einen Korrespondenten-Contest durchführt, er Kleidung, Sprache und gewählten Hintergrund der "Schalten" ebenso willkürlich wie treffend bewertet - "Die Moschee da könnte auch in Duisburg stehen" - lacht er so manche Unzulänglichkeit in der deutschen Berichterstattung einfach weg.

      Dabei häufen sich Pannen, Fehlgriffe und Manipulationen. Zum einen, so scheint es, gehen den Fernsehredaktionen langsam die Bilder aus. Nach der Bilderflut vom alliierten Vormarsch der ersten Tage, haben sich die Motive reduziert. Da muss man dann schon einmal in die Trickkiste greifen, wie etwa RTL dies tut. Am Mittwochabend berichtet man dort über Kämpfe um Nadjaf, zeigt in Reihe feuernde Haubitzen. Der Redakteur hätte wohl gerne noch die Einschläge gezeigt - die gibt es aber nicht. Flugs wird eine Bildsequenz vom Vortag genommen: ein irakischer Panzer fliegt in die Luft. Dass er dies nur tut, weil britische Pioniere ihn gezielt sprengen, wird verschwiegen - zu schön ist der Zusammenschnitt des simulierten "Treffers".

      Zuweilen scheint es, als herrsche in den Redaktionen eine panische Angst davor, allzu amerikafreundlich daherzukommen. Dabei besteht bei ARD und ZDF diese Gefahr der "fröhlichen Kriegsberichterstattung" (so nennt es das ARD-Morgenmagazin) kaum, sind sie doch nicht mit "eingebetteten" Reportern vorne bei dem Vormarsch dabei, sondern auf Berichte aus Bagdad, Amman und Kuwait angewiesen. Allerdings unterlaufen auch in Köln, Hamburg und Berlin Fehler: mehrfach werden erkennbar britische Einheiten als US-Soldaten bezeichnet. Ein und dasselbe Gebäude soll mal in Basra, mal in Nasirija, mal in Umm Qasr stehen.

      Die "embeds" mag man nicht in öffentlich-rechtlichen Gefilden. Der Nahost-erfahrene ZDF-Journalist Ulrich Kienzle bezeichnet sie im "Stern-tv" als "Info-Kombattanten". Dass es solche auch woanders geben kann, berichtet Kienzles Kollege Peter Brinkmann, der sich an den ersten Golfkrieg erinnert. Damals sollte er, von der irakischen Führung angeleitet, tote Zivilisten filmen. Und nur diese - "die Flakstellung stand zehn Meter dahinter".

      Im Videotext des ORB hat da die massive irakische Truppenbewegung, von der Nachrichtenagenturen seit Stunde berichten, noch nicht einmal angefangen. In den "Tagesthemen" kommen sie immerhin zur Hälfte vor. Auf n-tv wundert sich der Moderator, der Krieg sei "etwas unübersichtlich geworden". Unübersichtlichkeit jedoch mögen sie nicht im Fernsehen. Also wird alles ein wenig übersichtlicher gemacht. Etwa, wenn "Heute Journal"-Moderator Claus Kleber über US-Präsidentschaftsberater Richard Perle spricht: "Je weiter weg von der Front, desto größer die Klappe."

      Kritisch will man sein in deutschen TV-Studios - und kommentiert doch immer nur die gleichen Bilder mit dem gleichen hilflosen "genau wissen wir es auch nicht". Positiv fällt da etwa in den Tagesthemen Christoph Maria Fröhder aus der Rolle: er beschreibt detailliert aus Bagdad, wie das irakische Informationsministerium die Journalisten "in Bussen durch die Stadt karrt", zu exakt bestimmten Motiven. "Die Zügel gegenüber Medien wurden angezogen", berichtet Fröhder. "Wir wissen manchmal kaum, wo wir sind." Fröhder hat als einer der wenigen den Mut, mit solcher Ehrlichkeit auch seine eigene Arbeit infrage zu stellen.

      Auch dann, wenn es authentisches Filmmaterial gibt, passieren Dinge, die man auch als Manipulation bezeichnen könnte. Beispiel n-tv, Mittwochabend, 23.34 Uhr: Gesendet werden Ausschnitte der Rede George W. Bushs vor Soldaten in Florida. Er spricht vom "doomed regime" in Bagdad, also von einem Regime, über das ein Urteil bereits gefällt ist. Im Off-Ton bei n-tv wird daraus ein "Teufelsregime". Wem nützt es, wenn die Kriegsrhetorik der Amerikaner ins Irrsinnige gesteigert wird? Ähnlich subtil eine feine Manipulation im ZDF-Heute Journal vom Sonntag: Dort wird eine Pressekonferenz des US-Generals John Abizaid wörtlich übersetzt. Als er sagt, es habe bisher zehn Tote und zwölf Vermisste gegeben, fügt die Übersetzerstimme aus dem Off ein: "Andere Quellen behaupten weit höhere Zahlen." Dann geht es weiter mit der Übersetzung.

      Dabei gehen den kritischen Analytikern in Deutschland die groben Auffälligkeiten der Kriegspropaganda zuweilen durchs Netz. So fällt auf, dass Verletzte in Bagdad fast immer in einem Krankenzimmer gefilmt werden, an dessen Wand ein blauer Vorhang mit gelben Applikationen zu sehen ist. Vor genau einem solchen Vorhang hat auch Saddam Hussein jene Ansprache gehalten, die am ersten Kriegstag verbreitet wurde. Zufall?

      Was bedeutet, dass Iraks "Informationsminister" Mohammed Said al-Sahaf am Mittwochvormittag verkündet, die Hafenstadt Umm Qasr sei überhaupt nicht von Alliierten erobert. Sie hielten nur einen Teil des Hafens, nämlich "Dock 10". Eine präzise Behauptung, relativ leicht zu belegen oder zu widerlegen, dabei von zentraler Bedeutung für die Beurteilung der militärischen Lage. Niemand jedoch überprüft das.

      Mitunter wird es auch obszön. Bei Johannes B. Kerner berichtet das Ehepaar Jens aus Tübingen, dass es während des ersten Golfkriegs einmal nicht mit Rhetorik und Weltrettung befasst war, sondern zwei US-Deserteure versteckte. "Beati pacifici", sagt der Professor. Seine Frau verweist auf Anna Seghers` Roman "Das siebte Kreuz". Darin werden sieben KZ-Flüchtlinge von Deutschen aufgenommen. Jens sieht seine Tat allen Ernstes in dieser Tradition und erinnert an "jene, die in dunklen Zeiten aufgestanden sind".

      Im ARD-"Morgenmagazin", dessen Moderatoren das Unwohlsein angesichts des Krieges ins Gesicht geschrieben steht, unterlaufen echte Schnitzer. Da verkündet der Moderator am Mittwoch mit bebender Stimme, dass "immer mehr islamische Staaten zum Djihad aufrufen" - eine echte Exklusivmeldung.

      Täglich wird ein "Tagebuch aus Bagdad" verlesen, das ebenso packend wie schmal in der Perspektive ist. Schlüsselwörter wie "Angst" oder "getötet" werden in der Bildercollage, die den gelesenen Text unterlegt, bildschirmgroß gezeigt. ARD-Korrespondent Stephan Kloss berichtet zuerst per Telefon, dass Bagdad "wie ausgestorben" und "leer" sei. Dreißig Minuten später kommt eine Bildleitung zustande. Kloss steht auf einer belebten Straßenkreuzung, Menschen laufen hinter ihm, zahlreiche Autos fahren hupend durchs Bild. Wahrscheinlich ist es so, wie Claus Kleber am Dienstag sagte: "Wir dürfen nicht aufhören, genau hinzuschauen."

      Quelle: http://www.welt.de/data/2003/03/28/59275.html?s=1

      Weitere internationale Nachrichtenseiten: http://www.News-Pool.com
      .
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      schrieb am 28.03.03 09:19:16
      Beitrag Nr. 2 ()


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