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    doch ein bisschen Öl für Blut? - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 14.04.03 01:14:57 von
    neuester Beitrag 19.05.03 19:39:17 von
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      schrieb am 14.04.03 01:14:57
      Beitrag Nr. 1 ()
      13. Apr, 2003 20:17 MEZ  
      Reportage aus Bagdad: Nur das Ölministerium brennt nicht
      Bagdad brennt, die Stadt ist in der Hand von Banditen - Die Bevölkerung gibt den USA die Schuld

      Bagdad brennt. Die Gebäude, die die Macht Saddam Husseins symbolisieren, werden geplündert und angezündet. Die Stadt ist in der Hand von Banditen, und viele Bewohner geben den Amerikanern die Schuld. Sie wollen Ruhe und Ordnung zurück.

      Åsne Seierstad aus Bagdad
       
      "Das wäre unter Saddam nie möglich gewesen", sagt Samah. Sie hat ein Sofa und ein paar durchgesessene Sessel auf einen Karren gepackt, den sie zusammen mit ihren Söhnen vor sich her schiebt. Sie wirken fröhlich und erwartungsvoll. Aber trotz ihres Fanges meint Samah, dass früher alles besser gewesen sei.

      "Jetzt herrscht das Chaos. Wir haben Angst. Nachts sind Banden unterwegs und saufen, stehlen und plündern. Es wäre besser gewesen, Saddam Hussein den Thron behalten zu lassen. Er wusste, wie man das Land kontrolliert. Er war ein starker Führer", sagt Samah, die kein schlechtes Gewissen hat, weil sie sich mit ihren Söhnen an den Plünderungen beteiligt. "Wir holen uns nur zurück, was uns gehört. Die ganzen Bürokraten hatten es uns weggenommen."

      Die Couchgarnitur hat sie sich im Büro der "Friedens-und Freundschaftsvereinigung" geholt, der Organisation, die sowohl die menschlichen Schutzschilde als auch die Ankunft der Mudjahedin in Bagdad organisierte. Samah unterscheidet zwischen Saddam, den sie für einen guten Mann hält, und dessen Bürokraten, die sie als Diebesgesindel bezeichnet: "Sie haben uns das Öl gestohlen."

      "Ich weiß, warum die Amerikaner dieses Chaos zulassen", sagt Khaldoun Khairi al-Bazerkan, der Arzt in einem der Krankenhäuser von Bagdad ist. "Sie wollen, dass alles zusammenbricht, alle Ministerien und die gesamte Verwaltung. So allmählich werden die Leute um Hilfe rufen und sich mit allem einverstanden erklären, nur damit wieder für Ruhe und Ordnung gesorgt wird. Sie werden den Irak besetzen, es wird wie in Palästina. Und nächstes Mal gibt es dann Aufruhr und Intifada", meint er.

      "Ist ihnen aufgefallen, dass nur ein Ministerium nicht brennt? Nur über ein Ministerium haben die Amerikaner die Kontrolle übernommen. Die anderen haben sie plündern und anzünden lassen. Und in welchem Ministerium sitzen sie? Im Erdölministerium!", beantwortet er selbst seine Frage. "Gehen sie nachsehen. Da stehen sie, ein US-Soldat aufgereiht neben dem anderen. Das ist fast schon überdeutlich. Wir wissen doch alle, dass sie nur wegen unseres Öls hier sind."

      Immer mehr Bewohner Bagdads glauben, dass die Amerikaner etwas mit dem Chaos bezwecken, dass sie es verhindern könnten, aber dass sie das nicht wollen. Sie sind aufgebracht, und im Unterschied zu früher sagen sie jetzt auch ihre Meinung.

      Aber die Amerikaner sehen die Situation anders. "Das ist absolut außerhalb unseres Mandats, Recht und Ordnung wiederherzustellen", sagt ein Offizier der US-Marines. "Insbesondere nicht jetzt. Der Krieg ist noch nicht gewonnen. Meine Leute haben das Töten gelernt, nicht, sich mit Kleinkriminellen abzugeben und den Verkehr zu regeln."

      Die Amerikaner stehen vor einem Dilemma. Wenn sie weitere Straßensperren aufbauen und wieder für Recht und Ordnung sorgen, wird man ihnen vorhalten, sie würden versuchen, das Land zu besetzen, und das würde sie nur noch unbeliebter machen.
      (DER STANDARD, Printausgabe, 14.4.2003)
      http://derstandard.at/?id=1270311
      Avatar
      schrieb am 14.04.03 01:17:51
      Beitrag Nr. 2 ()
      Doch ein bisschen Öl für Blut?

      Florian Rötzer   12.04.2003

      Zunächst einmal will die US-Regierung das irakische Öl zur Finanzierung des profitablen Wiederaufbaus des eroberten Irak verwenden und dazu eine Organisation gründen, die die irakische Ölindustrie kontrolliert

      Das Ende des Saddam-Regimes wurde inzwischen von Ari Fleischer erklärt. Während Chaos nach dem Wegtauchen der Autoritäten des irakischen Regimes in den befreiten Gebieten zu herrschen scheint und jeder sich nimmt, was er kriegen kann, überlegt [1] man in der amerikanischen Regierung mehr oder weniger laut, was nach der Befreiung mit dem irakischen Öl geschehen soll.


      "No blood for oil" war einer der Slogans der Kriegsgegner. Das leuchtete auch schon angesichts der tiefen persönlichen Verstrickungen vieler Mitglieder der Bush-Regierung ein, auch wenn der Krieg keineswegs allein als Griff nach den reichen Öl-Ressourcen des Landes verstanden werden kann. Viele Motive spielen hier herein, zumal die gesamte Region seit langem schon ein Brennpunkt der amerikanischen Politik ist.

      Man kennt sich schon lange

      Soeben berichtete [2] beispielsweise die Nachrichtenagentur UPI, dass der CIA bereits 1959 in Kontakt mit Saddam Hussein getreten sei. Damals sei er Mitglied in einer sechsköpfigen Gruppe geworden, die im Auftrag des CIA einen Anschlag auf Abd al-Karim Qasim ausführen sollte. Der Brigadegeneral hatte zusammen mit Muhammad Arif in einem blutigen Putsch den pro-britischen König Faisal II. gestürzt, was erst einmal den amerikanischen Interessen diente, weil er sich zunächst dem antisowjetischen Bagdad-Pakt anschloss. Doch 1959 schon verließ Qasim, der zunächst eine soziale Revolution einleiten wollte, den Pakt, brachte Kommunisten in Machtstellungen und begann sowjetische Waffen zu kaufen. Qasim ging gegen die Kurden vor und wollte Kuwait annektieren. Schnell wurde der Irak etwa von dem damaligen CIA-Chef Allan Dulles (siehe auch: 50 Jahre Brain Warfare [3]) zum "gefährlichen Ort der Welt" erklärt, was wiederum irgendwie an die Gegenwart erinnert.

      Das war die Zeit, als Hussein nach Bagdad gebracht wurden, um Qasim zu töten. Termin sei der 7. Oktober 1959 gewesen. Doch es klappte nicht. Hussein floh über Syrien in den Libanon und später mit der Hilfe des CIA und des ägyptischen Geheimdienstes nach Ägypten. Hussein soll des öfteren die amerikanische Botschaft aufgesucht haben. Möglicherweise wurde Qasim 1963 dann mit Unterstützung des CIA doch noch ermordet, jedenfalls half der Geheimdienst der an die Macht gekommenen Baath-Partei mit Listen verdächtiger Kommunisten, diese zu eliminieren. Es war schließlich Kalter Krieg. In dieser Zeit wurde Saddam zunächst Geheimdienstschef.

      Die Herrschaft war jedoch kurz, denn erst einmal kam Arif an die Macht, bis 1968 schließlich die Baath-Partei sich durchsetzte. Die Erdöl-Industrie wurde verstaatlicht, 1972 ein Freundschaftsvertrag mit der Sowjetunion geschlossen. 1979 puschte sich dann Hussein, damals Vizepräsident, an die Macht und machte sich gegenüber der USA beliebt, als er 1980 einen Krieg gegen den Iran begann. Dort war nämlich der pro-amerikanische Schah von radikalen Muslimen unter der Führung von Khomeini gestürzt worden. Hier begannen dann erneut enge Kontakte zwischen der US-Regierung und dem Irak. Gerne sah man über Diktatur, Menschenrechtsverletzungen und Giftgaseinsätze hinweg, solange der Irak den freien Westen verteidigte. Es wurden Waffen, chemische und biologische Substanzen und Geheimdienstinformationen geliefert, um dem Irak im Krieg gegen den Iran zu helfen. Der hatte damals Wellen von suizidbereiten Märtyrern gegen die irakischen Stellungen laufen lassen. Die Völkerfreundschaft zwischen der demokratischen USA unter Führung von Bush sen. und der Diktatur von Hussein kam bekanntlich - auch nach zahlreichen Einsätzen von Giftgas gegen Perser und Kurden _ erst an ihr Ende, als der Irak im Sommer 1990 in Kuwait einmarschierte und damit den Bogen überspannte.

      "We have no interest in the oil``

      Aber die Vergangenheit interessiert bekanntlich niemand, weil man doch in die Zukunft schauen muss. Und da stehen gewaltige Summen an, um den im ersten und im zweiten Krieg zerstörten Irak wieder aufzubauen, dessen Technik auch dank des Embargos mittlerweile hoffnungslos veraltet ist. Daran können die Unternehmen der Siegesländer verdienen, aber das können sie nur, ohne der amerikanischen Wirtschaft zu schaden, wenn das Land selbst Geld hat. Hier kommt das Öl ins Spiel, das bekanntlich auch langfristig eine Bedeutung hat, wenn eine USA-freundliche Regierung im Irak an der Macht ist. Noch freilich stehen dummerweise die Öl-Ressourcen nach einem Sicherheitsratbeschluss unter der Obhut der UN und des "Öl-für-Lebensmittel"-Programms. Einstimmig wurde zwar bereits entschieden, mit dem voorhandenen Geld Hilfsmittel für die irakische Bevölkerung zu liefern, aber wer in Zukunft die Einnahmen aus den Ölverkäufen verwalten soll, ist umstritten. Prinzipiell müsste der Sicherheitsrat dies entscheiden.

      Doch mit den Hilfslieferungen steht es derzeit noch schlecht, weil das Pentagon nicht mit dem Chaos nach dem Zerbröckeln des Regimes gerechnet hat. Doch abgesehen davon, haben die USA mit der Koalition der Willigen sich sowieso über das Völkerrecht und die UN hinweggesetzt. Daher sind sie jetzt auch faktisch im Besitz der Öl-Ressourcen. Und die sollen nun der dem Irak verordneten Regierung unterstellt werden, um die laufenden Kosten des Wiederaufbaus zu tragen. Da gibt es viele Milliarden zu verdienen. Bis zu 100 Milliarden US-Dollar rechnen sich manche aus. Die Erstaufträge, noch bezahlt von der USA, wurden erst einmal ohne richtige Ausschreibung nur an US-Unternehmen verliehen.

      Halliburton beispielsweise, dessen Direktor Vizepräsident Cheney war, nachdem er vom Verteidigungsminister unter Bush sen. in die "freie" Wirtschaft übergewechselt und damit Halliburton kontinuierlich zu mehr Aufträgen vom Pentagon verholfen hat, wurde nach aufkeimender Kritik am Filz, beispielsweise was den Sicherheitsberater Richard Perle betrifft, vom großen Kuchen amerikanischer Steuergelder lieber ausgeschlossen ( Erosionserscheinungen in der Bush-Regierung [4]). Aber das Unternehmen hatte sich schon zuvor einen Vertrag gesichert ( Die Gewinner des Krieges [5]), für das Pentagon (!) die brennenden Erdölquellen zu löschen. Nachdem aber das Hussein-Regime dieses Mal kaum Erdöl-Quellen in Brand gesetzt hatte, würden die Einkünfte eher schmal aussehen, auch wenn man schon gleich einmal vor Ort ist und so sich Optionen sichern kann. Allerdings soll aber die Halliburton-Firma Kellog Brown & Root Services überdies eine Bestandsaufnahme aller Ölquellen nach Ende der Kriegshandlungen vornehmen. Nach einem Brief [6] von Army Corps of Engineers an den demokratischen Abgeordneten Henry Waxman könnte [7] aber auch schon dieser unscheinbare Vertrag sieben Milliarden Dollar wert sein. Waxman forderte jetzt das General Accounting Office (GAO) auf, die Vergabe der Verträge unter die Lupe zu nehmen.

      Angeblich wollen die USA so schnell als möglich die politische Macht an die Iraker übergeben. Dazu gehört auch die Verfügung über die verstaatlichte Öl-Industrie. Bis die irakische Übergangsregierung allerdings installiert ist, die dann auch nicht gegen die amerikanischen Interessen handeln dürfte, lassen sich die wichtigsten Dinge und Verträge auf jeden Fall zufriedenstellend lösen. Wie man beispielsweise mit den Verträgen umgehen wird, die das Hussein-Regime unter anderem mit Russland, Deutschland oder Frankreich abgeschlossen hat, ist noch offen. Aufgefordert werden zumindest diejenigen, die nicht am Krieg teilgenommen haben, ihre Forderungen zurückzuziehen, um den Irak nicht zu belasten. Rechtlich ist überhaupt kaum etwas durch den Angriffskrieg geklärt.

      Mit einem bisschen Hilfe vom Ausland, sprich: von der USA, könnte man nämlich die Erölförderung noch in diesem Jahr um 50 Prozent erhöhen - und damit auch die OPEC unter Druck setzen. 20 Milliarden US-Dollar ließen sich für die Iraker gewinnen, so dass diese kräftig in ihr Land investieren können. Vizepräsident "We have no interest in the oil``-Cheney [8] formulierte das vorsichtig. Es gehe um die Etablierung einer Organisation, die das Erdölministerium kontrolliert.

      Da seien "hauptsächlich" Iraker gefragt, aber es sollen auch andere Berater etwas zu sagen haben. Wie Reuters erfahren [9] haben will, sollen ehemalige Leiter von US-Ölkonzernen in einen "Beirat" aufgenommen werden, der die von der US-Regierung bestimmte Übergangsregierung berät - gewiss nicht gegen die nationalen Interessen. Philipp Carroll, zuvor Direktor von Shell, soll an die Spitze des Gremiums gestellt werden.

      Links

      [1] http://www.alertnet.org/thenews/newsdesk/N11229956.htm
      [2] http://www.upi.com/print.cfm?StoryID=20030410-070214-6557r
      [3] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/14578/1.html
      [4] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14483/1.html
      [5] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14364/1.html
      [6] http://www.house.gov/reform/min/pdfs/pdf_inves/pdf_admin_hal…
      [7] http://www.nytimes.com/2003/04/11/business/11REBU.html
      [8] http://www.nytimes.com/2003/04/10/international/worldspecial…
      [9] http://asia.reuters.com/newsArticle.jhtml?type=topNews&story…

      Telepolis Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/special/irak/14593/1.html
      Avatar
      schrieb am 14.04.03 01:27:48
      Beitrag Nr. 3 ()
      Hallo
      Du hast dir so eine Mühe gemacht,
      ich wünsche Dir gute Gesprächspartner:kiss:
      Avatar
      schrieb am 14.04.03 01:51:52
      Beitrag Nr. 4 ()
      Das Blut Jesu wurde deiner Sünde wegen vergossen!
      Avatar
      schrieb am 14.04.03 08:52:04
      Beitrag Nr. 5 ()
      Wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein.

      Gratulation für sein unbeflecktes Dasein an #4!

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      Avatar
      schrieb am 19.05.03 19:39:17
      Beitrag Nr. 6 ()
      Ölpolitik

      Florian Rötzer   19.05.2003

      Der für das irakische Erdölministerium zuständige amerikanische "Berater" räumt selbst Interessenskonflikte ein und schlägt eine Privatisierung der Industrie sowie ein Ausscheren des Irak aus der OPEC vor

      Wenn es schon keine Massenvernichtungswaffen im Irak gibt, dann wenigstens doch das Öl, um das es allerdings bekanntlich nicht gegangen sein soll. Das soll, wie man seitens der US-Regierung betont, dem irakischen Volke zu gute kommen, weswegen auch schnellstens die Sanktionen aufgehoben werden müssen. Der "Berater", den das Pentagon an die Spitze des irakischen Erölministeriums gesetzt hat, überlegt aber auch schon einmal, ob der Irak nicht aus der OPEC ausscheren sollte - natürlich nur, um dem irakischen Volk zu dienen.


      Fest im Blick hatten die alliierten Sieger im Irak offenbar trotz aller anderslautenden Behauptungen das Erdöl. Gleich zu Beginn sicherte man die Erdölfelder, in Bagdad wurde das Erdölministerium von Bomben verschont und mit Panzern vor Plünderungen geschützt, was man bekanntlich nicht von allen anderen Einrichtungen sagen könnte ( "Das passiert" [1]).


      Schon vor dem Krieg sicherte sich Halliburton - Vizepräsident Cheney war bekanntlich vor seinem derzeitigen politischen Amt der Direktor des Konzerns - ohne Ausschreibung den Auftrag, brennende Ölquellen zu löschen ( Die Gewinner des Krieges [2]). Später wurde bekannt, dass der Auftrag auch die Inspektion und Reparatur irakischer Erölquellen umfasst, was einen milliardenschweren Auftrag ergäbe. Doch schon allein im Rahmen von Operation Iraqi Freedom hat die US-Armee an KBR, ein Tochterunternehmen von Halliburton, 425 Millionen Dollar gezahlt oder dafür Aufträge vergeben ( Krieg ist gut fürs Geschäft [3]).

      Nachdem nun der ehemalige US-General Garner [4], Präsident von SY Technology, Hersteller von Software für Raketen und Raketenabwehrsysteme, also auch für Präzisionsraketen, als oberster Verwalter vom Hardliner Paul Bremer abgelöst wurde, der als "Terrorismusexperte" Direktor der nach dem 11.9. gegründeten Marsh Crisis Consulting wurde, scheint man nun der Meinung zu sein, doch lieber länger die Zügel in den eigenen Händen halten zu wollen. Möglichst schnell wolle man das Land den Irakern übergeben, hieß es zunächst immer, doch nachdem wohl die Befreiten nicht unbedingt in die gewünschte Richtung gehen wollen, Konflikte zwischen Gruppen vor Augen stehen und noch großes Chaos und ebenso große Unzufriedenheit herrschen, will man zunächst unbefristet nur eine "Übergangsverwaltung" statt der zunächst versprochenen "Übergangsregierung" einrichten. Das zumindest kündigten Bremer und der britische Diplomat John Sawers am Wochenende an.


      Der Berater für das Erdölministerium


      Einen entscheidenden Posten in der "Übergangsverwaltung" hat der "Berater" des irakischen Ölministeriums, der allerdings faktisch das Ministerium durch Besetzung der Stellen leiten wird. Der Irak hat bekanntlich die zweitgrößten Erdölvorkommen der Welt, vor den Sanktionen war Erdöl das fast ausschließliche Exportprodukt und machte das Land, bevor Hussein den langen Krieg mit dem Iran begann und vieles in die eigene Tasche steckte, relativ wohlhabend. Die Wahl des Pentagon fiel auf Philip Carroll, einen Mann, der als Experte wie US-Präsident Bush aus Texas stammt, Präsident der Shell Oil Company war und schließlich mit einem wohldotierten Vertrag [5] an der Spitze des Dienstleistungsunternehmens Fluor Corporation [6] stand.

      Fluor war neben Halliburton und wenigen anderen Unternehmen von USAID für erste Wiederaufbaumaßnahmen in Betracht gezogen worden. Auch wenn dieser mit US-Geldern finanzierte Vertrag schließlich an Bechtel gegangen ist, hat Fluor mit dem britischen Unternehmen Amec ein Joint Venture gebildet [7], um sich beim U.S. Army Corps of Engineers für einen Auftrag über mehrere Milliarden Dollar zu bewerben. Der Auftrag hat mit der Wiederherstellung und Modernisierung der Erdölförderung zu tun.

      Carroll räumte [8] selbst ein, dass es durchaus einen Interessenskonflikt geben könne, schließlich bezieht er nicht nur eine Million Dollar jährlich von dem Konzern, sondern besitzt auch noch eine Million Aktien, die über 30 Millionen Dollar wert sind. Der "Berater" versichert allerdings, dass er mit seinem Stab nur Pläne für die Zukunft ausarbeiten wolle und nichts mit etwaigen Verträgen zu tun haben werde. Überdies interessiere ihn Geld nicht. Das Geld, das aus dem Erdöl kommen wird, nachdem die Sanktionen aufgehoben sind, werde, so beteuert er, nur dem Irak selbst zukommen. Solange die Besatzungsmacht herrsche, fließe das Geld in einen Treuhandfonds, aus dem lediglich humanitäre Leistungen und Wiederaufbaumaßnahmen bezahlt würden. Hieran können dann aber direkt die Konzerne der Siegermächte profitieren, beispielsweise eben auch die Fluor Corporation, deren Vizepräsident Kenneth Oscar [9] zufällig aus dem Pentagon kommt. Möglicherweise aber auch an den Plänen, die Carroll für die Zukunft des irakischen Erdöls ausarbeiten lässt.


      Die Pläne


      Als Idee hat Carroll, was schon vor dem Krieg manche als eine Intention der US-Regierung thematisiert haben ( Öl-Junkies auf Kriegskurs [10]), jetzt lanciert [11], dass der Irak aus der OPEC ausscheren könne, um ohne Beschränkung möglichst viel Öl auf den Weltmarkt pumpen zu können und so den Wiederaufbau zu beschleunigen. Das habe der Irak auch früher schon gelegentlich aus nationalem Interesse heraus gemacht. Würde der Irak, ohne OPEC-Quoten einzuhalten, den Markt mit Erdöl überfluten, so würde nicht nur das Land mehr Geld einnehmen, sondern auch die Preise für das Erdöl würden sinken, was den USA, den weltweit mit Abstand größten Verbraucher, zugute käme, den anderen erdölproduzierenden Ländern wie Saudi-Arabien, Kuwait, Iran, Russland oder Venezuela aber geringere Gewinne brächte.

      Die bislang staatliche Erdölindustrie hatte unter Hussein Verträge an Staaten wie Russland oder Frankreich beispielsweise für die Förderung oder die Modernisierung der Produktion vergeben. Carroll wird hier entscheidend mit beraten, welche Verträge als nichtig erklärt werden oder welche möglicherweise "im besten Interesse des irakischen Volkes" fortgeführt werden könnten. Das dürfte auch eine Möglichkeit sein, die Entscheidung im UN-Sicherheitsrat zu beeinflussen.

      Carroll wird aber auch Pläne ausarbeiten lassen, wie die staatliche Erdölindustrie privatisiert werden kann und soll. Allerdings sollen alle Optionen zur Entscheidung angeboten werden, also auch eine Weiterführung des staatlichen Modells, wobei allerdings Carroll seine beratende Rolle schon einmal insofern ausübt, als er darauf hinweist, dass "hoch zentralisierte Modelle nicht immer so effektiv sind, wie sie sein sollten. Sie tendieren zur Korruption." Allerdings könnte eine zu starke Privatisierung das Öl in die Hände von wenigen Menschen fallen lassen, die zu Milliardären werden, während das Land davon kaum etwas hat. Er meinte, er sei nicht sicher, ob die Iraker schließlich das "amerikanische Modell", sprich: die völlige Privatisierung, wählen würden. Wie man an der US-Regierung sieht, wäre dies auch keine Garantie dafür, dass eine künftige Regierung frei vom Einfluss der Wirtschaft handelt. Gleichwohl geht er zumindest von einer Teilprivatisierung aus, von der dann auch die amerikanischen Konzerne direkt profitieren könnten.


      Möglicherweise deckt das irakische Erdöl nicht die Kosten des Wiederaufbaus


      Möglicherweise aber stimmen alle Rechnungen oder Hoffnungen nicht, die die Alliierten für ihren Befreiungsfeldzug gemacht haben. Gerade der mit Erdöl reichlich ausgestattete Irak sollte bald genug Geld haben, um den Wiederaufbau selbst finanzieren und so von finanzieller Unterstützung unabhängig zu werden. Nach Berechnungen des spanischen Wirtschaftsministeriums aber könnte, wie der Observer [12] berichtet, das Land den Befreiern noch teuer zu stehen kommen, wenn nicht weitere Länder mit Geldern einspringen.

      Die irakische Erdölindustrie ist seit dem Embargo veraltet oder bald gar nicht mehr zu gebrauchen. Es könnte viel Zeit vergehen und viel Geld erfordern, sie soweit wieder aufzubauen, dass der Irak noch lange nicht genügend Mittel haben wird. Nach den spanischen Berechnungen reichen für den Wiederaufbau vermutlich die zuvor geschätzten 41 Milliarden Dollar bei weitem nicht aus, sondern es wird in den nächsten 10 Jahren mindestens doppelt so viel Geld notwendig sein - nach manchen Schätzungen könnten es sogar bis zu 250 Milliarden sein. Der Irak aber hat noch Schulden [13] - möglicherweise bis zu 350 Milliarden Dollar -, die zum großen Teil aus Reparationszahlungen an Kuwait bestehen. 2002 hatte der Irak gerade einmal für 13 Milliarden Dollar Öl gefördert, was zumindest dieses Jahr nicht mehr zu schaffen sein wird. Der amerikanische Kongress hat für den Wiederaufbau nur 2,5 Milliarden Dollar bewilligt. Auf dem G-8 Gipfel [14] waren sich die Finanzminister zwar einig [15], die Schulden zu stunden, doch auf sie verzichten, wie dies die US-Regierung wünscht, wollen Frankreich, Russland, Deutschland und Japan nicht.


      Links

      [1] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14622/1.html
      [2] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14364/1.html
      [3] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14729/1.html
      [4] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14499/1.html
      [5] http://contracts.corporate.findlaw.com/agreements/fluor/carr…
      [6] http://www.fluor.com/index.aspy
      [7] http://www.amec.com/news/media_releases_2ndlevel.asp?Pageid=…
      [8] http://www.latimes.com/news/nationworld/world/la-war-iraqoil…
      [9] http://investor.fluor.com/news/20020409-76573.cfm
      [10] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/13284/1.html
      [11] http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A1289-2003May1…
      [12] http://www.observer.co.uk/international/story/0,6903,958391,…
      [13] http://www.economist.com/finance/displayStory.cfm?story_id=1…
      [14] http://www.g8.fr/evian/english/
      [15] http://www.moscowtimes.ru/stories/2003/05/19/042.html

      Telepolis Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/special/irak/14829/1.html


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