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    Lebenslauf eines Gläubigen... - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 11.05.03 19:32:01 von
    neuester Beitrag 12.05.03 08:51:59 von
    Beiträge: 2
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      schrieb am 11.05.03 19:32:01
      Beitrag Nr. 1 ()
      ;)


      Mein Lebensweg - von Pater Böckermann:
      Aus: Business Crime 3/99


      Nie hätte ich gedacht, daß ich so einen Weg zurücklegen würde, als ich genau vor 30 Jahren auf dem Kirchplatz von Wesuwe im Emsland von Bischof Sangu (Tanzania) zum Priester geweiht wurde.
      Ich gehöre den Afrikamissionaren “Weisse Väter” an, die im 19. Jahrhundert gegründet wurden, eigentlich um die Muslime zu bekehren. Von 1964 bis 1968 habe ich in Leuven (Belgien) Theologie studiert, in den ersten beiden Jahren noch mit lateinischen Handbüchern, fast wie im Mittelalter.

      In den letzten beiden Jahren kriegten wir ein bisschen von der Öffnung der katholischen Kirche nach dem 2. Vatikanum mit. Jetzt sprach man vom „Respekt, mit dem man den großen Weltreligionen begegnen wolle“. Dialog war „in“. Deshalb habe ich mich freiwillig nach Algerien gemeldet. Dort war Dialog gefordert, denn die Kirche hatte hundert Jahre vergeblich versucht, Muslime zu bekehren.
      AIgerische Freunde haben mir dann mit Beharrlichkeit beigebracht - leider habe ich 18 Jahre gebraucht, um das zu verstehen - dass Dialog nur zwischen einigermaßen gleichberechtigten Partnern existiert. Es gebe keinen echten Dialog zwischen Eltern und Kindern, zwischen Lehrern und Schülern, meinten sie und sagten: „Und so gibt es keinen echten Dialog zwischen euch Christen und uns Muslimen, zwischen euch Europäern und uns Arabern, so lange wir zwar politisch unabhängig sind, wirtschaftlich und kulturell aber immer noch von euch abhängen“.

      Und sie sagten etwas, das mir bis heute als Auftrag gilt:

      „ Wenn du das ehrlich meinst mit dem Dialog, wenn du uns wirklich bei der Entwicklung des Landes helfen willst, dann ist es besser, du gehst zurück nach Deutschland.“

      Und in den 70er Jahren, Anfang der 80er Jahre war Algerien sozialistisch ausgerichtet, deshalb sagten sie:
      „Geh zurück in dein kapitalistisches Deutschland und verändere dort ungerechte Strukturen. Dann hilfst du uns mehr, als wenn du hier vor Ort als Entwicklungshelfer arbeitest”.
      Seit 1986 versuche ich, diesem Auftrag algerischer Freunde nachzukommen. Die anfängliche Hoffnung nach einer schnellen Veränderung, nach einer „Revolution“, hat sich leider nicht erfüllt.
      Gleich zu Anfang habe ich die Initiative „Ordensleute für den Frieden” (IOF) kennengelernt, einen freien Zusammenschluss von Ordensfrauen und -männern sowie ihrem Freundeskreis. Jahrelang hat die IOF vor der Cruise-Missiles-Basis in Hassel-bach (Hunsrück) protestiert. Als diese abgezogen wurden und viele Friedensgruppen dichtmachten, sind die Ordensleute vor die Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt/Main gezogen, einem anderen „Ort des Unheils”.
      Weltweite Kontakte unserer Ordensgemeinschaften mit den Armen in der 3. Welt und hier bei uns haben uns veranlasst, auf die Tatsache aufmerksam zu machen:

      Ohne Gerechtigkeit für alle gibt es keinen Frieden.

      Die Deutsche Bank ist die größte und die mächtigste Geschäftsbank Deutschlands. Sie ist für uns Symbol unserer kapitalistischen Wirtschaftsordnung, mächtiger als unsere Politiker in Bonn (und jetzt Berlin). Inzwischen merken wir, dass unsere anfängliche Forderung : Schuldenstreichung für die 3. Welt viel zu kurz gegriffen war.
      Bei unseren monatlichen Mahnwachen mußten wir nämlich erleben, dass in unserem Rücken Hunderte von Drogenabhängigen aus der Taunusanlage (der Anlage vor der Deutschen Bank) verdrängt wurden.
      Dann kamen die Obdachlosen unter den Mainbrücken dran. Jetzt (1999) wird eine „Gefahrenabwehrverordnung“ für die Einkaufsmeile“Zeil“ diskutiert.

      Wir mußten feststellen:

      Weltweit geht die Schere zwischen den reichen und armen Nationen immer weiter auf. Die Folgen: Hunger, Kriege, Flüchtlingsströme, Umweltzerstörung. Aber das gleiche spielt sich auch in Deutschland ab. In unserer eigenen Gesellschaft werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer und zahlreicher. Auf Schritt und Tritt ist das in Frankfurt und überall in Deutschland sichtbar.
      Übertriebener Luxus auf der einen, steigende Arbeitslosigkeit und Sozialabbau auf der anderen Seite.
      Wir meinen, die Ursachen dieser Entwicklung liegen in einem gnadenlosen Kapitalismus, der durch die Verselbständigung und Globalisierung der Finanzströme der letzten Jahre noch übermächtiger geworden ist.
      Die Bedürfnisse der Armen und der kommenden Generationen haben keinen Platz in diesen Unrechtsstrukturen.
      Unser Wirtschaftssystem geht über Leichen, weltweit und bei uns. Hier wird der Mensch geopfert für ein System, in dem das Geld den höchsten Wert darstellt. Unsere Forderung nach Schuldenstreichung für die 3. Welt ist daher einer viel umfassenderen Erkenntnis gewichen.

      Wir brauchen eine neue Geldordnung mit Infragestellung des Zinsnehmens.
      Denn vom jetzigen Geldsystem profitieren 10% der Bevölkerung auf Kosten von 80%, auch in unserem Lande.
      Diese 10% werden ihre Privilegien aber nicht freiwillig aufgeben. Deshalb ist die IOF ganz allmählich und mit viel Zögern und Zaudern dazu übergegangen, neben den regelmäßigen Mahnwachen auch Aktionen zivilen Ungehorsams durchzuführen:
      Ankettungsaktionen, Straßenblockaden, Besetzung des Foyers der Deutschen Bank.
      Wir sind davon überzeugt, daß die „Option für die Armen“ als notwendige Kehrseite der Medaille den „Aufstand gegen die Herren“ hat.

      Das hört sich leichter an als es ist. Wie viele Ängste, Rücksichtnahmen, Vorurteile gilt es da abzubauen? Zivilcourage ist gefordert, aber oft steht man ganz alleine mit seiner Meinung und Einsicht, auch im Kloster.
      Unbedingt notwendig ist dann, Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu suchen. Das müssen nicht gleich hundert sein. Drei oder vier genügen schon, um das Unmögliche zu wagen: für die Umwelt, gegen die Atomkraft, gegen die Macht des Geldes.
      Die erste Frage in der kleinen Gruppe sollte dann nicht sein: „Wie können wir uns (noch) kundiger machen über die Unrechtstrukturen?“

      Es geht auch nicht darum, sich selbst unangreifbar zu machen, nicht mehr die Umwelt zu belasten, nicht die 3. Welt auszubeuten oder vom kapitalistischen Wirtschaftssystem zu profitieren. Jahrhundertelang [jahrtausende! :mad: ] hat es funktioniert, dass Mächtige in Staat und Kirche uns ein schlechtes Gewissen einreden konnten:
      Werde erst einmal ein Heiliger, bevor du anfängst, andere zu kritisieren und gerechte Strukturen einzufordern. Das Neue für mich bei der Initiative der Ordensleute für den Frieden ist:
      Ohne Einmischung in die Politik, ohne Kritik am Kapitalismus können wir gar nicht Heilige werden, können wir gar nicht Christen sein.
      Denn 7 x 24 Stunden in der Woche, rund um die Uhr, verspricht man uns: Hast du was, dann bist du was.
      Sonntags zwischen 10 und 11 Uhr versuchen wir, dagegen anzupredigen und das Gegenteil zu behaupten: Gott liebt alle Menschen so wie sie sind und nicht für das, was sie leisten, produzieren und konsumieren.
      Damit stehen wir aber auf verlorenem Posten und wir sind als Kirche unglaubwürdig, wenn wir neben der persönlichen Anstrengung nicht auch strukturelle Veränderungen in Politik und Wirtschaft einfordern.
      Es geht in den kleinen Gruppen also nicht nur darum, sich immer kundiger zu machen, sondern sich langsam und beharrlich in den Widerstand einzuüben. Helmut, ein guter Freund, bringt diese Erkenntnis auf den Punkt:
      Im Kopf wissen wir alle, daß es so nicht weitergehen kann. Die Frage ist nur, wie kriegen wir’s in die Füße?“
      Widerstand scheint ein großes Wort. Trotzdem sind wir davon überzeugt, dass er geleistet werden muss in einem Unrechtssystem,

      das die Menschen der 3. Welt ausbeutet;
      auch in unserem Land Millionen in die Arbeits- und Obdachlosigkeit treibt;
      die Umwelt zerstört;
      den kommenden Generationen nur geringe Überlebenschancen lässt.

      Wir haben unsere Eltern und Großeltern gefragt: Wo habt ihr Widerstand geleistet gegen Hitler und die Nationalsozialisten? Die Menschen in der ehemaligen DDR fragen wir heute: Warum habt ihr euch nicht geweigert, an der Mauer zu schießen? Auch uns wird man einmal fragen: Warum habt ihr keinen Widerstand geleistet?
      Ihr wusstet doch:

      Jede Minute geben die Länder der Welt 1,8 Millionen US-Dollar für militärische Rüstung aus,
      Jede Stunde sterben 1500 Kinder an Hunger und Hungerkrankheiten
      Jeden Tag stirbt eine Tier- und Pflanzenart aus;
      Mit Ausnahme des 2. Weltkriegs wurden in den 80er Jahren in jeder Woche mehr Menschen verhaftet, gefoltert, ermordet, vetrieben oder durch repressive Regierungen unterdrückt als zu irgendeinem Zeitpunkt der Geschichte
      Jeden Monat kommen durch das Weltwirtschaftssystem weiter 7,5 Milliarden Us-Dollar Schulden zu den über 2000 Milliarden hinzu, die schon jetzt eine unerträgliche Last für die Menschen der 3. Welt sind;
      Jedes Jahr werden über 70 000 qkm Regenwald für alle Zeiten zerstört;
      Jedes Jahrzehnt wird der Meeresspiegel aufgrund der allgemeinen Erwärmung der Erde um etwa 1,5 m steigen, was für unseren Planeten und besonders für die Küstengebiete katastrophale Folgen haben wird.
      Müssen wir nicht verzweifeln angesichts dieser erdrückenden Tatsachen und resigniert mit den Achseln zucken? Bin ich nicht ohnmächtig gegenüber den starken Kräften und starren Strukturen der Gesellschaft? Ist es nicht Größenwahn zu glauben, dass ich als einzelner etwas ausrichten kann?
      Die Antwort: Ich kann nichts ändern und weil ich so ohnmächtig bin, bin ich einzelner auch unschuldig“ folgt dem Prinzip „Alles oder nichts“. Wenn ich nicht alles verändern kann, brauche ich gar nichts zu versuchen. Gleichgültigkeit, Passivität und Resignation breiten sich aus. Sie sehen aus wie Bescheidenheit, wenn sie als Alternative zum Größenwahn dargestellt werden.
      Oft wird die Frage auch moralisch beantwortet.

      Jeder ist verpflichtet, sein Scherflein dazu beizutragen, dass sich die Gesellschaft verändert.

      Aber das Prinzip Moral allein kann nicht genügen, die ungeheure Anstrengung zu tragen, die wir gegenwärtig unternehmen müssen, damit die Menschheit eine Überlebenschance hat. Es geht nicht um „Alles oder nichts“, es geht nicht um moralische Appelle. Es geht um eine radikale Bewußtseinsänderung.
      Heute erkennen immer mehr Menschen „was zu unserem Frieden ist“. Ein neues Denken macht sich breit: Subjekt und Objekt können nicht voneinander getrennt werden. Aggressives Verhalten anderen gegenüber hinterlässt auch katastrophale Folgen bei mir. Es kann nicht dem einen wirklich gut gehen und gleichzeitig dem anderen schlecht. Mein Vater drückte das in seiner bäuerlichen Weisheit so aus: „Wenn es meinem Nachbarn gut geht, dann geht es mir auch gut.“


      Wenn wir uns schützen wollen, müssen wir unsere Umwelt schützen, müssen wir beispielsweise die Bevölkerung Afrikas schützen;
      Wenn wir gewaltsam in die Materie eingreifen, entstehen zerstörte und zerstörende Stoffe.
      Wenn wir gewaltsam in den anderen Menschen eingreifen, zerstören wir dessen und zugleich unsere Lebensmöglichkeiten.
      Solche neuen Lebenswünsche sind gegenwärtig in verschiedenen Formen sichtbar. Immer mehr Menschen suchen nach einer Verbesserung ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen, um zugleich mehr Befriedigung und mehr Sicherheit als bisher zu haben.
      Avatar
      schrieb am 12.05.03 08:51:59
      Beitrag Nr. 2 ()
      Ein interessanter Mensch...

      ...Aber zugleich eine missglückte Mischung von Sozialismus, Pazifismus und einem pseudochristlichen Ansatz.
      So kann man politisch agieren, als Priester hat man so keine glaubwürdige Basis.

      Ich zitiere:
      "Ohne Einmischung in die Politik, ohne Kritik am Kapitalismus können wir gar nicht Heilige werden, können wir gar nicht Christen sein.
      Denn 7 x 24 Stunden in der Woche, rund um die Uhr, verspricht man uns: Hast du was, dann bist du was.
      Sonntags zwischen 10 und 11 Uhr versuchen wir, dagegen anzupredigen und das Gegenteil zu behaupten: Gott liebt alle Menschen so wie sie sind und nicht für das, was sie leisten, produzieren und konsumieren.
      Damit stehen wir aber auf verlorenem Posten und wir sind als Kirche unglaubwürdig, wenn wir neben der persönlichen Anstrengung nicht auch strukturelle Veränderungen in Politik und Wirtschaft einfordern."


      zu Satz 1: Was ist dann ein Christ, was ein Heiliger?
      Aus der Bibel jedenfalls lässt sich eine solche Haltung nicht ableiten.
      Diese kennt eine sehr große Vielfalt, auch christlichen Tuns.

      zu Satz 2+3: Wenn er das NT wirklich verstanden hätte, dann wüsste er nur zu gut,
      dass dort gerade nicht dazu aufgerufen wird, die Welt von oben her,
      vom politischen System her oder mit Macht zu verändern, sondern die Botschaft des NT
      richtet sich immer an den einzelnen und die Gemeinde, fordert von ihnen
      persönlich glaubwürdiges Verhalten und ein gemeinschaftliches Auftreten,
      das für andere gewinnend ist.
      Also Erosion durch viele kleine Schritte, durch gelebte Glaubwürdigkeit ist der christliche Weg,
      nirgendwo wird der Aufstand gegen die Strukturen der Macht gepredigt
      (Ausnahme: Machtstrukturen innerhalb der Kirche!)

      zu Satz 4: Mit solchen Parolen bewegt er sich geradewegs zu auf die Kirche des Mittelalters
      und auch die Schiiten heutiger Tage, die Kirche und Staat lieber vereint als getrennt sehen mögen
      um damit einem Rückschritt in den religiösen Fundamentalismus den Weg zu bereiten.

      Nein danke, sage ich da.

      KD


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