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    Wer trägt hier die Schuld? - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 26.05.03 11:40:31 von
    neuester Beitrag 26.05.03 12:45:10 von
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      schrieb am 26.05.03 11:40:31
      Beitrag Nr. 1 ()
      KONGO

      Im Vorhof der Hölle

      Kindersoldaten und marodierende Milizionäre haben in der Region Ituri Tausende Zivilisten massakriert. Hunderttausende sind auf der Flucht. Ein neuer Völkermord droht unter den Augen der Welt - aber die Uno-Blauhelme sehen nahezu tatenlos zu.


      KAREL PRINSLOO / AP

      Ermordete im kongolesischen Bunia: "Desaster wie in Bosnien oder Ruanda"


      Dem Missionar Jan Mol droht langsam der Glaube abhanden zu kommen. Wenn der Geistliche über Schlaglöcher hinweg zu seinem Gemeindehaus in Bunias zerschossenem Zentrum stolpert, muss er einen entwürdigenden Spießrutenlauf über sich ergehen lassen. Schon mittags stöckeln betrunkene Siebenjährige auf hohen Damenabsätzen um den 67-Jährigen herum, schwenken Kalaschnikows, blasen ihm respektlos Zigarettenrauch ins Gesicht und fuchteln vor dem "Mzungu" aus Holland drohend mit Brotmessern und Handgranaten herum.
      Diese Minderjährigen sind die neuen Herren der Straße. Sie "morden und plündern und folgen nicht dem Gesetz des Herrn, sondern nur noch dem der Gewalt", hat Mol erkannt und wähnt sich schon im Vorhof der Hölle. "Wenn hier nicht bald Soldaten der Vereinten Nationen dazwischengehen, dann erleben wir eine wahre Katastrophe", sagt der Priester und verfolgt fassungslos, wie sich auf dem Boulevard de la Libération ein Blauhelm aus Uruguay von einem schwer bewaffneten Knirps mit Zöpfchenperücke auf dem Kopf, Bierflasche im Hosenbund und Brotbeutel um den Hals schikanieren lässt. Der Holländer ist überzeugt: "Wir erleben einen Genozid, und die Uno steht tatenlos daneben."

      Vor gut zwei Wochen haben Kindermilizen der Union der kongolesischen Patrioten, die dem Stamm der Hema angehören, die Kontrolle in der 300 000-Einwohner-Stadt Bunia übernommen und ihre Widersacher vom Stamm der Lendu vertrieben, mit Macheten erschlagen oder erschossen. Zerhackte Leichen faulten tagelang auf den Straßen von Bunia vor sich hin. Mol, der seit 1971 dort lebt, sieht ein "Desaster wie in Bosnien oder Ruanda" heraufziehen, wo unter den Augen der Welt Hunderttausende erschlagen, erschossen und verscharrt wurden: "Es ist das nackte Grauen."

      Als das Schlachten in der Hauptstadt der kongolesischen Region Ituri begann, hatte der Gottesmann immer wieder versucht, die Kommandeure der 625 Blauhelme aus Uruguay, die dort stationiert sind, zum Eingreifen zu bewegen. Doch als sich endlich ein paar bis an die Zähne bewaffnete Uno-Männer auf den Weg machten, lagen Mols Kollegen Aimé Ndjabu und François Mateso bereits in ihrem eigenen Blut. Der eine mit durchgeschnittener Kehle, der andere durchsiebt von Garben aus Schnellfeuergewehren.


      KAREL PRINSLOO / AP

      Flüchtlingslager in Ituri: "Was sich in den Bergen abspielt, ist der reinste Horror"


      Um die Leichen der Geistlichen und zwölf weiterer Opfer tobten feixend ihre jugendlichen Mörder. Sie riefen Mol zu: "Wir werden unsere Feinde alle töten." Die Blauhelme zogen wieder ab, um das Verbrechen lediglich zu notieren. Sie ließen sich zu Zaungästen des Massenmordes machen wie einst im bosnischen Srebrenica, wo Serben-Milizen 1995 mehr als 7500 Muslime abschlachteten.

      Nach ein paar Tagen zählen die Uno-Soldaten allein im Zentrum von Bunia bereits rund 300 Leichen. Wie viele es insgesamt sind, weiß niemand, denn die internationalen Friedenssoldaten wagen sich nicht einmal im Panzer aus der Stadt heraus. "In der Provinz Ituri leben 2,4 Millionen Menschen", sagt Marcus Sack von der Deutschen Welthungerhilfe, "eine Million ist auf der Flucht: Was sich in den Bergen abspielt, ist der reinste Horror."

      Erst vergangene Woche wurden die Leichen zweier Uno-Beobachter 70 Kilometer von Bunia entfernt gefunden. Sie waren mit Buschmessern in Stücke gehackt worden.

      Im Krankenhaus der Stadt hat Sack die Überlebenden des "Infernos" ("The Economist gesehen: Frauen und Kinder mit abgetrennten Gliedmaßen und Opfer mit Schusswunden, um die sich jetzt Mediziner der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" kümmern.

      "Wir haben außerdem diverse glaubwürdige Hinweise auf Kannibalismus", räumt Uno-Mann Amos Namanga Ngongi ein und spricht von "einer unglaublichen Barbarei: Im Kongo rennen Menschen mit Amuletten aus menschlichen Knochen herum". Der Kameruner ist der Sonderbeauftragte des Uno-Generalsekretärs für die Demokratische Republik Kongo und nur auf Kurzbesuch in Bunia.

      Die skandalöse Untätigkeit seiner Soldaten erklärt er damit, dass man nicht vorbereitet gewesen sei auf "derartige kriegerische Handlungen". Dabei sieht das Mandat der Blauhelme ausdrücklich den Schutz der Zivilbevölkerung vor. Dennoch ist Ngongi guten Mutes: "Killer können zu Nichtkillern werden", gibt er seinen Leuten noch mit auf den Weg. Dann muss er sich sputen, das Flugzeug wartet.

      Mit seinem Optimismus steht Ngongi ziemlich allein da. Seit Ausbruch der Kämpfe vor fünf Jahren sind im Kongo nach Schätzungen der Organisation International Rescue Committee zwischen 3 und 4,7 Millionen Menschen ums Leben gekommen. Niemals seit Ende des Zweiten Weltkriegs war die Sterblichkeitsrate in einem Konflikt derart hoch.

      60 000 Tote, schätzt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, sollen allein die Stammeskämpfe zwischen den Vieh züchtenden Hema und den Ackerbau treibenden Lendu im Nordosten des riesigen Landes gefordert haben. Und ein Ende der "Blutorgien" ("Neue Zürcher Zeitung ist in Ituri nicht in Sicht.

      Ganz im Gegenteil: Gerade einmal vier Kilometer vor der von Hema-Milizen kontrollierten Stadt überwachen verwegen kostümierte Lendu-Kämpfer die wichtigen Ausfallstraßen und sinnen auf Rache. Nicht nur Entwicklungshelfer Sack ist sich sicher, "dass sie auf Waffen aus dem Ausland warten und dann möglichst bald zurückschlagen".


      DER SPIEGEL


      Maßgeblichen Anteil an den 1999 ausgebrochenen ethnischen Kämpfen haben Kongos Nachbarländer Ruanda und Uganda. Nach einem im April veröffentlichten Amnesty-Bericht haben sie "die Region in einem unermesslichen Umfang systematisch ausgeplündert" und dabei "innerethnische Konflikte und Massenmorde gefördert", um die wichtigen Bodenschätze des Kongo auszubeuten: Gold, Holz und das für die Handy-Produktion wichtige Coltan. Die verwahrlosten Kindermilizionäre verrichteten in "der sich immer noch ausweitenden Tragödie" lediglich die schmutzige Arbeit der Profiteure im ugandischen Kampala und ruandischen Kigali.

      Während die ruandische Armee in die Provinz Kivu einmarschierte und über die Kongolesische Sammlungsbewegung für Demokratie die Region bis heute kontrolliert, sicherte sich die ugandische Armee die weiter nördlich gelegene Ituri-Provinz, in der große Mengen Gold gewonnen werden. In den Uferregionen des Albert-Sees werden zudem bedeutende Ölvorkommen vermutet. Die könnten nach Schätzungen der kanadischen Firma Heritage Oil sogar "mehrere Milliarden Barrel" ausmachen.

      Anfangs unterstützte die vergleichsweise gut ausgebildete ugandische Armee Milizen der Hema. Diese fühlen sich jedoch den Tutsi aus Ruanda näher und verbündeten sich mit der Regierung in Kigali. Uganda wandte sich daraufhin den Lendu zu und versorgt sie derzeit mit Waffen.

      Die Folge der wechselnden Allianzen waren ständige Front- und Machtverschiebungen und unvorstellbare Grausamkeiten, die beide Bevölkerungsgruppen einander zufügten. Das Geschehen lässt selbst die Uno-Chefanklägerin für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien, Carla Del Ponte, mittlerweile von einem "drohenden Genozid" sprechen.

      Denn in Ituri wird immer hemmungsloser gemordet. Seit die ugandische Armee gemäß eines Abkommens mit der Regierung in Kinshasa am 7. Mai ihre letzten Truppen aus Ituri abzog, herrscht ein Zustand der Rechtlosigkeit. Ihre Waffen übergaben die Ugander in Bunia den Lendu-Kämpfern, die reichlich davon Gebrauch machten. Sie nutzten die Abwesenheit der Ordnungsmacht dazu, massenweise Hema abzuschlachten.

      Wenige Tage später übten dann die von Ruanda ausgerüsteten Hema grausige Rache und nahmen die Stadt ein. Seitdem sind die Lendu von Bunia entweder tot oder geflüchtet: Mindestens 50 000 sollen die Grenzen nach Uganda überschritten haben. Dessen Präsident Yoweri Museveni passen das mörderische Chaos und die Unfähigkeit der Vereinten Nationen indes gut ins Konzept.


      KAREL PRINSLOO / AP

      Verfeindete Milizionäre Kisembo, Ngudjolo: "Flüchten, Plündern, Töten"


      Kaum hatte seine Armee das Nachbarland verlassen und das hemmungslose Morden begann, höhnte der Präsident, die Uno-Soldaten im Kongo seien "gefährliche Touristen". Und der Chef des ugandischen Militärgeheimdienstes, Oberst Noble Mayombo, erzählte einem Reporter der kenianischen Tageszeitung "Daily Nation", man erwäge angesichts der Gewalttaten, wieder in den Kongo einzumarschieren, um "unsere eigene Sicherheit zu gewährleisten".

      "Flüchten, Plündern, Töten", nennt Helfer Marcus Sack die schreckliche Dreifaltigkeit des Kongo, und es hat nicht den Anschein, dass sich daran so schnell etwas ändern wird. "Wir haben Informationen, dass sich kongolesische Regierungstruppen von Süden auf Bunia zubewegen", sagt der französische Chef der Blauhelm-Mission, Daniel Vollot, und ihm schwant Böses. Dabei hätten sie doch gerade erst Fortschritte gemacht bei der Annäherung der Kriegsgegner.

      Zwei davon stehen gerade neben Vollot unter einem Mangobaum: ein Führer der Hema-Miliz, Floribert Kisembo, und der "Generalstabschef" der Lendu-Krieger, Mathieu Ngudjolo. Treuherzig versichern die beiden Kommandeure der Kindersoldaten, sie wollten nun dem Uno-Vorschlag folgen und gemeinsame Patrouillen durch die gebeutelte Stadt schicken.

      Kisembo trägt grüne Gummistiefel, hat als Symbol seiner Macht einen Schuhanzieher mit Löwenkopf als Knauf mitgebracht und guckt ziemlich grimmig. Ngudjolo muss zu seiner Sicherheit im Panzerwagen durch die Straßen chauffiert werden.

      Während in Bunia hilflos versucht wird, so etwas wie Ordnung aufrechtzuerhalten, scheint Uno-Generalsekretär Kofi Annan bereits das Vertrauen in seine eigenen bewaffneten Kräfte verloren zu haben. Nach über einer Woche des Mordens kam der Uno-Sicherheitsrat seinem Vorschlag nach, der Entsendung einer internationalen Friedenstruppe zuzustimmen. Und obwohl im Juli Blauhelme aus Bangladesch in dem Kriegsgebiet erwartet werden, ist Annan an die Europäische Union herangetreten mit der Bitte, Soldaten zur Verfügung zu stellen.

      Bislang hat sich nur Frankreich bereit erklärt, 1000 Soldaten für eine solche Mission zur Verfügung zu stellen. Dies auch nur unter der Bedingung, dass sowohl Uganda als auch Ruanda dem Einmarsch französischer Soldaten zustimmen. Daran könnte jedoch der Versuch scheitern, den Genozid zu stoppen. Während des Völkermordes in Ruanda 1994 hatten französische Soldaten eine unrühmliche Rolle gespielt und Hutu-Milizen unterstützt. Nach 100 Tagen des Mordens hatten rund 800 000 Menschen ihr Leben verloren. Schon jetzt kündigte die Regierung in Kigali Widerstand gegen ein französisches Engagement an.

      Und so wird sich wohl nicht allzu viel ändern im Kongo, den der Schriftsteller Joseph Conrad schon 1899 als einen "Todeshain" bezeichnet hat. Seinen Protagonisten Kurtz ließ er entsetzt ausrufen: "Das Grauen! Das Grauen!"

      THILO THIELKE

      -------------
      Der böse Westen? Oder sind Afrikaner einfach so?

      Schlimm das auf einem Planeten in manchen Ländern hundertausende für ne Krebsbehandlung eines Hamsters ausgegeben wird und inmnachen hundertausende sich ohne grund in stücke haun und niemand einschreitet

      schon pervers
      Avatar
      schrieb am 26.05.03 12:45:10
      Beitrag Nr. 2 ()
      pervers sind nicht die krebsbehandlungen,sonder das geschrei an anderer stelle wenn mal eingegriffen wird.

      das problem der kindersoldaten ist für einen westlichen bürger nicht zu begreifen,hier gilt es neutral festzustellen,es geht nicht um gut und böse,aber einhalt ist nur mit GEWALT zu gebieten,aber greift man ein,schreien die unwissenden schon wieder KRIEG....

      perverse welt,in der tat.


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