Russisch Roulette - 500 Beiträge pro Seite
eröffnet am 27.12.03 20:38:21 von
neuester Beitrag 19.01.04 23:04:13 von
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Quelle: http://www.welt.de/data/2003/12/27/215032.html
Russisch Roulette
Ruhe bewahren und sich nicht provozieren lassen heißt es, wenn der Personalchefauf auf Bewerber zielt mit exotischen Fragen und skurrilen Tricks
Lassen Sie uns russisches Roulette spielen!" Der Bewerber zittert leicht, ihm steht der Schweiß auf der Stirn. Cool baut sich der Personalchef neben ihm auf. Er steckt zwei Kugeln in benachbarte Kammern, dreht die Revolvertrommel und drückt ab. Klick. Der Bewerber zuckt zusammen. "Sie Glückspilz!", lacht der Personalchef hämisch, während er den Revolver wieder ansetzt. "Bevor ich mir Ihren Lebenslauf ansehe, drücke ich noch einmal ab." Dann hält er kurz inne und fragt beiläufig: "Soll ich die Trommel vorher drehen?"
Bei amerikanischen Investmentbanken erfreut sich dieses Spielchen derzeit großer Beliebtheit. Die gute Nachricht: Der Revolver ist rein imaginär, der Interviewer hält dem Kandidaten nur seinen ausgestreckten Zeigefinger an die Stirn. Die schlechte Nachricht: Wer zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wird, muss künftig auch hier zu Lande mit solchen Spielchen rechnen. Denn unter den Personalverantwortlichen ist das große Experimentieren ausgebrochen. Mit Klischees wie "wo sehen Sie sich in fünf Jahren" lassen es immer weniger Interviewer bewenden. Abgefahrenes ist angesagt: Das Repertoire reicht von Trickfragen a là "Wie viel Tennisbälle sind in diesem Moment in Neuseeland in der Luft?" bis zu Aufgaben wie "Entwerfen Sie eine PR-Kampagne für Attila den Hunnen".
Der Trend zum unkonventionellen Interview kommt aus den USA: Als Vorreiter der Trickfragen gilt der Softwarekonzern Microsoft. Aber auch Hewlett-Packard und die US-Armee setzen neuerdings solche Hirnpuzzles ein. Jetzt schwappen die Einstellungstests auch nach Europa herüber. Eine Umfrage des britischen Personaldienstleisters Reed unter 250 Personalchefs ergab: Immer mehr Firmen setzen auf Rollenspiele und psychologische Test.
Eine parallele Umfrage unter Jobsuchern führte unglaubliche Beispiele zu Tage: Ein Bewerber wurde aufgefordert, spontan ein Lied über seine prospektive Stelle zu schmettern. Ein anderer sollte ein Kamingitter aus Schokolade vermarkten. Zu den Inquisitions-Interviews bekennen sich die Firmen natürlich offiziell nicht.
Das besondere an diesen Spielchen ist, dass es nur selten eine richtige Antwort gibt. Der Kandidat soll vielmehr zeigen, wie kreativ und flexibel er ist. "Die Personal-Experten wollen hören, wie der Kandidat laut denkt", erklärt Heinrich Wottawa von der Ruhr-Universität Bochum. Der Psychologie-Professor gilt hier zu Lande spätestens seit der IQ-Show als Experte für knifflige Fragen schlechthin. Querdenken ist also angesagt. Bewerber sollen Lösungsvorschläge durchspielen, Gegenfragen stellen und beweisen, wie pfiffig sie sind. Die Sache mit den Tennisbällen zum Beispiel läuft auf eine Schätzung hinaus. Hier können Bewerber Pluspunkte sammeln denen einfällt, dass in Neuseeland zur deutschen Mittagszeit tiefe Nacht ist.
Doch so locker-flockig diese Bewerbertests auch wirken - sie sind aus der Not geboren: "Die meisten Interviews in Deutschland haben kaum Aussagekraft, weil sie zu dilettantisch geführt werden", erklärt Psychologe Wottawa. Mit Fragen zum Lebenslauf könne man heute keinen Bewerber mehr aus der Reserve locken: "Jeder, der 50 Euro für ein Bewerbungstraining investiert hat, ist darauf vorbereitet." Mit den Kopfnüssen dagegen könnten, so der IQ-Guru, die kreativen Problemlöser von den Auswendiglernern getrennt werden.
Auch Jürgen Hesse, Berliner Karriereexperte und Mitverfasser mehrerer Bewerbungsratgeber, beobachtet, wie sich Überrumpelungsmethoden auch bei uns verbreiten. In Deutschland hätten solche Attacken allerdings meist aggressiven Charakter, so Hesse, der Personalverantwortliche bemerkt etwa aus heiterem Himmel: "Ihr Zeugnis ist ja eigentlich grottenschlecht." Der Bewerbungs-Experte erklärt die Taktik: "Hier geht es eher darum, die Stressresistenz des Kandidaten zu testen." Grundsätzlich hält Hesse die exotischen Testfragen für ein geeignetes Mittel, um die Kreativität der Kandidaten zu prüfen, "solange diese Fragen nicht übergewichtet werden". Da sich Bewerber auf diese Überfälle kaum vorbereiten können, bleiben nur allgemeine Gegenstrategien: Ruhe bewahren, nicht provozieren lassen, auf Zeit spielen etwa mit Antworten wie "Die offensichtliche Antwort wäre..."
Und ein bisschen Statistikwissen kann auch helfen zum Beispiel beim russischen Roulette. Wiederholt der Personalchef nämlich das Experiment mit zwei neuen Kugeln, ist die Überlebenswahrscheinlichkeit vier zu sechs oder 66 Prozent. Anders ist die Lage bei der Option "sofort noch mal schießen": Hier stehen die Chancen, dass eine weitere leere Kammer folgt, drei zu vier oder 75 Prozent. Der Jobbewerber sollte also die Zähne zusammenbeißen und den Personaler noch mal abdrücken lassen.
Buchtipp: William Poundstone: "How would you move Mount Fuji?" (englische Originalausgabe), Little Brown and Company 2003, 288 S., 22 Euro.
Russisch Roulette
Ruhe bewahren und sich nicht provozieren lassen heißt es, wenn der Personalchefauf auf Bewerber zielt mit exotischen Fragen und skurrilen Tricks
Lassen Sie uns russisches Roulette spielen!" Der Bewerber zittert leicht, ihm steht der Schweiß auf der Stirn. Cool baut sich der Personalchef neben ihm auf. Er steckt zwei Kugeln in benachbarte Kammern, dreht die Revolvertrommel und drückt ab. Klick. Der Bewerber zuckt zusammen. "Sie Glückspilz!", lacht der Personalchef hämisch, während er den Revolver wieder ansetzt. "Bevor ich mir Ihren Lebenslauf ansehe, drücke ich noch einmal ab." Dann hält er kurz inne und fragt beiläufig: "Soll ich die Trommel vorher drehen?"
Bei amerikanischen Investmentbanken erfreut sich dieses Spielchen derzeit großer Beliebtheit. Die gute Nachricht: Der Revolver ist rein imaginär, der Interviewer hält dem Kandidaten nur seinen ausgestreckten Zeigefinger an die Stirn. Die schlechte Nachricht: Wer zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wird, muss künftig auch hier zu Lande mit solchen Spielchen rechnen. Denn unter den Personalverantwortlichen ist das große Experimentieren ausgebrochen. Mit Klischees wie "wo sehen Sie sich in fünf Jahren" lassen es immer weniger Interviewer bewenden. Abgefahrenes ist angesagt: Das Repertoire reicht von Trickfragen a là "Wie viel Tennisbälle sind in diesem Moment in Neuseeland in der Luft?" bis zu Aufgaben wie "Entwerfen Sie eine PR-Kampagne für Attila den Hunnen".
Der Trend zum unkonventionellen Interview kommt aus den USA: Als Vorreiter der Trickfragen gilt der Softwarekonzern Microsoft. Aber auch Hewlett-Packard und die US-Armee setzen neuerdings solche Hirnpuzzles ein. Jetzt schwappen die Einstellungstests auch nach Europa herüber. Eine Umfrage des britischen Personaldienstleisters Reed unter 250 Personalchefs ergab: Immer mehr Firmen setzen auf Rollenspiele und psychologische Test.
Eine parallele Umfrage unter Jobsuchern führte unglaubliche Beispiele zu Tage: Ein Bewerber wurde aufgefordert, spontan ein Lied über seine prospektive Stelle zu schmettern. Ein anderer sollte ein Kamingitter aus Schokolade vermarkten. Zu den Inquisitions-Interviews bekennen sich die Firmen natürlich offiziell nicht.
Das besondere an diesen Spielchen ist, dass es nur selten eine richtige Antwort gibt. Der Kandidat soll vielmehr zeigen, wie kreativ und flexibel er ist. "Die Personal-Experten wollen hören, wie der Kandidat laut denkt", erklärt Heinrich Wottawa von der Ruhr-Universität Bochum. Der Psychologie-Professor gilt hier zu Lande spätestens seit der IQ-Show als Experte für knifflige Fragen schlechthin. Querdenken ist also angesagt. Bewerber sollen Lösungsvorschläge durchspielen, Gegenfragen stellen und beweisen, wie pfiffig sie sind. Die Sache mit den Tennisbällen zum Beispiel läuft auf eine Schätzung hinaus. Hier können Bewerber Pluspunkte sammeln denen einfällt, dass in Neuseeland zur deutschen Mittagszeit tiefe Nacht ist.
Doch so locker-flockig diese Bewerbertests auch wirken - sie sind aus der Not geboren: "Die meisten Interviews in Deutschland haben kaum Aussagekraft, weil sie zu dilettantisch geführt werden", erklärt Psychologe Wottawa. Mit Fragen zum Lebenslauf könne man heute keinen Bewerber mehr aus der Reserve locken: "Jeder, der 50 Euro für ein Bewerbungstraining investiert hat, ist darauf vorbereitet." Mit den Kopfnüssen dagegen könnten, so der IQ-Guru, die kreativen Problemlöser von den Auswendiglernern getrennt werden.
Auch Jürgen Hesse, Berliner Karriereexperte und Mitverfasser mehrerer Bewerbungsratgeber, beobachtet, wie sich Überrumpelungsmethoden auch bei uns verbreiten. In Deutschland hätten solche Attacken allerdings meist aggressiven Charakter, so Hesse, der Personalverantwortliche bemerkt etwa aus heiterem Himmel: "Ihr Zeugnis ist ja eigentlich grottenschlecht." Der Bewerbungs-Experte erklärt die Taktik: "Hier geht es eher darum, die Stressresistenz des Kandidaten zu testen." Grundsätzlich hält Hesse die exotischen Testfragen für ein geeignetes Mittel, um die Kreativität der Kandidaten zu prüfen, "solange diese Fragen nicht übergewichtet werden". Da sich Bewerber auf diese Überfälle kaum vorbereiten können, bleiben nur allgemeine Gegenstrategien: Ruhe bewahren, nicht provozieren lassen, auf Zeit spielen etwa mit Antworten wie "Die offensichtliche Antwort wäre..."
Und ein bisschen Statistikwissen kann auch helfen zum Beispiel beim russischen Roulette. Wiederholt der Personalchef nämlich das Experiment mit zwei neuen Kugeln, ist die Überlebenswahrscheinlichkeit vier zu sechs oder 66 Prozent. Anders ist die Lage bei der Option "sofort noch mal schießen": Hier stehen die Chancen, dass eine weitere leere Kammer folgt, drei zu vier oder 75 Prozent. Der Jobbewerber sollte also die Zähne zusammenbeißen und den Personaler noch mal abdrücken lassen.
Buchtipp: William Poundstone: "How would you move Mount Fuji?" (englische Originalausgabe), Little Brown and Company 2003, 288 S., 22 Euro.
#1
Ich kann nur sagen:Kranke Gesellschaft!
Fachwissen zählt nicht.
Dummlabern,Schlagfertigkeit usw.zählt heute offensichtlich mehr,als fachliche Kompetenz.
Ich kann nur sagen:Kranke Gesellschaft!
Fachwissen zählt nicht.
Dummlabern,Schlagfertigkeit usw.zählt heute offensichtlich mehr,als fachliche Kompetenz.
In Deutschland kein Wunder, hier gibt es nicht einen einzigen Bewerber mit einem auch nur mittelmäßigen Zeugnis.
Die sind alle super, zur vollsten Zufriedenheit etc.
Die Aussagekraft dieser Zeugnisse ist 0.
Das muss man sich schon was anderes einfallen lassen,
unserem tollen "Arbeitnehmerschutz" sei Dank.
Die sind alle super, zur vollsten Zufriedenheit etc.
Die Aussagekraft dieser Zeugnisse ist 0.
Das muss man sich schon was anderes einfallen lassen,
unserem tollen "Arbeitnehmerschutz" sei Dank.
Doch, es gibt noch andere. Meine Zeugnisse gehören zu der Kategorie "grotten schlecht".
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