Deutschland: Ein bisschen Bierbauch - nicht der kranke Mann Europas (Müntefering) - 500 Beiträge pro Seite
eröffnet am 25.03.04 00:45:50 von
neuester Beitrag 25.03.04 01:00:41 von
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Ein bisschen Bierbauch
Wie der neue SPD-Hoffnungsträger Müntefering ein Buch präsentiert, das das Totenglöckchen für den bisherigen Sozialstaat läutet
VON KARL DOEMENS (BERLIN)
"Abstieg?" Das empfindet der Fußballfan doch als ein reichlich hartes Wort. Die Entwicklung Deutschlands sieht Franz Müntefering eher als "einen Prozess, der außerordentlich bunt und chaotisch läuft". Auch als "kranken Mann Europas" würde er die Bundesrepublik nicht bezeichnen. Aber: "Wir tragen ein bisschen den Bierbauch vor uns her", formuliert der Sauerländer.
So also klingt es, wenn der frisch gekürte SPD-Chef, der mehr Sinn für die Befindlichkeit der Basis als für die hohe Kunst der Rhetorik hat, das pointiert-provokative Buch eines Spiegel-Redakteurs (Gabor Steingart: Deutschland. Der Abstieg eines Superstars) vorstellt, das den Sozialstaat alter Prägung demonstrativ zu Grabe trägt. Der Chefredakteur des Magazins scheint selbst fast ein bisschen erstaunt, dass Müntefering die Einladung angenommen hat. "Eigentlich", räumt Stefan Aust ein, sei "das nicht gerade ein Buch, das aus der Seele des Sozialdemokraten spricht."
Das ist noch freundlich ausgedrückt. Auf 300 Seiten beschreibt der Berliner Büroleiter Steingart mit einem Wust teilweise durchaus anfechtbarer Fakten, wie seit Jahren der produktive Kern der deutschen Volkswirtschaft schmilzt und der Sozialstaat überfordert wird. Dank eines umfangreichen Vorabdrucks im Spiegel hat sich der Titel, der mit Kritik an der rot-grünen Regierung (wie auch ihren Vorgängern) nicht geizt, binnen weniger Tagen in die Bestsellercharts katapultiert.
Müntefering nimmt die Kritik sportlich. Ein wenig beklagt er sich über die Ökonomisierung der Sprache und äußert Zweifel an der vorgeschlagenen Einführung des Mehrheitswahlrechts. Vor allem aber hält er mit Genugtuung fest, dass der Autor Wissen und Bildung als das eigentliche volkswirtschaftliche Kapital beschreibt. "Das ist sehr hilfreich, wenn man darauf hinweist, wie wichtig diese Punkte sind", sagt Müntefering und unterdrückt gerade noch einen Schlenker zu den von der Koalition auf diesem Gebiet geplanten Aktivitäten. Mit Vergnügen hat Müntefering auch gelesen, dass Steingart für eine stärkere Besteuerung von Vermögen und Erbschaften eintritt.
Artig bedankt sich der Autor für die Laudatio, kann sich gleichwohl den Hinweis nicht verkneifen, dass der SPD-Chef "über einen zentralen Punkt ein bisschen hinweggegangen" sei. Die "Agenda 2010" sei nur ein kleiner Schritt, weil sie das "falsche System" beibehalte, lautet Steingarts These: Die Sozialversicherungen müssten ganz von den Löhnen entkoppelt und über eine steuerfinanzierte Grundsicherung (Rente) oder sozial gestaffelte private Kopfprämien (Gesundheit) organisiert werden.
"Ich halte die Konstruktion der Sozialsysteme nicht für ausschlaggebend", hält Müntefering lapidar dagegen. Wichtig sei, dass die Lohnnebenkosten nicht steigen. Das habe man mit der Agenda bewirkt. Dankbar nimmt er den Hinweis aus dem Publikum auf, dass sich schon dagegen massiver Widerstand in der Bevölkerung rege. "Größte Probleme", gesteht Müntefering, habe man mit der Generation der 55- bis 70-Jährigen: "Die glauben oft, dass irgendwo noch Geld ist, das wir nicht herausrücken wollen".
Dieser Illusion hängt im Publikum niemand an. So kann Müntefering berichten, wie ihm bei der Lektüre klar geworden ist, dass sich die soziale Marktwirtschaft in direkter Abgrenzung zu Planwirtschaft und Kommunismus entwickelt habe. Nun sei das Gegenmodell verschwunden: "Ich bin gespannt, ob es eine Zellteilung in zwei Richtungen der sozialen Marktwirtschaft geben wird." Ein interessanter Gedanke - "für Ihr nächstes Buch", sagt der SPD-Chef. Und steigt eilig vom Podium.
Frankfurter Rundschau 25.3.2004
http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/de…
Wie der neue SPD-Hoffnungsträger Müntefering ein Buch präsentiert, das das Totenglöckchen für den bisherigen Sozialstaat läutet
VON KARL DOEMENS (BERLIN)
"Abstieg?" Das empfindet der Fußballfan doch als ein reichlich hartes Wort. Die Entwicklung Deutschlands sieht Franz Müntefering eher als "einen Prozess, der außerordentlich bunt und chaotisch läuft". Auch als "kranken Mann Europas" würde er die Bundesrepublik nicht bezeichnen. Aber: "Wir tragen ein bisschen den Bierbauch vor uns her", formuliert der Sauerländer.
So also klingt es, wenn der frisch gekürte SPD-Chef, der mehr Sinn für die Befindlichkeit der Basis als für die hohe Kunst der Rhetorik hat, das pointiert-provokative Buch eines Spiegel-Redakteurs (Gabor Steingart: Deutschland. Der Abstieg eines Superstars) vorstellt, das den Sozialstaat alter Prägung demonstrativ zu Grabe trägt. Der Chefredakteur des Magazins scheint selbst fast ein bisschen erstaunt, dass Müntefering die Einladung angenommen hat. "Eigentlich", räumt Stefan Aust ein, sei "das nicht gerade ein Buch, das aus der Seele des Sozialdemokraten spricht."
Das ist noch freundlich ausgedrückt. Auf 300 Seiten beschreibt der Berliner Büroleiter Steingart mit einem Wust teilweise durchaus anfechtbarer Fakten, wie seit Jahren der produktive Kern der deutschen Volkswirtschaft schmilzt und der Sozialstaat überfordert wird. Dank eines umfangreichen Vorabdrucks im Spiegel hat sich der Titel, der mit Kritik an der rot-grünen Regierung (wie auch ihren Vorgängern) nicht geizt, binnen weniger Tagen in die Bestsellercharts katapultiert.
Müntefering nimmt die Kritik sportlich. Ein wenig beklagt er sich über die Ökonomisierung der Sprache und äußert Zweifel an der vorgeschlagenen Einführung des Mehrheitswahlrechts. Vor allem aber hält er mit Genugtuung fest, dass der Autor Wissen und Bildung als das eigentliche volkswirtschaftliche Kapital beschreibt. "Das ist sehr hilfreich, wenn man darauf hinweist, wie wichtig diese Punkte sind", sagt Müntefering und unterdrückt gerade noch einen Schlenker zu den von der Koalition auf diesem Gebiet geplanten Aktivitäten. Mit Vergnügen hat Müntefering auch gelesen, dass Steingart für eine stärkere Besteuerung von Vermögen und Erbschaften eintritt.
Artig bedankt sich der Autor für die Laudatio, kann sich gleichwohl den Hinweis nicht verkneifen, dass der SPD-Chef "über einen zentralen Punkt ein bisschen hinweggegangen" sei. Die "Agenda 2010" sei nur ein kleiner Schritt, weil sie das "falsche System" beibehalte, lautet Steingarts These: Die Sozialversicherungen müssten ganz von den Löhnen entkoppelt und über eine steuerfinanzierte Grundsicherung (Rente) oder sozial gestaffelte private Kopfprämien (Gesundheit) organisiert werden.
"Ich halte die Konstruktion der Sozialsysteme nicht für ausschlaggebend", hält Müntefering lapidar dagegen. Wichtig sei, dass die Lohnnebenkosten nicht steigen. Das habe man mit der Agenda bewirkt. Dankbar nimmt er den Hinweis aus dem Publikum auf, dass sich schon dagegen massiver Widerstand in der Bevölkerung rege. "Größte Probleme", gesteht Müntefering, habe man mit der Generation der 55- bis 70-Jährigen: "Die glauben oft, dass irgendwo noch Geld ist, das wir nicht herausrücken wollen".
Dieser Illusion hängt im Publikum niemand an. So kann Müntefering berichten, wie ihm bei der Lektüre klar geworden ist, dass sich die soziale Marktwirtschaft in direkter Abgrenzung zu Planwirtschaft und Kommunismus entwickelt habe. Nun sei das Gegenmodell verschwunden: "Ich bin gespannt, ob es eine Zellteilung in zwei Richtungen der sozialen Marktwirtschaft geben wird." Ein interessanter Gedanke - "für Ihr nächstes Buch", sagt der SPD-Chef. Und steigt eilig vom Podium.
Frankfurter Rundschau 25.3.2004
http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/de…
Zur gleichen Thematik in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung siehe Thread: Müntefering ein Neoliberaler ? ("Müntefering ein Neoliberaler ?")
Interessant das nur Frankfurter Zeitungen über die Buchvorstellung berichten.
Interessant das nur Frankfurter Zeitungen über die Buchvorstellung berichten.
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