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    Das Märchen von ... oder was Tiere so drauf haben... - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 08.04.04 07:34:35 von
    neuester Beitrag 01.05.05 22:28:55 von
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      schrieb am 08.04.04 07:34:35
      Beitrag Nr. 1 ()
      Die Bremer Stadtmusikanten

      Es war einmal ein Mann, der hatte einen Esel, welcher schon lange Jahre unverdrossen die Säcke in die Mühle getragen hatte. Nun aber gingen die Kräfte des Esels zu Ende, so dass er zur Arbeit nicht mehr taugte. Da dachte der Herr daran, ihn wegzugehen. Aber der Esel merkte, dass sein Herr etwas Böses im Sinn hatte, lief fort und machte sich auf den Weg nach Bremen. Dort, so meinte er, könnte er ja Stadtmusikant werden.

      Als er schon eine Weile gegangen war, fand er einen Jagdhund am Wege liegen, der jämmerlich heulte. "Warum heulst du denn so, Pack an?" fragte der Esel.

      "Ach", sagte der Hund, "weil ich alt bin, jeden Tag schwächer werde und auch nicht mehr auf die Jagd kann, wollte mich mein Herr totschießen. Da hab ich Reißaus genommen. Aber womit soll ich nun mein Brot verdienen?"

      "Weißt du, was", sprach der Esel, "ich gehe nach Bremen und werde dort Stadtmusikant. Komm mit mir und lass dich auch bei der Musik annehmen. Ich spiele die Laute, und du schlägst die Pauken."

      Der Hund war einverstanden, und sie gingen mitsammen weiter. Es dauerte nicht lange, da sahen sie eine Katze am Wege sitzen, die machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. "Was ist denn dir in die Quere gekommen, alter Bartputzer?" fragte der Esel.

      "Wer kann da lustig sein, wenn`s einem an den Kragen geht", antwortete die Katze. "Weil ich nun alt bin, meine Zähne stumpf werden und ich lieber hinter dem Ofen sitze und spinne, als nach Mäusen herumjage, hat mich meine Frau ersäufen wollen. Ich konnte mich zwar noch davonschleichen, aber nun ist guter Rat teuer. Wo soll ich jetzt hin?"

      "Geh mit uns nach Bremen! Du verstehst dich doch auf die Nachtmusik, da kannst du Stadtmusikant werden."

      Die Katze hielt das für gut und ging mit. Als die drei so miteinander gingen, kamen sie an einem Hof vorbei. Da saß der Haushahn auf dem Tor und schrie aus Leibeskräften. "Du schreist einem durch Mark und Bein", sprach der Esel, "was hast du vor?"

      "Die Hausfrau hat der Köchin befohlen, mir heute Abend den Kopf abzuschlagen. Morgen, am Sonntag, haben sie Gäste, da wollen sie mich in der Suppe essen. Nun schrei ich aus vollem Hals, solang ich noch kann."

      "Ei was" sagte der Esel, "zieh lieber mit uns fort, wir gehen nach Bremen, etwas Besseres als den Tod findest du überall. Du hast eine gute Stimme, und wenn wir mitsammen musizieren, wird es gar herrlich klingen." Dem Hahn gefiel der Vorschlag, und sie gingen alle vier mitsammen fort.

      Sie konnten aber die Stadt Bremen an einem Tag nicht erreichen und kamen abends in einen Wald, wo sie übernachten wollten. Der Esel und der Hund legten sich unter einen großen Baum, die Katze kletterte auf einen Ast, und der Hahn flog bis in den Wipfel, wo es am sichersten für ihn war.

      Ehe er einschlief, sah er sich noch einmal nach allen vier Windrichtungen um. Da bemerkte er einen Lichtschein. Er sagte seinen Gefährten, dass in der Nähe ein Haus sein müsse, denn er sehe ein Licht. Der Esel antwortete: "So wollen wir uns aufmachen und noch hingehen, denn hier ist die Herberge schlecht." Der Hund meinte, ein paar Knochen und etwas Fleisch daran täten ihm auch gut.

      Also machten sie sich auf den Weg nach der Gegend, wo das Licht war. Bald sahen sie es heller schimmern, und es wurde immer größer, bis sie vor ein hellerleuchtetes Räuberhaus kamen. Der Esel, als der größte, näherte sich dem Fenster und schaute hinein.

      "Was siehst du, Grauschimmel?" fragte der Hahn.

      "Was ich sehe?" antwortete der Esel. "Einen gedeckten Tisch mit schönem Essen und Trinken, und Räuber sitzen rundherum und lassen sich`s gut gehen!"

      "Das wäre etwas für uns", sprach der Hahn.

      Da überlegten die Tiere, wie sie es anfangen könnten, die Räuber hinauszujagen. Endlich fanden sie ein Mittel. Der Esel stellte sich mit den Vorderfüßen auf das Fenster, der Hund sprang auf des Esels Rücken, die Katze kletterte auf den Hund, und zuletzt flog der Hahn hinauf und setzte sich der Katze auf den Kopf. Als das geschehen war, fingen sie auf ein Zeichen an, ihre Musik zu machen: der Esel schrie, der Hund bellte, die Katze miaute, und der Hahn krähte. Darauf stürzten sie durch das Fenster in die Stube hinein, dass die Scheiben klirrten.

      Die Räuber fuhren bei dem entsetzlichen Geschrei in die Höhe. Sie meinten, ein Gespenst käme herein, und flohen in größter Furcht in den Wald hinaus.

      Nun setzten sie die vier Gesellen an den Tisch, und jeder aß nach Herzenslust von den Speisen, die ihm am besten schmeckten.

      Als sie fertig waren, löschten sie das Licht aus, und jeder suchte sich eine Schlafstätte nach seinem Geschmack. Der Esel legte sich auf den Mist, der Hund hinter die Tür, die Katze auf den Herd bei der warmen Asche, und der Hahn flog auf das Dach hinauf. Und weil sie müde waren von ihrem langen Weg, schliefen sie bald ein.

      Als Mitternacht vorbei war und die Räuber von weitem sahen, dass kein Licht mehr im Haus brannte und alles ruhig schien, sprach der Hauptmann: "Wir hätten uns doch nicht sollen ins Bockshorn jagen lassen." Er schickte einen Räuber zurück, um nachzusehen, ob noch jemand im Hause wäre.

      Der Räuber fand alles still. Er ging in die Küche und wollte ein Licht anzünden. Da sah er die feurigen Augen der Katze und meinte, es wären glühende Kohlen. Er hielt ein Schwefelhölzchen daran, dass es Feuer fangen sollte. Aber die Katze verstand keinen Spaß, sprang ihm ins Gesicht und kratzte ihn aus Leibeskräften. Da erschrak er gewaltig und wollte zur Hintertür hinauslaufen. Aber der Hund, der da lag, sprang auf und biss ihn ins Bein. Als der Räuber über den Hof am Misthaufen vorbeirannte, gab ihm der Esel noch einen tüchtigen Schlag mit dem Hinterfuß. Der Hahn aber, der von dem Lärm aus dem Schlaf geweckt worden war, rief vom Dache herunter: "Kikeriki!"

      Da lief der Räuber, was er konnte, zu seinem Hauptmann zurück und sprach: "Ach, in dem Haus sitzt eine gräuliche Hexe, die hat mich angehaucht und mir mit ihren langen Fingern das Gesicht zerkratzt. An der Tür steht ein Mann mit einem Messer, der hat mich ins Bein gestochen. Auf dem Hof liegt ein schwarzes Ungetüm, das hat mit einem Holzprügel auf mich losgeschlagen. Und oben auf dem Dache, da sitzt der Richter, der rief: `Bringt mir den Schelm her!` Da machte ich, dass ich fortkam."

      Von nun an getrauten sich die Räuber nicht mehr in das Haus. Den vier Bremer Stadtmusikanten aber gefiel`s darin so gut, dass sie nicht wieder hinaus wollten.
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      schrieb am 08.04.04 07:39:12
      Beitrag Nr. 2 ()
      Der gestiefelte Kater


      Es war einmal ein Müller, der hatte drei Söhne, seine Mühle, einen Esel und einen Kater; die Söhne mußten mahlen, der Esel Getreide holen und Mehl forttragen, die Katze dagegen die Mäuse wegfangen. Als der Müller starb, teilten sich die drei Söhne in die Erbschaft: der älteste bekam die Mühle, der zweite den Esel, der dritte den Kater; weiter blieb nichts für ihn übrig. Da war er traurig und sprach zu sich selbst: »Mir ist es doch recht schlimm ergangen, mein ältester Bruder kann mahlen, mein zweiter auf seinem Esel reiten – was kann ich mit dem Kater anfangen? Ich laß mir ein Paar Pelzhandschuhe aus seinem Fell machen, dann ist`s vorbei.«

      »Hör«, fing der Kater an, der alles verstanden hatte, »du brauchst mich nicht zu töten, um ein Paar schlechte Handschuhe aus meinem Pelz zu kriegen; laß mir nur ein Paar Stiefel machen, daß ich ausgehen und mich unter den Leuten sehen lassen kann, dann soll dir bald geholfen sein.« Der Müllersohn verwunderte sich, daß der Kater so sprach, weil aber eben der Schuster vorbeiging, rief er ihn herein und ließ ihm die Stiefel anmessen. Als sie fertig waren, zog sie der Kater an, nahm einen Sack, machte dessen Boden voll Korn, band aber eine Schnur drum, womit man ihn zuziehen konnte, dann warf er ihn über den Rücken und ging auf zwei Beinen, wie ein Mensch, zur Tür hinaus.

      Damals regierte ein König im Land, der aß so gerne Rebhühner: es war aber eine Not, daß keine zu kriegen waren. Der ganze Wald war voll, aber sie waren so scheu, daß kein Jäger sie erreichen konnte. Das wußte der Kater, und gedachte seine Sache besserzumachen; als er in den Wald kam, machte er seinen Sack auf, breitete das Korn auseinander, die Schnur aber legte er ins Gras und leitete sie hinter eine Hecke. Da versteckte er sich selber, schlich herum und lauerte. Die Rebhühner kamen bald gelaufen, fanden das Korn – und eins nach dem andern hüpfte in den Sack hinein. Als eine gute Anzahl drinnen war, zog der Kater den Strick zu, lief herbei und drehte ihnen den Hals um; dann warf er den Sack auf den Rücken und ging geradewegs zum Schloß des Königs. Die Wache rief. »Halt! Wohin?« – »Zum König!« antwortete der Kater kurzweg. »Bist du toll, ein Kater und zum König?« – »Laß ihn nur gehen«, sagte ein anderer, »der König hat doch oft Langeweile, vielleicht macht ihm der Kater mit seinem Brummen und Spinnen Vergnügen.« Als der Kater vor den König kam, machte er eine tiefe Verbeugung und sagte: »Mein Herr, der Graf« – dabei nannte er einen langen und vornehmen Namen – »läßt sich dem Herrn König empfehlen und schickt ihm hier Rebhühner«; wußte der sich vor Freude nicht zu fassen und befahl dem Kater, soviel Gold aus der Schatzkammer in seinen Sack zu tun, wie er nur tragen könne: »Das bringe deinem Herrn, und danke ihm vielmals für sein Geschenk.«

      Der arme Müllersohn aber saß zu Haus am Fenster, stützte den Kopf auf die Hand und dachte, daß er nun sein letztes Geld für die Stiefel des Katers weggegeben habe, und der ihm wohl nichts besseres dafür bringen könne. Da trat der Kater herein, warf den Sack vom Rücken, schnürte ihn auf und schüttete das Gold vor den Müller hin: »Da hast du etwas Gold vom König, der dich grüßen läßt und sich für die Rebhühner bei dir bedankt.« Der Müller war froh über den Reichtum, ohne daß er noch recht begreifen konnte, wie es zugegangen war. Der Kater aber, während er seine Stiefel auszog, erzählte ihm alles; dann sagte er: »Du hast jetzt zwar Geld genug, aber dabei soll es nicht bleiben; morgen ziehe ich meine Stiefel wieder an, dann sollst du noch reicher werden; dem König habe ich nämlich gesagt, daß du ein Graf bist.« Am andern Tag ging der Kater, wie er gesagt hatte, wohl gestiefelt, wieder auf die Jagd, und brachte dem König einen reichen Fang. So ging es alle Tage, und der Kater brachte alle Tage Gold heim und ward so beliebt beim König, daß er im Schlosse ein- und ausgehen durfte. Einmal stand der Kater in der Küche des Schlosses beim Herd und wärmte sich, da kam der Kutscher und fluchte: »Ich wünsche, der König mit der Prinzessin wäre beim Henker! Ich wollte ins Wirtshaus gehen, einmal einen trinken und Karten spielen, da sollt ich sie spazierenfahren an den See.« Wie der Kater das hörte, schlich er nach Haus und sagte zu seinem Herrn: »Wenn du ein Graf und reich werden willst, so komm mit mir hinaus an den See und bade darin.« Der Müller wußte nicht, was er dazu sagen sollte, doch folgte er dem Kater, ging mit ihm, zog sich splitternackt aus und sprang ins Wasser. Der Kater aber nahm seine Kleider, trug sie fort und versteckte sie. Kaum war er damit fertig, da kam der König dahergefahren; der Kater fing sogleich an, erbärmlich zu lamentieren: »Ach! Allergnädigster König! Mein Herr, der hat sich hier im See zum Baden begeben, da ist ein Dieb gekommen und hat ihm die Kleider gestohlen, die am Ufer lagen; nun ist der Herr Graf im Wasser und kann nicht heraus, und wenn er sich noch länger darin aufhält, wird er sich erkälten und sterben.« Wie der König das hörte, ließ er anhalten und einer seiner Leute mußte zurückjagen und von des Königs Kleider holen. Der Herr Graf zog dann auch die prächtigen Kleider an, und weil ihm ohnehin der König wegen der Rebhühner, die er meinte, von ihm empfangen zu haben, gewogen war, so mußte er sich zu ihm in die Kutsche setzen. Die Prinzessin war auch nicht bös darüber, denn der Graf war jung und schön, und er gefiel ihr recht gut.

      Der Kater aber war vorausgegangen und zu einer großen Wiese gekommen, wo über hundert Leute waren und Heu machten. »Wem ist die Wiese, ihr Leute?« fragte der Kater. »Dem großen Zauberer.« – »Hört, jetzt wird gleich der König vorbeifahren, wenn er wissen will, wem die Wiese gehört, so antwortet: dem Grafen; und wenn ihr das nicht tut, so werdet ihr alle erschlagen.« Darauf ging der Kater weiter und kam an ein Kornfeld, so groß, daß es niemand übersehen konnte; da standen mehr als zweihundert Leute und schnitten das Korn. »Wem gehört das Korn, ihr Leute?« – »Dem Zauberer.« – »Hört, jetzt wird gleich der König vorbeifahren, wenn er wissen will, wem das Korn gehört, so antwortet: dem Grafen; und wenn ihr das nicht tut, so werdet ihr alle erschlagen.« Endlich kam der Kater an einen prächtigen Wald, da standen mehr als dreihundert Leute, fällten die großen Eichen und machten Holz. »Wem ist der Wald, ihr Leute?« – »Dem Zauberer.« – »Hört, jetzt wird gleich der König vorbeifahren, wenn er wissen will, wem der Wald gehört, so antwortet: dem Grafen; und wenn ihr das nicht tut, so werdet ihr alle erschlagen.« Der Kater ging noch weiter, die Leute sahen ihm alle nach, und weil er so wunderlich aussah, und wie ein Mensch in Stiefeln daherging, fürchteten sie sich vor ihm. Er kam bald an des Zauberers Schloß, trat keck hinein und vor diesen hin. Der Zauberer sah ihn verächtlich an, dann fragte er ihn, was er wolle. Der Kater verbeugte sich tief und sagte: »Ich habe gehört, daß du dich in jedes Tier ganz nach deinem Belieben verwandeln könntest; was einen Hund, Fuchs oder auch Wolf betrifft, da will ich es wohl glauben, aber von einem Elefant, das scheint mir ganz unmöglich, und deshalb bin ich gekommen, um mich selbst zu überzeugen.« Der Zauberer sagte stolz: »Das ist für mich eine Kleinigkeit«, und war in dem Augenblick in einen Elefant verwandelt. »Das ist viel«, sagte der Kater, »aber auch in einen Löwen?« – »Das ist auch nichts«, sagte der Zauberer, dann stand er als Löwe vor dem Kater. Der Kater stellte sich erschrocken und rief: »Das ist unglaublich und unerhört, dergleichen hätt ich mir nicht im Traume in die Gedanken kommen lassen; aber noch mehr, als alles andere, wär es, wenn du dich auch in ein so kleines Tier, wie eine Maus ist, verwandeln könntest. Du kannst gewiß mehr, als irgendein Zauberer auf der Welt, aber das wird dir doch zu hoch sein.« Der Zauberer ward ganz freundlich von den süßen Worten und sagte: »O ja, liebes Kätzchen, das kann ich auch«, und sprang als eine Maus im Zimmer herum. Der Kater war hinter ihm her, fing die Maus mit einem Satz und fraß sie auf.

      Der König aber war mit dem Grafen und der Prinzessin weiter spazierengefahren, und kam zu der großen Wiese. »Wem gehört das Heu?« fragte der König. »Dem Herrn Grafen«, riefen alle, wie der Kater ihnen befohlen hatte. »Ihr habt da ein schön Stück Land, Herr Graf«, sagte der König. Danach kamen sie an das große Kornfeld. »Wem gehört das Korn, ihr Leute?« – »Dem Herrn Grafen.« – »Ei! Herr Graf! Große, schöne Ländereien!« – Darauf zu dem Wald: »Wem gehört das Holz, ihr Leute?« – »Dem Herrn Grafen.« Der König verwunderte sich noch mehr und sagte: »Ihr müßt ein reicher Mann sein, Herr Graf, ich glaube nicht, daß ich einen so prächtigen Wald habe.« Endlich kamen sie an das Schloß, der Kater stand oben an der Treppe, und als der Wagen unten hielt, sprang er herab, machte die Türe auf und sagte: »Herr König, Ihr gelangt hier in das Schloß meines Herrn, des Grafen, den diese Ehre für sein Lebtag glücklich machen wird.« Der König stieg aus und verwunderte sich über das prächtige Gebäude, das fast größer und schöner war als sein Schloß; der Graf aber führte die Prinzessin die Treppe hinauf in den Saal, der ganz von Gold und Edelsteinen flimmerte.

      Da ward die Prinzessin mit dem Grafen versprochen, und als der König starb, ward er König, der gestiefelte Kater aber erster Minister.
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      schrieb am 08.04.04 07:47:37
      Beitrag Nr. 3 ()
      Die Gänsemagd

      Es lebte einmal eine alte Königin die hatte eine Tochter. Als sie ihr fünfzehntes Lebensjahr erreichte, wurde sie einem Königssohn weit übers Land versprochen. Als sie nun abreisen sollte packte ihr die Königsmutter einen großen Brautschatz zusammen. Auch gab sie ihr eine Kammerjungfer mit.

      Das Pferd welches die Königstochter ritt hieß Fallada und konnte sprechen. Wie nun der Abschied kam gab ihr die Mutter ein Läppchen mit drei Blutstropfen und sprach: "Sie werden dir unterwegs not tun." Als sie nun eine Zeit geritten waren bekam die Königstochter Durst und befahl ihrer Kammerjungfer Wasser zu schöpfen, doch diese sprach: "Wenn ihr Durst habt, so steigt herab und legt euch selbst hin, ich mag eure Magd nicht sein." Da stieg sie ab, trank aus dem Fluß und klagte: "Ach Gott" und die drei Blutstropfen antworteten: "Wenn das deine Mutter wüßte, das Herz im Leib tät ihr zerspringen". Sie verlor ihr Läppchen mit den Blutstropfen und war nun ohne Schutz. Da nahm ihr die Kammerjungfer ihr Pferd Fallada und sie mußte mit ihr die Kleider tauschen. Auch lies die Kammerjungfer sie schwören bei Hofe nichts zu verraten. Da die Königstochter demütig war schwor sie. Aber Fallada sah das alles und nahm´s wohl hin.

      Als sie am Hofe ankamen mußte die Königstochter dem Gänsejungen "Kürtchen" helfen die Gänse zu hüten. So wurde sie eine Gänsemagd. Die Kammerjungfer ließ "Fallada" den Kopf abhauen. Als die Königstochter dies erfuhr, bat sie den Schinder den Kopf Falladas über das finstere, große Tor zu hängen, durch das sie jeden Morgen und Abend die Gänse trieben. Das tat der Schindersknecht. Des Morgens, kam sie mit Kürtchen durch und sprach im Vorbeigehen: "Oh, du mein Fallada, da Du da hangest," da antwortete der Kopf: "Oh, du Jungfer Königin die Du gangest, wenn das Deine Mutter wüßte, Das Herz tät ihr zerspringen." Da zog sie still weiter. Und wenn sie auf der Wiese ankamen setzte sie sich nieder und öffnete ihre Haare die golden glänzten. Kürtchen freut sich wie sie glänzten und wollte ihr eines ausziehen, da sprach sie : "Weh, weh Windchen, nehm dem Kürtchen sein Hütchen, und lass´n sich mit jagen bis ich mich geflochten und geschnatzt und wieder aufgesatzt!" Da kam ein starker Wind, nahm Kürtchen sein Hütchen und er mußte ihm nachrennen.

      Abends sagte Kürtchen dem alten König: "Mit dem Mädchen will ich nicht länger Gänse hüten, das ärgert mich dauernd." So erfuhr der König von der Geschichte. Am anderen Morgen verfolgte er die beiden und beobachtete das Treiben. Abends ließ er die Gänsemagd kommen und befragte sie. Sie aber sagte: "Das kann ich nicht sagen, ich habe es geschworen." Kannst Du es mir nicht sagen, so Klage dem Eisenofen da!". Der alte König stand aber außen an der Eisenröhre und hörte alles. Er ließ seinen Sohn kommen und erklärte alles. Der junge König war herzensfroh über die Tugend und Schönheit seiner wahren Braut. Der falschen Braut aber wurde ein Rätsel aufgegeben, was eine solche Wert wäre die Herrn soundso betrogen hätte ..." Welchem Urteil ist diese würdig?" fragte der König. Da sprach die falsche Braut: "Die ist des Todes schuldig." "Das bist du" sprach der König. Der junge König vermählte sich aber mit seiner wahren Braut und sie herrschten ihr Reich in Frieden und Seeligkeit und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
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      schrieb am 08.04.04 07:56:03
      Beitrag Nr. 4 ()
      Die Brüder Grimm


      Die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm sind nicht nur die Sammler, Nacherzähler und Herausgeber der "Kinder- und Hausmärchen" sowie der "Deutschen Sagen", sondern gelten auch als Begründer der germanischen Philologie. Sie begannen die Arbeiten zum "Deutschen Wörterbuch", und insbesondere Jacob schuf mit seiner "Deutschen Grammatik", der "Deutschen Mythologie" und den "Deutschen Rechtsalthertümern" bahnbrechende Werke.

      Ausgesprochene Gelehrte zu sein, hinderte sie nicht, sich politisch dem Fortschritt zu verbinden. Als Mitglieder der Göttinger Sieben (Professoren) protestierten sie 1837 gegen die Aufhebung der Verfassung von 1833 durch König Ernst August II. von Hannover und sind daraufhin entlassen worden. Jacob wurde 1848 zum Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung gewählt, wo er sich als gemäßigter Liberaler der Erbkaiserpartei anschloß.

      Nach Berlin zog die Brüder 1841 die Berufung zu Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften durch Friedrich Wilhelm IV. Sie waren jedoch auch als Hochschullehrer an der Friedrich-Wilhelms-Universität tätig. Ihre Wohnung hatten sie hier unweit des späteren Potsdamer Platzes in der Linkstraße 7.

      Mit Berlin verbunden sind die Brüder Grimm auch über ihren Tod hinaus z.B. dadurch, daß sich der allergrößte Teil ihrer Bibliothek in der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität befindet.
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      schrieb am 08.04.04 08:01:43
      Beitrag Nr. 5 ()
      Die goldene Gans

      Es war ein Mann, der hatte drei Söhne, davon hieß der jüngste der Dummling und wurde verachtet und verspottet und bei jeder Gelegenheit zurückgesetzt. Es geschah, daß der älteste in den Wald gehen wollte, Holz hauen, und eh` er ging, gab ihm noch seine Mutter einen schönen feinen Eierkuchen und eine Flasche Wein mit, damit er nicht Hunger und Durst litte.

      Als er in den Wald kam, begegnete ihm ein altes, graues Männlein, das bot ihm einen guten Tag und sprach: "Gib mir doch ein Stück Kuchen aus deiner Tasche und laß mich einen Schluck von deinem Wein trinken ! Ich bin so hungrig und durstig." Der kluge Sohn aber antwortete: "Geb ich dir meinen Kuchen und meinen Wein, so hab ich selber nichts, pack dich deiner Wege !" ließ das Männlein stehen und ging fort. Als er nun anfing, einen Baum zu behauen, dauerte es nicht lange, so hieb er fehl, und die Axt fuhr ihm in den Arm, daß er mußte heimgehen und sich verbinden lassen. Das war aber von dem grauen Männchen gekommen.
      Darauf ging der zweite Sohn in den Wald, und die Mutter gab ihm, wie dem ältesten, einen Eierkuchen und eine Flasche Wein. Dem begegnete gleichfalls das alte, graue Männchen und hielt um ein Stückchen Kuchen und einen Trunk Wein an. Aber der zweite Sohn sprach auch ganz verständig: "Was ich dir gebe, das geht mir selber ab, pack dich deiner Wege !" ließ das Männlein stehen und ging fort. Die Strafe blieb nicht aus, als er ein paar Hiebe am Baum getan, hieb er sich ins Bein, daß er mußte nach Haus getragen werden.


      Da sagte der Dummling: "Vater, laß mich einmal hinausgehen und Holz hauen !" Antwortete der Vater: "Deine Brüder haben sich Schaden dabei getan, laß dich davon, du verstehst nichts davon." Der Dummling aber bat so lange, bis er endlich sagte: "Geh nur hin, durch Schaden wirst du klug werden." Die Mutter gab ihm einen Kuchen, der war mit Wasser in der Asche gebacken, und dazu eine Flasche saures Bier. Als er in den Wald kam, begegnete ihm gleichfalls das alte, graue Männchen, grüßte ihn und sprach: "Gib mir ein Stück von deinem Kuchen und einen Trunk aus deiner Flasche, ich bin so hungrig und durstig." Antwortet der Dummling: " Ich habe nur Aschenkuchen und saures Bier, wenn dir das recht ist, so wollen wir uns setzen und essen." Da setzten sie sich, und als der Dummling seinen Aschenkuchen herausholte, so war`s ein feiner Eierkuchen, und das saure Bier war ein guter Wein. Nun aßen und tranken sie, und danach sprach das Männlein: "Weil du ein gutes Herz hast und von dem deinigen gerne mitteilst, so will ich dir Glück bescheren. Dort steht ein alter Baum, den hau ab, so wirst du in den Wurzeln etwas finden." Darauf nahm das Männlein Abschied.


      Der Dummling ging hin und hieb den Baum um, und wie er fiel, saß in den Wurzeln eine Gans, die hatte Federn von reinem Gold. Er hob sie heraus, nahm sie mit sich und ging in ein Wirtshaus, da wollte er übernachten. Der Wirt hatte aber drei Töchter, die sahen die Gans, waren neugierig, was das für ein wunderlicher Vogel wäre, und hätten gar gern eine von seinen goldenen Federn gehabt. Die älteste dachte: Es wird sich schon eine Gelegenheit finden, wo ich mir eine Feder ausziehen kann. Und als der Dummling einmal hinaus gegangen war, faßte sie die Gans beim Flügel aber Finger und Hand blieben ihr daran fest hängen. Bald hernach kam die zweite und hatte keinen andern Gedanken, als sich eine goldene Feder zu holen, kaum aber hatte sie ihre Schwester angerührt, so blieb sie fest hängen. Endlich kam auch die dritte in der gleichen Absicht. Da schrien die andern: "Bleib weg, um Himmels Willen bleib weg!" Aber sie begriff nicht, warum sie wegbleiben sollte, dachte: Sind die dabei so kann ich auch dabeisein und sprang hinzu, und wie sie ihre Schwester angerührt hatte, so blieb sie an ihr hängen. So mußten sie die Nacht bei der Ganz zubringen.

      Am anderen Morgen nahm der Dummling die Gans in den Arm ging fort und kümmerte sich nicht um die drei Mädchen, die daran hingen. Sie mußten immer hinter im dreinlaufen, links und rechts, wie`s ihm in die Beine kam. Mitten auf dem Felde begegnete ihnen der Pfarrer, und als er den Aufzug sah, sprach er : "Schämt euch, ihr garstigen Mädchen, was lauft ihr dem jungen Bursch durchs Feld nach, schickt sich das?" Damit faßte er die jüngste an der Hand und wollte sie zurückziehen, wie er sie aber anrührte, blieb er gleichfalls hängen und mußte selber hinterdreinlaufen. Nicht lange, so kam der Küster daher und sah den Herrn Pfarrer, der drei Mädchen auf dem Fuß folgte. Da verwunderte er sich und rief: "Ei, Herr Pfarrer, wohinaus so geschwind ? vergeßt nicht, daß wir heute noch eine Kindtaufe haben." Lief auf ihn zu und faßte ihn am Ärmel, blieb aber auch fest hängen. Wie die fünf so hintereinander hertrabten, kamen zwei Bauern mit ihren Hacken vom Felde. Da rief der Pfarrer sie an und bat, sie möchten ihn und den Küster losmachen. Kaum aber hatten sie den Küster angerührt, so blieben sie hängen, und waren ihrer nun siebene, die dem Dummling mit der Gans nachliefen.

      Er kam darauf in eine Stadt; da herrschte ein König, der hatte eine Tochter, die war so ernsthaft, daß sie niemand zum Lachen bringen konnte. Darum hatte er ein Gesetz gegeben, wer sie könnte zum Lachen bringen, der sollte sie heiraten. Der Dummling, als er das hörte, ging mit seiner Gans und ihrem Anhang vor die Königstochter, und als diese die sieben Menschen immer hintereinander herlaufen sah, fing sie überlaut an zu lachen und wollte gar nicht wieder aufhören.

      Da verlangte sie der Dummling zur Braut, aber dem König gefiel der Schwiegersohn nicht, er machte allerlei Einwendungen und sagte, er müßte ihm erst einen Mann bringen, der einen Keller voll Wein austrinken könne. Der Dummling dachte an das graue Männchen, das könnte ihm wohl helfen, ging hinaus in den Wald, und auf der Stelle, wo er den Baum abgehauen hatte, sah er einen Mann sitzen, der machte ein ganz betrübtes Gesicht. Der Dummling fragte, was er sich so sehr zu Herzen nähme. Da antwortete er: "Ich habe so großen Durst und kann ihn nicht löschen, das kalte Wasser vertrage ich nicht, ein Faß Wein habe ich zwar ausgeleert, aber was ist ein Tropfen auf einen heißen Stein ?" "Da kann ich dir helfen", sagte der Dummling, "komm nur mit mir, du sollst satt haben !" Er führte ihn darauf in des Königs Keller, und der Mann machte sich über die großen Fässer, trank und trank, daß ihm die Hüften weh taten, und ehe ein Tag herum war, hatte er den ganzen Keller ausgetrunken.

      Der Dummling verlangte abermals seine Braut, der König aber ärgerte sich, daß ein schlechter Bursch, den jedermann einen Dummling nannte, seine Tochter davontragen sollte, und machte neue Bedingungen: Er müßte erst einen Mann schaffen, der einen Berg voll Brot aufessen könnte. Der Dummling besann sich nicht lange, sondern ging gleich hinaus in den Wald. Da saß auf demselben Platz ein Mann, der schnürte sich den Leib mit einem Riemen zusammen, machte ein grämliches Gesicht und sagte: "Ich habe einen ganzen Backofen voll Raspelbrot gegessen, aber was hilft das, wenn man so großen Hunger hat wie ich. Mein Magen bleibt leer, und ich muß ihn zuschnüren, wenn ich nicht Hungers sterben soll." Der Dummling war froh darüber und sprach: "Mach dich auf und geh mit mir, du sollst dich satt essen !" Er führte ihn an den Hof des Königs, der hatte alles Mehl aus dem ganzen Reich zusammenfahren und einen ungeheuren Berg davon bauen lassen; der Mann aber aus dem Walde stellte sich davor, fing an zu essen, und in einem Tag war der ganze Berg verschwunden. Der Dummling forderte zum drittenmal seine Braut. Der König aber suchte noch einmal Ausflucht und verlangte ein Schiff, das zu Land und zu Wasser fahren könnt. "Sowie du aber damit angesegelt kommst", sagte er, "sollst du gleich meine Tochter zur Gemahlin haben." Der Dummling ging geraden Weges in den Wald, da saß das alte, graue Männchen, dem er seinen Kuchen gegeben hatte, und sagte: "Ich habe für dich getrunken und gegessen, ich will dir auch das Schiff geben; das alles tu ich, weil du barmherzig gegen mich gewesen bist" Da gab er ihm das Schiff, das zu Land und zu Wasser fuhr, und als der König das sah, konnte er ihm seine Tochter nicht länger vorenthalten.
      Die Hochzeit ward gefeiert; nach des Königs Tod erbte der Dummling das Reich und lebte lange Zeit vergnügt mit seiner Gemahlin.

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      schrieb am 08.04.04 08:04:01
      Beitrag Nr. 6 ()
      Von dem Tode des Hühnchens

      Auf eine Zeit ging das Hühnchen mit dem Hähnchen in den Nußberg, und sie machten miteinander aus, wer einen Nußkern fände, sollte ihn mit dem andern teilen. Nun fand das Hühnchen eine große große Nuß, sagte aber nichts davon und wollte den Kern allein essen. Der Kern war aber so dick, daß es ihn nicht hinunterschlucken konnte und er ihm im Hals stecken blieb, daß ihm angst wurde, es müßte ersticken. Da schrie das Hühnchen `Hähnchen, ich bitte dich lauf, was du kannst, und hol mir Wasser, sonst erstick ich.`

      Das Hähnchen lief, was es konnte, zum Brunnen und sprach `Born, du sollst mir Wasser geben; das Hühnchen liegt auf dem Nußberg, hat einen großen Nußkern geschluckt und will ersticken.` Der Brunnen antwortete `lauf erst hin zur Braut und laß dir rote Seide geben.`
      Das Hähnchen lief zur Braut `Braut, du sollst mir rote Seide geben: rote Seide will ich dem Brunnen geben, der Brunnen soll mir Wasser geben, das Wasser will ich dem Hühnchen bringen, das liegt auf dem Nußberg, hat einen großen Nußkern geschluckt und will daran ersticken.` Die Braut antwortete `lauf erst und hol mir mein Kränzlein, das blieb an einer Weide hängen.`

      Da lief das Hähnchen zur Weide und zog das Kränzlein von dem Ast und brachte es der Braut, und die Braut gab ihm rote Seide dafür, die brachte es dem Brunnen, der gab ihm Wasser dafür. Da brachte das Hähnchen das Wasser zum Hühnchen, wie es aber hinkam, war dieweil das Hühnchen erstickt, und lag da tot und regte sich nicht.
      Da ward das Hähnchen so traurig, daß es laut schrie, und kamen alle Tiere und beklagten das Hühnchen; und sechs Mäuse bauten einen kleinen Wagen, das Hühnchen darin zum Grabe zu fahren; und als der Wagen fertig war, spannten sie sich davor, und das Hähnchen fuhr. Auf dem Wege aber kam der Fuchs `wo willst du hin, Hähnchen?` `Ich will mein Hühn chen begraben.` `Darf ich mitfahren?`
      `Ja, aber setz dich hinten auf den Wagen, vorn könnens meine Pferdchen nicht vertragen.`

      Da setzte sich der Fuchs hintenauf, dann der Wolf, der Bär, der Hirsch, der Löwe und alle Tiere in dem Wald. So ging die Fahrt fort, da kamen sie an einen Bach. `Wie sollen wir nun hinüber?` sagte das Hähnchen. Da lag ein Strohhalm am Bach, der sagte `ich will mich quer darüberlegen, so könnt ihr über mich fahren.` Wie aber die sechs Mäuse auf die Brücke kamen, rutschte der Strohhalm aus und fiel ins Wasser, und die sechs Mäuse fielen alle hinein und ertranken.

      Da ging die Not von neuem an, und kam eine Kohle und sagte `ich bin groß genug, ich will mich darüberlegen, und ihr sollt über mich fahren.` Die Kohle legte sich auch an das Wasser, aber sie berührte es unglücklicherweise ein wenig, da zischte sie, verlöschte und war tot. Wie das ein Stein sah, erbarmte er sich und wollte dem Hähnchen helfen, und legte sich über das Wasser. Da zog nun das Hähnchen den Wagen selber, wie es ihn aber bald drüben hatte, und war mit dem toten Hühnchen auf dem Land und wollte die andern, die hintenauf saßen, auch heranziehen, da waren ihrer zuviel geworden, und der Wagen fiel zurück, und alles fiel miteinander in das Wasser und ertrank.
      Da war das Hähnchen noch allein mit dem toten Hühnchen, und grub ihm ein Grab und legte es hinein, und machte einen Hügel darüber, auf den setzte es sich und grämte sich so lang, bis es auch starb; und da war alles tot.
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 08:07:53
      Beitrag Nr. 7 ()
      Das Riesenspielzeug

      Im Elsaß auf der Burg Nideck, die an einem hohen Berg bei einem Wasserfall liegt, waren die Ritter vorzeiten große Riesen. Einmal ging das Riesenfräulein herab ins Tal, wollte sehen, wie es da unten wäre, und kam bis fast nach Haslach auf ein vor dem Wald gelegenes Ackerfeld, das gerade von den Bauern bestellt ward. Es blieb vor Verwunderung stehen und schaute den Pflug, die Pferde und Leute an, das ihr alles etwas Neues war. „Ei", sprach sie und ging herzu, „das nehm ich mir mit." Da kniete sie nieder zur Erde, spreitete ihre Schürze aus, strich mit der Hand über das Feld, fing alles zusammen und tat`s hinein. Nun lief sie ganz vergnügt nach Haus, den Felsen hinaufspringend; wo der Berg so jäh ist, daß ein Mensch mühsam klettern muß, da tat sie einen Schritt und war droben.

      Der Ritter saß gerad am Tisch, als sie eintrat. „Ei, mein Kind", sprach er, „was bringst du da, die Freude schaut dir ja aus den Augen heraus." Sie machte geschwind ihre Schürze auf und ließ ihn hineinblicken. „Was hast du so Zappeliges darin?" - „Ei Vater, gar zu artiges Spielding! So was Schönes hab ich mein Lebtag noch nicht gehabt." Darauf nahm sie eins nach dem andern heraus und stellte es auf den Tisch: den Pflug, die Bauern mit ihren Pferden; lief herum, schaute es an, lachte und schlug vor Freude in die Hände, wie sich das kleine Wesen darauf hin- und herbewegte. Der Vater aber sprach: „Kind, das ist kein Spielzeug, da hast du was Schönes angestiftet! Geh nur gleich und trag`s wieder hinab ins Tal." Das Fräulein weinte, es half aber nichts. „Mir ist der Bauer kein Spielzeug", sagt der Ritter ernsthaftig, „ich leid`s nicht, daß du mir murrst, kram alles sachte wieder ein und trag`s an den nämlichen Platz, wo du`s genommen hast. Baut der Bauer nicht sein Ackerfeld, so haben wir Riesen auf unserm Felsennest nichts zu leben."
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 08:14:13
      Beitrag Nr. 8 ()
      Der Gevatter Tod

      Es hatte ein armer Mann zwölf Kinder und mußte Tag und Nacht arbeiten, damit er ihnen nur Brot geben konnte. Als nun das dreizehnte zur Welt kam, wußte er sich seiner Not nicht zu helfen, lief hinaus auf die große Landstraße und wollte den ersten, der ihm begegnete, zu Gevatter bitten. Der erste, der ihm begegnete, das war der liebe Gott, der wußte schon, was er auf dem Herzen hatte, und sprach zu ihm `armer Mann, du dauerst mich, ich will dein Kind aus der Taufe heben, will für es sorgen und es glücklich machen auf Erden.` Der Mann sprach `wer bist du?` `Ich bin der liebe Gott.` `So begehr ich dich nicht zu Gevatter,` sagte der Mann, `du gibst dem Reichen und lässest den Armen hungern.` Das sprach der Mann, weil er nicht wußte, wie weislich Gott Reichtum und Armut verteilt.

      Also wendete er sich von dem Herrn und ging weiter. Da trat der Teufel zu ihm und sprach `was suchst du? willst du mich zum Paten deines Kindes nehmen, so will ich ihm Gold die Hülle und Fülle und alle Lust der Welt dazu geben.` Der Mann fragte `wer bist du?` `Ich bin der Teufel.` `So begehr ich dich nicht zum Gevatter,` sprach der Mann, `du betrügst und verführst die Menschen.` Er ging weiter, da kam der dürrbeinige Tod auf ihn zugeschritten und sprach `nimm mich zu Gevatter.` Der Mann fragte `wer bist du?` `Ich bin der Tod, der alle gleich macht.` Da sprach der Mann `du bist der rechte, du holst den Reichen wie den Armen ohne Unterschied, du sollst mein Gevattersmann sein.` Der Tod antwortete `ich will dein Kind reich und berühmt machen, denn wer mich zum Freunde hat, dem kanns nicht fehlen.` Der Mann sprach `künftigen Sonntag ist die Taufe, da stelle dich zu rechter Zeit ein.` Der Tod erschien, wie er versprochen hatte, und stand ganz ordentlich Gevatter.

      Als der Knabe zu Jahren gekommen war, trat zu einer Zeit der Pate ein und hieß ihn mitgehen. Er führte ihn hinaus in den Wald, zeigte ihm ein Kraut, das da wuchs, und sprach `jetzt sollst du dein Patengeschenk empfangen. Ich mache dich zu einem berühmten Arzt. Wenn du zu einem Kranken gerufen wirst, so will ich dir jedesmal erscheinen: steh ich zu Häupten des Kranken, so kannst du keck sprechen, du wolltest ihn wieder gesund machen, und gibst du ihm dann von jenem Kraut ein, so wird er genesen; steh ich aber zu Füßen des Kranken, so ist er mein, und du mußt sagen, alle Hilfe sei umsonst, und kein Arzt in der Welt könne ihn retten. Aber hüte dich, daß du das Kraut nicht gegen meinen Willen gebrauchst, es könnte dir schlimm ergehen.`

      Es dauerte nicht lange, so war der Jüngling der berühmteste Arzt auf der ganzen Welt. `Er braucht nur den Kranken anzusehen, so weiß er schon, wie es steht, ob er wieder gesund wird, oder ob er sterben muß,` so hieß es von ihm, und weit und breit kamen die Leute herbei, holten ihn zu den Kranken und gaben ihm so viel Gold, daß er bald ein reicher Mann war. Nun trug es sich zu, daß der König erkrankte: der Arzt ward berufen und sollte sagen, ob Genesung möglich wäre. Wie er aber zu dem Bette trat, so stand der Tod zu den Füßen des Kranken, und da war für ihn kein Kraut mehr gewachsen. `Wenn ich doch einmal den Tod überlisten könnte,` dachte der Arzt, `er wirds freilich übelnehmen, aber da ich sein Pate bin, so drückt er wohl ein Auge zu: ich wills wagen.` Er faßte also den Kranken und legte ihn verkehrt, so daß der Tod zu Häupten desselben zu stehen kam. Dann gab er ihm von dem Kraute ein, und der König erholte sich und ward wieder gesund. Der Tod aber kam zu dem Arzte, machte ein böses und finsteres Gesicht, drohte mit dem Finger und sagte `du hast mich hinter das Licht geführt: diesmal will ich dirs nachsehen, weil du mein Pate bist, aber wagst du das noch einmal, so geht dirs an den Kragen, und ich nehme dich selbst mit fort.`

      Bald hernach verfiel die Tochter des Königs in eine schwere Krankheit. Sie war sein einziges Kind, er weinte Tag und Nacht, daß ihm die Augen erblindeten, und ließ bekanntmachen, wer sie vom Tode errettete, der sollte ihr Gemahl werden und die Krone erben. Der Arzt, als er zu dem Bette der Kranken kam, erblickte den Tod zu ihren Füßen. Er hätte sich der Warnung seines Paten erinnern sollen, aber die große Schönheit der Königstochter und das Glück, ihr Gemahl zu werden, betörten ihn so, daß er alle Gedanken in den Wind schlug. Er sah nicht, daß der Tod ihm zornige Blicke zuwarf, die Hand in die Höhe hob und mit der dürren Faust drohte; er hob die Kranke auf, und legte ihr Haupt dahin, wo die Füße gelegen hatten. Dann gab er ihr das Kraut ein, und alsbald röteten sich ihre Wangen, und das Leben regte sich von neuem.

      Der Tod, als er sich zum zweitenmal um sein Eigentum betrogen sah, ging mit langen Schritten auf den Arzt zu und sprach `es ist aus mit dir und die Reihe kommt nun an dich,` packte ihn mit seiner eiskalten Hand so hart, daß er nicht widerstehen konnte, und führte ihn in eine unterirdische Höhle. Da sah er, wie tausend und tausend Lichter in unübersehbaren Reihen brannten` einige groß, andere halbgroß, andere klein.
      Jeden Augenblick verloschen einige, und andere brannten wieder auf, also daß die Flämmchen in beständigem Wechsel hinund herzuhüpfen schienen. `Siehst du,` sprach der Tod, `das sind die Lebenslichter der Menschen. Die großen gehören Kindern, die halbgroßen Eheleuten in ihren besten Jahren, die kleinen gehören Greisen. Doch auch Kinder und junge Leute haben oft nur ein kleines Lichtchen.` `Zeige mir mein Lebenslicht,` sagte der Arzt und meinte, es vväre noch recht groß. Der Tod deutete auf ein kleines Endchen, das eben auszugehen drohte, und sagte `siehst du, da ist es.` `Ach, lieber Pate,` sagte der erschrockene Arzt, `zündet mir ein neues an, tut mirs zuliebe, damit ich meines Lebens genießen kann, König werde und Gemahl der schönen Königstochter.` `Ich kann nicht,` antwortete der Tod, `erst muß eins verlöschen, eh ein neues anbrennt.` `So setzt das alte auf ein neues, das gleich fortbrennt, wenn jenes zu Ende ist,` bat der Arzt. Der Tod stellte sich, als ob er seinen Wunsch erfüllen wollte, langte ein frisches großes Licht herbei: aber weil er sich rächen wollte, versah ers beim Umstecken absichtlich, und das Stückchen fiel um und verlosch. Alsbald sank der Arzt zu Boden, und war nun selbst in die Hand des Todes geraten.
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 08:15:05
      Beitrag Nr. 9 ()
      das war´s, ich glaube es reicht auch... :)
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 08:31:43
      Beitrag Nr. 10 ()


      Kurzbeschreibung


      "Eines Tages stand ein kleiner Hund vor meiner Tür und sagte, er wolle gern bei mir wohnen". Trotz anfänglicher Bedenken läßt sich der Erzähler auf das Unternehmen ein. Doch ganz ungetrübt ist das Zusammenleben mit dem kleinen Hund Mister nicht. Mister ist faul, gefräßig, wasserscheu und besserwisserisch. Am liebsten sitzt er mitten auf dem Sofa oder kriecht ins Bett. Wenn er traurig ist, muß man ihn hinter den Ohren kraulen und Geschichten erzählen. Und gehorchen will er ganz und gar nicht. Sehr anstrengend ist das Leben mit Mister. Dennoch: Mister ist ein liebenswerter Hund, und sein Herrchen würde ihn um keinen Preis der Welt wieder hergeben.
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 08:54:38
      Beitrag Nr. 11 ()
      Kommt ein Mann aus dem Kino ist der Bus weg
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 09:08:20
      Beitrag Nr. 12 ()


      Fräulein Ammer kost allhier
      Mit Schnick, dem allerliebsten Tier
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 09:09:06
      Beitrag Nr. 13 ()


      Sie füttert ihn, so viel er mag,
      Mit Zuckerbrot den ganzen Tag
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 09:09:55
      Beitrag Nr. 14 ()


      Und nachts liegt er sogar im Bett,
      Da wird er freilich dick und fett
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 09:32:55
      Beitrag Nr. 15 ()


      Einstmals, als sie spazierengehen,
      Sieht man den Hundefänger stehen
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 09:34:31
      Beitrag Nr. 16 ()


      Er lockt den Schnick mit einer Brezen.
      Das Fräulein ruft ihn voll Entsetzen
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 09:36:15
      Beitrag Nr. 17 ()


      Doch weil er nicht gehorchen kann,
      Fängt ihn - gripsgraps! - der böse Mann
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 09:39:27
      Beitrag Nr. 18 ()
      @Bio... :D :laugh: ... so kann es enden.... :D
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:16:41
      Beitrag Nr. 19 ()
      mausel :)
      es kommt noch viel schlimmer ! :laugh:
      Kennst du doch, von Wilhelm Busch ! :D
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:17:51
      Beitrag Nr. 20 ()
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:17:53
      Beitrag Nr. 21 ()


      Seht, wie er läuft, der Hundehäscher!
      Und trägt im Sack den dicken Näscher
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:19:33
      Beitrag Nr. 22 ()


      Gern lief er fort, der arme Schnick,
      Doch ist er viel zu dumm und dick
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:24:28
      Beitrag Nr. 23 ()
      ich kenne viel von Wilhelm Busch @Bio, aber das kenne ich noch nicht, erzähl´ weiter... :D
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:27:51
      Beitrag Nr. 24 ()
      mausel :)
      das geht aber nicht gut aus ! :cry:
      Da brauchst du starke Nerven ! :cry:
      Nicht, daß du dann noch ohnmächtig wirst :cry:
      Und über Ostern im Hospital liegen mußt :cry:
      BioTau :D
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:29:52
      Beitrag Nr. 25 ()
      es endet wie es enden muß @bio, ich habe starke Nerven, manchmal jedenfalls... :rolleyes:

      also erzähle ruhig weiter... :kiss: :)
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:34:13
      Beitrag Nr. 26 ()


      »Den schlacht` ich!« spricht der böse Mann,
      »Weil er so fett und gar nichts kann.«
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:35:06
      Beitrag Nr. 27 ()


      Das Fräulein naht und jammert laut,
      Es ist zu spat: da liegt die Haut.
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:35:49
      Beitrag Nr. 28 ()


      Zwei Gülden zahlt sie in der Stille
      Für Schnickens letzte Außenhülle
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:37:55
      Beitrag Nr. 29 ()


      Hier steht der ausgestopfte Schnick; -
      Wer dick und faul, hat selten Glück
      Ha hilft halt selbst das Bio nicht :)
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:40:34
      Beitrag Nr. 30 ()
      Huch, der arme Schnick !!! :cry: :cry: :cry:
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:41:45
      Beitrag Nr. 31 ()
      so traurig wie die Geschichte endet @Bio, aber ich muß trotzdem lachen, wegen der Brezel.... :D :laugh:

      danke für die Geschichte... :kiss:
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:44:44
      Beitrag Nr. 32 ()
      und der Tatsache dass Schnick ausgestopft wurde... :D :laugh:

      ich weiß, ich habe manchmal einen seltsamen Humor.... :D
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:54:31
      Beitrag Nr. 33 ()
      das erinnert mich nämlich an etwas.... :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:55:23
      Beitrag Nr. 34 ()
      was mir mal ein "Freund" erzählt hat... :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:55:49
      Beitrag Nr. 35 ()
      aber Schwamm drüber, ist schon lange her....
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:56:57
      Beitrag Nr. 36 ()
      vielleicht kommen ja noch mehr Märchen, würde mich sehr freuen.... :)
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:57:18
      Beitrag Nr. 37 ()

      guck dir mal an, was osterhasen so drauf haben :)
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:58:13
      Beitrag Nr. 38 ()
      erzähl !!!
      aber möglichst gruselich, bitte :D
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 11:02:38
      Beitrag Nr. 39 ()
      Hallo @meaux, sensationell.... :D

      @Bio ... da gibt es nichts zu erzählen, ist mir nur so spontan zu Deiner Geschichte eingefallen...

      war auch nur so ein Spruch von einem "Freund" , keine Geschichte... :)
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 11:02:55
      Beitrag Nr. 40 ()
      hi bio! wie geht`s sani, tani und pia?? fährt ihr in den süden an ostern, in den s-tau??
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 11:12:00
      Beitrag Nr. 41 ()
      meau :laugh:
      Denen geht es gut ! Die sind schon im Süden :)
      Die machen eine Expedition am Südpol :)
      Ich durfte leider nicht mitfahren, weil ich nicht
      schwindelfrei bin :( Du stehen doch da unten alle
      auf dem Kopf, weißt du ! :confused:
      Aber nächstes Jahr fahren wir zum Nordpol :)
      Da darf ich dann mitfahren :)
      BioTau :)
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 11:26:03
      Beitrag Nr. 42 ()
      bio, sag doch mal deinem grossvater, er soll sich nicht immer so ausbreiten hier :mad:

      Zum Auftakt der Osterfeiertage kam es bereits am Mittwoch zu rund 16 S-tau - stunden am Gotthard, bedingt auch durch die teilweise prekären Strassenverhältnisse wegen des Schneefalls. Am späten Nachmittag und frühen Abend erreichte der S-tau eine Länge von maximal 13 Kilometern. Erst in der Nacht auf Donnerstag um 01.00 Uhr früh meldete die Urner Verkehrspolizei das S-tau ende.
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 11:31:12
      Beitrag Nr. 43 ()
      meau :)
      wir sind unschuldig ! Wir nehmen doch immer den Flieger !
      :laugh: :laugh: :laugh:
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 13:48:30
      Beitrag Nr. 44 ()
      Hallo hallo, das ist hier ein Märchen-Thread.... :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 13:50:16
      Beitrag Nr. 45 ()
      Rotkäppchen

      Es war einmal eine kleine süße Dirne, die hatte jedermann lieb, der sie nur ansah, am allerliebsten aber ihre Großmutter, die wußte gar nicht, was sie alles dem Kinde geben sollte. Einmal schenkte sie ihm ein Käppchen von rotem Sammet, und weil ihm das so wohl stand und es nichts anders mehr tragen wollte, hieß es nur das Rotkäppchen. Eines Tages sprach seine Mutter zu ihm: »Komm, Rotkäppchen, da hast du ein Stück Kuchen und eine Flasche Wein, bring das der Großmutter hinaus; sie ist krank und schwach und wird sich daran laben. Mach dich auf, bevor es heiß wird, und wenn du hinauskommst, so geh hübsch sittsam und lauf nicht vom Weg ab, sonst fällst du und zerbrichst das Glas, und die Großmutter hat nichts. Und wenn du in ihre Stube kommst, so vergiß nicht, guten Morgen zu sagen, und guck nicht erst in alle Ecken herum.«

      »Ich will schon alles gut machen«, sagte Rotkäppchen zur Mutter und gab ihr die Hand darauf. Die Großmutter aber wohnte draußen im Wald, eine halbe Stunde vom Dorf. Wie nun Rotkäppchen in den Wald kam, begegnete ihm der Wolf. Rotkäppchen aber wußte nicht, was das für ein böses Tier war, und fürchtete sich nicht vor ihm. »Guten Tag, Rotkäppchen«, sprach er. »Schönen Dank, Wolf.« »Wo hinaus so früh, Rotkäppchen?« »Zur Großmutter.« »Was trägst du unter der Schürze?« »Kuchen und Wein: gestern haben wir gebacken, da soll sich die kranke und schwache Großmutter etwas zugut tun und sich damit stärken.« »Rotkäppchen, wo wohnt deine Großmutter?« »Noch eine gute Viertelstunde weiter im Wald, unter den drei großen Eichbäumen, da steht ihr Haus, unten sind die Nußhecken, das wirst du ja wissen«, sagte Rotkäppchen.

      Der Wolf dachte bei sich: »Das junge zarte Ding, das ist ein fetter Bissen, der wird noch besser schmecken als die Alte: du mußt es listig anfangen, damit du beide erschnappst.« Da ging er ein Weilchen neben Rotkäppchen her, dann sprach er: »Rotkäppchen, sieh einmal die schönen Blumen, die ringsumher stehen, warum guckst du dich nicht um? Ich glaube, du hörst gar nicht, wie die Vöglein so lieblich singen? Du gehst ja für dich hin, als wenn du zur Schule gingst, und ist so lustig haußen in dem Wald.«
      Rotkäppchen schlug die Augen aut, und als es sah, wie die Sonnenstrahlen durch die Bäume hin und her tanzten und alles voll schöner Blumen stand, dachte es: »Wenn ich der Großmutter einen frischen Strauß mitbringe, der wird ihr auch Freude machen; es ist so früh am Tag, daß ich doch zu rechter Zeit ankomme«, lief vom Wege ab in den Wald hinein und suchte Blumen. Und wenn es eine gebrochen hatte, meinte es, weiter hinaus stände eine schönere, und lief darnach, und geriet immer tiefer in den Wald hinein. Der Wolf aber ging geradeswegs nach dem Haus der Großmutter und klopfte an die Türe. »Wer ist draußen?« »Rotkäppchen, das bringt Kuchen und Wein, mach auf.« »Drück nur auf die Klinke«, rief die Großmutter, »ich bin zu schwach und kann nicht aufstehen. « Der Wolf drückte auf die Klinke, die Türe sprang auf, und er ging, ohne ein Wort zu sprechen, gerade zum Bett der Großmutter und verschluckte sie. Dann tat er ihre Kleider an, setzte ihre Haube auf, legte sich in ihr Bett und zog die Vorhänge vor.

      Rotkäppchen aber war nach den Blumen herumgelaufen, und als es so viel zusammen hatte, daß es keine mehr tragen konnte, fiel ihm die Großmutter wieder ein, und es machte sich auf den Weg zu ihr. Es wunderte sich, daß die Türe aufstand, und wie es in die Stube trat, so kam es ihm so seltsam darin vor, daß es dachte: »Ei, du mein Gott, wie ängstlich wird mir`s heute zumut, und bin sonst so gerne bei der Großmutter!« Es rief »Guten Morgen«, bekam aber keine Antwort. Darauf ging es zum Bett und zog die Vorhänge zurück: da lag die Großmutter und hatte die Haube tief ins Gesicht gesetzt und sah so wunderlich aus. »Ei, Großmutter, was hast du für große Ohren!« »Daß ich dich besser hören kann.« »Ei, Großmutter, was hast du für große Augen!« »Daß ich dich besser sehen kann.« »Ei, Großmutter, was hast du für große Hände« »Daß ich dich besser packen kann.« »Aber, Großmutter, was hast du für ein entsetzlich großes Maul!« »Daß ich dich besser fressen kann.« Kaum hatte der Wolf das gesagt, so tat er einen Satz aus dem Bette und verschlang das arme Rotkäppchen.

      Wie der Wolf sein Gelüsten gestillt hatte, legte er sich wieder ins Bett, schlief ein und fing an, überlaut zu schnarchen. Der Jäger ging eben an dem Haus vorbei und dachte: »Wie die alte Frau schnarcht, du mußt doch sehen, ob ihr etwas fehlt. « Da trat er in die Stube, und wie er vor das Bette kam, so sah er, daß der Wolf darin lag. »Finde ich dich hier, du alter Sünder«, sagte er, »ich habe dich lange gesucht. « Nun wollte er seine Büchse anlegen, da fiel ihm ein, der Wolf könnte die Großmutter gefressen haben und sie wäre noch zu retten: schoß nicht, sondern nahm eine Schere und fing an, dem schlafenden Wolf den Bauch aufzuschneiden. Wie er ein paar Schnitte getan hatte, da sah er das rote Käppchen leuchten, und noch ein paar Schnitte, da sprang das Mädchen heraus und rief: »Ach, wie war ich erschrocken, wie war`s so dunkel in dem Wolf seinem Leib!« Und dann kam die alte Großmutter auch noch lebendig heraus und konnte kaum atmen. Rotkäppchen aber holte geschwind große Steine, damit füllten sie dem Wolf den Leib, und wie er aufwachte, wollte er fortspringen, aber die Steine waren so schwer, daß er gleich niedersank und sich totfiel.

      Da waren alle drei vergnügt; der Jäger zog dem Wolf den Pelz ab und ging damit heim, die Großmutter aß den Kuchen und trank den Wein, den Rotkäppchen gebracht hatte, und erholte sich wieder, Rotkäppchen aber dachte: »Du willst dein Lebtag nicht wieder allein vom Wege ab in den Wald laufen, wenn dir`s die Mutter verboten hat.«
      Es wird auch erzählt, daß einmal, als Rotkäppchen der alten Großmutter wieder Gebackenes brachte, ein anderer Wolf ihm zugesprochen und es vom Wege habe ableiten wollen. Rotkäppchen aber hütete sich und ging gerade fort seines Wegs und sagte der Großmutter, daß es dem Wolf begegnet wäre, der ihm guten Tag gewünscht, aber so bös aus den Augen geguckt hätte: »Wenn`s nicht auf offner Straße gewesen wäre, er hätte mich gefressen.« »Komm«, sagte die Großmutter, »wir wollen die Türe verschließen, daß er nicht herein kann.« Bald darnach klopfte der Wolf an und rief: »Mach auf, Großmutter, ich bin das Rotkäppchen, ich bring dir Gebackenes.« Sie schwiegen aber still und machten die Türe nicht auf: da schlich der Graukopf etlichemal um das Haus, sprang endlich aufs Dach und wollte warten, bis Rotkäppchen abends nach Haus ginge, dann wollte er ihm nachschleichen und wollt`s in der Dunkelheit fressen. Aber die Großmutter merkte, was er im Sinn hatte. Nun stand vor dem Haus ein großer Steintrog, da sprach sie zu dem Kind: »Nimm den Eimer, Rotkäppchen, gestern hab ich Würste gekocht, da trag das Wasser, worin sie gekocht sind, in den Trog.« Rotkäppchen trug so lange, bis der große, große Trog ganz voll war. Da stieg der Geruch von den Würsten dem Wolf in die Nase, er schnupperte und guckte hinab, endlich machte er den Hals so lang, daß er sich nicht mehr halten konnte und anfing zu rutschen: so ruschte er vom Dach herab, gerade in den großen Trog hinein, und ertrank. Rotkäppchen aber ging fröhlich nach Haus, und tat ihm niemand etwas zuleid.
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      schrieb am 08.04.04 13:55:41
      Beitrag Nr. 46 ()
      Die kluge Else

      Es war ein Mann, der hatte eine Tochter, die hieß die kluge Else. Als sie nun erwachsen war, sprach der Vater »wir wollen sie heirathen lassen«. »Ja«, sagte die Mutter »wenn nur einer käme, der sie haben wollte.« Endlich kam von weither einer, der hieß Hans, und hielt um sie an, er machte aber die Bedingung, daß die kluge Else auch recht gescheidt wäre. »O«, sprach der Vater, »die hat Zwirn im Kopf«, und die Mutter sagte »ach, die sieht den Wind auf der Gasse laufen und hört die Fliegen husten.« »Ja«, sprach der Hans, »wenn sie nicht recht gescheidt ist, so nehm ich sie nicht.« Als sie nun zu Tisch saßen und gegessen hatten, sprach die Mutter »Else, geh in den Keller und hol Bier«. Da nahm die kluge Else den Krug von der Wand, gieng in den Keller und klappte unterwegs brav mit dem Deckel, damit ihr die Zeit ja nicht lang würde. Als sie unten war, holte sie ein Stühlchen und stellte es vors Faß, damit sie sich nicht zu bücken brauchte und ihrem Rücken etwa nicht weh thäte und unverhofften Schaden nähme.

      Dann schob sie die Kanne mit dem Fuße vor sich und drehte den Hahn auf, und während der Zeit, daß das Bier hinein lief, wollte sie doch ihre Augen nicht müssig lassen und sah oben an die Wand hinauf und erblickte nach vielem Hin- und Herschauen eine Kreuzhacke gerade über sich, welche die Maurer da aus Versehen hatten stecken lassen. Da fieng die kluge Else an zu weinen und sprach »wenn ich den Hans kriege, und wir kriegen ein Kind, und das ist groß, und wir schicken das Kind in den Keller, daß es hier soll Bier zapfen, so fällt ihm die Kreuzhacke auf den Kopf und schlägts todt«.

      Da blieb sie sitzen und weinte aus Leibeskräften über das bevorstehende Unglück. Oben saßen sie und warteten auf den Trank, aber die kluge Else kam immer nicht. Da sprach die Frau zur Magd »geh doch hinunter in den Keller und sieh, wo die Else bleibt«. Die Magd gieng und fand sie vor dem Fasse sitzend und laut schreiend. »Else, was weinst du?« fragte die Magd. »Ach«, antwortete sie, »soll ich nicht weinen? wenn ich den Hans kriege, und wir kriegen ein Kind, und das ist groß und soll hier Trinken zapfen, so fällt ihm vielleicht die Kreuzhacke auf den Kopf und schlägt es todt.« Da sprach die Magd »was haben wir für eine kluge Else!« setzte sich zu ihr und fieng auch an über das Unglück zu weinen. Ueber eine Weile, als die Magd nicht wieder kam, und die droben durstig nach dem Trank waren, sprach der Mann zum Knecht »geh doch hinunter in den Keller und sieh, wo die Else und die Magd bleibt«. Der Knecht gieng hinab, da saß die kluge Else und die Magd, und weinten beide zusammen.

      Da fragte er »was weint ihr denn?« »Ach«, sprach die Else, »soll ich nicht weinen? wenn ich den Hans kriege, und wir kriegen ein Kind, und das ist groß und soll hier Trinken zapfen, so fällt ihm die Kreuzhacke auf den Kopf, und schlägts todt.« Da sprach der Knecht »was haben wir für eine kluge Else!« setzte sich zu ihr und fieng auch an laut zu heulen. Oben warteten sie auf den Knecht, als er aber immer nicht kam, sprach der Mann zur Frau »geh doch hinunter in den Keller und sieh, wo die Else bleibt«. Die Frau gieng hinab und fand alle drei in Wehklagen, und fragte nach der Ursache, da erzählte ihr die Else auch, daß ihr zukünftiges Kind wohl würde von der Kreuzhacke todtgeschlagen werden, wenn es erst groß ware und Bier zapfen sollte, und die Kreuzhacke fiele herab. Da sprach die Mutter gleichfalls »ach, was haben wir für eine kluge Else!« setzte sich hin und weinte mit.

      Der Mann oben wartete noch ein Weilchen, als aber seine Frau nicht wieder kam und sein Durst immer stärker ward, sprach er »ich muß nur selber in den Keller gehn und sehen, wo die Else bleibt«. Als er aber in den Keller kam, und alle da bei einander saßen und weinten, und er die Ursache hörte, daß das Kind der Else schuld wäre, das sie vielleicht einmal zur Welt brächte und von der Kreuzhacke könnte todtgeschlagen werden, wenn es gerade zur Zeit, wo sie herab fiele, darunter säße, Bier zu zapfen: da rief er »was für eine kluge Else!« setzte sich und weinte auch mit. Der Bräutigam blieb lange oben allein: da niemand wiederkommen wollte, dachte er »sie werden unten auf dich warten, du muß auch hingehen und sehen, was sie vorhaben«. Als er hinab kam, saßen da fünfe und schrien und jammerten ganz erbärmlich, einer immer besser als der andere. »Was für ein Unglück ist denn geschehen?« fragte er. »Ach, lieber Hans«, sprach die Else, »wann wir einander heirathen und haben ein Kind, und es ist groß, und wir schickens vielleicht hierher Trinken zu zapfen, da kann ihm ja die Kreuzhacke, die da oben ist stecken geblieben, wenn sie herabfallen sollte, den Kopf zerschlagen, daß es liegen bleibt! sollen wir da nicht weinen?« »Nun«, sprach der Hans, »mehr Verstand ist für meinen Haushalt nicht nöthig: weil du so eine kluge Else bist, so will ich dich haben«, packte sie bei der Hand und nahm sie mit hinauf und hielt Hochzeit mit ihr.

      Als sie den Hans eine Weile hatte, sprach er »Frau ich will ausgehen arbeiten und uns Geld verdienen, geh du ins Feld und schneid das Korn, daß wir Brot haben«. »Ja, mein lieber Hans, das will ich thun.« Nachdem der Hans fort war, kochte sie sich einen guten Brei und nahm ihn mit ins Feld. Als sie vor den Acker kam, sprach sie zu sich selbst »was thu ich? schneid ich ehr, oder eß ich ehr? hei, ich will erst essen«. Nun aß sie ihren Topf mit Brei aus, und als sie dick satt war, sprach sie wieder »was thu ich? schneid ich ehr, oder schlaf ich ehr? hei, ich will erst schlafen«. Da legte sie sich ins Korn und schlief ein.

      Der Hans war längst zu Haus, aber die Else wollte nicht kommen: da sprach er »was hab ich für eine kluge Else, die ist so fleißig, daß sie nicht einmal nach Haus kommt und ißt«. Als sie aber noch immer ausblieb, und es Abend ward, gieng der Hans hinaus und wollte sehen, was sie geschnitten hätte: aber es war nichts geschnitten, sondern sie lag im Korn und schlief. Da eilte Hans geschwind heim und holte ein Vogelgarn mit kleinen Schellen und hängte es um sie herum; und sie schlief noch immer fort. Dann lief er heim, schloß die Hausthüre zu und setzte sich auf seinen Arbeitsstuhl nieder.

      Endlich, wie es schon ganz dunkel war, erwachte die kluge Else, und als sie aufstand, rappelte es um sie herum bei jedem Schritte, den sie that. Da erschrak sie, ward irre, ob sie auch wirklich die kluge Else wäre und sprach »bin ichs, oder bin ichs nicht?« Sie wußte aber nicht, was sie darauf antworten sollte und stand eine Zeitlang zweifelhaft: endlich dachte sie »ich will nach Haus gehen und fragen, ob ichs bin oder ob ichs nicht bin, die werdens ja wissen«. Sie lief vor ihre Hausthüre, aber die war verschlossen: da klopfte sie an das Fenster und rief »Hans, ist die Else drinnen?« »Ja«, antwortete der Hans, »sie ist drinnen.« Da erschrak sie und sprach »ach Gott, dann bin ichs nicht«, und ging vor eine andere Thür; als aber die Leute das Klingeln der Schellen hörten, wollten sie nicht auf machen, und sie konnte nirgend unterkommen. Da lief sie fort zum Dorfe hinaus, und niemand hat sie wieder gesehen.
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      schrieb am 08.04.04 13:56:45
      Beitrag Nr. 47 ()
      passt vielleicht nicht alles so auf den ersten Blick zum Titel, aber Menschen sind schließlich auch nur Tiere....
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      schrieb am 08.04.04 14:00:51
      Beitrag Nr. 48 ()
      Doktor Allwissend

      Es war einmal ein armer Bauer namens Krebs, der fuhr mit zwei Ochsen ein Fuder Holz in die Stadt und verkaufte es für zwei Taler an einen Doktor. Wie ihm nun das Geld ausbezahlt wurde, saß der Doktor gerade zu Tisch; da sah der Bauer, wie er schön aß und trank, und das Herz ging ihm danach auf, und er wäre auch gern ein Doktor gewesen. Also blieb er noch ein Weilchen stehen und fragte endlich, ob er nicht auch könnte ein Doktor werden. „O ja", sagte der Doktor, „das ist bald geschehen." „Was muß ich tun?" fragte der Bauer. „Erstlich kauf dir ein Abecebuch, so eins, wo vorn ein Gockelhahn drin ist; zweitens mache deinen Wagen und deine zwei Ochsen zu Geld und schaff dir damit Kleider an und was sonst zur Doktorei gehört; drittens laß dir ein Schild malen mit den Worten: ,Ich bin der Doktor Allwissend’ und laß das oben über deine Haustür nageln!"

      Der Bauer tat alles, wie’s ihm geheißen war. Als er nun ein wenig gedoktert hatte, aber noch nicht viel, ward einem reichen, großen Herrn Geld gestohlen. Da ward ihm von dem Doktor Allwissend gesagt, der in dem und dem Dorfe wohnte und auch wissen müßte, wo das Geld hingekommen wäre. Also ließ der Herr seinen Wagen anspannen, fuhr hinaus ins Dorf und fragte bei ihm an, ob er der Doktor Allwissend wäre. Ja, der wär er. So sollte er mitgehen und das gestohlene Geld wieder schaffen. O ja, aber die Grete, seine Frau müßte auch mit. Der Herr war damit zufrieden und ließ sie beide in den Wagen sitzen, und sie fuhren zusammen fort.

      Als sie auf den adligen Hof kamen, war der Tisch gedeckt; da sollte er erst mitessen. Ja, aber seine Frau, die Grete, auch, sagte er und setzte sich mit ihr hinter den Tisch. Wie nun der erste Bediente mit einer Schüssel schönem Essen kam, stieß der Bauer seine Frau an und sagte: „Grete, das war der erste", und meinte, es wäre derjenige, welcher das erste Essen brächte. Der Bediente aber meinte, er hätte damit sagen wollen: Das ist der erste Dieb; und weil er`s nun wirklich war, ward ihm angst, und er sagte draußen zu seinen Kameraden: „Der Doktor weiß alles, wir kommen übel an; er hat gesagt, ich wäre der erste." Der zweite wollte gar nicht herein, er mußte aber doch. Wie er nun mit seiner Schüssel herein kam, stieß der Bauer seine Frau an: „Grete, das ist der zweite." Dem Bedienten ward ebenfalls angst, und er machte, daß er hinauskam. Dem dritten ging`s nicht besser; der Bauer sagte wieder: „Grete, das ist der dritte." Der vierte mußte eine verdeckte Schüssel hereintragen, und der Herr sprach zum Doktor, er sollte seine Kunst zeigen und raten, was darunter läge; es waren aber Krebse.

      Der Bauer sah die Schüssel an, wußte nicht, wie er sich helfen sollte, und sprach: „Ach, ich armer Krebs!" Wie der Herr das hörte, rief er: „Da, er weiß es, nun weiß er auch, wer das Geld hat."
      Dem Bedienten aber ward gewaltig angst, und er blinzelte den Doktor an, er möchte einmal herauskommen. Wie er nun hinauskam, gestanden sie ihm alle viere, sie hätten das Geld gestohlen; sie wollten’s ja gerne herausgeben und ihm eine schwere Summe dazu, wenn er sie nicht verraten wollte; es ginge ihnen sonst an den Hals. Sie führten ihn auch hin, wo das Geld versteckt lag. Damit war der Doktor zufrieden, ging wieder hinein, setzte sich an den Tisch und sprach: „Herr, nun will ich in meinem Buch suchen, wo das Geld steckt." Der fünfte Bediente aber kroch in den Ofen und wollte hören, ob der Doktor noch mehr wüßte. Der saß aber und schlug sein Abecebuch auf, blätterte hin und her und suchte den Gockelhahn. Weil er ihn nicht gleich finden konnte, sprach er: „Du bist doch darin und mußt auch heraus." Da glaubte der im Ofen, er wäre gemeint, sprang voller Schrecken heraus und rief: „Der Mann weiß alles." Nun zeigte der Doktor Allwissend dem Herrn, wo das Geld lag, sagte aber nicht, wer’s gestohlen hatte, bekam von beiden Seiten viel Geld zur Belohnung und ward ein berühmter Mann

      :rolleyes:
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      schrieb am 08.04.04 14:13:15
      Beitrag Nr. 49 ()
      Vom Fischer und seiner Frau

      Es war einmal ein Fischer und seine Frau, die wohnten zusammen in einer kleinen Fischerhütte, dicht an der See, und der Fischer ging alle Tage hin und angelte; und er angelte und angelte.

      So saß er auch einmal mit seiner Angel und sah immer in das klare Wasser hinein; und so saß er nun und saß.
      Da ging die Angel auf den Grund, tief hinunter, und als er sie heraufholte, da holte er einen großen Butt heraus. Da sagte der Butt zu ihm: „Hör mal, Fischer, ich bitte dich, laß mich leben, ich bin gar kein richtiger Butt, ich bin ein verwünschter Prinz. Was hilft dir’s, wenn du mich totmachst? Ich würde dir doch nicht recht schmecken; setz mich wieder ins Wasser und laß mich schwimmen!" „Nun", sagte der Mann, „du brauchst nicht so viele Worte zu machen; einen Butt, der sprechen kann, werde ich doch wohl schwimmen lassen." Damit setzte er ihn wieder in das klare Wasser; da ging der Butt auf den Grund und ließ einen langen Streifen Blut hinter sich. Da stand der Fischer auf und ging zu seiner Frau in die kleine Hütte.

      „Mann", sagte die Frau, „hast du heute nichts gefangen?" „Nein", sagte der Mann, „ich fing einen Butt, der sagte, er wäre ein verwunschener Prinz, da hab ich ihn wieder schwimmen lassen." „Hast du dir denn nichts gewünscht?" sagte die Frau. „Nein", sagte der Mann, „was sollt ich mir denn wünschen?" „Ach", sagte die Frau, „das ist doch bös, immer hier in dem Hüttchen zu wohnen, das stinkt und ist so eklig; du hättest uns doch ein kleines Häuschen wünschen können. Geh noch mal hin und ruf ihn! Sag ihm, wir wollten ein kleines Häuschen haben, er tut das gewiß." „Ach", sagte der Mann, „was soll ich da noch mal hingehen?", „I", sagte die Frau, „du hattest ihn doch gefangen und hast ihn wieder schwimmen lassen, er tut das gewiß. Geh gleich hin!" Der Mann wollte noch nicht recht, wollte aber auch seiner Frau nicht zuwiderhandeln und ging hin an die See.

      Als er dorthin kam, war die See ganz grün und gelb und gar nicht mehr so klar. So stellte er sich hin und sagte:
      „Manntje, Manntje, Timpe Te,
      Buttje, Buttje in der See,
      mine Fru, de Ilsebill,
      will nich so, as ik wol will."
      Da kam der Butt angeschwommen und sagte: „Na, was will sie denn?" „Ach", sagte der Mann, „ich hab dich doch gefangen gehabt; nun sagt meine Frau, ich hätt mir doch was wünschen sollen. Sie mag nicht mehr in ihrer Hütte wohnen, sie will gern ein kleines Häuschen." „Geh nur hin", sagte der Butt, „sie hat es schon."
      Da ging der Mann hin, und seine Frau saß nicht mehr in dem Fischerhüttchen; an seiner Stelle stand jetzt ein kleines Häuschen, und seine Frau saß vor der Türe auf einer Bank. Da nahm ihn seine Frau bei der Hand und sagte zu ihm: „Komm nur herein, sieh, nun ist das doch viel besser!" Da gingen sie hinein, und in dem Häuschen war ein kleiner Vorplatz und eine kleine, allerliebste Stube und Kammer, wo jedem sein Bett stand, und Küche und Speisekammer, alles aufs beste mit Gerätschaften versehen und aufs schönste aufgestellt, Zinnzeug und Messing, was eben so dazu gehört. Und dahinter war auch ein kleiner Hof mit Hühnern und Enten und ein kleiner Garten mit Grünzeug und Obst. „Sieh", sagte die Frau, „ist das nicht nett?" „Ja", sagte der Mann, „so soll es bleiben; nun wollen wir recht vergnügt leben." „Das wollen wir uns bedenken", sagte die Frau. Dann aßen sie etwas und gingen zu Bett.

      So ging das wohl nun acht oder vierzehn Tage; da sagte die Frau: „Hör, Mann, das Häuschen ist auch gar zu eng, und der Hof und der Garten ist so klein; der Butt hätt uns auch wohl ein größeres Haus schenken können. Ich möchte wohl in einem großen, steinernen Schloß wohnen. Geh hin zum Butt, er soll uns ein Schloß schenken!" „Ach, wir in einem Schlosse wohnen?" „I was", sagte die Frau, „geh du nur hin, der Butt kann das schon tun!" „Nein, Frau", sagte der Mann, „der Butt hat uns erst das Häuschen gegeben; ich mag nun nicht gleich wiederkommen, den Butt könnte das verdrießen." „Geh doch", sagte die Frau, „er kann das recht gut und tut es auch gern; geh du nur hin!"
      Dem Mann war sein Herz so schwer, und er wollte nicht; er sagte zu sich selber: „Das ist nicht recht" - aber ging doch hin.

      Als er an die See kam, war das Wasser ganz violett und dunkelblau und grau und dick und gar nicht mehr so grün und gelb; doch war es noch still. Da stellte er sich nun hin und sagte:
      „Manntje, Manntje, Timpe Te,
      Buttje, Buttje in der See,
      mine Fru, de Ilsebill,
      will nich so, as ik wol will."
      „Na, was will sie denn?" sagte der Butt. „Ach", sagte der Mann halb bedrückt, „sie will in einem großen, steinernen Schloß wohnen."
      „Geh nur hin, sie steht vor der Tür", sagte der Butt.
      Da ging der Mann hin und dachte, er wollte nach Haus gehen; als er aber dahin kam, da stand dort ein großer, steinerner Palast, und seine Frau stand oben auf der Treppe und wollte hineingehen; da nahm sie ihn bei der Hand und sagte: „Komm mal herein!" Damit ging er mit ihr hinein, und in dem Schloß war eine große Diele mit einem Estrich aus Marmelstein, und da waren so viele Bediente, die rissen die großen Türen auf; und die Wände waren alle blank und mit schönen Tapeten, und in den Zimmern lauter goldene Stühle und Tische, und kristallene Kronenleuchter hingen von der Decke, und alle Stuben und Kammern waren mit Fußdecken belegt; und das Essen und der allerbeste Wein stand auf den Tischen, als ob sie brechen wollten. Und hinter dem Hause war auch ein großer Hof mit einem Pferde- und Kuhstall und Kutschwagen - alles vom Besten; auch war da ein großer herrlicher Garten mit den schönsten Blumen und seinen Obstbäumen und ein herrlicher Park, wohl eine halbe Meile lang; da waren Hirsche und Rehe und Hasen drin und alles, was man sich nur immer wünschen mochte. „Na", sagte die Frau, „ist das nun nicht schön?" „Ach ja", sagte der Mann, „so soll es auch bleiben; nun wollen wir auch in dem schönen Schloß wohnen und zufrieden sein." „Das wollen wir uns bedenken", sagte die Frau, „und wollen es beschlafen." Darauf gingen sie zu Bett.

      Am andern Morgen wachte die Frau zuerst auf, es war eben Tag geworden, und sah von ihrem Bett aus das herrliche Land vor sich liegen. Der Mann dehnte und reckte sich noch, da stieß sie ihn mit dem Ellenbogen in die Seite und sagte: „Mann steh auf und guck mal aus dem Fenster! Sieh, könnten wir nicht König werden über das ganze Land? Geh hin zum Butt, wir wollen König sein!" „Ach, Frau", sagte der Mann, „warum wollen wir König sein? Ich mag nicht König sein." „Nun", sagte die Frau, „willst du nicht König sein, so will ich König sein. Geh hin zum Butt, ich will König sein!" „Ach, Frau", sagte der Mann, „was willst du König sein? Das mag ich ihm nicht sagen." „Warum nicht?" sagte die Frau, „geh augenblicklich hin, ich muß König sein!" Da ging der Mann hin und war ganz bedrückt, daß seine Frau König werden wollte. Das ist und ist nicht recht, dachte der Mann. Er wollte nicht hingehen, ging aber doch hin.

      Und als er an die See kam, da war die See ganz schwarzgrau, und das Wasser quoll so von unten herauf und stank auch ganz faul. Da stellte er sich hin und sagte:
      „Manntje, Manntje, Timpe Te,
      Buttje, Buttje in der See,
      mine Fru, de Ilsebill,
      will nich so, as ik wol will."
      „Na, was will sie denn?" sagte der Butt. „Ach", sagte der Mann, „sie will König werden." „Geh nur hin, sie ist es schon", sagte der Butt. Da ging der Mann hin, und als er nach dem Palast kam, da war das Schloß viel größer geworden, mit einem großen Turm und herrlichem Zierat daran; und die Schildwacht stand vor dem Tor, und da waren so viele Soldaten und Pauken und Trompeten. Und als er in das Haus kam, da war alles von purem Marmelstein und Gold und samtne Decken mit großen, goldenen Quasten. Da gingen die Türen von dem Saal auf, wo der ganze Hofstaat war, und seine Frau saß auf einem hohen Thron von Gold und Diamanten und hatte eine große, goldene Krone auf und den Zepter in der Hand von purem Gold und Edelstein. Und auf beiden Seiten von ihr standen sechs Jungfern in einer Reihe, immer eine einen Kopf kleiner als die andere. Da stellte er sich nun hin und sagte: „Ach, Frau, bist du nun König?" „Ja", sagte die Frau, „nun bin ich König." Da stand er nun und sah sie an, und als er sie nun eine Zeitlang so angesehen hatte, sagte er: „Ach, Frau, was steht dir das gut, daß du König bist. Nun wollen wir uns auch nichts mehr wünschen." „Nein, Mann", sagte die Frau und war ganz unruhig, „mir wird schon Zeit und Weile lang, ich kann das nicht mehr aushalten. Geh hin zum Butt; König bin ich, nun muß ich auch Kaiser werden!" „Ach, Frau", sagte der Mann, „warum willst du Kaiser werden?" „Mann", sagte sie, „geh zum Butt, ich will Kaiser sein!" „Ach, Frau", sagte der Mann, „Kaiser kann er nicht machen, ich mag dem Butt das nicht sagen; Kaiser ist nur einmal im Reich; Kaiser kann der Butt nicht machen; das kann und kann er nicht!"

      „Was", sagte die Frau, „ich bin König, und du bist doch mein Mann; willst du gleich hingehn? Gleich geh hin! Kann er Könige machen, so kann er auch Kaiser machen; ich will und will Kaiser sein; gleich geh hin!" Da mußte er hingehn. Als der Mann aber hinging, war ihm ganz bang; und als er so ging, dachte er bei sich: Das geht und geht nicht gut: Kaiser ist zu ausverschämt, der Butt wird am Ende müde.
      Indes kam er an die See. Da war die See noch ganz schwarz und dick und fing an, so von unten herauf zu schäumen, daß sie Blasen warf, und es ging so ein Wirbelwind über die See hin, daß sie sich nur so drehte. Und den Mann ergriff ein Grauen. Da stand er nun und sagte:
      „Manntje, Manntje, Timpe Te,
      Buttje, Buttje in der See,
      mine Fru, de Ilsebill,
      will nich so, as ik wol will."
      „Na, was will sie denn?" sagte der Butt. „Ach, Butt", sagte er, „meine Frau will Kaiser werden." „Geh nur hin", sagte der Butt, „sie ist es schon." Da ging der Mann hin, und als er ankam, da war das ganze Schloß von poliertem Marmelstein mit Figuren aus Alabaster und goldenen Zieraten. Vor der Tür marschierten die Soldaten, und sie bliesen Trompeten und schlugen Pauken und Trommeln. Aber in dem Hause, da gingen die Barone und Grafen und Herzöge grad so, als ob sie Diener wären, herum; die machten ihm die Türen auf, die von lauter Gold waren. Und als er hereinkam, da saß seine Frau auf einem Thron, der war von einem Stück Gold und war wohl zwei Meilen hoch; und sie hatte eine große, goldene Krone auf, die war drei Ellen hoch und mit Brillanten und Karfunkelsteinen besetzt. In der einen Hand hatte sie den Zepter und in der anderen den Reichsapfel, und auf beiden Seiten neben ihr, da standen die Trabanten so in zwei Reihen, immer einer kleiner als der andere, von dem allergrößten Riesen, der war zwei Meilen hoch, bis zu dem allerwinzigsten Zwerg, der war so groß wie mein kleiner Finger. Und vor ihr standen so viele Fürsten und Herzöge. Da ging nun der Mann hin und stand zwischen ihnen und sagte: „Frau, bist du nun Kaiser?" „Ja", sagte sie, „ich bin Kaiser." Da stellte er sich nun hin und besah sie sich so recht; und als er sie so eine Zeitlang angesehen hatte, da sagte er: „Ach, Frau, wie steht dir das schön, daß du Kaiser bist!" „Mann", sagte sie, „was stehst du da? Ich bin nun Kaiser; nun will ich aber auch Papst werden, geh hin zum Butt!" „Ach, Frau", sagte der Mann, „was willst du denn nicht noch alles werden?" Papst kannst du nicht werden; den Papst gibt’s doch nur einmal in der Christenheit - das kann er doch nicht machen." „Mann", sagte sie, „ich will Papst werden, geh gleich hin, ich muß heut noch Papst werden!" „Nein, Frau", sagte der Mann, „das mag ich ihm nicht sagen, das geht nicht gut aus, das ist zuviel verlangt, zum Papst kann dich der Butt nicht machen." „Mann, schwatz kein dummes Zeug!" sagte die Frau, „kann er Kaiser machen, so kann er auch Päpste machen. Geh sofort hin! Ich bin Kaiser, und du bist doch mein Mann - willst du wohl hingehen?" Da wurde ihm ganz bang zumute, und er ging hin. Ihm war aber ganz flau, er zitterte und bebte, und die Knie und Waden schlotterten ihm.

      Und da strich so ein Wind über das Land, und die Wolken flogen, und es wurde so düster wie gegen den Abend zu; die Blätter wehten von den Bäumen, und das Wasser ging hoch und brauste so, als ob es kochte, und platschte an das Ufer, und in der Ferne sah er die Schiffe, die gaben Notschüsse ab und tanzten und sprangen auf den Wogen. Doch der Himmel war in der Mitte noch so ein bißchen blau, aber an den Seite, da zog es so recht rot auf wie ein schweres Gewitter. Da ging er ganz verzagt hin und stand da in seiner Angst und sagte:
      „Manntje, Manntje, Timpe Te,
      Buttje, Buttje in der See,
      mine Fru, de Ilsebill,
      will nich so, as ik wol will."
      „Na, was will sie denn?" sagte der Butt. „Ach", sagte der Mann, „sie will Papst werden." „Geh nur hin, sie ist es schon", sagte der Butt.
      Da ging er hin, und als er ankam, da war da wie eine große Kirche, von lauter Palästen umgeben. Da drängte er sich durch das Volk; inwendig war aber alles mit tausend und aber tausend Lichtern erleuchtet, und seine Frau war ganz in Gold gekleidet und saß auf einem noch viel höheren Thron und hatte drei große, goldene Kronen auf, und um sie herum, da war so viel geistlicher Staat, und zu beiden Seiten von ihr, da standen zwei Reihen Lichter, das größte so dick und groß wie der allergrößte Turm, bis zu dem allerkleinsten Küchenlicht. Und all die Kaiser und Könige, die lagen vor ihr auf den Knien und küßten ihr den Pantoffel. „Frau", sagte der Mann und sah sie so recht an, „bist du nun Papst?" „Ja", sagte sie, „ich bin Papst." Da ging er hin und sah sie recht an, und da war ihm, als ob er in die helle Sonne sähe. Als er sie so eine Zeitlang angesehen hatte, sagte er: „Ach, Frau, wie gut steht dir das, daß du Papst bist!" Sie saß aber ganz steif wie ein Baum und rührte und regte sich nicht. Da sagte er: „Frau, nun sein zufrieden, daß du Papst bist! Nun kannst du doch nichts mehr werden." „Das will ich mir bedenken", sagte die Frau. Damit gingen sie beide zu Bett; aber sie war nicht zufrieden, und die Gier ließ sie nicht schlafen, sie dachte immer, was sie noch werden könnte.
      Der Mann schlief gut und fest, er hatte am Tag viel laufen müssen; die Frau aber konnte nicht einschlafen und warf sich die ganze Nacht von einer Seite auf die andere und dachte immer drüber nach, was sie wohl noch werden könnte, und konnte sich doch auf nichts mehr besinnen. Indessen wollte die Sonne aufgehen, und als sie das Morgenrot sah, setzte sie sich aufrecht im Bett hin und sah starr da hinein. Und als sie aus dem Fenster die Sonne so heraufkommen sah: „Ha", dachte sie, „kann ich nicht auch die Sonne und den Mond aufgehen lassen?" „Mann", sagte sie und stieß ihn mit dem Ellenbogen in die Rippen, „wach auf, geh hin zum Butt, ich will werden wie der liebe Gott!" Der Mann war noch ganz schlaftrunken, aber er erschrak so, daß er aus dem Bett fiel. Er meinte, er hätte sich verhört und rieb sich die Augen aus und sagte: „Ach, Frau, was sagst du?" „Mann", sagte sie, „wenn ich nicht die Sonne und den Mond kann aufgehen lassen - das kann ich nicht aushalten, und ich habe dann keine ruhige Stunde mehr, daß ich sie nicht selbst kann aufgehen lassen." Dabei sah sie ihn ganz böse an, daß ihn ein Schauder überlief. „Gleich geh hin; ich will werden wie der liebe Gott!" „Ach, Frau", sagte der Mann und fiel vor ihr auf die Knie, „das kann der Butt nicht. Kaiser und Papst kann er machen; ich bitte dich, geh in dich und bleibe Papst!"

      Da kam die Bosheit über sie; die Haare flogen ihr so wild um den Kopf, und sie schrie: „Ich halte das nicht aus! Und ich halte das nicht länger aus; willst du hingehen?" Da zog er sich die Hosen an und lief davon wie unsinnig.
      Draußen aber ging der Sturm und brauste, daß er kaum auf den Füßen stehen konnte. Die Häuser und die Bäume wurden umgeweht, und die Berge bebten, und die Felsenstücke rollten in die See, und der Himmel war ganz pechschwarz, und es donnerte und blitzte, und die See ging in so hohen schwarzen Wogen wie Kirchtürme und Berge, und oben hatten sie alle eine weiße Schaumkrone. Da schrie er, und er konnte sein eigenes Wort nicht hören:
      „Manntje, Manntje, Timpe Te,
      Buttje, Buttje in der See,
      mine Fru, de Ilsebill,
      will nich so, as ik wol will."
      „Na, was will sie denn?" sagte der Butt. „Ach", sagte er, „sie will werden wie der liebe Gott." „Geh nur hin, sie sitzt schon wieder in der Fischerhütte."
      Da sitzen sie noch bis auf den heutigen Tag.
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      schrieb am 08.04.04 14:21:48
      Beitrag Nr. 50 ()
      Märchen von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen

      Ein Vater hatte zwei Söhne, davon war der älteste klug und gescheit und wußte sich in alles wohl zu schicken, der jüngste aber war dumm, konnte nichts begreifen und lernen. Und wenn ihn die Leute sahen, sprachen sie: "Mit dem wird der Vater noch seine Last haben!" Wenn nun etwas zu tun war, so mußte es der älteste allzeit ausrichten; hieß ihn aber der Vater noch spät oder gar in der Nacht etwas holen, und der Weg ging dabei über den Kirchhof oder sonst einen schaurigen Ort, so antwortete er wohl: "Ach nein, Vater, ich gehe nicht dahin, es gruselt mir!" denn er fürchtete sich. Oder wenn abends beim Feuer Geschichten erzählt wurden, wobei einem die Haut schaudert, so sprachen die Zuhörer manchmal: "Ach, es gruselt mir!" Der jüngste saß in einer Ecke und hörte das mit an und konnte nicht begreifen, was es heißen sollte. "Immer sagen sie, es gruselt mir! Mir gruselt`s nicht, das wird wohl eine Kunst sein, von der ich auch nichts verstehe."

      Nun geschah es, daß der Vater einmal zu ihm sprach: "Hör du, in der Ecke dort, du wirst groß und stark, du mußt auch etwas lernen, womit du dein Brot verdienst. Siehst du, wie dein Bruder sich Mühe gibt, aber an dir ist Hopfen und Malz verloren."—"Ei, Vater", antwortete er, "ich will gerne was lernen; ja, wenn`s anginge, so möchte ich lernen, daß mir`s gruselte." Der älteste lachte, als er das hörte, und dachte bei sich: ,Du lieber Gott, was ist mein Bruder ein Dummbart, aus dem wird sein Lebtag nichts, was ein Häkchen werden will, muß sich beizeiten krümmen.` Der Vater seufzte und antwortete ihm: "Das Gruseln, das sollst du schon lernen, aber dein Brot wirst du damit nicht verdienen.

      Bald danach kam der Küster zu Besuch ins Haus, da klagte ihm der Vater seine Not und erzählte, wie sein jüngster Sohn in allen Dingen so schlecht beschlagen wäre, er wüßte nichts und lernte nichts. "Denkt Euch, als ich ihn fragte, womit er sein Brot verdienen wollte, hat er gar verlangt, das Gruseln zu lernen."—"Wenn`s weiter nichts ist", antwortete der Küster, "das kann er bei mir lernen; tut ihn nur zu mir, ich will ihn schon abhobeln." Der Vater war es zufrieden, weil er dachte: ,Der Junge wird doch ein wenig zugestutzt.` Der Küster nahm ihn also ins Haus, und er mußte die Glocke läuten. Nach ein paar Tagen weckte er ihn um Mitternacht, hieß ihn aufstehen, in den Kirchturm steigen und läuten. ,Du sollst schon lernen, was Gruseln ist`, dachte er, ging heimlich voraus, und als der Junge oben war und sich umdrehte und das Glockenseil fassen wollte, so sah er auf der Treppe, dem Schalloch gegenüber eine weiße Gestalt stehen. "Wer da?" rief er, aber die Gestalt gab keine Antwort, regte und bewegte sich nicht. "Gib Antwort", rief der Junge, "oder mache, daß du fortkommst, du hast hier in der Nacht nichts zu schaffen." Der Küster aber blieb unbeweglich stehen, damit der Junge glauben sollte, es wäre ein Gespenst.

      Der Junge rief zum zweitenmal: "Was willst du hier? Sprich, wenn du ein ehrlicher Kerl bist, oder ich werfe dich die Treppe hinab!" Der Küster dachte: ,Das wird so schlimm nicht gemeint sein`, gab keinen Laut von sich und stand, als wenn er von Stein wäre. Da rief ihn der Junge zum dritten Male an, und als das auch vergeblich war, nahm er einen Anlauf und stieß das Gespenst die Treppe hinab, daß es in einer Ecke liegenblieb. Darauf läutete er die Glocke, ging heim, legte sich ins Bett und schlief fort. Die Küsterfrau wartete lange Zeit auf ihren Mann, aber er wollte nicht wiederkommen. Da ward ihr endlich angst, sie weckte den Jungen und fragte: "Weißt du nicht, wo mein Mann gebli eben ist? Er ist vor dir auf den Turm gestiegen."—"Nein", antwortete der Junge, "aber da hat einer dem Schalloch gegenüber auf der Treppe gestanden, und weil er keine Antwort geben und auch nicht weggehen wollte, so habe ich ihn für einen Spitzbuben gehalten und hinuntergestoßen. Geht nur hin, so werdet Ihr sehen, ob er`s gewesen ist, es sollte mir leid tun."

      Die Frau sprang fort und fand ihren Mann, der in einer Ecke lag und ein Bein gebrochen hatte.
      Sie trug ihn herab und eilte dann mit lautem Geschrei zu dem Vater des Jungen. "Euer Junge", rief sie, "hat ein großes Unglück angerichtet, meinen Mann hat er die Treppe hinabgeworfen, daß er ein Bein gebrochen hat, schafft den Taugenichts aus unserm Hause." Der Vater erschrak, kam herbeigelaufen und schalt den Jungen aus. "Was sind das für gottlose Streiche, die muß dir der Böse eingegeben haben."—"Vater", antwortete er, "hört nur an, ich bin ganz unschuldig; er stand da in der Nacht wie einer, der Böses im Sinne hat. Ich wußte nicht, wer`s war, und habe ihn dreimal ermahnt zu reden oder wegzugehen."—"Ach", sprach der Vater, "mit dir erleb` ich nur Unglück, geh mir aus den Augen, ich will dich nicht mehr ansehen."—"Ja, Vater, recht gerne, wartet nur, bis Tag ist, da will ich ausgehen und das Gruseln lernen, so versteh` ich doch eine Kunst, die mich ernähren kann."— "Lerne, was du willst", sprach der Vater, "mir ist alles einerlei. Da hast du fünfzig Taler, damit geh in die weite Welt und sage keinem Menschen, wo du her bist und wer dein Vater ist; denn ich muß mich deiner schämen." —"Ja, Vater, wie Ihr`s haben wollt, wenn Ihr nicht mehr verlangt, das kann ich leicht in acht behalten."

      Als nun der Tag anbrach, steckte der Junge seine fünfzig Taler in die Tasche, ging hinaus auf die große Landstraße und sprach immer vor sich hin: "Wenn mir`s nur gruselte! Wenn mir`s nur gruselte!" Da kam ein Mann heran, der hörte, was der Junge sprach, und als sie ein Stück weiter waren, daß man den Galgen sehen konnte, sagte der Mann zu ihm: "Siehst du, dort ist der Baum, wo siebene mit des Seilers Tochter Hochzeit gehalten haben und jetzt das Fliegen lernen. Setz dich darunter und warte, bis die Nacht kommt, so wirst du schon das Gruseln lernen."—"Wenn weiter nichts dazugehört", antwortete der Junge, "das ist leicht getan: lerne ich aber so geschwind das Gruseln, so sollst du meine fünfzig Taler haben, komm nur morgen früh wieder zu mir." Da ging der Junge zu dem Galgen, setzte sich darunter und wartete, bis der Abend kam. Und weil ihn fror, machte er sich ein Feuer an, aber um Mitternacht ging der Wind so kalt, daß er trotz des Feuers nicht warm werden wollte. Und als der Wind die Gehenkten gegeneinander stieß, daß sie sich hin und her bewegten, so dachte er: ,Du frierst unten beim Feuer, was mögen die da oben erst frieren und zappeln!` Und weil er mitleidig war, legte er die Leiter an, stieg hinauf, knüpfte einen nach dem andern los und holte sie alle siebene herab. Darauf schürte er das Feuer, blies es an und setzte sie ringsherum, daß sie sich wärmen sollten. Aber sie saßen da und regten sich nicht, und das Feuer ergriff ihre Kleider. Da sprach er: "Nehmt euch in acht, sonst häng` ich euch wieder hinauf." Die Toten aber hörten nicht, schwiegen und ließen ihre Lumpen fort brennen. Da ward er bös und sprach: "Wenn ihr nicht achtgeben wollt, so kann ich euch nicht helfen, ich will nicht mit euch verbrennen", und hing sie nach der Reihe wieder hinauf. Nun setzte er sich zu seinem Feuer und schlief ein, und am andern Morgen, da kam der Mann zu ihm, wollte die fünfzig Taler haben und spra ch: "Nun, weißt du, was Gruseln ist?"—"Nein", antwortete er, "woher sollte ich`s wissen? Die da droben haben das Maul nicht aufgetan und waren so dumm, daß sie die paar alten Lappen, die sie am Leibe haben, brennen ließen." Da sah der Mann, daß er die fünfzig Taler heute nicht davontragen würde, ging fort und sprach: "So einer ist mir noch nicht vorgekommen."

      Der Junge ging auch seines Weges und fing wieder an, vor sich hin zu reden: "Ach, wenn mir`s nur gruselte! Ach, wenn mir`s nur gruselte!" Das hörte ein Fuhrmann, der hinter ihm herschritt, und fragte: "Wer bist du?"—"Ich weiß nicht", antwortete der Junge. Der Fuhrmann fragte weiter: "Wo bist du her?"—"Ich weiß nicht."—"Wer ist dein Vater?"—"Das darf ich nicht sagen."—"Was brummst du beständig in den Bart hinein?"—"Ei", antwortete der Junge", ich wollte, daß mir`s gruselte, aber niemand kann mich`s lehren."—"Laß dein dummes Geschwätz", sprach der Fuhrmann, "komm, geh mit mir, ich will sehen, daß ich dich unterbringe." Der Junge ging mit dem Fuhrmann, und abends gelangten sie zu einem Wirtshaus, wo sie übernachten wollten. Da sprach er beim Eintritt in die Stube wieder ganz laut: "Wenn mir`s nur gruselte! Wenn mir`s nur gruselte!" Der Wirt, der das hörte, lachte und sprach: "Wenn dich danach lüstet, dazu sollte hier wohl Gelegenheit sein."—"Ach, schweig stille", sprach die Wirtsfrau", so mancher Vorwitzige hat schon sein Leben eingebüßt, schade um die schönen Augen, wenn die das Tageslicht nicht wieder sehen sollten." Der Junge aber sagte: "Wenn`s noch so schwer wäre, ich will`s einmal lernen." Er ließ dem Wirt auch keine Ruhe, bis dieser erzählte, nicht weit davon stünde ein verwünschtes Schloß, wo einer wohl lernen könnte, was Gruseln wäre, wenn er nur drei Nächte darin wachen wollte. Der König hätte dem, der`s wagen wollte, seine Tochter zur Frau versprochen, und die wäre die schönste Jungfrau, welche die Sonne beschien. In dem Schlosse steckten auch große Schätze, von bösen Geistern bewacht, die würden dann frei und könnten einen Armen reich genug machen. Da ging der Junge am andern Morgen vor den König und sprach: "Wenn`s erlaubt wäre, so wollte ich wohl drei Nächte in dem verwünschten Schlosse wachen." Der König sah ihn an, und weil er ihm gefiel, sprach er: "Du darfst dir noch dreierlei ausbitten, aber es müssen leblose Dinge sein, und die darfst du mit ins Schloß nehmen." Da antwortete er: "So bitt` ich um ein Feuer, eine Drehbank und eine Schnitzbank mit dem Messer."

      Der König ließ ihm das alles bei Tage in das Schloß tragen. Als es Nacht werden wollte, ging der Junge hinauf, machte sich in einer Kammer ein helles Feuer an, stellte die Schnitzbank mit dem Messer daneben und setzte sich auf die Drehbank. "Ach, wenn mir`s nur gruselte!" sprach er, "aber hier werde ich`s auch nicht lernen." Gegen Mitternacht wollte er sich sein Feuer einmal aufschüren, wie er so hineinblies, da schrie`s plötzlich aus einer Ecke: "Au, miau! Was uns friert!"—"Ihr Narren", rief er, "was schreit ihr? Wenn euch friert, kommt, setzt euch ans Feuer und wärmt euch." Und wie er das gesagt hatte, kamen zwei große schwarze Katzen in einem gewaltigen Sprunge herbei, setzten sich ihm zu beiden Seiten und sahen ihn mit ihren feurigen Augen ganz wild an. Über ein Weilchen, als sie sich gewärmt hatten, sprachen sie: "Kamerad, wollen wir eins in der Karte spielen?"—"Warum nicht?" antwortete er, "aber zeigt einmal eure Pfoten her!" Da streckten sie die Krallen aus. "Ei", sagte er, "was habt ihr lange Nägel! Wartet, die muß ich euch erst abschneiden." Damit packte er sie beim Kragen, hob sie auf die Schnitzbank und schraubte ihnen die Pfoten fest. "Euch habe ich auf die Finger gesehen", sprach er",da vergeht mir die Lust zum Kartenspiel", schlug sie tot und warf sie hinaus ins Wasser. Als er aber die zwei zur Ruhe gebracht hatte, da kamen aus allen Ecken und Enden schwarze Katzen und schwarze Hunde an glühenden Ketten, immer mehr und mehr, daß er sich nicht mehr bergen konnte. Die schrien greulich, traten ihm auf sein Feuer, zerrten es auseinander und wollten es ausmachen. Das sah er ein Weilchen ruhig mit an, als es ihm aber zu arg ward, faßte er sein Schnitzmesser und rief: "Fort mit dir, du Gesindel!" und haute auf sie los. Ein Teil sprang weg, die andern schlug er tot und warf sie hinaus in den Teich. Als er wiedergekommen war, blies er aus den Funken sein Feuer frisch an und wärmte sich. Und als er so saß, wollten ihm die Augen nicht länger offen bleiben, und er bekam Lust zu schlafen. Da blickte er um sich und sah in der Ecke ein großes Bett. "Das ist mir eben recht", sprach er und legte sich hinein. Als er aber die Augen zutun wollte, so fing das Bett von selbst an zu fahren und fuhr im ganzen Schloß herum. "Recht so", sprach er, "nur besser zu." Da rollte das Bett fort, als wären sechs Pferde vorgespannt, über Schwellen und Treppen auf und ab. Auf einmal, hopp hopp, fiel es um, das Unterste zu oberst, daß es wie ein Berg auf ihm lag. Aber er schleuderte Decken und Kissen in die Höhe, stieg heraus und sagte: "Nun mag fahren, wer Lust hat", legte sich an sein Feuer und schlief, bis es Tag war. Am Morgen kam der König, und als er ihn da auf der Erde liegen sah, meinte er, er wäre tot. Da sprach er: "Es ist doch schade um den schönen Menschen." Das hörte der Junge, richtete sich auf und sprach: "So weit ist`s noch nicht!" Da wunderte sich der König, freute sich aber und fragte, wie es ihm gegangen wäre. "Recht gut", antwortete er, "eine Nacht wäre herum, die zwei andern werden auch herumgehen." Als er zum Wirt kam, da machte der große Augen. "Ich dachte nicht", sprach er, "daß ich dich wieder lebendig sehen würde; hast du nun gelernt, was Gruseln ist?"—"Nein", sagte er, "es ist alles vergeblich, wenn mir`s nur einer sagen könnte!"

      Die zweite Nacht ging er abermals hinauf ins alte Schloß, setzte sich zum Feuer und fing sein altes Lied wieder an: "Wenn mir`s nur gruselte!" Wie Mitternacht herankam, ließ sich ein Lärm und Gepolter hören, erst sachte, dann immer stärker, dann war`s ein bißchen still, endlich kam mit lautem Geschrei ein halber Mensch den Schornstein herab und fiel vor ihn hin. "Heda!" rief er", noch ein halber gehört dazu, das ist zu wenig." Da ging der Lärm von frischem an, es tobte und heulte, und da fiel die andere Hälfte auch herab. "Wart", sprach er, "ich will dir erst das Feuer ein wenig anblasen." Wie er das getan hatte und sich wieder umsah, da waren die beiden Stücke zusammengefahren, und da saß ein greulicher Mann auf seinem Platz. "So haben wir nicht gewettet", sprach der Junge, "die Bank ist rnein." Der Mann wollte ihn wegdrängen, aber der Junge ließ sich`s nicht gefallen, schob ihn mit Gewalt weg und setzte sich wieder auf seinen Platz. Da fielen noch mehr Männer herab, einer nach dem andern, die holten neun Totenbeine und zwei Totenköpfe, setzten auf und spielten Kegel. Der Junge bekam auch Lust und fragte: "Hört ihr, kann ich mittun?"
      "Ja, wenn du Geld hast." — "Geld genug", antwortete er, "aber eure Kugeln sind nicht recht rund." Da nahm er die Totenköpfe, setzte sie in die Drehbank und drehte sie rund. "So, jetzt werden sie besser schüppeln", sprach er, "heida, nun geht`s lustig!" Er spielte mit und verlor etwas von seinem Geld, als es aber zwölf Uhr schlug, war alles vor seinen Augen verschwunden. Er legte sich nieder und schlief ruhig ein. Am andern Morgen kam der König und wollte sich erkundigen. "Wie ist dir`s diesmal gegangen?" fragte er.— "Ich habe gekegelt", antwortete er, "und ein paar Heller verloren."—"Hat dir denn nicht gegruselt?"—"Ei was", sprach er, "lustig hab` ich mich gemacht. Wenn ich nur wüßte, was Gruseln wäre!"

      In der dritten Nacht setzte er sich wieder auf seine Bank und sprach ganz verdrießlich: "Wenn es mir nur gruselte!" Als es spät ward, kamen sechs große Männer und brachten eine Totenlade hereingetragen. Da sprach er: "Ha, ha, das ist gewiß mein Vetterchen, das erst vor ein paar Tagen gestorben ist, winkte mit dem Finger und rief: "Komm, Vetterchen, komm!" Sie stellten den Sarg auf die Erde, er aber ging hinzu und nahm den Deckel ab, da lag ein toter Mann darin. Er fühlte ihm ans Gesicht, aber es war kalt wie Eis. "Wart", sprach er, "ich will dich ein bißchen wärmen", ging ans Feuer, wärmte seine Hand und legte sie ihm aufs Gesicht, aber der Tote blieb kalt. Nun nahm er ihn heraus, setzte ihn ans Feuer und rieb ihm die Arme, damit das Blut wieder in Bewegung kommen sollte. Als auch das nichts helfen wollte, fiel ihm ein: `Wenn zwei zusammen im Bett liegen, so wärmen sie sich`, brachte ihn ins Bett, deckte ihn zu und legte sich neben ihn. Über ein Weilchen ward auch der Tote warm und fing an, sich zu regen. Da sprach der Junge: "Siehst du, Vetterchen, hätt` ich dich nicht gewärmt!" Der Tote aber hub an zu sprechen: " Jetzt will ich dich erwürgen." — "Was", sagte er, "ist das der Dank? Gleich sollst du wieder in deinen Sarg", hob ihn auf, warf ihn hinein und machte den Deckel zu; da kamen die sechs Männer und trugen ihn wieder fort. "Es will mir nicht gruseln", sagte er, "hier lerne ich`s mein Lebtag nicht."
      Da trat ein Mann herein, der war größer als alle anderen und sah fürchterlich aus; er war aber alt und hatte einen langen weißen Bart. "0 du Wicht", rief er, "nun sollst du bald lernen, was Gruseln ist; denn du sollst sterben."—"Nicht so schnell", antwortete der Junge, "soll ich sterben, so muß ich auch dabeisein." "Dich will ich schon packen", sprach der Unhold.— "Sachte, sachte, mach dich nicht so breit; so stark wie du bin ich auch."— "Das wollen wir sehn", sprach der Alte, "bist du stärker als ich, so will ich dich gehen lassen; komm, wir wollen`s versuchen." Da führte er ihn durch dunkle Gänge zu einem Schmiedefeuer, nahm eine Axt und schlug den einen Amboß mit einem Schlag in die Erde. "Das kann ich noch besser, sprach der Junge und ging zu dem andern Amboß. Der Alte stellte sich nebenhin und wollte zusehen, und sein weißer Bart hing herab. Da faßte der Junge die Axt, spaltete den Amboß auf einen Hieb und klemmte den Bart des Alten mit hinein. "Nun hab` ich dich", sprach der Junge, "jetzt ist das Sterben an dir." Dann faßte er eine Eisenstange und schlug auf den Alten los, bis er wimmerte, und bat, er möchte aufhören, er wollte ihm große Reichtümer geben. Der Junge zog die Axt `raus und ließ ihn los. Der Alte führte ihn wieder ins Schloß zurück und zeigte ihm in einem Keller drei Kasten voll Gold. "Davon", sprach er, "ist ein Teil den Armen, der andere dem König, der dritte dein." Indem schlug es zwölfe, und der Geist verschwand. Am andern Morgen kam der König und sagte: "Nun wirst du gelernt haben, was Gruseln ist!" —"Nein", antwortete er, "was ist`s nur? Mein toter Vetter war da, und ein bärtiger Mann ist gekommen, der hat mir da unten viel Geld gezeigt, aber was Gruseln ist, hat mir keiner gesagt." Da sprach der König: "Du hast das Schloß erlöst und sollst meine Tochter heiraten."
      Da ward das Gold heraufgebracht und die Hochzeit gefeiert, aber der junge König, so lieb er seine Gemahlin hatte und so vergnügt er war, sagte doch immer: "Wenn mir nur gruselte, wenn mir nur gruselte!" Das verdroß sie endlich. Ihr Kammermädchen sprach: "Ich will Hilfe schaffen, das Gruseln soll er schon lernen." Sie ging hinaus zum Bach, der durch den Garten floß, und ließ sich einen ganzen Eimer voll Gründlinge holen. Nachts, als der junge König schlief, mußte seine Gemahlin ihm die Decke wegziehen und den Eimer voll kaltem Wasser mit den Gründlingen über ihn herschütten, daß die kleinen Fische um ihn herum zappelten. Da wachte er auf und rief: "Ach, was gruselt mir, was gruselt mir, liebe Frau! Ja, nun weiß ich, was Gruseln ist."
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      schrieb am 08.04.04 14:45:42
      Beitrag Nr. 51 ()
      Irgendwie - ich erinnere mich dunkel - gab es früher solche Geschichten auf Papier, und davon mehrere Blätter zusammengefaßt, und wenn es viele waren, mit Pappe drumrum, und man nannte das ein BUCH! :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 14:54:14
      Beitrag Nr. 52 ()
      @beauty...man hält ja heute diese Märchen für gefährlich , angeblich sollen sie bei Kindern Ängste wecken... habe ich jedenfalls mal von Pädagogen gehört...

      ich habe diese Märchen früher sehr gerne gehört, auf Schallplatte, und hatte keine Angst... irgendwie gehen sie ja immer gut aus, finde ich jedenfalls...

      Ich habe mir alle jetzt noch mal durchgelesen und finde sie immer wieder interessant, auch für Erwachsene.... :)

      man kann viel für das Leben daraus lernen...
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 14:58:05
      Beitrag Nr. 53 ()
      ich kann mich noch erinnern an mein Märchen vom Rumpelstielzchen was ich auf Platte hatte ( der Erzähler dieser ganzen Märchenplatte hatte übrigens eine gan, ganz tolle warme Stimme.... ) ... jedesmal wenn der Name geraten wurde stieß das Rumpelstielzchen einen mörderischen Schrei aus.... und meine Mutter ist jedesmal zu Tode erschrocken... :D

      war dann automatisch mein Lieblingsmärchen, konnte es gar nicht oft genug hören.... :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 14:59:45
      Beitrag Nr. 54 ()
      ich mochte rumpelstilzchen auch :p habe es alt theater gesehen, da dachte ich nicht, dass ich solche figuren ganz real jahre später im inet treffen würde :D

      mein lieblingsmärchen war "brüderchen und schwesterchen"
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 15:00:41
      Beitrag Nr. 55 ()
      @meau... :D :laugh:
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 15:03:00
      Beitrag Nr. 56 ()
      Brüderchen und Schwesterchen

      Brüderchen nahm sein Schwesterchen an der Hand und sprach: "Seit die Mutter tot ist, haben wir keine gute Stunde mehr; die Stiefmutter schlägt uns alle Tage und stößt uns mit den Füßen fort. Die harten Brotkrusten, die übrigbleiben, sind unsere Speise, und dem Hündchen unter dem Tisch geht`s besser, dem wirft sie doch manchmal einen guten Bissen zu. Daß Gott erbarm, wenn das unsere Mutter wüßte! Komm, wir wollen miteinander in die weite Welt gehen." Sie gingen den ganzen Tag, und wenn es regnete, sprach das Schwesterlein: "Gott und unsere Herzen, die weinen zusammen!"

      Abends kamen sie in einen großen Wald und waren so müde von Jammer, vom Hunger und von dem langen Weg, daß sie sich in einen hohlen Baum setzten und einschliefen.
      Am andern Morgen, als sie aufwachten, stand die Sonne schon hoch am Himmel und schien heiß in den Baum hinein. Da sprach das Brüderchen: "Schwesterchen, mich dürstet, wenn ich ein Brünnlein wüßte, ich ging` und tränk` einmal; ich mein`, ich hört` eins rauschen." Brüderchen stand auf, nahm Schwesterchen an der Hand, und sie wollten das Brünnlein suchen. Die böse Stiefmutter aber war eine Hexe und hatte wohl gesehen, wie die beiden Kinder fortgegangen waren, war ihnen nachgeschlichen, heimlich, wie die Hexen schleichen, und hatte alle Brunnen im Walde verwünscht.
      Als sie nun ein Brünnlein fanden, das so glitzerig über die Steine sprang, wollte das Brüderchen daraus trinken; aber das Schwesterchen hörte, wie es im Rauschen sprach: "Wer aus mir trinkt, wird ein Tiger."—Da rief das Schwesterchen: "Ich bitte dich, Brüderchen, trink nicht, sonst wirst du ein wildes Tier und zerreißt mich." Das Brüderchen trank nicht, obgleich es so großen Durst hatte, und sprach: "Ich will warten bis zur nächsten Quelle."
      Als sie zum zweiten Brünnlein kamen, hörte das Schwesterchen, wie auch dieses sprach: "Wer aus mir trinkt, wird ein Wolf, wer aus mir trinkt, wird ein Wolf."—Da rief das Schwesterchen: "Brüderchen, ich bitte dich, trink nicht, sonst wirst du ein Wolf und frissest mich."—Das Brüderchen trank nicht und sprach: "Ich will warten, bis wir zur nächsten Quelle kommen, aber dann muß ich trinken, du magst sagen, was du willst; mein Durst ist gar zu groß."

      Und als sie zum dritten Brünnlein kamen, hörte das Schwesterlein, wie es im Rauschen sprach: , Wer aus mir trinkt, wird ein Reh, wer aus mir trinkt, wird ein Reh."— Das Schwesterchen sprach: "Ach, Brüderchen, trink nicht, sonst wirst du ein Reh und läufst mir fort." Aber das Brüderchen hatte sich gleich beim Brünnlein niedergekniet, und von dem Wasser getrunken, und wie die ersten Tropfen auf seine Lip pen gekommen waren, lag es da als ein Rehkälbchen.

      Nun weinte das Schwesterchen über das arme verwünschte Brüderchen, und das Rehchen weinte auch und saß so traurig neben ihm. Da sprach das Mädchen endlich: "Sei still, liebes Rehchen, ich will dich ja nimmermehr verlassen. Dann band es sein goldenes Strumpfband ab und tat es dem Rehchen um den Hals und rupfte Binsen und flocht ein weiches Seil daraus. Daran band es das Tierchen und führte es weiter und ging immer tiefer in den Wald hinein. Und als sie lange, lange gegangen waren, kamen sie endlich an ein kleines Haus, und das Mädchen schaute hinein, und weil es leer war, dachte es: ,Hier können wir bleiben und wohnen.` Da suchte es dem Rehchen Laub und Moos zu einem weichen Lager, und jeden Morgen ging es aus und sammelte Wurzeln, Beeren und Nüsse, und für das Rehchen brachte es zartes Gras mit, war vergnügt und spielte vor ihm herum. Abends, wenn Schwesterchen müde war und sein Gebet gesagt hatte, legte es seinen Kopf auf den Rücken des Rehkälbchens, das war sein Kissen, darauf es sanft einschlief. Und hätte das Brüderchen nur seine menschliche Gestalt gehabt, es wäre ein herrliches Leben gewesen.
      Das dauerte eine Zeitlang, daß sie so allein in der Wildnis waren.

      Es trug sich aber zu, daß der König des Landes eine große Jagd in dem Wald hielt. Da schallte das Hörnerblasen, Hundegebell und das lustige Geschrei der Jäger durch die Bäume, und das Rehlein hörte es und wäre gar zu gerne dabeigewesen. "Ach", sprach es zum Schwesterlein, "laß mich hinaus in die Jagd, ich kann`s nicht länger mehr aushalten", und bat so lange, bis es einwilligte. "Aber", sprach es zu ihm, "komm mir ja abends wieder, vor den wilden Jägern schließ` ich mein Türlein; und damit ich dich kenne, so klopf und sprich: ,Mein Schwesterlein, laß mich herein!` Und wenn du nicht so sprichst, so schließ ich mein Türlein nicht auf. " Nun sprang das Rehchen hinaus und es war ihm so wohl und es war so lustig in freier Luft. Der König und seine Jäger sahen das schöne Tier und setzten ihm nach, aber sie konnten es nicht einholen, und wenn sie meinten, sie hätten es gewiß, da sprang es über das Gebüsch weg und war verschwunden. Als es dunkel ward, lief es zu dem Häuschen, klopfte und sprach: "Mein Schwesterlein, laß mich herein." Da ward ihm die kleine Tür aufgetan, es sprang hinein und ruhete sich die ganze Nacht auf seinem weichen Lager aus. Am andern Morgen ging die Jagd von neuem an, und als das Rehlein wieder das Hifthorn hörte und das ,Ho ho !` der Jäger, da hatte es keine Ruhe und sprach: "Schwesterchen, mach mir auf, ich muß hinaus." Das Schwesterchen öffnete ihm die Tür und sprach: "Aber zu Abend mußt du wieder da sein und dein Sprüchlein sagen."

      Als der König und seine Jäger das Rehlein mit dem goldenen Halsband wiedersahen, jagten sie ihm alle nach, aber es war ihnen zu schnell und behend. Das währte den ganzen Tag, endlich aber hatten es die Jäger abends umzingelt, und einer verwundete es ein wenig am Fuß, so daß es hinken mußte und langsam fortlief. Da schlich ihm ein Jäger nach bis zu dem Häuschen und hörte, wie es rief: "Mein Schwesterlein, laß mich herein", und sah, daß die Tür ihm aufgetan und alsbald wieder zugeschlossen ward. Der Jäger ging zum König und erzählte ihm, was er gesehen und gehört hatte. Da sprach der König: "Morgen soll noch einmal gejagt werden."

      Das Schwesterchen aber erschrak gewaltig, als es sah, daß sein Rehkälbchen verwundet war. Es wusch ihm das Blut ab, legte Kräuter auf und sprach: "Geh auf dein Lager, lieb Rehchen, daß du wieder heil wirst." Die Wunde aber war so gering, daß das Rehchen am Morgen nichts mehr davon spürte. Und als es die Jagdlust wieder draußen hörte, sprach es: "Ich kann`s nicht aushalten, ich muß dabeisein!" Das Schwesterchen weinte und sprach: "Nun werden sie dich töten, und ich bin hier allein im Wald und bin verlassen von aller Welt, ich lass` dich nicht hinaus."—"So sterb` ich dir hier vor Betrübnis", antwortete das Rehchen, "wenn ich das Hifthorn höre, so mein` ich, ich müßt` aus den Schuhen springen!" Da konnte das Schwesterchen nicht anders und schloß ihm mit schwerem Herzen die Tür auf, und das Rehchen sprang gesund und fröhlich in den Wald. Als es der König erblickte, sprach er zu seinen Jägern: "Nun jagt ihm nach den ganzen Tag bis in die Nacht, aber daß ihm keiner etwas zuleide tut."
      Sobald die Sonne untergegangen war, sprach der König zum Jäger: "Nun komm und zeige mir das Waldhäuschen." Und als er vor dem Türlein war, klopfte er an und rief: "Lieb Schwesterlein, laß mich herein." Da ging die Tür auf, und der König trat herein, und da stand ein Mädchen, das war so schön, wie er noch keines gesehen hatte. Das Mädchen erschrak, als es sah, daß ein Mann hereinkam, der eine goldene Krone auf dem Haupt hatte. Aber der König sah es freundlich an, reichte ihm die Hand und sprach: "Willst du mit mir gehen auf mein Schloß und meine liebe Frau sein?"—"Ach ja", antwortete das Mädchen, "aber das Rehchen muß auch mit, das verlass` ich nicht." Sprach der König: "Es soll bei dir bleiben, solange du lebst, und es soll ihm an nichts fehlen." Indem kam es hereingesprungen; da band es das Schwesterchen wieder an das Binsenseil, nahm es selbst in die Hand und ging mit ihm aus dem Waldhäuschen fort.
      Der König nahm das schöne Mädchen auf sein Pferd und führte es in sein Schloß, wo die Hochzeit mit großer Pracht gefeiert wurde, und es war nun die Frau Königin, und sie lebten lange Zeit vergnügt zusammen; das Rehlein ward gehegt und gepflegt und sprang in dem Schloßgarten herum.

      Die böse Stiefmutter aber, um derentwillen die Kinder in die Welt hineingegangen waren, die meinte nicht anders als, Schwesterchen wäre von den wilden Tieren im Walde zerrissen worden und Brüderchen als ein Rehkalb von den Jägern totgeschossen. Als sie nun hörte, daß sie so glücklich waren und es ihnen so wohlging, da wurden Neid und Mißgunst in ihrem Herzen rege und ließen ihr keine Ruhe, wie sie die beiden doch noch ins Unglück bringen könnte. Ihre rechte Tochter, die häßlich war wie die Nacht und nur ein Auge hatte, die machte ihr Vorwürfe und sprach: Eine Königin zu werden, das Glück hätte mir gebührt."—"Sei nur still", sagte die Alte und sprach sie zufrieden, wenn`s Zeit ist, will ich schon bei der Hand sein." Als nun die Zeit herangerückt war und die Königin ein schönes Knäblein zur Welt gebracht hatte und der König gerade auf der Jagd war, nahm die alte Hexe die Gestalt der Kammerfrau an, trat in die Stube, wo die Königin lag, und sprach zu der Kranken: "Kommt, das Bad ist fertig, das wird Euch wohltun und frische Kräfte geben; geschwind, eh` es kalt wird." Ihre Tochter war auch bei der Hand, sie trugen die schwache Königin in die Badstube und legten sie in die Wanne. Dann schlossen sie die Türe ab und liefen davon. In der Badstube aber hatten sie ein rechtes Höllenfeuer angemacht, daß die schöne junge Königin bald ersticken mußte.

      Als das vollbracht war, nahm die Alte ihre Tochter, setzte ihr eine Haube auf und legte sie ins Bett an der Königin Stelle. Sie gab ihr auch die Gestalt und das Ansehen der Königin; nur das verlorene Auge konnte sie ihr nicht wiedergeben. Damit es aber der König nicht merkte, mußte sie sich auf die Seite legen, wo sie kein Auge hatte. Am Abend, als er heimkam und hörte, daß ihm ein Söhnlein geboren war, freute er sich herzlich und wollte ans Bett seiner lieben Frau gehen und sehen, was sie machte. Da rief die Alte geschwind: "Beileibe, laßt die Vorhänge zu, die Königin darf noch nicht ins Licht sehen und muß Ruhe haben." Der König ging zurück und wußte nicht, daß eine falsche Königin im Bette lag.
      Als es aber Mitternacht war und alles schlief, da sah die Kinderfrau, die in der Kinderstube neben der Wiege saß und allein noch wachte, wie die Tür aufging und die rechte Königin hereintrat. Sie nahm das Kind aus der Wiege, legte es in ihren Arm und gab ihm zu trinken. Dann schüttelte sie ihm sein Kißchen, legte es wieder hinein. Sie vergaß aber auch das Rehchen nicht, ging in die Ecke, wo es lag, und streichelte ihm über den Rücken. Darauf ging sie wieder zur Tür hinaus, und die Kinderfrau fragte am andern Morgen die Wächter, ob jemand während der Nacht ins Schloß gegangen wäre, aber sie antworteten: "Nein, wir haben niemand gesehen." So kam sie viele Nächte und sprach niemals ein Wort dabei; die Kinderfrau sah sie immer, aber sie getraute sich nicht, jemand etwas davon zu sagen.
      Als nun so eine Zeit verflossen war, da hub die Königin in der Nacht an zu reden und sprach: "Was macht mein Kind? Was macht mein Reh? Nun komm` ich noch zweimal und dann nimmermehr." Die Kinderfrau antwortete ihr nicht, aber als sie wieder verschwunden war, ging sie zum König und erzählte ihm alles. Sprach der König: "Ach Gott, was ist das? Ich will in der nächsten Nacht bei dem Kinde wachen." Abends ging er in die Kinderstube, aber um Mitternacht erschien die Königin und sprach: "Was macht mein Kind? Was macht mein Reh? Nun komm` ich noch einmal und dann nimmermehr", und pflegte dann das Kind, wie sie gewöhnlich tat, ehe sie verschwand. Der König getraute sich nicht, sie anzureden, aber er wachte auch in der folgenden Nacht. Sie sprach abermals: "Was macht mein Kind? Was macht mein Reh? Nun komm` ich noch diesmal und dann nimmermehr." Da konnte sich der König nicht zurückhalten, sprang zu ihr und sprach: "Du kannst niemand anders sein als meine liebe Frau." Da antwortete sie: "Ja, ich bin deine liebe Frau", und hatte in dem Augenblick durch Gottes Gnade das Leben wiedererhalten, war frisch, rot und gesund. Darauf erzählte sie dem König den Frevel, den die böse Hexe und ihre Tochter an ihr verübt hatten.

      Der König ließ beide vor Gericht führen, und es ward ihnen das Urteil gesprochen. Die Tochter ward in den Wald geführt, wo sie die wilden Tiere zerrissen, die Hexe aber ward ins Feuer gelegt und mußte jammervoll verbrennen. Und wie sie zu Asche verbrannt war, verwandelte sich das Rehkälbchen und erhielt seine menschliche Gestalt wieder; Schwesterchen und Brüderchen aber lebten glücklich zusammen bis an ihr Ende.
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 15:03:33
      Beitrag Nr. 57 ()
      "Was macht mein Kind?
      Was macht mein Reh?
      Nun komm` ich noch diesmal
      Und dann nimmermehr."



      Da konnte sich der König nicht zurückhalten, sprang zu ihr und sprach: "Du kannst niemand anders sein als meine liebe Frau." Da antwortete sie: "Ja, ich bin deine liebe Frau", und hatte in dem Augenblick durch Gottes Gnade das Leben wiedererhalten, war frisch, rot und gesund.

      Darauf erzählte sie dem König den Frevel, den die böse Hexe und ihre Tochter an ihr verübt hatten. Der König ließ beide vor Gericht führen, und es ward ihnen das Urteil gesprochen. Die Tochter ward in den Wald geführt, wo sie die wilden Tiere zerrissen, die Hexe aber ward ins Feuer gelegt und mußte jammervoll verbrennen. Und wie sie zu Asche verbrannt war, verwandelte sich das Rehkälbchen und erhielt seine menschliche Gestalt wieder; Schwesterchen und Brüderchen aber lebten glücklich zusammen bis an ihr Ende.

      http://www.fln.vcu.edu/grimm/b&s.html
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 15:07:41
      Beitrag Nr. 58 ()
      @ mausel

      wenn du märchen gut findest dann solltest du vielleicht mal nach Heinz-Peter Röhr, schauen. er erklärt unsere seele psyche anhand von märchen




      Heinz-Peter Röhr,
      Jahrgang 1949, Pädagoge und Psychotherapeut an der Fachklinik Fredeburg für Suchtmittelabhängige. Rege Vortragstätigkeit, Publikationen zu Suchtproblemen, Eßstörungen etc.

      Avatar
      schrieb am 08.04.04 15:13:45
      Beitrag Nr. 59 ()
      mein Lieblingsmärchen, Mama hör´ genau zu.... :D

      Rumpelstilzchen
      Es war einmal ein Müller, der war arm, aber er hatte eine schöne Tochter. Nun traf es sich, daß er mit dem König zu sprechen kam, und zu ihm sagte "ich habe eine Tochter, die kann Stroh zu Gold spinnen". Dem König, der das Gold lieb hatte, gefiel die Kunst gar wohl, und er befahl die Müllerstochter sollte alsbald vor ihn gebracht werden. Dann führte er sie in eine Kammer, die ganz voll Stroh war, gab ihr Rad und Haspel, und sprach "wenn du diese Nacht durch bis morgen früh dieses Stroh nicht zu Gold versponnen hast, so mußt du sterben". Darauf ward die Kammer verschlossen, und sie blieb allein darin.

      Da saß nun die arme Müllerstochter, und wußte um ihr Leben keinen Rat, denn sie verstand gar nichts davon, wie das Stroh zu Gold zu spinnen war, und ihre Angst ward immer größer, daß sie endlich zu weinen anfing. Da ging auf einmal die Türe auf, und trat ein kleines Männchen herein und sprach "guten Abend, Jungfer Müllerin, warum weint sie so sehr?" "Ach", antwortete das Mädchen, "ich soll Stroh zu Gold spinnen, und verstehe das nicht." Sprach das Männchen "was gibst du mir, wenn ich dirs spinne?" "Mein Halsband" sagte das Mädchen. Das Männchen nahm das Halsband, setzte sich vor das Rädchen, und schnurr, schnurr, schnurr, dreimal gezogen, war die Spule voll. Dann steckte es eine andere auf, und schnurr, schnurr, schnurr, dreimal gezogen, war auch die zweite voll: und so gings fort bis zum Morgen, da war alles Stroh versponnen, und alle Spulen waren voll Gold. Als der König kam und nachsah, da erstaunte er und freute sich, aber sein Herz wurde nur noch begieriger, und er ließ die Müllerstochter in eine andere Kammer voll Stroh bringen, die noch viel größer war, und befahl ihr das auch in einer Nacht zu spinnen, wenn ihr das Leben lieb wäre.

      Das Mädchen wußte sich nicht zu helfen und weinte, da ging abermals die Türe auf, und das kleine Männchen kam und sprach "was gibst du mir wenn ich dir das Stroh zu Gold spinne?<~ "Meinen Ring von dem Finger" antwortete das Mädchen. Das Männchen nahm den Ring, und fing wieder an zu schnurren mit dem Rade, und hatte bis zum Morgen alles Stroh zu glänzendem Gold gesponnen. Der König freute sich über die Maßen bei dem Anblick, war aber noch immer nicht Goldes satt, sondern ließ die Müllerstochter in eine noch größere Kammer voll Stroh bringen und sprach "die mußt du noch in dieser Nacht verspinnen; wenn dir das gelingt, sollst du meine Gemahlin werden". "Denn", dachte er, "eine reichere Frau kannst du auf der Welt nicht haben." Als das Mädchen allein war, kam das Männlein zum drittenmal wieder, und sprach was gibst du mir, wenn ich dir noch diesmal das Stroh spinne?" "Ich habe nichts mehr, das ich geben könnte" antwortete das Mädchen. "So versprich mir, wann du Königin wirst, dein erstes Kind." "Wer weiß wie das noch geht" dachte die Müllerstochter, und wußte sich auch in der Not nicht anders zu helfen, und versprach dem Männchen was es verlangte; dafür spann das Männchen noch einmal das Stroh zu Gold. Und als am Morgen der König kam, und alles fand wie er gewünscht hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr, und die schöne Müllerstochter ward eine Königin.

      Über ein Jahr brachte sie ein schönes Kind zur Welt, und dachte gar nicht mehr an das Männchen, da trat es in ihre Kammer und sprach "nun gib mir, was du versprochen hast". Die Königin erschrak, und bot dem Männchen alle Reichtümer des Königreichs an, wenn es ihr das Kind lassen wollte, aber das Männchen sprach ))nein, etwas Lebendes ist mir lieber als alle Schätze der Welt~. Da fing die Königin so an zu jammern und zu weinen, daß das Männchen Mitleiden mit ihr hatte, und sprach "drei Tage will ich dir Zeit lassen, wenn du bis dahin meinen Namen weißt, so sollst du dein Kind behalten".

      Nun dachte die Königin die ganze Nacht über an alle Namen, die sie jemals gehört hatte, und schickte einen Boten über Land, der sollte sich erkundigen weit und breit nach neuen Namen. Als am andern Tag das Männchen kam, fing sie an mit Caspar, Melchior, Balzer, und sagte alle Namen, die sie wußte, nach der Reihe her, aber bei jedem sprach das Männlein "so heiß ich nicht" Den zweiten Tag ließ sie herumfragen bei allen Leuten, und sagte dem Männlein die ungewöhnlichsten und seltsamsten vor, Rippenbiest, Hammelswade, Schnürbein, aber es blieb dabei "so heiß ich nicht" Den dritten Tag kam der Bote wieder zurück, und erzählte "neue Namen habe ich keinen einzigen finden können, aber wie ich an einen hohen Burg um die Waldecke kam, wo Fuchs und Has sich gute Nacht sagen, so sah ich da ein kleines Haus, und vor dem Haus brannte ein Feuer, und um das Feuer sprang ein gar zu lächerliches Männchen, hüpfte auf einem Bein, und schrie
      "heute back ich, morgen brau ich,
      übermorgen hol ich der Königin ihr Kind;
      ach, wie gut ist daß niemand weiß
      daß ich Rumpelstilzchen heiß!"
      Da war die Königin ganz froh daß sie den Namen wußte, und als bald hernach das Männlein kam, und sprach "nun, Frau Königin, wie heiß ich?" fragte sie erst "heißest du Kunz?" "Nein." "Heißest du Heinz?" "Nein."
      "Heißt du etwa Rumpelstilzchen?"

      .jetzt kommt die Stelle, meine Mutter ist jedesmal bei diesem Schrei der Schreck in die Glieder gefahren und sie wollte mir verbieten dieses Märchen jemals wieder zu hören.... :D

      "Das hat dir der Teufel gesagt, das hat dir der Teufel gesagt" schrie das Männlein, und stieß mit dem rechten Fuß vor Zorn so tief in die Erde daß es bis an den Leib hineinfuhr, dann packte es in seiner Wut den linken Fuß mit beiden Händen, und riß sich selbst mitten entzwei
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 15:15:56
      Beitrag Nr. 60 ()
      das ist auch meine lieblingsstelle, mausel :laugh: ist doch normal, action :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 15:18:19
      Beitrag Nr. 61 ()
      tolles Buch @gesine, danke.. :kiss:

      auch wenn ich es nicht kenne, aber ich habe es glaube ich schon gelesen.... :D :laugh:
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 15:28:03
      Beitrag Nr. 62 ()


      :laugh:
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 15:32:08
      Beitrag Nr. 63 ()
      für @gesine... :kiss: :)

      Allerleirauh

      Es war einmal ein König, der hatte eine Frau mit goldenen Haaren, und sie war so schön, daß sich ihresgleichen nicht mehr auf Erden fand. Es geschah, daß sie krank lag, und als sie fühlte, daß sie bald sterben würde, rief sie den König und sprach: "Wenn du nach meinem Tode dich wieder vermählen willst, so nimm keine, die nicht ebenso schön ist, als ich bin und die nicht solche goldene Haare hat, wie ich habe, das mußt du mir versprechen." Nachdem es ihr der König versprochen hatte, tat sie die Augen zu und starb.

      Der König war lange Zeit nicht zu trösten und dachte nicht daran, eine zweite Frau zu nehmen. Endlich sprachen seine Räte: "Es geht nicht anders, der König muß sich wieder vermählen, damit wir eine Königin haben." Nun wurden Boten weit und breit umhergeschickt, eine Braut zu suchen, die an Schönheit der verstorbenen Königin ganz gleichkäme. Es war aber keine in der ganzen Welt zu finden, und wenn man sie auch gefunden hätte, so war doch keine da, die solche goldene Haare gehabt hätte. Also kamen die Boten unverrichteter Sache wieder heim.

      Nun hatte der König eine Tochter, die war gerade so schön wie ihre verstorbene Mutter, und hatte auch solche goldene Haare. Als sie herangewachsen war, sah sie der König einmal an und sah, daß sie in allem seiner verstorbenen Gemahlin ähnlich war, und fühlte plötzlich eine heftige Liebe zu ihr. Da sprach er zu seinen Räten: "Ich will meine Tochter heiraten, denn sie ist das Ebenbild meiner verstorbenen Frau, und sonst kann ich doch keine Braut finden, die ihr gleicht."

      Als die Räte das hörten, erschraken sie und sprachen: "Gott hat verboten, daß der Vater seine Tochter heirate, aus der Sünde kann nichts Gutes entspringen, und das Reich wird mit ins Verderben gezogen." Die Tochter erschrak noch mehr, als sie den Entschluß ihres Vaters vernahm, hoffte aber, ihn von seinem Vorhaben noch abzubringen. Da sagte sie zu ihm: "Eh ich Euren Wunsch erfülle, muß ich erst drei Kleider haben, eins so golden wie die Sonne, eins so silbern wie der Mond, und eins so glänzend wie die Sterne; ferner verlange ich einen Mantel von tausenderlei Pelz und Rauhwerk zusammengesetzt, und ein jedes Tier in Eurem Reich muß ein Stück von seiner Haut dazu geben."
      Sie dachte aber: "Das anzuschaffen ist ganz unmöglich, und ich bringe damit meinen Vater von seinen bösen Gedanken ab."

      Der König ließ aber nicht ab, und die geschicktesten Jungfrauen in seinem Reiche mußten die drei Kleider weben, eins so golden wie die Sonne, eins so silbern wie der Mond, und eins so glänzend wie die Sterne; und seine Jäger mußten alle Tiere im ganzen Reiche auffangen und ihnen ein Stück von ihrer Haut abziehen; daraus ward ein Mantel von tausenderlei Rauhwerk gemacht.. Endlich, als alles fertig war, ließ der König den Mantel herbeiholen, breitete ihn vor ihr aus und sprach: "Morgen soll die Hochzeit sein."

      Als nun die Königstochter sah, daß keine Hoffnung mehr war, ihres Vaters Herz umzuwenden, so faßte sie den Entschluß zu entfliehen. In der Nacht, während alles schlief, stand sie auf und nahm von ihren Kostbarkeiten dreierlei, einen goldenen Ring, ein goldenes Spinnrädchen und ein goldenes Hastelchen; die drei Kleider von Sonne, Mond und Sternen tat sie in eine Nußschale, zog den Mantel von allerlei Rauhwerk an und machte sich Gesicht und Hände mit Ruß schwarz. Dann befahl sie sich Gott und ging fort, und ging die ganze Nacht, bis sie in einen großen Wald kam. Und weil sie müde war, setzte sie sich in einen hohlen Baum und schlief ein.

      Die Sonne ging auf, und sie schlief fort und schlief noch immer, als es schon hoher Tag war. Da trug es sich zu, daß der König, dem dieser Wald gehörte, darin jagte. Als seine Hunde zu dem Baum kamen, schnupperten sie, liefen rings herum und bellten. Sprach der König zu den Jägern: "Seht doch, was dort für ein Wild sich versteckt hat." Die Jäger folgten dem Befehl, und als sie wiederkamen, sprachen sie: "In dem hohlen Baum liegt ein wunderliches Tier, wie wir noch niemals eins gesehen haben: an seiner Haut ist tausenderlei Pelz; es liegt aber und schläft." Sprach der König: "Seht zu, ob ihrs lebendig fangen könnt, dann bindets auf den Wagen und nehmts mit."

      Als die Jäger das Mädchen anfaßten, erwachte es voll Schrecken und rief ihnen zu: "Ich bin ein armes Kind, von Vater und Mutter verlassen, erbarmt euch mein und nehmt mich mit." Da sprachen sie: "A l l e r l e i r a u h , du bist gut für die Küche, komm nur mit, da kannst du die Asche zusammenkehren." Also setzten sie es auf den Wagen und fuhren heim in das königliche Schloß. Dort wiesen sie ihm ein Ställchen an unter der Treppe, wo kein Tageslicht hinkam, und sagten: "Rauhtierchen, da kannst du wohnen und schlafen." Dann ward es in die Küche geschickt, da trug es Holz und Wasser, schürte das Feuer, rupfte das Federvieh, belas das Gemüs, kehrte die Asche und tat alle schlechte Arbeit.

      Da lebte Allerleirauh lange Zeit recht armselig. Ach, du schöne Königstochter, wie solls mit dir noch werden! Es geschah aber einmal, daß ein Fest im Schloß gefeiert ward, da sprach sie zum Koch: "Darf ich ein wenig hinaufgehen und zusehen? Ich will mich außen vor die Türe stellen." Antwortete der Koch: "Ja, geh nur hin, aber in einer halben Stunde mußt du wieder hier sein und die Asche zusammentragen." Da nahm sie ihr Öllämpchen, ging in ihr Ställchen, zog den Pelzrock aus und wusch sich den Ruß von dem Gesicht und den Händen ab, so daß ihre volle Schönheit wieder an den Tag kam.. Dann machte sie die Nuß auf und holte ihr Kleid hervor, das wie die Sonne glänzte. Und wie das geschehen war, ging sie hinauf zum Fest, und alle traten ihr aus dem Weg, denn niemand kannte sie, und meinten nicht anders, als daß es eine Königstochter wäre. Der König aber kam ihr entgegen, reichte ihr die Hand und tanzte mit ihr, und dachte in seinem Herzen: "So schön haben meine Augen noch keine gesehen." Als der Tanz zu Ende war, verneigte sie sich, und wie sich der König umsah, war sie verschwunden, und niemand wußte, wohin. Die Wächter, die vor dem Schlosse standen, wurden gerufen und ausgefragt, aber niemand hatte sie erblickt.

      Sie war aber in ihr Ställchen gelaufen, hatte geschwind ihr Kleid ausgezogen, Gesicht und Hände schwarz gemacht und den Pelzmantel umgetan, und war wieder Allerleirauh. Als sie nun in die Küche kam und an ihre Arbeit gehen und die Asche zusammenkehren wollte, sprach der Koch: "Laß das gut sein bis morgen und koche mir da die Suppe für den König, ich will auch einmal ein bißchen oben zugucken, aber laß mir kein Haar hineinfallen, sonst kriegst du in Zukunft nichts mehr zu essen." Da ging der Koch fort, und Allerleirauh kochte die Suppe für den König, und kochte eine Brotsuppe, so gut es konnte, und wie sie fertig war, holte es in dem Ställchen seinen goldenen Ring und legte ihn in die Schüssel, in welche die Suppe angerichtet ward. Als der Tanz zu Ende war, ließ sich der König die Suppe bringen und aß sie, und sie schmeckte ihm so gut, daß er meinte, niemals eine bessere Suppe gegessen zu haben. Wie er aber auf den Grund kam, sah er da einen goldenen Ring liegen und konnte nicht begreifen, wie er dahin geraten war. Da befahl er, der Koch sollte vor ihn kommen. Der Koch erschrak, wie er den Befehl hörte, und sprach zu Allerleirauh: "Gewiß hast du ein Haar in die Suppe fallen lassen; wenns wahr ist, so kriegst du Schläge." Als er vor den König kam, fragte dieser, wer die Suppe gekocht hätte. Antwortete der Koch: "Ich habe sie gekocht."

      Der König aber sprach: "Das ist nicht wahr, denn sie war auf andere Art und viel besser gekocht als sonst."
      Antwortete er: "Ich muß es gestehen, daß ich sie nicht gekocht habe, sondern das Rauhtierchen."
      Sprach der König: "Geh und laß es heraufkommen."
      Als Allerleirauh kam, fragte der König: "Wer bist du?"
      "Ich bin ein armes Kind, das keinen Vater und Mutter mehr hat."
      Fragte er weiter: "Wozu bist du in meinem Schloß?"
      Antwortete es: "Ich bin zu nichts gut, als daß mir die Stiefeln um den Kopf geworfen werden."
      Fragte er weiter: "Wo hast du den Ring her, der in der Suppe war?"
      Antwortete es: "Von dem Ring weiß ich nichts."
      Also konnte der König nichts erfahren und mußte es wieder fortschicken.

      Über eine Zeit war wieder ein Fest, da bat Allerleirauh den Koch wie vorigesmal um Erlaubnis, zusehen zu dürfen. Antwortete er: "Ja, aber komm in einer halben Stunde wieder und koch dem König die Brotsuppe, die er so gerne ißt." Da lief es in sein Ställchen, wusch sich geschwind und nahm aus der Nuß das Kleid, das so silbern war wie der Mond, und tat es an. Dann ging es hinauf, und glich einer Königstochter: und der König trat ihr entgegen und freute sich, daß er sie wiedersah, und weil eben der Tanz anhub, so tanzten sie zusammen. Als aber der Tanz zu Ende war, verschwand sie wieder so schnell, daß der König nicht bemerken konnte, wo sie hinging. Sie sprang aber in ihr Ställchen, und machte sich wieder zum Rauhtierchen, und ging in die Küche, die Brotsuppe zu kochen. Als der Koch oben war, holte es das goldene Spinnrad und tat es in die Schüssel, so daß die Suppe darüber angerichtet wurde. Danach ward sie dem König gebracht, der aß sie, und sie schmeckte ihm so gut wie das vorigemal, und ließ den Koch kommen, der mußte auch diesmal gestehen, daß Allerleirauh die Suppe gekocht hätte. Allerleirauh kam da wieder vor den König, aber sie antwortete, daß sie nur dazu da wäre, daß ihr die Stiefeln an den Kopf geworfen würden und daß sie von dem goldenen Spinnrädchen gar nichts wüßte.

      Als der König zum drittenmal ein Fest anstellte, da ging es nicht anders als die vorigemale.. Der Koch sprach zwar: "Du bist eine Hexe, Rauhtierchen, und tust immer etwas in die Suppe, davon sie so gut wird, und dem König besser schmeckt, als was ich koche." Doch weil es so bat, so ließ er es auf die bestimmte Zeit hingehen. Nun zog es ein Kleid an, das wie die Sterne glänzte, und trat damit in den Saal. Der König tanzte wieder mit der schönen Jungfrau und meinte, daß sie noch niemals so schön gewesen wäre. Und während er tanzte, steckte er ihr, ohne daß sie es merkte, einen goldenen Ring an den Finger, und hatte befohlen, daß der Tanz recht lang währen sollte. Wie er zu Ende war, wollte er sie an den Händen festhalten, aber sie riß sich los und sprang so geschwind unter die Leute, daß sie vor seinen Augen verschwand. Sie lief, was sie konnte, in ihr Ställchen unter der Treppe, weil sie aber zu lange und über eine halbe Stunde geblieben war, so konnte sie das schöne Kleid nicht ausziehen, sondern warf nur den Mantel von Pelz darüber, und in der Eile machte sie sich auch nicht ganz rußig, sondern ein Finger blieb weiß. Allerleirauh lief nun in die Küche, kochte dem König die Brotsuppe und legte, wie der Koch fort war, den goldenen Haspel hinein. Der König, als er den Haspel auf dem Grunde fand, ließ Allerleirauh rufen: Da erblickte er den weißen Finger und sah den Ring, den er im Tanze ihr angesteckt hatte. Da ergriff er sie an der Hand und hielt sie fest, und als sie sich losmachen und fortspringen wollte, tat sich der Pelzmantel ein wenig auf, und das Sternenkleid schimmerte hervor. Der König faßte den Mantel und riß ihn ab. Da kamen die goldenen Haare hervor und sie stand da in voller Pracht und konnte sich nicht länger verbergen. Und als sie Ruß und Asche aus ihrem Gesicht gewischt hatte, da war sie schöner, als man noch jemand auf Erden gesehen hatte. Der König aber sprach: "Du bist meine liebe Braut, und wir scheiden nimmermehr voneinander."

      Darauf ward die Hochzeit gefeiert, und sie lebten vergnügt bis an ihren Tod.
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 15:43:07
      Beitrag Nr. 64 ()
      Das elektronische Märchen :rolleyes:

      Es war einmal ein armer, aber rechtschaffener Vierpol, namens Eddi Wirbelstrom. Er bewohnte einen bescheiden möblierten Hohlraum mit Dielektrikum und warmem Sättigungsstrom. Seinen Lebensunterhalt bestritt er mit einer Verstärkerzucht auf Transistorbasis. Eddi liebte mit der ganzen Kraft seiner Übertragungsfunktion ein Ion namens Julchen.
      Julchen, die induktivste Spule mit dem kleinstem Verlustwiderstand im ganzen Kreis, beeinflußte mit ihren harmonischen Oberwellen nicht nur Eddi, sondern durch ihre symmetrischen Netzintegrale auch die ältesten ausgedienten Leidener Flaschen, was ja viel heißen will. Julchens Vater, der alte Cosinus Phi, ein bekannter Industriemagnet und Leistungsfaktor, hatte allerdings konkrete Schaltpläne für die Zukunft seiner Tochter. Sie sollte nur an eine bekannte Kapazität mit ausgeprägtem Nennwert angeschlossen werden. Aber der Zufall wollte es anders.
      Als Julchen eines Tages auf ihrem neuen Pico-Farad nach Hause fuhr, sie hatte gerade im Wellensalon des neusten Ozillographen eine schicke Halbwelle auf ihren Scheitelpunkt legen lassen, geriet ihr ein Sägezahn in ihre Filterkette. Eddi Wirbelstrom aber, der die ganze Gegend periodisch abfrequentierte, eilte mit minimaler Laufzeit hinzu und es gelang ihm Julchens Kippschwingung vor dem Maximum der Amplitude abzufangen und gleichzurichten. Eddi lud Julchen zum Mittagessen ein. Er machte so etwas mit der "Rechten-Hand-Regel" , doch leider hatte das Ringintegral heute geschlossen. "Macht nichts", sagte Julchen, " ich habe vor kurzem fast 0.2 kHz gegessen und meinen Sättigungswert erreicht. Außerdem muß ich auf meine Feldlinien achten." Eddi aber schaltete schnell, schlug einen kleinen Frequenzgang in das magnetische Streufeld vor und wanderte mit Julchen auf der Eisenweglänge zum Elektronenfluß hinunter.
      Der Abend senkte sich über die komplexe Ebene. Am Himmel erglänzte die Sternschaltung. Eddi und Julchen genossen die Isolierung vom lauten Getriebe der Welt, und als Eddi seine Tangente um Julchens Einheitskreis legte, schmolzen ihre Scheinwiderstände dahin, und Eddi, unter dem Einfluß der Eisenkerne unter Julchens Kupfermantel, verlor beinahe seine mühsam bewahrte Restdämpfung.
      Sanft plätscherten die elektromagnetischen Wellen ans Gestade und als sie an der Wheatstonschen Brücke ankamen, nahm Eddi seinen ganzen Durchgriff zusammen und emittierte: "Bei Gauss, mein Julchen, deine lose Rückkopplung hat es mir angetan. " Der Informationsgrund dieser Nachricht durchflutete Julchen mit der Summe aller Teilströme. Das Ergebnis war überwältigend. Sie entglitten der Kontrolle ihrer Leitkonstanten und begannen ein Impulsverhältnis, in dessen Verlauf hochfrequente Wechselströme die beiden auf die äußersten Schnittwerte aller Frequenzen anhoben. Im Überschwang des jungen Glücks erreichten beide voll ausgesteuert die maximale Amplitude, aus der eine dritte Oberwelle entstand.
      Und wenn sie nicht gedämpft wurden, so schwingen sie noch heute !
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 15:48:47
      Beitrag Nr. 65 ()
      das ist die wissenschaftliche Variante eines Märchens @Matze

      wahrscheinlich für Kinder nicht so angsteinflößend, für mich schon...
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 15:49:43
      Beitrag Nr. 66 ()
      für mich auch - ich verstehe es nämlich nicht :D
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 15:49:59
      Beitrag Nr. 67 ()
      #52 Mausel, ja, ich glaube, daß Kinder Angst haben oder sich an grausame Gedanken gewöhnen können ... Menschen verbrennen (Hexen), Frauen vergiften andere Frauen usw. usw. Ich bin meinem Vater ewig dankbar, daß er mir als erstes Märchenbuch das mit Andersens Märchen gab (als ich sie selber lesen konnte). Die sind nämlich lieb und menschlich. Erzählt hat man mir aber keine, meine Gute-Nacht-Geschichten waren die Nachrichten, danach mußte ich ins Bett. :D Im übrigen war die Märchensammlung der Gebrüder Grimm auch keineswegs als Kinderlektüre gedacht gewesen!!
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 15:52:50
      Beitrag Nr. 68 ()
      echt mal jetzt @beauty ??? ... und ich dachte sie wären speziell für Kinder geschrieben worden, jeder aus meiner Generation ist damit aufgewachsen...

      erzählt wurden sie mir auch eher selten, wie schon gesagt, ich hatte eine Schallplattensammlung davon....
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 15:54:29
      Beitrag Nr. 69 ()
      stell´ doch mal ein schönes Märchen von Andersen hier rein @beauty, die sind mir leider nicht so geläufig...

      außerdem muß ich mal zwischenzeitlich off gehen, wir sehen uns später... :kiss: :)
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 15:55:20
      Beitrag Nr. 70 ()
      Nein, die Gebrüder Grimm haben deutsches Sagengut zusammengetragen. Eventuell wurde es Kindern erzählt (wer sonst glaubt sowas schon?), aber Grimms hatten anderes im Sinn.

      Da ich ja mit den abendlichen Nachrichten aufgewachsen bin (noch heute schlafe ich bei manchen Nachrichten schon mal ein ... :D ), entwickelte ich einen frühen Bezug zur Realität, wenngleich diese immer noch irrational fern war, denn die Rollschuheignung von Trottoir und/oder Straße interessierte mich eigentlich direkter. :)
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 15:56:14
      Beitrag Nr. 71 ()
      danke @mausel :kiss:

      allerdings ist mein lieblingsmärchen
      immer dies gewesen ;)

      Hans Christian Andersen
      ~~~Die kleine Meerjungfrau~~~



      Weit draussen im Meere ist das Wasser so blau wie die Bluetenblaetter der schoensten Kornblume, und so klar wie das reinste Glas. Aber es ist dort sehr tief, tiefer als irgendein Ankertau reicht, viele Kirchtuerme muessten aufeinandergestellt werden, um vom Grunde bis ueber das Wasser zu reichen. Dort unten wohnt das Meervolk.

      Nun muss man nicht etwa glauben, dass dort nur der nackte, weisse Sandboden sei; nein, da wachsen die wundersamsten .... http://web-wren.com/traum/ariel.htm

      Avatar
      schrieb am 08.04.04 15:59:21
      Beitrag Nr. 72 ()
      Ach ja, die Arme, die aus ihrem Schwanz Beine machte, nur um einem Prinzen nachzulaufen ... würde mir nie passieren! :laugh:
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 16:05:13
      Beitrag Nr. 73 ()
      mir auch nicht :D
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 16:13:34
      Beitrag Nr. 74 ()
      achtung - lang ;)

      Hans Christian Andersen
      Däumelinchen

      Es war einmal eine Frau, die sich sehr nach einem kleinen Kinde sehnte, aber sie wußte nicht, woher sie es nehmen sollte. Da ging sie zu einer alten Hexe und sagte zu ihr: »Ich möchte herzlich gern ein kleines Kind haben, willst du mir nicht sagen, woher ich das bekommen kann?«

      »Ja, damit wollen wir schon fertig werden!« sagte die Hexe. »Da hast du ein Gerstenkorn; das ist gar nicht von der Art, wie sie auf dem Felde des Landmanns wachsen oder wie sie die Hühner zu fressen bekommen; lege das in einen Blumentopf, so wirst du etwas zu sehen bekommen!«

      »Ich danke dir!« sagte die Frau und gab der Hexe fünf Groschen, ging dann nach Hause, pflanzte das Gerstenkorn, und sogleich wuchs da eine herrliche, große Blume; sie sah aus wie eine Tulpe, aber die Blätter schlossen sich fest zusammen, gerade als ob sie noch in der Knospe wären.

      »Das ist eine niedliche Blume!« sagte die Frau und küßte sie auf die roten und gelben Blätter, aber gerade wie sie darauf küßte, öffnete sich die Blume mit einem Knall. Es war eine wirkliche Tulpe, wie man nun sehen konnte, aber mitten in der Blume saß auf dem grünen Samengriffel ein ganz kleines Mädchen, fein und niedlich, es war nicht über einen Daumen breit und lang, deswegen wurde es Däumelinchen genannt.

      Eine niedliche, lackierte Walnußschale bekam Däumelinchen zur Wiege, Veilchenblätter waren ihre Matratze und ein Rosenblatt ihr Deckbett. Da schlief sie bei Nacht, aber am Tage spielte sie auf dem Tisch, wo die Frau einen Teller hingestellt, um den sie einen ganzen Kranz von Blumen gelegt hatte, deren Stengel im Wasser standen. Hier schwamm ein großes Tulpenblatt, und auf diesem konnte Däumelinchen sitzen und von der einen Seite des Tellers nach der anderen fahren; sie hatte zwei weiße Pferdehaare zum Rudern. Das sah ganz allerliebst aus. Sie konnte auch singen, und so fein und niedlich, wie man es nie gehört hatte.

      Einmal nachts, als sie in ihrem schönen Bette lag, kam eine Kröte durch eine zerbrochene Scheibe des Fensters hereingehüpft. Die Kröte war häßlich, groß und naß, sie hüpfte gerade auf den Tisch herunter, auf dem Däumelinchen lag und unter dem roten Rosenblatt schlief.

      »Das wäre eine schöne Frau für meinen Sohn!« sagte die Kröte, und da nahm sie die Walnußschale, worin Däumelinchen schlief, und hüpfte mit ihr durch die zerbrochene Scheibe fort, in den Garten hinunter.

      Da floß ein großer, breiter Fluß; aber gerade am Ufer war es sumpfig und morastig; hier wohnte die Kröte mit ihrem Sohne. Hu, der war häßlich und garstig und glich ganz seiner Mutter. »Koax, koax, brekkerekekex!« Das war alles, was er sagen konnte, als er das niedliche kleine Mädchen in der Walnußschale erblickte.

      »Sprich nicht so laut, denn sonst erwacht sie!« sagte die alte Kröte. »Sie könnte uns noch entlaufen, denn sie ist so leicht wie ein Schwanenflaum! Wir wollen sie auf eins der breiten Seerosenblätter in den Fluß hinaussetzen, das ist für sie, die so leicht und klein ist, gerade wie eine Insel; da kann sie nicht davonlaufen, während wir die Staatsstube unten unter dem Morast, wo ihr wohnen und hausen sollt, instand setzen.«

      Draußen in dem Flusse wuchsen viele Seerosen mit den breiten, grünen Blättern, die aussehen, als schwämmen sie oben auf dem Wasser. Das am weitesten hinausliegende Blatt war auch das allergrößte; dahin schwamm die alte Kröte und setzte die Walnußschale mit Däumelinchen darauf.

      Das kleine Wesen erwachte frühmorgens, und da es sah, wo es war, fing es recht bitterlich an zu weinen; denn es war Wasser zu allen Seiten des großen, grünen Blattes, und es konnte gar nicht an Land kommen.

      Die alte Kröte saß unten im Morast und putzte ihre Stube mit Schilf und gelben Blumen aus - es sollte da recht hübsch für die neue Schwiegertochter werden. Dann schwamm sie mit dem häßlichen Sohne zu dem Blatte, wo Däumelinchen stand. Sie wollten ihr hübsches Bett holen, das sollte in das Brautgemach gestellt werden, bevor sie es selbst betrat. Die alte Kröte verneigte sich tief im Wasser vor ihr und sagte: »Hier siehst du meinen Sohn; er wird dein Mann sein, und ihr werdet recht prächtig unten im Morast wohnen!«

      »Koax, koax, brekkerekekex!« war alles, was der Sohn sagen konnte.

      Dann nahmen sie das niedliche, kleine Bett und schwammen damit fort; aber Däumelinchen saß ganz allein und weinte auf dem grünen Blatte, denn sie mochte nicht bei der garstigen Kröte wohnen oder ihren häßlichen Sohn zum Manne haben. Die kleinen Fische, die unten im Wasser schwammen, hatten die Kröte wohl gesehen, und sie hatten auch gehört, was sie gesagt hatte; deshalb streckten sie die Köpfe hervor, sie wollten doch das kleine Mädchen sehen. Sie fanden es sehr niedlich und bedauerten, daß es zur häßlichen Kröte hinunter sollte. Nein, das durfte nie geschehen! Sie versammelten sich unten im Wasser rings um den grünen Stengel, der das Blatt hielt, nagten mit den Zähnen den Stiel ab, und da schwamm das Blatt den Fluß hinab mit Däumelinchen davon, weit weg, wo die Kröte sie nicht erreichen konnte.

      Däumelinchen segelte an vielen Städten vorbei, und die kleinen Vögel saßen in den Büschen, sahen sie und sangen: »Welch liebliches, kleines Mädchen!« Das Blatt schwamm mit ihr immer weiter und weiter fort; so reiste Däumelinchen außer Landes.

      Ein niedlicher, weißer Schmetterling umflatterte sie stets und ließ sich zuletzt auf das Blatt nieder, denn Däumelinchen gefiel ihm. Sie war sehr erfreut; denn nun konnte die Kröte sie nicht erreichen, und es war so schön, wo sie fuhr; die Sonne schien aufs Wasser, das wie lauteres Gold glänzte. Sie nahm ihren Gürtel, band das eine Ende um den Schmetterling, das andere Ende des Bandes befestigte sie am Blatte; das glitt nun viel schneller davon und sie mit, denn sie stand ja darauf.

      Da kam ein großer Maikäfer angeflogen, der erblickte sie, schlug augenblicklich seine Klauen um ihren schlanken Leib und flog mit ihr auf einen Baum. Das grüne Blatt schwamm den Fluß hinab und der Schmetterling mit, denn er war an das Blatt gebunden und konnte nicht loskommen.

      Wie war das arme Däumelinchen erschrocken, als der Maikäfer mit ihr auf den Baum flog! Aber hauptsächlich war sie des schönen, weißen Schmetterlings wegen betrübt, den sie an das Blatt festgebunden hatte. Wenn er sich nicht befreien konnte, mußte er ja verhungern! Darum kümmerte sich der Maikäfer nicht. Fr setzte sich mit ihr auf das größte grüne Blatt des Baumes, gab ihr das Süße der Blumen zu essen und sagte, daß sie niedlich sei, obgleich sie einem Maikäfer durchaus nicht gleiche. Später kamen alle die anderen Maikäfer, die im Baume wohnten, und besuchten sie; sie betrachteten Däumelinchen, und die Maikäferfräulein rümpften die Fühlhörner und sagten: »Sie hat doch nicht mehr als zwei Beine; das sieht erbärmlich aus.« - »Sie hat keine Fühlhörner!« sagte eine andere. »Sie ist so schlank in der Mitte; pfui, sie sieht wie ein Mensch aus! Wie häßlich sie ist!« sagten alle Maikäferinnen, und doch war Däumelinchen so niedlich. Das erkannte auch der Maikäfer, der sie geraubt hatte, aber als alle anderen sagten, sie sei häßlich, so glaubte er es zuletzt auch und wollte sie gar nicht haben; sie konnte gehen, wohin sie wollte. Sie flogen mit ihr den Baum hinab und setzten sie auf ein Gänseblümchen; da weinte sie, weil sie so häßlich sei, daß die Maikäfer sie nicht haben wollten, und doch war sie das Lieblichste, das man sich denken konnte, so fein und klar wie das schönste Rosenblatt.

      Den ganzen Sommer über lebte das arme Däumelinchen ganz allein in dem großen Walde. Sie flocht sich ein Bett aus Grashalmen und hing es unter einem Klettenblatte auf, so war sie vor dem Regen geschätzt, sie pflückte das Süße der Blumen zur Speise und trank vom Tau, der jeden Morgen auf den Blättern lag. So vergingen Sommer und Herbst. Aber nun kam der Winter, der kalte, lange Winter. Alle Vögel, die so schön vor ihr gesungen hatten, flogen davon, Bäume und Blumen verdorrten; das große Klettenblatt, unter dem sie gewohnt hatte, schrumpfte zusammen, und es blieb nichts als ein gelber, verwelkter Stengel zurück. Däumelinchen fror schrecklich, denn ihre Kleider waren entzwei, und sie war selbst so fein und klein, sie mußte erfrieren. Es fing an zu schneien, und jede Schneeflocke, die auf sie fiel, war, als wenn man auf uns eine ganze Schaufel voll wirft, denn wir sind groß, und sie war nur einen halben Finger lang. Da hüllte sie sich in ein verdorrtes Blatt ein, aber das wollte nicht wärmen; sie zitterte vor Kälte.

      Dicht vor dem Walde, wohin sie nun gekommen war, lag ein großes Kornfeld. Das Korn war schon lange abgeschnitten, nur die nackten, trockenen Stoppeln standen aus der gefrorenen Erde hervor. Sie waren gerade wie ein ganzer Wald für sie zu durchwandern, und sie zitterte vor Kälte! Da gelangte sie vor die Tür der Feldmaus, die ein kleines Loch unter den Kornstoppeln hatte. Da wohnte die Feldmaus warm und gut, hatte die ganze Stube voll Korn, eine herrliche Küche und Speisekammer. Das arme Däumelinchen stellte sich in die Tür, gerade wie jedes andere arme Bettelmädchen, und bat um ein kleines Stück von einem Gerstenkorn, denn sie hatte seit zwei Tagen nicht das mindeste zu essen gehabt.

      »Du kleines Wesen!« sagte die Feldmaus, denn im Grunde war es eine gute alte Feldmaus, »komm herein in meine warme Stube und iß mit mir!«

      Da ihr nun Däumelinchen gefiel, sagte sie: »Du kannst den Winter über bei mir bleiben, aber du mußt meine Stube sauber und rein halten und mir Geschichten erzählen, denn die liebe ich sehr.« Däumelinchen tat, was die gute alte Feldmaus verlangte, und hatte es über die lange Winterzeit hinweg außerordentlich gut.

      »Nun werden wir bald Besuch erhalten!« sagte die Feldmaus. »Mein Nachbar pflegt mich wöchentlich einmal zu besuchen. Er steht sich noch besser als ich, hat große Säle und trägt einen schönen, schwarzen Samtpelz! Wenn du den zum Manne bekommen könntest, so wärest du gut versorgt; aber er kann nicht sehen. Du mußt ihm, wenn er unser Gast ist, die niedlichsten Geschichten erzählen, die du weißt!«

      Aber darum kümmerte sich Däumelinchen nicht, sie mochte den Nachbar gar nicht haben, denn er war ein Maulwurf.

      Er kam und stattete den Besuch in seinem schwarzen Samtpelz ab. Er sei reich und gelehrt, sägte die Feldmaus; seine Wohnung war auch zwanzigmal größer als die der Feldmaus. Gelehrsamkeit besaß er, aber die Sonne und die schönen Blumen mochte er gar nicht leiden, von beiden sprach er schlecht, denn er hatte sie noch nie gesehen.

      Däumelinchen mußte singen, und sie sang:
      »Maikäfer flieg!«
      und: »Wer will unter die Soldaten«.

      Da wurde der Maulwurf der schönen Stimme wegen in sie verliebt, aber er sagte nichts, er war ein besonnener Mann.

      Er hatte sich vor kurzem einen langen Gang durch die Erde von seinem bis zu ihrem Hause gegraben; in diesem erhielten die Feldmaus und Däumelinchen die Erlaubnis, zu spazieren, soviel sie wollten. Aber er bat sie, sich nicht vor dem toten Vogel zu fürchten, der in dem Gange liege. Es war ein ganzer Vogel mit Federn und Schnabel, der sicher erst kürzlich gestorben und nun begraben war, gerade da, wo er seinen Gang gemacht hatte.

      Der Maulwurf nahm nun ein Stück faules Holz ins Maul, denn das schimmert ja wie Feuer im Dunkeln, ging voran und leuchtete ihnen in dem langen, dunklen Gange. Als sie dahin kamen, wo der tote Vogel lag, stemmte der Maulwurf seine breite Nase gegen die Decke und stieß die Erde auf, so daß es ein großes Loch gab und das Licht hindurchscheinen konnte. Mitten auf dem Fußboden lag eine tote Schwalbe, die schönen Flügel fest an die Seite gedrückt, die Füße und den Kopf unter die Federn gezogen; der arme Vogel war sicher vor Kälte gestorben. Das tat Däumelinchen leid, sie hielt viel von allen kleinen Vögeln, sie hatten ja den ganzen Sommer so schön vor ihr gesungen und gezwitschert. Aber der Maulwurf stieß ihn mit seinen kurzen Beinen und sagte: »Nun pfeift er nicht mehr! Es muß doch erbärmlich sein, als kleiner Vogel geboren zu werden! Gott sei Dank, daß keins von meinen Kindern das wird; ein solcher Vogel hat ja außer seinem Quivit nichts und muß im Winter verhungern!«

      »Ja, das mögt Ihr als vernünftiger Mann wohl sagen«, erwiderte die Feldmaus. »Was hat der Vogel für all sein Quivit, wenn der Winter kommt? Er muß hungern und frieren; doch das soll wohl ganz besonders vornehm sein!«

      Däumelinchen sagte gar nichts; aber als die beiden andern dem Vogel den Rücken wandten, neigte sie sich herab, schob die Federn beiseite, die den Kopf bedeckten, und küßte ihn auf die geschlossenen Augen.

      `Vielleicht war er es, der so hübsch vor mir im Sommer sang`, dachte sie. `Wieviel Freude hat er mir nicht gemacht, der liebe, schöne Vogel`

      Der Maulwurf stopfte nun das Loch zu, durch das der Tag hereinschien, und begleitete dann die Damen nach Hause. Aber nachts konnte Däumelinchen gar nicht schlafen. Da stand sie von ihrem Bette auf und flocht von Heu einen großen, schönen Teppich. Den trug sie zu dem Vogel, breitete ihn über ihn und legte weiche Baumwolle, die sie in der Stube der Feldmaus gefunden hatte, an seine Seiten, damit er in der kalten Erde warm liegen möge.

      »Lebe wohl, du schöner, kleiner Vogel!« sagte sie. »Lebe wohl und habe Dank für deinen herrlichen Gesang im Sommer, als alle Bäume grün waren und die Sonne warm auf uns herabschien!« Dann legte sie ihr Haupt an des Vogels Brust, erschrak aber zugleich, denn es war gerade, als ob drinnen etwas klopfte. Das war des Vogels Herz. Der Vogel war nicht tot, er lag nur betäubt da, war nun erwärmt worden und bekam wieder Leben.

      Im Herbst fliegen alle Schwalben nach den warmen Ländern fort; aber ist da eine, die sich verspätet, so friert sie so, daß sie wie tot niederfällt und liegen bleibt, wo sie hinfällt. Und der kalte Schnee bedeckt sie.

      Däumelinchen zitterte heftig, so war sie erschrocken, denn der Vogel war ja groß, sehr groß gegen sie; aber sie faßte doch Mut, legte die Baumwolle dichter um die arme Schwalbe und holte ein Krauseminzeblatt, das sie selbst zum Deckblatt gehabt hatte, und legte es ganz behutsam über den Kopf des Vogels.

      In der nächsten Nacht schlich sie sich wieder zu ihm, und da war er nun lebendig, aber ganz matt. Er konnte nur einen Augenblick seine Augen öffnen und Däumelinchen ansehen, die mit einem Stück faulen Holzes in der Hand, denn eine andere Laterne hatte sie nicht, vor ihm stand.

      »Ich danke dir, du niedliches, kleines Kind!« sagte die kranke Schwalbe zu ihr. »Ich bin herrlich erwärmt worden; bald erhalte ich meine Kräfte zurück und kann dann wieder draußen in dem warmen Sonnenschein herumfliegen!«

      »Oh«, sagte Däumelinchen, »es ist kalt draußen, es schneit und friert! Bleib in deinem warmen Bette, ich werde dich schon pflegen!«

      Dann brachte sie der Schwalbe Wasser in einem Blumenblatt, und diese trank und erzählte ihr, wie sie ihren einen Flügel an einem Dornbusch gerissen und deshalb nicht so schnell habe fliegen können wie die andern Schwalben, die fortgezogen seien, weit fort nach den warmen Ländern. So sei sie zuletzt zur Erde gef allen. Mehr wußte sie nicht, und auch nicht, wie sie hierhergekommen war.

      Den ganzen Winter blieb sie nun da unten, Däumelinchen pflegte sie und hatte sie lieb, weder der Maulwurf noch die Feldmaus erfuhren etwas davon, denn sie mochten die arme Schwalbe nicht leiden.

      Sobald das Frühjahr kam und die Sonne die Erde erwärmte, sagte die Schwalbe Däumelinchen, die das Loch öffnete, das der Maulwurf oben gemacht hatte, Lebewohl. Die Sonne schien herrlich zu ihnen herein, und die Schwalbe fragte, ob sie mitkommen wolle, sie könnte auf ihrem Rücken sitzen, sie wollten weit in den grünen Wald hineinfliegen. Aber Däumelinchen wußte, daß es die alte Feldmaus betrüben würde, wenn sie sie verließ.

      »Nein, ich kann nicht!« sagte Däumelinchen.

      »Lebe wohl, lebe wohl, du gutes, niedliches Mädchen!« sagte die Schwalbe und flog hinaus in den Sonnenschein. Däumelinchen sah ihr nach, und das Wasser trat ihr in die Augen, denn sie war der armen Schwalbe von Herzen gut.

      »Quivit, quivit!« sang der Vogel und flog in den grünen Wald. Däumelinchen war recht betrübt. Sie erhielt gar keine Erlaubnis, in den warmen Sonnenschein hinauszugehen. Das Korn, das auf dem Felde über dem Hause der Feldmaus gesät war, wuchs auch hoch in die Luft empor; das war ein ganz dichter Wald für das arme, kleine Mädchen.

      »Nun sollst du im Sommer deine Aussteuer nähen!« sagte die Feldmaus zu ihr; denn der Nachbar, der langweilige Maulwurf in dem schwarzen Samtpelze, hatte um sie gefreit. »Du mußt sowohl Wollen- wie Leinenzeug haben, denn es darf dir an nichts fehlen, wenn du des Maulwurfs Frau wirst!«

      Däumelinchen mußte auf der Spindel spinnen, und die Feldmaus mietete vier Raupen, die Tag und Nacht für sie webten. Jeden Abend besuchte sie der Maulwurf und sprach dann immer davon, daß, wenn der Sommer zu Ende gehe, die Sonne lange nicht so warm scheinen werde, sie brenne da jetzt die Erde fest wie einen Stein; ja, wenn der Sommer vorbei sei, dann wolle er mit Däumelinchen Hochzeit halten. Aber sie war gar nicht erfreut darüber, denn sie mochte den langweiligen Maulwurf nicht leiden. jeden Morgen, wenn die Sonne aufging, und jeden Abend, wenn sie unterging, stahl sie sich zur Tür hinaus, und wenn dann der Wind die Kornähren trennte, so daß sie den blauen Himmel erblicken konnte, dachte sie daran, wie hell und schön es hier draußen sei, und wünschte sehnlichste die liebe Schwalbe wiederzusehen.

      Aber die kam nicht wieder; sie war gewiß weit weg in den schönen grünen Wald gezogen.

      Als es nun Herbst wurde, hatte Däumelinchen ihre ganze Aussteuer fertig.

      »In vier Wochen sollst du Hochzeit halten!« sagte die Feldmaus. Aber Däumelinchen weinte und sagte, sie wolle den langweiligen Maulwurf nicht haben.

      »Schnickschnack!« sagte die Feldmaus. »Werde nicht widerspenstig, denn sonst werde ich dich mit meinen weißen Zähnen beißen! Es ist ja ein schöner Mann, den du bekommst, und das darfst du nicht vergessen. Die Königin selbst hat keinen solchen schwarzen Samtpelz! Er hat Küche und Keller voll. Danke du Gott für ihn!«

      Nun sollten sie Hochzeit haben. Der Maulwurf war schon gekommen, Däumelinchen zu holen; sie sollte bei ihm wohnen, tief unter der Erde, nie an die warme Sonne herauskommen, denn die mochte er nicht leiden. Das arme Kind war sehr betrübt; sie sollte nun der schönen Sonne Lebewohl sagen, die sie doch bei der Feldmaus hatte von der Türe aus sehen dürfen.

      »Lebe wohl, du helle Sonne!« sagte sie, streckte die Arme hoch empor und ging auch eine kleine Strecke weiter vor dem Hause der Feldmaus; denn nun war das Korn geerntet, und hier standen nur die trockenen Stoppeln. »Lebe wohl, lebe wohl!« sagte sie und schlang ihre Arme um eine kleine rote Blume, die da stand. »Grüße die kleine Schwalbe von mir, wenn du sie zu sehen bekommst!«

      »Quivit, quivit!« ertönte es plötzlich über ihrem Kopfe, sie sah empor, es war die kleine Schwalbe, die gerade vorbeikam. Sobald sie Däumelinchen erblickte, wurde sie sehr erfreut; diese erzählte ihr, wie ungern sie den häßlichen Maulwurf zum Manne haben wolle und daß sie dann tief unter der Erde wohnen solle, wo nie die Sonne scheine. Sie konnte sich nicht enthalten, dabei zu weinen.

      »Nun kommt der kalte Winter«, sagte die kleine Schwalbe; » ich fliege weit fort nach den warmen Ländern, willst du mit mir kommen? Du kannst auf meinem Rücken sitzen! Binde dich nur mit deinem Gürtel fest, dann fliegen wir von dem häßlichen Maulwurf und seiner dunkeln Stube fort, weit über die Berge, nach den warmen Ländern, wo die Sonne schöner scheint als hier, wo es immer Sommer ist und herrliche Blumen gibt. Fliege nur mit, du liebes, kleines Däumelinchen, die mein Leben gerettet hat, als ich wie tot in dem dunkeln Erdkeller lag!«

      »Ja, ich werde mit dir kommen!« sagte Däumelinchen und setzte sich auf des Vogels Rücken, mit den Füßen auf seinen entfalteten Schwingen. Sie band ihren Gürtel an einer der stärksten Federn fest, und da flog die Schwalbe hoch in die Luft hinauf, über Wald und über See, hoch über die großen Berge, wo immer Schnee liegt. Däumelinchen fror in der kalten Luft, aber darin verkroch sie sich unter des Vogels warme Federn und streckte nur den kleinen Kopf hervor, um all die Schönheiten unter sich zu bewundern.

      Da kamen sie denn nach den warmen Ländern. Dort schien die Sonne weit klarer als hier, der Himmel war zweimal so hoch, und an Gräben und Hecken wuchsen die schönsten grünen und blauen Weintrauben. In den Wäldern hingen Zitronen und Apfelsinen, hier duftete es von Myrten und Krauseminze, auf den Landstraßen liefen die niedlichsten Kinder und spielten mit großen, bunten Schmetterlingen. Aber die Schwalbe flog noch weiter fort, und es wurde schöner und schöner. Unter den herrlichsten grünen Bäumen an dem blauen See stand ein blendend weißes Marmorschloß aus alten Zeiten. Weinreben rankten sich um die hohen Säulen empor; ganz oben waren viele Schwalbennester, und in einem wohnte die Schwalbe, die Däumelinchen trug.

      »Hier ist mein Haus!« sagte die Schwalbe. »Aber willst du dir nun selbst eine der prächtigsten Blumen, die da unten wachsen, aussuchen, dann will ich dich hineinsetzen, und du sollst es so gut und schön haben, wie du es nur wünschest!«

      »Das ist herrlich!« sagte Däumelinchen und klatschte erfreut in die kleinen Hände.

      Da lag eine große, weiße Marmorsäule, die zu Boden gefallen und in drei Stücke gesprungen war, aber zwischen diesen wuchsen die schönsten großen, weißen Blumen. Die Schwalbe flog mit Däumelinchen hinunter und setzte sie auf eins der breiten Blätter. Aber wie erstaunte diese! Da saß ein kleiner Mann mitten in der Blume, so weiß und durchsichtig, als wäre er von Glas; die niedlichste Goldkrone trug er auf dem Kopfe und die herrlichsten, klaren Flügel an den Schultern, er selbst war nicht größer als Däumelinchen. Es war der Blumenelf. In jeder Blume wohnte so ein kleiner Mann oder eine Frau, aber dieser war der König - über alle.

      »Gott, wie ist er schön!« flüsterte Däumelinchen der Schwalbe zu. Der kleine Prinz erschrak sehr über die Schwalbe, denn sie war gegen ihn, der so klein und fein war, ein Riesenvogel; aber als er Däumelinchen erblickte, wurde er hocherfreut; sie war das schönste Mädchen, das er je gesehen hatte. Deswegen nahm er seine Goldkrone vom Haupte und setzte sie ihr auf, fragte, wie sie heiße und ob sie seine Frau werden wolle, dann solle sie Königin über alle Blumen werden! Ja, das war wahrlich ein anderer Mann als der Sohn der Kröte und der Maulwurf mit dem schwarzen Samtpelze. Sie sagte deshalb ja zu dem herrlichen Prinzen, und von jeder Blume kam eine Dame oder ein Herr, so niedlich, daß es eine Lust war; jeder brachte Däumelinchen ein Geschenk, aber das beste von allen waren ein Paar schöne Flügel von einer großen, weißen Fliege; sie wurden Däumelinchen am Rücken befestigt, und nun konnte sie auch von Blume zu Blume fliegen. Da gab es viel Freude, und die Schwalbe saß oben in ihrem Neste und sang ihnen vor, so gut sie konnte; aber im Herzen war sie doch betrübt, denn sie war Däumelinchen gut und wäre gerne immer mit ihr zusammen geblieben. Am liebsten hätte sie sich daher nie von ihr trennen mögen.

      »Du sollst nicht Däumelinchen heißen!« sagte der Blumenelf zu ihr. »Das ist ein häßlicher Name, und du bist schön. Wir wollen dich von nun an Maja nennen.«

      »Lebe wohl, lebe wohl!« sagte die kleine Schwalbe und flog wieder fort von den warmen Ländern, weit weg, nach Deutschland zurück; dort hatte sie ein kleines Nest über dem Fenster, wo der Mann wohnt, der Märchen erzählen kann, vor ihm sang sie »Quivit, quivit!«»«Daher wissen wir die ganze Geschichte.
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      schrieb am 08.04.04 16:14:56
      Beitrag Nr. 75 ()
      Das häßliche junge Entlein
      Hans Christian Andersen

      Es war so herrlich draußen auf dem Lande. Es war Sommer, das Korn stand gelb, der Hafer grün, das Heu war unten auf den grünen Wiesen in Schobern aufgesetzt, und der Storch ging auf seinen langen, roten Beinen und plapperte ägyptisch, denn diese Sprache hatte er von seiner Frau Mutter gelernt. Rings um die Äcker und die Wiesen gab es große Wälder und mitten in den Wäldern tiefe Seen. Ja, es war wirklich herrlich da draußen auf dem Lande! Mitten im Sonnenschein lag dort ein altes Landgut, von tiefen Kanälen umgeben; und von der Mauer bis zum Wasser herunter wuchsen große Klettenblätter, die so hoch waren, daß kleine Kinder unter den höchsten aufrecht stehen konnten; es war ebenso wild darin wie im tiefsten Walde. Hier saß eine Ente auf ihrem Nest, welche ihre Jungen ausbrüten mußte; aber es wurde ihr fast zu langweilig, bis die Jungen kamen. Dazu erhielt sie selten Besuch; die andern Enten schwammen lieber in den Kanälen umher, als daß sie hinaufliefen, sich unter ein Klettenblatt zu setzen, um mit ihr zu schnattern.

      Endlich platzte ein Ei nach dem anderen; "Piep! piep!" sagte es, und alle Eidotter waren lebendig geworden und steckten die Köpfe heraus. "Rapp! rapp!" sagte sie; und so rappelten sich alle, was sie konnten, und sahen nach allen Seiten unter den grünen Blättern; und die Mutter ließ sie sehen, so viel sie wollten, denn das Grüne ist gut für die Augen.

      "Wie groß ist doch die Welt!" sagten alle Jungen, denn nun hatten sie freilich viel mehr Platz, als wie sie noch drinnen im Ei lagen. "Glaubt ihr, daß dies die ganze Welt ist?" sagte die Mutter; "die erstreckt sich noch weit über die andere Seite des Gartens, gerade hinein in des Pfarrers Feld; aber da bin ich noch nie gewesen!" - "Ihr seid doch alle beisammen?" fuhr sie fort und stand auf. "Nein, ich habe nicht alle; das größte Ei liegt noch da; wie lange soll denn das dauern! jetzt bin ich es bald überdrüssig!" und so setzt sie sich wieder.

      "Nun, wie geht es?" fragte eine alte Ente, welche gekommen war, um ihr einen Besuch abzustatten. "Es währt recht lange mit dem einen Ei!" sagte die Ente, die da saß; es will nicht platzen; doch sieh nur die andern an; sind es nicht die niedlichsten Entlein, die man je gesehen? Sie gleichen allesamt ihrem Vater; der Bösewicht kommt nicht, mich zu besuchen."

      "Laß mich das Ei sehen, welches nicht platzen will!" sagte die Alte. "Glaube mir, es ist ein Kalekuten-Ei! Ich bin auch einmal so angeführt worden und hatte meine große Sorge und Not mit den Jungen, denn ihnen ist bange vor dem Wasser! Ich konnte sie nicht hineinbringen; ich rappte und schnappte, aber es half nicht. Laß mich das Ei sehen! Ja, das ist ein Kalekuten-Ei! Laß das liegen und lehre lieber die andern Kinder schwimmen."

      "Ich will doch noch ein bißchen darauf sitzen", sagte die Ente; "habe ich nun so lange gesessen, so kann ich auch noch einige Tage sitzen. "Nach Belieben", sagte die alte Ente und ging von dannen.

      Endlich platze das Ei. "Piep! piep!" sagte das Junge und kroch heraus. Es war sehr groß und häßlich! Die Ente betrachtete es: "Es ist doch ein gewaltig großes Entlein das", sagte sie; "keins von den andern sieht so aus; sollte es wohl ein kalikultisches Küchlein sein? Nun, wir wollen bald dahinterkommen; in das Wasser muß es, sollte ich es auch selbst hineinstoßen."

      Am nächsten Tage war schönes, herrliches Wetter; die Sonne schien auf alle grünen Kletten. Die Entleinmutter ging mit ihrer ganzen Familie zu dem Kanal hinunter. Platsch! da sprang sie ins Wasser. "Rapp! rapp!" sagte sie, und ein Entlein nach dem andern plumpste hinein; das Wasser schlug ihnen über dem Kopf zusammen, aber sie kamen gleich wieder empor und schwammen ganz prächtig; die Beine gingen von selbst, und alle waren sie im Wasser; selbst das häßliche, graue Junge schwamm mit.

      "Nein, es ist kein Kalekut", sagte sie; "Sieh, wie herrlich es die Beine gebraucht, wie gerade es sich hält; es ist mein eigenes Kind! Im Grunde ist es doch ganz hübsch, wenn man es nur recht betrachtet. Rapp! rapp! Kommt nur mit mir, ich werde euch in die große Welt führen, euch im Entenhofe präsentieren; aber haltet euch immer nahe zu mir, damit euch niemand tritt, und nehmt euch vor den Katzen in acht!"

      Und so kamen sie in den Entenhof hinein. Drinnen war ein schrecklicher Lärm, denn da waren zwei Familien, die sich um einen Aalkopf bissen, und am Ende bekam ihn doch die Katze.

      "Seht, so geht es in der Welt zu!" sagte die Entleinmutter und wetzte ihren Schnaubel, denn sie wollte auch den Aalkopf haben. "Braucht nun die Beine!" sagte sie; "seht, daß ihr euch rappeln könnt, und neigt euren Hals vor der alten Ente dort; die ist die vornehmste von allen hier; sie ist aus spanischem Geblüt, deshalb ist sie do dick, und seht ihr: sie hat einen roten Lappen um das Bein; das ist etwas außerordentlich Schönes und die größte Auszeichnung ,welche einer Ente zuteil werden kann. Das bedeutet so viel, daß man sie nicht verlieren will und daß sie von Tier und Menschen erkannt werden soll! Rappelt euch! Setzt die Füße nicht einwärts; ein wohlerzogenes Entlein setzt die Füße weit auswärts, gerade wie Vater und Mutter; seht: so! Nun neigt euren Hals und sagt: Rapp."

      Und das taten sie; aber die andern Enten ringsumher betrachteten sie und sagten ganz laut: "Sieh da! Nun sollen wir noch den Anhang haben; als ob wir nicht schon so genug wären! Und pfui! Wie das eine Entlein aussieht, das wollen wir nicht dulden!" und sogleich flog eine Ente hin und biß es in den Nacken. "Laß es gehen!" sagte die Mutter; "es tut ja niemandem etwas." "Ja, aber es ist zu groß und ungewöhnlich", sagte die beißende Ente; "und deshalb muß es gepufft werden."

      "Es sind hübsche Kinder, welche die Mutter hat", sagte die alte Ente mit dem Lappen um das Bein; "alle schön, bis auf das eine; das ist nicht geglückt; ich möchte, daß sie es umarbeiten könnte." "Das geht nicht, Ihro Gnaden", sagte die Entleinmutter; "es ist nicht hübsch, aber es hat ein innerlich gutes Gemüt und schwimmt so herrlich wie eins von den andern, ja, ich darf sagen, noch etwas besser. Ich denke, es wird hübsch heranwachsen und mit der Zeit etwas kleiner werden; es hat zu lange in dem Ei gelegen und deshalb nicht die rechte Gestalt bekommen!" Und so zupfte sie es im Nacken und glättete das Gefieder. "Es ist überdies ein Enterich", sagte sie; "und darum nacht es nicht so viel aus. Ich denke, er wird gute Kräfte bekommen; er schlägt sich schon durch."

      "Die anderen Entlein sind niedlich", sagte die Alte; "tut nun, als ob ihr zu Hause wäret, und findet ihr einen Aalkopf, so könnt ihr ihn mir bringen." Und nun waren sie zu Hause.

      Aber das arme Entleich, welches zuletzt aus dem Ei gekrochen war und so häßlich aussah, wurde gebissen, gestoßen und ausgelacht, und das sowohl von den Enten wie von den Hühnern. "Es ist zu groß!" sagten alle, und der kalikultische Hahn, welcher mit Sporen zur Welt gekommen war und deshalb glaubte, daß er Kaiser sei, blies sich auf wie ein Fahrzeug mit vollen Segeln und ging gerade auf dasselbe los; dann kollerte er und wurde ganz rot am Kopf. Das arme Entlein wußte nicht, wo es stehen oder gehen sollte; es war so betrübt, weil es häßlich aussah und vom ganzen Entenhof verspottet wurde.

      So ging es den ersten Tag, und später wurde es schlimmer und schlimmer. Das arme Entlein wurde von allen gejagt; selbst seine Schwestern waren ganz böse gegen dasselbe und sagten immer: "Wenn die Katze dich nur fangen möchte, du häßliches Geschöpf!" Und die Mutter sagte: "Wenn du nur weilt fort wärst!" Und die Enten bissen es, und die Hühner schlugen es, und das Mädchen, welches die Tiere füttern sollte, stieß mit den Füßen noch ihm.

      Da lief es und flog über den Zaun, die kleinen Vögel in den Büschen flogen erschrocken auf. "Das geschieht, weil ich so häßlich bin", dachte das Entlein und schloß die Augen, lief aber gleichwohl weiter; so kam es hinaus zu dem großen Moor, wo die wilden Enten wohnten. Hier lag es die ganze Nacht; es war so müde und kummervoll.

      Gegen Morgen flogen die wilden Enten auf, und sie betrachteten den neuen Kameraden. "Was bist du für einer?" fragten sie; und das Entlein wendete sich nach allen Seiten und grüßte, so gut es konnte.

      "Du bist außerordentlich häßlich!" sagten die wilden Enten; "Aber das kann uns gleich sein, wenn du nur nicht in unsere Familie hineinheiratest." Das Arme! Es dachte wahrlich nicht daran, sich zu verheiraten, wenn es nur die Erlaubnis erhalten konnte, im Schilf zu liegen und etwas Moorwasser zu trinken.

      So lag es zwei ganze Tage, da kamen zwei wilde Gänse oder richtiger wilde Gänseriche dorthin; es war noch nicht lange her, daß sie aus dem Ei gekrochen waren, und deshalb waren sie auch so keck.

      "Höre, Kamerad!" sagten sie; "du bist so häßlich, daß ich dich gut leiden mag; willst du mitziehen und Zugvogel werden? Hier nahebei in einem andern Moor gibt es einige süße, liebliche wilde Gänse, nämlich Fräuleins, die alle "Rapp!" sagen können. Du bist imstande, dein Glück dort zu machen, so häßlich du auch bist!"

      "Piff! Paff!" ertönte es eben, und beide wilde Gänseriche fielen tot in das Schilf nieder, und das Wasser wurde blutrot. "Piff! Paff - erscholl es wieder und ganze Scharen wilder Gänse flogen aus dem Schilf auf. Und dann knallte es abermals. Es war große Jagd, die Jäger lagen rings um das Moor herum; ja, einige saßen oben in den Baumzweigen, welche sich weit über das Schilfrohr hinstreckten. Der blaue Dampf zog gleich Wolken in die dunkeln Bäume hinein und weit über das Wasser hin; zum Moore kamen die Jagdhunde. Platsch, Platsch, das Schilf und das Rohr neigte sich nach allen Seiten. Das war ein Schreck für das arme Entlein. Es wendete den Kopf, um ihn unter den Flügel zu stecken, aber in demselben Augenblick stand ein fürchterlich großer Hund dicht bei dem Entlein; die Zunge hing ihm lang aus dem Halse heraus, und die Augen leuchteten greulich häßlich; er steckte seine Schnauze dem Entlein gerade entgegen, zeigte ihm die scharfen Zähne und - - Platsch, Platsch! ging er wieder, ohne es zu packen.

      "O Gott sei Dank!" seufzte das Entlein; "ich bin so häßlich, daß mich selbst der Hund nicht beißen mag!" Und so lag es ganz still, während die Schrotkugeln durch das Schild sausten und Schuß auf Schuß knallte.

      Erst spät am Tage wurde es ruhig; aber das arme Junge wagte noch nicht, sich zu erheben; es wartete noch mehrere Stunden, bevor es sich umsah, und dann eilte es fort aus dem Moor, so schnell es konnte. Es lief über Feld und Wiese; da tobte ein solcher Sturm, daß es ihm schwer wurde, von der Stelle zu kommen.

      Gegen Abend erreichte es eine kleine armselige Bauernhütte; die war so baufällig, daß sie selbst nicht wußte, noch welcher Seite sie fallen sollte, und darum blieb sie stehen. der Sturm umsauste das Entlein so, daß es sich niedersetzen mußte, um sich dagegenzustemmen, und es wurde schlimmer und schlimmer. Da bemerkte es, daß die Tür aus der einen Angel gegangen war und so schief hing, daß es durch die Spalte in die Stube hineinschlüpfen konnte, und das tat es.

      Hier wohnte eine Frau mit ihrem Kater und ihrer Henne. Und der Kater, welchen sie "Söhnchen" nannte, konnte einen Buckel machen und schnurren; er sprühte sogar Funken aber dann mußte man ihn gegen die Haare streichen. Die Henne hatte ganz kleine niedrige Beine, und deshalb wurde sie "Küchelchen-Kurzbein" genannt; sie legte gute Eier, und die Frau liebte sie wie ihr eigenen Kind. Am Morgen bemerkte man sogleich das fremde Entlein; und der Kater begann zu schnurren und die Henne zu glucken.

      "Was ist das?" sagte die Frau und sah sich rings um; aber sie sah nicht gut, und so glaubte sie, daß das Entlein eine fette Ente sei, die sich verirrt habe. "Das ist ja ein seltener Fang!" sagte sie." Nun kann ich Enteneier bekommen. Wenn es nur kein Enterich ist! Das müssen wir erproben."

      Und so wurde das Entlein für drei Wochen auf Probe angenommen; aber es kamen keine Eier. Und der Kater war Herr im Hause, und die Henne war die Dame, und immer sagte sie: "Wir und die Welt!" Denn sie glaubte, daß sie die Hälfte seien, und zwar bei weitem die beste Hälfte. Das Entlein glaubte, daß man auch eine andere Meinung haben könne; aber das litt die Henne nicht. "Kannst du Eier legen?" fragte sie. "Nein!" "Nun, kann wirst du die Güte haben, zu schweigen!"

      Und der Kater sagte; "Kannst du einen krummen Buckel machen, schnurren und Funken sprühen?" "Nein!" "So darfst du auch keine Meinung haben, wenn vernünftige Leute reden!" Und das Entlein saß im Winkel und war bei schlechter Laune. Da fiel die frische Luft und der Sonnenschein herein; es bekam solch sonderbare Lust, auf dem Wasser zu schwimmen, daß es nicht unterlassen konnte, dies der Henne zu sagen.

      "Was fällt dir ein?" fragte die. "Du hast nichts zu tun, deshalb fängst du Grillen! Lege Eier oder schnurre, so gehen sie vorüber." "Aber es ist so schön, auf dem Wasser zu schwimmen!" sagte das Entlein; "So herrlich, es über dem Kopfe zusammenschlagen zu lassen und auf den Grund zu tauchen!"

      "Ja, das ist ein großes Vergnügen!" sagte die Henne. "Du bist wohl verrückt geworden! Frage den Kater danach - er ist das klügste Geschöpf, das ich kenne - ob er es liebt, auf dem Wasser zu schwimmen oder unterzutauchen? Ich will nicht vor mir sprechen. Frage selbst unsere Herrschaft, die alte Frau; klüger als sie ist niemand auf der Welt! Glaubst du, daß die Lust hat, zu schwimmen und das Wasser über dem Kopfe zusammenschlagen zu lassen?"

      "Ihr versteht mich nicht!" sagte das Entlein. "Wir verstehen dich nicht? Wer soll dich denn verstehen können! Du wirst doch wohl nicht klüger sein wollen als der Kater oder die Frau - von mir will ich nicht reden! Bilde dir nichts ein, Kind! Und danke deinem Schöpfer für all das Gute, was man dir erwiesen! Bist du nicht in eine warme Stube gekommen und hast du nicht eine Gesellschaft, von der du etwas profitieren kannst? Aber du bist ein Schwätzer, und es ist nicht erfreulich, mit dir umzugehen! Mir kannst du glauben! Ich meine es gut mit dir. Ich sage die Unannehmlichkeiten, und daran kann man seine wahren Freunde erkennen! Sieh nur zu, daß du Eier legst oder schnurren und Funken sprühen lernst!"

      "Ich glaube, ich gehe hinaus in die weite Welt!" sagte das Entlein. "Ja, tue das!" sagte die Henne. Und das Entlein ging; es schwamm auf dem Wasser, es tauchte unter, aber von allen Tieren wurde es wegen seiner Häßlichkeit übersehen.

      Nun trat der Herbst ein; die Blätter im Walde wurden gelb und braun; der Wind faßte sie, so daß sie umhertanzten; und oben in der Luft war es sehr kalt; die Wolken hingen schwer von Hagel und Schneeflocken; und auf dem Zaun stand der Rabe und schrie: "Au! Au!" vor lauter Kälte, ja, es fror einen schon, wenn man nur daran dachte. Das arme Entlein hatte es wahrlich nicht gut! Eines Abends - die Sonne ging so schön unter! - kam ein ganzer Schwarm herrlicher großer Vögel aus dem Busch; das Entlein hatte solche nie so schön gesehen; sie waren ganz blendend weiß, mit langen, geschmeidigen Hälsen; es waren Schwäne. Sie stießen einen ganz eigentümlichen Ton aus, breiteten ihre prächtigen langen Flügel aus und flogen aus der kalten Gegend fort nach wärmeren Ländern, nach offenen Seen! Sie stiegen so hoch, so hoch, und dem häßlichen jungen Entlein wurde gar sonderbar zumute. Es drehte sich im Wasser wie ein Rad, rundherum, streckte den Hals hoch in die Luft nach ihnen und stieß einen so lauten und sonderbaren Schrei aus, daß es sich selbst davor fürchtete. Oh es konnte die schönen, glücklichen Vögel nicht vergessen; und sobald es sie nicht mehr erblickte, tauchte es unter bis auf den Grund, und als es wieder heraufkam, war es wie außer sich. Es wußte nicht, wie die Vögel hießen, auch nicht, wohin sie flogen; aber doch war es ihnen gut, wie es nie jemandem gewesen. Es beneidete sie durchaus nicht. Wie konnte es ihm einfallen, sich solche Lieblichkeit zu wünschen? Es wäre schon froh gewesen, wenn die Enten es nur unter sich geduldet hätten - das arme häßliche Tier!

      Und der Winter wurde so kalt, so kalt! Das Entlein mußte im Wasser herumschwimmen, um das völlige Zufrieren desselben zu verhindern; aber in jeder Nacht wurde das Loch, in dem es schwamm, kleiner und kleiner. es fror so, daß es in der Eisdecke knackte; das Entlein mußte fortwährend die Beine gebrauchen, damit das Loch sich nicht schloß. Zuletzt wurde es matt, lag ganz still und fror endlich im Eise fest.

      Des Morgens früh kam ein Bauer; da er dies sah, ging er hin, schlug mit seinem Holzschuh das Eis in Stücke und trug das Entlein heim zu seiner Frau. Da kam es wieder zu sich.

      Die Kinder wollten mit ihm spielen; aber das Entlein glaubte, sie wollten ihm etwas zuleide tun, und fuhr in der Angst gerade in den Milchnapf hinein, so daß die Milch in die Stube spritzte. Die Frau schlug die Hände zusammen, worauf es in das Butterfaß, dann hinunter in die Mehltonne und wieder herausflog. Wie sah es da aus! Die Frau schrie und schlug mit der Feuerzange danach; die Kinder rannten einander über den Haufen, um das Entlein zu fangen; sie lachten und schrien; Gut war es, daß die Tür offenstand und es zwischen die Reiser in den frischgefallenen Schnee schlüpfen konnte; dort lag es ganz ermattet.

      Aber all die Not und das Elend, welches das Entlein in dem harten Winter erdulden mußte, zu erzählen, würde zu trübe sein. Es lag im Moor zwischen dem Schild, als die Sonne wieder warm zu seinen begann. Die Lerchen sangen; es war herrlicher Frühling.

      Da konnte auf einmal das Entlein seine Flügel schwingen; sie schlugen stärker als früher und trugen es kräftig davon; und ehe dasselbe es recht wußte, befand es sich in einem großen Garten, wo die Äpfelbäume in der Blüte standen, wo der Flieder duftete und seine langen, grünen Zweige bis zu den gekrümmten Kanälen hinunterneigte. Oh, hier war es so schön, so frühlingsfrisch! Und vorn aus dem Dickicht kamen drei prächtige weiße Schwäne; sie brausten mit den Federn und schwimmen so leicht auf dem Wasser. Das Entlein kannte die prächtigen Tiere und wurde von einer eigentümlichen Traurigkeit befangen.

      "Ich will zu ihnen hinfliegen, zu den königlichen Vögeln! Und sie werden mich totschlagen, weil ich, der ich so häßlich bin, mich ihnen zu nähern wage. Aber das ist einerlei! Besser, von ihnen getötet als von den Enten gezwackt, von den Hühnern geschlagen, von dem Mädchen, welches den Hühnerhof hütete, gestoßen zu werden und im Winter zu hungern und zu frieren!" Und es flog hinaus in das Wasser und schwamm den prächtigen Schwänen entgegen; diese erblickten es und schossen mit emporegesträubtem Gefieder auf dasselbe los. "Tötet mich nur!" sagte das arme Tier, neigte seinen Kopf der Wasserfläche zu und erwartete den Tod. Aber was erblickte es in dem klaren Wasser? Es sah sein eigenes Bild unter sich, das kein plumper schwarzgrauer Vogel mehr, häßlich und garstig, sondern selbst ein Schwan war. Es schadet nichts, in einem Entenhof geboren zu sein, wenn man nur in einem Schwanenei gelegen hat!

      Es fühlte sich ordentlich erfreut über all die Not und die Drangsal, welche es erduldet. Nun erkannte es erst recht sein Glück an all der Herzlichkeit, die es begrüßte. Und die großen Schwäne umschwammen es und streichelten es mit dem Schnabel.

      In den Garten kamen einige kleine Kinder, die warfen Brot und Korn in das Wasser; und das kleinste rief: "Da ist ein neuer!" Und die andern Kinder jubelten mit: "Je, es ist ein neuer angekommen!" Und sie klatschten mit den Händen und tanzten umher, liefen zu dem Vater und der Mutter, und es wurde Brot und Kuchen in das Wasser geworfen, und sie sagten alle: "Der neue ist der Schönste: So jung und so prächtig!" Und die alten Schwäne neigten sich vor ihm.

      Da fühlte er sich so beschämt und steckte den Kopf unter seine Flügel; er wußte selbst nicht, was er beginnen sollte, er war allzu glücklich, aber durchaus nicht stolz, denn ein gutes Herz wird nie stolz! Er dachte daran, wie er verfolgt und verhöhnt worden war, und hörte nun alle sagen, daß er der schönste aller schönen Vögel sei. Selbst der Flieder bog sich mit den Zweigen gerade zu ihm in das Wasser hinunter, und die Sonne schien so war und so mild! Da brausten seine Federn, der schlanke Hals hob sich, und aus vollem Herzen jubelte er: "Soviel Glück habe ich mir nicht träumen lassen, als ich noch das häßliche Entlein war!"
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 16:15:16
      Beitrag Nr. 76 ()
      #73 Wie sähe das auch aus!!! :D
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 16:17:52
      Beitrag Nr. 77 ()
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 16:20:27
      Beitrag Nr. 78 ()
      hier sind viiiiiiele (alle?) märchen von ihm online:

      http://gutenberg.spiegel.de/andersen/maerchen/0htmldir.htm
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 16:52:02
      Beitrag Nr. 79 ()
      Besonders beeindruckt haben mich die Geschichten von der kleinen Tanne, die ein Weihnachtsbaum wurde, und vom Vergißmeinnicht im Blumentopf, das in einer Kellerwohnung stand. :)
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 17:09:24
      Beitrag Nr. 80 ()
      Andersen ist ja noch schärfer drauf als die Brüder Grimm @Matze... :) ... hat echt Spaß gemacht die Geschichten zu lesen...... :)

      @beauty ... stell rein, kenne ich nicht...
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 17:10:19
      Beitrag Nr. 81 ()
      O Gott, Mausel, ich kann doch nicht die ganzen Stories abschreiben ... und im Netz erst mal finden ... nun gut, ich geh suchen ... :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 17:12:26
      Beitrag Nr. 82 ()
      danke @beauty, bin heute ganz scharf auf Märchen.... :)
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 17:12:47
      Beitrag Nr. 83 ()
      @ beauty,

      schau mal unter dem link von matz,
      das dürftest du *der tannenbaum* finden
      das mit dem vergissmeinnicht kenne ich leider nicht
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 17:12:52
      Beitrag Nr. 84 ()
      Hans Christian Andersen
      Der Tannenbaum
      Draußen im Walde stand ein niedlicher, kleiner Tannenbaum; er hatte einen guten Platz, Sonne konnte er bekommen, Luft war genug da, und ringsumher wuchsen viel größere Kameraden, sowohl Tannen als Fichten. Aber dem kleinen Tannenbaum schien nichts so wichtig wie das Wachsen; er achtete nicht der warmen Sonne und der frischen Luft, er kümmerte sich nicht um die Bauernkinder, die da gingen und plauderten, wenn sie herausgekommen waren, um Erdbeeren und Himbeeren zu sammeln. Oft kamen sie mit einem ganzen Topf voll oder hatten Erdbeeren auf einen Strohhalm gezogen, dann setzten sie sich neben den kleinen Tannenbaum und sagten: "Wie niedlich klein ist der!" Das mochte der Baum gar nicht hören.

      Im folgenden Jahre war er ein langes Glied größer, und das Jahr darauf war er um noch eins länger, denn bei den Tannenbäumen kann man immer an den vielen Gliedern, die sie haben, sehen, wie viele Jahre sie gewachsen sind.

      "Oh, wäre ich doch so ein großer Baum wie die andern!" seufzte das kleine Bäumchen. "Dann könnte ich meine Zweige so weit umher ausbreiten und mit der Krone in die Welt hinausblicken! Die Vögel würden dann Nester zwischen meinen Zweigen bauen, und wenn der Wind weht, könnte ich so vornehm nicken, gerade wie die andern dort!"

      Er hatte gar keine Freude am Sonnenschein, an den Vögeln und den roten Wolken, die morgens und abends über ihn hinsegelten.

      War es nun Winter und der Schnee lag ringsumher funkelnd weiß, so kam häufig ein Hase angesprungen und setzte gerade über den kleinen Baum weg. Oh, das war ärgerlich! Aber zwei Winter vergingen, und im dritten war das Bäumchen so groß, daß der Hase um es herumlaufen mußte. "Oh, wachsen, wachsen, groß und alt werden, das ist doch das einzige Schöne in dieser Welt!" dachte der Baum.

      Im Herbst kamen immer Holzhauer und fällten einige der größten Bäume; das geschah jedes Jahr, und dem jungen Tannenbaum, der nun ganz gut gewachsen war, schauderte dabei; denn die großen, prächtigen Bäume fielen mit Knacken und Krachen zur Erde, die Zweige wurden abgehauen, die Bäume sahen ganz nackt, lang und schmal aus; sie waren fast nicht zu erkennen. Aber dann wurden sie auf Wagen gelegt, und Pferde zogen sie davon, aus dem Walde hinaus.

      Wohin sollten sie? Was stand ihnen bevor?

      Im Frühjahr, als die Schwalben und Störche kamen, fragte sie der Baum: "Wißt ihr nicht, wohin sie geführt wurden? Seid ihr ihnen begegnet?"

      Die Schwalben wußten nichts, aber der Storch sah nachdenkend aus, nickte mit dem Kopfe und sagte: "Ja, ich glaube wohl; mir begegneten viele neue Schiffe, als ich aus Ägypten flog; auf den Schiffen waren prächtige Mastbäume; ich darf annehmen, daß sie es waren, sie hatten Tannengeruch; ich kann vielmals von ihnen grüßen, sie sind schön und stolz!"

      "Oh, wäre ich doch auch groß genug, um über das Meer hinfahren zu können! Was ist das eigentlich, dieses Meer, und wie sieht es aus?"

      "Ja, das ist viel zu weitläufig zu erklären!" sagte der Storch, und damit ging er.

      "Freue dich deiner Jugend!" sagten die Sonnenstrahlen; "freue dich deines frischen Wachstums, des jungen Lebens, das in dir ist!"

      Und der Wind küßte den Baum, und der Tau weinte Tränen über ihn, aber das verstand der Tannenbaum nicht.

      Wenn es gegen die Weihnachtszeit war, wurden ganz junge Bäume gefällt, Bäume, die oft nicht einmal so groß oder gleichen Alters mit diesem Tannenbäume waren, der weder Rast noch Ruhe hatte, sondern immer davon wollte; diese jungen Bäume, und es waren gerade die allerschönsten, behielten immer alle ihre Zweige; sie wurden auf Wagen gelegt, und Pferde zogen sie zum Walde hinaus.

      "Wohin sollen diese?" fragte der Tannenbaum. "Sie sind nicht größer als ich, einer ist sogar viel kleiner; weswegen behalten sie alle ihre Zweige? Wohin fahren sie?"

      "Das wissen wir! Das wissen wir!" zwitscherten die Meisen. "Unten in der Stadt haben wir in die Fenster gesehen! Wir wissen, wohin sie fahren! Oh, sie gelangen zur größten Pracht und Herrlichkeit, die man sich denken kann! Wir haben in die Fenster gesehen und erblickt, daß sie mitten in der warmen Stube aufgepflanzt und mit den schönsten Sachen, vergoldeten Äpfeln, Honigkuchen, Spielzeug, und vielen hundert Lichtern geschmückt werden."

      "Und dann?" fragte der Tannenbaum und bebte in allen Zweigen. "Und dann? Was geschieht dann?" "Ja, mehr haben wir nicht gesehen! Das war unvergleichlich schön!"

      "Ob ich wohl bestimmt bin, diesen strahlenden Weg zu betreten?" jubelte der Tannenbaum. Das ist noch besser als über das Meer zu ziehen! Wie leide ich an Sehnsucht! Wäre es doch Weihnachten! Nun bin ich hoch und entfaltet wie die andern, die im vorigen Jahre davongeführt wurden! Oh, wäre ich erst auf dem Wagen, wäre ich doch in der warmen Stube mit all der Pracht und Herrlichkeit! Und dann? ja, dann kommt noch etwas Besseres, noch Schöneres, warum würden sie mich sonst so schmücken? Es muß noch etwas Größeres, Herrlicheres kommen! Aber was? Oh, ich leide, ich sehne mich, ich weiß selbst nicht, wie mir ist!"

      "Freue dich unser!" sagten die Luft und das Sonnenlicht; "freue dich deiner frischen Jugend im Freien!"

      Aber er freute sich durchaus nicht; er wuchs und wuchs, Winter und Sommer stand er grün; dunkelgrün stand er da, die Leute, die ihn sahen, sagten: "Das ist ein schöner Baum!" und zur Weihnachtszeit wurde er von allen zuerst gefällt. Die Axt hieb tief durch das Mark; der Baum fiel mit einem Seufzer zu Boden, er fühlte einen Schmerz, eine Ohnmacht, er konnte gar nicht an irgendein Glück denken, er war betrübt, von der Heimat scheiden zu müssen, von dem Flecke, auf dem er emporgeschossen war; er wußte ja, daß er die lieben, alten Kameraden, die kleinen Büsche und Blumen ringsumher nie mehr sehen werde, ja vielleicht nicht einmal die Vögel. Die Abreise hatte durchaus nichts Behagliches.

      Der Baum kam erst wieder zu sich selbst, als er im Hofe mit andern Bäumen abgeladen wurde und einen Mann sagen hörte: "Dieser hier ist prächtig! Wir wollen nur den!"

      Nun kamen zwei Diener im vollen Staat und trugen den Tannenbaum in einen großen, schönen Saal. Ringsherum an den Wänden hingen Bilder, und bei dem großen Kachelofen standen große chinesische Vasen mit Löwen auf den Deckeln; da waren Wiegestühle, seidene Sofas, große Tische voll von Bilderbüchern und Spielzeug für hundertmal hundert Taler; wenigstens sagten das die Kinder. Der Tannenbaum wurde in ein großes, mit Sand gefälltes Faß gestellt, aber niemand konnte sehen, daß es ein Faß war, denn es wurde rundherum mit grünem Zeug behängt und stand auf einem großen, bunten Teppich. oh, wie der Baum bebte! Was würde da wohl vorgehen? Sowohl die Diener als die Fräulein schmückten ihn. An einen Zweig hängten sie kleine, aus farbigem Papier ausgeschnittene Netze, und jedes Netz war mit Zuckerwerk gefüllt. Vergoldete Apfel und Walnüsse hingen herab, als wären sie festgewachsen, und über hundert rote, blaue und weiße kleine Lichter wurden in den Zweigen festgesteckt. Puppen, die leibhaft wie die Menschen aussahen - der Baum hatte früher nie solche gesehen -, schwebten im Grünen, und hoch oben in der Spitze wurde ein Stern von Flittergold befestigt. Das war prächtig, ganz außerordentlich prächtig!

      "Heute abend", sagten alle, "heute abend wird er strahlen!" und sie waren außer sich vor Freude.

      "Oh" dachte der Baum, "wäre es doch Abend! Würden nur die Lichter bald angezündet! Und was dann wohl geschieht? Ob da wohl Bäume aus dem Walde kommen, mich zu sehen? Ob die Meisen gegen die Fensterscheiben fliegen? Ob ich hier festwachse und Winter und Sommer geschmückt stehen werde?"

      Ja, er wußte gut Bescheid; aber er hatte ordentlich Borkenschmerzen vor lauter Sehnsucht, und Borkenschmerzen sind für einen Baum ebenso schlimm wie Kopfschmerzen für uns andere.

      Nun wurden die Lichter angezündet. Welcher Glanz, welche Pracht! Der Baum bebte in allen Zweigen dabei, so daß eins der Lichter das Grüne anbrannte; es sengte ordentlich.

      "Gott bewahre uns!" schrien die Fräulein und löschten es hastig aus.

      Nun durfte der Baum nicht einmal beben. Oh, das war ein Grauen! Ihm war bange, etwas von seinem Staate zu verlieren; er war ganz betäubt von all dem Glanze. Da gingen beide Flügeltüren auf, und eine Menge Kinder stürzte herein, als wollten sie den ganzen Baum umwerfen, die älteren Leute kamen bedächtig nach; die Kleinen standen ganz stumm, aber nur einen Augenblick, dann jubelten sie wieder, daß es laut schallte; sie tanzten um den Baum herum, und ein Geschenk nach dem andern wurde abgepflückt und verteilt.

      "Was machen sie?" dachte der Baum. Was soll geschehen?" Die Lichter brannten gerade bis auf die Zweige herunter, und je nachdem sie niederbrannten, wurden sie ausgelöscht, und dann erhielten die Kinder die Erlaubnis, den Baum zu plündern. Sie stürzten auf ihn zu, daß es in allen Zweigen knackte; wäre er nicht mit der Spitze und mit dem Goldstern an der Decke festgemacht gewesen, so wäre er umgefallen.

      Die Kinder tanzten mit ihrem prächtigen Spielzeug herum, niemand sah nach dem Baume, ausgenommen das alte Kindermädchen, das zwischen die Zweige blickte; aber es geschah nur, um zu sehen, ob nicht noch eine Feige oder ein Apfel vergessen sei.

      "Eine Geschichte, eine Geschichte!" riefen die Kinder und zogen einen kleinen, dicken Mann gegen den Baum hin, und er setzte sich gerade unter ihn, "denn so sind wir im Grünen", sagte er, "und der Baum kann besonders Nutzen davon haben, zuzuhören! Aber ich erzähle nur eine Geschichte. Wollt ihr die von Ivede- Avede oder die von Klumpe-Dumpe hören, der die Treppen hinunterfiel und doch erhöht wurde und die Prinzessin bekam?"

      "lvede-Avede!" schrien einige, "Klumpe-Dumpe!" schrien andere. Das war ein Rufen! Nur der Tannenbaum schwieg ganz still und dachte: Komme ich gar nicht mit, werde ich nichts dabei zu tun haben?" Er hatte ja geleistet, was er sollte.

      Der Mann erzählte von Klumpe-Dumpe, der die Treppen hinunterfiel und doch erhöht wurde und die Prinzessin bekam. Und die Kinder klatschten in die Hände und riefen: "Erzähle, erzähle!" Sie wollten auch die Geschichte von Ivede-Avede hören, aber sie bekamen nur die von Klumpe-Dumpe. Der Tannenbaum stand ganz stumm und gedankenvoll, nie hatten die Vögel im Walde dergleichen erzählt. Klumpe-Dumpe fiel die Treppen hinunter und bekam doch die Prinzessin! Ja, ja, so geht es in der Welt zu!" dachte der Tannenbaum und glaubte, daß es wahr sei, weil ein so netter Mann es erzählt hatte. "Ja, ja! Vielleicht falle ich auch die Treppe hinunter und bekomme eine Prinzessin!" Und er freute sich, den nächsten Tag wieder mit Lichtern und Spielzeug, Gold und Früchten und dem Stern von Flittergold aufgeputzt zu werden. "Morgen werde ich nicht zittern!" dachte er. ich will mich recht aller meiner Herrlichkeit freuen. Morgen werde ich wieder die Geschichte von Klumpe-Dumpe und vielleicht auch die von Ivede-Avede hören." Und der Baum stand die ganze Nacht still und gedankenvoll.

      Am Morgen kamen die Diener und das Mädchen herein.

      "Nun beginnt der Staat aufs neue!" dachte der Baum; aber sie schleppten ihn zum Zimmer hinaus, die Treppe hinauf, auf den Boden und stellten ihn in einen dunklen Winkel, wohin kein Tageslicht schien. "Was soll das bedeuten?" dachte der Baum. "Was soll ich hier wohl machen? Was mag ich hier wohl hören sollen?" Er lehnte sich gegen die Mauer und dachte und dachte. Und er hatte Zeit genug, denn es vergingen Tage und Nächte; niemand kam herauf, und als endlich jemand kam, so geschah es, um einige große Kasten in den Winkel zu stellen; der Baum stand ganz versteckt, man mußte glauben, daß er ganz vergessen war.

      "Nun ist es Winter draußen!" dachte der Baum. Die Erde ist hart und mit Schnee bedeckt, die Menschen können mich nicht pflanzen; deshalb soll ich wohl bis zum Frühjahr hier im Schutz stehen! Wie wohlbedacht ist das! Wie die Menschen doch so gut sind! Wäre es hier nur nicht so dunkel und schrecklich einsam! Nicht einmal ein kleiner Hase! Das war doch niedlich da draußen im Walde, wenn der Schnee lag und der Hase vorbeisprang, ja selbst als er über mich hinwegsprang; aber damals mochte ich es nicht leiden. Hier oben ist es doch schrecklich einsam!"

      "Piep, piep!" sagte da eine kleine Maus und huschte hervor; und dann kam noch eine kleine. Sie beschnüffelten den Tannenbaum, und dann schlüpften sie zwischen seine Zweige.

      "Es ist eine greuliche Kälte!" sagten die kleinen Mäuse. "Sonst ist hier gut sein; nicht wahr, du alter Tannenbaum?"

      "Ich bin gar nicht alt!" sagte der Tannenbaum; "es gibt viele, die weit älter sind denn ich!"

      "Woher kommst du?" fragten die Mäuse, "und was weißt du?" Sie waren gewaltig neugierig. "Erzähle uns doch von den schönsten Orten auf Erden! Bist du dort gewesen? Bist du in der Speisekammer gewesen, wo Käse auf den Brettern liegen und Schinken unter der Decke hängen, wo man auf Talglicht tanzt, mager hineingeht und fett herauskommt?"

      "Das kenne ich nicht", sagte der Baum; "aber den Wald kenne ich, wo die Sonne scheint und die Vögel singen!" Und dann erzählte er alles aus seiner Jugend. Die kleinen Mäuse hatten früher nie dergleichen gehört, sie horchten auf und sagten: "Wieviel du gesehen hast! Wie glücklich du gewesen bist!"

      "Ich?" sagte der Tannenbaum und dachte über das, was er selbst erzählte, nach. "Ja, es waren im Grunde ganz fröhliche Zeiten!" Aber dann erzählte er vom Weihnachtsabend, wo er mit Zuckerwerk und Lichtern geschmückt war.

      "Oh", sagten die kleinen Mäuse, "wie glücklich du gewesen bist, du alter Tannenbaum!"

      "Ich bin gar nicht alt!" sagte der Baum; "erst in diesem Winter bin ich aus dem Walde gekommen! Ich bin in meinem allerbesten Alter, ich bin nur so aufgeschossen."

      "Wie schön du erzählst!" sagten die kleinen Mäuse, und in der nächsten Nacht kamen sie mit vier anderen kleinen Mäusen, die den Baum erzählen hören sollten, und je mehr er erzählte, desto deutlicher erinnerte er sich selbst an alles und dachte: Es waren doch ganz fröhliche Zeiten! Aber sie können wiederkommen, können wiederkommen! Klumpe-Dumpe fiel die Treppe hinunter und bekam doch die Prinzessin; vielleicht kann ich auch eine Prinzessin bekommen." Und dann dachte der Tannenbaum an eine kleine, niedliche Birke, die draußen im Walde wuchs; das war für den Tannenbaum eine wirkliche, schöne Prinzessin.

      "Wer ist Klumpe-Dumpe?" fragten die kleinen Mäuse. Da erzählte der Tannenbaum das ganze Märchen, er konnte sich jedes einzelnen Wortes entsinnen; die kleinen Mäuse sprangen aus reiner Freude bis an die Spitze des Baumes. In der folgenden Nacht kamen weit mehr Mäuse und am Sonntage sogar zwei Ratten, aber die meinten, die Geschichte sei nicht hübsch, und das betrübte die kleinen Mäuse, denn nun hielten sie auch weniger davon.

      "Wissen Sie nur die eine Geschichte?" fragten die Ratten.

      "Nur die eine", antwortete der Baum; "die hörte ich an meinem glücklichsten Abend, aber damals dachte ich nicht daran, wie glücklich ich war."

      "Das ist eine höchst jämmerliche Geschichte! Kennen Sie keine von Speck und Talglicht? Keine Speisekammergeschichte?"

      "Nein!" sagte der Baum." "Ja, dann danken wir dafür!" erwiderten die Ratten und gingen zu den Ihrigen zurück.

      Die kleinen Mäuse blieben zuletzt auch weg, und da seufzte der Baum: "Es war doch ganz hübsch, als sie um mich herumsaßen, die beweglichen kleinen Mäuse, und zuhörten, wie ich erzählte! Nun ist auch das vorbei! Aber ich werde gerne daran denken, wenn ich wieder hervorgenommen werde."

      Aber wann geschah das? Ja, es war eines Morgens, da kamen Leute und wirtschafteten auf dem Boden; die Kasten wurden weggesetzt, der Baum wurde hervorgezogen; sie warfen ihn freilich ziemlich hart gegen den Fußboden, aber ein Diener schleppte ihn gleich nach der Treppe hin, wo der Tag leuchtete.

      "Nun beginnt das Leben wieder!" dachte der Baum; er fühlte die frische Luft, die ersten Sonnenstrahlen, und nun war er draußen im Hofe. Alles ging geschwind, der Baum vergaß völlig, sich selbst zu betrachten, da war so vieles ringsumher zu sehen. Der Hof stieß an einen Garten, und alles blühte darin; die Rosen hingen frisch und duftend über das kleine Gitter hinaus, die Lindenbäume blühten, und die Schwalben flogen umher und sagten: "Quirrevirrevit, mein Mann ist kommen!" Aber es war nicht der Tannenbaum, den sie meinten.

      "Nun werde ich leben!" jubelte der und breitete seine Zweige weit aus; aber ach, die waren alle vertrocknet und gelb; und er lag da zwischen Unkraut und Nesseln. Der Stern von Goldpapier saß noch oben in der Spitze und glänzte im hellen Sonnenschein.

      Im Hofe selbst spielten ein paar der munteren Kinder, die zur Weihnachtszeit den Baum umtanzt hatten und so froh über ihn gewesen waren. Eins der kleinsten lief hin und riß den Goldstern ab.

      "Sieh, was da noch an dem häßlichen, alten Tannenbaum sitzt!" sagte es und trat auf die Zweige, so daß sie unter seinen Stiefeln knackten.

      Der Baum sah auf all die Blumenpracht und Frische im Garten, er betrachtete sich selbst und wünschte, daß er in seinem dunklen Winkel auf dem Boden geblieben wäre; er gedachte seiner frischen Jugend im Walde, des lustigen Weihnachtsabends und der kleinen Mäuse, die so munter die Geschichte von Klumpe- Dumpe angehört hatten.

      "Vorbei, vorbei!" sagte der arme Baum. "Hätte ich mich doch gefreut, als ich es noch konnte! Vorbei, vorbei!"

      Der Diener kam und hieb den Baum in kleine Stücke, ein ganzes Bund lag da; hell flackerte es auf unter dem großen Braukessel. Der Baum seufzte tief, und jeder Seufzer war einem kleinen Schusse gleich; deshalb liefen die Kinder, die da spielten, herbei und setzten sich vor das Feuer, blickten hinein und riefen: "Piff, paff!" Aber bei jedem Knalle, der ein tiefer Seufzer war, dachte der Baum an einen Sommerabend im Walde oder an eine Winternacht da draußen, wenn die Sterne funkelten; er dachte an den Weihnachtsabend und an Klumpe-Dumpe, das einzige Märchen, das er gehört hatte und zu erzählen wußte - und dann war der Baum verbrannt.

      Die Knaben spielten im Garten, und der kleinste hatte den Goldstern auf der Brust, den der Baum an seinem glücklichsten Abend getragen hatte. Nun war der vorbei, und mit dem Baum war es vorbei und mit der Geschichte auch; vorbei, vorbei.

      Und so geht es mit allen Geschichten!
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      schrieb am 08.04.04 17:14:10
      Beitrag Nr. 85 ()
      unter dem link haben sie noch alle möglichen schriftsteller -

      ich war ganz erstaunt, dass es dieses "projekt gutenberg" gibt
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 17:21:48
      Beitrag Nr. 86 ()
      Hans Christian Andersen
      Der Engel
      Jedesmal, wenn ein gutes Kind stirbt, kommt ein Engel Gottes zur Erde hernieder, nimmt das tote Kind auf seine Arme, breitet die großen, weißen Flügel aus und pflückt eine ganze Handvoll Blumen, die er zu Gott hinaufbringt, damit sie dort noch schöner als auf der Erde blühen. Gott drückt sie dort an sein Herz, aber der Blume, die ihm die liebste ist, gibt er einen Kuß, und dann bekommt sie Stimme und kann in der großen Glückseligkeit mitsingen.

      Sieh, alles dieses erzählte ein Engel Gottes, während er ein totes Kind zum Himmel forttrug, und das Kind hörte wie im Traume; sie flogen über die Stätten in der Heimat, wo das Kleine gespielt hatte, und kamen durch Gärten mit herrlichen Blumen.

      "Welche wollen wir nun mitnehmen und in den Himmel pflanzen?" fragte der Engel.

      Da stand ein schlanker, herrlicher Rosenstock, aber eine böse Hand hatte den Stamm abgebrochen, so daß alle Zweige, voll von großen, halb aufgebrochenen Knospen, vertrocknet rundherum hingen. "Der arme Rosenstock!" sagte das Kind. "Nimm ihn, damit er oben bei Gott zum Blühen kommen kann!"

      Und der Engel nahm ihn, küßte das Kind dafür, und das Kleine öffnete seine Augen zur Hälfte. Sie pflückten von den reichen Prachtblumen, nahmen aber auch die verachtete Butterblume und das wilde Stiefmütterchen.

      "Nun haben wir Blumen!" sagte das Kind, und der Engel nickte, aber er flog noch nicht zu Gott empor. Es war Nacht und ganz still; sie blieben in der großen Stadt und schwebten in einer der schmalen Gassen umher, wo Haufen Stroh und Asche lagen; es war Umzug gewesen. Da lagen Scherben von Tellern, Gipsstücke, Lumpen und alte Hutköpfe, was alles nicht gut aussah. Der Engel zeigte in allen diesen Wirrwarr hinunter auf einige Scherben eines Blumentopfes und auf einen Klumpen Erde, der da herausgefallen war. Von den Wurzeln einer großen vertrockneten Feldblume, die nichts taugte und die man deshalb auf die Gasse geworfen hatte, wurde er zusammengehalten. "Diese nehmen wir mit!" sagte der Engel. "Ich werde dir erzählen, während wir fliegen!"

      Sie flogen, und der Engel erzählte:
      "Dort unten in der schmalen Gasse, in dem niedrigen Keller, wohnte ein armer, kranker Knabe. Von seiner Geburt an war er immer bettlägerig gewesen; wenn es ihm am besten ging, konnte er auf Krücken die kleine Stube ein paarmal auf und nieder gehen, das war alles. An einigen Tagen im Sommer fielen die Sonnenstrahlen während einer halben Stunde bis in den Keller hinab, und wenn der Knabe dasaß und sich von der warmen Sonne bescheinen ließ und das rote Blut durch seine feinen Finger sah, die er vor das Gesicht hielt, dann hieß es: `Heute ist er aus gewesen!` Er kannte den Wald in seinem herrlichen Frühjahrsgrün nur dadurch, daß ihm des Nachbars Sohn den ersten Buchenzweig brachte, den hielt er über seinem Haupte und träumte dann unter Buchen zu sein, wo die Sonne scheint und die Vögel singen. An einem Frühlingstage brachte ihm des Nachbars Knabe auch Feldblumen, und unter diesen war zufällig eine Wurzel, deshalb wurde sie in einen Blumentopf gepflanzt und am Bette neben das Fenster gestellt. Die Blume war mit einer glücklichen Hand gepflanzt, sie wuchs, trieb neue Zweige und trug jedes Jahr ihre Blumen; sie wurde des kranken Knaben herrlichster Blumengarten, sein kleiner Schatz hier auf Erden; er begoß und pflegte sie und sorgte dafür, daß sie jeden Sonnenstrahl, bis zum letzten, der durch das niedrige Fenster hinunterglitt, erhielt; die Blume selbst verwuchs mit seinen Tränen, denn für ihn blühte sie, verbreitete sie ihren Duft und erfreute das Auge; gegen sie wendete er sich im Tode, da der Herr ihn rief. Ein Jahr ist er nun bei Gott gewesen, ein Jahr hat die Blume vergessen im Fenster gestanden und ist verdorrt und wurde deshalb beim Umziehen hinaus auf die Straße geworfen. Und dies ist die Blume, die vertrocknete Blume, die wir mit in unsern Blumenstrauß genommen haben, denn diese Blume hat mehr erfreut als die reichste Blume im Garten einer Königin!"

      "Aber woher weißt du das alles?" fragte das Kind, das der Engel gen Himmel trug.

      "Ich weiß es", sagte der Engel, "denn ich war selbst der kleine, kranke Knabe, der auf Krücken ging; meine Blume kenne ich wohl!"

      Das Kind öffnete seine Augen ganz und sah in des Engels herrliches, frohes Antlitz hinein, und im selben Augenblick befanden sie sich in Gottes Himmel, wo Freude und Glückseligkeit waren. Gott drückte das tote Kind an sein Herz, und da bekam es Schwingen wie der andere Engel und flog Hand in Hand mit ihm. Gott drückte alle Blumen an sein Herz, aber die arme verdorrte Feldblume küßte er, und sie erhielt Stimme und sang mit allen Engeln, welche Gott umschwebten, einige ganz nahe, andere um diese herum in großen Kreisen und immer weiter fort in das Unendliche, aber alle gleich glücklich. Und alle sangen sie, klein und groß, samt dem guten, gesegneten Kinde und der armen Feldblume, die verdorrt dagelegen hatte, hingeworfen in den Kehricht des Umziehtages, in der schmalen, dunklen Gasse.
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 17:30:19
      Beitrag Nr. 87 ()
      ich gehe jetzt off, danke für die Geschichte vom Tannenbaum @beauty, die kannte ich auch noch nicht...

      einfach nur traurig....
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 17:39:07
      Beitrag Nr. 88 ()
      nur noch eins dazu...

      mich wundert es nicht, dass sich in Amerika immer wieder mal einige Leute eine Pumpgun kaufen und amokartig wild um sich schießen, hat es bei uns ja mittlerweile auch schon gegeben....
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 17:40:48
      Beitrag Nr. 89 ()
      soviel Optimismus und Glaube an das Gute im Menschen kann niemand auf Dauer aufbringen...
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 20:23:20
      Beitrag Nr. 90 ()
      #87 Die Moral ist interessant: die große Chance eines Lebens, für die man eben dieses Leben opfern muß ... aber im Gedenken an die Glorie stirbt sich`s geradezu leicht. ... Als Erwachsener findet man Parallelen, als Kind muß man daran erinnert werden, daß eine Tanne letztlich "nur" ein Baum ist ...

      Und bei der Geschichte mit der Feldblume ist das Mitleid und seine höchste Anerkennung beeindruckend, auch hier muß einem Kind klargemacht werden, daß eine Pflanze gar wohl zu hüten und zu pflegen ist, daß ihr Tod aber kein Anlaß zur Trauer ist (er gehört eben zum Lebenskreislauf), sondern daß auch dieses Geschöpf Beachtung findet.

      Insofern sind diese beiden Geschichten gar nicht traurig.
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 20:29:42
      Beitrag Nr. 91 ()
      @beauty mein Kommentar bezog sich nur auf die Geschichte mit dem Tannenbaum, die andere Geschichte mit der Feldblume hatte ich noch gar nicht gesehen, die ist sehr schön.... :)
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 20:43:00
      Beitrag Nr. 92 ()
      Wir hatten trotzdem immer einen Tannenbaum! :D Einen echten mit Lametta und all dem Schnickschnack, der gegen Neujahr dann wieder abgenommen und weggepackt wird. Ist irgendwie wie Striptease ... und der Ärger über das Kerzenwachs auf einigen Kugeln. Aus den Kerzenhaltern kann mans ja rauskratzen, aber von den Kugeln kriegt man es nicht ab ... Und der Fuß wird in Seidenpapier gepackt und auch die Spitze, und die kommt dann in den schon ziemlich befingerten Karton .....

      Und ein geschlagenes Jahr später holt man das ganze Zeug wieder vor ... :rolleyes: Nur das Lametta muß neu, das kriegt man nicht vom Baum runter und glatt schon sowieso nicht ... :D
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 20:46:40
      Beitrag Nr. 93 ()
      wir hatten zu Hause schon sehr früh elektrische Kerzen, da ich als kleines Kind mal in den Tannenbaum gefallen bin und fast die ganze Wohnung in Brand gesteckt habe... :rolleyes:

      ja klar, Lametta und Strohsterne und auch andere selbstgemachte Dinge...

      früher waren auch mal Süßigkeiten am Baum, aber das war in den 50ern...
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 20:52:10
      Beitrag Nr. 94 ()
      Die Sorge brauchten meine Eltern nicht zu haben - ich war sowas von artig! Meine Mutter hat mir z. B. immer eingeprägt, ich solle nicht den Finger in die Steckdose stecken, und da habe ich es auch nicht gemacht!! :D
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 20:53:21
      Beitrag Nr. 95 ()
      wie gut dass meine Mutter mir das nie gesagt hat.... :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 20:53:24
      Beitrag Nr. 96 ()
      @ mausel,
      wir hatten auch lange süßigkeiten am baum,
      und als die dann durch kugeln ersetzt wurden hab ich erstmal in eine reingebissen.


      @ beauty,
      meine schwester hat heute noch richtige kerzen am baum.
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 20:56:38
      Beitrag Nr. 97 ()
      @gesine ... Kugeln waren bei uns zusätzlich dran... :D
      hoffentlich war es keine Glaskugel...

      jetzt driftet der Thread aber ganz schön vom Thema ab, und alles nur wegen dem traurigen Tannenbaummärchen...
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 21:00:09
      Beitrag Nr. 98 ()
      @mausel,

      doch es war ne glaskugel, es war ganz gut eingeteilt unten die süssigkeiten oben die kugeln und später eben nur noch kugeln.
      zum thema an weihnachten hab ich jedes jahr ein neues märchenbuch von meiner oma bekommen. leider hab ich sie mal verliehen ....
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 21:02:08
      Beitrag Nr. 99 ()
      das mit dem Verleihen von Büchern kenne ich @gesine, habe mir auch nie merken können an wen....
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 21:04:27
      Beitrag Nr. 100 ()
      habe zwar immer meinen Namen in die Bücher geschrieben, aber der war dann mit weg.... :D
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 21:05:53
      Beitrag Nr. 101 ()
      @mausel, yep so gin es mir auch immer, aber inzwischen gibt es eh nur noch wneige bücher die ich verwahre.
      die meisten hab ich zurückgelassen und leihe mir dafür neue aus.
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 21:06:42
      Beitrag Nr. 102 ()
      Andere schreiben ihn außen oben drauf, aber die kriegen die Bücher meist auch nicht zurück ... :laugh:
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 21:11:24
      Beitrag Nr. 103 ()
      vielleicht in der Hoffnung der Buchbesitzer wird mal berühmt, dann hat man schon mal ein Autogramm... :D :laugh:
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 21:35:25
      Beitrag Nr. 104 ()
      bei anderson fällt mir der kleine zinnsoldat ein
      und dies lied von

      Donovan

      - The Little Tin Soldier


      Once in a town in the black forest a little white toy-shop stood.

      And the little tin soldier with only one leg lived in a castle of
      wood.
      And across the room on another shelf stood a little glass case,

      And a tiny ballerina lived in there all in her dress of lace.
      And from where the little tin soldier stood they could see each
      other so clear
      And the little tin soldier watched over her with a love that was
      so dear.
      Then one day sadness came: the tiny ballerina was sold.
      The little tin soldier was thrown away and into the gutter he rolled.

      The water carried him to the sea and many far-off lands.
      He made many children happy as he passed through their tiny hands.

      And then one day they met again in a house in the land of Eire
      And when the clocks on the wall struck the midnight hour
      They jumped into a fire
      And in that fire they shall stay
      Forever in the day.
      For the fire, Lord, is the fire of love,
      Just like the peaceful dove.
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 21:40:05
      Beitrag Nr. 105 ()
      die Geschichten von Andersen gefallen mir auch besser als die der Brüder Grimm, sie sind sehr lebensnah...

      das Lied von Donovan ist sehr schön @gesine, danke... :)

      auch in Liedern stecken Märchen...
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 21:42:58
      Beitrag Nr. 106 ()
      @ mausel,
      habe gestern gesehn das du dich über altantis unterhielst hab ein lied von donovan in den igauan reingestellt ;)
      wollte euch nicht stören
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 21:46:31
      Beitrag Nr. 107 ()
      Du störst hier nicht @gesine, niemand stört hier..

      habe den Liedtext gelesen.... :)
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 22:02:51
      Beitrag Nr. 108 ()
      @mausel,
      schön das du ihn gelesen hast ;)
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 22:05:14
      Beitrag Nr. 109 ()
      @gesine lass Dich da drüben nicht kaputt machen, es ist die Sache nicht wert, und die Menschen auch nicht für die Du Dich einsetzt...

      schweift jetzt zwar vom Thema ab, aber ich kann sowas gar nicht mit ansehen....

      mal sehen ob ich noch ein Märchen finde...
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 22:10:14
      Beitrag Nr. 110 ()
      Daumesdick

      Es war ein armer Bauersmann, der saß abends beim Herd und schürte das Feuer, und die Frau saß und spann. Da sprach er `wie ists so traurig, daß wir keine Kinder haben! es ist so still bei uns, und in den andern Häusern ists so laut und lustig.` `Ja,` antwortete die Frau und seufzte, `wenns nur ein einziges wäre, und wenns auch ganz klein wäre, nur Daumens groß, so wollte ich schon zufrieden sein; wir hättens doch von Herzen lieb.`

      Nun geschah es, daß die Frau kränklich ward und nach sieben Monaten ein Kind gebar, das zwar an allen Gliedern vollkommen, aber nicht länger als ein Daumen war. Da sprachen sie `es ist, wie wir es gewünscht haben, und es soll unser liebes Kind sein,` und nannten es nach seiner Gestalt Daumesdick. Sie ließens nicht an Nahrung fehlen, aber das Kind ward nicht größer, sondern blieb, wie es in der ersten Stunde gewesen war; doch schaute es verständig aus den Augen und zeigte sich bald als ein kluges und behendes Ding, dem alles glückte, was es anfing.

      Der Bauer machte sich eines Tages fertig, in den Wald zu gehen und Holz zu fällen, da sprach er so vor sich hin `nun wollt ich, daß einer da wäre, der mir den Wagen nachbrächte.` `O Vater,` rief Daumesdick, `den Wagen will ich schon bringen, verlaßt Euch drauf, er soll zur bestimmten Zeit im Walde sein.` Da lachte der Mann und sprach `wie sollte das zugehen, du bist viel zu klein, um das Pferd mit dem Zügel zu leiten.` `Das tut nichts, Vater, wenn nur die Mutter anspannen will, ich setze mich dem Pferd ins Ohr und rufe ihm zu, wie es gehen soll.` `Nun,` antwortete der Vater, `einmal wollen wirs versuchen.`

      Als die Stunde kam, spannte die Mutter an und setzte Daumesdick ins Ohr des Pferdes, und dann rief der Kleine, wie das Pferd gehen sollte, `jüh und joh! hott und har!, Da ging es ganz ordentlich als wie bei einem Meister, und der Wagen fuhr den rechten Weg nach dem Walde. Es trug sich zu, als er eben um eine Ecke bog und der Kleine `har, har!` rief, daß zwei fremde Männer daherkamen. `Mein,` sprach der eine, `was ist das? da fährt ein Wagen, und ein Fuhrmann ruft dem Pferde zu, und ist doch nicht zu sehen.` `Das geht nicht mit rechten Dingen zu,` sagte der andere, `wir wollen dem Karren folgen und sehen, wo er anhält.` Der Wagen aber fuhr vollends in den Wald hinein und richtig zu dem Platze, wo das Holz gehauen ward. Als Daumesdick seinen Vater erblickte, rief er ihm zu `siehst du, Vater, da bin ich mit dem Wagen, nun hol mich runter.` Der Vater faßte das Pferd mit der Linken und holte mit der Rechten sein Söhnlein aus dem Ohr, das sich ganz lustig auf einen Strohhalm niedersetzte.

      Als die beiden fremden Männer den Daumesdick erblickten, wußten sie nicht, was sie vor Verwunderung sagen sollten. Da nahm der eine den andern beiseit und sprach `hör, der kleine Kerl könnte unser Glück machen, wenn wir ihn in einer großen Stadt für Geld sehen ließen, wir wollen ihn kaufen.` Sie gingen zu dein Bauer und sprachen `verkauft uns den kleinen Mann` er solls gut bei uns haben.` `Nein,` antwortete der Vater, `es ist mein Herzblatt, und ist mir für alles Gold in der Welt nicht feil!` Daumesdick aber, als er von dem Handel gehört, war an den Rockfalten seines Vaters hinaufgekrochen, stellte sich ihm auf die Schulter und wisperte ihm ins Ohr `Vater, gib mich nur hin, ich will schon wieder zurückkommen.` Da gab ihn der Vater für ein schönes Stück Geld den beiden Männern hin. `Wo willst du sitzen?, sprachen sie zu ihm. `Ach, setzt mich nur auf den Rand von eurem Hut, da kann ich auf und ab spazieren und die Gegend b etrachten, und falle doch nicht herunter.`

      Sie taten ihm den Willen, und als Daumesdick Abschied von seinem Vater genommen hatte, machten sie sich mit ihm fort. So gingen sie, bis es dämmrig ward, da sprach der Kleine `hebt mich einmal herunter, es ist nötig.` `Bleib nur droben` sprach der Mann, auf dessen Kopf er saß, `ich will mir nichts draus machen, die Vögel lassen mir auch manchmal was drauf fallen.` `Nein,` sprach Daumesdick, `ich weiß auch, was sich schickt, hebt mich nur geschwind herab.` Der Mann nahm den Hut ab und setzte den Kleinen auf einen Acker am Weg, da sprang und kroch er ein wenig zwischen den Schollen hin und her, dann schlüpfte er pIötzlich in ein Mausloch, das er sich ausgesucht hatte. `Guten Abend, ihr Herren, geht nur ohne mich heim,` rief er ihnen zu, und lachte sie aus. Sie liefen herbei und stachen mit Stöcken in das Mausloch, aber das war vergebliche Mühe, Daumesdick kroch immer weiter zurück, und da es bald ganz dunkel ward, so mußten sie mit Ärger und mit leerem Beutel wieder heim wandern.
      Als Daumesdick merkte, daß sie fort waren, kroch er aus dem unterirdischen Gang wieder hervor. `Es ist auf dem Acker in der Finsternis so gefährlich gehen,` sprach er, `wie leicht bricht einer Hals und Bein.` Zum Glück stieß er an ein leeres Schneckenhaus. `Gottlob,` sagte er, `da kann ich die Nacht sicher zubringen,` und setzte sich hinein. Nicht lang, als er eben einschlafen wollte, so hörte er zwei Männer vorübergehen, davon sprach der eine `wie wirs nur anfangen, um dem reichen Pfarrer sein Geld und sein Silber zu holen?, `Das könnt ich dir sagen,` rief Daumesdick dazwischen. `Was war das?` sprach der eine Dieb erschrocken, `ich hörte jemand sprechen.` Sie blieben stehen und horchten, da sprach Daumesdick wieder `nehmt mich mit, so will ich euch helfen.` `Wo bist du denn?` `Sucht nur auf der Erde und merkt, wo die Stimme herkommt,` antwortete er.

      Da fanden ihn endlich die Diebe und hoben ihn in die Höhe. `Du kleiner Wicht, was willst du uns helfen!` sprachen sie. `Seht,` antwortete er, `ich krieche zwischen den Eisenstäben in die Kammer des Pfarrers und reiche euch heraus, was ihr haben wollt.` `Wohlan,` sagten sie, `wir wollen sehen, was du kannst.` Als sie bei dem Pfarrhaus kamen, kroch Daumesdick in die Kammer, schrie aber gleich aus Leibeskräften `wollt ihr alles haben, was hier ist?, Die Diebe erschraken und sagten `so sprich doch leise, damit niemand aufwacht.` Aber Daumesdick tat, als hätte er sie nicht verstanden, und schrie von neuem `was wollt ihr? wollt ihr alles haben, was hier ist?` Das hörte die Köchin, die in der Stube daran schlief, richtete sich im Bete auf und horchte. Die Diebe aber waren vor Schrecken ein Stück Wegs zurückgelaufen, endlich faßten sie wieder Mut und dachten `der kleine Kerl will uns necken.` Sie kamen zurück und flüsterten ihm zu `nun mach Ernst und reich uns etwas heraus.` Da schrie Daumesdick noch einmal, so laut er konnte `ich will euch ja alles geben, reicht nur die H ände herein.`

      Das hörte die horchende Magd ganz deutlich, sprang aus dem Bett und stolperte zur Tür herein. Die Diebe liefen fort und rannten, als wäre der wilde Jäger hinter ihnen; die Magd aber, als sie nichts bemerken konnte, ging ein Licht anzünden. Wie sie damit herbeikam, machte sich Daumesdick, ohne daß er gesehen wurde, hinaus in die Scheune: die Magd aber, nachdem sie alle Winkel durchgesucht und nichts gefunden hatte, legte sich endlich wieder zu Bett und glaubte, sie hätte mit offenen Augen und Ohren doch nur geträumt.

      Daumesdick war in den Heuhälmchen herumgeklettert und hatte einen schönen Platz zum Schlafen gefunden: da wollte er sich ausruhen, bis es Tag wäre, und dann zu seinen Eltern wieder heimgehen. Aber er mußte andere Dinge erfahren! ja, es gibt viel Trübsal und Not auf der Welt! Die Magd stieg, als der Tag graute, schon aus dem Bett, um das Vieh zu füttern. Ihr erster Gang war in die Scheune, wo sie einen Arm voll Heu packte, und gerade dasjenige, worin der arme Daumesdick. lag und schlief. Er schlief aber so fest, daß er nichts gewahr ward, und nicht eher aufwachte, als bis er in dem Maul der Kuh war, die ihn mit dem Heu aufgerafft hatte. `Ach Gott,` rief er, `wie bin ich in die Walkmühle geraten!, merkte aber bald, wo er war. Da hieß es aufpassen, daß er nicht zwischen die Zähne kam und zermalmt ward, und hernach mußte er doch mit in den Magen hinabrutschen. `In dem Stübchen sind die Fenster vergessen,` sprach er, `und scheint keine Sonne hinein: ein Licht wird auch nicht gebracht.` Überhaupt gefiel ihm das Quartier schlecht, und was das Schlimmste war, es kam immer mehr neues Heu zur Türe hinein, und der Platz ward immer enger. Da rief er endlich in der Angst, so laut er konnte, `bringt mir kein frisch Futter mehr, bringt mir kein frisch Futter mehr.` Die Magd melkte gerade die Kuh, und als sie sprechen hörte, ohne jemand zu sehen, und es dieselbe Stimme war, die sie auch in der Nacht gehört hatte, erschrak sie so, daß sie von ihrem Stühlchen herabglitschte und die Milch verschüttete.

      Sie lief in der größten Hast zu ihrem Herrn und rief `ach Gott, Herr Pfarrer, die Kuh hat geredet.` `Du bist verrückt,` antwortete der Pfarrer, ging aber doch selbst in den Stall und wollte nachsehen, was es da gäbe. Kaum aber hatte er den Fuß hineingesetzt, so rief Daumesdick aufs neue `bringt mir kein frisch Futter mehr, bringt mir kein frisch Futter mehr.` Da erschrak der Pfarrer selbst, meinte, es wäre ein böser Geist in die Kuh gefahren, und hieß sie töten. Sie ward geschlachtet, der Magen aber, worin Daumesdick steckte, auf den Mist geworfen. Daumesdick hatte große Mühe, sich hindurchzuarbeiten, und hatte große Mühe damit, doch brachte ers so weit, daß er Platz bekam, aber als er eben sein Haupt herausstrecken wollte, kam ein neues Unglück. Ein hungriger Wolf lief heran und verschlang den ganzen Magen mit einem Schluck. Daumnesdick verlor den Mut nicht, `vielleicht,` dachte er, `läßt der Wolf mit sich reden,` und rief ihm aus dem Wanste zu `lieber Wolf` ich weiß dir einen herrlichen Fraß.` `Wo ist der zu holen?` sprach der Wolf. `In dem und dem Haus, da mußt du durch die Gosse hineinkriechen, und wirst Kuchen, Speck und Wurst finden, so viel du essen willst,` und beschrieb ihm genau seines Vaters Haus. Der Wolf ließ sich das nicht zweimal sagen, drängte sich in der Nacht zur Gosse hinein und fraß in der Vorratskammer nach Herzenslust.

      Als er sich gesättigt hatte` wollte er wieder fort, aber er war so dick geworden` daß er denselben Weg nicht wieder hinaus konnte. Darauf hatte Daumesdick gerechnet und fing nun an` in dem Leib des Wolfes einen gewaltigen Lärmen zu machen, tobte und schrie, was er konnte. `Willst du stille sein,` sprach der Wolf, `du weckst die Leute auf.` `Ei was,` antwortete der Kleine, `du hast dich satt gefressen, ich will mich auch lustig machen,` und fing von neuem an, aus allen Kräften zu schreien. Davon erwachte endlich sein Vater und seine Mutter, liefen an die Kammer und schauten durch die Spalte hinein. Wie sie sahen, daß ein Wolf darin hauste, liefen sie davon, und der Mann holte eine Axt, und die Frau die Sense. `Bleib dahinten,` sprach der Mann, als sie in die Kammer traten, `wenn ich ihm einen Schlag gegeben habe, und er davon noch nicht tot ist, so mußt du auf ihn einhauen, und ihm den Leib zerschneiden.` Da hörte Daumesdick die Stimme se ines Vaters und rief `lieber Vater, ich bin hier, ich stecke im Leibe des Wolfs.` Sprach der Vater voll Freuden `gottlob, unser liebes Kind hat sich wiedergefunden,` und hieß die Frau die Sense wegtun, damit Daumesdick nicht beschädigt würde. Danach holte er aus, und schlug dem Wolf einen Schlag auf den Kopf, daß er tot niederstürzte, dann suchten sie Messer und Schere, schnitten ihm den Leib auf und zogen den Kleinen wieder hervor. `Ach,` sprach der Vater, `was haben wir für Sorge um dich ausgestanden!, `Ja, Vater, ich bin viel in der Welt herumgekommen; gottlob, daß ich wieder frische Luft schöpfe!` `Wo bist du denn all gewesen?` `Ach, Vater, ich war in einem Mauseloch, in einer Kuh Bauch und in eines Wolfes Wanst: nun bleib ich bei euch.` `Und wir verkaufen dich um alle Reichtümer der Welt nicht wieder,` sprachen die Eltern, herzten und küßten ihren lieben Daumesdick. Sie gaben ihm zu essen und trinken, und ließen ihm neue Kleider machen, denn die seinigen waren ihm auf der Reise verdorben.
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 22:19:44
      Beitrag Nr. 111 ()
      son schwachsinn:mad: :mad:
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 22:23:02
      Beitrag Nr. 112 ()
      dann verschwinde doch einfach @Kieberer...

      Du musst hier weder lesen noch schreiben....
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 22:25:34
      Beitrag Nr. 113 ()
      mir gehts genau wie dir

      ich lese und schreibe wo ich will

      alles klar

      Avatar
      schrieb am 08.04.04 22:34:58
      Beitrag Nr. 114 ()
      einfach "so´n Schwachsinn" zu sagen das kann jeder, ich hätte schon einen Diskussionsbeitrag erwartet, aber das ist bei Dir zuviel verlangt, ich weiß @Kieberer...
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 22:38:32
      Beitrag Nr. 115 ()
      bei manchen reicht es eben nur zu Kommentaren, ist ja auch einfacher, und stört so schön.... :)
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 23:02:28
      Beitrag Nr. 116 ()
      geh eier suchen

      :laugh: :laugh:
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 23:19:57
      Beitrag Nr. 117 ()
      @mausel,

      vielleicht sucht kieberer ein wenig aufmerksamkeit
      weil ihn sonst keiner bemerkt.

      danke ;) ist ein schönes märchen
      mach dir keine sorgen :kiss:
      Avatar
      schrieb am 09.04.04 00:13:08
      Beitrag Nr. 118 ()
      mein Liebelingsmärchen von Andersen:

      die Kröte

      Hans Christian Andersen

      Der Brunnen war tief, darum war die Schnur lang. Die Winde ging sehr schwer, wenn man den Eimer mit Wasser über den Brunnenrand heben wollte. Die Sonne konnte niemals hinabgelangen und sich in dem Wasser spiegeln, wie klar es auch war, aber soweit sie in den Brunnen hineinscheinen konnte, wuchs Grün zwischen den Steinen.

      Dort unten wohnte die Familie aus dem Geschlecht der Kröten, sie war eingewandert, sie war eigentlich kopfüber hinuntergekommen mittels der alten Krötenmutter, die noch lebte; die grünen Frösche, die hier seit viel längerer Zeit zu Hause waren und im Wasser herumschwammen, erkannten die Vetterschaft an und nannten sie "Brunnengäste". Sie hatten die Absicht, hier unten zu bleiben, sie lebten hier sehr angenehm auf dem Trocknen; so nannten sie die nassen Steine.

      Die Froschmutter war einmal auf Reisen gegangen, war im Wassereimer gewesen, als der in die Höhe ging, aber es wurde ihr zu hell, sie bekam Augenschmerzen, glücklicherweise gelang es ihr, aus dem Eimer zu entweihen; sie fiel mit einem schrecklichen Plumps ins Wasser und litt drei ganze Tage danach an Rückenschmerzen. Viel konnte sie nicht von der Welt da oben erzählen, aber das wußte sie, und das wußten sie alle, daß der Brunnen nicht die ganze Welt war. Die Krötenmutter, die hätte erzählen können, aber sie antwortete niemals, wenn man fragte, und da fragte man lieber gar nicht.

      "Dick und häßlich, fett und gräßlich ist sie!" sagten die jungen, grünen Frösche. "Ihre Jungen werden auch ebenso häßlich."

      "Das mag wohl sein!" sagte die Krötenmutter. "Aber eins von ihnen hat einen Edelstein im Kopf, sonst habe ich ihn."

      Und die grünen Frösche hörten es und sie glotzten, und da ihnen das gar nicht gefiel, so schnitten sie eine Fratze und gingen auf den Grund. Aber die jungen Kröten streckten die Hinterbeine vor lauter Stolz, eine jede glaubt, den Edelstein zu haben, und daher saßen sie ganz still mit dem Kopfe da, aber endlich fragten sie, worauf sie eigentlich stolz seien und was so ein Edelstein eigentlich sei.

      "Das ist etwas so Herrliches und Köstliches", sagte die Krötenmutter, "daß ich es nicht beschreiben kann. Das ist etwas, was man zu seinem eigenen Vergnügen trägt und worüber die andern sich ärgern. Aber fragt mich nicht, ich antworte doch nicht!"

      "Ja, ich habe den Edelstein nicht", sagte die kleinste Kröte; sie war so häßlich, wie sie nur sein konnte. "Warum sollte ich auch eine solche Herrlichkeit haben? Und wenn sich andre darüber ärgern, kann ich mich ja nicht darüber freuen! Nein, ich wünsche mir, daß ich einmal an die Brunnenkante hinaufkommen und hinaussehen könnte; das muß herrlich sein!"

      "Bleib du nur, wo du bist", sagte die Alte, "da weißt du, was du hast und das kennst du! Nimm dich vor dem Eimer in acht, der zerquetscht dich! Und wenn du glücklich in ihn hineinkommst, so kannst du herausfallen; nicht alle fallen so glücklich wie ich und behalten ihre heilen Glieder und ihre Eier!"

      "Quack!" sage die Kleine, und das war so, als wenn wir Menschen "Ach" sagen.

      Sie hatte so eine Lust, auf den Brunnenrand hinaufzukommen und sich umzusehen; sie empfang eine solche Sehnsucht nach all dem Grünen da oben, und als am nächsten Morgen zufällig der Eimer mit Wasser gefüllt und in die Höhe gezogen wurde und gerade vor dem Stein anhielt, auf dem die Kröte saß, durchzuckte es das Tier, es sprang in den vollen Eimer hinein, fiel bis auf den Grund des Wassers, das dann aufgezogen und ausgegossen wurde.

      "Pfui Teufel!" sagte der Knecht, der sie sah. "Das ist wahrhaftig das Greulichste, was ich je gesehen habe!" Und dann stieß er mit seinem Holzschuh nach der Kröte, die beinahe zerquetscht wäre, aber doch in die hohen Brennesseln entkam. Da sah sie einen Stengel neben dem andern, sie sah auch aufwärts; die Sonne schien auf die Blätter nieder, sie waren ganz durchsichtig; das war für die Kröte so, als wenn wir Menschen auf einmal in einen großen Wald kommen, wo die Sonne zwischen den Zweigen und Blättern hindurchscheint.

      "Hier ist es viel schöner als unten im Brunnen! Hier möchte man sein ganzes Leben bleiben!" sagte die kleine Kröte. Sie lag dort eine Stunde, sie lag dort zwei Stunden. "Was wohl da draußen ist? Wenn ich so weit gekommen bin, muß ich sehen, daß ich weiter komme!" Und sie kroch, so schnell sie kriechen konnte, und kam auf den Weg hinaus, wo die Sonne sie beschien und der Staub sie bepuderte, während sie über die Landstraße hinübermarschierte.

      "Hier ist man so recht auf dem Trocknen", sagte die Kröte, "ich bekomme fast zuviel von dem Guten; es kribbelt in mir!"

      Jetzt kam sie an den Graben. Da wuchsen Vergißmeinnicht und Spiera, da waren lebende Hecken aus Holunder und Weißdorn, dort wuchsen Winden, "Marias weiße Hemdärmel". Hier konnte man Farben sehen; auch ein Schmetterling flog da; die Kröte glaubte, es sei eine Blume, die sich losgerissen habe, um sich besser in der Welt umzusehen, das war ja so natürlich.

      "Wenn man auch so schnell vorwärtskommen könnte wie die!" sagte die Kröte. "Quack, ach, wieviel Schönes ist hier zu sehen!"

      Acht Tage und Nächte blieb sie hier am Graben, und es fehlte ihr nicht an Nahrung. Am neunten Tage dachte sie: "Weiter" - Aber ob sie etwas Schöneres finden würde? Vielleicht eine kleine Kröte oder ein paar grüne Frösche. Es hatte in der letzten Nacht so geklungen, als wenn Vettern in der Nähe wären.

      "Es ist schön zu leben; aus dem Brunnen herauszukommen, in den Brennesseln zul iegen, auf dem staubigen Weg dahinzukriechen und in dem nassen Graben zu liegen! Aber vorwärts! Man muß doch versuchen, Frösche oder eine kleine Kröte zu finden, die kann man nicht entbehren, die Natur allein genügt einem nicht!" Und dann machte sie sich wieder auf die Wanderung.

      Sie kam aufs Feld an einen großen Teich, der ringsumher mit Schilf bewachsen war; da hinein schlüpfte sie.

      "Hier ist es wohl reichlich feucht für Sie", sagten die Frösche, "aber Sie sind uns willkommen! - Sind Sie weiblichen oder männlichen Geschlechts? Aber das ist einerlei, Sie sind uns gleich willkommen!"

      Und dann wurde sie zum Konzert am Abend eingeladen; Familienkonzert; große Begeisterung und dünne Stimmen, das kennen wir. Es gab keine Bewirtung, nur freie Getränke, der ganze Teich, wenn`s nötig war.

      "Jetzt reise ich weiter!" sagte die kleine Kröte; sie hatte immer das Bedürfnis nach etwas Besserem.

      Sie sah die Sterne schimmern, so groß und so klar; sie sah den Vollmond leuchten, sie sah die Sonne aufgehen, höher und höher.

      Ich bin wohl noch immer im Brunnen, in einem großen Brunnen, ich muß höher hinauf! Ich habe eine Unruhe und eine Sehnsucht!" Und als der Mond ganz und rund wurde, dachte das arme Tier: "Ob das wohl der Eimer ist, der herabgelassen wird, und ob ich wohl hineinspringen muß, um höher hinaufzukommen? Oder ist die Sonne der große Eimer? Wie groß sie ist, wie strahlend, sie kann uns alle zusammen aufnehmen, ich muß die Gelegenheit benutzen! Ach, wie es in meinem Kopf leuchtet! Ich glaube nicht, daß der Edelstein besser leuchten kann! Aber den habe ich nicht, und ich weine deswegen nicht, nein, höher hinauf in Glanz und Freude! Ich habe eine ´Zuversicht, und doch empfinde ich eine Angst - es ist ein schwerer Schritt, den ich tun will! Aber man muß ihn tun! Vorwärts! Immer der Landstraße entlang!"

      Und sie machte so große Schritte, wie sie so ein Krabbeltier nur machen kann, und dann war sie auf der großen Landstraße, wo die Menschen wohnten; da waren Blumengärten und Kohlgärten. Bei einem Kohlgarten machte sie Rast.

      "Wie viele verschiedene Geschöpfe es doch gibt, die ich nie gekannt habe! Und wie groß und herrlich die Welt doch ist! Aber man soll sich auch darin umsehen und nicht immer auf einem Fleck sitzen bleiben." Und dann hüpfte sie in den Kohlgarten hinein. "Wie grün es hier ist und wie schön!"

      "Ja, das weiß ich recht gut!" sagte der Kohlwurm auf seinem Blatt. "Mein Blatt ist das größte hier drinnen! Es verbirgt die halbe Welt, aber die kann ich gut entbehren!"

      "Gluck, gluck!" sagte es, da kamen Hühner, sie trippelten im Kohlgarten. Das erste Huhn war weitsichtig; es sah den Wurm auf dem krausen Blatt und pickte danach, so daß er auf die Erde fiel, wo er sich wand und drehte. Das Huhn sah erst mit dem einen Auge und dann mit dem andern, denn es wußte nicht, was aus dem Drehen und Winden werden würde.

      "Gutwillig tut er es nicht!" dachte das Huhn und erhob den Kopf, um nach dem Wurm zu picken. Die Kröte erschrak so, daß sie ganz dicht an das Huhn herankroch.

      "So, er hat Hilfstruppen!" sagte das Huhn. "So ein Wurmgezücht!" Und damit wandte es sich um. " Ich mache mir nichts aus dem kleinen grünen Mundvoll, der kitzelt ja nur im Hause!" Die andern Hühner waren derselben Ansicht, und dann gingen sie.

      "Ich wand und krümmte mich, bis sie gingen!" sagte der Kohlwurm. "Es ist gut, Geistesgegenwart zu besitzen; aber das Schwerste steht mir noch bevor, auf mein Kohlblatt hinaufzukommen. Wo ist das nur?"

      Und die kleine Kröte kam und äußerte ihre Teilnahme. Sie freute sich, daß sie die Hühnern mit ihrer Häßlichkeit verscheucht hatte.

      "Was meinen Sie damit?" fragte der Kohlwurm. "Ich habe mich ja selber durch mein Krümmen und Winden befreit. Sie sind unangenehm anzusehen! Ich möchte gern in meinem eigenen Hause allein sein! Jetzt reise ich im Kohl! Jetzt bin ich bei meinem Blatt angelangt! Es gibt doch nicht Schöneres als das eigene Heim! Aber höher hinaus muß ich noch!"

      "Ja, höher hinauf", sagte die kleine Kröte, "höher hinauf! Er hat dieselben Empfindungen wie ich! Aber er ist heute schlechter Laune, das kommt von dem Schrecken! Wir wollen alle höher hinaus!" Und sie sah so hoch empor, wie sie nur konnte.

      Der Storch saß im Nest auf des Bauern Dach; er klapperte, und die Storchenmutter klapperte auch. In dem Bauernhause wohnten zwei junge Studenten, der eine war Poet, der andere Naturforscher; der eine sang und schrieb voller Freude von allem, was Gott geschaffen hatte und wie es sich in seinem Herzen spiegelte; er sang es in die Welt hinaus, kurz, klar und reich in klangvollen Versen; der andere griff die Dinge selber an, ja schnitt sie auf, wenn es not tat. Er faßte des lieben Gottes Schöpfung als großen Rechenexempel auf, subtrahierte, multiplizierte, wolle es in- und auswendig kennen und sprach mit Verstand davon, und es war wirklicher Verstand, und er sprach voller Freude und Klugheit davon. Es waren gute, fröhliche Menschen, alle beide.

      "Da sitzt ja ein famoses Exemplar von einer Kröte!" sagte der Naturforscher. "Die muß ich in Spiritus setzen!"

      "Du hast ja schon zwei solche!" meinte der Poet. "Laß die doch in Frieden sitzen und sich ihres Lebens freuen!"

      "Aber sie ist so herrlich häßlich!" sagte der andere.

      "Ja, wenn wir den Edelstein in ihrem Kopf finden könnten", sagte der Poet, "Dann wäre ich gleich mit dabei sie aufzuschneiden."

      "Den Edelstein!" sagte der andere. "Du scheinst mir viel Naturgeschichte zu wissen!"

      "Aber liegt nicht gerade viel Schönes in dem Volksglauben, daß die Kröte, das allerhäßlichste Tier, in ihrem Kopf den köstlichsten Edelstein birgt? Geht es nicht mit den Menschen ebenso? Welchen Edelstein hatte nicht Äsop, und nun gar Sokrates!"

      Mehr hörte die Kröte nicht, und sie verstand auch nicht die Hälfte von dem, was sie hörte. Die beiden Freunde gingen, und sie wurde davor bewahrt, in Spiritus gesetzt zu werden.

      "Sie sprachen auch von dem Edelstein!" sagte die Kröte. "Ein Glück, daß ich ihn nicht hatte, sonst wäre ich in Ungemach gekommen!"

      Da klapperte es auf dem Dach des Bauern; der Storchenvater hielt seiner Familie einen Vortrag, und die sah schief hernieder auf die beiden jungen Leute im Kohlgarten.

      "Der Mensch ist die eingebildeste Kreatur!" sagte der Storch. "Hört nur, wie ihm den Schnabel geht! Und dabei können sie doch nicht ordentlich klappern. Sie brüsten sich mit ihrer Redegabe, mit ihrer Sprache! Eine nette Sprache das! sobald sie nur eine Tagesreise machen, können sie sich nicht mehr verständlich machen; einer versteht den andern nicht mehr! Unsere Sprache können wir über die ganze Welt reden, in Dänemark so gut wie in Ägypten. Fliegen können die Menschen auch nicht; sie behelfen sich mit einer Erfindung, die sie "Eisenbahn" nennen, aber auch dabei brechen sie sich noch oft genug den Hals. Es läuft mir kalt über den Schnabel, wenn ich nur daran denke. Die Welt kann sehr gut ohne Menschen bestehen. Wir könnten sie entbehren! Wenn wir nur die Frösche und Regenwürmer behalten!"

      "Das war je eine gewaltige Rede!" dachte die kleine Kröte. "Was für ein großer Mann das ist! Und wie hoch er sitzt, und wie er schwimmen kann!" rief sie aus, als der Storch seine Flügel ausbreitete und durch die Lüfte dahinflog.

      Und die Storchenmutter redete im Nest, sie erzählte von dem Land Ägypten, von dem Wasser des Nils und von all dem köstlichen Schlamm, der in dem fremden Lange war; das klang der kleinen Kröte ganz neu und lieblich.

      "Ich muß nach Ägypten!" sagte sie. "Wenn mich nur der Storch mitnehmen wollte oder eins von seinen Jungen. Ich will ihm an seinem Hochzeitstage wieder dienen. Ja, ich komme nach Ägypten, denn das Glück ist mir hold! All die Sehnsucht und die Lust, die ich in mir trage, ist wahrhaftig besser, als einen Edelstein im Kopf zu haben!"

      Und dabei hatte sie gerade den Edelstein: die ewige Sehnsucht und Lust, aufwärts, immer aufwärts! Die leuchtete da drinnen, die leuchtete in Freude, die strahlte in Lust.

      Da kam im selben Augenblick der Storch; er hatte die Kröte im Gras erspäht, flog herab und packte das kleine Tier gerade nicht allzu sanft. Der Schnabel klemmte, der Wind sauste, es war nicht angenehm, aber es ging aufwärt, aufwärts, aufwärts nach Ägypten, das wußte die kleine Kröte, und darum strahlten ihre Augen, es war, als fliege ein Funke aus ihnen heraus: "Quack! Ach!"

      Der Körper war tot, die Kröte war verendet. Aber der Funke aus ihrem Auge, wo blieb der?

      Der Sonnenstrahl nahm ihn auf, der Sonnenstrahl trug den Edelstein aus dem Kopf der Kröte. Wohin?

      Danach mußt du den Naturforscher nicht fragen, frage lieber den Poeten; er erzählt es dir in Form eines Märchens. Und der Kohlwurm kommt auch darin vor und die Storchenfamilie. Denk nur! Der Kohlwurm verwandelt sich und wird ein herrlicher Schmetterling! Die Storchenfamilie fliegt über Berge und Meere fort nach dem fernen Afrika und findet doch wieder den kürzesten Weg in die Heimat zurück. nach demselben Ort, demselben Dach! Ja, das ist wirklich alles fast zu märchenhaft, und doch ist es wahr! Da kannst gern den Naturforscher fragen, er muß es zugeben; und du selber weißt es auch, denn du hast es gesehen.

      Aber der Edelstein in dem Kopf der Kröte?

      Suche ihn in der Sonne! Suche ihn, wenn du kannst!

      Der Glanz dort ist zu stark. Wir haben noch keine Augen, die in all die Herrlichkeit hineinsehen können, die Gott geschaffen hat, aber wir werden sie einstmals bekommen, und das wird das schönste Märchen! Denn darin kommen wir selber auch vor.

      ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

      übrigens, Märchen wurden nicht für Kinder `erdacht` und aufgeschrieben, sondern für Erwachsene.
      Avatar
      schrieb am 09.04.04 00:40:21
      Beitrag Nr. 119 ()
      übrigens, Märchen wurden nicht für Kinder `erdacht` und aufgeschrieben, sondern für Erwachsene.

      yep ;)
      Avatar
      schrieb am 09.04.04 00:41:43
      Beitrag Nr. 120 ()
      The ROSE and the LOTUS


      In a large garden a red Rose and a blue Lotus grew alongside many other flowers,
      showering the eye with all the colours of the rainbow.
      The Rose
      with its beautiful petals grew in a raised area in the western part of the garden.
      In this way it could look far and wide, keeping an eye on what was
      going on in the rest of the garden.
      The ancient Lotus, in contrast, grew in rhe eastern part of the garden right in the middle of a small pond, streching its blue and pink coloured flower up above the water. It just sat there resting peacefully and, unlike the Rose, had no particular desire or interest in watching everything going on around it. It was more preoccupied with itself.
      By nature, more introverted.
      Of course, the Rose being an extroverted was facinated by the Lotus. Not because it especielly liked or disliked it but rather because it was attracted to this flower.
      To be completely honest it thought that the Lotus was rather peculiar.
      And far too passive.
      How on earth could it just rest out there in the water, with its roots deeply
      embedded in mud without doing anything.
      "It probably hasn`t got any roots at all ",
      the Rose thought and felt a bit superior to the Lotus.
      The Rose had a number op thorns on its stem and it spent a considerable amount of time and energy polishing them to make them look very shiny while telling all the flowers:
      " You will never know what might happen, so it`s best to protect oneself ".
      And a proper thing to do, so it thought, was to have its
      roots firmly embedded in fine fertile soil.
      One day
      the other flowers whispered to the Rose.
      " We have heard that the Lotus is possessing an inner Wisdom "." Inner Wisdom ! "
      That made the Rose to laugh. As far as it knew there was nothing between
      heaven and earth that it couldn`t experience with its own eyes.
      One summer, however,
      the weather became hotter and hotter. The sun was shining relentlessly on all the
      flowers and many simply withered because of lack of water.
      The pond, in the easternly part of the garden,
      where the Lotus grew
      had seen the water level drop quite a bit, but in no way did this effect the lotus.
      It just sat erect as it always did.
      The Rose, too,with its hardy roots withstood the heat quite well.
      But as the days went by, the Rose`s beautiful petals slowly began to wither.
      Its roots felt terribly dry and even the highly polished thorns looked
      so very dull and soft and began, little by little, to fall to
      the ground.
      The Rose looked at itself and grew more and more sad. It began to think eanestly about both
      LIFE and DEATH
      and in a strange way the Rose sensed a transformation taking place in its Heart.
      Suddenly, a thought struck the Rose and it began to laugh repeatedly and so very loud that you could hear it far into the universe.
      Without warning it started to rain !
      It just poured and poured causing all the flowers to stand erect again.
      As the sun filtered through the raindrops, they looked like a
      cascade of silver and golden droplets.
      The Rose looked in the direction of the Lotus.
      Actually, it had been so preoccupied with itself of late that it had forgotten all about
      this blue flower in the pond.
      And the Rose was very astounded to see a fresh, new flower streching above
      the water from the old Lotus as if it, too, had undergone a transformation.
      At that very point the Rose realised what the ancient Lotus had
      known all along
      and
      the Rose saw
      "with its own eyes "
      a beautiful rainbow
      building a bridge
      between
      the ROSE and the LOTUS


      is doch schön :laugh: :laugh: :laugh:
      Avatar
      schrieb am 09.04.04 11:29:39
      Beitrag Nr. 121 ()
      Der Arme und der Reiche


      Vor alten Zeiten, als der liebe Gott noch selber auf Erden unter den Menschen wandelte, trug es sich zu, dass er eines Abends müde war und ihn die Nacht überfiel, bevor er zu einer Herberge kommen konnte. Nun standen auf dem Wege vor ihm zwei Häuser einander gegenüber, das eine groß und schön, das andere klein und ärmlich anzusehen, und das große gehörte einem Reichen, das kleine einem armen Manne. Da dachte unser Herrgott: "Dem Reichen werde ich nicht beschwerlich fallen, bei ihm will ich übernachten." Der Reiche, als er an seine Tür klopfen hörte, machte das Fenster auf und fragte den Fremdling, was er suche. Der Herr antwortete: "Ich bitte um ein Nachtlager." Der Reiche guckte den Wandersmann vom Haupt bis zu den Füßen an, und weil der liebe Gott schlichte Kleider trug und nicht aussah wie einer, der viel Geld in der Tasche hat, schüttelte er mit dem Kopfe und sprach: "Ich kann Euch nicht aufnehmen, meine Kammern liegen voll Kräuter und Samen, und sollte ich einen jeden beherbergen, der an meine Tür klopft, so könnte ich selber den Bettelstab in die Hand nehmen. Sucht Euch anderswo ein Unterkommen." Schlug damit sein Fenster zu und ließ den lieben Gott stehen.

      Also kehrte ihm der liebe Gott den Rücken und ging hinüber zu dem kleinen Hause. Kaum hatte er angeklopft, so klinkte der Arme schon sein Türchen auf und bat den Wandersmann einzutreten. "Bleibt die Nacht über bei mir", sagte er, "es ist schon finster, und heute könnt Ihr doch nicht weiterkommen." Das gefiel dem lieben Gott, und er trat zu ihm ein. Die Frau des Armen reichte ihm die Hand, hieß ihn willkommen und sagte, er möchte sich`s bequem machen und vorliebnehmen; sie hätten nicht viel, aber was es wäre, gäben sie von Herzen gern. Dann setzte sie Kartoffeln ans Feuer, und derweil sie kochten, melkte sie ihre Ziege, damit sie ein wenig Milch dazu hätten. Und als der Tisch gedeckt war, setzte sich der liebe Gott nieder und aß mit ihnen, und die schlichte Kost schmeckte ihm gut, denn es waren vergnügte Gesichter dabei. Nachdem sie gegessen hatten und Schlafenszeit war, rief die Frau heimlich ihren Mann und sprach: "Hör`, lieber Mann, wir wollen uns heute nacht eine Streu machen, damit sich der arme Wanderer in unser Bett legen und ausruhen kann; er ist den ganzen Tag über gegangen, da wird einer müde."

      "Von Herzen gern", antwortete er, "ich will`s ihm anbieten", ging zu dem lieben Gott und bat ihn, wenn`s ihm recht wäre, möchte er sich in ihr Bett legen und seine Glieder ordentlich ausruhen. Der liebe Gott wollte den beiden Alten ihr Lager nicht nehmen, aber sie ließen nicht ab, bis er es endlich tat und sich in ihr Bett legte; sich selbst aber machten sie eine Streu auf die Erde. Am andern Morgen standen sie vor Tag schon auf und kochten dem Gast ein Frühstück, so gut sie es hatten. Als nun die Sonne durchs Fensterlein schien und der liebe Gott aufgestanden war, aß er wieder mit ihnen und wollte dann seines Weges ziehen. Als er in der Tür stand, kehrte er sich um und sprach: "Weil ihr so mitleidig und fromm seid, so wünscht euch dreierlei, das will ich euch erfüllen." Da sagte der Arme: "Was soll ich mir sonst wünschen als die ewige Seligkeit und dass wir zwei, solange wir leben, gesund dabei bleiben und unser notdürftiges tägliches Brot haben; fürs dritte weiß ich mir nichts zu wünschen." Der liebe Gott sprach: "Willst du dir nicht ein neues Haus für das alte wünschen?" -"0 ja", sagte der Mann, "wenn ich das auch noch erhalten kann, so wär` mir`s wohl lieb." Da erfüllte der Herr ihre Wünsche, gab ihnen nochmals seinen Segen und zog weiter.


      Es war schon voller Tag, als der Reiche aufstand. Er legte sich ins Fenster und sah gegenüber ein neues, reinliches Haus mit roten Ziegeln, wo sonst eine alte Hütte gestanden hatte. Da machte er große Augen, rief seine Frau herbei und sprach: "Sag` mir, was ist geschehen? Gestern abend stand noch die alte, elende Hütte und heute steht da ein schönes, neues Haus. Lauf` hinüber und höre, wie das gekommen ist." Die Frau ging und fragte den Armen aus. Er erzählte ihr: "Gestern abend kam ein Wanderer, der suchte Nachtherberge` und heute morgen beim Abschied hat er uns drei Wünsche gewährt, die ewige Seligkeit` Gesundheit in diesem Leben und das notdürftige tägliche Brot dazu und zuletzt noch statt unserer alten Hütte ein schönes, neues Haus." Die Frau des Reichen lief eilig zurück und erzählte, wie alles gekommen war. Der Mann sprach: "Ich möchte mich zerreißen und zerschlagen, hätte ich das nur gewusst! Er ist zuvor hier gewesen und hat bei uns übernachten wollen, ich habe ihn aber abgewiesen." - "Eil` dich", sprach die Frau, "und setze dich auf dein Pferd, so kannst du den Mann noch einholen, und dann musst du dir auch drei Wünsche gewähren lassen."


      Der Reiche befolgte den guten Rat, jagte mit seinem Pferde davon und holte den lieben Gott noch ein. Er redete fein und lieblich und bat, er möcht`s nicht übel nehmen, dass er nicht gleich wäre eingelassen worden, er hätte den Schlüssel zur Haustür gesucht, derweil wäre er weggegangen; wenn er des Weges zurückkäme, müsste er bei ihm einkehren. "Ja", sprach der liebe Gott, "wenn ich einmal zurückkomme, will ich es tun." Da fragte der Reiche, ob er nicht auch drei Wünsche tun dürfte, wie sein Nachbar. Ja, sagte der liebe Gott, das dürfte er wohl; es wäre aber nicht gut für ihn und er sollte sich lieber nichts wünschen. Der Reiche meinte, er wollte sich schon etwas aussuchen, das zu seinem Glück gereiche, wenn er nur wüsste, dass es erfüllt würde. Sprach der liebe Gott: "Reit heim, und drei Wünsche, die du tust, die sollen in Erfüllung gehen."


      Nun hatte der Reiche, was er verlangte, ritt heimwärts und fing an nachzusinnen, was er sich wünschen sollte. Wie er sich so bedachte und die Zügel fallen ließ, fing das Pferd an zu springen, so dass er immerfort in seinen Gedanken gestört wurde und sie gar nicht zusammenbringen konnte. Er klopfte ihm an den Hals und sagte: "Sei ruhig, Liese"; aber das Pferd machte aufs neue Männerchen. Da ward er zuletzt ärgerlich und rief ganz ungeduldig: "So wollt` ich, dass du den Hals zerbrächst!" Wie er das Wort ausgesprochen hatte, plumps` fiel er auf die Erde, und das Pferd lag tot da und regte sich nicht mehr; damit war der erste Wunsch erfüllt. Weil er aber von Natur geizig war, wollte er das Sattel zeug nicht im Stich lassen, schnitt`s ab, hängte es auf seinen Rücken und musste nun zu Fuß gehen. "Du hast noch zwei Wünsche übrig", dachte er und tröstete sich damit. Wie er nun langsam durch den Sand dahinging und zu Mittag die Sonne heiß brannte, ward`s ihm so warm und verdrießlich zumute: der Sattel drückte ihn auf den Rücken, auch war ihm noch immer nicht eingefallen, was er sich wünschen sollte. "Wenn ich mir auch alle Reiche und Schätze der Welt wünsche", sprach er zu sich selbst, "so fällt mir hernach noch allerlei ein, dieses und jenes, das weiß ich im voraus; ich will`s aber so einrichten, dass mir gar nichts mehr zu wünschen übrigbleibt." Dann seufzte er und sprach: "Ja, wenn ich der bayrische Bauer wäre, der auch drei Wünsche frei hatte, der wusste sich zu helfen, der wünschte sieh zuerst recht viel Bier, und zweitens so viel Bier, als er trinken könnte und drittens noch ein Fass Bier dazu." Manchmal meinte er, jetzt hätte er`s gefunden, aber hernach schien`s ihm doch noch zu wenig.

      Da kam ihm so in die Gedanken, was es seine Frau jetzt gut hätte, die säße daheim in einer kühlen Stube und ließe sich`s wohl schmecken. Das ärgerte ihn ordentlich, und ohne dass er`s wusste, sprach er so hin: "Ich wollte, die säße daheim auf dem Sattel und könnte nicht herunter, statt dass ich ihn da auf meinem Rücken schleppe!" Und wie das letzte Wort aus seinem Munde kam, war der Sattel von seinem Rücken verschwunden, und er merkte, dass sein zweiter Wunsch auch in Erfüllung gegangen war. Da ward ihm erst recht heiß; er fing an zu laufen und wollte sich daheim ganz einsam in seine Kammer hinsetzen und auf etwas Großes für den letzten Wunsch sinnen. Wie er aber ankommt und die Stubentür aufmacht, Sitzt da seine Frau mittendrin auf dem Sattel und kann nicht herunter, jammert und schreit. Da sprach er: "Gib dich zufrieden, ich will dir alle Reichtümer der Welt herbeiwünschen, nur bleib` da sitzen!" Sie schalt ihn aber einen Schafskopf und sprach: "Was helfen mir alle Reichtümer der Welt, wenn ich auf dem Sattel sitze! Du hast mich darauf gewünscht, du musst mir auch wieder herunterhelfen." Er mochte wollen oder nicht, er musste den dritten Wunsch tun, dass sie vom Sattel ledig wäre und heruntersteigen könnte; und der Wunsch ward alsbald erfüllt. Also hatte er nichts davon als Ärger, Mühe, Scheltworte und ein verlorenes Pferd; die Armen aber lebten vergnügt, still und fromm bis an ihr seliges Ende
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      schrieb am 09.04.04 11:35:48
      Beitrag Nr. 122 ()
      Die Frau, die den kranken König heilte
      Maltesisches Märchen



      Einst konnte man eine arme Frau in der Nähe ihrer Feldhütte erblicken, wie sie schrie und weinte und sich dabei am Boden wälzte. Neben ihr lag das sterbende Maultier, das der Frau gehörte. Dann und wann versuchte es, sich emporzurichten - aber stets fiel es wieder kraftlos nieder; deshalb weinte seine Besitzerin: es war ihr einziges, wertvolles Tier, und durch seine Arbeit verdiente sie täglich einen Mundvoll Brot! Das Tier war nun dem Tode nahe und die Frau der Verzweiflung.

      Plötzlich kam der König vorbei und sah die schreiende Frau. Er hatte die Liebhaberei, mit einfachen Leuten seinen Spaß zu treiben und sie dann weidlich auszulachen. So ritt er denn auf die Weinende zu und fragte: »Maria, warum raufst du dir die Haare aus, und warum zerreißt du deine Kleider?«

      "O Unglück, o Unglück! Mein Maultier wird in Kürze verenden, und ich verliere mein tägliches Brot! «

      »Hab keine Angst! Ich kenne ein Mittel, das Tier zu retten!« Die Frau wurde wieder froh und bat den König, ihr doch das Mittel zu nennen; dieser sprach: »Du musst wissen, dass es ein Zaubermittel ist! Also: Entkleide dich vollständig und sieh ja darauf, dass du nicht mehr Kleider auf dir trägst, als dir der Schöpfer bei deiner Erschaffung verliehen hat! Dann musst du fünfzigmal um das kranke Tier herumlaufen und dabei den Zauberspruch sagen: >Drei Maultierskräfte, drei menschliche Dummheiten und drei geschmorte Würmer! Rühr alles zusammen und nimm es ein!< Dein Maultier wird sicher, sicher durch dieses Tun geheilt!«

      Die Frau wartete nicht lange, sondern begann sogleich sich zu entkleiden und um das Tier herumzulaufen; das Maultier hatte noch nie dergleichen gesehen und darum sprang es, laut brüllend, in die Höhe und - wurde gesund! Die Frau wurde fast wahnsinnig vor Freude und wusste sich gar nicht zu fassen. Der König aber hatte sich etwas abseits aufgestellt, um das Ergebnis seiner Anordnung zu sehen; er lachte aus Leibeskräften, als er das gesunde Tier sah, und ritt dann heim.

      Nach etlichen Jahren wurde dieser selbe König sehr krank; er bekam im Halse ein großes Geschwür, und die Ärzte wussten ihm keine Hilfe; das Geschwür war sehr hart und fest, und binnen kurzen Tagen wäre der arme König wohl verdurstet und verhungert. Das ganze Land war in Trauer; alle hätten dem König gar zu gern Hilfe geleistet, um ihn vom Tode zu retten. Auch die arme Landfrau hörte diese traurige Geschichte, und sie nahm sich vor, dem König ihre Dankbarkeit zu bezeigen.

      Sie machte sich also auf und langte an den Toren des Palastes an; aber die Wachen riefen: »Scher dich zum Teufel. Unser Herr liegt im Todesröcheln und ist mit den großen Herrschaften allein im Sterbezimmer!«

      Die Frau bat und bat; auch erklärte sie den Soldaten, wie sie ein Mittel habe, um den König zu heilen; aber jene schimpften weiter und ließen sie nicht hinein. Die Frau passte nun einen günstigen Augenblick ab und versetzte den Wächtern, die auf der rechten und linken Seite des Portals standen, einen kräftigen Stoß und schlüpfte durch das Tor. Dann lief sie die Treppe hinauf, und da vor dem Krankenzimmer ebenfalls eine Wache stand, erhielt auch diese eine Ohrfeige. Dann stieß die Landfrau die Türe auf und lief hinein. Neben dem Schmerzenslager des Herrschers standen viele große Herren, und auch Geistliche waren dort zu erblicken, weil der König sein Testament machen wollte. Alle diese Herren zogen sich jetzt auf einmal in eine Ecke zurück: Denn die Frau ließ in der Mitte des Zimmers ihre Kleidung fallen und fing an, wie besessen um das Bett herumzulaufen und dabei zu sagen: »Drei Mauttierskräfte, drei menschliche Dummheiten und drei geschmorte Würmer Rühr alles zusammen und nimm es ein!«

      Da erinnere sich der König des Scherzes, den er sich einmal mit der armen Frau erlaubt hatte, und musste jetzt, da er diese so verrückt um sein Bett herumlaufen sah, so laut lachen, dass sein ganzer Körper zitterte und schütterte; plötzlich lief ihm Eiter und Blut aus dem Munde, und die Ärzte sahen, dass die Lebensgefahr für ihn beseitigt war, da durch das den ganzen Körper erschütternde Lachen das Geschwür aufgebrochen war. Die Frau rief jetzt: »Seht ihr‘s? Der König selber hat mir einmal dieses seltsame, gute Mittel geraten und nicht nur mein Maultier, nein, auch er selber wurde dadurch geheilt!

      Der König sprach hierauf: »Frau, bleib hier In meinem Palast wirst du immer einen Mundvoll Brot finden!« Sie aber antwortete: »Nein, es kann nicht sein!« Damit ging sie wieder fort aufs Land.
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      schrieb am 09.04.04 12:12:44
      Beitrag Nr. 123 ()
      Die drei Eier


      Es lebten einmal zwei Schwestern, von denen jede ein kleines Mädchen hatte. Bald starb die eine von ihnen, und die andere mußte das Kind der verstorbenen Schwester zu sich nehmen. Sie war aber selbst arm und hatte kaum Brot und Kleider für sich und ihre Tochter. Deshalb mußte das Mädchen den Unterhalt sauer verdienen und fast alle Arbeiten im Haus verrichten. Eines Tages gab ihr die Pflegemutter einen Krug, um aus einer benachbarten Quelle Wasser zu holen. Allein das Mädchen zerbrach den Krug; darüber wurde die Pflegemutter sehr zornig und sagte: "Du darfst nicht wieder zu mir kommen, bis du einen ähnlichen Krug bringst."

      Das Mädchen bat und weinte, allein sie mußte fort. Als sie einige Stunden gegangen war, kam sie zu einem Baum, unter welchem eine Frau mit abgehauenem Kopf saß. Das Mädchen staunte, und noch größer war sein Erstaunen, als das Weib fragte: ob sie an ihr etwas Besonderes bemerkte?

      Das Mädchen sagte: "Nein", und ging weiter.

      Bald kam es wieder zu einem großen Baum, unter dem abermals eine Frau saß, die auch keinen Kopf hatte. Diese stellte an das Mädchen die nämliche Frage.

      Das Mädchen sagte: "Nein", und ging schnell weiter, denn es war schon hungrig und durstig.

      Da kam sie wieder zu einem Baum unter dem ein Weib saß, welches aber einen Kopf hatte. Das Mädchen bat die Alte um Brot; diese aber sagte: "Geh in die Hütte, die am Ende des Feldes steht, und iß dort den Reis, welchen du in einem Topf finden wirst; wenn aber eine schwarze Katze zu dir kommt, so gib ihr auch von dem Reis.

      Das Mädchen ging in die Hütte, fand den Reis und aß, und die Katze bekam auch etwas. Darauf trat das Weib in die Hütte, führte es in eine Kammer, in der Eier auf einem Tisch lagen, und gab ihm die Erlaubnis, drei Eier zu nehmen, aber nur solche, die nicht reden. Dann trug sie dem Mädchen auf, es solle unter jedem Baum, wo früher ein Weib gesessen war, ein Ei zerschlagen. Das Mädchen nahm die drei kleinsten Eier, weil sie die einzigen waren, die nicht sprachen, und ging fort.

      Bei dem ersten Baum zerschlug es ein Ei, und es stand ein Wasserkrug vor ihm, der so aussah wie der zerbrochene. Aus dem zweiten Ei wurde ein Wagen mit Pferden, aus dem dritten ein Kästchen mit Gold. Das Mädchen fuhr nun zu seiner Pflegemutter und brachte ihr den Krug, kaufte sich ein Landhaus und lebte in Frieden für sich allein.

      Die Pflegemutter wurmte das, und sie schickte nun auch ihre Tochter zu dem Weib. Als das erste Weib das Mädchen fragte, ob es etwas Ungewöhnliches sehe, antwortete es: "Ja, ein Weib ohne Kopf." Beim nächsten Baum antwortete es dasselbe. Von dem letzten Weib erhielt auch dieses Mädchen die Erlaubnis, Reis zu essen, aber es solle auch der schwarzen Katze etwas geben. Allein das Mädchen gab der Katze nichts und aß allein. Dann bekam es die Erlaubnis, die drei Eier zu nehmen, welche nicht reden. Und es nahm die größten und ging fort.

      Dann wollte es wissen, was in den Eiern enthalten wäre. Es schlug daher ein Ei auf und fand es leer. Deshalb warf das Mädchen das zweite zu Boden, daß es zerbrach; aber siehe da, es kam eine große Schlange hervor. Erschreckt wollte das Mädchen die Flucht ergreifen, da fiel es zu Boden, und das dritte Ei zerbrach. Und es kam aus demselben das Weib ohne Kopf, setzte sich auf die Schlange, die mit Flügeln versehen war, und flog davon. Das Mädchen hatte nun nichts als die zerbrochenen Eier. Das war die Strafe für seinen Ungehorsam und Vorwitz.
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      schrieb am 09.04.04 12:27:36
      Beitrag Nr. 124 ()
      Das Land der ewigen Finsternis


      Es ist schon lange, lange her, da lebte im hohen Norden ein Mann mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn. Der Mann war im Grunde kein schlechter Kerl, wäre er nur nicht so schrecklich eifersüchtig gewesen. Er quälte seine Frau mit seiner Eifersucht, obwohl er dafür überhaupt keinen Grund hatte, und schlug sie sogar. Die Frau ertrug das eine Zeitlang geduldig, aber dann fühlte sie sich immer unglücklicher. Als ihr Mann sie wieder einmal geschlagen hatte, nahm sie ihr Kind und ging zu einer guten alten Frau, die sich auf Zauberei verstand.

      Die Alte hörte sich die Frau an und beriet sich lange mit den guten Geistern. Sie nahm ein Seehundfell und rieb es mit einem Sud ein. Dann kochte sie Seehundfleisch und tat es in eine hölzerne Schüssel. Fell und Schüssel gab sie dann der Frau mit den Worten: "Geh nach Hause, und alles wird gut werden."

      Die Frau bedankte sich und machte sich auf den Heimweg.

      Der Mann hielt längst nach ihr Ausschau, schimpfte schon von weitem und drohte ihr Prügel an. Als das die arme Frau hörte, rannte sie in ihrer Angst und Verzweiflung zum Meer. Vom steilen, felsigen Ufer warf sie erst das Seehundfell ins Wasser und stürzte sich dann selbst mit dem Kind hinab.

      Der Mann erschrak über die Maßen, was er mit seiner Eifersucht angerichtet hatte, und rannte verzweifelt zu der Felsklippe, von der die Frau hinabgesprungen war. Da sah er unten auf dem Wasser ein ausgebreitetes Seehundfell schwimmen und darauf seine Frau und seinen Sohn. Froh, daß sie noch am Leben waren, lief er zurück, um sein Kajak zu holen. Aber ehe er es ins Wasser gelassen hatte, entfernte sich das Seehundfell schon mit großer Geschwindigkeit vom Ufer und trug seine Frau mit dem Sohn immer schneller aufs Meer hinaus. Bald waren sie in der Ferne verschwunden.

      Die Frau brauchte eine ganze Weile, bis sie wieder ihre Sinne beisammen hatte. Als sie aber sah, daß dem Seehundfell die hohen Wellen nichts antun konnten, verlor sie ihre Angst und schaute ruhig ihrem Schicksal entgegen. Ein Tag verging und eine Nacht, und noch immer trieb das Seehundfell auf dem Meer. Zum Glück war auch die hölzerne Schüssel eine Zauberschüssel, die nie leer wurde, und so brauchten weder die Frau noch ihr kleines Söhnchen Hunger zu leiden.

      Bisher hatten Tag und Nacht viele Male einander abgewechselt. Eines Tages erwachte die Frau und stellte fest, daß das Zauberfell an Land aufgesetzt hatte. Es war noch dunkel. Die Frau wartete auf das Morgengrauen, aber es wurde nicht Tag. Das Seehundfell hatte sie in ein Land gebracht, in dem ewige Finsternis herrschte. Nach einer Weile gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit und vermochten einzelne Konturen zu unterscheiden. Da wagte sich die Frau von dem Fell herab. Unter ihren Füßen war fester Boden, auf dem etwas schwach glitzerte. Sie bückte sich und fand einige kleine Kugeln. Einige tat sie in die hölzerne Schüssel und ging dann vorsichtig weiter. Nach ein paar Schritten tauchte vor ihr der Umriß einer Hütte aus dem Dunkeln auf. Sie tastete sich an der Wand entlang, bis sie die Tür gefunden hatte, öffnete sie und trat ein. Im Schein einer Tranlampe sah sie auf der einen Seite Felle und Leder hängen, auf der anderen Vorräte lagern - Dörrfleisch und Töpfe voller Fett. Die Frau ging weiter und trat in die Stube. Aber auch hier war keine Menschenseele. ,Ich werde warten, bis jemand kommt`, sagte sie sich und setzte sich mit dem Kind auf das Lager aus Rentierfellen.

      Es dauerte nicht lange, da klangen von der Tür her Schritte und eine Stimme rief: "Sind hier Menschen?"

      Ein Mann schaute zur Tür herein und schien gar nicht überrascht zu sein, als er die Frau und das Kind sah. Dafür aber erschrak die Frau über die Maßen, denn der Mann war schwarz wie ein Rabe. Er zog sich bis zum Gürtel aus und begann sich zu waschen. Und da zeigte sich, daß nur sein Gesicht und seine Hände schwarz waren. Dort, wo die Kleidung seine Haut bedeckte, war sie weiß wie bei anderen Menschen. Die Frau wunderte sich darüber, um so mehr, als die schwarze Farbe von Gesicht und Händen auch beim Waschen nicht abging, aber zu fragen getraute sie sich nicht. Als der Mann sich gewaschen hatte, trat plötzlich ein unsichtbares Wesen herein und reichte ihm eine Schüssel mit gekochtem Fleisch. Der Mann bot erst der Frau davon an, und dann erst langte er selbst zu.

      "Wie bist du hierher gekommen?" fragte er.

      Die Frau erzählte ihm alles über sich und ihr Leben.

      "Du kannst hierbleiben", bot er ihr an und machte ihr und dem Kind ein Lager aus Rentierfellen.

      Die Frau wollte nicht mehr an das Land denken, aus dem sie gekommen und wo ihr so viel Böses widerfahren war. Sie wollte sich lieber an die Dunkelheit gewöhnen, auch wenn sie in ihrem Inneren fühlte, daß sie nie aufhören würde, sich nach der Sonne zu sehnen. Als der Mann sie nach einiger Zeit bat, seine Frau zu werden, sagte sie ja. Nur eines machte sie stutzig: daß ihr Mann ihr streng verbot, je aus dem Haus zu gehen, und auch darauf bestand, daß ihr Sohn es nie verließ.

      Damit sich das Kind nicht langweilte, gab ihm die Mutter die Kugeln zum spielen, die sie am Strand gefunden hatte. Dabei fiel ihr eines Tages deren seltsamer Glanz auf, und als sie sie genauer betrachtete, da erkannte sie, daß es keine gewöhnlichen Kugeln waren.

      Die Zeit verging, und die Frau hatte sich damit abgefunden, daß weder sie noch ihr Sohn je die Hütte verlassen durften. Aber es störte sie, daß außer ihr noch jemand in der Hütte zu wirtschaften schien, auch wenn sie niemanden sah. Manchmal standen die Fettöpfe anders, oder in der Tür erschienen Hände und legten ein Fell auf den Boden oder trugen eine leere Schüssel weg.

      Die Frau verdächtigte ihren Mann, ihr untreu zu sein und in der Hütte noch eine zweite Frau versteckt zu halten. Oder vielleicht hatte er draußen gar ein zweites Haus, in dem eine andere Frau lebte, und deshalb durfte sie selbst nie hinaus.

      Eines Tages sprach sie ihren Verdacht laut aus und verlangte von ihrem Mann, ihr die Wahrheit zu sagen.

      "Gut, du sollst alles erfahren", sagte der Mann nach kurzem Nachdenken. Und dann begann er zu erzählen:

      "Auch ich lebte einst in der Welt, in der die Sonne auf- und untergeht. Ich heiratete ein Mädchen, das ich über die Maßen liebte. Aber mit der Zeit wurde sie zänkisch und unausstehlich. Sie machte mir das Leben derart zur Hölle, daß ich eines Tages mit dem festen Vorsatz in die Tundra zog, dort für immer zu bleiben. Doch ich hielt es nicht lange aus und kehrte nach Hause zurück. Ich hoffte, meine Frau hätte inzwischen eingesehen, wie schlecht sie gehandelt, und sich gebessert. Aber das Gegenteil war der Fall. Sie war noch böser zu mir als zuvor. Eines Tages versetzte ich ihr im Streit eine Ohrfeige und rief, eher wolle ich den Rest meines Lebens auf der einsamsten Insel verbringen, als mit ihr zu leben. Und die Geister nahmen mich beim Wort!

      Am nächsten Tag fuhr ich mit meinem Kajak auf Fischfang. Plötzlich wurde ich von einem Sturm überrascht. Die schäumenden haushohen Wellen trieben mein kleines Boot immer weiter vom Festland weg. Ich kämpfte um mein Leben, aber gegen die Strömung des Meeres kam ich nicht an. Da spürte ich plötzlich einen Aufprall, und ich glaubte schon, mein Ende sei gekommen. Als ich wieder zu mir kam, war es Nacht, und ich lag in meinem Kajak an einem fremden Strand. Ich wartete, daß es hell werden würde, aber die Nacht verging nicht. Und als ich lange genug auf den Tag gewartet hatte, da begriff ich, daß es mir bestimmt war, in ewiger Finsternis zu leben. Wovon aber sollte ich mich ernähren? Wie in der Dunkelheit ein Wild erlegen oder Fische fangen? Kaum hatte ich das gedacht, da stieg mir der Duft gekochten Fleisches in die Nase. Ich tastete den Boden neben mir ab und fand eine Schüssel voll Essen. Ich aß es heißhungrig auf und fühlte mich gleich besser. Als sich meine Augen ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt hatten, begann ich die Umgebung zu durchforschen, aber nirgends stieß ich auf einen Menschen. Ich rief, schrie - alles vergebens. Es kam keine Antwort.

      Wieder überfiel mich die Angst, wovon ich leben sollte, und da duftete es wieder nach Fleisch, und neben mir stand eine volle Schüssel. Seit der Zeit brauche ich mich um nichts zu kümmern. Sobald ich Hunger habe, stellt mir jemand eine Schüssel Fleisch hin."

      Der Mann verstummte, um nach einer Weile fortzufahren: "Lange wußte ich nicht, wer das ist. In der Finsternis konnte ich niemanden erkennen. Mit der Zeit gewöhnte ich mich aber an die Dunkelheit und baute mir eine Hütte. Und in die zog mit mir auch der gute Geist ein, der mir von Anfang an beigestanden hatte und dem ich es verdanke, daß ich überhaupt noch lebe. Sehen kann man ihn kaum, nur manchmal sieht man undeutlich zwei Hände und spürt einen Windhauch, wenn er vorbeigeht. Der gute Geist ist es, den du für eine andere Frau in diesem Haus gehalten hast", lachte der Mann.

      "Warum aber darf ich mit dem Kind nie hinaus?" fragte die Frau weiter. "Auch das will ich dir sagen." Der Mann streckte ihr seine schwarzen Hände hin und fuhr sich dann damit über sein Gesicht. "Siehst du, wie schwarz meine Hände und mein Gesicht sind? Ich weiß, daß sie auch dich erschreckt haben, als du sie das erste Mal sahst, und daß du dich erst langsam an sie gewöhnen mußtest. Auch ich war einst weiß wie du. Aber seit ich hier lebe, wurden sie schwarz von der Finsternis. Alles wird hier mit der Zeit schwarz. Die Rentiere haben schwarzes Fell, die Fische schwarze Schuppen und die Vögel schwarze Federn. Und davor wollte ich dich und den Jungen bewahren.

      Als der Mann geendet hatte, stand er auf und führte die Frau in eine Kammer, die bis zur Decke mit Fellen, von den einfachen bis zu den kostbarsten, angefüllt war. Er sagte ihr, sie solle von allen Fellen die Ohrenspitzen abschneiden und sie zu den glänzenden Kugeln, mit denen ihr Sohn spielte, in die hölzerne Schüssel legen.

      "Ich weiß, daß du dich vor Heimweh verzehrst, und ich will dich nicht zurückhalten", sagte er dann. "Ich aber muß hierbleiben, so ist es mir bestimmt. Komm, nimm den Jungen auf den Rücken, ich will dich dorthin führen, von wo du zurückkehren kannst in das Land, aus dem du gekommen bist."

      Er führte sie zum Meer, wo noch immer das Seehundfell lag, auf dem sie hierher gekommen war. Die Frau setzte sich mit dem Kind darauf, und der Mann befahl ihr, die Augen zu schließen.

      Im gleichen Augenblick kam ein Wind auf, die Wellen schaukelten das Fell, und die Frau schlief ein.

      Als sie erwachte, schaute sie in den hellen Tag. Überall war so viel Licht, daß sie sich erst wieder an die Sonne gewöhnen mußte. Die Frau sah sich um und glaubte zu träumen. Sie war zu Hause, ganz in der Nähe ihres Elternhauses. Sie ging hinein und umarmte ihre Mutter.

      Die Kunde von ihrer Rückkehr verbreitete sich mit Windeseile im Dorf, und einer nach dem anderen kam, die Frau zu begrüßen, die sie schon längst für tot gehalten hatten.

      Auch ihr erster Mann kam und bat sie, ihm zu verzeihen und wieder seine Frau zu werden. Aber sie traute ihm nicht und blieb mit ihrem Sohn im Elternhaus.

      Der Junge wuchs zu einem stattlichen Jüngling heran, und am Abend vor seiner Hochzeit schenkte ihm die Mutter die glänzenden Kugeln aus dem Land der ewigen Finsternis. Aber es waren keine gewöhnlichen Kugeln, sondern Perlen, wie die Eskimos noch nie gesehen hatten, und sie waren so schön, daß sie auf der ganzen Welt nicht ihres Gleichen fanden.
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      schrieb am 09.04.04 16:48:35
      Beitrag Nr. 125 ()
      Der Flussteufel
      (von Hans Peter Roentgen)



      Am grünen Fluss, so sagt man, am grünen Fluss kann nur übersetzen, wer dem Fährmann eine Geschichte schenkt. Der Fährmann selbst ist grün, als ob Moos auf seinem Körper wachsen würde, allein es heißt, die grüne Farbe stamme nicht vom Moos, auch nicht von den Flussalgen, vielmehr laufe der Fährmann stets Gefahr, Teil des grünen Flusses zu werden.

      Der grüne Fährmann sammelt all die Geschichten und abends, wenn er seinen Taglohn an Geschichten beisammen hat, holt er sie aus seinem Umhang, der wie ein Kampfanzug eines Soldaten gespickt ist mit Taschen, jede groß genug für gerade eine Geschichte. Manche sind fingerdick für Anekdoten, andere breit und behäbig und bauchig für Novellen, wieder andere flach und unscheinbar für Kurzgeschichten. Es gibt auch Taschen, die schwarz und von unendlicher, erschreckender Tiefe sind, darein steckt er die Horrorgeschichten, und so findet jede Geschichte, die er des Tags einnimmt, eine passende Tasche.

      Die Geschichten leert er abends über seinem Tisch in der Hütte aus, da purzeln sie übereinander, streiten sich, welche besser sei, giften sich an oder werben um die Aufmerksamkeit des Fährmanns, der sie versonnen betrachtet, die eine oder andere in der Hand wiegt und sich manchmal gedankenverloren am Ohr zupft. Dann öffnet er eine große Holztruhe mit rostigem Vorhängeschloss und legt eine, nur eine hinein. Die anderen Geschichten geraten in Panik, sie schreien durcheinander:

      "Nein, nimm mich, ich bin besser."

      "Schau her, wie schön meine Sprache glänzt."

      "Geh weg, du Blender", ruft eine dunkle Gestalt dazwischen. "Ich habe Spannung, wer mich in die Hand nimmt, legt mich erst weg, wenn er das Ende erfahren hat."

      So oder ähnlich schreien sie durcheinander.

      Der Fährmann schließt die Truhe sorgfältig wieder ab und beachtet das Geschrei der Geschichten nicht. Er räumt die Truhe weg und geht zurück zum Tisch. Jetzt wählt er einige der unscheinbareren Geschichten aus, die nimmt er und wirft sie aus dem Fenster in die Fluten des Wassers. Was übrig bleibt, wägt er in der Hand ab, er tastet über sie, mit vorsichtigen Fingern nimmt er sie auseinander, begutachtet die Teile, denn von den Teilen hängt für ihn das ganze Leben ab. Hat er jetzt eine gefunden, die ihm in Teilen brauchbar scheint, dann legt er sie in eine Schale, die in der Mitte des Tisches steht, eine Schale, wie sie in anderen Haushalten für Obst verwendet wird. Hier, in dieser Hütte, findet ihr Geschichten darin.

      Jetzt geht er nochmals die restlichen Geschichten durch, zwei, drei passende sucht er aus und legt sie zu der zerlegten in die Schale, den Rest aber nimmt er in die Hände, verlässt mit ihnen das Haus und legt sie neben den Bootssteg. Er gebietet ihnen Schweigen und sagt: "Ihr seid noch nicht reif. Morgen kommen neue Kunden. Jeder von euch sucht sich einen aus, springt ihm in die Tasche und schaut, dass er reift unter den Menschen."

      Der Fährmann geht wieder in seine Hütte zurück und wartet. Nicht lange danach sitzt ihm der Flussteufel gegenüber, eine verbogene Kreatur mit langen, schwarzen Hauern, mit grausigem Buckel und schleimigen, patschigen Schwimmfüßen.

      Der Flussteufel kommt jede Nacht und erinnert ihn an ihre Abmachung.

      "Du Fährmann, du schworst mir, du würdest mir in den Schlick des Flusses folgen und mich nie mehr verlassen, wenn ich dir zehn Jahre Wohlstand und Reichtum brächte. Die Zeit ist lang schon um, und du warst zehn Jahre reich und glücklich. Nun also, unsere Zeit ist gekommen."

      "Ja", antwortet der Fährmann, "die Zeit ist um. Aber hier in der Schale habe ich noch einen Rest von der gestrigen Geschichte, bedien` dich zuerst, bitte."

      Die Augen des Flussteufels funkeln auf, und er greift gierig nach dem kleinen Geschichtenrest, den der Fährmann ihm darbietet. Der Fährmann gibt ihm dann die kleinen Geschichten, die um die zerlegte Geschichte in der Mitte liegen, er wählt sie sorgfältig aus.

      Er füttert den Flussteufel mit den Teilen der zerlegten Geschichte langsam und sorgfältig, reicht ihm Stück für Stück, denn er hat seine Zeit genau kalkuliert. Wenn das erste Licht im Osten aufgeht, erschrickt der Flussteufel, springt auf und huscht zur Tür hinaus.

      Der Fährmann aber hat immer einen Rest der Geschichte übrig, nur so kann er den Flussteufel in Schach halten.

      Wenn aber der Nordwind schlecht gelaunt ist und den grünen Fluss heimsucht, dann peitscht er das Wasser, bis die Wellen Schaumkronen tragen. Der Fährmann kann nicht fahren und erhält auch keine Geschichten. An solchen Tagen holt der Fährmann den Schlüssel hervor, öffnet die Truhe und füllt die Schale mit Geschichten aus seinem Vorrat auf.

      Doch der Nordwind bleibt nie lange, er fährt zurück zum Pol zu seinen Brüdern, mit denen er um die Wette tobt und heult. Die Wellen werden wieder klein, und so fährt er immer noch, der grüne Mann, und sammelt Geschichten.
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      schrieb am 09.04.04 17:05:52
      Beitrag Nr. 126 ()
      Von der Frau, die immer recht behalten wollte


      Es waren einmal ein Mann und eine Frau, und die Frau, die wollte immer das letzte Wort behalten, so dass ihr der arme Mann um des lieben Friedens willen stets recht geben musste. Als sie eines Tages zusammen vor dem Hause saßen, flog eine große Schar Raben vorüber; der Rabe aber, der an der Spitze des Zuges flog, hatte einen großen Vorsprung gewonnen. Als die Frau die Vögel sah, sagte sie zu ihrem Manne: "Schau, Mann, der eine ist allen anderen voraus, das ist so just der meinige."

      "Nein, Frau", sagte der Mann, "das ist der Vorderste, das Oberhaupt der Vögel. Ich bin auch dein Oberhaupt, und folglich gehört er mir."

      "Nicht dir, mir gehört er!" fiel ihm das Weib ins Wort. Und nun gab ein Wort das andere, sie stritten hin und her, sie wurden immer zorniger, und schließlich sagte die Frau zum Mann: "Mann, wenn der Vorderste nicht mir gehört, so sterbe ich."

      "Na, dann stirb meinetwegen", entgegnete der Mann. "Ein mal will ich auch das letzte Wort behalten."

      Und wirklich, das Weib legte sich nieder und tat, als sei es gestorben. So blieb es regungslos die ganze Nacht liegen.

      Als der Morgen anbrach, sagte der Mann zu ihr: "Steh jetzt auf, sonst geh` ich gleich die Leichenfrau rufen, damit sie dich aufbahrt."

      "Gehört der Vorderste mir?" fragte sie, und er antwortete:

      "Nein, nie und nimmermehr."

      "Gut, dann mögen sie nur kommen und mich aufbahren." Der Mann ging fort und bestellte die Leichenfrau. Sie kam und legte die Frau auf die Totenbahre; da aber beugte sich der Mann schnell über sein Weib und flüsterte ihr zu: "Steh rasch auf, sonst lass` ich dich ausläuten und bestell` den Pfarrer."

      "Gehört der Vorderste mir?" fragte sie. Und als er wiederum verneinte, sagte sie: "Dann geh und lass` mich ausläuten." Als nun der Augenblick da war, wo man sie zu Grabe tragen sollte, flüsterte ihr der Mann abermals zu: "Komm, steh jetzt auf, gleich kommen der Pfarrer und die Chorknaben."

      "Gehört aber der Vorderste mir?" fragte sie.

      Und da er es wiederum verneinte, sagte sie: "Gut, dann mögen sie mich nur hinaus auf den Gottesacker tragen." Inzwischen trafen der Pfarrer und die Chorknaben ein; es versammelten sich viele Leute. Man schaffte das Weib in den Hof. Und während der Priester das letzte Gebet hersagte, neigte sich, scheinbar weinend, der Mann über seine Frau und sagte: "Steh doch endlich auf, du Unglücksweib! Merkst du denn nicht, dass man dich zu Grabe trägt?" "Gehört der Vorderste mir?" fragte sie.

      Und da er wiederum verneinte, gab sie zur Antwort:

      "Gehört er nicht mir, so mögen sie mich zu Grabe tragen." Nun trug man sie richtig auf den Kirchhof, und nachdem man sie in das Grab hinabgelassen hatte, warf der Priester nach Recht und Sitte eine Scholle Erde auf den Sarg und entfernte sich. Der Mann aber sagte zu der Trauergemeinde:

      "Geht nun ruhig nach Hause, Leute, und wartet auf mich. Ich will sie allein mit Erde zudecken, so habe ich es ihr gelobt."

      Die meisten gingen fort, einige blieben in der Nähe. Der Mann aber ließ sich in die Gruft hinab und rief der Frau durch den Sargdeckel zu: "Steh auf, du dummes Weib! Jetzt wird man dich mit Erde zudecken!"

      "Gehört aber der Vorderste mir?" fragte sie. Und weil er es verneinte, gab sie ihm zur Antwort: "Dann magst du mich immerhin begraben lassen. Geh nur heim und lebe in Frieden, ich kann doch nicht länger leben, wenn ich nicht recht behalte."

      Als der Mann sah, dass sie noch nicht nachgab, hob er den Deckel vom Sarg auf und sagte:" So steh schon auf, der Vorderste ist dein; aber dass dich der Teufel hole!"

      Da sprang das Weib, ins Leichentuch gehüllt, auf und fing an, den Leuten nachzurennen und zu schreien: "Bleibt stehen, Leute, bleibt stehen! Mein ist der Vorderste, mein ist der Vorderste!"

      Die Leute liefen bei ihrem Anblick vor Schrecken davon, denn sie glaubten, sie sei ein Gespenst geworden. Der Pfarrer aber, der zuvorderst ging und sie so schreien hörte, lief aus Leibeskräften, denn er meinte, er sei gemeint, und sank vor Entsetzen zusammen. Sie aber lief an ihm vorbei nach Hause und war guter Dinge, weil sie recht behalten hatte. Glaubt`s oder glaubt`s nicht; es bleibt aber so, wie es ist...


      :D :laugh:
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      schrieb am 09.04.04 17:16:43
      Beitrag Nr. 127 ()
      Der geheimnisvolle Gast


      Ganz am Ende eines Eskimodorfes lebte eine alte Frau mit ihrem Enkel. Es war eine böse, gehässige Alte, zanksüchtig und geizig wie keine zweite. Und wenn die Leute im Dorf flüsterten, dass sie mit den bösen Geistern im Bunde stehe, so hatten sie nicht einmal so unrecht. Alle gingen ihr lieber aus dem Weg und hüteten sich, sie gegen sich aufzubringen.

      Im Nachbarzelt lebte ein junger Jäger, und da er ihr Nachbar war, ließ er es sich angelegen sein, mit der Alten im Guten auszukommen. Von jedem erlegten Wild schnitt er ein Stück Fleisch ab und schickte seine Frau damit zu der Alten. Aber statt Dank bekam die Frau nur jedes Mal zu hören, ihr Mann hätte gut und gern ein größeres und besseres Stück schicken können.

      ,Das nächste Mal bekommt sie gar nichts`, nahm sich der Jäger dann immer vor, aber es blieb doch alles so wie bisher, weil er sich nämlich fürchtete, die Alte könne sich an ihm rächen.

      Einmal kam ein Fremder zu dem jungen Ehepaar. Niemand wusste, woher er gekommen war, niemand fragte ihn, wie lange er zu bleiben gedenke. Auf jeden Fall musste er ein erfahrener Jäger sein, denn er zog jeden Morgen in die Tundra hinaus und brachte jedes Mal seinen Gastgebern reichen Fang heim. Der junge Mann wollte wie immer auch der Nachbarin davon abgeben, aber der Fremde gebot ihm Einhalt.

      "Wer es sich nicht verdient hat, der bekommt auch nichts", erklärte er.

      Und so ließen sie sich`s halt allein schmecken.

      Der verlockende Duft, der vom Nachbarzelt aufstieg, trieb die Alte schier zum Wahnsinn. Sie konnte sich wohl denken, wer daran schuld war, dass die Quelle, aus der es sich so gut gelebt hatte, plötzlich versiegt war, und sie schwor sich, den Fremden aus der Welt zu schaffen.

      Sie kochte eine Suppe aus Wolfshirn, streute ein giftiges Kraut hinein und murmelte dabei geheimnisvolle Sprüche über dem Kessel.

      Dann schickte sie den Enkel zu den Nachbarn, um den fremden Mann einzuladen. "Sage ihm, er möge mich mit seinem Besuch beehren, denn ich hätte für ihn etwas so Gutes gekocht, wie er sein Lebtag noch nicht gegessen und auch nie mehr essen wird", trug sie dem Jungen auf.

      Der Junge ging und richtete den Nachbarn die Einladung der Großmutter aus.

      Der Fremde kratzte sich hinterm Ohr und fragte nachdenklich:

      "Und was hat deine Großmutter denn für mich gekocht? Ist es vielleicht Fleisch vom Wolf?"

      "Ja. . .", stotterte der Junge, weil die Großmutter ihn ermahnt hatte, die Zunge im Zaum zu halten.

      "Also gut", meinte der Mann lachend. "Sag der Großmutter, ich käme gern, ich würde mich sogar sehr freuen."

      Und dann überlegte er, wie er die Alte überlisten könne. Und es dauerte nicht lange, da hatte er es. Doch ehe er der Einladung nachkam, weihte er seinen Gastgeber ein, dessen Unterstützung er zur Ausführung seines Planes brauchte.

      Dann begab er sich gemächlich zu der Alten, die ihn mit geheuchelter Freundlichkeit empfing und ihm eine Schüssel Suppe vorsetzte.

      Kaum hatte sich der Fremde gesetzt, da klangen draußen Schritte, und der junge Jäger trat ein und teilte der Nachbarin mit, er wolle ihr ein Stück Fleisch von dem Ren abschneiden, das er eben erlegt hätte, sie möchte doch so gut sein und es sich selbst aussuchen.

      Die habgierige Alte konnte natürlich nicht widerstehen und ging mit dem jungen Mann hinaus. Diesen Augenblick nutzte der Fremde, goss schnell die Suppe in einen mitgebrachten Lederbeutel, und aus einem zweiten füllte er die leere Schüssel mit einer anderen Suppe, die ihm die Frau des Jägers gekocht hatte. Als die Alte wieder ins Zelt trat, saß ihr Gast über der Schüssel und löffelte sie gerade schmatzend leer.

      Dann wischte er sich zufrieden den Mund ab und erklärte: "So etwas Gutes habe ich wirklich schon lange nicht gegessen. Aber auch ich bin nicht mit leeren Händen gekommen. Bei uns zu Hause ist es Brauch, dass der Gast dem Gastgeber eine Kostprobe vom Besten, was er im Haus hat, mitbringt." Er zog unter seiner Jacke den Lederbeutel hervor und goss dessen Inhalt in die Schüssel zurück. "Und nun koste von meiner Suppe!"

      Die Alte musste wohl oder übel zulangen. Aber kaum hatte sie ein paar Löffel gegessen, da fiel sie tot um.

      Der geheimnisvolle Fremde verschwand noch am gleichen Tag aus dem Dorf und ward nie wieder gesehen.

      Und alle waren heilfroh, dass sie die böse Alte endlich loswaren.
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      schrieb am 09.04.04 19:05:05
      Beitrag Nr. 128 ()
      Das irdische Paradies

      Vor langer Zeit lebten einmal drei Gesellen: der lange Veit, das Dickerle und der Klughansel; die gingen miteinander auf Wanderschaft in die weite Welt hinaus. Sieben Jahre waren sie nun schon unterwegs und hatten viele fremde Länder mit ihren Seltsamkeiten und Wundern gesehen. Am meisten erstaunt waren sie aber, als sie eines Tages plötzlich vor einem mächtigen, steilen Berg standen. "Was für ein Land mag wohl auf der andern Seite des Berges liegen?" sagte der lange Veit. "Wir wollen die Leute fragen, die in der Nähe wohnen. Die werden`s bestimmt wissen", sagte Klughansel. "ja, fragt doch mal die Leute", meinte auch das Dickerle, das nicht bloß beim Marschieren, sondern auch mit seinen Gedanken immer hintendrein kam. Es dauerte gar nicht lange, bis sie einigen Männern begegneten. Der erste, den sie anhielten und nach dem Land hinter dem hohen Berge fragten, wusste nichts darüber, schüttelte den Kopf und tappte weiter. Der zweite legte bloß den Zeigefinger über den Mund und schlüpfte um die nächste Ecke. "Das muss schon was ganz Besonderes sein, Gesellen!" meinte Klughansel. "Hinter dem Berg liegt das Paradies! Ihr mögt mir`s glauben oder nicht!" - "ja, das glauben wir auch", sagten die beiden andern. Weil sie nun aber schon so viel Herrliches und Verlockendes vom Paradies hatten erzählen hören, wollten alle drei es auch einmal mit ihren eigenen Augen sehen.

      Nun ging dies aber nicht anders,` als dass zwei unten blieben und schoben und so dem dritten, nach Kräften auf den steilen Berg halfen. Weil der Klughansel es gewesen war, der hinterm Berg das Paradies vermutete, sollte er auch als erster hineinsehen dürfen. Endlich war er oben, und die beiden Kameraden riefen ihm zu, er solle erzählen, was er alles sehe. Doch er lächelte nur herab und ging rasch über den Berg. Dann machte sich der lange Veit an den Aufstieg. Er musste aber dem Dickerle für seine Hilfe hoch und heilig versprechen, dass er ihm sagen werde, was es drüben im Paradies alles zu sehen gebe. Der versprach`s. Als er aber oben angelangt war, machte er es wie der Klughansel - er lächelte nur herab und verschwand hinter dem Berge.

      Inzwischen war eine Menge Leute aus den Dörfern herzugeströmt und hatte dem Treiben voller Neugier und Spannung zugesehen. Und weil der Hansel und der Veit so sonderbar herabgelächelt hatten und so rasch hinter dem Berg verschwunden waren, glaubten alle, dass jenseits wirklich etwas Wunderbares, ja nichts anderes als das Paradies liegen müsse. Darüber wollten sie nun Gewissheit haben. "So helft mir auf den Berg", sagte das Dickerle; "ich werde euch bei meiner ehrlichen Gesellenseele, sobald ich droben bin, Rede und Antwort stehen, so gut ich`s vermag." Da halfen sie ihm alle auf den Berg; banden ihm aber, ohne dass er es merkte, ein Seil an den Fuß, damit sie ihn sogleich herabziehen könnten, falls auch er sein Wort nicht halten und `hinterm Berg verschwinden wollte. Das Dickerle kraxelte und prustete mehr als drei Stunden an dem steilen Felshang hinauf; endlich aber war es droben. Kaum hatte es einen Blick ins jenseits getan, fing es, an zu lächeln und wollte ins Paradies hinüberspringen. Die drunten aber zogen ihn an dem Seil gerade noch rechtzeitig vom Berg herab. Alle stürmten nun auf ihn ein und wollten wissen, was Schönes er geschaut und wie es im Paradies drüben aussehe. Der arme Geselle öffnete den Mund und versuchte` zu reden - aber er war plötzlich stumm geworden. So erfuhren die neugierigen Menschen - wie schlau sie`s auch angestellt hatten - doch nichts vom Paradies und haben auch bis auf den heutigen Tag kein Sterbenswörtchen darüber erfahren.
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      schrieb am 09.04.04 19:36:11
      Beitrag Nr. 129 ()
      Die Lebenszeit
      Gebrüder Grimm

      Als Gott die Welt geschaffen hatte und allen Kreaturen ihre Lebenszeit bestimmen wollte, kam der Esel und fragte `Herr, wie lange soll ich leben?` `Dreißig Jahre,` antwortete Gott, `ist dir das recht?` `Ach Herr,` erwiderte der Esel, `das ist eine lange Zeit. Bedenke mein mühseliges Dasein: von Morgen bis in die Nacht schwere Lasten tragen, Kornsäcke in die Mühle schleppen, damit andere das Brot essen, mit nichts als mit Schlägen und Fußtritten ermuntert und aufgefrischt zu werden! erlass mir einen Teil der langen Zeit.` Da erbarmte sich Gott und schenkte ihm achtzehn Jahre. Der Esel ging getröstet weg, und der Hund erschien. `Wie lange willst du leben?` sprach Gott zu ihm, `dem Esel sind dreißig Jahre zu viel, du aber wirst damit zufrieden sein.` `Herr,` antwortete der Hund, `ist das dein Wille? bedenke, was ich laufen muss, das halten meine Füße so lange nicht aus; und habe ich erst die Stimme zum Bellen verloren und die Zähne zum Beißen, was bleibt mir übrig, als aus einer Ecke in die andere zu laufen und zu knurren?` Gott sah, dass er recht hatte, und erließ ihm zwölf Jahre. Darauf kam der Affe. `Du willst wohl gerne dreißig Jahre leben?` sprach der Herr zu ihm, `du brauchst nicht zu arbeiten wie der Esel und der Hund, und bist immer guter Dinge.` `Ach Herr,` antwortete er, `das sieht so aus, ist aber anders. Wenn’s Hirsenbrei regnet, habe ich keinen Löffel. Ich soll immer lustige Streiche machen, Gesichter schneiden, damit die Leute lachen, und wenn sie mir einen Apfel reichen und ich beiße hinein, so ist er sauer. Wie oft steckt die Traurigkeit hinter dem Spaß! Dreißig Jahre halte ich das nicht aus.` Gott war gnädig und schenkte ihm zehn Jahre.

      Endlich erschien der Mensch, war freudig, gesund und frisch und bat Gott, ihm seine Zeit zu bestimmen. `Dreißig Jahre sollst du leben,` sprach der Herr, `ist dir das genug?` `Welch eine kurze Zeit!` rief der Mensch, `wenn ich mein Haus gebaut habe, und das Feuer auf meinem eigenen Herde brennt: wenn ich Bäume gepflanzt habe, die blühen und Früchte tragen, und ich meines Lebens froh zu werden gedenke, so soll ich sterben! o Herr, verlängere meine Zeit.` `Ich will dir die achtzehn Jahre des Esels zulegen,` sagte Gott. `Das ist nicht genug,` erwiderte der Mensch. `Du sollst auch die zwölf Jahre des Hundes haben.` `Immer noch zu wenig.` `Wohlan,` sagte Gott, `ich will dir noch die zehn Jahre des Affen geben, aber mehr erhältst du nicht.` Der Mensch ging fort, war aber nicht zufriedengestellt.

      Also lebt der Mensch Siebeinzig Jahr. Die ersten dreißig sind seine menschlichen Jahre, die gehen schnell dahin; da ist er gesund, heiter, arbeitet mit Lust und freut sich seines Daseins. Hierauf folgen die achtzehn Jahre des Esels, da wird ihm eine Last nach der andern aufgelegt: er muss das Korn tragen, das andere nährt, und Schläge und Tritte sind der Lohn seiner treuen Dienste. Dann kommen die zwölf Jahre des Hundes, da liegt er in den Ecken, knurrt und hat keine Zähne mehr zum Beißen. Und wenn diese Zeit vorüber ist, so machen die zehn Jahre des Affen den Beschluss. Da ist der Mensch schwachköpfig und närrisch, treibt alberne Dinge und wird ein Spott der Kinder.
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      schrieb am 09.04.04 23:32:20
      Beitrag Nr. 130 ()
      Ludwig Tieck

      Die Freunde (1.Teil)

      Es war ein schöner Frühlingsmorgen, als Liudwig Wandel ausging, um auf einem Dorf, das einige Meilen entfert war, einen kranken Freund zu besuchen.Dieser hatte ihm geschrieben, dass er gefährlich darniederliege und ihn gern noch einmal zu sehn und zu sprechen wünsche.
      Der muntre Sonnenschein glänzte in den hellgrünen Gebüschen, die Vögel zwitscherten und sprangen hin und wider, die fröhlichen Lerchen sangen über den leichten, vorüberfliegenden Wolken. Düfte kamen von den frischen Wiesen, und alle Obstbäume in den Gärten blühten weiß und freundlich.

      Ludwigs trunkenes Auge schweifte auf allen Gegenständen umher; seine Seele wollte sich erweitern, aber dann dachte er an seinen kranken Freund und ging wieder in stiller Betrübnis weiter; die Natur hatte sich umsonst so hell und glänzend geschmückt, er sah in seiner Phantasie nur das Krankenbett und seinen leidenden Bruder.
      "Wie Gesang von jedem Zweige schallt", rief er aus; "die Töne der Vögel vermischen sich lieblich mit dem Flüstern der Blätter, und ich höre aus der Ferne noch die Seufzer des Kranken durch das süsse Konzert."

      Indem kam ein Zug geputzter Bäuerinnen aus dem Dorfe; alle grüßten ihn freundlich und erzählten ihm, wie sie mit munterem Sinne nach einer Hochzeit wallfahrteten, wie die Arbeit für heute ruhen und dem Feste Platz machen müsse. Er hörte ihnen zu, und noch aus der Ferne erschallte ihr Jubel; ihm klangen die Lieder nach, die sie sangen, aber er ward immer betrübter. Im Walde setzte er sich auf einen umgehauenen Baum nieder, zog den schon oft gelesene Brief aus der Tasche und las noch einmal.

      "Viel geliebter Freund!
      Ich weiß nicht, warum Du mich so ganz vergessen hast, dass ich gar keine Nachricht von Dir erhalte. Darüber verwundere ich mich nicht, dass die Menschen mich verlassen, aber das betrübt mich inniglich, dass auch Du Dich gar nicht um mich kümmerst. Ich bin gefährlich krank, ein Fieber erschöpft alle meine Kräfte; wenn Du noch länger zögerst, mich zu besuchen, so kann ich Dir nicht versprechen, ob Du mich noch wiedersiehst. Die ganze Natur lebt auf und fühlt sich frisch und kräftig, nur ich sinke erattet zurück; mich erquickt die neue Wärme nicht, ich sehe die grüne Flur nicht, nur den Baum, der vor meinem Fenster rauscht und meinen Gedanken lauter Totenlieder singt. Meine Brust ist enge, der Atem wird mir schwer, manchmal scheint es mir, als würden die Wände meines Zimmers immer dichter zusammenrücken und mich so erdrücken. Ihr übrigen in der Welt feiert jetzt die schönste Zeit des Lebens, und ich muß hier in der Krankenbehausung verschmachten.Ich wollte gern den Frühling aufgeben, wenn ich nur Dein liebes Angesicht noch einmal wiedersehen könnt; aber Ihr Gesunden denkt nie ernsthaft daran, was es eigentlich zu sagen habe, wenn man krank ist, wie teuer uns dann in der Hülflosigkeit der Besuch des Freundes ist; Ihr wißt die kostbaren Minuten des Trostes nicht zu schätzen, weil Euch die ganze Welt mit warmer, inniger Freundschaft umfängt. Ach, wenn Ihr den schrecklichen Tod und das noch schrecklichere Kranksein so kennt wie ich! O Ludwig,wie würdest Du dann eilen, um diese zerbrechliche Form schnell noch einmal wiederzuerkennen, die Du bisher Deinen Freund nanntest und die nachher so unbarmherzig in Stücke geschlagen wird. Wenn ich gesund wäre, würd ich Dir entgegeneilen und mir einbilden, Du könntest in diesem Augenblick vielleicht krank liegen. Wenn ich Dich nicht wiedersehn sollte, so lebe wohl."

      Welchen sonderbaren Eindruck machte der Schmerz dieses Briefes auf Ludwigs Herz in der fröhlichen Natur, die beglänzt vor seinen Augen so herrlich dalag. Er weinte und stützte das Haupt auf die Hand. "Jubiliert nur, ihr Waldbewohner!" dachte er bei sich, "denn ihr kennt keine Klage,ihr führt ein leichtes, poetisches Leben, und dazu sind euch die raschen Schwingen verliehen; o wie glücklich seid ihr, dass ihr nicht trauern dürft!
      Der warme Sommer ruft euch, und ihr wünscht nichts weiter, ihr tanzt ihm entgegen, und wenn der Winter kommen will, seid ihr verschwunden. O du leichtbefiedertes, fröhliches Waldleben! wie beneid ich dich! Warum sind dem armen Menschen so viele schwere Sorgen in sein Herz gelegt? Warum darf er nicht lieben, ohne durch Jammern seine Liebe zu erkaufen? Durch Elend sein Glück? Das Leben rausch wie eine flüchtige Quelle unter unsern Füßen hinweg und löscht nicht unsern Durst, unsre heiße Sehnsucht."

      Er verlor sich immer mehr in Gedanken , dann stand er auf und setzte seinen Weg durch den dichten Wald fort. "Wenn ich ihm nur helfen könnte", rief er aus; "wenn mir nur die Natur irgendein Mittel darböte, ihn zu retten; so aber habe ich nichts als das Gefühl meiner Schwäche und den Schmerz über den Verlust meines Freundes.
      In meiner Kindheit glaubt ich an Zauberei und an ihre übernatürliche Hülfe; o wär ich jetzt so glücklich, daß ich so wie damals auf sie hoffen könnte!"
      Er beschleunigte seine Schritte, und unwillkürlich kamen ihm alle Erinnerungen aus seinen frühesten Kinderjahren zurück; er folgte den lieblichen Gestalten, die ihm winkten , und war bald so in einem Labyrinthe verwickelt, daß er die Gegenstände nicht bemerkte, die ihn umgaben. Er hatte vergessen, daß es Frühling war, daß sein Freund krank sei; er horchte auf die wunderbaren Melodien, die zu ihm wie von fernen Ufern herübertönten; das Seltsamste gesellte sich zum Gewöhnlichsten; seine ganze Seele wandte sich um. Aus dem Hintergrunde des Gedächtnisses,aus dem tiefen Abgrunde der Vergangenheit wurden all die Gestalten hervorgetrieben, die ihn einst entzückt oder geängstigt hatten; aufgestört wurden alle die ungewissen Phantome, die ohne Gestalt herumflattern und oft mit wüstem Gesumse unser Haupt umgeben. Puppen, Kinderspiele und Gespenster tanzten vor ihm her und bedeckten ganz den grünen Rasen, daß er keine Blume zu seinen Füßen gewahr werden konnte. Die erste Liebe umgab ihn mit ihren dämmernden Morgenschimmer und ließ funkelnde Regenbogen auf die Aue niederfallen; die ersten Schmerzen zogen vorbei und drohten ihm, am Ende des Lebens in eben der Gestalt wiederzukommen.
      Ludwig suchte alle diese wechselnden Gefühle festzuhalten und in diesem magischen Genusse sich seiner selbst bewußt zu bleiben, aber vergeblich: wie rätselhafte Bücher mit bunten, grotesken Figuren, die sich schnell auf einen Augenblick eröffnen und dann plötzlich wieder zugeschlagen werden, so unstet, so flatternd zog alles seiner Seele vorüber.

      Der Wald öffnete sich, und seitswärts lagen auf dem offenen Felde einige alte Ruinen, mit Warttürmen und Wällen umgeben. Ludwig verwunderte sich, daß er unter seinen Träumen den Weg so schnell zurückgelegt habe. Er schritt aus seiner Schwermut heraus, so wie er aus dem Schatten des Waldes trat; denn oft sind die Gemälde in uns nur Widerscheine von den äußern Gegenständen. Jetzt ging wie eine Morgensonne die Erinnerung in ihm auf, wie er zuerst den Genuß der Poesie habe kennenlernen, wie er zum erstenmal den holden Einklang verstanden, den manches Menschenohr niemals vernimmt.


      Da diese Geschichte eine sehr lange ist, erlaube ich mir, sie in drei Teilen zu schreiben.

      Ich habe dieses sehr schöne Buch "Märchen und Erzählungen" von Ludwig Tieck als Jugendliche geschenkt bekommen, es ist nicht unbedingt ein Märchenbuch für Kinder aber eines für junge Menschen.
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      schrieb am 09.04.04 23:51:53
      Beitrag Nr. 131 ()
      Aspekte des Bosman-Urteils des Europäischen Gerichtshofes

      Achtung: Neue Dokument-Form. Die Aspekte werden zunächst in plakativer Kurzform formuliert wiedergegeben. Durch anklicken kann man dann zu einer ausführlichen Erläuterung gelangen.


      1) Das Bosman-Urteil aus der Sicht der sekundär betroffenen: aller Nicht-EU-Staaten:



      Das Urteil greift Werte wie eine weltweite Konvention über einen Kultur- und Güterverkehr an, die höher anzusiedeln sind als die Belange der Europäische Union, da eine qualitativ ganz andere Anzahl von Staaten an ihr beteiligt ist (praktisch alle) und die alle Regionen dieser Welt umfassen und nicht nur einen kleinen Klecks auf dem Globus.


      Das Urteil hat aufgrund der Wirtschaftsmacht der EU eine imperialistische Komponente, da EU-Spieler subventioniert werden, die Preise für die billigen Rohstoffe aus Afrika und Südamerika gedrückt werden, Kapital in EU-Europa zurückgehalten wird und EU-europäisches Rechtsempfinden den anderen am Profi-Fussballverkehr Beteiligten zwangsaufdoktriniert zu werden droht.

      2) Kritik an der Rolle der Verbände im Vorfeld des Zustandekommens des Urteils:



      Scheinbar arrogant interessierte sich die UEFA mehr dafür die Reichen reicher und die Gierigen noch gieriger zu machen, als sich um das Problem eines Spielers wie Jean-Marc Bosman ernsthaft zu kümmern.

      3) Entwicklungen, die, ohne Gegensteuerung, durch das Urteil ausgelöst werden könnten und auch Chance bieten für eine sinnvolle Neugestaltung. Schreckensvisionen über den Untergang der Welt und rosarote Wölkchen am Horizont:



      Ohne regulierende Massnahmen beginnt für die grossen Vereine das Goldgräberzeitalter und für die Kleinen das Versinken in provinzieller Bedeutungslosigkeit. Sogar Umwälzungen hin zur Auflösung der bekannten Form der Vereine, Neugründung von Verbänden und Gesellschaften auch durch Unternehmen aus der freien Wirtschaft sind denkbar.


      Das Gejammer über das Urteil hat eine erhebliche heuchlerische Komponente. Das System war lange nicht so toll, wie die Betroffenen, jäh aus ihrem gierigen Traum vom unendlichem Boom gerissen, jetzt weismachen wollen. Doch auch ein vielleicht bedauerlicher Zusammenbruch ist immer die grosse Chance eines sinnvollen Neuaufbaus. Ein weltweites System mit wirklicher Ausbildungsfinanzierung ohne spekulativen Charakter könnte aufgebaut werden.


      Gefahren drohen den Wirtschaftstätigen auch von anderer Seite. Erst einmal als Wirtschaftstreibende distinguiert können die Profi-Fussballer das Wirtschafts- und vor allem auch das Kartellrecht nicht mehr einfach ignorieren. Etliche Verträge drohen von Kartellämtern und Kommissionen durchleuchtet und möglicherweise gekippt zu werden.

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      - Das Urteil greift Werte wie eine weltweite Konvention über einen Kultur- und Güterverkehr an, die höher anzusiedeln sind als die Belange der Europäische Union, da eine qualitativ ganz andere Anzahl von Staaten an ihr beteiligt ist (praktisch alle) und die alle Regionen dieser Welt umfassen und nicht nur einen kleinen Klecks auf dem Globus.


      Betroffen ist mit dem Spitzen-Fussball (und trotz der wirtschaftlichen Komponente im Moment gegenwärtig ausdrücklich auch der Profi-Vereinsfussball) etwas dass durchaus als eine Art zu schützendes Weltkulturgut bezeichnet werden kann. Profi-Fussball, und dies auch gerade in Europa, ist trotz dieses Urteils viel mehr als eine Unterhaltungsindustrie. Zwar interagiert Profi-Fussball mit den Elementen und Mechanismen der Showbranche, auch ist Profi-Fussball in der EU auf dem Papier fast eine reine Wirtschaftstätigkeit, können sich Unternehmen und Unternehmer, Klubs und Spieler nicht mehr losgelöst von den Gesetzen der Marktwirtschaft bewegen, doch für ein Produkt einer Unterhaltungsindustrie wäre die Ware viel zu armselig. Was soll denn am letzten WM-Finale unterhaltend gewesen sein, wenn es nicht dermassen emotions- und kontextaufgeladen gewesen ist. Ein Spielfilm, in dem das einzige was passiert ist, das sich ein Torwart einmal versehentlich einen Ball gegen einen Torpfosten wirft, würde ausgebuht bevor es zum Glücksentscheid per Elfmeterschiessen kommt, oder wäre zumindest grosse Experimentalkunst für ausgewählte Cineasten. Er könnte keine Einschaltquote von mehr als 0,0001 % erwarten.

      Fussball aber hat Bedeutung für die Menschen, ist Teil ihres Lebens, Teil ihrer Kultur. Es gibt Menschen, die denken die ganze Woche nur an Fussball, es macht sie glücklich, deprimiert, was auch immer. Wichtig (rein spekulierte Zahlen, es geht nur um die Verhältnisse der Zahlen zueinander, nicht um die genauen Zahlen selbst): An einem Samstag Profi-Fussball in der Bundesliga gibt es beispielsweise 3 Millionen beteiligte. 1000 Beteiligte sind Spieler, Betreuer, Fanartikelverkäufer usw.. 1000 Beteiligte sind Journalisten. 298.000 Beteiligte sind Staionzusachauer und 2,7 Millionen verfolgen das Geschehen vom Fernsehsessel aus. ALLE diese sind betroffen und müssen berücksichtigt werden. Profi-Fussball ist kein Spiel von 22 Akteuren sondern von vielen Millionen. Ohne das gäbe es Profi-Fussball nicht.

      Die Verbände sind Hüter dieses Kulturgutes. Sie verwalten die Parameter des Systems, sie regeln sozusagen den Verkehr. Um in dem Vergleich zu bleiben: Die Einführung der Sicherheitsgurtpflicht durch den Verwalter des Systems Strassenverkehr, dem Gesetzgeber, bewirkte, dass das System Strassenverkehr weniger Tote produziert, genauso wie die Einführung von Vorfahrtsregeln. Ein Vertrauen auf die Vernunft und Umsicht waren zum Zeitpunkt der Einführung solcher Regeln scheinbar nicht ausreichend. Zuviele Mechanismen spielen eine Rolle, die das Verhalten der einzelnen Elemente im System in andere Richtungen lenken. Ein anderes Beispiel: Der Systemverwalter FIFA will mit Regeländerungen (Abseits, Torgrösse) Dramatik und Dynamik des Spieles reformieren. Wenn vom Systemverwalter Parameter vorgegeben werden, die die Funktion des Kulturgutes einseitig zugunsten des reinen Geschäftes zerstört, hat er versagt. Dann wird den Menschen etwas weggenommen aus ihrem Leben, ein Teil ihrer Kultur wird von Geschäftemachern enteignet, die sich damit aber möglicherweise selbst die Grundlage beschädigen. Doch nicht alles ist in DM messbar. Wie viele Leute in ein Stadion laufen, sagt noch nicht unbedingt etwas darüber aus WIEVIEL ES IHNEN BEDEUTET. Die Verbände sollten auch hierüber wachen, dass denen, denen Fussball etwas bedeutet, dieses nicht zugunsten einer kommerziellen Breitenwirkung weggenommen wird. Das Weltkulturgut Profi-Fussball würde nach dem Spruch der EU-Richter diesem Kulturanspruch enteignet, seine Überführung in ein reines Unterhaltungsgeschäft könnte auch das Ende dieser Kultur bedeuten (muss nicht, kann).

      Doch es gibt noch einen zweiten Schaden. Quasi ein zweites wertvolles Weltkulturgut: Eine WELTWEITE Kultur- Kommunikations- und Verkehrskonvention. Beim weltweiten Transfer von Fussballspielern und Fussballspielen handelt es sich um eine nicht zu unterschätzende Errungenschaft der Weltgemeinschaft. Die wichtigsten Regelungen wurden suprakontinental getroffen, innerhalb der Kontinente supranational (und zwar eine Ebene oberhalb lokaler Gemeinschaften wie der EU, die zwar Europa heisst aber nicht Europa ist), und diese weltweite Konvention, die versucht, jenseits von und doch möglichst im Einklang mit kleinkarierten politischen, nationalen oder kontinentalen Interessen einen Weltkulturaustauch zu regeln ist ein ebenso wertvolles wie verletzliches Gut, dass, wenn überhaupt irgendjemand, vorbildhaft nur den Vereinten Nationen untergeordnet sein sollte, solange es in der Lage ist, praktisch alle nationalen und kontinentalen Verbände zu integrieren und nicht krass gegen regionales Grundrechtsempfinden verstösst (Was kaum anzunehmen ist, denn in einem solchen krassen Fall wäre jene Region wohl nicht in der FIFA), also wirklich alle Länder in einer anerkannten Assoziation zu versammeln mag. Dies sagt natürlich nichts darüber aus, ob eine solche Konvention nicht verbesserungs- oder kritikwürdig ist. So ist sie sicher nicht gemacht, die Interessen der Spieler selbst zu wahren. Doch sollte eine solche Frage nicht von einem Gericht mit lokaler Bedeutung geklärt werden können.



      - Das Urteil hat aufgrund der Wirtschaftsmacht der EU eine imperialistische Komponente, da EU-Spieler subventioniert werden, die Preise für die billigen Rohstoffe aus Afrika und Südamerika gedrückt werden, Kapital in EU-Europa zurückgehalten wird und EU-europäisches Rechtsempfinden den anderen am Profi-Fussballverkehr Beteiligten zwangsaufdoktriniert zu werden droht.


      Das Urteil und das Selbstverständnis der EU: aussereuropäische Bauern können schon lange ein Lied davon singen, jetzt erfahren es auch die Fussballspieler.

      Besonders ärgerlich, wenn nicht beschämend ist es, dass damit ein kleiner Teil von Staaten ein Weltkulturgut, nämlich die weltweite Konvention mit diesem Kulturgut Fussball umzugehen, putschähnlich ausser Kraft zu setzten droht. Wären die betroffenen Staaten in der Fussballwelt nicht so wichtig, würde man sie einfach suspendieren oder in irgerndeiner anderen Form ächten. Wenn der europäische Gedanke irgendeinen nicht geheuchelten Sinn machen soll, dann doch den der Supranationalität und nicht den der Kleinstaaterei im grossen. Dann muss sich die EU weltumspannenden Kultur- und Wirtschaftskonventionen unterordnen. Aber dieses ist ja nicht der einzige Bereich in dem sie das nicht tut. Der Gerichtsbeschluss ist durchaus Mittel zum Protektionismus und sogar zum Kulturimperialismus, auch wenn man dies den Richtern sicher nicht als Motivation unterstellen sollte. Doch ein kleiner mächtiger Verbund von Staaten diktiert Recht den anderen, nicht in der EU befindlichen Staaten auf, eine Konvention wird aufgekündigt, ein Status Quo quasi gewaltsam mittels der eigenen Machtposition geschaffen und die anderen knapp 40 europäischen Verbände zweiter Klasse werden ultimativ gezwungen, dieses Recht zu übernehmen oder unter benachteiligten Bedingungen weiterzuspielen. Schliesslich handelt es sich auch um ein politisches Mittel der Verbesserung der Aussenhandelsbilanz (bisher fliessen mehr Transfergelder aus der EU ab, als in die EU kommen - von nun an haben die Vereine weniger Kapital, dass nach aussen abfliessen kann) der EU und damit sind auch die anderen Kontinente betroffen und gezwungen, niedrigere Ablösesummen zu verlangen, ihr `Kulturgut`, ihre durch ihre individuelle Kultur geprägte und ausgebildete Fussballer billiger zu liefern. So sank der Preis für Ned Zelic binnen weniger Monate um über 50%. Hier wird exemplarisch das noch einmal vorgeführt, was schon in anderen Wirtschaftsbereichen die im innerern gefeierte EU-Wirtschaftsgemeinschaft für die `Ausgegrenzten` bedeutete. Die Reichen schliessen sich zusammen, um ihre elitäre Position besser verteidigen zu können. Dies wird innerhalb der EU natürlich völlig anders empfunden. Doch sollte nicht vergessen werden: Nicht jeder der in die EU reinmöchte, darf auch. Vor allem, wenn er zu arm ist.

      Auch wenn sich das Gericht formal auf den Standpunkt stellt eine EU-Entscheidung zu treffen, trifft es jedoch auch eine Entscheidung über den internationalen Fussball-Verkehr mit der EU. Eine Sondergruppe von Mitgliedsverbänden bildet sich.

      Theoretisch muss jetzt die Gemeinschaft der EU-Verbände wie ein einzelner Verband betrachtet werden, welcher Fussballverkehr mit den anderen betreibt und nach innen eigene Regelungen trifft. So wie die FIFA den Spielertransfer zwischen den Kontinentalverbänden regelt und die Kontinentalverbände den zwischen denen der nationalen Verbände. Jetzt gibt es die zwischengeschaltete Stufe EU. Doch die Länder der EU erhalten damit zumindest in Europa eine Sonderstellung. Und da mit Italien, Spanien, England, Frankreich und Deutschland fünf der reichsten Fussballnationen (abgesehen vom aufstrebenden Japan und vielleicht bald den USA) diesem Sonderstatus angehören hat dieser spürbare Folgen.

      Ein EU-Ausländer erhält jetzt nämlich einen Sonderstatus. Zuerst einmal fällt er unter keine Ausländerklausel. Er wird somit allen anderen Nicht-Inländern besser gestellt. Dies gabs aber schon in ähnlicher Form in England mit Walisern, Schotten und Iren. Nur waren diese im Europapokal Ausländer. Darüber hinaus wird der EU-Ausländer aber jetzt quasi subventioniert. Während ein Spieler aus Brasilien Ablösesumme kostet, ist ein Spieler aus einem anderen EU-Land kostenlos, wird selbstverständlich bevorzugt. Dies hilft natürlich auch, die Preise für Nicht-EU-Spieler zu drücken, `exotische` Kulturgüter billiger zu bekommen, deshalb ist dieses Urteil ein Mittel zum Protektionismus (z.B. Italiener und Deutsche subventionieren quasi gegenseitig den Transferverkehr durch Verzicht auf die sonst international üblichen Ablösesummen, also: weniger Nicht EU-Ausländer werden eingeführt weil teurer) und sogar zu etwas wie Kulturimperialismus (mit dieser `Kartellbildung` der Reichen untereinander werden die Weltmarktpreise gedrückt, Nicht-EU-Spieler werden billiger, weniger Geld fliesst aus der EU in andere Länder ab, schliesslich hat die EU mit Sicherheit bis auf mit Japan mit fast allen anderen ein Fussball-Aussenhandelsdefizit). Dieses zu erwartende Symptom gab es übrigens schon durch den Wegfall der Ablösesummen in Frankreich und Spanien. Auch hier bestand eine Subvention inländischer Spieler. Und so spielen dort vor allem `preisgünstige` Ausländer aus Osteuropa und Afrika und in geringerer Anzahl als zu erwarten wäre (von Ausnahmen bei den absoluten Spitzenklubs abgesehen). Der EU-Gerichtshof hätte im übrigen Frankreich und Spanien zwingen müssen, die Ablösesummen wieder einzuführen, wenn er nicht wie jetzt entschieden hätte. Die Subventionierung eigener Produkte zu Lasten der anderen EU-Staaten wäre sicher kaum vereinbar gewesen mit dem Europäischen oder vielmehr dem EU-Gedanken.

      Folgen gibt es natürlich auch innerhalb der EU. Es wird einen Spielerfluss von den ärmeren EU-Ländern in die Reicheren geben. Die Reicheren werden beklagen, ihre Talente können sich nicht mehr entwickeln, die Identifikation mit den Vereinen ginge verloren, die Vereine werden dies ebenfalls so sehen, sich aber `gezwungen` sehen im Wettbewerb sich den Marktgesetzen zu fügen, schliesslich sei die Bundesliga keine Liga wie die NFL, aus der man nicht absteigen könne, etc.. Die Ärmeren werden beklagen, dass ihre Stars im Ausland spielen, ihre Ligen nicht attraktiv seien und ihre Nationalteams schwer zu organisieren.

      Doch diese Folgen sind innere Sache der EU, und sicher nicht, wie auch die Folgen für den Rest der Welt, das Ende des Fussballs.



      - Scheinbar arrogant interessierte sich die UEFA mehr dafür die Reichen reicher und die Gierigen noch gieriger zu machen, als sich um das Problem eines Spielers wie Jean-Marc Bosman ernsthaft zu kümmern.


      Die Rolle der Verbände: Die `nicht zuständige` FIFA und die `völlig überraschte UEFA`, die sich ansonsten in der konsequenten Verfolgung von `Tendenzen zu noch mehr Geld verdienen` sehr hervortut, taten im Vorfeld nichts, um IHR KULTURGUT zu schützen. Denn eigentlich waren sie ja nicht zuständig für ein solches `lokales` Problem. Und die nationalen Verbände waren nicht zuständig für ein supranationales Problem. Und so tat die UEFA nichts, ausser die Champions League so zu reformieren, dass die Gier der Reichen immer mehr geweckt und geschürt wurde, dass die Meister der kleinen Verbände nicht mal mehr eine theoretische Chance haben, die Champions League zu gewinnen, denn Qualifikations-teilnahmeberechtigt sind ja nur 24 Verbände, dass in der Tat der Eindruck der Goldgräbermentalität des grossen Geschäftemachens in einem Bereich (Profi-Fussball), in dem Europäische Wirtschaftsregelungen (EU-Kartellrecht usw.) als einfach nicht geltend erklärt werden, bei der EU-Administration und Gerichtsbarkeit aufkommen musste. Die UEFA regelte die Geschäftsinteressen der Beteiligten, die `gerechte` Verteilung der Gelder (eine zugegeben schwierige Aufgabe), doch sie schützte nicht das Kulturgut Fussball vor dem Geschäft und die bestehenden Konventionen vor dem herannahenden Urteil, obwohl seit Jahren bekannt war, dass dieses Urteil so und nicht anders ausfallen würde. Und sie trat scheinbar in auch in einer nahezu ekelhaften Arroganz gegenüber dem Kläger Jean-Marc Bosman auf, die diesen dazu trieb, den ganzen Weg zu gehen, sein persönliches und wirtschaftliches Schicksal hintenanzustellen und mit diesem Prozess auch seine Würde als Mensch im Fussball-Geschäft wiedereinzuklagen. Und dies sicher stellvertretend auch für einige andere, deren Anliegen die UEFA als letztes vertrat.



      - Ohne regulierende Massnahmen beginnt für die grossen Vereine das Goldgräberzeitalter und für die Kleinen das Versinken in provinzieller Bedeutungslosigkeit. Sogar Umwälzungen hin zur Auflösung von Vereinen, Neugründung von Verbänden und Gesellschaften auch durch Unternehmen aus der freien Wirtschaft sind denkbar.


      Warum sind kleine Vereine so betroffen von dem Urteil?. Nun, ein Verein hat eine bestimmte Summe, mit der er operieren kann: den Einnahmen aus Zuschauer-Eintrittspreisen, dem Fernsehen, der Werbung und dem Merchandising-Bereich. Dazu kam bisher der Wert der Mannschaft, der als Erlös auf dem Transfermarkt zu erzielen gewesen wäre. (Nur einige Vereine können noch auch auf nennenswerte Immobilien oder vereinseigene Stadien zurückgreifen und diese verkaufen oder belasten). Nun mag man argumentieren, wenn nichts mehr für Transfers eingenommen werde, müsse ja auch nichts bezahlt werden. Doch da haben einige Vereine leicht reden. Vereine, die nämlich bisher mehr für Transfers ausgaben als durch Transfers einnahmen (in der Regel die grossen und reichen bzw. gerade ausserordentlich erfolgreichen), sparen unter den neuen Vorraussetzungen erheblich an Geld, dass sie jetzt in Spielergehälter investieren können, um noch mehr gute Spieler zu sich zu locken. Vereine, die bisher einen Überschuss auf dem Transfermarkt erwirtschafteten fehlt jetzt Geld, dass in der Zukunft von Spielergehältern abgezogen werden muss. Thomas Hässler in Karlsruhe? Bald sicher wesentlich schwerer zu realisieren als noch vor gar nicht langer Zeit.

      Aber selbst, wenn alle Vereine eine ausgeglichene Transferbilanz aufweisten, hätten die kleinen Vereine durch einen Wegfall der Ablösesummen enorme Nachteile. Warum?

      Ein Beispiel. Betrachten wir zwei Vereine, den Verein A (die `Reichen`) und den Verein B (die `Kleinen`). Die Zahlen sind relativ willkürlich gewählt und sollen nur das mathematische Prinzip verdeutlichen:

      Verein A ist ein grosser Verein der bundesweit populär ist und häufig im Europapokal spielt. Verein A hat über Fernseh- und Zuschauereinnahmen, Werbung und Merchandising einen Umsatz von 70 Millionen DM. Der Wert der Mannschaft, eine teure, auf dem Spielermarkt, also das `Spielerkapital` ist 30 Millionen Mark. Durch eine Änderung der Transferpraxis entstünde ein Verlust (durch quasi Enteignung) von 30%, noch verfügbar zur Operation blieben: 70 Millionen DM. (Wie gesagt, dieses Beispiel berücksichtigt nicht einmal, dass der Klub jetzt Defizite beim Transferhandel einspart und der Verein B Überschüsse auf diesem Gebiet erwirtschaften könnte. Auch Transferschlüssel, nachdem die Grossen mehr zahlen für Transfers als die Kleinen, sind ebenfalls nicht berücksichtigt).

      Verein B ist ein kleinerer Verein mit einem bundesweit unbedeutenden Merchandising-Effekt und verdient auch kein Geld im Eurapapokal. Sein Umsatz ist nur 10 Millionen Mark, das (ja auch beleihbare) Spieler-Kapital (die Spieler dieses Vereins sind natürlich nicht so teuer) ebenfalls 10 Millionen Mark, ohne Transfereinnahmen gehen dem Verein 50% verloren, er noch verfügt nur noch über 10 Millionen um auf dem `Markt` zu operieren.

      Vorher war das Gefälle der Möglichkeiten der beiden Vereine 100:20, also 5:1, jetzt ist es 70:10 also 7:1. Und mit dem steigenden Einnahmemarkt für populäre Vereine aus Merchandising etc. wird sich dieser Effekt weiter verstärken. Ein VW Golf `FC Bayern` ist vorstellbar, ein VW Golf `VfL Bochum` eher weniger, zumal wenn jetzt das Gefälle der populären Spieler sich noch weiter verschiebt.

      Unreguliert können einige erhebliche Probleme für das ganze System Liga entstehen:

      Problem 1: Das Qualitätsgefälle zwischen den Spielern der einzelnen Mannschaften wird grösser.

      Problem 2: Auch die Grösse des Kaders könnte unterschiedlich ausfallen, vor allem was Spitzenspieler angeht.

      Beide Probleme verstärken einen Effekt der im aktuellen Fussballgeschäft schon sehr zu bedauern ist: Spitzenspieler wie Hässler, Herzog, Sforza, Papin, Scholl oder Ruben Sosa und Okocha, die Attraktion in jedem Fussballstadion sind, sitzen mehr als die Hälfte ihrer Zeit auf der Ersatzbank, da die Kleinen sich ihre Gehälter nicht leisten können, die Grossen ihre Positionen gegen Veerletzungen und Formschwankungen doppelt und dreifach absichern. Der AC Mailand der frühen 90er lässt grüssen.

      Doch Vereine, die bisher mehr Geld für Transfers eingenommen haben als ausgegeben (meist logischerweise den mit dem wesentlich höheren Umsatz) können diesen Überschuss nun nicht nur in Gehälter und Spieler sondern in der Folge für das Gefälle mittelfristig noch auswirkungsstärker, in umsatzbringende Massnahmen (Stadionausbau, Merchandisingprojekte oder gar völlig fussballfremde Projekte wie Hotelbau o.ä. ) investieren, zu tatsächlichen Wirtschaftsunternehmen ohne Beschränkung auf den Fussball mutieren. Zwar ist die FC-Bayern-Kartoffel noch nicht an der Säbener Strasse angebaut, doch diese Art Fast-Joint-Venture ist zumindest die Vorstufe für fussballferne nichtwirtschaftliche Tätigkeiten.

      Warum soll der FC Bayern keine Filiale in Spanien gründen und mit einem Teil seiner Angestellten nicht nur seine Milch verkaufen sondern auch um die spanische Meisterschaft mitspielen? (Verstösst eine Beschränkung der spanischen Meisterschaft auf spanische Vereine, bzw. nun:Wirtschaftsunternehmen) gar gegen EU-Recht?) Warum soll Borussia Dortmund noch gegen Karlsruhe kämpfen, wenn der FC Barcelona eine Gastmannschaft in Deutschland spielen lässt um katalanische Zitronen zu vertreiben? Warum soll man sich noch der UEFA unterwerfen, wenn man das Investitionskapital einer japanischen Auto-Firma in der Liga begrüssen möchte, die gerne in der deutschen Meisterschaft mit einer Mannschaft von brasilianischen Weltmeistern mitspielen möchte? Gaqr nicht so schlecht? Nun das kommt darauf an ob man in München oder in Karlsruhe sitzt, ob man schon seit 50 Jahren Fan von Rot-Weiss Essen ist oder einfach nur Fernsehzuschauer dem mit Fussball als Umfeld Werbefernsehen angedreht werden soll. Eine einigermassen seriöse Bewertung einer solchen Zukunft ist schwierig, aber mit den Mitteln der Informationstheorie ist eine Prognose über den Gehalt eines solchen Systems denkbar, wenn auch aufwendig.



      - Das Gejammer über das Urteil hat eine erhebliche heuchlerische Komponente. Das System war lange nicht so toll, wie die Betroffenen, jäh aus ihrem gierigen Traum vom unendlichem Boom gerissen, jetzt weismachen wollen. Doch auch ein vielleicht bedauerlicher Zusammenbruch ist immer die grosse Chance eines sinnvollen Neuaufbaus. Ein weltweites System mit wirklicher Ausbildungsfinanzierung ohne spekulativen Charakter könnte aufgebaut werden.


      Ablösesummen als Ausbildungsentschädigungen haben eine gewisse heuchelerische Komponente. Mit den Ausbildungskosten haben sie jedenfalls nichts zu tun. Eine hohe spekulative Komponente, die eher an die Patentierung eines Produktes erinnert, kennzeichnet den Fussballer-Handel als Markt. Vereine, die eine gute Ausbildungsarbeit betreiben, aber keine Millionen-Stars hervorbringen bekommen nichts gleichwertiges. Vereine, die rechte an afrikanischen Kindern erwerben und diese in Internaten nach dem Motto 10 kosten 100.000, einer wird eine Million bringen zusammenpferchen, sind weniger an deren Ausbildung als an einem Spekulationsgeschäft interessiert. Wieviel wirklich gute Ausbildung bedeutet zeigt das Beispiel Ajax Amsterdam, dass sich nicht einfach nur die Rechte an Talenten sichert sondern auch wirklich Wert auf deren Ausbildung legt. (Auch wenn die, die den Sprung nicht schaffen, natürlich nie gefragt werden.)

      Wie weit könnte ein JJ Okocha schon sein mit einem Spielmacher-Coach, wie in den USA in der NFL beispielsweise mit dem Quarterback-Coach oder dem Wide-Receiver-Coach üblich. Ihm nur einmal `Riskier auch mal was` oder `An der Stelle darfst Du nicht dribbeln` (polemische Darstellung, keine Beschreibeung der wirklichen Arbeit des aktuellen Frankfurter Trainergespanns) über den Platz zuzurufen ist bestimmt keine Millionen DM Ausbildungsentschädigung wert, verglichen mit Spezialübungen zur Schulung der Übersicht usw. Zahlreiche Ex-Profis könnten so auch nach ihrer aktiven Zeit in Spezial-Lehrgängen im Trainingslagern oder zu ähnlichen Gelegenheiten aktiv sein. Ein grosser Teil der ausgebildeten Trainer könnte sich spezialisieren.

      Doch nicht die Ausbildung wurde mit dem bestehenden System honoriert, sondern der Wert des Spielers abgelöst, spekulativ investiert, Rechte erworben, eine Menschenbörse. Sicher hat dieses System auch Ausbildungskosten abgedeckt, ist heruntergetropft auch auf kleine Vereine, doch jetzt ist es in der EU abgeschafft und muss ersetzt werden.

      Denn ein Zusammenbruch ist immer auch Chance zur überdachten Neu-Konstruktion. Und warum sollte nicht auch die FIFA den Anlass begreifen und über neue Variationen nachdenken? Beispielsweise eine Ausbildungsabgabe, die sich nach dem Umsatz der Vereine oder Verbände, nach den eingesetzten Spielern richtet und zurückgeführt wird auf die Verbände aus denen diese Spieler stammen, welche dann entscheiden könnten wie sie diese Ausbildungs-zweckgebundenen Gelder verteilen (zum Beispiel wieder zu den Vereinen aus denen die SPieler kamen oder aber nach einem Schlüssel an alle ausbildenden Vereine o.ä.) So würden auch Ausbildungsgelder in Regionen fliessen deren Preise aus weltwirtschaftlichen Gegebenheiten bisher gedrückt wurden (von wegen gerechtes System) wie z.B. Afrika. (Im Gegenzug könnte Afrika ein Teil seiner Qualifikationsspiele vielleicht Mittwochs austragen um einen alten Konflikt zu lösen, bisher konnte man ja argumentieren, dass die Spieler als Gegenleistung für die kulturelle Ausbildung zumindest für die Nationalmannschaften anforderbar waren.) So würde immer ein bestimmter Prozentsatz des Umsatzes in die Ausbildung zurückgeführt. Problem ist hier, dass die Vereine, jetzt nicht mehr spekulationsorientiert, dies als eine Art Quasi-Besteuerung empfänden, vor allem wenn populäre Geschichten über versickernde Gelder in korrupten Verbänden bekannt würden.

      Eine andere Komponente köten zusäliche Ausbildungsverträge sein, die sich von den anderen eher arbeitsvertragähnlichen Verhältnissen dadurch unterscheiden, daá in ihnen Ausbildung garantiert ist beinhaltend Ausbildung in Medienumgang und Wirtschaftsfragen. Dafür muá sich der Auszubildende eine längere Zeit an den Verein binden, und, falls er nach Ablauf der Ausbildungszeit nicht bleibt und zu einem anderen Verein wechselt, dieser eine Aufwands-Entschädigung bezahlen. Im Prinzip k”nnte diese aber auch ?ber die obige, zuerstgenannte L”sung abgedeckt werden, so daá gar keine Aufwandsentschädigungen mehr in ablöseähnlichen Formen verschl?sselt werden. Zahlreiche weitere Varianten sind denkbar.

      Wichtig erscheint auf jeden Fall, dass sich die FIFA Gedanken über die Rolle der Nationalmannschaften Gedanken macht, denn auch diese drohen in das Problem verstrickt zu werden. Doch gerade die Welt- und Kontinentalmeisterschaften erscheinen als der absolute attraktivste und schönste der Struktur und sollten vorsichtigst geschützt werden.



      - Gefahren drohen den Wirtschaftstätigen auch von anderer Seite. Erst einmal als Wirtschaftstreibende distinguiert können die Profi-Fussballer das Kartellrecht nicht mehr einfach ignorieren. Etliche Verträge drohen von Kartellämtern und Kommissionen durchleuchtet und möglicherweise gekippt zu werden.

      Ein Problem am Rande. Änderungen in diesem Bereich bedrohen den Fussball nur soweit, als dass seine Outlaw-Position Fläche genug für Prozesse jeglicher Art und damit beispielsweise auch profilierungsbedarfter Anwälte und ähnlicher Aktivisten bietet. Was wiederum die Berichterstattung vom grünen Rasen in die Gerichtssääle teilverlagern könnte. Dem sollte mit vorbauenden Massnahmen entgegnet werden. Vor allem Probleme mit wettbewerbseinschränkenden Verträgen könnten kartellrechtliche Untersuchungen wie sie bezüglich der Fernsehverträge bereits vorgenommen werden nach sich ziehen.

      Ein zunächst scheinbar absurdes Beispiel: Hessischer Bundesligaspielemarkt, Eintracht Frankfurt stellt 50% der hier auftretenden und 100% der hier ansässigen Profivereine. Ein mittelständiges Textilunternehmens, dass die Eintracht für ein Spiel oder einen Wettbewerb wie den UI-Cup ausrüsten möchte, klagt gegen den langfristigen Ausrüstervertrag der Eintracht. Jetzt muss kartellrechtlich abgewogen werden, wie weit der Werbeeffekt eines langfristigen Ausrüstervertrages gegen den eingeschränkten Wettbewerb (das mittelständische Unternehmen hat ein besonders schönes Okocha-Trickot entworfen, dass so dem Kunden vorenthalten bleibt) abzuwägen ist.

      BEST CASE(unwahrscheinlich): Status Quo bleibt erhalten.

      AVERAGE CASE: Status Quo wird eingeschränkt.

      WORST CASE(unwahrscheinlich): Status Quo verstösst völlig gegen Wettbewerbs- und Kartellrecht, Spiele und Spieler müssen ab nun einzeln vermarktet werden.









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      Aspects of the European Court decision in the Bosman case

      Attention: The English Version contains only a headline form. The Long Version featuring the explaination of the mentioned aspects will only be available in German until Bayern Munich or somebody else rich and nice sponsors the translation. Sorry.


      1) The Bosman decision reviewed from the non-EU-perspective:



      The decision endagers worldwide conventions and agreements that seem to be of higher value than the concerned issues of a small region inside Europe. Almost everybody in the world has agreed on how to organize soccer-matches and player-transfers. This is a cultural asset that should not be endangered by local interests.


      The decision is marked by imperialistic components. The economical power of the EU made it possible for a small group of countries to stop the flow of transfer fees to other regions. Subventions for EU-Players force down the prices for non-EU-players. The economical power of the Union puts high pressure on the bigger `rest` of the world to change the system everybody agreed on in favor of the concerns of a small number of countries.

      2) Football Associations come in for a lot of criticism:



      In a seemingly arrogant behaviour UEFA ignored the problems of a player named Bosman and concentrated on how to make the rich richer and the greedy greedier (Champions league etc.).

      3) Developments that might have been triggered and the oppertunity for a new build-up-the system. Horrorvisions about the end of the world alternate with fairitales of a bright future for the popular:


      Without taking measures Professional Football might change its face in favour of new big companies run by the popular clubs with enterprises in all countries and business far beyond the game itself while smaller clubs vegetate in their provincial meaninglessness.


      The complaining about the court decision reveals a great share of hypocracy in the systems agents arguments. The transfer fees were more of speculative character than real fair compensation for educational efforts. But a break down enables Associations to create a real education compensation system putting an end mark to some embarrassing techniques, for example Europeans browsing through Africa, ensuring rights to talents that might prove worthy once on players stock markets.


      Once distinguished as an economical branch, professional football will now come into more difficulties concerning their long term contracts with Television companies, Sponsoring etc.
      Avatar
      schrieb am 10.04.04 08:39:06
      Beitrag Nr. 132 ()
      @Kieberer ... dieses Thema hätte wohl besser in den Deutschland-Thread gepasst, aber ist nicht so schlimm, ich vertue mich auch oft....
      Avatar
      schrieb am 10.04.04 12:30:45
      Beitrag Nr. 133 ()
      Das Rauchermärchen


      Es war einmal vor vielen, vielen Jahren,, in einem fernen, fernen Land, man nannte es jenseits von ATTIKA. An einem schönen Sommermorgen beschloss Johann, ein Meister des Roulettes, seine Freunde dürften auch JOHN PLAYER zu ihm sagen, einen Ausflug in die Wüste zu machen. Johann Player, ein überaus vornehmer Mann, war eine englische Adelsgröße aus dem Hause KINGSIZE, so eine Art LORD. An diesem Morgen war der LORD EXTRA früh aufgestanden, er sattelte sein Lastentier und ritt los.

      Er war schon zwei Stunden unterwegs, da passierte es: Weil es ihm zu langsam ging, peitschte er auf sein Lastentier ein und verlangte: MERRITT! Und plötzlich: Sein Kamel fiel TEERmaßen über einen Stein und der Lord in hohem Bogen in den glühenden STEYVESANT. Das Kamel war so erschöpft und zu keinem weiteren Schritt mehr imstande, wo es doch schon bei der letzten ERNTE 23 Kilo abgenommen hatte. Der Lord stand aber jetzt nicht nur dumm da, er stand DAVIDOFF. Aber er dachte sich: Hilf Dir selbst, DUNHILLft Dir Gott! Und er machte sich auf den Weg. Zu seinen Glück dauerte es nicht lang, bis er auf eine fruchtige GOULOISE traf.

      Am großen Erfrischungs- wasserloch erblickte er ein wunderschönes Mädchen, die Tochter eines dampfenden ROTH HANDLErs . Sofort verliebte er sich in sie und sagte: Ich HB Dich lieb. Der Gedanke, die Frau eines Lords zu sein, gefiel ihr. Es war richtig MARLBOROmantisch. Am Anfang wollte sie nur schmusen, aber R6. Doch es blieb ihr keine andeREVALL. Und er dachte sich: Was mach` ich jetzt, wenn mein LUCKY STRIKEd. Und so hatten sie bald zwei Kinder, die hörten auf die Namen NIKO und TINA. Alle lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage und WINDSOR nicht gestorben sind, dann rauchen sie noch heute!
      Avatar
      schrieb am 10.04.04 13:23:25
      Beitrag Nr. 134 ()
      Wer ist eigentlich Roy Raperpotz?



      Roy Raperpotz ist ein Prinz aus Traumania, dem sagenumwobenen Land der Träume, einem Ort, an dem all unserer Träume in einem geheimnisvollen Meer verborgen liegen. Seine Eltern brachten ihn in unsere Welt, an jenem Tag, als der schwarze Regen ihr Land zu zerstören begann. Doch nun ist die Zeit gekommen ihm entgegen zu treten, und Roy ist bereit in sein Königreich zurück zukehren. Zwar kann er sich noch an nichts erinnern, doch seine besten Freunde Racket und Romy stehen ihm hilfreich zur Seite. Roy muss es wieder lernen, das Träumeln. Das Träumeln? Was das ist? So nennt man es, den Menschen ihre Träume zu bringen. Denn immer wenn wir schlafen des Nachts, holen uns die Träumler in ihr Land und bescheren uns unsere Träume. Wahrhaft phantastisch. Nicht wahr? Doch Roy und Racket müssen das Träumeln erst noch lernen. Zusammen mit Romy und all den anderen Kindern in der Schule Raperpotz ziehen sie los um ihren Traummantel, Traumsand und schließlich ihren Konkel zu erringen, mit dem sie die Träume aus dem Meer der Träume in wunderbarer Weise zu den Menschen bringen. Und schließlich lernen sie hunduisch, die alte Sprache der Träumler, die nur von diesen gesprochen werden darf.

      Nach zahlreichen Abenteuern werden sie die besten Träumler, die Traumania je gesehen hat. Sie bringen den berühmtesten Menschen ihre Träume: Christoph Kolumbus, König Artus und Spartakus, Marco Polo, König Salomo und Pharao Ramses, Galileo Galilei, Leonardo da Vinci, Nikolaus August Otto, Gutenberg, Einstein und vielen vielen anderen Persönlichkeiten und Wissenschaftlern.

      Eine unglaubliche Reise beginnt für die Abenteurer im Land der Träume. Es ist nicht nur eine Reise in ein wahrhaft traumhaftes Land, es ist eine Reise durch die Geschichte der Menschheit, eine Reise durch Mythen und Sagen, durch die Sprache unserer Zeit.

      Es ist eine Reise, die einen selbst träumen lässt in grenzenloser Phantasie und doch mit einem wunderbaren Bezug zur Realität. Es ist ein märchenhaftes Schulbuch, welches traumhaft einfach Wissen vermittelt und dabei eine unglaubliche Geschichte erzählt. Doch letzten Endes bleibt noch ein großes Geheimnis. Woher kommt der schwarze Regen?
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      schrieb am 10.04.04 13:25:13
      Beitrag Nr. 135 ()
      Roy Rapperpotz und das verbotene Tor



      Roy war ein kleiner schüchterner Junge mit blonden strubbeligen Haaren und einer seltsamen schwarzen Strähne darin, die ihn jeden Morgen beim Kämmen dermaßen ärgerte, dass er länger als all die anderen Jungen im Badezimmer brauchte, um sie zu bändigen. Doch so sehr er sich auch anstrengte, so oft er auch durch sie hindurch kämmte, er konnte diese Strähne nicht besiegen. Sie stand von seinen Haaren ab wie ein störrischer Esel, der nicht hören will. Alle anderen Kinder - besonders Greg, der größte Junge im Waisenhaus St. Jones - lachten ihn aus deswegen. Und gerade heute war die Strähne noch widerspenstiger als sonst. So sehr er sich auch mühte, so oft er auch versuchte, sie flach an seinen Kopf anzuschmiegen, immer wieder stellte sie sich auf und trotzte jeder Bewegung seines Kammes, so als ob sie sich heute ganz besonders hervortun wollte, als ob sie heute einen ganz besonderen Grund dafür hätte.

      Von außen pochte bereits Greg an die Tür. „He, Rapperpotz! Roy Rapperpotz! Wenn du nicht gleich raus kommst, dann kannst du für immer drin bleiben.“

      Um seine Worte zu betonen, stieß er noch einmal kräftig mit dem Fuß gegen die Tür. „Hast du mich verstanden, Rapperpotz?“

      Roy packte hastig seine Sachen zusammen. Er hasste es, so genannt zu werden. Immer wieder hänselten ihn die Kinder wegen seines Namens. Rapperpotz. Roy Rapperpotz. Dies war wirklich ein sehr seltsamer Name. Roy Rapperpotz. Doch solange er denken konnte, hieß er schon so. Und ebenso lange lebte er schon in diesem Waisenhaus, weit außerhalb der Stadt, zusammen mit vielen anderen Kindern, die kein zu Hause mehr hatten. Er wusste nicht, wer seine Eltern waren, noch wusste er, wo er hingehörte. Keiner hier konnte ihm dies sagen und keiner wusste, wie er eigentlich in dieses Waisenhaus gekommen war, nicht einmal Direktor Finlox.

      Roy öffnete die Tür und schaute vorsichtig hinaus. Von der Seite packte ihn Greg und zog ihn aus dem Bad. „Rapperpotz, du siehst aus wie ein Struwwelpeter. Was hast du eigentlich die ganze Zeit da drin getrieben?“ Er stupste ihn in die Seite. „Wegen dir werden wir noch alle zu spät zum Frühstück kommen!“ Er schob Roy zur Seite und ging lauthals brüllend ins Bad.

      Im Frühstücksraum waren bereits alle Kinder versammelt. Der Direktor, Herr Finlox, ein finster dreinblickender knorriger Mann, schritt vor der Reihe der Kinder entlang. Bei jedem hatte er etwas auszusetzen: „Steck dein Hemd richtig rein, Peter. Kopf hoch, Martin. Michael, putz deine Schuhe.“ Kurz vor Roy stoppte er seinen langsamen und schleppenden Gang und schüttelte den Kopf. „Rapperpotz, Rapperpotz. Du wirst es wohl nie lernen. Schau dich an. Weißt du, wie du aussiehst? Wie ein Kind von der Straße. Was soll nur aus dir werden?“ - „Aber..“, versuchte Roy sich zu verteidigen. „Nichts aber“, unterbrach ihn Finlox. „Jeden Morgen hast du die gleiche Ausrede. Du gehst sofort in den Keller zu Morella und lässt dir deine Haare schneiden, ist das klar?“

      Die Kinder im Saal verstummten. Jeder fürchtete sich vor Morella. Sie war eine alte seltsame Frau, die im Keller von St. Jones hauste und nur selten ins Haus - geschweige denn in den Garten - kam. Einige behaupten sogar, sie wäre eine Hexe und hätte schon etliche kleine Kinder verhext. Alle Kinder, sogar Greg! hatten Angst vor ihr und jeder im Saal war froh, nicht an Roy’s Stelle zu sein.

      Finlox stand wartend vor Roy und musterte ihn scharf. Roy drehte sich um und verließ den Frühstückssaal. Was sollte er tun? Was sollte er sagen? So hungrig er auch war, er musste sich fügen. Und da er zwar klein und schüchtern, aber keinesfalls feige war, schritt er die kalten Stufen hinunter in den Keller zu Morella. Doch eigenartigerweise - je tiefer er kam, desto weniger Angst hatte er. Ja, und obwohl er im Halbdunkel nicht viel sah, so kam ihm die Umgebung sogar irgendwie bekannt vor. Nur ein- oder zweimal war er in diesem Keller und so richtig konnte er sich gar nicht mehr daran erinnern, auch nicht an Morella, doch er spürte das eigenartige Gefühl, schon sehr oft hier gewesen zu sein. Er konnte es sich nicht erklären. Er kam zu einem Raum, der durch ein Kaminfeuer hell erleuchtet war, so dass er an den Wänden Regale mit seltsam anmutenden Gläsern sehen konnte. In der Mitte stand ein großer Holztisch mit vier Stühlen daran. Vor dem Kamin stand gebückt eine Frau mit grauem, wallendem Haar. „Komm ruhig näher, Roy Rapperpotz. Ich habe schon auf dich gewartet. Du solltest eigentlich schon längst hier unten sein, schon seit Wochen. Was hat dich aufgehalten?“ Roy wusste nicht so recht, was er erwidern sollte. „Direktor Finlox hat mich eben erst hier herunter geschickt. Sie sollen mir meine Haare schneiden.“ - „Finlox, dieser Trottel“, erwiderte Morella empört, ohne sich vom Kamin weg zudrehen. „Haare schneiden. Ist das sein einziges Problem? Haare schneiden? Der hat keine Ahnung von dem, was hier wirklich vor sich geht. Setz dich Roy.“

      Neugierig schaute sich Roy im Raum um. Als er sich setzte und wieder zum Kamin schaute, war Morella jedoch verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Er schaute in jede Ecke und jede Richtung, doch er konnte sie nicht mehr sehen. Er war ganz alleine. Dort saß er nun und wartete und wusste nicht was er tun sollte. Es saß dort bestimmt bis Mittag, doch es geschah nichts. Morella war verschwunden und kam nicht wieder zurück. So wartete er weiter, bis es schon fast dunkel war, denn Direktor Finlox hatte ihm eindeutig erklärt, dass er ohne einen neuen Haarschnitt nicht aus dem Keller zu kommen brauchte. Zum Glück fand er in einem Regal ein paar Äpfel und einen Kanten Brot. Damit stillte er seinen Hunger und er leerte für seinen Durst einen Krug Wasser, der auf dem Tisch stand. Doch allmählich wuchs in ihm die Sorge, dass Morella heute gar nicht mehr zurückkommen würde. Da erklang plötzlich eine leise, schnurrende Stimme. „Königliche Hoheit! Ein Glück, dass ich Euch gefunden habe.“ Roy schaute sich um. Es war niemand zu sehen. In der Ecke saß nur ein schwarzer Kater mit einigen weißen Haaren an der Kehle. Sonst war niemand da. Aber woher kam dann diese Stimme, die ihn mit königlicher Hoheit ansprach? „Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie lange ich Euch gesucht habe, Euer königliche Hoheit. Endlich habe ich Euch gefunden! Miau.“ Tatsächlich - es war der Kater, der zu Roy sprach. Roy konnte kaum seinen Augen und Ohren trauen. War dies hier etwa eine Hexenküche mit sprechenden Tieren? „Ihr müsst mir helfen. Ihr seid meine letzte Hoffnung. Ihr seid unsere letzte Hoffnung.“ - „Bist du das, der da zu mir spricht?“, fragte Roy ungläubig den schwarzen Kater. „Ja, natürlich bin ich es.“, erwiderte der Kater und stellte sich dabei auf die Hinterpfoten. „Erkennt Ihr mich denn nicht?“ - „Nein. Wer bist du denn?“, fragte ihn Roy erstaunt. „Ich bin’s, Racket. Euer treuer Freund Racket. Aber ja, ich hätte es mir denken müssen. Ihr erkennt mich nicht in dieser Tiergestalt. Ich vergesse immer wieder, dass ich ein Kater bin.“, sprach der Kater und sprang über einen Stuhl auf den Tisch. - „Sollte ich dich kennen?“ fragte Roy immer erstaunter. „Oh, ja. Natürlich. Wir sind die besten Freunde. Erinnert Ihr Euch nicht? Ihr müsst Euch doch erinnern. Wir waren jeden Tag zusammen. Ihr wisst schon, damals in Traumania. Bis dieser Regen kam und unsere Welt zu zerfallen begann.“ - „Wovon sprichst du da? Ich kann mich an keinen Regen erinnern.“ - „Ihr wisst wirklich nichts davon? Ihr habt alles vergessen! Oh, wir müssen uns beeilen. Wir müssen zurück in unsere Welt, bevor es zu spät ist, wenn es nicht jetzt schon zu spät ist.“ Roy war sehr aufgeregt. „In unsere Welt? Du weißt, woher ich komme?“ - „Ja, natürlich weiß ich es.“, schnurrte Racket und griff mit einer Pfote nach einem Apfel, der achtlos auf dem Tisch lag und biss genussvoll hinein. „Ihr seid Roy Rapperpotz, der jüngste Sproß der königlichen Familie Rapperpotz aus dem Land Traumania.“ Racket verneigte sich auf den Hinterbeinen stehend und mit dem Rest des Apfels in der Pfote tief vor Roy und zeigte dann mit der anderen Pfote auf seine strubbeligen Haare. „Und seit dem Regen habt Ihr auch diese schwarze Strähne, die Euch übrigens sehr gut steht, meint zumindest Romi. Naja. Da kann man wohl geteilter Meinung sein.“ - „Romi?“, fragte Roy erneut sehr aufgeregt, denn nun schien er sich doch an etwas zu erinnern. „Sagt bloß, Ihr habt auch Romi vergessen? Oh, wir müssen uns wirklich beeilen. Folgt mir!“ Racket ließ den Apfelrest auf den Tisch fallen und lief zu einer Seitentür in der hinteren dunklen Ecke des Raumes. Roy hatte sie vorher gar nicht wahrgenommen, doch als sie nun hindurch traten standen sie plötzlich mitten im Garten hinter dem Waisenhaus. Der Kater Racket lief bis zu der Hecke mit den buschigen Hainbuchen am anderen Ende des Gartens. Als er unter der Hecke hindurch schlüpfen wollte, stockte Roy: „Wir dürfen nicht hinter die Hecke. Direktor Finlox hat uns streng verboten, dahinter zu gehen.“ - „Vergeßt Direktor Finlox, Roy. Wir werden bald zu Hause sein. Kommt schon!“

      Aus irgendeinem Grunde – auch, wenn sie sonst überall durch das Gelände stromerten - hielten sich doch alle Kinder aus dem Waisenhaus fern von dieser Hecke. Es kam ihnen nie in den Sinn, dieses Verbot zu missachten. Auch Roy beschlich nun ein unangenehmes Gefühl, das er nicht so recht beschreiben konnte. Doch mutig folgte er dem Kater, der sich Racket nannte und das seltsame Gefühl wich schnell einem neuen, wunderbaren, einem, das er nie zuvor erlebt hatte. Doch er meinte es zu kennen aus Büchern, die er gelesen hatte. Es war das Gefühl der Heimat, das Gefühl, nach Hause zu kommen. Mit pochendem Herzen lief er Racket nach und zwängte sich durch die Hainbuchen.

      Hinter der Hecke, neben großen Haselnussträuchern verborgen, lag ein kleiner Pavillon. Die Mauern waren bereits vergilbt und der Putz bröckelte von den Wänden. Der Eingang war gerade groß genug, um Roy problemlos hindurch zu lassen. Racket wartete ungeduldig auf ihn und tippte dann mit seiner Pfote gegen einen Stein in der Wand, auf dem ein Symbol, zwei quere gekreuzte Striche, eingeritzt waren. Ein seltsames Licht erstrahlte plötzlich und erhellte den gesamten Pavillon. Fast im selben Augenblick erklang eine tiefe Stimme direkt vor ihnen: „Wer stört die Ruhe des Wächters des verbotenen Tores?“ - „Miau. Ich bin es, Racket.“ hauchte der Kater sanft und ehrerbietig. „Ach, du bist es schon wieder. Du wirst es wohl nie aufgeben. Hast du das Rätsel gelöst?“ - „Nein“, antwortete Racket etwas verärgert, „aber ich habe einen Freund mitgebracht, ein Mitglied der königlichen Familie, siehst du? Es ist Roy Rapperpotz.“ - „Hm. Ja. Ich sehe. Es ist wirklich Roy Rapperpotz. Er trägt die schwarze Strähne im goldenen Haar. Hm. Dennoch muss auch er das Rätsel lösen, um durch das Tor zu gehen.“ - „Ja, ja.“, erwiderte Racket eifrig. „Stell ihm die Frage. Er wird sie beantworten. Er wird es wissen. Ich weiß es.“ - „Also gut.“, ertöne die Stimme, jetzt sogar noch tiefer als vorher. „Höre mir aufmerksam zu mein junger Freund:

      Es ist ein Ort, den alle Menschen kennen.
      Ob gut, ob böse, sie alle ihn Ihr eigen nennen.
      Es ist ein Ort, an dem sich jeder Wunsch erfüllt,
      ein Mantel, in den man sich des nächtens hüllt,
      dort wo Erwachs‘ne wie die Kinder tollen,
      und nie mehr von dort gehen wollen.
      Ein Ort, an dem es keine Grenzen gibt,
      an dem nur eins, der eigne Wille siegt,
      zu dem man geht mit Freuden fort.
      Sag mir, was ist das für ein Ort?
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      schrieb am 10.04.04 13:27:11
      Beitrag Nr. 136 ()
      Roy Rapperpotz und das Orakel Guckifix



      Am nächsten Morgen gab sich Roy weniger Mühe, seine Strähne glatt zu kämmen. Er wusste nun, dass es eine Ursache dafür gab und er wusste nun auch, dass er ein Mitglied der königlichen Familie war. Nun ja. Aber welcher königlichen Familie eigentlich und was für ein Königreich sollte das sein? Voller Ungeduld wartete er den ganzen Tag darauf, dass Racket sich bei ihm melden würde, doch er ließ sich nicht blicken. Als ob gestern nichts geschehen war, verlief der Tag wie alle anderen. Selbst Direktor Finlox schien sich an nichts zu erinnern, denn er sprach ihn nicht auf seine noch immer zerzausten Haare an und verlor auch kein Wort über den gestrigen Abend im Pavillon hinter der Hecke. Roy wunderte sich sehr darüber und langsam begann er schon daran zu zweifeln, den gestrigen Tag überhaupt erlebt zu haben.

      Doch als es zu dämmern begann und alle Kinder aus dem Garten ins Haus zurückgekehrt waren, hörte er von der Seite ein leises Miauen und er meinte zu hören, wie jemand seinen Namen rief. Erschrocken blieb er stehen und drehte sich um. Außer ihm schien niemand weiter diese Stimme gehört zu haben, denn alle Kinder liefen weiter und verschwanden im Haus, Roy stand ganz alleine im Garten. „Racket? Bist du das?“ fragte er vorsichtig ins Dunkel. Von der Seite kam Racket auf Roy zugesprungen. „Roy! Euer königliche Hoheit! Wir müssen uns beeilen.“ Dann schaute er Roy mit großen Augen an. „Wisst Ihr die Lösung des Rätsels?“ - „Ja, ich denke schon.“ - „Ja, ja. Ihr werdet es schon wissen. Schließlich seid Ihr ein Mitglied der königlichen Familie. Ihr seid Roy Rapperpotz.“, antwortete Racket, seiner Sache völlig sicher. „Was ist das für eine Familie?“, fragte Roy wissbegierig. „Sind es meine Eltern? Leben meine Eltern noch?“ - „Hm. Naja. Das ist so eine Sache.“, antwortete Racket verlegen. Doch Roy wollte es nun endlich wissen. „Was ist das für ein Königreich? Du musst das doch wissen.“ - „Naja. Das ist so eine Sache. Ich weiß es nicht.“ - „Wie meinst du das, du weißt es nicht. Du weißt doch auch, dass ich ein Mitglied der königlichen Familie bin.“ - „Ja, das schon. Aber in dieser Welt hier ist alles ganz anders. Hier weiß man nur, was man wissen muss, nicht mehr.“ - „Das verstehe ich nicht.“ - „Kommt mit und Ihr werdet verstehen, wenn wir durch das Tor gehen.“

      Racket verschwand wieder hinter der Hecke zu den Haselnussträuchern und Roy beeilte sich, ihm zu folgen. Im Pavillon legte er seine Pfote auf den Stein und schaute Roy mit erwartungsvollen Augen an. „Seid Ihr bereit, königliche Hoheit?“

      „Ja.“, erwiderte Roy, fest entschlossen durch das Tor in diese geheimnisvolle Welt zu gehen. Die tiefe Stimme des Wächters ertönte. „Wer stört die Ruhe des Wächters des verbotenen Tores?“ - „Wir sind es, Racket und Roy Rapperpotz.“ - „Ach, ihr seid es schon wieder.“, antwortete der Wächter sichtlich verärgert, wieder in seiner Ruhe gestört zu werden. „Habt ihr das Rätsel gelöst?“ - „Ich denke schon.“, erwiderte Roy, nun doch etwas unsicher. „Nun gut.“, erhob der Wächter wieder seine Stimme:

      „Nenn mir den Ort, zu dem die Menschen täglich ziehn. Nenn mir das Land, in das sie jede Nacht entfliehn, in dem sich jeder Wunsch erfüllt, in dem man nur mit Phantasie umhüllt. Es bringt in alle Kinderaugen Sand. Sag mir, was ist das für ein Land?“

      Mit fester Stimme antwortete Roy dem Wächter des verbotenen Tores: „Ich weiß, welches Land es ist. Es ist das Land der Träume.“ - „Potz Blitz!“ ertönte die tiefe Stimme des Wächters. „Ja, das ist es. Genau. Das Land der Träume.“ Racket schaute mit großen Augen zu dem Wächter. „Wie? Ist es so einfach? Das Land der Träume? Das hätte ich auch gewußt.“ - „Ich habe nie gesagt, dass es schwierig ist. Doch nun hinweg mit euch. Ich habe noch andere Dinge zu tun. Aber denkt stets daran:

      „Wer das Land der Träume hier betrat, wird brauchen einst des Wächters Rat...“

      Die Stimme des Wächters wurde immer leiser, Roy konnte ihn kaum noch verstehen.

      „ ... denk stets an des Rätsels Lösung hier, das Hilfe bringen wird in Not zu dir...“

      Weiter vernahm Roy nichts mehr, denn die Fugen der Mauer begannen zu verschwimmen und wie durch einen Schleier hindurch sah Roy die Umrisse eines Weges, auf den Racket schon hinauf gesprungen war. Er folgte ihm und es begann eine phantastische Reise in eine Welt, die Roy schon oft in seinen Träumen gesehen, die er aber nie verstanden hatte.

      Sie waren kaum durch das Tor gegangen, da verwandelte sich Racket in einen Jungen, etwas kleiner sogar noch als Roy, mit schwarzen Haaren und lustigen runden braunen Augen, die vor Freude strahlten, endlich wieder zu Hause zu sein. Er sprang lauthals singend in die Luft und ruderte mit seinen Armen, als ob er gleich abheben und in die Wolken fliegen wollte.

      Neugierig schaute sich Roy um. Sie standen auf einem steinernen Weg mit herrlich blühenden Ebereschen zu beiden Seiten und die Luft duftete nach Frühling und Sonne. Weite Wiesen mit wunderschönen Blumen, die lustig in einer sanften Brise hin und her schwankten und miteinander zu spielen schienen, erstreckten sich bis zum Horizont. Racket ruderte noch immer mit den Armen, doch sprang er jetzt dazu noch hoch in die Luft, so als ob er die kleinen Wolken, die sanft über ihm im Wind tanzten, einzufangen versuchte. Und, Roy konnte es kaum glauben, eine der Wolken kam tatsächlich zu ihm herunter, so dass Racket sie sogar berühren konnte. Sobald diese kleine Wolke seinen Finger spürte kam sie ganz zu ihm herab geschwebt, und begann sich zu strecken und zu recken und verformte sich schließlich in eine wunderschöne Kutsche, mit Rädern aus plauschigen Wolken und wohlig weich aussehenden breiten Sitzen. Diese Kutsche - nun ja, diese verwandelte Wolke in Gestalt einer Kutsche - schwebte vor ihnen auf dem Weg und wartete nur darauf, sie durch dieses Meer der Phantasie, durch diese wunderbare Traumwelt zu tragen. Es war ein wunderschöner Tag und Roy konnte gar nicht genug sehen von dieser neuen Welt. Nur hinten, weit weg in der Ferne, stand eine Wolke, die anders als all die anderen aussah, die dunkel und finster erschien, jedoch so weit weg war, dass keiner der beiden Jungen sie beachtete.

      Racket war noch immer völlig außer sich. „Roy, wir haben es geschafft! Wir sind wieder zu Hause. Jetzt wird alles gut.“ - „Wo sind wir hier?“, fragte Roy verwirrt. „Irgendwie kommt es mir bekannt vor. Doch ich kann mich nicht erinnern.“ - „Wie? Ihr wisst immer noch nicht, wo wir sind?“, fragte Racket erstaunt. „Nein.“, antwortete Roy. „Wie kann das sein? Wir sind zu Hause, Roy. Das ist unser Land, das ist Traumania. Erkennt Ihr es denn nicht?“ Roy schüttelte traurig den Kopf. „Ich weiß es nicht mehr.“

      Racket packte Roy am Ärmel und zog ihn zu der Kutsche. „Es ist noch schlimmer geworden als zuvor. Wir müssen sofort zu Guckifix.“ - „Guckifix?“, fragte Roy erstaunt. „Ja, unser Orakel Guckifix. Den kennt Ihr auch nicht?“ - „Nein.“, antwortete Roy traurig. „Aber den kennt doch jeder hier. Er ist das königliche Orakel. Ihr müsst ihn doch kennen!“ Racket konnte nicht glauben, dass Roy alles vergessen haben sollte. „Tut mir leid, Racket. Ich kenne ihn nicht.“ Nachdenklich schüttelte Racket mit dem Kopf. „Also gut. Kommt mit.“

      Er machte sich nun ernsthaft Sorgen. Roy hatte wirklich alles vergessen. Er konnte sich so gut wie an nichts mehr erinnern. Sie stiegen in die Kutsche und Racket befahl der Wolke sie zu Guckifix zu bringen. Sie flogen den steinigen Weg entlang, vorbei an den zahlreichen Ebereschen, über riesige wunderschöne Wiesen, mit Blumen, die Roy noch nie zuvor in seinem Leben gesehen hatte, und die Blumen lächelten ihnen freundlich zu und wiegten sich in der Sonne, die ihre herrlichen Farben zum Leuchten brachte, und Roy meinte zu hören, wie sie tuschelten, wenn ihre Kutsche ab uns zu in ihre Nähe kam. „Sieh nur, das ist Roy Rapperpotz. Siehst du diese schwarze Strähne? Ja, er ist es. Wirklich? Ja, er ist es wirklich. Ah. Roy Rapperpotz. Er wird den Regen besiegen. Meinst du? Ob er es schaffen wird? Ja er wird es schaffen, ganz sicher.“

      Er verstand nicht, was sie meinten, noch nicht, und so sah er gebannt nach unten als die Kutsche nun auf ein riesiges Meere hinaus flog, bis plötzlich eine Insel auftauchte, auf der ein einsamer Drachen Feuer spie, obwohl weit und breit niemand zu sehen war. „Ah, da ist ja Dragon, unser guter alter Dragon.“, sagte Racket erfreut den Drachen zu sehen. „Was ist den mit ihm?“, fragte er dann mehr zu sich selbst als zu Roy. „Er ist ja ganz aufgeregt. Was hat er denn nur? Sonst ist er ganz friedlich, glaubt mir euer königlicher Hoheit.“ Roy nickte mit dem Kopf und sie flogen weiter über das Wasser, bis sie einen großen Dreimaster erblickten, auf dessen Bug ein Mann stand, der nachdenklich in die Ferne schaute.

      „Wer ist das?“ wollte Roy wissen. „Das ist Kolumbus.“, antwortete ihm Racket bereitwillig. Obwohl sich Roy ganz genau an die Geschichtsstunden in St. Jones und auch an den Namen Christopher Kolumbus erinnern konnte fiel ihm doch jetzt partout nichts weiter dazu ein. Also fragte er Racket: „Wer ist Kolumbus?“

      „Kolumbus ist ein Mann mit großen, wunderbaren Träumen. Er fährt über das weite Meer, um einen neuen Seeweg nach Indien zu finden. Nur die besten Schüler dürfen ihm seine Träume bringen.“ Fasziniert blickte Roy auf Schiff und Mann, bis sie langsam am Horizont verschwanden. „Aber wie kommt er denn hierher, auf dieses Meer? Führt dieser Weg denn nach Indien?“, fragte er verwundert. „Nein.“, schmunzelte Racket. „Er träumt es nur. In der richtigen Welt dort draußen schläft er gerade, so dass er unserer Welt träumen kann.“ - „Aha.“, sagte Roy beeindruckt und schon flogen sie weiter über die Küste dieses riesigen Meeres über einen weiten Wald mit mächtigen Buchen und Eichen, und Roy konnte zwischen all diesen majestätischen Bäumen sogar einige besonders große Haselnussträucher erkennen, solche wie er sie auch schon hinter der Hecke des Waisenhaus St. Jones gesehen hatte. Die Blätter der alten Buchen und Eichen waren gerade noch grün, im nächsten Augenblick erstrahlten sie jedoch in den prächtigsten Farben des Herbstes, bis die Bäume alle ihre Blätter schließlich abwarfen, um wenige Augenblicke später erneut zu grünen.

      Roy war ganz und gar von diesem Schauspiel gefangen, als durch die gerade noch kahlen Bäume direkt vor ihnen plötzlich ein mächtiger Kopf empor ragte und zur Seite in die Ferne schaute.

      „Der Riese Arba!“, rief Racket bestürzt und Roy konnte sich kaum noch richtig festhalten, als die Kutsche auch schon in die Höhe schoss. Langsam schwebte sie nun über dem Kopf, der dem Riesen Arba gehörte, so dass sie ihn aus sicher Entfernung beobachten konnten. „Da haben wir ja noch mal Glück gehabt, eure königliche Hoheit.“, sagte Racket glücklich. „Der Riese Arba ist ein ziemlich schrecklicher Geselle, wisst ihr. Schaut nur diese Narbe auf seiner Wange, wie entsetzlich sie aussieht. Gott sei Dank hat er uns nicht bemerkt.“, fügte er erleichtert hinzu. „Wisst ihr, er ist der größte Riese aller Anakiter.“ In der Tat sah dieser Riese namens Arba sehr furchteinflößend und kriegerisch aus. Seine starken Arme schienen wahrhaft all die Bäume um ihn herum mit Leichtigkeit ausreißen zu können, und auf seinem kräftigen und langen Hals saß ein riesenhafter Kopf mit zerzausten tiefschwarzen Haaren und einem Mund, in dem Racket und Roy ganz sicher hinein gepasst hätten. Wenn alle Riesen, die Racket Anakiter nannte, so aussahen, dann hatte Roy nicht die geringste Lust auch nur einen von ihnen näher kennen zu lernen. Doch Arba war nun ganz und gar nicht böse. Er stand einfach nur so da, mit müden und traurigen Augen, und beachtete die Wolkenkutsche über ihm überhaupt nicht.

      „Die anderen sind ja auch alle da.“, rief Racket bestürzt aus, nachdem die Kutsche langsam an dem Riesen Arba vorbei immer weiter flog. „Da ist ja auch Arba‘s Sohn Anak und all die anderen Riesen.“ Nur mühsam konnte Roy seinen Blick von dem gewaltigen Arba hinter ihm lösen und sah nun vor sich noch weitere riesenhafte Geschöpfe auf dem Waldboden sitzen, die wie Arba irgendwo ins Nichts starren.

      „Normalerweise sitzt die Riesen nicht so ruhig und friedlich da.“, grübelte Racket. „Normalerweise darf man ihnen kein Stück zu nahe kommen. Aber irgendetwas scheint nicht ganz in Ordnung zu sein mit den Anakiten. Hm.“, rätselte Racket. „Oh, mein Gott. Ich sehe es. Das gibt’s doch nicht. Jetzt hat er auch schon die Riesen erwischt.“ - „Was?“, fragte Roy sofort neugierig. „Was hat die Riesen erwischt?“ - „Oh mein Gott. Er ist es wirklich.“ - „Wer ist es?“, fragte Roy noch einmal ungeduldig.“ - „Der schwarze Regen!“, rief Racket entsetzt. „Schaut nur. Ihre Kleider sind ganz schwarz und auch die Haare scheinen wie mit Pech beschmiert zu sein.“

      „Der schwarze Regen? Was für ein schwarzer Regen?“, fragte Roy aufgeregt weiter und betrachtete die Riesen nun noch genauer. Und tatsächlich. All ihre Körperteile waren mit einer eigenartigen schwarzen Masse benetzt. An einigen Stellen hatte dieser schwarze Regen sogar Löcher eingebrannt, und auch die Haar der Riesen waren durch ihn verklebt und gaben ihnen diese eigenartige schwarze Farbe. „Was ist das für eine Regen?“, fragte Roy entsetzt. Racket blickte Roy nun mit zitternder Stimme direkt in die Augen. „Er ist schrecklich, euer Hoheit. Er kommt blitzschnell und bringt nur Unheil. Und nachdem er ebenso schnell wieder verschwunden ist bleibt nur noch dieses Chaos hier, nichts Gutes lässt er übrig, glaube ich.“ Traurig schaute Racket wieder aus der Kutsche zu den Riesen hinunter und schüttelte nachdenklich den Kopf, so dass er Roy‘s nächsten Worte erst gar nicht richtig wahrnahm.

      „Was meint ihr?“, fragte er deshalb nach. „Woher kommt denn dieser Regen, Racket? Bist du ihm schon einmal begegnet?“, wiederholte Roy noch einmal seine Frage. „Ehhh.“, begann Racket zu stottern. „Eigentlich nicht so richtig. Ich habe nur meine Eltern davon reden hören. Er war auch nicht so häufig bisher, wisst ihr. Er ist erst vor ein paar Jahren ganz am Rande unseres Landes erschienen. Aber jetzt scheint er ja überall zu sein. Ich verstehe das nicht.“ Wieder schüttelte Racket seinen Kopf und schaute nach unten. „Weißt du denn woher dieser Regen kommt?“, fragte Roy weiter. „Eh. Nein. Niemand weiß es. Vielleicht weiß es ja unser Orakel Gu...“ Doch noch bevor Racket zu Ende reden konnte, flog die Kutsche mitten auf einen Berg zu. Roy glaubte schon voller Schreck, sie würden an der Felsenwand zerschellen, da öffnete sich die Wand vor ihnen und gab den Weg in einen langen Tunnel frei. Roy spürte die Kälte des Felsen um ihn herum. Er konnte nichts mehr sehen. Es war stockfinster. Roy und Racket rasten durch den Felsen und schrieen dabei lauthals ins Dunkle. Plötzlich erschien ein gleißendes Licht am Ende des Tunnels und die Kutsche schoss wieder aus dem Berg heraus auf eine Lichtung hoch oben auf dem Berg. Zwischen all den Gipfeln war es ruhig und friedlich. Die Kutsche hielt auf einem Weg, der zu einem seltsamen Gebilde führte. Dann begann sie sich plötzlich in lauter kleine Wölkchen aufzulösen. Roy und Racket mussten schnell hinaus springen, um nicht auf den Hosenboden zu fallen.

      Racket lief munter den Weg entlang. „Kommt schon, Roy! Wir müssen dort hinauf.“ Sie gingen mit vielen kleinen Wolken zwischen ihren Füßen zu jener seltsamen Gestalt, die, je näher sie kamen, einer riesigen Uhr immer ähnlicher wurde. Doch konnte Roy keine Zeit ablesen, denn nirgendwo war ein Zeiger zu entdecken, was ihn sehr wunderte. „Was ist das für eine seltsame Uhr, an der man keine Zeit ablesen kann?“ fragte er. „Das ist die Uhr des Guckifix.“ lautete die Antwort. „Die einzige Uhr im ganzen Land der Träume. Sie zeigt keine Zeit, weil für jeden in seinen Träumen die Zeit anders verläuft. Für einen schneller, für den anderen langsamer. Hattet Ihr noch nie dieses Gefühl, wenn Ihr träumtet?“ - „Doch, irgendwie schon.“, musste Roy zugeben. „Aber wozu nützt eine Uhr, wenn man keine Zeit darauf ablesen kann?“ - „Nur Guckifix kann an dieser Uhr die Zeit lesen. Er ist unser Orakel. Nur er weiß es.“ antwortete Racket ernst.

      Sie waren schon fast an der großen Uhr angekommen, als plötzlich eine leise, quieksende Stimme ertönte. « Au! Du Tolpatsch! Pass doch auf, wo du hintrittst!“ Roy sprang erschrocken zur Seite. „Könnt ihr denn nicht aufpassen, wo ihr lang geht mit euren großen Füßen!“ Es war eine dieser kleinen Wolken durch die Roy nichtsahnend hindurchgetreten war, so wie vorher auch durch all die anderen Wölkchen, in die sich ihre Kutsche aufgelöst hatte. Aber diese kleine Wolke hier war anders. „Entschuldige bitte, ich wusste nicht, dass ich dir weh tue.“ - „Papperlapapp, Entschuldigung. Ist das vielleicht ein Art, durchs Leben zu gehen?“, empörte sich das Wölkchen. „Mach doch deine Augen auf! Was wollt ihr eigentlich hier?“ - „Wir suchen Guckifix. Weißt du, wo er ist?“ - „Was wollt ihr denn von ihm? Ihr Dreikäsehoch.“ - „Das geht dich gar nichts an.“, antwortete Racket frech dem seltsamen Wölkchen. - „Oh, ihr wollt mir nicht sagen, was ihr von ihm wollt? Bitte sehr. Ihr Geheimniskrämer. Dann könnt ihr lange suchen. Von mir jedenfalls werdet ihr nichts erfahren.“ Aus dem Inneren der Uhr ertönte eine freundliche, jedoch auch strenge Stimme: „Schluss jetzt, Schössel. Lass die Jungen rein.“

      Widerwillig öffnete das Wölkchen mit dem Namen Schössel die Tür zur Uhr und babbelte dabei missgelaunt vor sich hin. „Diese Lümmel wollen mir nicht sagen, was sie wollen. Diese Dreikäsehoch. Denen werde ich’s noch zeigen.“

      Als Roy die Uhr betrat, wurde der Innenraum größer und größer und bald standen sie in einem gemütlichen und geräumigen Zimmer. An jeder Wand hingen Zahnräder, und überall waren tickende Instrumente zu sehen. An der Hinterwand war eine Waage befestigt, vor der ein alter Mann stand, der eifrig bemüht war, glitzernde Sterne auf eine Seite der Waage zu schütten. Er hatte einen weißen Bart, der fast bis auf den Boden reichte. „Komm herein, Roy Rapperpotz.“ winkte er Roy zu, ohne sich dabei umzudrehen. „Ich habe schon auf dich gewartet. Morella sagte mir, dass du bald kommen würdest.“ - „Sie kennen Morella?“ fragte Roy erstaunt. „Oh, ja, natürlich kenne ich sie. Und du wirst sie auch bald wiedersehen, aber setz dich doch und dein Freund Racket auch.“ Racket wurde ganz verlegen. „Meister Guckifix, ich habe ihn hier hergeholt, zurück nach Traumania, so wie Ihr es mir aufgetragen habt. Aber wir haben ein Problem: Er kann sich an nichts erinnern.“ - „Ich weiß, mein Freund. Es ist nicht deine Schuld, dass er sich an nichts erinnern kann. Es ist dieser Regen.“

      Guckifix hatte nun wohl genug Sterne auf die Waage gelegt, denn sie bewegte sich nicht mehr. Zufrieden drehte er sich zu den beiden Jungen um. „Weißt du, wer du bist?“ fragte er Roy. Der antworte traurig: „Nein. Ich wohne im Waisenhaus St. Jones, weil meine Eltern tot sind. Ich weiß nicht, wer sie waren. Ich weiß nicht, wer ich bin.“ - „Weißt du, wo du bist?“ fragte Guckifix weiter. „Im Land der Träume?“ meinte Roy vorsichtig. „Ja, im großen Land der Träume, in Traumania.“ erwiderte Guckifix. „In unserem Land, dass viele Königreiche und unzählige Landteile besitzt. Und eines davon, ein ganz besonderes Königreich, ist dein zu Hause, ist das Königreich der Familie Rapperpotz, deiner Familie.“ - „Aber warum weiß ich dann nichts davon? Nichts von meiner Familie, nichts von meinen Eltern?“ wollte Roy sehr aufgeregt wissen. „Es begann vor einiger Zeit, im Grunde ist es noch gar nicht so lange her, da kam ein fürchterlicher Regen über die Grenzen unseres Landes und begann die Träume hinwegzuwischen. Niemand wusste woher und niemand wusste warum. Auch dein Vater schickte seine besten Männer gegen diesen Regen, doch alle, die ihn erreichten, vergaßen, was sie tun sollten, vergaßen alles um sich herum und vergaßen schließlich sogar sich selbst. Er kommt blitzschnell und geht auch genauso schnell wieder. Eines Tages kam er auch in das Königreich des König Rapperpotz, deines Vaters. Er kam über die Mauern in den königlichen Garten und du, mein Junge, bist hinein geraten in diesen Regen und alle deine Erinnerungen begannen zu schwinden. Fast wärst du geworden wie all die anderen. Weißt du Roy,... » Er berührte sanft sein Haar. „... diese Strähne in deinen Haaren hast du seit jenem Tag. Der Regen hat die Farbe und alle Erinnerungen heraus gewaschen. Doch deine Eltern haben dich gefunden, bevor es zu spät war und haben dich in diese Welt dort draußen gebracht. Sie haben dich versteckt vor dem großen Regen, bis die Zeit kommen wird, sich ihm entgegen zu stellen. Und diese Zeit ist jetzt gekommen, mein Junge.“ - „Wo sind meine Eltern jetzt?“, fragte Roy, begierig, mehr über seine Familie zu erfahren. „Deine Eltern sind noch immer in der anderen Welt. Doch je länger sie weg sind aus unserem Land, um so mehr vergessen sie und um so leichter hat es der Regen, alle verbleibenden Erinnerungen zu verwischen. Du musst dich beeilen, um sie zu retten.“ - „Aber wie soll ich das tun?“ - „Du musst den heiligen Somnel finden. Nur dann kannst du den Regen besiegen. Nur dann kannst du deine Eltern retten.“ - „Was ist denn der heilige Somnel?“ Roy hatte noch nie davon gehört. „Der heilige Somnel ist der glitzerndste und schillerndste Traum, den es gibt in unserem Land. Er ist es, wonach sich alle Menschen sehnen. Seine Macht kann alles und jeden besiegen.“ - „Aber wo finde ich denn diesen Somnel?“ fragte Roy unglaublich aufgeregt. „Ich weiß es nicht, mein Junge. Sotalex ist der Hüter des heiligen Somnel. Zu ihm musst du finden in deinen Träumen, ihn wirst du sehen, wenn dein Herz rein und dein Geist klar ist. Wenn du den Menschen ihre Träume zurückbringen kannst, wirst du ihn finden.“ - „Aber wie soll ich den Menschen ihre Träume bringen? Ich weiß nicht, wie das geht.“ Guckifix schüttelte nachdenklich sein weißes Haupt. „Dann musst du es lernen. Und du musst dich beeilen, Roy.“ - „Aber wie soll ich es lernen und wo? Ich verstehe doch nichts davon.“ - „Es gibt noch eine Schule. Eine einzige wurde verschont. Bei ihr konnte der Regen noch nicht sein fürchterliches Werk vollbringen. Es ist eine ganz besondere Schule. Es ist die Schule Rapperpotz.“ - „Aber das ist ja ...“ fiel Roy Guckifix ins Wort. „Ja, Roy. Du trägst den gleichen Namen wie diese Schule. Dort musst du hin und lernen. Du musst dich beeilen. Wir haben nicht mehr viel Zeit.“ - „Wie soll ich dorthin finden? Ich weiß doch nicht, wo diese Schule ist.“ - „Schössel wird euch begleiten. Sie wird euch zeigen, wo sie ist und sie wird euch helfen, den Somnel zu finden.“ - „Was ich? Wieso ich?“ empörte sich Schössel von der Seite. „Wieso muss ich denn mit, mit diesen zwei halben Portionen?“ - „Sie werden deine Hilfe brauchen, Schössel. Also benimm dich.“ - „Die werden es doch nie schaffen. Ich will nicht mit. Ich will lieber hier bleiben.“ - „Du gehst mit. Keine Widerrede. Und jetzt legt euch hin und schlaft. Ihr habt morgen einen weiten Weg vor euch.“ Widerwillig flog Schössel hinter eines der großen Zahnräder und schloss die Augen. „Immer muss ich den Karren aus dem Dreck ziehen. Warum nur immer ich?“ Doch Roy hörte sie schon gar nicht mehr. Zu aufregend war dieser Tag und zu müde war er jetzt. Doch nun hatte er endlich etwas über seine Eltern, über sich selbst erfahren. Und voller Erwartungen an den nächsten Tag schlief Roy neben Racket in dem großen Himmelbett ein, das Guckifix auf dem Boden der Uhr aufgeschlagen hatte.
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      schrieb am 10.04.04 13:29:45
      Beitrag Nr. 137 ()
      Roy Rapperpotz und der Traum des Spartakus



      Roy musste plötzlich niesen. Irgendetwas stieg ihm in die Nase. „Hatschie!“ nieste Roy wieder. „Hatschie! Hatschie!“ Doch Schössel gab nicht auf. Sie schwebte über seinem Gesicht und kitzelte dabei unaufhörlich seine Nase. „Los, Los! Raus aus den Federn ihr Schlafmützen. Die Sonne steht schon weit oben am Himmel.“ Racket drehte sich noch einmal um und gab nur undeutliche Wortfetzen von sich. „Hm? Aufstehen? Mitten in der Nacht? Noch eine halbe Stunde.“ mit diesen Worten vergrub er sich wieder unter seiner Decke. Doch er hatte nicht mit Schössels Hartnäckigkeit gerechnet. Sie schwebte über den beiden und preßte sich so fest zusammen, dass sich eine ordentliche Portion Wasser auf die Jungen entleerte. Völlig durchnäßt sprangen die beiden erschrocken aus ihren Betten. „Was soll das, Schössel? Wir kommen doch schon!“

      „Wir müssen uns beeilen.“, erwiderte Schössel missgelaunt. „Wir haben einen weiten Weg vor uns. Also los, ihr Langschläfer. Meister Guckifix ist schon in den Bergen, um neue Sterne einzusammeln und ihr verschlaft den ganzen Tag.“ Schnell aßen die beiden Jungen etwas Obst, das für sie auf dem Tisch lag, sprangen dann eilig auf und folgten Schössel nach draußen, wo bereits ihre wundersame Kutsche zur Abfahrt bereitstand. Sobald sie eingestiegen waren, erhob sich die Kutsche in die Höhe und flog dem fernen Ziel entgegen, das eigenartigerweise den selben Namen trug wie Roy.

      Soviel hatte Roy in den letzten beiden Tagen erlebt, das Tor im Garten des Waisenhauses St. Jones, welches ihm nun schon so weit weg vorkam, diese wunderbare Welt hier mit Riesen in seltsamen Wäldern, mit Drachen und kleinen Wolken, die sprechen konnten, einem Orakel namens Guckifix, der die Zeit an einer Uhr ohne Zeiger misst und der ihm von seinen Eltern erzählte und von einem heiligen Somnel, den er finden sollte, um seine Welt zu retten, von der er bis vor ein paar Tagen noch nicht einmal wusste, dass sie existierte. So viel Neues hatte er erlebt, dass ihn nun gar nichts mehr zu überraschen schien, nicht einmal die Heerscharen von Soldaten in römischen Gewändern, die plötzlich vor ihnen auftauchten. So weit das Auge reichte, standen sie in Haufen zum Kampf bereit. Es waren bestimmt weit über hunderttausend Mann. Ihnen gegenüber sah Roy viele zerlumpte Gestalten mit zersprengten eisernen Fesseln an ihren Händen und Füßen. Geschunden sahen sie aus mit ihren in Fetzen gehüllten Körpern. Und obwohl einige wenige von ihnen auch recht gut gekleidet waren, so sah Roy doch auch in ihren Gesichtern das Leid und den Schmerz der Gefangenschaft. Aber er sah auch Stolz in ihnen und Entschlossenheit, für ihre Freiheit zu kämpfen und auch für sie zu sterben.

      Vor dieser seltsamen Menge stand ein Mann, nicht größer oder kräftiger, aber doch noch stolzer und noch entschlossener als all die anderen. Als sich die Kutsche den zerlumpten Menschen näherte, verstand Roy den Namen, den die Männer ununterbrochen riefen: „Spartakus, Spartakus!“ Es hallte weit über das Land: „Spartakus, Spartakus!“ Die römischen Soldaten schienen zu erzittern bei dem Widerhall dieses Namens, denn sie sahen nun noch kleiner und erbärmlicher aus als zuvor und Angst stand ihnen ins Gesicht geschrieben, als sich die Menge in Bewegung setzte.

      Roy sah, wie von Spartakus ein seltsames Licht ausging. Ein seltsames und wunderbar leuchtendes Licht, so wie das Leuchten der Sterne auf Guckifix Waage. Es erstreckte sich über das gesamte Feld und tauchte alles um sich in ein gleißendes Feuer. Und dann – wie von einem Blitz getroffen - leuchtete Spartakus noch heller und noch intensiver. Er strahlte weit und blendend über das Feld. Und - ja, tatsächlich - da kam noch ein Blitz von weit oben auf ihn herab geschossen. Direkt aus dem Himmel, wie Roy glaubte. Doch als er nach oben blickte und die Augen fest zusammenkniff, sah er dort einen Jungen durch die Luft schweben, der immer näher kam und unheimlich schnell zwischen all den Menschen umherflog. Dabei schoss er mit einem seltsamen Gerät diese Blitze ab. Es war eine Art Kugel, die im Licht der Sonne funkelte. Doch so genau konnte Roy es gar nicht sehen, denn dieser Junge trug einen silbernen Mantel, der ihn fast vollständig verhüllte und aus dem Staub wie Sterne auf alle die Menschen unter ihm fiel.

      Aufgeregt schaute Roy diesem Treiben zu. So etwas hatte er noch nie gesehen. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er so etwas eigenartiges erlebt. Was tat dieser Junge dort nur, inmitten dieser vielen Menschen? Niemand schien ihn zu bemerken, niemand schien ihn wahrzunehmen. Er flog durch sie hindurch und verstreute seinen Zaubersand und feuerte seine Blitze ab, die jedoch nur Spartakus trafen. Doch irgendwie schien etwas nicht zu stimmen, denn Roy sah, wie die Soldaten und Sklaven noch wütender und zorniger wurden und wild aufeinander losstürmten. „Was ist dort los?“ rief Roy aufgeregt. Ohne die Augen von dem Spektakel zu lassen, antwortete Racket. „Das ist Spartakus, der Führer der Sklaven. Er führt sie gegen die römischen Legionen.“ - „Jaja, ich kenne Spartakus aus der Schule.“, erwiderte Roy schnell. „Er kämpft für die Freiheit, für seine eigene und für die aller Sklaven. Aber wer ist dieser Junge, der zwischen all den Menschen herum fliegt und diese Blitze abfeuert?“ - „Ich weiß nicht wer das ist, aber es muss jemand aus der Schule sein. So wie er durch die Luft fliegt, dass lernt man nur in einer Schule. Und so wie es aussieht hat er es in der besten gelernt, in Rapperpotz, der letzten noch verbliebenen Schule.“, seufzte Racket und wurde dann sehr nachdenklich. „Hm! Soviel ich weiß darf normalerweise kein Schüler in diesem Landesteil träumeln.“ - „Träumeln?“ Roy riß neugierig die Augen auf, da er dieses Wort noch nie gehört hatte. „Ja, träumeln. Ihr wisst nicht, was träumeln ist?“ - „Nein.“ - „Oh, entschuldigt bitte. Ihr habt ja alles vergessen. So nennen wir es, den Menschen ihre Träume zu bringen.“ - „So werden den Menschen ihre Träume gebracht?“ Roy war sehr beeindruckt. „Nun ja. Irgendwie schon.“ Roy merkte, dass Racket sehr nervös wurde. „Ich weiß auch nicht genau. Ehrlich gesagt habe ich so etwas auch noch nie gesehen.“

      Racket hatte schon oft versucht, in eine der einst so vielen Schulen Traumanias aufgenommen zu werden. Liebend gern würde er das Träumeln lernen. Liebend gern würde er mehr über sein eigenes Land Traumania mit all seinen Geheimnissen und Rätseln erfahren. Doch bisher hatte er nie die Aufnahmeprüfungen bestanden. So sehr er sich auch bemühte, so sehr er sich auch endlich zu träumeln wünschte - in jeder Schule war er durchgefallen. Immer wieder musste er erfolglos nach Hause zurückkehren, ohne seinem großen Ziel auch nur ein kleines Stückchen näher gekommen zu sein. Und da die Aufnahmeprüfung in der Schule Rapperpotz besonders schwierig ist, und nur die besten der besten dort das Träumeln lernen durften, ist es ihm nie in den Sinn gekommen, sich in dieser geheimnisvollen Schule zu bewerben. Doch nun, nun war alles ganz anders. Nun hatte er die Gelegenheit bekommen mit Roy Rapperpotz, dem berühmten Roy Rapperpotz, eben diese Schule zu besuchen, und er freute sich darauf. Auch wenn er jetzt schon wieder Angst vor dieser ganz besonderen Aufnahmeprüfung in Rapperpotz spürte, so wusste er doch, diesmal hatte er eine gute Chance. Diesmal hatte er den besten Träumler an seiner Seite. Diesmal würde alles ganz anders werden. Und dieses Selbstvertrauen verleitet ihn nun dazu, so zu tun, als ob er bereits ein Experte im Träumeln wäre, was Roy natürlich sofort bemerkte. Doch es störte ihn nicht weiter und Racket dachte nun auch nicht mehr an die Aufnahmeprüfung, sondern schaute dem Treiben vor ihnen zu. Spartakus stürmte mit seinen Sklaven auf die Römer zu und das Licht, welches immer intensiver von ihm ausstrahlte, verwandelte das gesamte Schlachtfeld in ein riesiges Feuermeer. Schössel hatte sich ganz klein gemacht und war in Roy’s Rucksack verschwunden. Von dort schaute sie vorsichtig mit einem Auge hervor. „Irgenetwas stimmt hier nicht.“ flüsterte sie leise. „Wie meinst du das, Schössel?“ - „So wird nicht geträumelt.“ Roy sah Racket fragend an, doch der zuckte nur mit den Schultern. Dann wand er sich wieder Schössel zu. „Woher weißt du das, Schössel?“ - „Ich weiß es eben.“ Und obwohl Roy noch keine Ahnung vom Träumeln hatte, so fühlte er doch, dass hier irgendetwas nicht richtig war. Er konnte es nicht beschreiben. Etwas in seinem Inneren, etwas, das er noch nicht verstand, gab ihm dieses Gefühl. Roy sah, wie Spartakus mit jedem Blitz, den er erhielt, sein Gesicht seltsam verzog und wütend und voller Hast nach vorn stürmte. Schnell lenkte Roy die Kutsche zwischen den Jungen und Spartakus und fing den nächsten Blitz mit der Kutsche ab. Nichts passierte. Die Kutsche vibrierte kurz und wurde dann wieder ruhig. Schössel hatte sich nun ganz hinter Roy’s Rücken versteckt. Noch einmal schoss der Junge einen Blitz von sehr weit oben ab. Doch auch dieser verpuffte in der Wolkenkutsche und erreichte Spartakus nicht.

      Der Junge mit dem seltsamen silbernen Mantel kam nun selber wie ein Blitz vom Himmel geschossen und stoppte scharf vor ihnen. Racket fiel vor Schreck nach hinten. Roy stand fest in der Kutsche und spürte, wie der Wind ihm scharf ins Gesicht wehte. Er stand fest und hatte keine Angst, auch wenn der Junge ihn mit stechenden und bösen Augen ansah. „Was fällt dir ein, mein Träumeln zu stören?“ - „Es ist nicht richtig, was du da machst.“ antwortete Roy mutig. „Wer bist du, dass du mir sagst, was richtig ist?“ - „Ich weiß zwar nicht, was du da machst, aber ich sehe, dass es falsch ist. Wozu lässt du diese Menschen so wütend gegeneinander kämpfen?“ - „Es ist ihre Bestimmung, zu kämpfen.“, antwortete der Junge grimmig und fügte scharf hinzu: „Ich frage dich noch einmal: Wer bist du, dass du unsere Regeln brichst und mich beim Träumeln störst?“ Mit diesen Worten holte er aus und wollte schon einen fürchterlichen Blitz aus seiner Kugel abfeuern. Doch als er Schössel sah, die vorsichtig hinter Roy’s Rücken hervorschaute, beherrschte er sich. Roy merkte, dass es ihm sehr schwer fiel. „Du hast Glück, du Wicht, dass Guckifix’s Schoßhündchen bei dir ist, sonst würde ich dir zeigen, was es heißt, mein Träumeln zu stören. Sieh zu, dass sich unsere Wege nicht noch einmal kreuzen.“ Er schwang sich in die Lüfte und verschwand in Richtung Berge.

      Racket hatte sich wieder aufgerappelt und stand nun neben Roy. „Was war das denn?“ - „Ich weiß nicht. Er ist verschwunden.“ - „Was hat er gesagt?“ - „Er war sauer, weil ich ihn beim Träumeln gestört habe und er meinte, ich hätte eine wichtige Regel gebrochen.“ - „Ja, ich glaube, das stimmt. Ich habe davon gehört. Man darf sich nie in das Träumeln eines anderen einmischen. Man kann einem Menschen andere Träume schicken, aber man darf sich nie bei einem anderen Träumler einmischen.“ - „Aber sein Träumeln war falsch! Hast du nicht gesehen, wie wütend die Menschen waren?“ - „Ja, habe ich. Aber aus irgendeinem Grunde darf man es nun mal nicht. Wenn Ihr aber selber träumeln könntet, dann hättet Ihr Spartakus einen anderen Traum bringen können.“ - „Wir müssen das Träumeln lernen, Racket. Unbedingt.“ - „Ja, wenn wir ankommen würden eines Tages. Aber ich fürchte fast, Schössel kennt den Weg nicht.“ Schössel, nun wieder mutig, hörte natürlich diese Bemerkung und empörte sich sofort. „Ihr werdet noch früh genug ankommen, ihr Dreikäsehoch. Dann werdet ihr zeigen können, was für Kerle ihr seid.“ Sie schwebte beleidigt ganz nach vorn und die Kutsche setzte sich wieder in Bewegung.

      Auf dem Feld unter ihnen war es friedlich und ruhig. Ganz plötzlich waren alle römischen Soldaten und auch Spartakus Mannen verschwunden. Nur eine saftige grüne Wiese war zu sehen, als ob hier nie etwas gewesen wäre. Roy ahnte: Spartakus war aufgewacht. Racket nickte ihm bedeutungsvoll zu. „In ihm habe ich einen guten Freund,“ dachte Roy. Er reichte Racket die Hand und sagte: „Lass von jetzt an dieses „Euch“ und „Ihr“, wir wollen „du“ zueinander sagen.“ Diese hohe Ehre nahm Racket gerne an.

      Die Kutsche flog nun weiter einem fernen Ziel entgegen, über endlose Wiesen, über Stock und Stein, über Wälder und über schier uferlose Meere. So lange waren sie unterwegs, dass Roy nun auch zu zweifelte begann, ob Schössel den richtigen Weg kannte. Aber als sie wieder eine dieser wunderschönen Wiesen überflogen, schrie Schössel plötzlich auf. „Dort ist er! Dort unten!“ Roy schaute hinunter und sah nichts außergewöhnliches, nun ja zumindest kein besonderes Gebäude oder etwas in der Art, das die Schule Rapperpotz sein könnte. Auf einer saftigen grünen Wiese graste friedlich ein prächtiger Schimmel. Dieser Schimmel war allerdings außergewöhnlich. In seinem ganzen Leben hatte Roy noch nie ein so schönes Pferd gesehen. Sein wunderschönes weißes Fell glänzte in der Sonne, und seine Mähne schien majestätisch bis in den Himmel zu wehen. Stolz trabte er über das Gras und stoppte, als er die Kutsche sah. Roy und Racket sprangen heraus und folgten Schössel, die bereits aufgeregt vor dem Schimmel stand und mit ihm redete. „Ehrwürdiger Tarkan! Endlich haben wir Euch gefunden.“ - „Ich grüße auch dich, seltsam anmutendes Wölkchen. Sag mir dein Begehren.“ - „Meister Guckifix schickt mich, um Euch diese beiden Schüler zu bringen.“ - „Sind sie es würdig, die Schule Rapperpotz zu besuchen?“ - „Es sind Roy Rapperpotz und sein Freund Racket, die Einlass erbitten.“ Tarkan musterte einen Augenblick die beiden Jungen, dann verschränkte er seine Vorderbeine und öffnete seinen Mund, der seltsamerweise immer größer und größer wurde, bis bequem ein Mensch hindurch passte. Schössel schwebte gleich hinein, die beiden Jungen aber standen noch staunend vor Tarkan. „Kommt schon, ihr Schlafmützen. Tarkan kann nicht ewig seinen Mund aufhalten.“

      Roy tat ungläubig einen Schritt auf den Schimmel zu. Er sah in seine feurigen Pferdeaugen, die ihm freundlich zuzwinkerten. Dann fasste er all seinen Mut zusammen und sprang hinein. Racket folgte ihm. Sobald sie in Tarkan verschwunden waren, schloss dieser seinen Mund wieder und das Tor hinter ihnen verschwand. Sie standen inmitten eines Pferdes, doch es war nicht dunkel. Ein sanftes, weiches Licht umgab sie. Aber sonst konnte Roy nichts weiter sehen. Schössel war schon in der Ferne verschwunden. Roy hörte sie kaum noch: „Kommt schon und trödelt nicht so. Wir müssen weiter.“ - „Aber wohin?“ schrie Roy ihr nach. „Was denn? Du weißt immer noch nicht, wohin?“ - „Ich kann nichts sehen.“ Schössel kam zurück und hielt direkt vor Roy. „Oh, ja. Ich weiß schon, warum. Ihr musst an euch selbst glauben und an die Schule Rapperpotz. Ihr müsst daran glauben, dass sie hier ist, nur dann kann es funktionieren. Öffnet eure Herzen.“ Roy legte seine Zweifel ab und sah plötzlich den Schimmer einer Brüstung und hörte ferne Stimmen. Und als er ganz fest daran glaubte, erschien die Schule Rapperpotz in ihrer ganzen Pracht vor ihm, umgeben von einem See, auf dem lustig Wasserrosen tanzten. Ein Brücke schwebte über der Wasseroberfläche und wies ihnen den Weg zur Schule.

      „Wohin gehst du, Roy?“ fragte Racket, als er die Brücke betreten wollte. Er konnte noch immer nichts sehen. „Schließe deine Augen und höre auf dein Herz, Racket. Glaube an das Unmögliche.“ Und als er dies tat, hörte auch er die Stimmen vor ihm, und als er die Augen wieder öffnete, sah auch er, was vor ihnen lag: Ein riesiges Schloss mit großen Türmen und breiten Flügeln. Die Mauern bestanden nicht aus gewöhnlichen Steinen, sondern waren aus einem seltsamen gläsernen durchscheinenden Material. Roy konnte bereits von weitem in den Innenhof schauen. Beide Jungen liefen voller Staunen über die Brücke, denn in dem See war kein Wasser, sondern glitzernder Zauberstaub, der funkelte und leuchtete. Roy meinte zu hören, wie die Wasserrosen auf der Oberfläche ständig etwas murmelten. « Rapperpotz. Roy Rapperpotz! Sieh nur. Da kommt er endlich. Roy Rapperpotz. Er ist da.“

      Jetzt verstand Roy, warum diese Schule vor dem Regen sicher war. Tarkan war ihr Beschützer, ihr wachsames Auge. Er war pfeilschnell, schneller als der Wind und schneller als jeder Regen. Und da sich die Schule Rapperpotz in seinem Inneren befand, war auch sie sicher, so dachte Roy damals zumindest.

      Die beiden Jungen standen nun vor dem Tor, das sich öffnete und krachend hinter ihnen zufiel. Schössel hatte sich wieder klein gemacht und war in Roy’s rechter Hosentasche verschwunden. Der Hof des Schlosses war mit hektisch umherlaufenden Kindern übersät. Überall wurde laut geredet und getuschelt. Alle schienen sehr beschäftigt zu sein und keiner nahm so richtig Notiz von den beiden Neuankömmlingen. Roy merkte schnell, dass etwas nicht stimmte. Irgendetwas musste passiert sein. Mitten unter den wild diskutierenden Kindern stand eine Frau mit grauen wallendem Haar. Roy erkannte sie sofort. Es war Morella, die die beiden nun bemerkte und begrüßte. „Komm ruhig näher Roy. Wir haben schon auf dich gewartet, wenn auch nicht gerade heute.“ Dann richtete sie sich an alle Schüler im Hof: „Ich freue mich, euch einen ganz besonderen Schüler vorstellen zu dürfen. Komm her Roy!” Ein Raunen ging durch die Reihen der Schüler. „Ja, er ist es wirklich. Siehst du die Strähne in seinen Haaren? Es ist Roy. Roy Rapperpotz.“ Alle Kinder drehten sich nach Roy um und einige winkten ihm freundlich zu. Aber er sah nicht nur fröhliche Gesichter. Ein paar von ihnen schauten sehr dunkel drein. Unter ihnen erkannte Roy sofort den Jungen von heute Morgen. Morella sah auch in diese Richtung und sagte scharf:. „Greg Haport. Wir werden uns morgen weiter unterhalten. Um 8 Uhr in meinem Zimmer.“ Dann wendete sie sich wieder an die beiden Jungen: „Es tut mir leid Roy, aber ich muss mich jetzt um andere Dinge kümmern. Irgendjemand hat einen falschen Traum an Spartakus geschickt, einen sehr beunruhigenden falschen Traum. Irgendjemand - ich kann mir schon denken, wer es war - hat falsch geträumelt, obwohl es verboten ist. Ich werde jetzt selber den Schaden beheben müssen.“ Dann winkte sie einem Mädchen zu, das nicht weit entfernt von ihnen stand und Roy schon die ganze Zeit seltsam anlächelte. „Romi wird euch zeigen, wo ihr heute nacht schlafen werdet und morgen lernt ihr die Schule Rapperpotz kennen.“ Mit diesen Worten warf sie sich einen goldenen Mantel über, murmelte ein paar unverständliche Worte verschwand. Als Roy noch einmal zur Seite blickte, sah er, wie Greg ihn mit grimmigem Blick musterte, sich dann umdrehte und mit zwei anderen Jungen ins Haus ging. Romi zog Roy am Ärmel: „Lass dich bloß nicht mit dem ein, Roy!“ - „Was?“ - „Greg Haport. Lass dich ja nicht mit dem ein. Wie ich hörte, hat er die Schule Rapperpotz schon oft in Schwierigkeiten gebracht.“ Dann lächelte sie und zog Roy noch stärker am Arm: „Ich freue mich so, dass du wieder da bist. Kennst du mich denn noch?“ Roy kannte sie zwar nicht, doch spürte er sofort eine enge Vertrautheit, die er nicht erklären konnte, die ihm jedoch sehr gefiel. Deshalb antwortete er ihr freundlich. „Ja, irgendwie schon. Es ist nur...“ Racket half ihm: „Er kann sich an nichts erinnern, Romi. Lass ihm noch ein bisschen Zeit.“

      Romi führte die beiden ins Schlossinnere und zeigte ihnen ihre Zimmer. „Hier werden wir schlafen. Ich hoffe, für längere Zeit. Wir müssen gut aufpassen in den nächsten drei Tagen. Am vierten Tag ist die Aufnahmeprüfung und wie ich hörte, ist die nicht leicht hier in Rapperpotz.“ - „Erinnere mich bloß nicht daran!“ stöhnte Racket. Roy war zu müde, um sich genauer im Zimmer umzusehen. Sobald er sich seine Zähne geputzt und sich gewaschen hatte, fiel er ins Bett, zog sich seine Decke weit über den Kopf und schlief sofort ein.
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      schrieb am 10.04.04 13:31:45
      Beitrag Nr. 138 ()
      Roy und die Schule Rapperpotz



      Als Roy am nächsten Morgen erwachte, musste er sich zunächst umschauen, wo er überhaupt war. Er hatte so tief und fest geschlafen, dass er es wirklich nicht mehr wusste. Er lag in einem Bett aus purpurnem Samt. Als er die Bettdecke zur Seite schlagen wollte, gab sie eigenartige Töne von sich. „Hm, jetzt schon aufstehen, Roy Rapperpotz? Vielleicht noch ein halbes Stündchen?“ Und da wusste Roy, wo er war. Er war in der Schule Rapperpotz. Und schnell kam die Erinnerung an den gestrigen Tag zurück. Racket musste schon unterwegs sein, denn sein Bett war leer. Aufgeregt stand Roy auf, wusch sich in Windeseile und wollte sich gerade anziehen, als die Tür aufflog. „Roy, schnell, du musst mitkommen.“ Romi stürzte in das Zimmer, drehte sich jedoch sofort verlegen zur Seite. „Oh, entschuldige. Ich dachte, du wärst schon angezogen.“ - „Schon gut. Ich bin gleich fertig.“ Hastig zog sich Roy an und folgte Romi nach draußen, wo bereits mehrere Kinder wie Hühner aufgeregt hin- und herliefen. Einige von ihnen schrieen dabei wild. Morella war zurückgekehrt und irrte nun völlig wirr zwischen all den Kindern im Hof herum. In ihren Haaren sah Roy überall schwarze Strähnen, solche, wie auch er eine hatte, und ihr Mantel war mit tiefen schwarzen Löchern übersät. Roy ahnte schon, was geschehen war. Morella war zu Spartakus geflogen, um seinen Traum zu berichtigen. Sie war so vertieft in ihre Arbeit, dass sie nicht bemerkte, wie der Regen langsam und schleichend immer näher kam. Eigentlich ist sie ein Meister des Träumelns und eine der Klügsten und Weisesten im Ältestenrat Traumanias. Aber gestern ärgerte sie sich dermaßen über diesen Greg Haport, dass sie alle Vorsicht und Weisheit vergaß. Als sie den Regen sah, war es fast schon zu spät. Mit letzter Kraft schleppte sie sich hierher zurück. Niemand konnte ihr helfen, bis von der Seite ein knochiger Mann herbeisprang und sie stützte. „Mein Gott, Morella! Wie konntest du nur so unvorsichtig sein? Wir werden sie behandeln müssen!“, rief er zwei anderen Männern zu, die aus dem Keller gerannt kamen. Zu dritt schafften sie sie in den Keller des Schlosses. „Wohin bringen sie sie?“ fragte Roy Romi. „In dem Keller werden alle behandelt, die vom Regen getroffen wurden.“ - „In dem Keller? Aber wie?“ - „Ich weiß nicht. Ich war noch nie dort unten.“

      Aus dem Obergeschoss erklang eine Stimme. „Alle Schüler sofort in die Klassenzimmer. Der Unterricht beginnt in zehn Minuten. Alle Erstklässler melden sich bei Mrs. Wedding im ersten Stock.“

      Erst jetzt fand Roy Zeit, sich umzublicken. Die weiten Flügel zu beiden Seiten des Schlosses waren ihm gestern schon aufgefallen. Sie umschlossen einen großen Innenhof. Die Türme konnte Roy nur sehr schlecht erkennen, so hoch waren sie. Es schien fast, als ob sie überhaupt kein Ende hätten. Die Fenster hatten etwas Magisches an sich. Sobald er hineinschaute, sah er zwar ein Spiegelbild, doch es war nicht seines. Auch wenn es seinen Bewegungen folgte, so sah er doch eindeutig einen ganz anderen Jungen. Roy konnte sich nicht erklären, wer dieser Junge war und warum er ständig seinen Bewegungen folgte. Doch jetzt hatte er keine Zeit, darüber nachzudenken. Er ging mit den anderen Kindern in den ersten Stock, wo sie bereits von Mrs. Wedding erwartet wurden. Mrs. Wedding war eine relativ junge, hübsche und sehr nette Frau. Aber eigenartigerweise hatte auch sie schon graue Haare, wie scheinbar alle erwachsenen Menschen hier. Sie begrüßte jedes Kind mit einem freundlichen Händedruck und ein paar persönlichen Worten. Als Roy an der Reihe war, nahm sie sich besonders viel Zeit. „Sieh an. Da ist er ja. Der berühmte Roy Rapperpotz. Ich hoffe, es wird dir bei uns gefallen.“ - „Ja. Ich denke schon.“ erwiderte Roy verlegen. „Gut. So setze dich.“ Roy setzte sich neben Racket auf einen der Stühle, welche im Kreis angeordnet waren. Ein paar der Kinder hatte er draußen schon gesehen. Da war der kleine schüchterne Rothaarige namens Sem, der sich kaum traute, den Mund aufzumachen. Und auch einer der beiden Jungen, die mit Greg Haport zusammen waren - sein Name war Ed Fischer - betrat jetzt in frechem Schritt das Zimmer. Als alle Schüler sich gesetzt hatten, schloss Mrs. Wedding die Tür und nahm auf einem Stuhl in der Mitte Platz. Sie begann den Unterricht: „Wisst ihr, warum ihr hier seid, Kinder?“ - „Wir wollen lernen, den Menschen ihre Träume zu bringen.“ antwortete ein Mädchen. „Ja, richtig, Marie. Und weißt du auch, wie wir das nennen?“ Noch bevor Marie antworten konnte, polterte es aus Racket heraus: „Träumeln, wir nennen es Träumeln.“ - „Ja, genau, Racket. Träumeln ist das richtige Wort dafür. Und wie träumelt man richtig, Racket? Kannst du uns das sagen?“ - „Ja...eh.., ich...“ verlegen schaute er zu Boden. „Nein. Ich weiß es nicht.“ - „Weiß es jemand?“ fragte Mrs. Wedding in die Runde. Niemand meldete sich. „Roy. Kannst du uns sagen, wie man träumelt?“ Was sollte Roy ihr antworten? Er war den ersten Tag in dieser Schule und den dritten Tag in diesem merkwürdigen Land. Woher sollte er wissen, wie man träumelt? Aber er hatte es ja schon einmal gesehen! So antwortete er mutig: „Man fliegt mit einem Zaubermantel durch die Luft und zerstreut Traumsand und feuert aus einer Kugel Blitze ab.“ Mrs. Wedding sah ihn erstaunt und erschrocken an. „Woher weißt du das, Roy? So werden nur verbotene Träume geträumelt.“ Roy sah, wie Ed Fischer ihn durchdringend anstarrte und dabei drohende Worte mit den Lippen formte. „Ich habe davon gehört.“ log Roy, obwohl ihm dabei sehr unbehaglich zumute war. Aber er wollte nicht schon am ersten Tag Ärger bekommen. „Vergiss ganz schnell, was du da gehört hast, Roy. So etwas ist streng verboten hier in Rapperpotz.“

      Dann fuhr sie wieder mit freundlichem Ton fort: „Aber es stimmt, dass man zum Träumeln einen Traummantel und eine Kugel, eine Traumkugel, benötigt. Weiß jemand, wie diese Kugel heißt?“ Fragend schaute sie zu Ed Fischer. „Ed?“ - „Das ist ein Konkel.“ - „Ja, richtig. Und was macht man damit?“ - „Ich weiß nicht.“ antwortete Ed in einer Art, die Roy merke ließ, dass Ed schon ziemlich gut Bescheid wusste, was das Träumeln anging, mehr als er zuzugeben bereit war. Da es sonst jedoch niemand wusste, erklärte es Mrs. Wedding selbst: „Die Kugel, mit der die Träume zu den Menschen gebracht werden, ist der Konkel. Ihr werdet später lernen, wie man ihn benutzt. Aber etwas fehlt uns noch. Wir haben den Traummantel, der uns zu den Menschen bringt, wir haben den Traumsand und den Konkel, der die Träume weiterschickt. Was fehlt uns noch? Etwas, das all diese Dinge verbindet. Wer weiß es?“ Sie schaute in die Runde. „Sem? Weißt du es?“ - „Ich... ich.... nein.“ sagte er schüchtern und blickte zu Boden. „Das ist nicht schlimm, Sem. Du bist hier, um es zu lernen. Es sind die Traumsprüche in unserer eigenen Sprache, in hunduisch. Es ist die Sprache, die alle Dinge miteinander verbindet. Erst sie bringt die Menschen in unser Land, wo sie träumen. Die Traumsprüche verbinden die Träume mit dem Konkel und schickt sie zu den Menschen.“

      Aufmerksam lauschten alle Kinder Mrs. Wedding. „Hunduisch wird das erste sein, das ihr lernen werdet. Wir werden gleich morgen damit anfangen. Doch jetzt werde ich euch die Schule zeigen.“ Sie murmelte etwas, und auf einmal begann der Boden zusammen mit der Decke kurz nach rechts und dann nach links zu rucken, so dass sich Roy erschrocken umblickte. Im selben Moment bewegte sich dieses seltsame Zimmer aber auch schon langsam nach oben. Roy sah wie die Wände sich veränderten und dabei nach unten zu wandern schienen, während das gesamte Zimmer mit all den Schülern darin nach oben durch das gesamte Haus gleitete und plötzlich über der Schule Rapperpotz schwebte. Und obwohl sie nun ganz oben waren, konnte Roy noch immer nicht die Türme des Schlosses sehen, die wahrhaftig irgendwo im Himmel zu stehen schienen.

      „So, Kinder. Von hier aus seht ihr die ganze Schule. Sie wurde von einem der größten Meister unseres Landes erbaut, von Meister Sotalex.“ Roy horchte auf. Dies war der Name des Mannes, den Roy suchen sollte. Wie Guckifix ihm prophezeite, wird Sotalex ihm den heiligen Somnel geben können. Und dieser Sotalex hatte Rapperpotz erbaut? Roy nahm sich vor, mehr darüber herauszufinden. Doch erst hörte er weiter aufmerksam den Worten Mrs. Weddings zu.

      „Hinter der Schule befindet sich ein großes Träumelfeld. Dort üben sonst vor allem die jüngeren Schüler das Träumeln. Aber unser Fluglehrer ist gerade in Traumania unterwegs.“ Trotzdem blickte Mrs Wedding und all die Kinder nach hinten auf das Feld, das etwa so groß war wie ein Fußballfeld. Doch es war nicht mit grünen Rasen bedeckt, sondern ganz und gar gelb, wie ein riesig großer Sandkasten. „Ah, wie ich sehe, ist Mr. Finley gerade mit seiner Klasse dort. Naja. Viel scheinen sie bei ihm ja nicht gelernt zu haben.“ Roy sah mehrere Gestalten in der Luft hin- und herfliegen. Einige stießen zusammen und krachten auf den Boden. Doch kurz darauf flogen sie schon wieder durch die Luft. Anscheinend war nichts Ernsthaftes passiert. „So, Kinder, jetzt werden wir noch durch einige Klassenzimmer gehen.“ Schon während sie dies aussprach, bewegte sich das Zimmer nach unten, stoppte und gab den Blick in einen der anderen Räume frei. „Dies ist die Klasse, in der der richtige Umgang mit Traumsand gelehrt wird und hier hinten...“ Sie drehte sich um und alle Schüler taten es ihr nach. „Hier hinten seht ihr die Klasse für Tierträume, daneben die für Kinderträume und direkt darunter ist die für Erwachsenenträume, aber dorthin werdet ihr erst viel später kommen.“

      So zogen sie durchs ganze Haus. Mrs. Wedding zeigte ihnen noch die Zimmer für Träume der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft, sie zeigte ihnen Klassenräume, in denen hunduisch gelehrt wurde und wie man den Konkel und den Zaubermantel richtig benutzt, sie zeigte ihnen die Klasse für Traumgeschichte und für die Geschichte der Menschheit, was ein besonders schweres und wichtiges Fach sei, wie sie betonte. Roy konnte sich das alles kaum merken. Diese Schule musste unzählige Klassenzimmer haben! Roy zweifelte schon daran, dies jemals alles zu erlernen. Aber dann kamen sie schließlich doch im letzten Zimmer an und Mrs. Wedding verkündete feierlich: „In diesem Zimmer, meine Lieben, wird übermorgen die Aufnahmeprüfung stattfinden.“ Ein Raunen ging durch die Schar der Schüler. Racket wurde käseweiß. „Übermorgen schon? Oh Gott. Ich werde bestimmt wieder durchfallen.“ Das Zimmer war winzig klein und hatte keine Fenster. Roy musste sich anstrengen, um etwas zu erkennen. An der hinteren Wand hing ein großer Spiegel, sonst konnte er nichts weiter sehen, keine Stühle, keine Tische, gar nichts. Der Raum war völlig leer. Seltsam. Das konnte doch unmöglich ein Klassenzimmer sein, oder? Was sollte dies für eine Aufnahmeprüfung sein? Doch noch bevor er sich weiter den Kopf darüber zerbrechen konnte, bewegten sie sich schon wieder und im Nu war das Zimmer wieder an seinem alten Platz, wo die Reise durch die Schule Rapperpotz begann. „So, jetzt kennt ihr die Schule Rapperpotz. Ich hoffe, sie wird euch gefallen, vorausgesetzt, ihr besteht die Aufnahmeprüfung übermorgen.“ Racket fing schon wieder an zu schnauben. Er konnte das Wort „Aufnahmeprüfung“ schon nicht mehr hören. „Habt ihr noch irgendwelche Fragen?“ Mrs. Wedding schaute in die Runde. Roy hatte heute so viel gesehen, dass ihm ganz schwindlig zumute war. Obwohl er natürlich tausend Fragen hatte, wusste er nun gar nicht so recht, was er eigentlich fragen sollte. Doch noch bevor er seine Gedanken ordnen konnte, sprang Marie neben ihm auf und polterte los. „Warum sind in allen Fenstern so seltsame Gestalten, die sich bewegen, wenn man daran vorbei geht?“ Roy horchte auf. Auch Marie hatte diese merkwürdigen Bilder in den Fenstern bemerkt! Also ging es nicht nur ihm so. „Ich habe schon auf diese Frage gewartet, Marie. Nein, das sind keine seltsamen Gestalten. Das seid ihr. Habt ihr vergessen, Kinder? Ihr sind im Land der Träume, und in jedem Traum kommt der wahre Mensch zum Vorschein, offenbart sich der eigene Charakter und das wahre Wesen eines Menschen. Denjenigen, den ihr in diesen Fenstern seht, das seid ihr selbst, ihr seht euer wahres Ich.“ - „Das bin ich in diesem Fenster?“ fragte Marie erstaunt. „Aber sie sieht mir doch gar nicht ähnlich.“ - „Das ist erstaunlich, nicht wahr?“ Mrs. Wedding lächelte Marie an. „Sie spiegelt ja auch nicht dein Äußeres, sondern dein Inneres wider. Verstehst du?“ - „Aber die Spiegelbilder der anderen sehen doch alle ganz normal aus?“ - „Ja, das stimmt. Für dich sehen sie normal aus, weil du sie nicht sehen kannst, Marie. Da jeder seinen eigenen Traum hat, kann auch nur jeder sein eigenes Spiegelbild sehen und nicht das der anderen.“ Marie setzte sich etwas verdutzt wieder hin. „Ich soll das sein? Mein Inneres? Dieses häßliche Ding?“ - „Schau sie dir ganz genau an, Marie. Du wirst überrascht sein, was du sehen wirst.“ Roy hörte fasziniert zu. „So, liebe Kinder. Morgen werdet ihr den ersten Träumelspruch lernen. Für heute ist es genug. Also los, hurtig hinaus.“ Mrs. Wedding stand auf und wollte das Zimmer verlassen. Als sie schon fast aus der Tür war, hatte Roy doch noch eine Frage: „Woher kommt der Regen, Mrs. Wedding?“ Roy sah ihr nettes Gesicht plötzlich sehr ernst werden. Sie überlegte, was sie erwidern sollte. „Niemand in Traumania weiß, woher der Regen eigentlich kommt, Roy. Aber ich hoffe - wir alle hoffen – dass du uns eines Tages die Antwort darauf geben wirst.“ Sie drehte sich um und verließ den Raum. Roy, Racket und Romi gingen zurück in ihr Zimmer, wo sie noch lange über diese seltsame Schule sprachen, über die vielen Unterrichtsfächer und Klassen, in denen sie das Träumeln lernen würden und über dieses kleine Zimmer, in dem ihre Aufnahmeprüfung stattfinden sollte, wobei Racket wieder schlecht wurde. Roy war mit seinen Gedanken wieder ganz woanders. Was hatte Mrs. Wedding ihm gesagt? Er wird wissen, woher dieser furchtbare Regen kam? Er? Ausgerechnet er? Roy Rapperpotz? Aber woher sollte gerade er das wissen? Spät löschten sie das Licht und legten sich schlafen. Roy zog seine Decke tief über den Kopf.
      Avatar
      schrieb am 13.04.04 00:01:01
      Beitrag Nr. 139 ()
      Mausel, jetzt sag blöß nicht, das war minimum ..:laugh:
      Avatar
      schrieb am 13.04.04 07:53:04
      Beitrag Nr. 140 ()
      nein @Maykiss das war eigentlich schon Maximum...

      Märchen wiederholen sich auch irgendwann in der Aussage, ich denke es reicht jetzt mit Märchen...

      sind aber sehr schöne dabei, aus aller Welt...
      Avatar
      schrieb am 03.05.04 23:51:48
      Beitrag Nr. 141 ()
      Der Mezzarianer hat das als Märchenstunde bezeichnet und noch einen Klick in seinem Tread postiert!
      Mittlerweile, Mausel, bin ich der Meinung, der schleicht dir hinterher :laugh:
      Also, ich würde keinem Menschen meine Aufmerksamkeit zukommen lassen, an dem mir nichts liegt;)

      Wahrscheinlich weiss er selber nicht, das er sich auf dich fixiert;)

      VMK :laugh::laugh:
      Avatar
      schrieb am 09.07.04 11:05:59
      Beitrag Nr. 142 ()
      Schneekoppewittchen und die sieben Fruchtzwerge

      Es war Piemontkirschenzeit und der Tag begann mit Krönung Light. Auch im
      Hause von Kaiser, wo sich die böse Stiefmutter mal wieder in ihrem
      Cholesterinspiegel überprüfte. Dieser sprach zu ihr: "Du besitzt zwar immer
      noch die Kraft der zwei Herzen, aber Schneekoppewittchen hat dafür das
      volle Verwöhnaroma!" Das ärgerte die Stiefmutter ganz gewaltig und sie
      beschloss, einen Jägermeister auszusenden, um Schneekoppewittchen zu
      beseitigen.

      Dieser ging mit Schneekoppewittchen in den Wald, damit ihn die
      Kräuterpolizei nicht ertappen konnte. Dort richtete er seine Danone auf
      Schneekoppewittchen, um ihr die Kugel zu geben. Allerdings erwies sich der
      Jägermeister als kleiner Feigling, denn er hatte nicht den nötigen Mumm um
      sie zu erschießen. Das war ja schließlich auch nicht die feine Englische
      Art.

      Also sagte Schneekoppewittchen: "Merci!" und rannte zu den sieben Bergen in
      das Haus der sieben Fruchtzwerge. Die Fruchtzwerge waren aber gerade in
      ihrem Bergwerk in Villabajo, um Goldbären und Megaperls abzubauen.

      Schneekoppewittchen dachte: "Die Freiheit nehm ich mir!" und machte sich
      sofort über den Müller-Milchreis und die Pepsi her. Danach fühlte sie sich
      so Bluna, dass sie sich erst einmal ins Bett legte. Es war After Eight, als
      die sieben Fruchtzwerge zurück in die Schwäbisch Hall traten. Sie schrien
      sofort tausend von Fragen, wie: "Wer hat von meinem Nutellachen gegessen?"
      und: "Wo ist der Deinhard?"

      Dann entdeckten sie Schneekoppewittchen. Sie entschuldigte sich bei den
      sieben Fruchtzwergen und frage sie, ob sie bei ihnen wohnen dürfe. "Du
      darfst!", sagten die sieben Fruchtzwerge. Denn sie suchten schon seit
      langem eine Haushälterin und Schneekoppewittchen hatte ohne Zweifel die
      schlaue Art zu waschen.

      So verging die Zeit, und als der Bergfrühling kam, schaute die Stiefmutter
      wieder in ihren Cholesterinspiegel. Der sagte wieder: "Du besitzt zwar
      immer noch die Kraft der zwei Herzen, aber aus Schneekoppewittchens
      Aromaporen dringt immer noch das volle Verwöhnaroma!" Also fasste sich die
      Stiefmutter ein Milkaherz und verübte drei Anschläge. Der dritte traf
      mitten in Schneekoppewittchens Karamelkern. Die Stiefmutter hatte ihr
      nämlich einen vergifteten Bratapfelkuchen von Koppenrath und Wiese gegeben
      und Schneekoppewittchen fiel sofort in einen Früchtetraum von Ehrmann.

      Als die sieben Fruchtzwerge aus Villabajo zurück kamen, legten sie
      Schneekoppewittchen in eine Frischebox. Da kam plötzlich ein Schokoprinz,
      der goldene Erdnusslocken hatte und dem die Prinzenrolle wie auf den
      Leibnitz geschrieben war. Er beugte sich über Schneekoppewittchen und gab
      ihr mit Blistexlippen einen Negerkuss.

      Schneekoppewittchen erwachte durch das Ferrero Küsschen sofort aus ihrem
      Früchtetraum von Ehrmann und dachte sich: "Keiner macht mich mehr an!"
      Avatar
      schrieb am 17.10.04 17:16:27
      Beitrag Nr. 143 ()
      Fabel-haft :)
      Avatar
      schrieb am 26.03.05 00:16:15
      Beitrag Nr. 144 ()
      :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 29.04.05 15:24:37
      Beitrag Nr. 145 ()
      was macht denn nun unsere geliebte MAUSEL?
      wollte das teil nur mal hochholen, damit unsere MAUSEL nicht vergessen wird.

      :kiss:
      Avatar
      schrieb am 29.04.05 17:01:42
      Beitrag Nr. 146 ()
      Mausel postet in nem anderen Forum, in dem sie auch ne Weile gesperrt war.
      Avatar
      schrieb am 29.04.05 17:02:54
      Beitrag Nr. 147 ()
      Nun veranstalte mal hier keine mausel Arschkriecherei
      Herr Kieberer.
      Da stellen sich mir ja die Haare auf. :confused:

      So ein blödes posting.
      ... und ich muss mich grad eben einklinken und den Mist auch noch lesen.
      Avatar
      schrieb am 29.04.05 17:12:58
      Beitrag Nr. 148 ()
      #147

      du stehst aber ganz schön auf mausel

      :laugh:
      Avatar
      schrieb am 29.04.05 17:19:35
      Beitrag Nr. 149 ()
      Quatschkopf Kieberer :mad:

      Ich kenn natürlich mausel als leser ihrer posts aber auf wen ich steh musst du mir nicht sagen.
      mausel ist schon ne nummer für sich und jeder kann ja seine eigene ansicht über sie auch haben

      .... aber ich hasse diese Arschkriecherpostings :cry:
      Avatar
      schrieb am 29.04.05 17:31:10
      Beitrag Nr. 150 ()
      #146

      hey Zip ... du bist ja auch da.

      Wie gehts??
      Avatar
      schrieb am 01.05.05 20:40:30
      Beitrag Nr. 151 ()
      ich habe aber den eindruck dass du sehr auf mausel stehtst.
      ich glaubedu würdest meilenweit für mausel gehen.
      mausel forever:laugh:
      Avatar
      schrieb am 01.05.05 21:29:45
      Beitrag Nr. 152 ()
      @Tiffany
      Mags well sein, daß Du ein bißchen großzügig beim Auslegen eigener negativen Fähigkeiten bist?

      .... aber ich hasse diese Arschkriecherpostings

      @Kieber
      Tiffy steht nicht auf Mausel. Tiffy ist ein Kerlchen und steht auf Kerls, aber nur wenn sie das Kürzel `%MOD%` im Nick haben.
      Avatar
      schrieb am 01.05.05 22:28:55
      Beitrag Nr. 153 ()
      wahnsinn, tiffy....


      du bist ein supertyp.....

      supertiffy ole, suuuperrtiiiiiiifffffiieeeee

      :kiss:


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