Bernd Niquet: Vom Tod eines Bären - 500 Beiträge pro Seite | Diskussion im Forum
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Bernd Niquet: Vom Tod eines Bären
- Das ökologische Gleichgewicht an der Börse -
Stellen wir uns doch einmal ein kleines und abgeschottetes Biotop vor, indem es ein paar Pflanzen, ein paar Schädlinge, einige Bären und noch ein paar andere Tiere gibt. Alles befindet sich in perfekter Harmonie. Die Schädlinge werden so weit durch die gefräßigen Tiere in ihrer Vermehrung gezimiert, dass die Pflanzen gedeihen können und die Tiere damit über reichliche Pflanzennahrung verfügen können. (Denn auch Bären essen entgegen weitverbreiteter Ansicht viel lieber Pflanzen und Honig als Menschen.)
Was würde nun jedoch passieren, wenn die Bären auf einmal verschwinden?
Das ökologische Gleichgewicht wäre plötzlich erheblich gestört, die Schädlinge würden sich deutlich vermehren und den verbleibenden Tieren letztlich damit die Nahrungsgrundlage entziehen.
Gestern wurde in London bekannt, dass der bekannteste Bär der City, Tony Dye, seine Investmentfirma Phillips & Drew verlässt. Dye ist in London unter dem Namen „Dr. Doom“ bekannt geworden und hat bereits seit 1996 aufgrund seiner Skepsis hinsichtlich des Booms der Technologieaktien hohe Cashpositionen gehalten. Dies hat ihm nicht nur die Performance gekostet, so wird jetzt berichtet, sondern nunmehr anscheinend auch den Job.
„Für viele Analysten“, so berichtet heute DIE WELT, „ist der Abgang von Dr. Doom ein Alarmzeichen. Sein Weggang sei vielleicht das Verkaufssignal für Technologiewerte, kommentieren so manche Auguren. Schließlich habe sich die die Investmentgesellschaft des letzten großen Bären entledigt. Und wenn nun der letzte Bär zum Bullen werde, dann naht das Schlachtfest.“
Das ist nun natürlich ebenso dummes Gerede, wie man unschwer erkennen kann, wenn man heutzutage die Märkte aufmerksam beobachtet, wie das ganze Gefasel von der Ökologie es auch ist.
Denn wozu brauchen wir heutzutage überhaupt noch Bären? Den Kollaps unserer natürlichen Systeme können wir doch wunderbar mit Autobahnen, Tabletten und Technologie bekämpfen.
Und an der Börse? Auch hier hat sich gezeigt, dass die Gesetze von gestern schon lange keine Gültigkeit mehr haben. Ja, dass es sogar viel besser ist, wenn die Negation des Himmelstürmens (in Verkörperung der Bären) einfach wegfällt.
Denn dann passiert hier nämlich das Gleiche wie in einer mathematischen Funktion, der man das Negativzeichen entnommen hat. Es geht unbegrenzt aufwärts. Das Gleichungssystem ist dann zwar nicht mehr in sich geschlossen und stabil, doch das ist völlig egal. Hauptsache es geht weiter aufwärts.
Bernd Niquet, Dienstag, 7. März 2000
Feed-back und Diskussion: Im angeschlossenen Board bei www.wallstreet-online.de oder über: b.niquet@wallstreet-online.de
Bernd Niquet, KEINE ANGST VORM NÄCHSTEN CRASH - Warum Aktien als Langfristanlage unschlagbar sind, Campus-Verlag, Frankfurt/M., New York 1999, 269 Seiten, kartoniert, 49,80 DM, ISBN 3-593-36293-7. Bestell-Link: http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3593362937/buchervonberndni
gessen und dieses Klima würde sogar noch Dinosaurier in unserem Biotop wachsen lassen. Die Naturgesetze der Börse greifen aber noch ganz klassisch, man sieht es ja am Dow Jones und den meisten Werten im S&P.
Das ist beruhigend, denn es gibt wahrscheinlich immer noch Leute die
auf steigende Zinsen achten. Die Dinosaurier werden aber irgendwann aussterben. So lange sie aber noch mit ausreichendem Mittelzustrom künstlich ernährt werden, wird auf unseren kleinen billigen Substanz-
werten noch eine Weile herumgetrampelt.
Und zum Gleichgewicht: Natürlich ist dies niemals völlig statisch und ausgewogen. Doch wenn bei nur zwei Tierarten (Bullen und Bären) die eine verschwinden würde, was ja glücklicherweise nur in Ansätzen geschieht, dann gerät ein derartiges System in eine bedrohliche Situation. Theoretisch natürlich nur, nicht in Wirklichkeit.
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